Es sind bereits zwei Wochen vergangen seit der tragische Unfall geschehen ist. Ich kann nicht essen, nicht schlafen, mich nicht bewegen, einfach nicht leben.
Was früher Alltag für mich war, fühlt sich heute fremd an.Meine Gefühle sind wie abgeschaltet, ich kann nicht lachen, ich kann nicht wütend sein, ich kann noch nicht mal traurig sein. Seitdem sie fort ist hat sich ein großes Loch in mein Herz gebohrt. Egal wie dick ich eingewickelt bin, wie warm es in meinem Zimmer ist, mir ist kalt.
Ich spüre langsam wie mit jedem weiteren Tag mein Leben dahinschwindet. Jede Minute meines kläglichen Daseins fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Keine Sekunde vergeht ohne dass ich an sie denken muss.
Jede Nacht quält mich derselbe Albtraum, wie sie dort regungslos lag. Wie ihre entsetzten leeren Augen mich anstarrten. Der Klang vom tropfenden Blut, welches von ihrem leblosen Körper auf das Auto fällt, was sie gerade zerquetscht hatte. In diesem Moment empfand ich einen unendlichen Schmerz in meiner Brust, welche sich gegenüber dem alkoholisierten Fahrer in puren Hass umwandelte. Dennoch hatte ich keine Chance zur Vergeltung. Mit einem lauten Knall explodierte das Auto und verteilte sich quer über die Straße. Das einzige woran ich dachte war sie, als ich von der Explosion erwischt wurde.
Schreckartig erwache ich aus meinem Albtraum und finde mich in einem weißen Raum wieder. Ich gebe mir die Schuld für den Unfall. Nach so einem heftigen Streit hätte ich sie nicht fortgehen lassen sollen. Als ich ihr nachlief war es bereits zu spät…
Ich wusste nicht mehr wie viele Tage vergangen sind, meine komplette Wahrnehmung war beeinträchtigt. Am Rande meines bleibenden Verstandes nahm ich wahr, dass immer wieder eine Person um dieselbe Uhrzeit in mein Krankenzimmer kommt, welche Blumen auf dem Tisch gegenüber meines Bettes wechselt. Dann setzt sie sich neben mich, nimmt meine taube Hand und redet für eine Stunde immer wieder auf mich ein. Wenn sie mir Fragen stellte antwortete ich nie darauf, ich starrte einfach nur an die weiße leere Wand. Sie gab nie auf und blieb hartnäckig.
Diesmal brachte sie mir keine Blumen und setzte sich einfach neben mich und begann wieder auf mich einzureden. „Hallo Ben mein Lieber, wie geht es dir heute?“ - Keine Reaktion.
„Weißt du Schatz heute ist deinem Vater was ganz Verrücktes passiert.“ Sie hielt kurz inne und hoffte auf eine Erwiderung. Nichts. „Du weißt ja, dass er nicht so mit Tieren kann.“ Ein kleines Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus.
„Er erzählte mir, dass er seit ein paar Wochen von einem riesigen Hund verfolgt wird. Das glaubte ich natürlich nicht und dachte es wäre mal wieder einer seiner Hirngespinste. Wie damals mit der angeblichen verdächtigen Nachbarin, die ihm nachspionierte. Sie hatte sich als alte, harmlose Frau entpuppt. Weißt du noch mein Schatz?“ Sie hoffte, dass diese Erinnerung eine Reaktion in mir weckte. Mit Erfolg, meine Augen huschten einmal zu ihr und dann wieder zurück zu der weißen kahlen Wand.
Hastig fuhr sie weiter. „Ehm… wo war ich… Ah genau! Wie immer musste ich der Sache auf den Grund gehen und was war es? Ein kleiner Dackel, der dem Geruch einer alten Salami in seinem Koffer gefolgt ist.“ Ein kleines Grinsen huschte über mein Gesicht. Dad war schon immer überzeugt davon gewesen die ganze Welt hätte sich gegen ihn verschworen. Ein Hang zum übertreiben hatte er auch.
„Übrigens Schätzchen demnächst ist deine Entlassung und ich wollte, dass du zu der Beerdigung deiner Frau gehst.“. In diesem Moment widmete ich ihr all meine Aufmerksamkeit und schaute sie direkt an. „Wann?“, fragt er. Sie hätte gewollt, dass ich dort hin gehe. In diesem Moment begann ich wieder zu mir zu finden.
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2016
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