Ich hatte mich in dieses Haus verliebt. Hatte es doch alles was ich wollte, eine ruhige Lage, etwas außerhalb der kleinen Stadt und groß genug für meine Zwecke. Es waren zwölf Zimmer, eine Riesenküche und zwei Bäder, in jedem Stockwerk eins.
Es war ein altes Gutshaus und gehörte nach dem Tod des letzten Eigentümers seiner zerstrittenen Erbengemeinschaft, die es jahrelang leerstehen ließ.
Der Makler bekam dann letztendlich von den Erben den Vermittlungsauftrag, aber kaum Unterlagen.
Die Bausubstanz war aber in Ordnung, das Dach sah noch sehr dicht aus, und der Preis war OK.
Wir wurden uns schnell handelseinig und saßen eine Woche später beim Notar.
Der Kaufpreis war schnell belegt und die Auflassungevormerkung im Grundbuch. Mit den Schlüsseln vom Makler fuhr ich zum Haus, zu meinem Haus.
Ich hatte vor im ersten Stock einiges umzubauen und wollte schon mal maßnehmen. Dort waren sieben der insgesamt 12 Zimmer und einige wollte ich zusammenlegen.
Vier auf der Süd- und drei auf der Nordseite, südlich sollten aus den vieren zwei große Zimmer werden mit großem Wintergarten, und das Größte auf der Nordseite sollte ein Erlebnisschlafzimmer werden, mit Wasserbett und allem drum und dran.
Ich nahm also mein Ultraschallmeßgerät und meinen Skizzenblock und begann mit der Zeichnung.
Das erste Zimmer maß fünf Meter mal fünf Meter, das zweite auch, also mußte das letzte dann wohl zehn mal fünf sein. Na, und da es dann eine Ostseite hatte, ideal für das Schlafzimmer. Es hatte im Gegensatz zu den anderen zwar 2 Fenster maß aber nur 8 m. Na vielleicht waren in der Zwischenwand Kamine und Versorgungsleitungen, aber zwei Meter waren dafür sehr reichlich bemessen.
Ich ging vor das Haus und schaute mir die Nordfront an, alle vier Fenster symmetrisch über die Fassade verteilt.
Am nächsten Tag fuhr ich zum zuständigen Bauamt und sah die Bauakte ein. Ich staunte nicht schlecht, als ich auf dem Grundriß des Obergeschosses auf jeder Seite des Flurs VIER Zimmer sah.
Mit einer Kopie der Pläne fuhr ich zurück zum Haus.
An der Stelle, an der in der Bauzeichnung die Tür zum vierten Zimmer eingezeichnet war stand dieser schwere eichene Schrank.
Ich öffnete die schwere Mitteltür des Möbels, es war leer.
Aus dem Schuppen hinter dem Haus holte ich eine Eisenstange und einen Keil. Dann begann ich den schweren Eichenschrank von der Wand zu rücken.
Ich staunte nicht schlecht, als ich dahinter die vierte Tür auf dieser Seite des Flurs entdeckte.
Sie hatte keine Klinke. Mit einem Schraubenzieher im Vierkant, ließ ich sie aufschnappen und sie schwang nach innen auf.
Im Lichtkegel meiner Taschenlampe erschienen total verstaubte Dielen.
Die Tür ging nicht ganz auf, und ich wollte mich hindurchzwängen, als mein Fuß gegen etwas stieß: Ein kleines Notizbuch mit geleimtem Rücken und erstaunlicherweise unvergilbten Seiten, die wohl in Abwesenheit des Sonnenlichtes dazu keine Chance gehabt hatten.
Neugierig schlug ich es auf. Die Seiten waren eng in Sütterlinschrift beschrieben. Da meine Jahrgänge diese noch lernen mußten, konnte ich sie lesen und begann sofort damit.
Es war ein Tagebuch. Das Tagebuch eines Mannes, der anscheinend in diesem Haus gelebt hatte. Er beschrieb seinen Aufenthalt sehr merkwürdig. Einerseits waren seine Worte voller Lob über seinen Gastgeber, andererseits wurde er wohl auch immer wieder von jenem in diesen fensterlosen Raum gesperrt.
Es waren nicht viele Tage dort vermerkt. Seine Aufzeichnungen gingen nur über wenige Tage und endeten mit dem Eintrag:
„Ein fürchterliches Geschreie und Gepolter im Flur, Schüsse, Stiefeltritte und dann Ruhe. Diese fürchterliche Ruhe. Sie wird mein werden!“
Verdutzt schloß ich das Buch und ging mit meiner Taschenlampe in der Hand wieder in das offensichtliche Verlies.
Ich drückte die Tür gegen den Widerstand, der ein völliges Öffnen verhinderte. Zwei-, dreimal trat ich dagegen, als ein morsches Knacken zu hören war.
Ich betrat den Raum nun vollends und leuchtete ihn aus. An der Wand war mit Bleistift ein Strichkalender gezeichnet, wie er mir aus alten Gefängnisszenen bekannt war. Als Jahreszahl stand 1944 darüber. Ich schaute hinter die Tür zu dem Lumpenbündel, welches die Tür blockiert hatte.
In den Lumpen steckten die Überreste eines Menschen und davor lag auf dem Boden, wohl im Todeskampf abgerissen, ein gelber Stern.
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2012
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