Ein dumpfer Knall durchschnitt die Stille.
Greg Blunck sog die frische Morgenluft in gleichmäßigen Zügen in sich auf, während er in gemäßigtem Tempo seine Jogging-Tour im Brookside Park absolvierte. Eine friedliche Stille herrschte hier, vor allem in den Morgenstunden. Eine schöne Abwechslung zum sonst hektischen Leben in Los Angeles. Das Footballstadion bettete sich in die Schönheit der Natur. Stunden vor dem nächsten Spiel herrschte auch hier bei jeder seiner Runden Ruhe. Diesen Morgen war es allerdings anders.
Greg blieb stehen. Diesen Knall konnte er nur allzu gut zuordnen. Er tippte auf eine Browning mit Schalldämpfer. Eine hübsche Waffe, schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht ihm persönlich etwas zu lang inklusive Schalldämpfer, so müsste die Waffe ziemlich nach unten ziehen. Darauf sollte man vorbereitet sein.
Er schüttelte seinen Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Sie gehörten nun nicht hierher. Es war eben geschossen worden und von weitem sah er drei Gestalten auf sich zu rennen. Vorneweg eine Frau, ohne Zweifel. Der hellblaue Nickianzug schien durch das Grün des Parks. Eine schlechte Farbwahl, wenn man vorhatte sich zu verstecken. Knapp hinter ihr rannten zwei Männer, in Schwarz gekleidet. In ihrer jeweils rechten Hand sah Greg etwas aufblitzen. Eindeutig Schusswaffen.
Der Abstand zwischen der Gejagten und den Verfolgern wurde schnell kleiner. Die Frau keuchte vor Erschöpfung. Ihr langes blondes Haar flog wirr durch ihr Gesicht.
Da übersah sie eine Baumwurzel und stolperte. Sofort waren die Männer zur Stelle und packten ihr Opfer grob an den Armen. Wie ein Aal wand sie sich unter den Griffen. Ohne jeglichen Erfolg. Selbst zu schreien vermochte sie nicht mehr. Ihre Kehle war trocken von der Hetzjagd.
Greg eilte zu der Stelle, um mehr über diese ungewöhnlichen Morgenaktivitäten zu erfahren.
Der Mann mit dem verdammt vielen Locken auf dem Kopf und dem passenden düsteren Blick dazu fuchtelte unkontrolliert mit seiner Waffe vor Gregs Gesicht herum.
»Joggen Sie weiter. Das hier ist eine Familienangelegenheit.«
Greg war enttäuscht. Er sah keine FN Browning in den Händen der Angreifer, sondern nur gewöhnliche Glock. Das verwirrte ihn einen Moment, so hätte er sich doch nicht täuschen können. Er wischte den Gedanken erst mal beiseite, er würde sich später damit auseinandersetzen, wie es zu diesem Irrtum kommen konnte. Nun hatte die Frau in Not Vorrang.
»Ich weiß nicht so recht, in meiner Familie geht das anders zu.« Er sah in die flehenden Augen der blonden Frau, die ihn an irgendjemanden erinnerte.
»Glauben Sie, was Sie wollen. Es wäre besser für Sie, wenn Sie verschwinden würden.« Der Lockenkopf deutete auf seine Waffe, die Greg wohl beeindrucken sollte.
Blitzschnell traf ihn Gregs Handkantenschlag, der die Waffe zu Boden schleudern ließ. Damit hatte sein Gegenüber nicht gerechnet. Die nachfolgende Linke traf in das ungeschützte Gesicht und ließ seinen Gegner taumeln.
Die Frau nutzte die Gelegenheit, um sich von dem anderen schwarz gekleideten Mann loszureißen. Sie hatte Mühe sich fortzubewegen. Viel zu ausgepowert war sie. Dennoch schien sie große Willenskraft zu besitzen oder ihre Todesangst verlieh ihr enorme Kräfte.
Dann ging alles blitzschnell. Während der Lockenkopf sich benommen an einem Baum abstützte, kickte sein Partner Greg die Füße weg, so, dass dieser zu Boden fiel. Sofort richtete er seine Waffe auf Greg und schoss. Doch Greg rollte sich schon im Fall zur Seite, so dass die Kugel neben ihm in den harten Sandboden einschlug. Ehe der Kerl ein zweites Mal auf ihn feuern konnte, schnellte Greg mit seinem Fuß genau in die Kniekehle seines Gegners. Dieser verlor sogleich das Gleichgewicht und feuerte die Kugel gen Himmel, statt auf Greg. Bevor sich der Kerl von dem Schrecken erholen konnte und aufstand, beugte sich Greg über ihn und entwendete ihm, indem er seinen Arm herumzog, die Pistole.
Der Kerl schien nicht begeistert zu sein in die Mündung seiner eigenen Waffe zu schauen. Er murmelte etwas, was Greg nicht verstand, sich aber ziemlich nach Fluchen anhörte.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Lockenkopf sich zu bewegen vermochte. Schon richtete er die Pistole auf ihn. Mit seinem linken Fuß hielt er den anderen am Boden gedrückt.
»Nun seid ihr dran, verschwindet. Richtet eurer Oma aus, dass sie erst mal ohne Enkelin speisen muss.« Greg fand seinen Wortwitz selbst zum Lachen.
Da sich der Lockenkopf nicht in Bewegung setzte, zielte Greg über seinen Kopf und schoss in die Rinde des Baumes. Erschrocken zuckte er zusammen. Nervös schielte er in Richtung Sonne, links an Greg vorbei. Um nicht die Kontrolle über die beiden zu verlieren, musste er der Verlockung widerstehen. Er durfte seinem Blick nicht folgen. Langsam glitt der Lockenkopf zu Boden. Seine Blicke wanderten zu Greg und wieder an diesem vorbei.
»Sie haben erst mal gewonnen. Ich denke allerdings nicht, dass Oma es gutheißen wird, auf ihre geliebte Enkelin zu verzichten.«
Er streckte seinen Arm aus, um seine Waffe aufzuheben. Alles ganz bedacht, um nicht den Anschein zu geben, doch noch schießen zu wollen. Er steckte sie zurück in den passenden Halfter am Gürtel.
Währenddessen hob Greg seinen Fuß von der Brust des anderen, so dass er aufstehen konnte. Ohne sich den Sand abzustreichen, trotteten sie von dannen.
Greg sah sehr zufrieden aus. So ein morgendliches Training gefiel ihm, auch wenn der Lockenkopf seinen Witz geklaut hatte. Denen hatte er es gezeigt.
Da fiel ihm die Frau in Blau ein. Er drehte sich um. Nicht weit von ihm lag der hellblaue Nickianzug auf dem Boden. Da er sich noch bewegte, war noch Leben darin.
Beim Umdrehen riskierte er einen Blick in die Richtung, die der Lockenkopf so bevorzugt hatte. Er sah gegen die Sonne einen weichen Umriss sich abzeichnen. Hinter den herunterhängenden Ästen stand eine breite Gestalt, die das Geschehen immer noch beobachtete. Greg kniff die Augen zusammen, um mehr von dem schwarzen Schatten zu erkennen. Außer ziemlich breiten Schultern konnte er nichts ausmachen.
Der Schatten setzte sich in Bewegung und verschwand geschickt im Gewirr der Äste. Greg konnte sich nun der Dame widmen.
»Keine Angst, Sie sind erst mal in Sicherheit. Können Sie aufstehen?«
Greg hockte sich neben ihr hin.
Die Frau hob ihren Kopf. Durch die blonde Mähne konnte er nun in Ruhe ihr Gesicht betrachten. Es war schön, bis auf wenige frische Kratzer fast makellos. Er blickte in warme blaue Augen. Nun wusste er auch, woher er sie kannte. Die Frau sah aus wie eine Barbie-Puppe.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen.« Er ergriff ihren Arm, um sie in die Waagerechte zu heben.
»Aua, mein Fuß, ich glaube ich habe mir beim Sturz etwas zugezogen.«
Ah, eine russische Barbie, schoss es Greg durch den Kopf. Ihr Akzent hatte sie sofort verraten.
»Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf. Mein Büro ist nicht weit von hier. Da können Sie sich etwas ausruhen und frischmachen. Ich werde meiner Assistentin Bescheid sagen, Ihnen etwas zum Anziehen zu besorgen. Ich denke, sie hat in etwa Ihre Kleidergröße.«
Sein Blick lief an ihr hinab, blieb einen Moment an der Brustwölbung hängen. Im Kopf korrigierte er seine Anmaßung. Stephanie hatte nicht so viel Oberweite.
»Dankeschön, das ist sehr lieb von Ihnen.« Die sinnliche Stimme riss ihn aus seinem kurzen Tagtraum.
»Greg, Greg Blunck mein Name. Und wem habe ich eben das Leben gerettet?«
»Irina. Und wirklich, ich bin Ihnen dankbar, wer weiß was die beiden mit mir gemacht hätten, wenn Sie nicht gewesen wären.« Sie humpelte, gestützt von Greg, aus dem Park heraus in das sprühende Leben von Los Angeles
Greg wurde warm ums Herz, als sich ihre Augen trafen. Dennoch blieb er professionell.
Greg hatte nicht gelogen. Schon bald hatten sie sein Büro erreicht, das gleichzeitig seine großzügige Wohnung war. Auf dem Türschild las Irina die Inschrift “Greg Blunck, Privatdetektiv”. Etwas fester schmiegte sie sich an ihren Helden, als es die Treppen rauf ging.
»So, Sie können sich auf das Sofa setzen. Ich werde meine Assistentin anrufen und ihr Bescheid sagen. Dann gehe ich nur schnell duschen. Danach haben wir Zeit zum Reden.« Schon verschwand Greg im Nebenzimmer
Irina wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie schaute sich im Zimmer um. Ein typisches Büro für einen Privatdetektiv, empfand sie. Kühl und sporadisch eingerichtet. Mit ein paar Fotos von Persönlichkeiten an der Wand, um den Kunden zu suggerieren, sie wären seine Klienten gewesen und voll zufrieden mit seinen Diensten.
An der tiefen Fensterfront stand der moderne Schreibtisch mit PC. Daneben ein Regal voll mit Büchern. Ob sinnvoll oder nicht, auch diese machten Eindruck. Eine kleine Bar durfte natürlich auch nicht fehlen. Irina war schon in viele Büros geladen worden, die so aufgebaut waren. Als ob alle demselben Innenarchitekten vertrauen würde. Alles ohne persönliche Note. Selbst das Sofa stand perfekt ausgerichtet gegenüber den Bildern und neben der Bar.
In ihrem Kopf ratterte es, was sollte sie nun machen? Brauchte sie Greg vielleicht noch? Würde er eine Last für sie werden? Zumindest musste sie sich auf neugierige Fragen einstellen.
Da hörte sie die Brause von einem Duschkopf angehen. Nun könnte sie sich aus dem Staub machen. Er würde sie nicht finden können. Doch eine Stimme in ihr sagte, dass es besser wäre zu bleiben. Sie hörte auf dieses Gefühl.
Zumindest wollte sie sich für die Rettung bedanken. Auf ihre Weise und wie es Männer am liebsten mögen.
Irina stand auf und testete ihren Knöchel. Die Schmerzen waren nicht mehr so stark. Ein wenig konnte sie ihn belasten. Sie ging zu dem Raum, in dem Greg verschwunden war. Sie fand sich in seinem Schlafzimmer wieder. Auf seinem sehr ordentlich gemachten Bett lag noch ordentlicher seine Kleidung. Die Tür gegenüber war nur angelehnt. Das Badezimmer, vermutete Irina sofort richtig.
Sie entkleidete sich, anders als Greg ließ sie ihre Sachen allerdings achtlos zu Boden gleiten und sie da auch liegen. Ihre Kleidung bestand nur aus einer Hose und der Trainingsjacke. Unterwäsche hatte sie nicht an.
Wie Gott sie schuf huschte sie ins Badezimmer und schlüpfte gleich zu Greg unter die Dusche.
Texte: Linda Woode
Bildmaterialien: Shutterstock.com
Tag der Veröffentlichung: 26.08.2017
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