Cover

Der Anfang

Peter drehte das Buch in den Händen und freute sich über seinen Neuerwerb. "Du schleppst aber auch allen Mist an und stopfst damit Deine Wohnung voll", Ina runzelte die Brauen: "Wo hast Du denn die Schwarte her?“ "Aus dem Antiquariat Meier in der Müllerstrasse", antwortete Peter, "das Buch ist mir sofort in das Auge gefallen, als ich es in den Händen hielt verspürte ich ein seltsames Kribbeln im Bauch. Da habe ich es mitgenommen. Hat nur 20 Euro gekostet.“ "Zeig mal her", Ina streckte die Hand aus und ergriff das Buch. Sie blätterte darin herum und rümpfte die Nase. "Es riecht komisch, als hätte es jahrzehntelang in einem feuchten Keller gelegen. Die ersten Seiten sind in altdeutscher Schrift bedruckt, die nächsten Seiten handbeschrieben, das Gekritzel kann ich nicht lesen, der Rest des Buches ist leer. Einfach leere, weiße Seiten. Schaust Du überhaupt in ein Buch hinein bevor Du es kaufst?", Ina hob die Stimme und schaute Peter kopfschüttelnd an. "Naja, das Buch sah so interessant aus, als ich die ersten Seiten aufblätterte dachte ich, dass alle Seiten bedruckt sind. Ich werde es morgen umtauschen“, erklärte Peter.

 

Nach dem Abendessen fragte Ina Peter, ob er sie nach Hause fahren würde. Er willigte ein, beide gingen die Treppen von Peters Dachgeschoßwohnung hinunter, vor dem Haus stand Peters alter Fiat Punto. Peter drehte den Zündschlüssel, der Motor brummte kurz auf, knirschte, krächzte, ein lang gezogenes metallisches Kreischen ertönte. Er ließ den Zündschlüssel los und startete erneut, ein langgezogener furzartiger Laut ertönte, schwoll an, verebbte röchelnd, dann trat Stille ein. Klack, machte der Anlasser und noch einmal Klack, Klack. "Ist kaputt", murmelte Peter. "Für teure Bücher mit leeren Seiten gibst Du Geld aus, hättest lieber das Auto in die Werkstatt bringen sollen", erboste sich Ina, "wie soll ich denn nun nach Hause kommen?.“ Peter antwortete mit kläglicher Stimme: "Du weißt doch wie schlecht es mir geht, dass ich kaum Geld habe. Kannst ja mit der Straßenbahn fahren.“ Ina blähte die Nüstern, verabschiedete sich mit einem knappen Kuss von ihm und rauschte davon.

 

Ina und Peter waren seit einem halben Jahr ein Paar, beide wohnten in ihren eigenen Wohnungen, besuchten einander oft. Sie war fünf Jahre älter als Peter, arbeitete als Bürokaufrau in einem Metallbaubetrieb, liebte Ordnung und Sauberkeit, wusch Peter die Wäsche und bemutterte ihn.Peter hatte seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen und arbeitete seit kurzem als Minijobber im Skandinavischen Einrichtungshaus. Dort beriet er Kunden, baute er Möbel auf und saugte Staub. Trotz einer Unzahl von Bewerbungen für einen existenzsichernden Job erhielt er bisher stets Absagen. Er neigte zur Trägheit, konnte keine Ordnung halten und war oft unorganisiert. Von Ina erhoffte er sich mehr als ein Küsschen, sie entwand sich ihm immer geschickt und erklärte dass eine Beziehung reifen müsse bevor sie mit ihm schlafen würde.

 

Am nächsten Tag suchte Peter das Antiquariat auf und verlangte den Umtausch des Buches. Der Inhaber, ein kräftiger, hochgewachsener Mann mit einer randlosen Brille runzelte die Stirn: "Einmal verkaufte Bücher nehme ich nicht wieder zurück, schließlich leben wir vom Verkauf und nicht vom Umtausch derselben. Hier herrscht real existierender Kapitalismus, Gier ist der Antrieb, Gewinnmaximierung das Ziel. Mit der Rücknahme gekaufter Bücher und Barauszahlung der Kaufsumme kann dieses hehre Ziel nicht erreicht werden. Haben Sie das verstanden?" Peter nickte und erwiderte: „Da stimme ich Ihnen grundsätzlich zu, aber", er hob bedeutungsvoll den Finger, "zweidrittel der Seiten in diesem Buch sind leer. Leere weiße Seiten.“ Er öffnete das Buch und hielt die leeren Seiten dem Inhaber vor die Nase. "Das ist ganz normal", erklärte dieser, "solcherart Bücher spiegeln eine Epoche wieder, nämlich die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Damals gab es kaum ausgebildete Drucker, Druckereien, Setzplatten und Druckerschwärze. Da wurden Bücher bloß auf den ersten Seiten bedruckt, der Rest blieb dann leer. Das Ganze wurde hübsch eingebunden und gegen klingende Münze unter das Volk gebracht. Die Menschen haben die Bücher damals gekauft, umgetauscht wurde nicht. Genauso wie heute." Er schaute Peter über den Brillenrand an. "Was soll ich denn mit einem Buch, das überwiegend aus leeren Seiten besteht?", Peter schaute den Inhaber fragend an. "Damals haben die Menschen ihre Ziele, Sehnsüchte, Träume und Wünsche auf die leeren Seiten geschrieben", erklärte der und hob beschwörend die Arme, "vor allen Dingen die Wünsche, möglichst plastisch beschrieben, sind unglaublich mächtig. Daraufhin wurden die Zeiten besser. Am Anfang war das Wort....“ Er hielt inne und drehte sich um. "Da hinten ist ein Kunde, jeder Euro Umsatz zählt, ein Hoch auf das kapitalistische Leistungsprinzip und die Gewinnmaximierung. Ich muss Geld verdienen und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag", er schnippte mit den Fingern und verschwand im Dunkel des Antiquariates. Peter drehte ratlos das Buch in den Händen. „Was soll ich mit einem Buch, das überwiegend aus leeren Seiten besteht“, murmelte er leise vor sich hin und verließ das Geschäft.

Das Wunschbuch

Zu Hause legte Peter das Buch auf den Tisch und blätterte darin. Der erste Teil, in altdeutscher Schrift gedruckt, enthielt, soweit Peter die Schrift entziffern konnte, allgemeine Inhalte.Die Welt scheint verworren, hinter der von Menschen wahrgenommenen Wirklichkeit ein mystisches Geflecht intelligenter Energien wirkt und die Leser nicht nur lesen sondern auch schöpferische Texte erstellen können. Der erste Teil des Buches endete mit: „Am Anfang war das Worth…“ Er vertiefte sich weiter in den handgeschriebenen Teil, die altdeutsche Schreibschrift kannte er von seiner Oma, ihr hatte er immer Briefe von längst verblichenen Verwanden vorgelesen, den Text im Buch konnte er dagegen nur mit Mühe entziffern. Irgendein Johann Simonis, Kaufmann aus Frankfurt am Main, aus kleinen Verhältnissen kommend, beschrieb ein bürgerliches Haus mit Fußböden, Decken, Tapeten, Einrichtungsgegenständen, Personal, Fenstern, Fassade und Dach. Die Absätze im Text waren mit einem Datum versehen, wobei die Jahreszahl fehlte. Darunter konnte Peter den Satz: „So sei es und so geschehe es“ enträtseln. Kurze Zeit später schien der Kaufmann in diesem Haus zu wohnen. Weiterhin berichtete Simonis von der Planung diverser Geschäfte aus Übersee und der Einrichtung von Niederlassungen in Hamburg, Berlin, Leipzig und München. Auch hier fiel Peter der Satz in das Auge: „So sei es und so geschehe es.“ Kurze Zeit später schien er einen florierenden Handel mit Waren aus Amerika und Asien zu betreiben, die Niederlassungen von Hamburg bis München richtete er tatsächlich ein und verzeichnete einen enormen Vermögenszuwachs. Am Ende des Textes, das Gekritzel war kaum zu entziffern, schrieb der Kaufmann, dass er den Tod besiegte hätte und fortan unsterblich sei. Am Ende wieder der Satz: „So sei es und so geschehe es.“ Damit endeten die Aufzeichnungen, der Rest waren leere Seiten.Peter öffnete sein Notebook und recherchierte im Internet nach Johann Simonis, Kaufmann aus Frankfurt am Main. Die Suchmaschine spuckte nur wenige Treffer auf den Monitor. Simonis wurde um 1650 geboren, wuchs als Sohn einer Magd in ärmlichen Verhältnissen in der Nähe von Potsdam auf. Um 1664 gab ihn seine Mutter in die Lehre zu einem Berliner Krämer, er wechselte dann zu einem Buchhändler und tauchte um 1670 in Frankfurt am Main auf, wo er innerhalb kürzester Zeit ein gewaltiges Vermögen erwarb. Um 1690 verlor sich seine Spur, er verschwand auf mysteriöse Weise.

 

Peter überlegte angestrengt. Wenn Simonis wirklich unsterblich war, dann müsste es ihn doch heute noch geben? Wenn er wirklich Dinge so plastisch in dem Buch formuliert hat, dass er sie besitzen konnte? Er holte tief Luft, schnaufte und dachte: „Das mit der Unsterblichkeit ist sicher Unsinn, aber meine Wünsche könnte ich trotzdem in das Buch schreiben. Im schlimmsten Fall passiert gar nichts.Eigentlich wünsche ich mir, dass der Fiat Punto repariert wird und mir die Reparatur nichts kostet. Aber er ist ja schon 16 Jahre alt und war schon so oft kaputt. Ein neues Auto wäre also besser." Peter schloss die Augen und stellte sich sein neues Auto vor. „Ich werde mal mit Bleistift schreiben, dann kann ich das Geschriebene wieder wegradieren“, murmelte er leise vor sich hin.Er öffnete das Buch und schrieb mit dem Druckbleistift: "Mein Wunsch lautet: Ich möchte gern einen Golf VII besitzen, das neuste Modell als Neuwagen, 4-Türer, silbermetallic, Alu-Felgen, schwarzes Sportlenkrad aus Leder, Bluetooth-Radio, silberfarbene Applikationen, Schaltknauf aus Leder, Navigationssystem, digitale Anzeigeinstrumente, Sportsitze, 170 PS Diesel. So sei es und so geschehe es.“

Dann setzte er den Bleistift ab, klappte das Buch zu und stellte es in das Bücherregal. „Völliger Quatsch“, dachte er, „Wünsche präzise in ein Buch schreiben und dann auf die Erfüllung warten.“ Peter schüttelte den Kopf und holte sich ein Bier.

 

Die Woche verging, am Freitagabend läutete die Türklingel. Peter nahm den Hörer der Wechselsprechanlage ab. "Runterkommen, Post abholen", knurrte eine barsche Männerstimme in den Hörer. Er rannte die Stufen nach unten, öffnete die Haustür und stieß mit einem kräftigen Mann, bekleidet mit einem grünen Overall zusammen. Dieser schwenkte ein Klemmbrett und knurrte: "Hier Lieferschein unterschreiben.“ Peter schaute irritiert: "Wozu unterschreiben, was für eine Lieferung?" "Dort", brummte der Mann und zeigte auf einen silberfarbenen Golf mit Alu-Felgen, welcher am Straßenrand parkte. "Unterschreiben hier", der Overall-Mann tippte mit dem Zeigefinger auf den unteren rechten Rand des Klemmbrettes. "Ist der für mich?", fragte Peter und wies auf den silberfarbenen Golf. "Sieht so aus", murrte der Mann, "oder meinen Sie, dass ich das Auto aus Langeweile hier durch die Gegend fahre. Los, unterschreiben!.“ Peter kritzelte seinen Namen auf den Lieferschein, der Overall-Mann zog einen Durchschlag hervor, überreichte ihn und brummte: „Papiere und PIN sind im Handschuhfach.“ Er wandte sich grußlos um, stieg in einen wartendenden Ford-Lieferwagen ein, welcher geschwind davon fuhr.

 

Peter beäugte misstrauisch den Lieferschein. Oben rechts stand als Empfänger seine Adresse, als Absender firmierte eine 1-2-3 Marketing GmbH. Er lief zum Golf, stieg ein und musterte die Inneneinrichtung. Schwarzes Sportlenkrad aus Leder, Bluetooth-Radio, silberfarbene Applikationen, Schaltknauf aus Leder, Navigationssystem, digitale Anzeigeinstrument. Solch ein Auto hatte er sich gewünscht, aber ein unheimliches Gefühl kroch ihm vom Becken bis zum Nacken empor. So etwas dürfte es doch gar nicht geben. Doch die Neugier siegte über die Angst.Er suchte den Zündschlüssel. Es gab keinen, dafür aber einen Knopf mit der Aufschrift „Engine Start“, welchen Peter drückte. Das Display leuchtete auf, die Aufschrift PIN-Eingabe erschien im Display. Er öffnete das Handschuhfach, erblickte das Kärtchen mit der Aufschrift PIN und tippte „4711“ auf das berührungsempfindliche Display. Mit sonorem Brummen startete der Diesel, ganz im Gegensatz zu Peters alten Fiat Punto. Er legte den Gang ein, ließ die Kupplung los, der Antrieb zerrte an der Vorderachse, der Wagen schob kraftvoll auf die Straße, Peter tippte das Gaspedal an, die Geschwindigkeitsanzeige schnellte nach oben. An der nächsten Kreuzung zeigte die Ampel rot, Peter bremste den Wagen von 90 km/h bis zum Stillstand herunter. Er drehte das Radio auf, lies die Scheibe der Tür herunter und legte den Arm darauf. Neben ihm stand ein VW Scirocco, mit zwei jungen Männern, die ihre Basecaps mit dem Schirm nach hinten aufgesetzt hatten. Die beiden schauten Peter herausfordernd an, der Fahrer beugte sich in Rennfahrerhaltung über das Lenkrad. Als die Ampel auf grün umschaltete, zeigte der Fahrer Peter den emporgestreckteen Mittelfinger, der Scirocco schoss mit quietschenden Reifen davon. Peter lehnte sich souverän in den Sitz, trat das Gaspedal durch, der Antrieb brummte, drückte mit Wucht auf die Vorderachse, der Golf schoss am Scirocco mit den beiden Basecap-Jungs vorbei, welche mit enttäuschten Gesichtszügen in Peters Rückspiegel immer kleiner wurden.

 

Als Peter nach seiner Spritztour wieder zu Hause ankam, war es bereits dunkel geworden. Er nahm eine Flasche Bier aus der Kiste unter dem Küchentisch, öffnete sie, steckte den Finger in die Öffnung, ploppte und setzte an. Sein Adamsapfel hüpfte, das Bier ergoss sich in die Kehle. Genießerisch wischte er sich den Schaum vom Mund und rülpste. Jede Menge Fragen gingen ihm durch den Kopf. „Eigentlich könnte ich mir alles wünschen was ich will“, dachte Peter, „die luxuriösesten Sportwagen, Boote, ein Flugzeug, ein U-Boot, einen eigenen Eisenbahnzug, Häuser, Handys, Spielkonsolen, Computerspiele, Freundinnen soviel ich will, am besten einen ganzen Harem, eine Haushälterin, die immer aufräumt, eine Sekretärin, die meine Termine organisiert, Ausflüge, Urlaubsreisen und natürlich ein prall gefülltes Bankkonto. Nein, lieber mehrere prall gefüllte Bankkonten, dass macht mehr Spaß.“ Peter lächelte, lehnte sich zurück und setzte die Bierflasche an. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn. Wenn alles nur ein Versehen oder ein Traum war?

 

In der nächsten Woche rief er bei 1-2-3 Marketing GmbH an. Eine mürrische Frauenstimme war am anderen Ende des Hörers: „Wir betreiben Telefonmarketing und sind diejenigen, die die Kunden zu Hause anrufen um zu verkaufen. Immer und immer wieder. Wir dagegen mögen es dagegen gar nicht, wenn die Kunden uns anrufen. Das permanente Telefonklingeln nervt und stört die betrieblichen Abläufe!.“ Peter fragte nach dem Hintergrund der Lieferung des VW Golf. Die mürrische Stimme erklärte ihm, dass Fahrzeughersteller über die Einwohnermeldeämter Personen ermitteln, um diesen gratis Fahrzeuge als Werbung zur Verfügung stellen. Peter stellte noch die Frage: „Wer kommt denn für Steuern, Versicherung, Werkstattkosten und Bußgelder auf?“ Die mürrische Frauenstimme erwiderte: „Da Sie der neue Besitzer und Halter sind, können Sie mit dem Fahrzeug nach Gutdünken verfügen. Sie können es verkaufen, verschrotten, verschenken oder anderweitig verwenden. Alle Kosten des Fahrzeuges, aber auch eventuelle Erlöse tragen somit Sie.“

Peter verabschiedete sich. Einerseits war er sehr erfreut über das neue Auto, anderseits konnte er mit seinem geringen Einkommen die laufenden Kosten des Fahrzeuges nur mit Mühe aufbringen. Er überlegte. Ein Job muss her.

 

Am besten als Filialleiter im Skandinavischen Einrichtungshaus. Er nahm das Buch zu Hand, zückte den Bleistift und schrieb: „Ich möchte Chef sein, Filialleiter im Skandinavischen Einrichtungshaus. Gutes Gehalt und immer Arbeit. So sei es und so geschehe es.“ Er klappte das Buch zu und stellte es in das Bücherregal. Einige Tage später erhielt er einen Anruf auf seiner Mailbox, er möge doch bitte Herrn Sandmann, den Filialleiter des Skandinavischen Einrichtungshauses zurückrufen. Peter rief zurück. Am anderen Ende wurde der Hörer abgenommen, Heftiges Atmen drang an sein Ohr, eine Stimme keuchte: „Einen Moment.“ Er hörte Stimmengewirr, die Begrüßungsstimme sprach aus Entfernung: „Fünfzehn Cent zurück, vielen Dank für ihren Besuch. Guten Tag, zwei neunundneunzig bitte, einen Cent zurück, vielen Dank für Ihren Besuch. Guten Tag... Muttiiiiii, ich will ein Eis, Wääääääääääh“, heulte ein Kind. „Immer diese Schlange an der Kasse und immer dauert alles so lange“, krähte eine Frauenstimme im Hintergrund. Peter hielt das Handy vom Ohr ab. Er war an der Kasse gelandet, der Kundenstrom schien kein Ende zu nehmen. Nach einiger Zeit klapperte es. Eine barsche Männerstimme knarrte in den Hörer: „Welcher Idiot hat denn den Hörer neben das Telefon gelegt.“ Ein Krachen ertönte aus Peters Handy, der Mann am anderen Ende hatte aufgelegt. Kurz darauf startete Peter den zweiten Versuch. Eine keuchende Frauenstimme rasselte im Schnellsprechmodus: „Guten Tag, mein Name ist Sabine Stiller, hier ist das Skandinavische Einrichtungshaus, was kann ich für Sie tun?“ Peter schilderte sein Anliegen, die Stimme keuchte: „Muss gerade Möbel verladen, hab keine Zeit, kommen Sie mal vorbei, morgen ist der Chef im Haus.“ Die Frauenstimme stöhnte gequält auf, dann wurde der Hörer aufgelegt.

 

Am nächsten Tag erschien Peter im der Filiale. Die Gänge waren mit Kartons, Paletten, Säcken und Tüten vollgestellt. Dazwischen hasteten die Verkäuferinnen mit Waren umher, die sie im Laufschritt in die Regale und Warenständer einsortierten. Kunden irrten stolpernd durch die Kartonlabyrinthe, von der Kasse ertönten erboste Rufe: „Ist denn hier niemand, wir wollen bezahlen, wie lange dauert denn das!“ Eine Mitarbeiterin ächzte: „Ich weiß wirklich nicht was ich hier zuerst machen soll“ Sie ließ einen Karton zu Boden poltern und rannte zur Kasse. Eine zierliche Frau aus der Schlange rief: „Geht’s denn etwas schneller? Ich warte schon ziemlich lange und habe wenig Zeit.“ Die Mitarbeiterin sprintete in einer lang gezogenen Kurve zum Kassengeviert, welches in mitten der Filiale stand, setzte mit einem Sprung über die Absperrung und entriegelte die Kasse. „Das hat aber lange gedauert“ brummte ein Kunde, „Wo ich doch so wenig Zeit habe.“

Peter ging in den hinteren Bereich der Filiale, in dem sich die Soziallräume, das Lager und das Büro des Chefs befanden. Im Lager vernahm er die barsche Stimme des Chefs. Sören Sandmann, hochgewachsen, kräftige Statur und blonde Bürstenfrisur wies mit ausgestreckten Arm auf eine zierliche Mitarbeiterin, welche stöhnend und schnaufend ein großes, in Pappe verpacktes Schrankteil über den Boden zerrte, „Wenn Sie die Möbel über den Boden schleifen, reißt die Verpackung auf und die Ware wird beschädigt. Außerdem wirken beschädigte Karton nicht verkaufsfördernd. Ich erwarte dass Sie die Kartons behände tänzelnd auf den Schultern transportierten und dabei kundenfreundlich lächeln.“ Die Mitarbeiterin blieb mit dem Karton stehen und keuchte: „Das Paket wiegt über 60 kg, dass kann ich unmöglich tragen, außerdem bin ich im vierten Monat schwanger, da darf ich ohnehin nicht so schwer tragen.“ Der blonde Hüne antwortete: „Ich will hier Gewinn und Leistung sehen, da interessiert mich Dein Scheißbalg nicht. Hättest ja verhüten können, da wärst Du leistungsfähig und umsatzbewusst geblieben.“ Die Mitarbeiterin hielt sich den Leib und wankte aus dem Lager. Peter begrüßte den Chef, welcher abschätzig auf die davon wankende Mitarbeiterin wies: „Gibt kaum noch gutes Personal, alles nur noch Viehzeug was immer krank macht, nicht arbeiten kann und Kinder bekommt. Einfach Furchtbar!“ Er erklärte Peter, dass sein Minijob Geschichte sei und er als Lagerarbeiter ab nächste Woche fest eingestellt werden soll. „Das Prinzip in unserer Filiale ist ganz einfach“, mit weit ausholenden Bewegungen erläuterte Herr Sandmann: „Hinten wird die Ware ins Lager reingeschoben, vorne an der Kasse rauskassiert. Das muss alles schnell gehen, möglichst ohne Beschädigungen. Ihre, äh Deine Aufgabe ist es, die LKWs mit dem Gabelstapler abzuladen, die Paletten in das Lager reinzufahren und die Ware in die Regale einzuräumen. Die Püppis tragen sie dann wieder aus dem Lager raus und kassieren ab. Ist ganz einfach. Übrigens sprechen wir uns alles mit Du an, das ist in Skandinavien so üblich und erleichtert den Umgang.“Beim Herausgehen aus dem Lager erblickten die Beiden eine Mitarbeiterin, die im Verkausraum einen Schlafzimmerschrank zusammenbaute. Der Chef wies mit ausgestreckten Arm auf die Verkäuferin und schnippte mit den Fingern: „Eyh, Du! Sauge doch mal zwischendurch die Filiale mit dem Staubsauger durch, der Fußboden sieht ja aus wie bei Hempels unterm Sofa. Los, hopp, hopp!“ An der Kasse erblickte Peter die schwangere Verkäuferin, die sich in gekrümmter Haltung am Kassentresen abstützte.

 

In der folgenden Woche, an seinem ersten Arbeitstag fand sich Peter im Büro des Chefs ein. Dieser thronte, mit einem weißen Hemd und einer blauen Jeans bekleidet, auf seinem Bürostuhl: „Heute heißt es Ware abladen, die LKWs stehen schon Schlange. Der Akku vom Gabelstapler ist aufgeladen, dann kannst Du volle Leistung bringen, die will ich hier tagtäglich sehen. Und immer daran denken: Hinten wird die Ware ins Lager reingeschoben, vorne an der Kasse rauskassiert. Je schneller umso besser.“

In der Mittagspause hörte er, wie die Verkäuferinnen untereinander tuschelten. Sabine, so hieß die Schwangere, hatte am Wochenende ihr Kind verloren. Fehlgeburt. Nun sei sie krank, aufgrund der knappen Personalbesetzung eine Katastrophe für die Filiale. Peter kaute an seiner Stulle, als die Tür zum Pausenraum aufflog. Ein stämmiger Mann, bekleidet mit einer grauen Latzhose schwenkte einen Packen Papiere: „Ware ist da, ABLADEN“ rief er, „Zeit ist Geld, Räder müssen rollen für das Geld. Los, abladen!“ Er zeigte auf Peter. Peter brummte mit vollen Backen: „Hab jetzt Pause, bin in einer halben Stunde mit dem Gabelstapler draußen.“ „Pause fällt aus, dafür werden jetzt LKWs abgeladen“, der Chef steckte den Kopf durch die Tür und wies auf Peter, „Du bewegst Dich im Geschwindschritt ins Lager, hurtig mit angewinkelten Armen und lädst den LKW ab.“ Peter stand kauend auf und lief in das Lager. Dort zerrten zwei Frauen angestrengt schnaufend einen schweren Karton über den Boden. Der Chef knurrte: „Wie oft soll ich Euch das noch sagen. Die Kartons bitte behände tänzelnd auf den Schultern tragen, dabei kundenfreundlich lächeln und nichts über den Boden schleifen. Da reißt die Verpackung auf und die Einzelteile fallen heraus.“ Er schüttelte den Kopf.

 

Bis in die Abendstunden lud Peter pausenlos Paletten von den LKWs ab. Zum Feierabend fand er sich im Chefbüro ein, dort erfolgte die Kassenabrechnung. Der Chefschreibtisch war belegt mit EC-Cash Belegen, Kassenzetteln und Geldscheinen. „80.000 € Tagesumsatz brutto“, brummte der Chef mit gerunzelter Stirn, „das ist zu wenig.“ „Wir müssen mehr arbeiten, noch mehr Ware hinten ins Lager reinschieben und noch mehr vorne an der Kasse rauskassieren. Ihr müsst die Hinterbacken fester zusammen kneifen und schneller arbeiten“, wandte er sich an die beiden anwesenden Mitarbeiterinnen. Der Tagesumsatz wurde in eine große silberfarbene Tüte gesteckt und im Tresor eingelagert. Im Türrahmen erschien ein schmales, bleiches Gesicht. „Herr Sandmann, ich muss mit Ihnen reden“, ein junger Mann, mittlere Größe und hagere Gestalt betrat das Chefbüro, „es handelt sich um meine Freundin Sabine. Die musste hier immer die schweren Kartons mit den Möbelstücken transportierten, obwohl sie im vierten Monat schwanger war. Jetzt hat Sie unser ungeborenes Kind verloren.“ Der Chef grunzte: „Möbelstücke transportiert. Dass ich nicht lache. Sie hat die Kartons über den Boden geschliffen, so dass die Verpackung aufriss. Dabei sollte sie die Kartons behände tänzelnd auf den Schultern tragen, dabei immer kundenfreundlich lächeln. Ich müsste sie noch auf Schadensersatz verklagen.“ Der junge Mann ließ sich nicht beindrucken. „Sie sind ein Mörder. Sie haben ungeborenes Leben vernichtet. Auge um Auge, Zahn um Zahn und Leben um Leben, wer anderen das Leben nimmt muss selbst seins geben.“ Der junge Mann nestelte in seiner Tasche holte ein Rohr und ein Reagenzglas hervor, öffnete das Reagenzglas, entnahm ein spitzes Bröckchen und schob es in das Rohr. Er setzte das Rohr an die Lippen und blies. Ein schwarzes Geschoss flog aus dem Rohr und blieb im Hals des Chefs stecken. Dieser griff sich an den Hals taumelte und brüllte: „Was soll denn das. Den Chef angreifen ist verboten. Dafür gibt es in diesem Land cheffreundliche Gesetze. Ich rufe die Polizei, dann wirst Du weggesperrt.“ Das letzten Worte röchelte er, dann sank er in sich zusammen und schlug mit dem Gesicht auf dem Boden auf. Der junge Mann steckte das Blasrohr und das Reagenzglas in die Tasche und verließ den Raum.

Die beiden Mitarbeiterinnen waren erstarrt. „Mach doch mal was“, flüsterte eine und blickte in Peters Richtung. Peter ging zum Chefschreibtisch, nahm den Hörer und wählte die Notrufnummer der Polizei. „Ich rufe jetzt die Polizei an“, erklärte er. „Warte mal“, rief die andere Mitarbeiterin, welche zum Chef heruntergebeugt hatte, dessen Gesichtszüge seltsam verkrampft waren. Sie ergriff das Handgelenk und fühlte den Puls. „Der schlägt nicht mehr. Ruf am besten gleich den Notarzt an", erklärte sie. Peter informierte Polizei und Notarzt, beide trafen 20 Minuten später ein. Der Notarzt vermutete dass die Todesursache durch schnell wirkendes Gift ausgelöst werden könnte, die genaue Ursache werde im Labor ermittelt. Die beiden Polizisten fertigten ein Protokoll an, gegen 22:00 Uhr verließ Peter die Filiale und fuhr mit dem VW Golf nach Hause.

 

Am nächsten Morgen erschien Peter pünktlich um 07:30 Uhr im skandinavischen Einrichtungshaus. Die Verkäuferinnen tauschten sich angeregt über das Geschehen vom Vorabend aus, als ein grauhaariger, hochgewachsener Mann mit Anzug und Krawatte im Pausenraum erschien. Abrupt verstummten die Gespräche, eine ehrfürchtige Stille entstand. "Gute Morgen die Damen und der Herr", schnarrte der Mann. Er reichte Peter die Hand. "Felix Knochenhart Mitglied der Geschäftsführung", knarrte er. "Angenehm, Peter Pannwitz", erwiderte Peter den Händedruck. Herr Knochenhart wandte sich an die Verkäuferinnen: "Mein Beileid zum tragischen Ableben von Sören Sandmann. Wir werden ihn als tüchtigen und umsatzbewußten Filialleiter in unserer Erinnerung behalten. Für die Beisetzung bittet die Geschäftsführung alle Mitarbeiter Geld für einen Blumenstrauß, sowie eine Kondolenzkarte zu spenden. Diese sollen als letzter Gruß im Namen der Geschäftsleitung überreicht werden. Weil die Kosten dafür die Mitarbeiter tragen halten wir unser Budget flach und sparen Geld.“ Herr Knochenhart rieb sich die Hände: „Außerdem möchte ich Ihnen den neuen Filialleiter vorstellen: Peter Pannwitz." Er schlug Peter auf die Schulter. Diesen schlug das Herz bis zum Hals, er brachte kein Wort hervor. "Ein fähiger junger Mann, flexibel und dynamisch, wird er die Filiale zu neuen Umsatzerfolgen führen. Vorwärts, voran, lassen wir Taten folgen“, Herr Knochenhart nickte. Peter bedankte sich und erhielt die Insignien der Macht, die Filialschlüssel, Tresorcode, einen Stapel weißer Hemden und das Diensthandy.

 

Den ersten Arbeitstag empfand Peter sehr stressig. Am Vormittag lud er Paletten von LkWs ab. "Ich stehe jetzt seit fünf Stunden ununterbrochen an der Kasse und müsste sehr dringend das WC aufsuchen“, sprach ihn die Kassenmitarbeiterin an. Peter löste sie an der Kasse ab, die Mitarbeiterin lief schnellen Schrittes zu den Sozialräumen. Eine Kundin schnitt ihr den Weg ab. "Haben Sie diese Deckchen auch in grüner Farbe, ich möchte für mein Sideboard gern die gelben Kerzen mit den mint gefärbten Kerzenhaltern draufstellen, das sieht doch so hübsch aus", sprudelte die Kundin hervor und schwenkte ein rotes Deckchen. "Die grünen Deckchen liegen dahinten", presste die Mitarbeiterin hervor. "Könnten Sie mich bitte dorthin begleiten, ich benötige eine ausführliche und besonders umfangreiche Deckchenberatung", erklärte die Kundin. "Haben Sie für diesen Samstag noch freie Liefertermine", platzte ein Mann dazwischen. "Einen Moment mal, ich möchte ein Badehandtuch umtauschen. Das hat beim Abtrocknen so gekratzt", eine junge Frau schwenkte ein offensichtlich benutztes Handtuch. Die Mitarbeiterin presste die Schenkel fest zusammen und stöhnte: "Wir tauschen keine benutzten Handtücher um. Wir leben doch vom Verkauf der Waren und nicht vom Umtauschen. Dort an der Kasse steht der Chef, der kümmert sich Ihre Anliegen. Ich kann nicht mehr, gleich läuft es mir an den Hosenbeinen herunter." Sie bahnte sich einen Weg durch die Kundengruppe und floh in die Sozialräume. Im Hintergrund schlug die WC-Tür hart zu. "Eine Frechheit ist das", fauchte die Kundin mit den Deckchen, "die läuft einfach weg.“ "Ja, ja", jammerte die Kundin mit dem benutzten Badehandtuch, "so ist das eben, Deutschland ist eine Servicewüste.“ "Ich schlage vor, dass wir uns beim Chef beschweren", warf der Mann mit dem Liefertermin ein. "Ja, beim Chef beschweren, das ist eine gute Idee", keifte die Deckchen-Frau. Die Gruppe lief zur Kasse.

 

Peter kassierte im Eiltempo die wartenden Kunden ab, trotzdem wuchs die Schlange der Kunden an, anstatt abzunehmen. Der vor ihm stehende Kunde warf ein Badregal auf das Laufband. „35,99 Euro“, las Peter nach dem Einscannen des Artikels den Preis ab. „Das ist mir zu teuer, ich dachte die Badregale kosten alle 19,95 €“, murrte der Kunde. „Richtig“, erwiderte Peter „auf dem Preisschild steht AB 19,95 €. Das Zauberwort heißt AB. Somit können Badregale auch mehr als 19,95 € kosten“, ergänzte er. „Ich will aber dieses Regal für 19,95 €“, knurrte der Kunde in aggressiven Ton. Nur mit Mühe konnte Peter ihn beruhigen, der Kunde ließ das Regal an der Kasse liegen und holte sich das Modell für 19,95 € und legte es auf das Kassenband, Peter kassierte ab. „Ach nein, das Badregal gefällt mir nicht, kann ich es gegen einen Handtuchhalter umtauschen?“, fragte der Kunde nach dem Kassiervorgang. „Gern“, erwiderte Peter und unterdrückte ein Stöhnen. Der Kunde trug den Handtuchhalter zur Kasse, nachdem Peter die Warenrückgabe in die Kasse einbuchte, den Kassenzettel überreichte fiel ihm ein, den Handtuchhalter wieder gegen das Badregal für 19,95 € umzutauschen.

Die Schlange war mittlerweile auf 20 Kunden angewachsen, welche unruhig mit den Füßen scharten und murrten. Der nächste Kunde, ein stämmiger Mann mit tätowierten Armen und Glatze fauchte Peter an: „Geht denn das nicht etwas schneller! Wir haben keine Zeit, Sie kassieren viel zu langsam!“ Peter verteidigte sich: „Nicht ich, sondern der Kunde vor Ihnen wusste nicht was er wollte und hat den Kassiervorgang aufgehalten.“ Er zeigte auf den Kunden mit dem Badregal, der inzwischen auf den Ausgang zulief. „Den greifen wir uns“, brüllte der Glatzenmann, „mir nach!“ Er streckte die muskulösen Oberarme in die Höhe, ballte die Fäuste und sprintete dem Badregal-Kunden hinterher. Ein anderer Mann folgte ihm, kurz vor dem Ausgang nahmen sie den Badregal-Kunden in die Zange. „Du hast den Betrieb an der Kasse aufgehalten, die anderen Kunden zum Warten genötigt, mit Deinem bescheuerten Badregal. Weist wohl nicht was Du willst, bist zu blöd zum Einkaufen? Dafür haue ich Dir was in die Fresse“, der muskulöse Glatzkopf holte weit mit der geballten Faust aus und traf krachend das Jochbein des Badregalkunden. „So und jetzt gibt’s noch eine, für das Umtauschen. Weißt nicht was Du willst und stiehlst uns die Zeit“, er schlug erneut zu. Der Badregal-Kunde sackte zusammen, der andere Mann trat auf den Liegenden ein: „So, das ist für die Wartezeit an der Kasse, Arschloch. Du hast mir Lebenszeit gestohlen. Wertvolle drei Minuten, die ich warten musste. Da, da hast Du es.“ Er trat noch einmal gegen den Liegenden, dieser hielt sich Arme über den Kopf und wimmerte. Inzwischen hatte die Kundengruppe, bestehend aus der Deckchen-Frau, der Frau mit dem benutzten Badehandtuch und dem Liefertermin-Mann die Kasse erreicht. „Beschweren“, riefen sie einstimmig, „wir wollen uns beschweren, die Verkäuferin ist einfach weggerannt.“ „Einen Moment, ich muss erst mal den Notarzt benachrichtigen. Ein Notfall“, Peter, welcher die Schlägerei aus den Augenwickeln verfolgte, wies auf dem am Boden liegenden Badregal-Manngriff und zum Telefonhörer neben der Kasse. „Anstatt unsere Beschwerden anzuhören, weichen Sie aus und telefonieren“, tobte die Deckchen-Frau und schwenkte das rote Deckchen vor Peters Gesicht. „Lassen Sie den doch liegen, jetzt sind wir dran. Immer dran denken, wir sind die Kunden und Kunden sind Könige“, sie kreischte und ruderte wild mit den Armen. Peter sprach unbeirrt in den Hörer und bestellte den Notarzt. Bei Ihnen ist im Hintergrund ein lautes Gekreische, ich kann sie kaum verstehen“, klagte der Mann von der Notrufzentrale. An der Kasse drängelte sich ein hagerer junger Mann, mit einem Ring in der Nase und Piercings im Gesicht vor. „Ich will dieses Kopfkissen umtauschen“, rief er mit gellender Stimme und warf ein fleckiges Kopfkissen auf das Warenband. „Hygieneartikel sind vom Umtausch ausgeschlossen“ erläuterte Peter, „diesen Hinweis finden Sie auch auf dem Schild über unserer Bettwarenabteilung.“ Der Mann brüllte auf, trampelte mit den Füßen: „Ich will dass sie das Kopfkissen jetzt umtauschen. Da hat mein Kater drauf gepinkelt, das Kissen stinkt. Ich will kein stinkendes Kissen. Ich will ein neues, ein sauberes Kissen.“ Er hielt Peter das Kopfkissen vor die Nase, dieser verzog angewidert das Gesicht. „Wenn sie das Kissen nicht zurücknehmen schlitze ich mir die Pulsadern auf“, schrie er, zückte ein Messer, lies die Klinge knallend herausschnellen und fuchtelte damit umher. „Dann haben Sie den ganzen Dreck im Geschäft und einen Toten mehr.“ Peter schüttelte den Kopf. „Entsprechend Filialhandbuch darf ich Ihnen das Kissen nicht umtauschen. Da bereits Ihr Kater Urin im Kissen hinterlassen hat, kann ich es nicht umtauschen und einem anderen Kunden verkaufen. Die Kunden ekeln sich vor uringetränkten Kissen. Vielleicht hilft Ihnen eine Bettfederreinigung?“, empfahl er.Ein teuflischer Zug umspielte die Lippen des Piercing-Mannes. Er hieb mit dem Messer durch die Luft, dann holte er aus und stach zu. Peter riß die Arme empor, taumelte zurück und brüllte: "NEIN.“ "Doch", entgegnete der Piercing-Mann, zog die Klinge durch das kräftig durch das Kissen, mit weit ausholenden Bewegungen schüttelte er die Daunen und Federchen aus dem aufgeschlitzten Kopfkissen heraus.„So, das haben Sie nun davon, dass Sie das Kissen nicht zurückgenommen haben“, keuchte er. Billionen kleiner Daunen und Federchen wehten durch die Filiale, die Deckchen-Frau heulte auf, hustete, spie sabbernd Federchen aus, der Liefertermin-Mann flüchtete, vergeblich Bettfedern von seiner Kleidung streifend, zum Ausgang, die Badehandtuch-Frau verhüllte sich mit dem benutzten Handtuch und strebte ebenfalls dem Ausgang zu. „Ich gehe mich beim Gewerbeamt, beim Verbraucherschutz, der Europäischen Union und bei der UNO beschweren“, jaulte die Deckchen-Frau und würgte: „Ich habe eine Hausstauballergie, ich kann dabei sterben.“ Ihre sonst schrille Stimme wurde leiser, sie hielt sich Hände um den Hals. Daunen und Federchen stiebten aus ihrem Mund und ihrer Nase. Sie taumelte, würgte weitere Daunen aus, versuchte sich am Kassentresen festzuhalten, strauchelte und schlug auf dem Boden auf. Ein Kunde grinste: „Die ist auf ihrem dicken Hintern weich gefallen“ Inzwischen war der Notarzt eingetroffen, der Badregal-Mann wurde in einen Krankenwagen verladen. „Hier ist noch ein Notfall“, Peter machte den Notarzt auf die Deckchen-Frau aufmerksam, welche in Seitenlage auf dem Boden lag und röchelte. Der Piercing-Mann war inzwischen verschwunden, die leere, fleckige, von Katzenurin durchtränkte Kissenhülle lag auf dem Boden, in der Filiale schwebten Billarden von Daunen und Bettfederchen wie Schneeflocken in der Luft. Der Notarzt leistete erste Hilfe und forderte einen weiteren Krankenwagen an, welcher die Deckchen-Frau mitnahm. Er wandte sich kopfschüttelnd an Peter: „Bei Ihnen scheint es nicht mit rechten Dingen zuzugehen, gestern Nacht ein Toter, heute zwei Schwerverletzte.“

 

Peter fühlte sich völlig erschöpft. Den Kassenabschluss überließ er den Verkäuferinnen und fuhr nach Hause. Ina war in Peters Wohnung und hatte dort bereits aufgeräumt und Wäsche gewaschen. „Ich kann nicht mehr“, jammerte Peter, „die Kunden sind das Allerletzte. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Beschweren sich, weil die Mitarbeiterin auf das WC muss, prügeln sich, schlitzen Kopfkissen auf und verteilen den Inhalt im Geschäft.“Ina schaute ihn mütterlich besorgt an und strich ihn über die Wange. „Du hast das, was Du Dir schon so lange gewünscht hast. Bist Chef und hast jede Menge Arbeit.“ Peter streckte die Füße aus und sprach: „Jetzt brauche ich erstmal ein Bier und im weiteren Verlauf des Abends eine Frau. Das ist sehr wichtig für mich, denn wenn ich unter Samenüberdruck leide kann ich mich als Chef nicht auf meine Arbeit konzentrieren“ Peter grinste sie anzüglich an. „Aber Peter“, Ina sah in mild von der Seite an, „das haben wir doch schon alles ausdiskutiert. Wenn wir uns besser kennen und länger zusammen sind, dann darfst Du mich haben. Aber jetzt es noch zu früh dafür. Bringst Du mich nachher nach Hause oder muss ich wieder mit der Straßenbahn fahren?“ Peter strahlte sie an: „Natürlich bringe ich Dich nach Hause.“

Ina war erstaunt, als Peter ihr seinen neuen Golf zeigte und erklärte: „Ich bin ja der Chef und fahre ein Auto, welches einem Chef würdig ist. Bin eben ein cooler Typ.“ Peter grinste, lehnte sich lässig in den Fahrersitz und trat auf das Gaspedal. Quietschend schoss der Golf davon.

 

Die Arbeit als Chef beanspruchte Peter auf das Äußerste. Mittlerweile waren vier der neun Verkäuferinnen schwanger, die Geschäftsführung verlangte stets neue Umsatzrekorde, die Schlange der LKWs vor dem Lager wurde immer länger, die Schlange der nörgelnden Kunden vor der Kasse ebenfalls. Innerhalb von Sekunden musste er richtige Entscheidungen treffen, sich mit aggressiven und gewaltbereiten Kunden auseinandersetzen, Auseinandersetzungen unter den Verkäuferinne weise schlichten. Dazu fehlte es ihm aufgrund seiner Jugend oft an Weisheit. Er fühlte sich ausgebrannt und verbraucht.

Eines Abends nahm er wieder das Buch zur Hand und stützte das Kinn in die Hand. „Diesmal mach ich es richtig“, dachte er laut, „die Menschen rufen immer nach Arbeit und Arbeitsplätzen, das ist aber falsch. Arbeitsplätze braucht man nicht, man braucht Einkommensplätze oder noch besser, Einkommen und Vermögen im Überfluss. Weil ich der Chef bin, bin ich cleverer wie die anderen. Daher wünsche ich mir folgendes.“ Er zückte den Bleistift und beschrieb die leeren Seiten. "Ich wünsche mir Vermögen in folgender Form: Sportwagen so viel ich will, Villen in Berlin, München, New York, Sao Paulo, Kapstadt, Shanghai mit entsprechenden Personal, eine Hochseejacht mit Mannschaft, einen Harem mit 10 Frauen (ich bin bescheiden, der König Salomo aus im alten Judäa hatte über 900 Frauen), Bankkonten auf denen jeder ausgegebene Betrag um das zehnfache nachwuchs, seine Wünsche nahmen kein Ende. Peter schrieb und schrieb. Am Ende fügte er den obligatorischen Schluss hinzu; So sei es und so geschehe es.“

 

Nach einer knappen Woche erhielt er die ersten Schenkungen von Villen in Berlin und München. Sein Konto quoll über, unentwegt erblickte er auf den Kontoauszügen Zahlungseingänge ihm unbekannter Personen. Die Arbeit als Filialleiter im Skandinavischen Einrichtungshaus gab er auf. Die Verkäuferinnen nahmen das „Jungchen“ wie sie ihn hinter vorgehaltener Hand nannten, ohnehin nicht ernst, die Kunden ließen ihre Psychosen an ihm aus. Die Beziehung mit Ina kühlte merklich ab, da er kaum noch zu Hause war und keine Zeit für sie hatte.

 

Eines Tages klingelte in seiner Villa in München die Videosprechanlage. Eine Gruppe Frauen stand vor dem Tor und begehrte Einlass. „Wir möchten bei Dir wohnen“, erklärte die Wortführerin, eine korpulente Mittfünfzigerin. Den Harem hatte Peter schon längst vergessen, da er sich vorerst um seine Besitztümer kümmern musste. Es waren 10 Frauen, die in die Gemächer der zweiten Etage einzogen. Eine Woche später suchte Peter, nur mit einer Sportbadehose bekleidet, die sein Gemächt trefflich zu Geltung brachte, den Harem auf. Am Eingang saß ein blondes Mädchen und lächelte Peter an: „Der Meister ist hier, Mädels kommt mal her, er sucht sich heute eine von uns aus.“ Die Zehn stellten sich vor Peter auf und lächelten ihn an. Peter hatte einen Kloß im Hals und bekam kein Wort heraus. „Ich trau mich nicht so richtig“, nuschelte er. Die grauhaarige Mittfünfzigerin ging auf ihn zu und berührte ihn am Arm. Ihr Atem streifte seine Wange, sie flüsterte: „Ich helfe Dir gern, wenn Du etwas Mut brauchst und schüchtern bist.“ Sie blickte die Frauen an und sprach: „Der Meister hat mich heut ausgewählt.“ „Viel Spaß noch“, die anderen Frauen lachten und die Grauhaarige bugsierte Peter die Treppe herunter zu seinem Schlafgemach. „Hast Du denn eine Freundin“, fragte sie. Peter schüttelte den Kopf: „Früher war ich mal mit Ina zusammen, die hat mich aber nie rangelassen.“ „Ich heiße Lea“, sie reichte Peter die Hand, „entschuldige dass ich so direkt frage, aber ist es für Dich das erste Mal?“ Peter brummte unverständliches. „Ist kein Problem, ich helfe Dir. Dann kannst Du mit den jungen Dingern besser umgehen“, sie lächelte Peter an, „Zieh mich aus.“ Peter druckste mit belegter Stimme: „Ich trau mich nicht.“ Sie zog ihr Oberteil aus, unter dem BH wogte ein gewaltiges Busengebirge. „Aber den BH kannst Du mal aufmachen, ich komme von hinten immer so schlecht dran“ Peter öffnete den BH, ihre gewaltigen Brüste sanken auf dem Bauch herab. „Heute übernehme ich die Initiative, ich denke dass ich eine gute Lehrmeisterin bin“, Lea sank auf das Bett zurück und zog Peter an sich heran.

Am nächsten Morgen schaute Peter neben sich. Lea, einen entspannten Zug um den Mund, schlief noch. Peter lupfte vorsichtig die Decke und erblickte ihren nackten Körper. „Na, bist wohl neugierig“, sie schlug die Augen auf. „Du bist gestern abgegangen wie eine Rakete“, erwiderte Peter. „Ich dachte immer die älteren Frauen sind alle gefühlskalt“ fügte er hinzu. „Die älteren sind oft schärfer als die jungen. Wollen wir noch einmal“, sie schmunzelte ihn an. Natürlich wollte er und wie er wollte.

 

Peter genoss das Leben, er tourte mit seinem Jet und seiner Jacht durch die ganze Welt. Ein halbes Jahr an der Westküste der USA, zwei Jahre Dominikanische Republik, weitere Jahre auf Hawaii, eine großen Teil seines Lebens verbrachte er auf einer Südseeinsel, die er von der Regierung der Fidschi-Inseln gekauft hatte. In seinen Villen feierte er Feste, gab Bankette, sonnte sich im Wohlstand und allen Annehmlichkeiten. Die Jahre vergingen. Aus dem einst schlanken, sportlichen jungen Mann war ein behäbiger Kerl, der einen fußballförmigen Bauch vor sich hertrug, geworden. Sein einst volles Haar wurde dünner, Anzeichen einer Glatze spiegelten sich auf seinem Kopf wieder. Die Schärfe seiner Augen ließ nach, er benötigte eine Brille. Altersbedingte Verkrümmung der Hornhaut, nannte der Augenarzt das. Seine zehn Frauen suchte er immer seltener auf, aus Samenüberdruck wurde Schlaffheit. Ina hatte er längst vergessen. In seinem Leben gab es nur wenige Ärgernisse. Eines davon waren die tagelangen Shopping-Touren mit seinen Frauen. Ständig lagen Sie ihm mit Wünschen in den Ohren, die er ihnen stets erfüllte. Keine war jemals zufrieden, ständig nörgelten und stritten sie miteinander. Außerdem wurden sie auch älter, genauso wie Peter. An einem Wintertag, es war kurz vor Weihnachten, der Schnee fiel in dichten Flocken, weilte Peter in seiner Berliner Villa. Viele Jahre hatte er das Buch nicht mehr in den Händen gehalten. Nun schlug er es wieder auf und schrieb mit den Druckbleistift auf eine der leeren Seiten: „Ich wünsche mir das ewige Leben, auch Unsterblichkeit genannt, die ewige Jugend und die ewige Gesundheit. So sei es und so geschehe es.“ Er schlug das Buch zu, verstaute es im Geheimfach seiner Bibliothek. Er läutete nach seiner Hausangestellten, ließ er sich von ihr eine Flasche Bier bringen, öffnete die Flasche, steckte Finger in die Öffnung, ploppte und setzte an. Sein Adamsapfel hüpfte, das Bier ergoss sich in die Kehle. Genießerisch wischte er sich den Schaum vom Mund und rülpste. „Jetzt bin ich unsterblich“, jauchzte er. Das Bier schmeckte, er trank noch eine Flasche und noch eine. Als er die nötige Bettschwere erreicht hatte, legte er sich in seinem Himmelbett zu Ruhe. Sein Schlaf war sehr unruhig, hatte immer das Gefühl als würde etwas an ihm ziehen. Er meinte das Getrappel hunderter Füße zu hören, dann fiel er ein einen tiefen Schlaf.

 

Das Ende

 

Lautes Sirenengeheul ertönte, Peter erwachte. In einer Großraumbaracke kletterten Menschen aus Etagenbetten, eine Faust boxte Peter in die Seite. „Aufstehen, in 15 Minuten ist Morgenapell“, ein unrasiertes Gesicht erschien über ihm. „Wo bin ich hier“, Peter wischte sich schlaftrunken über die Stirn. „Im Arbeitslager“, erwiderte das unrasierte Gesicht. „Das muss ein Irrtum sein“, Peter wand sich aus der Pritsche und stellte die nackten Füße auf den Betonboden. „Ich bin gestern Abend in meiner Berliner Villa zu Bett gegangen. Wahrscheinlich wurde ich entführt?“, fuhr er fort. „Nein, nicht entführt. Hier kommen sie alle hin, das ist der ganz normale Werdegang“, sagte der Unrasierte. „Den Rest erkläre ich Dir später, keine Zeit, wir müssen gleich zum Morgenappell antreten. Hier zieh das an“, er zeigte auf einen zusammengelegten Packen Arbeitskleidung. Peter zog die graue Arbeitskluft über den Körper und stolperte hinter dem Unrasierten hinterher. Die Männer aus der Baracke hasteten zu einem großen Platz, der von weiteren Baracken umsäumt wurde. Dort stellten sie sich in Reihen, hintereinander gestaffelt auf. An den Seiten achteten Männer in roten Armbinden auf die korrekte Ausrichtung der Reihen.

 

„Was ist denn hier los“, flüsterte Peter zu dem Unrasierten, welcher neben ihm stand. „Ich möchte mich erst einmal vorstellen, mein Name ist Johann Simonis. Kannst mich aber Jo nennen, so wie die anderen“, er nickte Peter zu. „Den Namen habe ich schon mal gelesen“, gab Peter zurück, „stand mal in einem alten Buch.“ „Ja, das Buch mit den teilweise leeren Seiten“, erklärte Jo, „darauf bin ich auch reingefallen und die anderen auch.“ Er wies mit dem Arm über die Baracken: „Erst haben sie fein säuberlich ihre Wünsche in das Buch eingeschrieben, die stets in Erfüllung gingen. Die Zahl und der Umfang ihrer Wünsche nahmen immer mehr zu bis sie am Ende hier landeten. Nun sind wir alle hier und arbeiten fein säuberlich unsere Wünsche ab. Stück für Stück. Einige sind seit hunderten von Jahren hier, so wie ich, andere seit Tausenden und sogar seit Zehntausenden von Jahren. Sie arbeiten und arbeiten.“ Peter fragte: „Aber stirbt denn keiner?“ „Solange sie das ewige Leben haben und somit unsterblich sind, stirbt keiner“, flüsterte Jo. „Dann mache ich eben krank und ruhe mich im Krankenrevier aus“, gab Peter trotzig zurück. „Hast Du Dir denn auch die ewige Gesundheit gewünscht“, Jo grinste. „Ja, natürlich, zu einem ewigen Leben gehört ja auch die ewige Gesundheit“, brummte Peter. „Aus diesem Grund gibt es hier weder Krankenreviere und Friedhöfe“, erklärte Jo, „aber dafür jede Menge Arbeit in den Steinbrüchen und auf den Feldern. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Es gibt niemals frei.“

 

Am Horizont tauchte der Schimmer einer orangefarbenen Sonne auf. Auf dem Platz tauchten Nebelschwaden, daraus formte sich eine Figur, die wie ein Mensch aussah. „Achtung, Arbeitsmänner uuuuund stillgestanden!“, brüllte die Figur mit hoher Stimme. Hacken klappten krachend „Achtung und Gehorsam dem großen Meister“, tönte es im Chor aus den Reihen der Arbeitsmänner zurück. „Die linke Gruppe zum Steinbruch, die rechte Gruppe zu den Feldern. Ihr kennt Eure Aufgaben. Trägheit bei der Arbeit wird mit Schmerz bestraft“, die Figur hob die Hand ein Raunen ging durch die Reihen der Arbeitsmänner. Die Männer mit den roten Armbinden traten vor und verbeugten sich „Habt Gnade großer Meister, fügt uns keine Schmerzen zu“, riefen sie der Figur zu. „Gnade wird gegeben wenn die Arbeit erfüllt wird. Ein Heil der Arbeit! Reihen zu Kolonnen formieren und zur Arbeit abrücken“, schmetterte die Figur. Die Reihen der Arbeitsmänner formierten sich zu Reihen und rückten in Kolonnen ab. Peters Gruppe war für die Feldarbeit eingeteilt. „Jeden Morgen das gleiche Ritual“, erklärte Jo. „Ich arbeite mir hier nicht die Seele aus dem Leib, sondern langsam und mit vielen Pausen“, knurrte Peter. Jo schüttelte den Kopf: „Die Arbeit endet zum Sonnenuntergang, dann gibt es den Abendapell. Dort werden die Langsamen durch Schmerz bestraft. Dir bleibt nichts weiter übrig, als mit Deiner ewigen Gesundheit, Deinem ewigen Leben und Deiner ewigen Jugend den vollen Einsatz zu leisten.“ Peter stöhnte gequält auf: „Wo sind wir hier? Ist das noch die Erde? Kommt man hier irgendwie heraus?“ Ein trauriger Zug erschien in Jos unrasiertem Gesicht: „Die Leute aus dem 20. und 21. Jahrhundert meinen, dass hier sei ein Strafplanet. Die anderen aus meiner Zeit meinen, dass dies die Hölle ist, da gibt es kein Entrinnen.“

 

Ulf Forkner, Februar 2015

Impressum

Texte: Ulf Forkner
Bildmaterialien: Bookrix
Lektorat: Ulf Forkner
Tag der Veröffentlichung: 05.02.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen Lesern.

Nächste Seite
Seite 1 /