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Vorwort

 

 

Hätte man mich vor einiger Zeit gefragt wie mein Leben verläuft, hätte ich sofort darauf geantwortet: „Perfekt!“

Seit heute wusste ich, dass ein noch so schöner Schein auch böse trügen konnte. Denn obwohl ich meinen Verlobten Dean in sechs Monaten eigentlich heiraten wollte, war ich seit gerade eben wieder Single.

Wie es dazu kam?

Jedenfalls nicht von heute auf morgen. Der Prozess war so schleichend, dass Dean und ich erst davon bemerkt hatten, als es schon zu spät war.

Nun saßen wir uns gegenüber; betreten und betroffen darüber, wie es eigentlich so weit hatte kommen können.

Ich fragte mich, ob wir denn irgendetwas dagegen hätten tun können. Immerhin waren wir doch bis dato ein glückliches Vorzeigepaar gewesen. Wir waren beste Freunde und Seelenverwandte, teilten dieselben Hobbys und den Freundeskreis. Und nun sollte das alles vorbei sein?

 

„Was sollen wir denn jetzt tun?“, stöhnte ich und stützte mein Gesicht in die Hände. Der Kaffee der vor mir auf dem Tisch stand war längst kalt und ich schob die Tasse beiseite. „Ich … ich weiß nicht, ob ich die letzten Jahre wirklich einfach so wegwerfen möchte!“, fügte ich mit verzweifelter Miene noch hinzu.

Dean stieß geräuschvoll Luft aus. „Glaub mir, ich will das genauso wenig. Aber wenn du ehrlich bist spürst du doch auch, dass es zwischen uns einfach nicht mehr stimmt.“

Deans Worte hallten in meinen Ohren wider. Und leider hatte er Recht. Der Streit letzte Woche hatte nur zum Vorschein gebracht, dass wir uns in letzter Zeit wohl eher etwas vorgemacht hatten. Wir waren so bemüht gewesen unsere Fassade von der perfekten Beziehung aufrecht zu erhalten, dass wir verdrängt hatten, dass wohl irgendwann die Liebe auf der Strecke geblieben war.

Wir waren so mit unserem Alltag, den Terminen und uns selbst beschäftigt gewesen, dass wir es nicht bemerkten.

 

Ich wusste gar nicht mehr genau, was den Streit ausgelöst hatte. Doch am Ende warfen wir uns alles an den Kopf, was sich in den letzten Monaten aufgestaut hatte. Dean schlief in dieser Nacht bei einem Kumpel und so hatten wir gezwungenermaßen Zeit, uns mit unserer Beziehung auseinanderzusetzen und über alles nachzudenken.

Das Ergebnis gefiel uns beiden nicht. Irgendwie waren uns die Gefühle abhanden gekommen, und das erst jetzt zu bemerken war ziemlich bitter!

„Was machen wir nur mit der Wohnung? Und den Hochzeitsgästen? Und überhaupt ... mit der Hochzeit?“ Als mir klar wurde was nun alles auf dem Spiel stand, brachen die Emotionen über mich herein. Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich musste schlucken, weil sich meine Kehle verengte.

Dean griff nach meiner Hand. Unsere Blicke trafen sich und ich spürte einen Stich in der Magengegend. Wollte ich ihn denn überhaupt verlassen? Seit wir unsere Gefühle ausgesprochen hatten, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher ob es eine gute Idee war, dass wir uns trennten.

„Pass auf, ich ziehe erstmal zu Ben in die WG und du bleibst hier wohnen. Wir müssen ja nichts überstürzen …“ Er schien zu überlegen. „Wir waren jetzt elf Jahre ein Paar, so eine lange Zeit wischt man nicht mit einer Handbewegung einfach weg. Lass uns doch erstmal eine Auszeit nehmen …“, schlug Dean plötzlich vor. „Wir gehen getrennte Wege und sehen … was oder wer uns in nächster Zeit so begegnet. Vielleicht brauchen wir genau das … und … wenn wir merken, dass wir doch noch Gefühle für einander haben, dann heiraten wir in einem halben Jahr, so wie es geplant war. Wenn nicht … trennen wir uns endgültig.“

Ich war mir sicher, ich blickte Dean einige Sekunden lang mit ungläubigem Blick an. Dann endlich war ich zumindest wieder fähig zu blinzeln. „Ist … ist das dein Ernst?“, fragte ich flüsternd und war noch nicht ganz überzeugt von seinen Worten. Er wollte ernsthaft eine Trennung auf Probe?

„Und was ist … wenn wir in dieser Zeit Leute … kennenlernen? Ich meine, du eine andere Frau oder … ich einen anderen Mann und … schlafen wir mit denen?“ Die Worte purzelten zusammenhanglos aus meinem Mund. Das war doch eine völlig verrückte Idee. Dean schürzte die Lippen. „Wenn es sich ergibt … ja. Wer weiß, vielleicht ist es genau das Richtige, das jeder von uns andere Erfahrungen macht. Immerhin sind wir so jung zusammen gekommen. Vielleicht müssen wir uns einfach noch ausleben und mal sehen, am Ende finden wir womöglich wieder zusammen.“

 

Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Auf der einen Seite hatte es etwas Tröstendes, dass es vielleicht doch noch eine Chance für uns gab. Auf der anderen Seite kam es mir absurd vor, die Beziehung derart auf Eis zu legen.

„Weißt du was“, Dean griff nach seinem Handy und stand auf. „Denk darüber nach und lass es mich wissen, wie du dich entschieden hast, okay?“ Er lief in den Flur, in dem noch eine einzelne Kiste mit seinen Sachen stand. Alles andere hatte er bereits zu Ben in die Wohnung geschafft. „Schau nicht so traurig, Kleines! Das ist nicht das Ende der Welt!“ Er hob mein Kinn mit zwei Fingern an und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Dann schnappte er sich den Karton und bugsiert ihn in das Treppenhaus.

Als die Tür hinter ihm zufiel, lehnte ich mich kraftlos in den Türrahmen. Was für eine riesengroße Scheiße! Ich war einunddreißig Jahre alt und anstatt meinen Traummann zu heiraten, war ich nun also wieder Single!

Kapitel 1

 

 

„Ihr habt was?!“ Die Stimme meiner besten Freundin Kaylie sprang eine Oktave höher und schrillte schmerzhaft in meiner Ohrmuschel. „Du verarscht mich doch, oder? Bitte sag mir, dass du versuchst mich zu verarschen!“, fügte sie noch hinzu, dann entstand eine Pause.

Ich presste das Smartphone gegen mein Ohr und kaute auf der Unterlippe herum. „Sorry Kay – ich wünschte, es wäre so aber … es ist leider wahr. Dean und ich haben uns gerade getrennt!“ Es kam mir selbst noch so unwirklich vor und ich wurde das Gefühl nicht los, dass Dean gleich wieder durch die Tür marschiert kam, so als ob er nur eben einkaufen gewesen war. Doch ich musste mich wohl langsam damit abfinden und der Tatsache ins Auge sehen, dass er eben nicht zurückkommen würde.

„Was ist denn passiert? Ich meine … ihr zwei … für jeden der euch kennt wart ihr das Traumpaar schlechthin!“ Kaylies Stimme zeugte davon, dass auch sie es noch nicht glauben wollte.

Geräuschvoll atmete ich aus, ließ mich auf dem grauen Sofa nieder und presste mir zwei Finger gegen die Stirn. „Das ist schwer zu erklären … zumal ich selbst noch nicht wirklich realisiert habe, was eigentlich passiert ist. Irgendwie … haben wir uns in der letzten Zeit auseinander gelebt und das … obwohl wir fast jeden Tag zusammen waren …“ Ich versuchte irgendwie in Worte zu fassen, was mit meiner Beziehung zu Dean geschehen war.

„Das schreit nach einem Freundinnen-Notfallmodus-Rettungsabend!“, rief Kaylie aus und ich blinzelte irritiert. „Einem … was?“

„Na, ich komme heute Abend mit mehreren Flaschen Prosecco und tonnenweise Eiscreme vorbei und wir schauen uns auf Netflix irgendeine Serie an, die dich von deinem Liebeskummer ablenken wird. Also nichts Schnulziges oder so.“

Bei Kaylies Worten musste ich sogar kurz schmunzeln. „Das klingt gar nicht schlecht …“, gab ich zu.

„Natürlich klingt das nicht schlecht! Morgen ist Wochenende und deshalb kippen wir uns einfach so viel Prosecco hinter die Binde dass du vergisst, wer Dean eigentlich war!“

Bei ihren Worten zog sich mein Brustkorb schmerzhaft zusammen. Ich war mir nicht sicher, ob ich Dean einfach so vergessen wollte, doch ich schwieg und war froh über Kay´s Vorschlag, vorbei zu kommen. Denn die Vorstellung, dass ich ab sofort allein diese Wohnung bewohnte, behagt mir absolut nicht. Ich wusste gar nicht wie man alleine lebte. Dean und ich waren bereits sechs Monate nachdem wir zusammen gekommen waren, in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Länger als ein paar Nächte waren wir nie voneinander getrennt gewesen. Als mir das schlagartig bewusst wurde bekam ich Schluckauf, so sehr verkrampfte sich mein Zwerchfell. Hicks!

„Also, dann stehe ich um achtzehn Uhr bei dir vor der Tür, okay?“, hakte Kaylie nach.

„O-okay!“ Hicks!

 

Nachdem ich das Telefonat mit Kaylie beendet hatte, trank ich in der Küche ein großes Glas Wasser, um den Schluckauf wieder los zu werden. Doch der war ziemlich hartnäckig und kam immer wieder. Nach einer Weile hatte ich so viel Wasser getrunken, dass ich blitzartig zur Toilette musste.

Wenigstens war danach der lästige Schluckauf endlich vorbei.

 

Kaylie war überpünktlich und klingelte um 17:59 Uhr Sturm an meiner Tür. Als ich öffnete, drückte sie mir schnaufend eine Papiertüte in die Hand und trat an mir vorbei. „Hier ist unser Stoff – denkst du, dass vier Flaschen Prosecco reichen?“ Sie wickelte sich den Schal vom Hals. Es war Januar in New York und der Winter hatte Einzug gehalten. Laut Wetterbericht erwarteten uns nächste Woche eisige Temperaturen und ein Schneesturm. Ich musste eiligst den aufkeimenden Gedanken an die Hochzeit verdrängen, denn mir war sofort wieder zum heulen zumute. Unser geplanter Termin wäre der 24. Juli gewesen. Doch nun stand das alles in den Sternen.

„Halloho! Erde an Dawn!“ Kaylies strenge Stimme riss mich aus meinem Gedankenkarusell. Fragend blinzelte ich sie an. „Hm?“

„Wir brauchen Gläser … und große Löffel!“ Meine Freundin hatte die Hände in die Hüfte gestützt und betrachtete mich mit einem auffordernden Blick. „Ach so … äh … klar!“ Ich eilte in die Küche, schnappte mir zwei Gläser und zwei Löffel und stieß im Wohnzimmer auf Kaylie, die es sich bereits auf der Couch bequem gemacht hatte.

Ihr Blick schweifte die Wände entlang und sie schüttelte mit bedauernder Miene den Kopf. „Wirklich schade! Ihr wart ein echt schönes Paar!“

Seufzend ließ ich mich neben ihr nieder und betrachtete ebenfalls die Bilder von Dean und mir. „Tja, so kann man sich täuschen!“

 

Kaylie richtete sich auf. „So, jetzt ist es aber genug mit der Trauerstimmung! Jetzt verdrücken wir mehr Eis als gesund für uns ist!“ Sie schenkte uns Prosecco in die Gläser und erhob ihren Löffel. „Cheers, meine Liebe! Andere Mütter haben auch noch tolle Söhne!“

Das war ein typischer Standardspruch einer Freundin, wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen war. Ich empfand ihn ehrlicherweise als wenig motivierend. Genau genommen erinnerte einen dieser Spruch daran, dass man nun wieder gezwungen war, sich auf die Suche nach einem Kerl zu machen, der halbwegs anständig war. Oh Gott, wie furchtbar. Eigentlich hatte ich schon angefangen darüber nachzudenken mit Dean eine Familie zu gründen, und jetzt … jetzt fing ich wieder bei Null an!

Deprimiert schob ich mir einen großen Löffel von Ben & Jerrys Peanutbutter Cups in den Mund. Immerhin hatte Kaylie meine Lieblingseissorte besorgt.

 

Es war nicht leicht eine passende Serie auszuwählen, in der es nicht um Liebe und Beziehungschaos ging. Sogar From Dusk till Dawn fiel aus, da sich dort ein echt heiß aussehender, menschlicher Kerl in eine Dämonin verliebte.

Letztendlich sahen wir uns mehrere Folgen von Lucky Lukes neuen Abenteuern an. Denn eines musste man dem Mann lassen, er hielt vehement an seinem Leben als armer, einsamer Cowboy fest, obwohl es an Verehrerinnen nicht mangelte.

Vielleicht sollte ich mich ebenfalls in den wilden Westen aufmachen und dort ein einsames Leben im Sattel eines Pferdes verbringen. Die Vorstellung hatte schon seinen Reiz.

 

Irgendwann begannen Kaylie und ich zu plaudern und die Serie flimmerte nur noch im Hintergrund über den Fernseher.

„Und das war es jetzt wirklich mit euch? Ihr habt euch endgültig getrennt?“ Der fragende Blick meiner Freundin ruhte auf mir und ich begann auf meinem Platz hin und her zu rutschten. Eigentlich hatte ich nicht über meine gescheiterte Beziehung sprechen wollen, doch der Alkohol zeigte langsam Wirkung und lockerte meine Zunge.

„Na ja … sooo endgültig ist es offenbar noch nicht …“, begann ich und ließ mich dann von Kaylie überreden, ihr von Deans Vorschlag zu erzählen.

„Moment mal …“ Meine Freundin blinzelte irritiert. „Du willst also damit sagen, dass ihr eventuell doch heiratet, aber nur, wenn keiner von euch beiden etwas Besseres findet?“

„Wenn du das so ausdrückst hört es sich echt absurd an!“, maulte ich und trank einen Schluck aus meinem Glas.

Kaylie wedelte mit den Armen. „Na, weil es irgendwie absurd ist!“ Sie stieß geräuschvoll Luft aus und schien kurz zu überlegen. „Und trotzdem … klingt es auch irgendwie logisch …“ Sie hob ihren Blick. „Und? Hast du dem zugestimmt?“, hakte sie nach. Ich zuckte mit den Schultern. „Dean meinte, ich soll drüber nachdenken … und ihm Bescheid sagen, wenn ich mich entschieden habe.“

„Hast du dich denn schon entschieden?“, wollte meine Freundin wissen, doch ich schüttelte den Kopf. „Noch nicht wirklich … aber je länger ich darüber nachdenke, umso eher glaube ich, dass ich zustimmen werde.“

Kaylie schürzte die Lippen. „Dann musst du das nächste halbe Jahr aber intensiv nutzen, um dich nochmal umzuschauen. Vielleicht findet sich ja doch noch ein heiratsfähiger Kandidat!“

Ich hob eine Braue und sah meiner Freundin in die Augen. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt, mich die nächsten sechs Monate hier zu verkriechen und einfach zu hoffen, dass Dean und ich am Ende wieder zusammenkamen und heirateten. Doch als ich Kaylies Blick begegnete beschloss ich, ihr auf keinen Fall von diesem Vorhaben zu erzählen.

 

Ich ließ mir von Kaylie nur zu gern immer wieder das Glas nachfüllen. Morgen würde ich mit Sicherheit einen Mordskater haben, aber dann hatte ich wenigstens eine gute Ausrede, um den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Kaylie und ich quatschten die halbe Nacht und glücklicherweise sah sie auch irgendwann davon ab, über Dean zu reden. Sie begann Pläne für mich für das kommende halbe Jahr zu schmieden. Meine beste Freundin war tatsächlich der Meinung, ich müsste unbedingt raus aus dem Haus und unter Leute. Außerdem ermutigte sie mich dazu, mal neue Sachen auszuprobieren und sie schlug vor, gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Gegen ein paar entspannte Tage mit Kaylie hatte ich absolut nichts einzuwenden. Ob es allerdings tatsächlich notwendig war, irgendetwas Neues auszuprobieren – da war ich noch nicht so ganz ihrer Meinung.

Irgendwann waren drei der ursprünglich vier Flaschen Prosecco leer und ich spürte, wie ich immer wieder blinzeln musste, weil meine Lider bleischwer wurden. Auch Kaylies Aussprache war nicht mehr ganz klar und sie sank immer tiefer in die Kissen meiner Couch.

Wir beschlossen schlafen zu gehen, wobei ich Kaylie noch Bettzeug für das Sofa brachte, auf dem sie übernachten würde.

Ich hingegen kroch in das große Bett, das ich mir mit Dean geteilt hatte und musste den aufkeimenden Drang zu heulen unterdrücken, als ich mich zwischen die Laken kuschelte, in denen sein Geruch noch allzu überdeutlich hing. Kein Wunder, hatte er doch bis vor kurzem noch jeden Abend neben mir gelegen.

Mit seinem T-Shirt im Arm schlief ich ein und träumte völlig wirres Zeug, das ich nicht einzuordnen vermochte.

 

Am nächsten Morgen weckten mich Geräusche, die aus meiner Küche drangen, gepaart mit dem Geruch von Kaffee.

„Guten Morgen, Schlafmütze!“, erklang auf einmal Kaylies fröhliche Stimme von der Tür her.

Ich stöhnte, rollte mich herum und zog mir die Decke über den Kopf. „Na Sonnenschein – hast du gut geschlafen?“ Kaylie hockte sich zu mir auf die Bettkante und stellte eine Tasse auf meinem Nachtkästchen ab. Der Duft von heißem Kaffee stieg mir in die Nase. Ich schlug die Decke zurück und blickte meine beste Freundin ungläubig an. „Wie kommt es, dass du immer so fit und ausgeschlafen bist – egal wie kurz die Nacht war?“, fragte ich leicht maulend und zog eine Schnute. Meine Lider waren noch so schwer und in meinem Kopf hatte sich ein unangenehmer Druck breit gemacht. Vermutlich waren das die Folgen des übermäßigen Proseccokonsums gestern.

Kaylie sah man davon überhaupt nichts an. Sie strahlte mir frisch gekämmt und geschminkt entgegen und hielt mir die Tasse unter die Nase. „Hier, trink solange er noch heiß ist!“

Ich setzte mich halb auf und nippte an meinem Kaffee. „Ich hab´s! Du bist überhaupt kein menschliches Wesen, sondern ein … Alien … oder ein Vampir … oder vielleicht auch eine Mutantin!“ Mit verengten Augen musterte ich meine Freundin. „Und deshalb können dir weder Alkohol, noch zu wenig Schlaf etwas anhaben!“, mutmaßte ich und Kaylie begann zu grinsen. „Das ist aber extrem spekulativ. Das ist dir hoffentlich bewusst!“

„Eines Tages komme ich schon noch hinter dein Geheimnis!“, erklärte ich schmunzelnd und Kaylie lachte. „Vielleicht muss ich dich dann töten!“

Es war typisch für Kaylie und mich, dass wir derart albern miteinander scherzten. Wir kannten uns schon seit dem College und ich konnte mir keine bessere Freundin an meiner Seite vorstellen. Es hatte nichts gegeben, das unsere Freundschaft ernsthaft in Gefahr gebracht hatte - weder Männer, noch Karriere. Sie war für mich die Schwester, die ich nie gehabt hatte. Ich war als Einzelkind in New Jersey aufgewachsen. Bis meine Eltern sich getrennt hatten und meine Mutter mit mir nach New York zog. Sie schlug sich mit mehreren Jobs durch und dennoch hatte ich nie das Gefühl gehabt, sie würde mich vernachlässigen. Meine Mom war eine liebevolle Frau und Mutter gewesen. Leider starb sie vor fünf Jahren an einem Schlaganfall. Ich vermisste sie jeden einzelnen Tag und versuchte mir ihre Stärke und Unerschütterlichkeit zum Vorbild zu nehmen. Das klappte mal mehr, mal weniger gut. Im Moment wohl eher weniger.

 

Kaylie legte mein Smartphone auf das Nachtkästchen. „Hier, das hast du im Wohnzimmer liegen lassen.“

Ich warf einen kurzen Blick darauf, in der naiven Hoffnung, Dean hätte sich gemeldet. Hatte er aber nicht und eigentlich gab es ja auch keinen vernünftigen Grund dazu.

„Was wirst du Dean sagen? Steigst du auf seinen Vorschlag ein?“, hakte Kaylie nach und betrachtete mich prüfend. Ich holte geräuschvoll Luft und rieb mir die Schläfen. „Ich denke schon … wir waren so lange zusammen und … ich fände es nicht richtig die Chance wegzuwerfen, dass wir unsere Beziehung vielleicht doch noch retten können.“

Kaylie griff nach meiner Hand und sah mich eindringlich an. „Dann versprich mir aber bitte, dass du nicht abwartest, bis das halbe Jahr verstrichen ist. Sollte Dean nämlich jemand anderen finden, wirst du in ein riesengroßes Loch fallen. Geh wieder aus und amüsier dich. Schau dich um … und wer weiß, was die nächsten Monate bringen werden.“

Ich presste die Lippen aufeinander und begann nur zögerlich zu nicken. Natürlich wusste ich, dass Kaylie Recht hatte, aber es fiel mir äußerst schwer das zuzugeben.

„Ich muss jetzt los – ich habe einen Friseurtermin, sehen wir uns heute Abend?“ Kaylie stand auf und blieb im Türrahmen stehen. „Heute Abend?“ Ich blinzelte irritiert. Die Augen meiner Freundin weiteten sich. „Sag bloß, du hast es vergessen?“ Sofort begann ich angestrengt in meinen Hirnwindungen zu suchen.

„Na Mensch! Ich laufe doch heute für L. Johnson!“, rief Kaylie aus und wirkte ein wenig beleidigt, dass ich es tatsächlich vergessen hatte.

Kay war Model und trotz ihrer dreißig Jahre noch sehr begehrt. Kein Wunder, ihr Körper und ihr Gesicht waren makellos. Sie hatte sich am Anfang ihrer Karriere bewusst gegen Mann und Kind entschieden, weil sie ihren Beruf nicht hinten hatte anstellen wollen. Sie liebte und genoss es, um die Welt zu reisen und ständig neue Leute kennen zu lernen. In dieser Hinsicht waren wir grundverschieden, aber vielleicht auch deshalb so gute Freundinnen.

Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. „Oh Gott Kaylie! Ich habe es vergessen – sorry! Da war einfach zu viel Dean in meinem Kopf die letzten Tage.“

Kay lächelte versöhnlich. „Schon gut, Hauptsache du kommst heute Abend! Auf der Party danach lassen wir es richtig krachen!“

„Selbstverständlich werde ich da sein!“ Ich nickte bekräftigend, wusste aber bereits, dass ich die Party womöglich ausfallen lassen würde.

Kaylie warf mir einen Handkuss zu und verließ meine Wohnung. Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, dann war es still. Viel zu still! Ja gerade zu erdrückend still!

Ich stellte den Fernseher an und stieg als erstes unter die Dusche. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es so ganz allein hier auf die Dauer aushalten sollte!

Kapitel 2

 

 

Als ich mir, in ein Handtuch gehüllt, die nassen Haare kämmte klingelte es an der Haustür. Erschrocken zuckte ich zusammen. Wer mochte das sein?

Kaylie vielleicht? Nein, die saß mit Sicherheit noch beim Friseur. Stand am Ende vielleicht Dean vor der Tür? Er hatte seinen Schlüssel hier gelassen, der Gedanke war also nicht völlig abwegig.

Plötzlich begannen meine Beine zu zittern und ich hatte Mühe, mich vorwärts zu bewegen. An der Haustür angekommen, warf ich zuerst einen zögerlichen Blick durch den Türspion. Niemand war zu sehen – eigenartig.

Vorsichtig öffnete ich einen Spalt, doch auch so konnte ich niemanden entdecken. Ich wagte mich einen Schritt in den Hausflur,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Liv Hoffmann
Cover: Liv Hoffmann
Tag der Veröffentlichung: 12.04.2018
ISBN: 978-3-7438-6526-6

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