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Maskenball

Sie trug nicht nur ein unglaublich gewagtes und schrilles Kostüm, sondern sah zudem noch blendend aus. Ich musste sie ansprechen!
„Wenn es hier eine Kostümprämierung gäbe, würden Sie garantiert den ersten Preis gewinnen“, eröffnete ich das Gespräch, als ich mich neben sie an die Bar stellte.
„Gefällt dir mein Outfit wirklich?“, flötete sie, und dass sie mich duzte, erschien mir vielversprechend. Ich musste dran bleiben!
„Es ist unglaublich originell und vor allem ungeheuer sexy“, antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Oh, vielen Dank, es hat mich viel Zeit gekostet. Ich habe es selbst entworfen und genäht.“
„Fantastisch! Darf ich dir einen Drink spendieren? Quasi als Dankeschön für den wundervollen Anblick?“
„Du bist ja vielleicht ein Charmeur! Aber du darfst mir einen Champagner spendieren. Du gefällst mir.“ Ihr bezauberndes Lächeln ließ mich schweben.

Das Gespräch plätscherte vor sich hin, wir lachten zusammen, und aus dem spendierten Glas Champagner wurde eine ganze Flasche. Wir saßen dicht beieinander und ich konnte meine Blicke über ihren Körper und ihr Kostüm spazieren lassen. Glitzernde Strasssteine verzierten ihre Riemchensandaletten, die sich bis zur halben Wade hinaufzogen. Ein abstehendes, einem Tutu ähnliches Röckchen, darunter ein Rüschenhöschen in einem zarten Blauton. Der nicht allzu üppige Busen wurde von einem paillettenverzierten Bustier in Schwarz dem Betrachter entgegen gehoben. Wenn Milly, wie sie sich mir vorstellte, sich etwas vorbeugte, konnte ich ihre Nippel sehen und es fiel mir schwer, nicht hinzugucken.

„Findest du nicht, dass ich ein wenig wie Madonna aussehe?“, fragte sie
„Doch, dein Kleid würde ihr sicher ebenfalls stehen. Wenn auch garantiert nicht so gut wie dir.“
„Ja, das finde ich auch“, lachte sie mit heller Stimme und rückte noch ein Stück näher. „Du verstehst es, einer Dame Komplimente zu machen. Aber weißt du was? Langsam werde ich ein wenig beschwipst."
„Das macht nichts, mir geht es ähnlich.“
„Oh, dann habe ich an dir also gar keine Stütze, wenn ich umkippen sollte?“
„Doch, doch, ich bin auch mit einem Schwips standhaft“, gab ich etwas doppeldeutig zur Antwort.
„Dann lehne ich mich schon mal vorsorglich bei dir an, mein starker Held.“
So nah waren wir uns noch nicht gekommen und ihr dezentes Parfüm umschmeichelte meine Nase. Opium, tippte ich. Ihr Kopf befand sich an meiner Schulter und ich drückte einen sanften Kuss auf ihr glattes, schwarzes Haar.

Um uns herum tobte der Wahnsinn des Kölner Karnevals, die Musik dröhnte, die schrillsten und unmöglichsten Kostüme drängten sich durch die Gänge, doch ich hatte nur Augen für Milly, die mich schon beim ersten Anblick in ihren Bann gezogen hatte. Auch wenn es eine Menge weiterer offenherziger Kostüme und hübsche Weiblichkeit zu sehen gab, mit Milly konnte es niemand aufnehmen. Wir bildeten eine Oase der Stille und Beschaulichkeit in der Wüste von Lärm und Oberflächlichkeit, die uns rings umgab.

„Küss mich, Manuelito“, forderte sie mich auf. Diese Koseform meines Namens mochte ich besonders und sie bezauberte mich mit dieser Anrede noch mehr. Obwohl ich sie wegen des Lärms ringsumher kaum verstanden hatte, vertraute ich auf meinen Instinkt.
Erst zart, dann voller Leidenschaft, presste ich meinen Mund auf ihren und unsere Zungen spielten miteinander das uralte Liebesspiel.
„Lass uns woanders hingehen, hier ist es zu laut und es gibt zu viele Leute“, schlug Milly vor, als wir unseren intensiven und erregenden Zungenkuss beendet hatten. Wie sehr sie damit meinen Wünschen entgegenkam!
„Ja, du hast recht, gehen wir woanders hin. Hast du einen Vorschlag?“
„Hm, meine Wohnung ist nur fünf Minuten von hier. Wenn du Lust hast ...?“
„Oh ja, gehen wir zu dir.“ Wunder geschahen also doch!

Wir tranken aus, ich half ihr an der Garderobe in den Mantel und wir begaben uns zum Ausgang. Als wir aus der Tür traten, sah ich vor mir ein Schild mit einem Pfeil nach rechts und der Aufschrift: ‚Zum Maskenball der raderdollen Weiber’. Seltsam, von diesem Maskenball kam ich doch gerade.
Als ich mich umdrehte und zurückschaute, sah ich das Schild über dem Eingang: ‚Lesben- und Schwulenball’.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.09.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch all denen, die keine Vorurteile haben.

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