Cover

Prolog

 
Leise trommelten Regentropfen von draußen gegen die Fensterscheibe, während der Wind ums Haus sauste und heulend den Einbruch des Herbstes verkündete. Schnell schlüpfte ich unter die kuschelige Bettdecke und drückte sie fest gegen mein Gesicht. Ich sog ihren Duft so tief ein, als erstickte ich, wenn ich es nicht täte. Der vertraute Geruch von Stefan und mir umschmeichelte meine Nase und ergab eine Essenz, die ich am liebsten abfüllen wollte, um sie überall zu versprühen. Diesen Duft unserer Liebe.

Stefan kam zu mir unter die Decke und kitzelte mich mit seinen Beinhaaren. Er schlang seine Arme um mich und tupfte federleichte Küsse auf meine Schläfe. „Ich liebe dich“, raunte er an meinem Ohr und ich spürte meinen polternden Herzschlag. Zum ersten Mal seit drei Jahren würden wir die Nacht zusammen verbringen. Seine Mutter würde nicht um 22:30 anklopfen und mich freundlich ins Gästezimmer bitten. Verliebt blickte ich in die Augen des einen Menschen, der mir Liebe, Geborgenheit und die Familie schenkte, die ich nie hatte. Und bald würde ich auch auf dem Papier Teil dieser wundervollen Familie sein.

Mit ausgestreckter Hand und abgespreizten Fingern, bewunderte ich das schönste Versprechen, das mir je ein Mensch gegeben hatte. „Gefällt er dir?“, fragte mich Stefan, als ob er die Antwort nicht bereits kannte. Zärtlich strich ich mit dem Zeigefinger über den funkelnden, kleinen Stein des silbernen Rings, den er mir gestern vor seiner Familie an den Finger gesteckt hatte. „Er ist wunderschön“, schwärmte ich und schwor mir, ihn nie wieder abzulegen.
„Genauso wie du“, flüsterte Stefan und blickte mir tief in die Augen.
Ich kannte diesen Blick allzu gut und spürte, wie mein Unterleib sich genüsslich zusammenzog.

Das Klingeln des Smartphones ließ Stefan genervt schnauben. „Zieh dich schon mal aus“, befahl er verheißungsvoll und nahm gereizt den Anruf entgegen. Es störte mich, dass er der Person am anderen Ende der Leitung mehr Aufmerksamkeit schenkte als mir. Also beschloss ich, ihn ein wenig aus dem Konzept zu bringen, indem ich mich rittlings auf ihn setzte. Stefan fixierte mich, konnte seinen Blick nicht abwenden. Aufreizend langsam öffnete ich die Knöpfe meines Nachthemds. Oh, wie ich seinen glühenden Blick liebte.


Plötzlich löste blankes Entsetzen das Funkeln in seinen Augen ab. Ruckartig setzte er sich kerzengrade auf. Er war kreidebleich. „Bist du dir sicher?“, fragte er ins Telefon. Ein fahles Grau überzog sein vor Schreck verzerrtes Gesicht.
Auch ich spürte, wie alles Blut aus meinem Kopf wich und sich ein kribbeliges Gefühl ausbreitete. Was zum Teufel war los? Ich stieg von ihm runter, sah ihn fragend an, doch er beachtete mich nicht. Verzweifelt versuchte ich, aus den Satzfetzen, die er von sich gab, das gesamte Gespräch zu rekonstruieren.
„Schicks mir“, sagte er und fuhr mit der Handfläche über sein Gesicht. Das tat er immer, wenn er ratlos oder etwas Schlimmes passiert war.

„Okay, ich guck‘s mir an.“ Er legte auf und starrte fast apathisch auf sein Handy.
„Was ist los?“, fragte ich ungeduldig. Er antwortete nicht, hielt sich nur die Hand vor den Mund.
„Stefan? Was ist passiert? Du machst mir Angst.“
„Es kursiert ein Video.“
„Was für ein Video?“ Nun sah er mich an. Eine Mischung aus Panik, Verzweiflung und Ratlosigkeit lag in seinem Blick. Ich ahnte, was nun kommen würde, wollte es aber nicht wahr haben. Nicht, bevor er es nicht ausgesprochen hatte.
„Was für ein Video?“, fragte ich erneut - diesmal mit einem Zittern in der Stimme.
„Unser Video.“
„Wo?“, wollte ich wissen und merkte, wie sich mir der Magen umdrehte. Anstatt zu antworten, stand er auf und lief quer durch sein Zimmer. Dabei fuhr er sich immer wieder mit den Handflächen übers Gesicht.
„Etwa im Internet?“ Mein Puls raste, weil ich insgeheim die Antwort schon erahnte.
„Scheiße, ja“, stieß Stefan verzweifelt hervor.
Ich spürte, wie ich innerlich einfiel und sich mein Magen krampfartig zusammenzog. Das war zu viel. Ich eilte zu seinem Schreibtisch und übergab mich in seinen Papierkorb. Stefans Hand strich warm über meinen Rücken und ich nahm das Taschentuch, das er mir reichte, dankend an. Erst als mein Magen komplett leer gepumpt war und der Geschmack von Galle bitter auf meiner Zunge lag, wischte ich mir den Mund ab. Aus glasigen Augen sah ich ihn an. Suchte in seinem Gesicht nach Zuversichtlichkeit, einem Ausdruck, der mir Vertrautheit vermittelte oder der Andeutung eines Lächelns. Ich fand nichts, nur weit aufgerissenen Augen und diese Hand, die immerzu unheilvoll über sein toternstes Gesicht rieb.

Minutenlang verharrten wir in dieser Position. Ich, vor dem vollgekotzten Papierkorb sitzend und Stefen neben mir kniend. Wir hüllten uns in Schweigen, in stiller Hilflosigkeit. Er und ich hatten uns so an die Stille gewöhnt, dass der schrille Ton seines Handys uns erschrocken zusammenzucken ließ. Tief Luft holend, stand Stefan auf und nahm sein Handy vom Kopfkissen.
„Es ist da“, sagte er mit belegter Stimme.
„Das Video?“
Er nickte und setzte sich auf die Bettkante.
Obwohl ich merkte, wie erneut Übelkeit in mir hochkam, gesellte ich mich zu ihm. Gebannt starrten wir auf den Bildschirm, dann drückte Stefan auf ‚Play‘.

Sehen konnte man noch nichts, dafür aber hören. Mein lautes Stöhnen und Wimmern. Das rhythmische aufeinander Klatschen von Haut sowie das Quietschen eines Bettes. Das nun einsetzende Bild erinnerte an eine Sequenz eines Pornofilms. Schockiert schlug ich meine Hände über den Kopf zusammen. Man sah einfach alles. Wie er mit seinem Steifen meine Schamlippen teilte, mich weitete und in mich ein- und ausdrang. Meinen Körper mit seinen harten Stößen erschütterte, die mich immer wieder lustvoll aufschreien ließen. Von hinten glitt er vorsichtig in die runzlige Öffnung. Ich erinnerte mich, wie fremd er sich anfangs angefühlt hatte. Wie mich das Gefühl überkam, von innen aufgerissen zu werden, zu bersten und mir der Schmerz in die Augen schoss. Aber er hatte mich darum gebeten und ich wollte ihm diese Erfahrung schenken, weil ich ihn so sehr liebte.

Noch sah man lediglich zwei Körper, die es wild miteinander trieben. Doch dann drehte ich den Kopf zur Seite und blickte in die Linse der Kamera. Meine vollen Lippen formten „As“ und „Os“. Sekunden später sah man, wie sich Stefans linke Hand um meinen Busen legte, an der Knospe zwirbelte und zog, während die andere Hand sich in mein blondes, langes Haar krallte. Keuchend beugte er sich vor, es fehlten nur wenige Zentimeter, bis auch sein Gesicht deutlich zu sehen sein würde. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Stefan unruhig auf der Bettkante hin und her rutschte. Ich spürte, wie er neben mir verkrampfte, ahnend, dass man ihn gleich sah … Doch dazu kam es nicht, weil das Video kurz vorher stoppte. Überrascht blickte ich ihn an. Hatte er es angehalten? Es hätte sehr viel länger sein müssen. Und wieso sah man ihn nicht? Als hätte Stefan seit einer Ewigkeit die Luft angehalten, stieß er geräuschvoll den Atem aus und sank erleichtert ins Bett.

Ich verstand die Welt nicht mehr und eine furchtbare Vermutung drängte sich mir auf. Das Video war eindeutig manipuliert worden und außer ihm und mir wusste keiner von dessen Existenz. Nein, das würde er niemals tun. Innerlich schüttelte ich den Kopf, als könne ich diesen schrecklichen Verdacht auf diese Weise vertreiben. Aber der Gedanke hatte sich bereits so tief in mein Gehirn gefressen, dass ich nicht anders konnte, als ihn laut auszusprechen: „Hast du das Video geschnitten und ins Netz gestellt?“
Ruckartig richtete Stefan sich auf. Inzwischen war die Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt.
„Was? Hannah, nein. Wie kommst du denn auf so was? Meinst du ernsthaft, ich möchte, dass irgendwer außer mir dich, meine Verlobte, so sieht? Sich wohlmöglich noch daran aufgeilt? Wieso sollte ich das tun?“
„Vielleicht aus demselben Grund aus dem du dieses Video überhaupt erst machen wolltest. Der letzte Kick bevor wir uns das Jawort geben.“
„Spinnst du nun völlig? Das Video war für uns allein bestimmt. Außerdem warst du damit einverstanden. Ich kann doch auch nichts dafür, dass …“
„… Dass die ganze Welt nun sehen kann, wie du mir das Hirn rausvögelst?“, fiel ich ihm ins Wort. „Dass all unsere Freunde, deine Eltern und Geschwister, einfach alle sehen können, wie du mich in den Arsch fickst … Ach ja, dich sieht man ja gar nicht. Wie praktisch!“, schrie ich. Mein Kopf glühte und pochte, drohte beinahe zu platzen. Ich zitterte am ganzen Leib.
„Wenn du weiterhin so schreist, wissen meine Eltern und die Nachbarn es auch ohne das Video gesehen zu haben“, herrschte er zurück.

Ich spürte, wie meine Nase zu kribbeln und meine Augen zu brennen begannen. Tränen der Verzweiflung, Hilflosigkeit und Angst strömten heiß über meine Wangen. Stefan schlang tröstend seine Arme um mich, aber ich konnte seine Umarmung nicht erwidern. Zu groß war die Verbitterung darüber, dass nur ich zu sehen war, obwohl es unser Video war.
„Hannah, beruhige dich.“ Er strich mir übers Haar und küsste sanft meine Stirn. „Ich weiß nicht, wie dieses Video ins Netz gekommen ist. Aber ich schwöre bei Gott, dass ich nichts damit zu tun habe. Das musst du mir bitte glauben, okay?“ Er nahm mein tränenüberströmtes Gesicht zwischen seine Hände und zwang mich, ihn anzusehen. „Okay?“, wiederholte er und spießte mich dabei mit seinen blauen Augen auf.
Ich nickte und ließ zu, dass er mich so lange an seine warme Brust presste, bis ich wieder gleichmäßig atmen konnte.


Ein dumpfes Klopfen ließ uns beide hochschrecken.
„Stefan, kommst du bitte?“, bat Sylvia, seine Mutter, durch die Tür.
„Scheiße“, stieß Stefan fluchend aus. Erneut wich alle Farbe aus seinem Gesicht.
„Meinst du, … sie weiß es?“, flüsterte ich und spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Er zuckte mit den Schultern, löste sich von mir und rieb sich das Gesicht. Wortlos ging er zur Tür und ließ mich verunsichert und machtlos zurück.

Es vergingen die wohl längsten und qualvollsten Minuten meines Lebens. Die Ungewissheit und das Warten trieben meinen Blutdruck derart in die Höhe, dass ich glaubte, kurz vor einem Herzinfarkt zu stehen. Ich spielte bereits mit dem Gedanken die Tür einen Spalt zu öffnen oder mich in den Treppengang zu schleichen und zu lauschen, als sich die Türklinke nach unten bewegte. Stefan war zurück. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern trat er ein, wie ein Häufchen Elend. Statt zu mir zu kommen, blieb er vor der Tür stehen und ich ahnte, dass die nächste Katastrophe ins Haus stand. Mein Herz raste und eine tiefe Angst suchte mich heim, weil er nur da stand, ohne einen Ton von sich zu geben.

Nach einer gefühlten Ewigkeit sah er mir endlich in die Augen und ich blickte in das Antlitz eines verstörten kleinen Jungen. „Sie wissen es“, sagte er heiser.
Ich schluckte schwer, ignorierte die erneute Rebellion meines Magens. „Und …“ Er stockte und sah mich entschuldigend, fast schon reumütig an, „Sie verlangen von mir, dass … dass ich die Verlobung löse.“
„Du sollst was?“, fragte ich irritiert nach, weil ich in diesem Moment wirklich davon überzeugt war, mich verhört zu haben.
„Ich soll … die Verlobung mit dir lösen und mich von dir trennen“, sprach Stefan aus, was ich nie für möglich gehalten hätte.


„Und jetzt?“ Angst und Hoffnung lagen zu gleichen Teilen in meiner Stimme.
Er schwieg, starrte zu Boden. „Stefan? Sieh mich an. Was wirst du tun?“
„Ich … weiß es nicht.“ Aus verzweifelten Augen sah er mich wieder an.
„Hannah, wir sind achtzehn. Du weißt, wie gläubig meine Familie ist. Nur weil sie dich von klein auf kannten und uns vertrauten, waren sie mit dieser Beziehung einverstanden. Bis heute wussten sie ja nicht mal, dass wir Sex haben und jetzt das …“
„Okay, das versteh‘ ich. Das Video ist eine Katastrophe. Und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich deiner Mutter jemals wieder unter die Augen treten soll. Aber wir lieben uns und werden heiraten. Außer dir habe und werde ich nie mit einem Anderen schlafen …“
„Sie denken aber das hättest du bereits“, unterbrach er mich. Meine Augenbrauen schnellten in die Höhe. „Sie … sie denken … Also, sie wissen nicht, dass ich das auf dem Video bin“, fuhr er stammelnd fort.
Bitte was? Mein Gehirn versuchte fieberhaft zu begreifen, was meine Ohren soeben vernommen hatten und zerpflückte seine Aussage Silbe für Silbe. Als die Bedeutung seiner Worte in mein Bewusstsein gesickerter war, starrte ich ihn mit offenem Mund an.
„Hannah. Bitte versteh‘ doch. Ich kann ihnen diese Enttäuschung nicht antun. Sie würden es nicht begreifen. Mein Vater hat sogar gedroht, mich zu enterben. Ich kann es ihnen nicht sagen.“

Ich schüttelte den Kopf, konnte einfach nicht fassen, was Stefan da von sich gab. „Okay, nur zum Verständnis … Wenn du das nicht bist. Mit wem vögle ich denn dann?“
Wut und Enttäuschung krochen einmal mehr in mir hoch, weil er mich entschuldigend ansah und ein jämmerliches „Es tut mir leid“, von sich gab.
„Es tut dir leid?“, brüllte ich fassungslos und schnappte nach Luft. „Dir ist es also lieber, alle denken zu lassen, ich hure durch die Weltgeschichte und lass mich dabei auch noch filmen, als die Wahrheit zu sagen? Du hast mich zu diesem Scheißvideo überredet. Es war deine verdammte Idee“, schrie ich ihn an, bohrte meinen Zeigefinger dabei in seine Brust. „Du wolltest vor der Hochzeit unbedingt diesen Kick erleben. Ich ließ dich in meinem Arsch kommen. Und jetzt lässt du mich so hängen? Lässt alle glauben ich sei eine notgeile Schlampe?“


Stefan zuckte bei den letzten Worten zusammen, bat mich um Ruhe, was mich nur noch zorniger werden ließ. „Hannah, bitte. Beruhige dich. Natürlich will ich nicht, dass man so von dir denkt, aber du kannst das nicht nachvollziehen … Du weißt nicht, wie es ist, in das enttäuschte Gesicht seiner Eltern zu blicken und …“
Noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte, landete meine flache Hand schallend auf seiner Wange und hinterließ dort einen roten Abdruck. „Dass meine Eltern mich ins Heim gesteckt haben, gibt dir noch lange nicht das Recht, mich so zu behandeln. Und ich weiß sehr wohl, was es heißt, enttäuscht zu werden. Dank dir.“

Tränen liefen mir übers Gesicht. Den Finger, von dem ich den Verlobungsring streifte, erkannte ich nur verschwommen. „Hier. Den will ich nicht mehr.“ Ich blickte in seine feuchten Augen und hielt ihm den Ring hin. Doch er nahm ihn nicht an. Also stopfte ich ihn in seine Hosentasche und unterdrückte ein Schluchzen. Mit zittrigen Händen zog ich mich an und verfrachtete alles, was mir gehörte in meine Tasche. Ich musste hier weg. Und der Gedanke ihn zu verlassen war genau so unerträglich und schmerzhaft, wie der, es nicht zu tun. Ohne ein Wort zu sagen, ohne mich zum Bleiben zu überreden, ließ Stefan mich gehen.


Hinter der Tür zu Stefans Zimmer, holte ich tief Luft und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Mit schlotternden Beinen nahm ich die Treppe hinunter zum Wohnzimmer. Bei dem Gedanken, Stefans Eltern unter die Augen zu treten, wurde mir speiübel. Auf der Hälfte der Treppe bemerkte ich, dass kein Licht brannte. Der sonst so lebhafte Wohnbereich war totenstill. Unten angekommen betrat ich ein leeres, wie ausgestorbenes Wohnzimmer. Mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als mir klar wurde, dass ich verstoßen worden war - erneut. Ein letztes Mal sog ich den heimischen Geruch von Holz, Essen und Sylvias süßlichen Parfüm ein, bevor ich die Tür ins Schloss fallen ließ und alles, was mir je etwas bedeutet hatte, hinter ihr verschwand.

Kapitel 1


Sechs Jahre später…


Hannah

Miesgelaunt und noch schlaftrunken tastete ich mich das Geländer der Holztreppe hinab, die von meiner kleinen Wohnung aus ins Caféstübchen führte. Das Licht ließ ich aus, um meinen müden Augen noch ein Weilchen die Illusion der Nacht zu gönnen. Unten angekommen, zog ich die Rollläden hoch, den Vorhang der Eingangstür zur Seite und blinzelte nach draußen. Kölns Altstadt war einmal tief in einen Topf voll grauer Farbe getaucht und anschließend mit einem Bottich schmutzigem Wasser abgespült worden. Gesenkte Köpfe huschten an meinem Café vorbei. Schienen sich vor der grauen Oktobernässe in Sicherheit bringen zu wollen. Ich zog meinen Morgenmantel enger um die schmale Taille und beschloss, den heutigen Tag einfach zu verschlafen.


Erschrocken fuhr ich zusammen. Vor der Fensterscheibe meines Cafés stand ein großgewachsener Mann. Grinsend und wild gestikulierend bedeutet mir der Fremde, ihm Einlass zu gewähren. Der Regen hatte wohl sein Gehirn geflutet, dachte ich und zeigte ihm den Vogel. Obwohl er mit seinem braunen, mittellangen Haar, das im triefend in die Stirn fiel und seinen hellgrünen Augen nicht schlecht aussah, zog ich ihm den Vorhang vor der Nase zu. Männer, die vormittags nichts Besseres mit sich anzufangen wussten, als Frauen zu Tode zu erschrecken, fielen für mich ganz klar in die Kategorie Freak. Und die mussten leider draußen bleiben, egal wie gut sie aussahen. Heute hatte ich es scheinbar mit einem besonders hartnäckigen Exemplar zu tun. Ich ignorierte dessen Klopfen an der Fensterscheibe und trat den Gang zurück in meine Wohnung an. Auf halber Treppe hielt ich inne. Da rief doch jemand meinen Namen oder hatte ich mich verhört? Ich horchte - und vernahm tatsächlich ein gedämpftes „Hannah, ich bin‘s“. Der Rest des Satzes wurde durch das laute Poltern meiner Füße auf dem Holzdielenboden verschluckt.

Es war die reine Neugierde, die mich zurück zum Eingang laufen ließ. Ich drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür einen Spalt. Neugierig lugte der Freak durch die schmale Öffnung. Seine grünen Augen taxierten mich derart ausgiebig von Kopf bis Fuß, dass ich drauf und dran war, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
„Du bist es tatsächlich, Hannah“, sagte er nach seiner Inspektion freudestrahlend. Dabei sah er mich an, als sei ich das Beste, was ihm diese Woche widerfuhr.

„Wir haben vor drei Monaten den Abschluss an der Uni Köln gemacht, erinnerst Du dich?"
Ich sah ihn fragend an.
„Wirtschaftsrecht …?“, versuchte er mir auf die Sprünge zu helfen.
Ich tappte noch immer im Dunkeln. „Schwerpunkt: Internationales Steuerrecht … Professor Dr. Kallus …?“
„Wenn das nicht dein Name ist, hilft mir das nicht sonderlich weiter“, antwortete ich leicht genervt, angesichts dieser unfreiwilligen Raterunde.
„Oh … Stimmt. Ich bin’s, Jan Schneider“, sagte er vollkommen überzeugt davon, dass jetzt der Groschen bei mir fiel.
Tatsächlich hatte ich das Gefühl, diesen Namen zum ersten Mal zu hören. Sein Blick war so erwartungsvoll, dass ich so tat, als sei Gegenteiliges der Fall. Und … vielleicht auch, weil ihm der eine Regentropfen auf der Unterlippe so verdammt gut stand.
„Ähm … Wie geht’s dir, was machst du so?“, lenkte er meine Aufmerksamkeit von seinem Mund weg.
Es entging mir nicht, wie er dabei versuchte, an mir vorbei zu spähen. „Ist das hier dein Laden? Wohnst du auch hier?“, fragte er interessiert. Ich nickte knapp, weil ich keine Lust hatte, in ein Gespräch verwickelt zu werden. „Hast du Lust auf einen Kaffee? Ich meine … nur, wenn du Zeit hast.“
„Ich … weiß nicht genau …“, zögerte ich. Die Abfuhr lag mir bereits auf der Zunge. Doch dann leckte er sich diesen Tropfen von seiner geschwungenen Unterlippe. Und bei genauerer Betrachtung stellte ich fest, dass mir gefiel, was ich sah. Deshalb beschloss ich, das Café heute doch noch zu öffnen.
„Komm in einer Stunde zurück, der Kaffee geht aufs Haus.“

***


„Verdammt, Hannah“, stieß mein ehemaliger Kommilitone aus, als ich mir das Top über den Kopf zog und meine Brüste entblößte. Ein leichter Windzug streifte meinen Busen, sodass sich meine Nippel sensibel aufrichteten. Jan oder Jens, der Name war mir entfallen, starrte mit tellerrunden Augen und offenem Mund auf meine weißen Hügel. Konnte er nicht wenigstens starren und dabei aktiv werden? Schließlich war anfassen heute ausnahmsweise erlaubt. Stattdessen stand er da und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wenn ich gewusst hätte, dass er so leicht aus dem Konzept zu bringen war, hätte ich mein Top anbehalten. Okay, so wurde das hier nichts. Und da ich nicht ewig Zeit hatte, ergriff ich die Initiative. Ich stieg von der Theke, nahm seine Hand und führte sie an meinen Busen. Und siehe da, er erwachte aus seiner Schockstarre und fing an ihn zu kneten, zwar etwas unbeholfen, aber immerhin. Ich machte mich an seiner vorn ausgebeulten Jeans zu schaffen, knöpfte sie auf und schenkte seinem Harten die Freiheit.

 
Entschlossen packte er mich an der Taille, hob mich hoch und setze mich zurück auf den Tresen. Gut. Offenbar war ihm der Zweck unserer Zusammenkunft nun klar. Ohne Vorwarnung drang seine Zunge in meinen Mund ein und schleuderte wie ein Wirbelsturm nass durch meine Mundhöhle. Wenig angetan, warf ich meinen Kopf in den Nacken und offerierte ihm eine Stelle, der triefende Zungen weniger etwas ausmachte. Feucht glitt sie nun meinen Hals hinunter bis zum Ansatz meiner Brüste. Schwer atmend umschloss er mit seinen Lippen meine Knospen, leckte und saugte an ihnen, während er mich von meinem Höschen befreite und mich gänzlich entkleidete. „Du bist so schön“, murmelte er, bevor seine Zunge in meinen Bauchnabel eintauchte und sich anschickte weiter südwärts zu gleiten. Wissend, was er vorhatte, krallte ich mich in sein regenfeuchtes Haar und zog ihn Richtung Norden. Nach drei Monaten der Abstinenz genügte allein der Gedanke an Sex, um mich feucht werden zu lassen. Ich brauchte kein Vorspiel, ich brauchte einen Schwanz. Jetzt. Sofort. Tief in mir.

Blitzgescheit erkannte mein Lustobjekt die Situation und ging zum Tisch, an dem ich ihm vor wenigen Minuten noch einen doppelten Espresso serviert hatte. Hier griff er in die Innenseite seiner braunen Lederjacke, die über der Stuhllehne hing und zückte ein Kondompäckchen. Hastig zog er sich die Jeans bis zu den Kniekehlen herunter. Dann stülpte er sich den farbigen Gummi über seine Erektion und watschelte äußerst unerotisch mit grünem, auf und ab wippendem Ständer zu mir zurück. Ich unterdrückte ein Kichern und schlang schnell die Beine um seine Hüften, bevor mir die Lust angesichts dieses Bildes wieder verging.

Mit einem einzigen Stoß drang er so tief in mich ein, dass ich überrascht nach Luft schnappte. Er füllt mich gänzlich aus, ließ mir kaum Zeit mich an ihn zu gewöhnen und setzte zum nächsten Stoß an. Dieser war so heftig, dass die Kartenständer vom Tresen fegten. Mit hochrotem Kopf sah er mich verblüfft an. Es folgten schnelle, abgehackte Bewegungen, die ihn immer näher an den Höhepunkt zu bringen schienen, mich hingegen weiter und weiter davon entfernten.

Oh nein, bitte keine Nullnummer. Schnell schob ich ihn von mir weg. Noch bevor er protestieren konnte, drängte ich ihn einige Schritte nach hinten. Ziel war der Stuhl. Dort angekommen, brachte ich ihn mit einem Schubser dazu, auf diesem Platz zunehmen und setzte mich rittlings auf seine immer noch harte Erektion. Ich stöhnte leise auf, als ich spürte, wie ich dem Orgasmus entgegen ritt. Binnen weniger Minuten fand ich endlich die lang ersehnte Erlösung, ebenso mein Kommilitone, der keuchend meinen Namen sagte.

Mit wackeligen Beinen stieg ich von ihm runter und sammelte meine auf dem Holzdielenboden verstreute Kleidung ein. Ich erstarrte. Ohne Vorwarnung schlang er seine Arme von hinten um meine Taille.
„Hmm … das war wunderbar. Was hältst du von einer zweiten Runde nach einer gemeinsamen Dusche?“
Schnell wandte ich mich aus seinem Klammergriff und beeilte mich, Top und Höschen anzuziehen. Die Vorstellung ihm nackt eine Abfuhr zu erteilen, versetzte mich in Unbehagen.
„Ich halte mehr davon, wenn du jetzt gehst“, entgegnete ich und reichte ihm seine Boxershorts.
„Du wirfst mich raus?“, fragte er und kaschierte seine Verwunderung mit einem schiefen Lächeln. Und zwar genau dem Lächeln, mit dem er mich zuvor herumgekriegt hatte.
„Nein, noch bitte ich dich zu gehen.“ Vorsichtshalber brachte ich den Tresen zwischen ihn und mich.
„Was ist denn los, Hannah? Hab ich was falsch gemacht?“ Er wirkte sichtlich verwirrt und sah mich fragend an. Nun tat er mir leid. Denn außer, dass Küssen nicht zu seinen Stärken zählte, hatte er eigentlich alles richtig gemacht. Zumindest hatte er mir einen Orgasmus geschenkt. Ich zögerte mit meiner Antwort, beobachtete wachsam, wie er sich die Boxershorts und Jeans überzog.

„Wenn du willst, dass ich gehe, dann tue ich das. Aber ich hatte gehofft, wir könnten uns noch unterhalten.“
Ich zog skeptisch die Augenbraue hoch. „Unterhalten?“, hinterfragte ich seine Worte und überlegte, ob ich das wirklich wollte.
„Ja“, antwortete er nun sichtlich entspannter.
„Okay, eine Stunde. Danach gehst du wieder. Und, das hier war eine einmalige Sache. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, gibt’s Hausverbot. Verstanden?“
„Äh …“, setzte er verwirrt an. „Okay … aber …“
„Kein aber“, fiel ich ihm ins Wort,
„Kaffee oder Ausgang?“ „Kaffee“, sagte er zögerlich und nahm fast schon skeptisch auf dem Hocker am Tresen Platz.

Wahrscheinlich hielt er mich nun für eine arrogante Zicke oder gar einen Freak. Aber das war mir egal, denn so waren nun mal meine Spielregeln.

***

„Wir haben geschlossen“, sagte ich Sonntagabends und drehte mich zur Tür. Innerlich bereitete ich mich auf eine hitzige Diskussion mit einem dieser Gäste vor, die einfach nicht begreifen wollten, dass man irgendwann auch mal Feierabend hatte. Gerade wollte ich loswettern, da verschlug es mir die Sprache. Vor mir stand eine junge Frau die aussah, wie eine Vogelscheuche. Ich blickte in ein von knallroten Dreadlocks gerahmtes Gesicht, das in einem grauen Müllsack zu versinken schien, der irgendwie als eine Art Regencape zweckentfremdet um ihre Schultern hing. Triefend und bibbernd stand sie vor mir und blickte mich mit großen Kulleraugen an. Zwei Piercings - eins durch die Nase und ein weiteres durch die Unterlippe - zierten ihr unglaublich hübsches Gesicht.

„Bitte entschuldigen Sie, aber bekommt man hier vielleicht noch einen Kaffee?“ Mit ihrer unerwartet schüchternen und höflichen Art, nahm sie mir direkt den Wind aus den Segeln.
„Tut mir leid, aber die Kaffeemaschine ist schon aus“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Dabei lächelte ich sie entschuldigend an. Woraufhin sie enttäuscht den Kopf senkte und ihre schmalen Schultern schlaff herunterhängen ließ. Fast schon verängstigt blickte sie über diese hinweg, zurück zum Ausgang. Es war als fürchte sie, was sie draußen erwartete. Ich rang mit meinem Gewissen, als sie die Tür öffnete und der eiskalte Wind durch die Tür wehte und mich frösteln ließ. Schließlich lenkte ich ein: „Magst du Tee? Den könnte ich dir machen.“
„Ich liebe Tee“, sagte sie mit einer kindlichen Freude, die fast schön rührend war und lächelte breit.
„Okay. Dann such dir einen Platz. Ich bin gleich wieder da. Ist schwarzer Tee in Ordnung?“
Sie nickte dankbar und steuerte dann zielstrebig die kleine, gepolsterte Sitzecke neben einer der Heizkörper an. Während ich den Tee aufbrühte, beobachtete ich, wie sie diese Mülltüte ablegte und nichts als ein T-Shirt, einem viel zu kurzen Jeansrock und einer Netzstrumpfhose zum Vorschein kam. Allein der Anblick ließ mich frösteln.


Ich setzte mich auf den Stuhl gegenüber und reichte ihr die dampfende Tasse. Sie ergriff sie lächelnd, legte ihre verschmutzen Hände um das aufgeheizte Porzellan und wärmte ihre Finger. Leicht verstört schaute sie sich um, schien meinem skeptischen Blick immerzu auszuweichen. Darauf bedacht, sich nicht zu verbrühen, nippte sie vorsichtig an dem Tee. „Tut gut“, sagte sie und nahm direkt den nächsten Schluck.
„Freut mich …“
„Mia … Ich heiße Mia“, stellte sie sich unaufgefordert vor.
„Ich bin Hannah.“
„Wirklich nett von dir, dass ich rein durfte, obwohl du geschlossen hast … oder?“, bedankte sie sich erneut wobei in dem oder die leichte Hoffnung mitschwang noch ein Weilchen bleiben zu können. Weshalb nur? Hatte sie denn kein zu Hause? Einerseits wirkte sie wie ein Kind von der Straße, andererseits hatte sie sehr gute Manieren. Schien viel zu weich und kein Bisschen verlebt - so verlebt wie man mit fünfzehn oder sechszehn Jahren sein konnte.


Ich verkniff mir die Fragen, zumal ich sie nach dem Tee ohnehin auffordern würde zu gehen. Je weniger ich über sie wusste, desto weniger würde ich mich sorgen. Ich beantwortete ihre Frage mit einem knappen Nicken. Schweigend saßen wir uns gegenüber. Während meine Tasse schon längst ausgetrunken war, nippte sie immer noch an ihrer. Trank sie wirklich so langsam oder versuchte sie Zeit zu schinden? Mir entging nicht, wie sie mich zwischenzeitlich mit ihren großen Kulleraugen ansah. So, als hätte sie etwas auf dem Herzen, das sie sich nicht anzusprechen traute. Als ob irgendwer ihr bei diesem Blick eine Bitte würde ausschlagen können.
„Hannah …“, setze sie dann doch irgendwann an, „… dürfte ich vielleicht ganz kurz telefonieren?“ „
Aber klar. Das Telefon findest du am …“ Ich stockte. Ob es so eine gute Idee war, sie in die Nähe der Kasse zu lassen? Möglicherweise verbarg sich hinter ihren guten Manieren und diesem unschuldigen Lächeln eine Masche, irgendein perfider Plan, um mich auszurauben. Wenngleich ich meine heutigen Tageseinnahmen an zwei Händen abzählen konnte - aber das wusste sie ja nicht. Also ging ich lieber auf Nummer sicher und brachte ihr das Telefon. Dabei lugte ich in ihre Tasse, die wie vermutet leer war.

„Könnte ich es gleich noch mal probieren. Ich konnte niemanden erreichen“, sagte sie enttäuscht und reichte mir das Telefon.
„Klar.“
„Tut mir wirklich leid“, entschuldigte sie sich erneut und rieb sich dabei ihre Oberarme.
Aus Mitleid, und weil ich sie aus unerfindlichen Gründen mochte, zog ich meine Strickjacke aus und gab sie ihr. „Hier, damit du dich nicht erkältest.“
Überrascht sah sie mich mit ihrem Audrey Hepburn-Augenaufschlag an.
„Das ist in Ordnung“, ermunterte ich sie die Jacke überzuziehen.
Ein „Dankeschön“ murmelnd schlüpfte sie in die Ärmel. Mit Erstaunen stellte ich fest, dass sie beinahe in meiner Jacke versank. Ich war ja schon zierlich, aber Mia dagegen war dürr. Automatisch stellte ich mir vor, wie sie nach Essen oder Geld bettelnd durch Kölns Straßen zog. Ob sie deshalb so dünn war? Der Gedanke, sie gleich wieder nach draußen zu schicken, erfüllte mich mit Unbehagen. Ich schob ihn beiseite - das schlechte Gewissen jedoch blieb.

Das Klingeln des Telefons durchbrach die Stille zwischen uns. Mit der Vermutung, dass der Anruf für Mia war, hob ich ab.
„Bei Hannah’s“.
„David Bender. Wer spricht da bitte“, antworte die wohl verführerischste Männerstimme, die ich jemals vernommen hatte. Ich verlor kurz den Faden, bevor ich antwortet: „Sie … Sie sprechen mit Hannah Sanders.“
„Ich habe ihre Rufnummer auf meinem Display. Haben sie versucht mich anzurufen?“, hallte der tiefe Bass seiner Stimme durch die Leitung, so voll und warm, dass ich beinahe eine Gänsehaut bekam. Wohlgemerkt vom bloßen Telefonieren. Wie es wohl sein würde, mit diesem Mann Telefonsex zu haben? Allein bei dem Gedanken wurde mir heiß.
„Ich nicht. Aber eine Mia …“, antwortete ich zeitlich versetzt.
„Mia? Mia Bender … ist sie bei ihnen?“, fiel er mir ins Wort und klang äußerst besorgt.
„Eine Mia sitzt hier bei mir. Moment bitte.“
Ich überreichte Mia das Telefon und ignorierte die leichte Enttäuschung darüber, dass diese sexy Stimme wahrscheinlich zu einem Mitte vierzig jährigem Mann gehörte, der offenbar verrückt vor Sorge um seine verschollene Tochter war. Um sie ungestört telefonieren zu lassen, räumte ich meine Tasse in die Spülmaschine hinter den Tresen. Zurück am Tisch erkundigte sich Mia nach der Adresse meines Cafés und gab diese an ihren Vater weiter. Leicht zerknirscht legte sie auf - offenbar hatte es Ärger gegeben. Wortlos gab sie mir das Telefon zurück und kuschelte sich in meine Strickjacke.


„Was bekommst du für den Tee?“, fragte sie nach einer Weile und entleerte klimpernd ihr Portemonnaie auf dem Holztisch. Ich winkte ab, als ich sah, wie sie ihr scheinbar letztes Taschengeld zusammenkratzte.
„Der ist geschenkt.“
„Hier, das müsste reichen“, überging sie mein Angebot und schob mir drei Euro über den Tisch.
„Behalt dein Geld, der geht aufs Haus.“
„Aber, du hast mir heute schon so geholfen.“ Dankbar lächelnd strich sie über die Jacke.
„Dann will ich wenigstens mein Getränk zahlen.“
„Tja, das ist wohl dein Glückstag“, entgegnete ich und schob das Geld zurück auf ihre Tischhälfte. Schließlich gab sie auf und schenkte mir ein Lächeln, so warm und herzlich, dass sogar mir das Herz aufging. Ob ihr bewusst war, wie entwaffnend ihre bescheidene und zurückhaltende Art, gepaart mit diesem Augenaufschlag war?
„Malst du?“, riss sie mich aus meinen Überlegungen.
„Ob ich male?“, wiederholte ich etwas dümmlich, weil ich mit solch einer Frage nicht gerechnet hätte.
„Ja … du hast Farbe am Hals und in einer deiner Haarsträhnen. Und dein Café sieht ganz anders aus als die anderen hier … irgendwie so kunstvoll …“. Ihr Blick streifte die Wand zur Linken. Diese bestand aus verschiedenfarbigen Mauersteinen, eigens von mir eingefärbt und arrangiert.

Ich wollte gerade antworten, da schwang die Tür auf und eine kühle Brise wehte in den Raum, gefolgt von einem Prachtexemplar von Mann.

 

Kapitel 2


David

Damit hatte ich nicht gerechnet. Scheiße, war die Kleine heiß, sie bestand nur aus Augen, Brüsten und Beinen. Unauffällig ließ ich meinen Blick über ihre faszinierenden Kurven schweifen - so zierlich und weiblich zugleich. Ich fragte mich, wie sie wohl unter ihrer Kleidung aussah … Okay David, wenn Du jetzt nicht gleich mit einem Ständer vor Mia und dieser Schönheit hier stehen willst, solltest du schleunigst an etwas anderes denken.

 


Hannah

Eigentlich waren Männer in Anzügen nicht mein Fall. Meist wirkten sie kostümiert und strahlten Pseudoautorität aus. Dieser hier hingegen sah umwerfend aus, hatte Klasse und Stil. Seine Körpergröße, der feste Stand und diese breiten Schultern, die durch die Polsterung des Jacketts noch betont wurden, zeugten von einer Dominanz. Lässig und sich seiner Ausstrahlung bewusst, stand er leicht breitbeinig da. Unter seinem Jackett trug er ein weißes Hemd, das sich über einen definierten Brustbereich spannte. Die ersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet und die Krawatte war so gar nicht vorschriftsmäßig, lose um den Kragen gebunden. In Verbindung mit diesem leicht zerzausten, dunklen Haare, sah er aus, als käme er grade von einem Quicky. Schatten seines Dreitagebartes betonten ein markantes Kinn und seine ohnehin sehr maskulinen Gesichtszüge. Aufgehoben wurde die Strenge durch volle, feste Lippen und hohe Wangenknochen. Mir entging nicht, wie er mich aus seinen graublauen, von dichten Wimpern umsäumten Augen, musterte. Unweigerlich fasste ich mir an den Hals, versuchte die Farbspuren abzudecken, auf die mich Mia zuvor aufmerksam gemacht hatte. Apropos Mia, die war ja auch noch hier.

Sie hatte sich wie auf Kommando erhoben und stand neben der Sahneschnitte, die sie aus gefährlich zusammengekniffenen Augen anfunkelte. „T-tut mir leid“, stammelte Mia und blickte beschämt zu Boden. „Wir zwei reden gleich.“ Sein Blick war finster, die Stimme unverkennbar tief und ließ keinen Zweifel daran, dass die Telefonsexstimme von vorhin gekommen war, um Mia abzuholen. Allerdings weigerte ich mich zu glauben, dass er Mias Vater war. Älter als dreißig konnte er nicht sein und hätte verdammt früh mit der Kinderproduktion anfangen müssen, um Mias Erzeuger sein zu können.


„Was bekommen Sie dafür“, fragte er mich von Kopf bis Fuß taxierend.
Ihm zu antworten, dass mein Körper unverkäuflich war, lag mir regelrecht auf der Zunge, so unverhohlen wie er mich mit seinen Augen auszog.
„Das passt schon“, sagte ich, das Prickeln meiner Kopfhaut ignorierend.
„Kleiner hab ich‘s nicht“, überhörte er mich einfach und legte mir einen Zehn Euroschein auf den Tisch.
„Das stimmt so.“ Sein rauer Tonfall ließ keinen Wiederspruch zu.
„Tschüss Hannah und … danke nochmal“, verabschiedete sich Mia scheu und ging zur Tür hinaus.
Anstatt ihr zu folgen, stand die Telefonsexstimme immer noch an gleicher Stelle und sah mich an. Erneut oder immer noch, jedenfalls wurde es langsam aufdringlich.
„Kann ich dir irgendwie helfen? Mich vielleicht ausziehen, dann kannst du dich mal so richtig sattsehen und endlich aufhören zu starren“, motzte ich.
Ein klangvolles Lachen hallte durch den Raum. „Okay, erwischt“, gab er zu und wurde nicht mal rot. „Fassen Sie‘s als Kompliment auf, denn Sie … sind eine sehr schöne Frau, Hannah. Und … sehr direkt.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
„Ich glaube Mia wartet draußen auf dich“, versuchte ich ihn abzuwimmeln.
„Bitte“, gab er als Antwort.
Ich zog eine Augenbraue hoch, weil ich den Bezug zu meiner Aussage nicht erkannte.
„Für Komplimente bedankt man sich in der Regel“, erklärte er altklug.
„Für Komplimente schon, aber nicht für billige Anmachsprüche. Die bekomme ich hier jeden Tag zu hören.“
Statt wie jeder andere Typ beleidigt abzudampfen, grinste mich Telefonsexstimme an und schien sich köstlich zu amüsieren. „Okay. Vielleicht fangen wir einfach von neu an: Guten Abend Hannah, ich bin David Bender“, stellte er sich mir gespielt förmlich vor.
Die Art, wie er dabei seine Stimme modellierte, sendete ungewohnte Schauer über meinen Rücken. Ich hasste meinen Körper dafür, dass er dieser Masche auf den Leim ging. Widerwillig ergriff ich die gepflegte, ausgestreckte Hand, die er mir hinhielt: „Hi David, meinen Namen kennst du ja und jetzt würde ich gerne Feierabend machen.“
„Kann ich dich nach Hause fahren, Hannah“, bot er an und spießte mich mit seinen faszinierenden Augen auf. Dabei strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken und mein dummer Körper reagierte mit einer Gänsehaut. Hastig entzog ich ihm meine Hand.
„Ich hab‘s nicht so weit“, lehnte ich ab und spürte deutlich, wie Hitze mich erfasste und erröten ließ.
„Kommst du?“, ertönte Mias rettende Stimme ungeduldig.
„Gleich“, antwortete David. Vollkommen unbeeindruckt von der Tatsache, dass Mia wartend in der Kälte gestanden hatte, ließ er mich dabei nicht aus den Augen.
„Komm gut Heim, Hannah“, sagte er, wobei die Art, wie er meinen Namen aussprach, irgendwie bedeutungsvoll klang.
Ich nickte knapp und war froh, als er endlich weg war. Erleichtert atmete ich aus, während mein Körper sich allmählich von Davids Anwesenheit erholte.

***


Am nächsten Tag traute ich meinen Augen nicht. David, alias Telefonsexstimme, stolzierte durch die Tür meines Cafés. Im Businesslook in Vollendung, inklusive Aktentasche, steuerte er breitgrinsend auf mich zu. Dabei präsentierte er seine strahlendweißen Zahnreihen.
„Guten Tag, Hannah“, grüßte er mich.
„Guten Tag, David“, äffte ich seine Art jeden Satz mit meinen Namen zu beenden nach. Wieder entdeckte ich dieses amüsierte Zucken auf seinen Mundwinkeln. Machte er sich etwa über mich lustig?
„Ist das dein Café, Hannah?“, ließ er seinen Blick nun durch den Raum schweifen.
Mich hatte er bislang nur flüchtig angesehen, was mich ein wenig ärgerte. Ich nickte und suchte verzweifelt nach einer Beschäftigung. Gäste wären jetzt gut.

„Wie lange bist du schon hier drin, Hannah?“, fragte er wieder mir zugewandt. Interessierte ihn das wirklich?
„Seit zirka drei Monaten.“
„Und …“, wieder schaute er sich um, „wie läuft‘s, Hannah?“
Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen. War die Frage tatsächlich ernst gemeint? Es war zwölf Uhr. Während die anderen Cafés und Restaurants um mich herum ein Mittagsgericht nach dem anderen auftischten, wartete ich noch immer auf meinen ersten Gast. Also wie verdammt noch mal sollte es laufen? Ich warf ihm einen warnenden Blick zu und hoffte, dass er ihn verstand.
Jedoch war Telefonsexstimme schwer von Begriff: „Dein Laden hat was, ist sehr außergewöhnlich. Machst du Werbung, Hannah?“
„Ach, ja!“, ich schlug mir theatralisch mit der Handfläche an die Stirn. „Werbung. Mensch, warum bin ich da nicht selber drauf gekommen?“ Meine Stimme triefte vor Hohn. „Hörzu David, wenn ich einen Marketingexperten brauche, melde ich mich bei dir.“

Überrascht sah er mich an. In diesem Moment merkte ich, dass ich leicht über die Stränge geschlagen hatte. Unwissentlich hatte David einen wunden Punkt erwischt.
„Hier, die wollte ich dir bringen.“ Ohne weiter auf meinen Wutanfall einzugehen, überreichte er mir eine Tüte mit meiner Strickjacke.
Ich war noch zu aufgebracht, um mich anständig zu bedanken und lächelte andeutungsweise. 
„Ich hätte gerne ein Wasser und einen Kaffee - schwarz. Und die Speisekarte bitte.“ Dann griff er in die Innenseite seines Jacketts und zückte einen Kugelschreiber, der nicht gerade billig aussah. Kurz schweifte sein Blick suchend über den Tresen, bis er fündig wurde. Als er eine Serviette aus dem Ständer nahm, wusste ich zunächst nicht, was er vorhatte. Wollte er seine Bestellung noch mal für mich festhalten, weil er mir nicht zutraute, mir zwei Artikel merken zu können? Zu zutrauen wär‘s ihm.
„Du hast dich gestern sehr rührend um meine Schwester gekümmert. Dafür würde ich mich gerne revanchieren, mit einem Abendessen zum Beispiel. Hier hast du meine Nummer. Und …“ er schob mir die Serviette mit seiner Telefonnummer zu, „zufällig verstehe ich auch was von Marketing.“

Überrascht hob ich die Serviette auf. Das konnte er doch unmöglich ernst meinen, nachdem ich ihn so angegangen war. Ungläubig blickte ich hoch und sah, wie er vor Tisch zwölf stehen blieb. In einer fließenden Bewegung entledigte er sich seines Jacketts. Zum Vorschein kam ein weißes Hemd, unter dessen Stoff es sich verführerisch wölbte, was insbesondere für die Armpartie galt. Er nahm Platz, holte einen Laptop aus der Tasche und klappte den Deckel vor sich auf. Dann lockerte er die Krawatte, öffnete die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes und fuhr mit den Fingern durch sein dichtes, dunkles Haar. Als sich unserer Blicke trafen, wusste ich nicht, worüber ich mich zuerst ärgern sollte. Über die Tatsache, dass sein Anblick ein leichtes Ziehen in meinem Unterleib verursachte. Oder darüber, dass er mich nun selbstgefällig angrinste, wissend, dass ich ihn gerade beobachtet hatte. Dabei war er doch derjenige, der versuchte mit mir zu flirten.

Ich besann mich der Serviette in meiner Hand. Das Lachen würde ihm schon noch vergehen, dachte ich und steuerte auf seinen Tisch zu. Dort angekommen baute ich mich vor ihm auf, angestachelt durch sein süffisantes (sexy) Lächeln.
„Ich muss leider ablehnen. Ich stehe nicht auf Männer, die ihre kleine Schwester vorschicken, wenn sie mich ins Bett kriegen wollen. Wie du gestern richtig bemerkt hast, bin ich eher der direkte Typ.“
Abwartend stand ich vor ihm. Machte mich auf einen Spruch gefasst. Doch da kam nichts. Er errötete nicht mal, im Gegensatz zu mir. Mein Kopf glühte, weil ich so aufgebracht war. Worüber eigentlich?
„Okay, ist angekommen. Bekomm ich dann jetzt meine Bestellung, Hannah?“ Die Ruhe und Ausgeglichenheit in seiner Stimme, brachte das Blut meiner Halsschlagader ordentlich in Wallung.
Innerlich zählte ich von zehn an rückwärts, würgte alle Aggression runter und ging ohne ein weiteres Wort zurück zum Tresen. Die Serviette entsorgte ich für ihn deutlich sichtbar im Mülleimer.

Ich ließ mir Zeit mit seiner Bestellung, um wieder runterzukommen. Als ich ihm den Kaffee und das Wasser servierte, schenkte ich ihm ein zuckersüßes Lächeln, das bewusst meine Augenpartie aussparte. Beim Zubereiten der Bruscetta, widerstand ich dem Drang, ihm in den Dip zu spucken. Während David aß, reagierte ich mich an meinem Skizzenbuch ab. Ich verunstalte Davids Visage in allen erdenklichen Arten. Am besten gefiel mir die, in der er aussah, wie eine Mischung aus Arschbacken und einem Schwein. Vergnügt kicherte ich in mich hinein. Ich war so vertieft darin, David zu entstellen, dass ich vergaß, dass er noch da war. Als ich nach einer Weile aufblickte, war er fort. Endlich. Es lagen lediglich zwei Scheine unter dem Wasserglas auf seinem Tisch. Solange er sich nicht verrechnet hatte, sollte mir das Recht sein. Mit dem Vorhaben, den Tisch abzuräumen, drehte ich mich um.

Mir blieb nahezu das Herz stehen, als David vor mir stand. Hinter meinem Tresen. Ich wollte ihn gerade in seine Schranken weisen, doch er kam mir zuvor: „Schlaf mit mir, Hannah. Ist das direkt genug?“ Ohne meine Reaktion abzuwarten, ließ er mich stehen. Unmittelbar danach hörte ich die Tür zufallen und spürte, wie der tiefe Bass seiner Stimme in meinem Unterleib nachhallte.

Was für ein Idiot, schimpfte ich und fächerte mir Luft zu. Diese Betitelung galt sowohl David, als auch meinem Körper. Verärgert darüber, dass er mich einfach so hatte stehen lassen, räumte ich seinen Tisch ab. Wenn er glaubte, mich mit dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, Playboy-Nummer beeindrucken zu können, hatte er sich geschnitten. Andererseits konnte ich bei ihm sicher sein, dass er mir nach einem One-Night-Stand nicht auf die Nerven ging. Ihm würde ich den Sinn und die Bedeutung eines Treffes dieser Art nicht erklären müssen. Mein Blick fiel auf den Mülleimer, in den ich die Serviette mit seiner Nummer entsorgt hatte. Fast hätte mich dieser Ausbund an Arroganz und Überheblichkeit dazu gebracht, im Müll herum zu wühlen. War das zu fassen?


Ich wollte mich gerade wieder meinem Skizzenbuch zuwenden, da betraten zwei Gäste das Café. Zu meiner Freude bestellten sie nebst Getränken auch eine Kleinigkeit zu Essen. Mir entging nicht, wie die Brünette mit dem Bobhaarschnitt mich ausgiebig musterte. Auch, als ich den beiden die Getränke vorsetzte, hatte ich das Gefühl von ihr angestarrt zu werden. Von manchen Männern war ich das durchaus gewohnt, aber nicht von Frauen. Zumal es sich hierbei nicht um den typisch abschätzenden Blick einer Rivalin handelte. Sie wirkte eher neugierig, interessiert. Ich ignorierte den Impuls sie nach dem Grund für ihr Starren zu fragen. Stattdessen besann ich mich des Servicegedanken und der Tatsache, dass ich es mir nicht leisten konnte, Gäste zu vergraulen. Auch dann nicht, wenn Sie mich ansahen, als sei ich eine vom Aussterben bedrohte Insektenart.

 
„Hannah oder?“, fragte mich die Brünette als ich ihnen die Kürbissuppen servierte.
Ich sah sie skeptisch an, nickte dann aber.
„Ich bin Vivien. Jan hat mir verraten, dass du hier arbeitest …“
Wieder jemand der bestens über mich Bescheid zu wissen schien. Ich verdrehte innerlich die Augen. Und wer zum Teufel war bitte Jan?
Als hätte ich die Frage laut gestellt, erklärte sie: „Jan ist mein Zwillingsbruder, … von ihm weiß ich, dass ich dich hier finde. Du … hast keine Ahnung wer ich bin oder?“
Konnte ich nicht einfach hier arbeiten, ohne ständig Teil einer verdammten Quizshow sein zu müssen? „Ehrlich gesagt, nein und einen Jan kenne ich auch nicht“, versicherte ich und hoffte, mich nun endlich meinen Zeichnungen widmen zu können.
„Ähm … doch“, sie räusperte sich und sah etwas verlegen zwischen ihrer blonden Begleitung und mir hin und her, „Er hat mir von eurem … Date erzählt.“
Okay. Spätesten jetzt war klar, dass sie mich verwechseln musste. Ich hatte nämlich keine Dates. Nie. „Ich bin mir sicher, dass du dich vertust.“
„Das glaube ich nicht. Aber vielleicht können wir uns nach dem Essen weiterunterhalten“, tat sie, als hätte ich das Gespräch angezettelt. Von mir aus konnte sie ‚nach dem Essen‘ auch gerne wieder gehen. Ich überging ihren Vorschlag mit einem gequälten Lächeln und wünschte beiden einen guten Appetit. Während sie aßen, hoffte ich innständig auf neue Gäste - mal wieder. Diesmal, um einer angekündigten Fortführung der Unterhaltung zu entgehen. Natürlich blieb mein Wunsch unerfüllt.


Nach dem Essen verabschiedeten sich die jungen Frauen von einander. Vivien blieb leider noch. Ich brachte ihr einen Cappuccino und wollte auf dem Absatz wieder kehrtmachen, da fing sie erneut von ihrem Bruder an: „Na, mein Bruder scheint ja wenig Eindruck hinterlassen zu haben, wenn du dich nicht mal an seinen Namen erinnern kannst.“
Ich zog fragend die Augenbrauen zusammen, woraufhin sie den Kopf in den Nacken warf und lachte.
„Also …, mein Bruder, Jan …“, sagte sie den Namen merkwürdig betonend, „hat mir erzählt, du seist die Hannah, die mit uns zusammen Wirtschaftsrecht studiert hat. Hier in Köln.“
Als mir klar wurde, wen sie meinte, schoss mir die Röte ins Gesicht. Zum einen, weil ich aus ihren Anspielungen schloss, dass sie über gewisse Details dieses ‚Dates‘ Bescheid wusste. Und zum anderen, weil sie wahrscheinlich davon ausging, dass ich die Männer wie Unterhosen wechselte. „Was genau willst du denn jetzt von mir?“, fragte ich gereizt, weil ich es hasste, von Menschen, die mich nicht kannten, in eine Schublade gesteckt zu werden. Mein Tonfall war schärfer, als es bei einem Gast angebracht war. Aber das war mir egal.

„T-tut mir leid … Ich ähm … wollte dir wirklich nicht zu nahe treten“, stammelte sie nun verunsichert.
„Es ist nur so, dass ich dir meinen Abschluss zu verdanken habe … Du hast mich bei der der Abschlussklausur - es war mein letzter Versuch - zwei Aufgaben abschreiben lassen. Und ich hatte nie Gelegenheit mich dafür zu bedanken. Deshalb bin ich hier,… um danke zu sagen.“ Sie sah mich abwartend an. „Falls du Hannah bist“, fuhr sie zögerlich fort und lächelte verlegen.
Tatsächlich kam die Erinnerung zurück. Als sei es gestern gewesen, hörte ich sie über den Aufgaben leise vor sich hin zu schluchzen. Aus Mitleid hatte ich ihr meine Lösungen rübergeschoben und sie abschreiben lassen. „Gern geschehen“, gab ich mich zu erkennen und lächelte.
„Du bist es also?“, sicherte sie sich ab strahlte mich mit ihren grünen Augen an. Ich bejahte nickend, mit der Folge, dass sie ihre Arme um mich schlang und sich tausend Mal bedankte.

„Wieso warst du eigentlich nicht auf der Abschlussfeier?“, erkundigte sie sich bei einem zweiten Cappuccino, den sie am Tresen trank.
„Hatte keine Lust“, antwortete ich nicht gerade gesprächsfördernd. Sie schien dies zu merken und löffelte stumm den Milchschaum aus ihrer Tasse.
„Ist das dein Café?“, wagte sie einen erneuten Vorstoß. Auch diesen schmetterte ich mit einem knappen Nicken ab, womit ich sie endgültig zum Schweigen brachte. Beinahe beleidigt, presste sie ihre mit Lipgloss eingeschmierten Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Sekündlich nippte sie an ihrem Getränk, das noch viel zu heiß war, um getrunken zu werden. Scheinbar wollte sie so schnell wie möglich weg.

 

 

„Was bekommst du?“, fragte sie leicht unterkühlt und platzierte die halbvolle Tasse klappernd auf dem Untersetzter.
„War was nicht in Ordnung?“, deutete ich auf den zur Hälfte getrunkenen Cappuccino, obwohl ich den Grund dafür ahnte.
„Alles gut. Aber meine Mittagspause ist um. Ich muss weiter.“
Mist! Die würde ich hier wohl nie wieder sehen, dank meiner überaus freundlichen Art. Ich zog die Rechnung und legte sie ihr vor. „Die Cappuccini gehen aufs Haus“, sagte ich mit einem versöhnlichen Lächeln, weil mir mein Verhalten ein wenig leid tat. Und … weil ich unbedingt Gäste brauchte, die regelmäßig ihre Mittagspausen bei mir verbrachten. Sie sah mich skeptisch an. Schien meinem Lächeln nicht über den Weg zutrauen. Schließlich erwiderte sie es, bestand aber darauf die Cappuccini selbst zu zahlen.

***


Meine Befürchtung schien sich zu bewahrheiten. Es war Donnerstagabend. Vivien hatte sich seit Montag nicht mehr blicken lassen. Und ich konnte ihr nicht verübeln, dass sie es vorzog, ihre Mittagspausen bei der Konkurrenz zu verbringen. Schade nur, dass sie nicht die Einzige war, die sich gegen mein Café entschied. Solange ich die fehlenden Einnahmen mit Omas Erbe auffangen konnte, hielten sich meine Sorgen in Grenzen. Meinen Berechnungen nach würde ich bis Februar nächsten Jahres damit auskommen. Bis dahin musste ich unbedingt an meiner Gastfreundschaft arbeiten.

 
Ich genehmigte mir, wie jeden Abend bevor ich den Laden dicht machte, ein halbes Weinglas Montepulciano, als unerwartet die Tür aufschwang. Gefolgt von einem kühlen Windzug stöckelten eine Rothaarige und die blonde Begleitung von Vivien ins Café. Sie waren ziemlich aufgebrezelt und für die kalte Jahreszeit eindeutig zu luftig gekleidet. Beide ließen den Blick durch den leeren Raum schweifen und verzogen ihre überschminkten Gesichter.
„Bist du sicher, dass Vivi diese Bar meinte?“, fragte die Rothaarige leicht entnervt.
„Ja, aber frag mich nicht warum. Hier is‘ ja gar nix los“, entgegnete die Blondine überheblich und stolzierte in ihren Mörderhacken auf mich zu. Darin laufen konnte sie, dass musste man ihr lassen.
„Wo finde ich denn die Toiletten?“, fragte sie mich.
„Am Eingang rechts.“
Ohne sich zu bedanken, stöckelte sie davon und hinterließ eine betäubende Wolke ihres süßlichen Parfums.

 
Kaum war sie hinter der Tür verschwunden, betrat Vivien den Raum. Auch sie hatte sich aufgestylt. Die Smokey Eyes und der freche Pony ließen ihre grünen Augen funkeln wie Edelsteine. Sie war wirklich hübsch. Und ich war froh, sie scheinbar doch nicht vergrault zu haben. Sie und ihre Freundin schlossen sich zur Begrüßung in die Arme.
„Ist Clara noch nicht da?“, erkundigte sich Vivien und sah sich suchend um.
„Zu Gegen“, antwortete die Blondine und schloss die Tür zu den Damenklos hinter sich. „Warum sind wir hier? So, wie ich das sehe, herrscht hier gähnende Leere“, meckerte sie.
Dabei schien sie sich nicht im Geringsten an meiner Anwesenheit zu stören. Arrogante Tuse, fuhr ich sie in Gedanken an und spülte meine Verärgerung mit dem letzten Schluck Rotwein herunter.
„Weil wir noch nicht komplett sind“, gab Vivien zurück und grinste mich dabei breit an.

 
Ich schloss mich den fragenden Blicken ihrer Freundinnen an und zog irritiert eine Augenbraue in die Höhe.
„Ich feiere heut‘ in meinen Geburtstag rein. Und ich würde dich gerne einladen mitzufeiern und mich mit Sekt und Cocktails bei dir bedanken“, sie blickte geheimnisvoll über ihre Schulter hinweg zu ihren Freundinnen, „… du weißt schon, für deine Rettungsaktion“, ergänzte sie im Flüsterton.
„Ich weiß nicht, … ich muss morgen früh wieder den Laden auf machen…“
„Wir müssen morgen auch um Punkt neun auf der Arbeit sein“, fiel sie mir ins Wort.
„Viel später als Eins wird’s nicht werden, versprochen. Und wenn du keine Lust mehr hast oder dir die Augen zu fallen, kannst auch früher gehen. Aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du mitkämst. Außerdem schlägt man Geburtstagskindern keinen Wunsch ab.“

 
Lust hatte ich keine und war auch viel zu müde. Zudem war die Aussicht meinen restlichen Abend mit drei Tussis zu verbringen, wobei Parfumwolke die Schlimmste von denen war, nicht gerade verlockend. Andererseits hatte ich das Gefühl, nach meinem Benehmen bei Viviens letztem Besuch, etwas gutmachen zu müssen. Und meinem Café würde es sicher nicht schaden, auf diesem Weg für potenzielle Kundschaft zu sorgen. Wir mussten ja keine Freundinnen werden. Ich würde um zwölf kurz mit ihr anstoßen und dann die Biege machen. Also sagte ich zu, was Blondie gar nicht zu gefallen schien. Mann, die war so ätzend, dass ich mich glatt für meine Haarfarbe schämte.


Nachdem Ätz-Blondie mich dezent darauf hingewiesen hatte, dass ich in Jeans und T-Shirt nicht an der Tür des Diamnonds vorbei käme, sah ich mich gezwungen mich umzuziehen. Am liebsten hätte ich ihr demonstriert, dass man mit dem richtigen Augenaufschlag und ein bisschen Grips an jedem Türsteher vorbeikam. Stattdessen stand ich ratlos vor meinem Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Was das Schickmachen anging, war ich ziemlich aus der Übung, weshalb ich erst mehrere Outfits anprobierte, bevor ich das passende fand. Ich entschied mich schließlich für eine knallenge, schwarze Lederleggins, schwarze High Heels und ein vermeintlich schlichtes, ärmelloses, weißes Long-Shirt mit Rückenausschnitt. Damit der freie Rücken gut zur Geltung kam, band ich meine Haare zu einem hohen Zopf zusammen und zierte meine Ohrläppchen mit simplen, weißen Perlensteckern. Mit einem matten Rot zauberte ich mir einen, wie ich fand, unwiderstehlichen Kussmund.

 
„Heiß“, zwinkerte Vivien mir zu, als ich die Treppe herunterkam. Auch Susa, die Rothaarige, nickte anerkennend.
„Dann können wir ja endlich los? Das Taxi wartet bereits“, motzte Ätz-Blondie und warf mir einen abwertenden Blick zu. Ich ignorierte sie geflissentlich, obwohl ich ihr allzu gern einen Spruch gedrückt hätte. Im Taxi überkam mich der Wunsch, wieder aussteigen zu wollen, weil ich jetzt schon meine Leinwände vermisste.
„Und wo soll’s hingehen Ladys“, fragte der Taxifahrer guter Laune.
„In’s Diamonds bitte“, quiekten alle Drei im Chor und prusteten wie Hühner drauf los.
Ich würde meine Ohren gleich ordentlich mit Alkohol betäuben müssen, um bei diesen Frequenzen keinen Hörschaden zu erlangen.

Kapitel 3


David

„Alter, jetzt komm schon mit“, versuchte Oli mich auf einen Drink zu überreden. Mein Geschäftspartner und Freud war der Meinung ich bräuchte Sex. Mal wieder Eine klarmachen, das stand ganz in meinem Sinn. Allerdings ließ die Frau, die ich wollte, auf sich warten. Zwangsläufig dachte ich an Hannah. Unfassbar, dass sie sich nicht meldete. Ich bekam immer was ich wollte, doch bei ihr war ich mir nicht sicher. Ihre gespielte Unnahbarkeit, die Arroganz die sie an den Tag legte, ihr Temperament. Hannah beherrschte jeden Winkel meiner Gedanken. Ich schmunzelte und schwor mir, dass ich sie besitzen würde. Mein Jagdtrieb war geweckt.
„Was ist nun?“ Oli saß bereits im Taxi, „Komm! Einen Drink. Um elf hauen wir ab.“
Ich zückte schnaubend das Handy aus meiner Hosentasche und überprüfte den Akkuzustand. Mit vierzig Prozent sollte ich auskommen. Ich wollte erreichbar sein, falls Hannah anrief.
„Aller spätestens“, sagte ich und stieg widerwillig ein.
„Na bitte, geht doch“, klopfte Oli mir zufrieden auf die Schulter, bevor er den Taxifahrer anwies, ins Diamonds zu fahren.

 


Hannah

„Nee oder?“, fragte ich in die Runde. Die Schlange vor dem Diamonds war schätzungsweise dreihundert Meter lang. „Ihr wollt euch nicht wirklich hier anstellen?“
„Wenn wir sie“, damit war ich gemeint, „nicht vorher hätten einsammeln müssen, wären wir früher da gewesen und müssten jetzt nicht hier in der Kälte rumstehen“, giftete Ätz-Blondie und verschränkte ihre nackten Arme vor ihrem Körper.
Vivien zu Liebe verkniff ich mir mit Not und Mühe jeglichen Kommentar. Wenn ein Blick hätte töten können, hätte meiner sie geradewegs ins Jenseits befördert.
„Sie meint es nicht so“, beschwichtigte Vivien, die zu merken schien, dass ich innerlich fast explodierte.
„Wieso gehen wir nicht einfach wo anders hin?“ Der brillante Einfall kam von Susa, deren Beine in ihrem superkurzen Kleidchen von einer Gänsehaut übersäht sein mussten, so kühl wie es war.
„Von mir aus gerne“, pflichtete ich bei.
„Hmm … ich hatte mich eigentlich aufs Diamonds gefreut“, gestand Vivien unglücklich, „aber eine Stunde hier rumstehen will ich auch nicht. Clara?“, bat Vivien diese um ihre Meinung dazu.
Wieso war mir schleierhaft. Schließlich hatten wir sie überstimmt. Und von mir aus konnte sie ruhig hier bleiben und festfrieren.
„Ich setze aber bestimmt keinen Fuß in so eine komische Studentenkneipe oder so.  Ohne mich. Hab echt keine Lust mir auf einer diese unbequemen, schmierigen Hocker meine Klamotten zu ruinieren“, protestierte sie und verzog ihre schmalen Lippen zu einer spitzen Schnute.
„Dann stehst du eben“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen.
„Wenn ich so ein billiges Lederimitat tragen würde wie du, hätte ich da auch keine Bedenken.“
„Das Leder meiner Leggings ist echter als das Fake-Blond auf deinem Kopf“, fuhr ich sie an. Ich war außer mir.

Mein Konter entlockte Susa ein Lachen, das prompt erstarb, als Clara ihr einen bösen Blick zuwarf. Neugierige Augen der Leute um uns herum fixierten uns.
„Mädels, bitte. Muss das sein?“ Vivien blickte flehend zwischen Fake-Blondie und mir hin und her.“
„Bedank dich bei ihr“, zeigte sie mit dem Finger auf mich. „Sie ist diejenige, die uns hier den Abend ruiniert. Ich werde keine Minute länger mit der da verbringen. Sie oder ich, entscheide dich.“
„Clara!“, stieß Susa empört aus.
„Das ist mein Ernst. Ich lass mich doch nicht grundlos beschimpfen.“
Ich lachte hämisch auf, weil ich ihre Reaktion überzogen und lächerlich fand. Keine Ahnung, was für ein Haarfärbemittel sie nutzte, jedenfalls schienen die Dämpfe Teile ihres Gehirns weggeätzt zu haben. Anders konnte ich mir ein derartiges Verhalten nicht erklären.

Um es Vivien leicht zu machen und weil ich kurz davor war, Fake-Blondie an die Gurgel zu springen, beschloss ich zu gehen. Ich hatte ohnehin von Anfang an keine Lust auf diesen Abend gehabt. Bevor ich mich verabschieden konnte, baute sich ein in schwarz gekleideter Schrank von einem Mann mit Headset und Glatze vor mir auf. „Hannah Sanders?“, brummte dieser und sah mich finster an.
Ich nickte und blickte verunsichert zu Vivien, die ahnungslos mit den Schultern zuckte.
„Sie und ihre Freundinnen können den VIP-Eingang nutzen, bitte kommen Sie.“
Verwundert legte ich meine Stirn in Wellen, weil ich mich nach dem Grund für diese bevorzugte Behandlung fragte. Andererseits konnte es mir auch egal sein, da ich nicht vor hatte länger zu bleiben.
„Ich wollte gerade gehen“, sagte ich und kassierte dafür verständnislose Blicke von Vivien und Susa.
„Ihr werdet zu Dritt sicherlich mehr Spaß haben. Und anstehen müsst ihr auch nicht mehr“, sagte ich vor allem an Vivien gerichtet.

„Unter diesen Umständen muss ich Sie bitten, sich wieder in die Schlange einzuordnen“, machte die Kante unmissverständlich klar, dass die Nutzung des VIP-Eingangs an meine Person gekoppelt war.
Vivien und Susa sahen mich flehend an. Und Fake-Blondie schien, oh Wunder, nichts mehr dagegen zu haben, den Abend mit mir zu verbringen. Ich verspürte große Lust, sie ein wenig zu ärgern und sagte: „Ihr habt Clara gehört. Ich möchte mich ungern zwischen euch stellen.“ Unauffällig linste ich dabei zu Fake-Blondie und unterdrückte ein Schmunzeln. Sie brodelte vor Wut, rang um Beherrschung, war aber ganz still. Herrlich.
„Clara hat es nicht so gemeint …“, versuchte Vivien zu vermitteln, „… sie ist manchmal ein bisschen …“
‚Scheiße‘, ergänzte ich gedanklich.
„… ein bisschen drüber“, beendete Susa den Satz für Vivien.
     hhHFake-Blondie grummelte irgendetwas vor sich hin, das mit einem „Tschuldige“ endete und entlockte mir damit ein triumphierendes Grinsen.

Entgegen meiner Erwartung war das Diamonds kein Club, sondern eine Bar. Und ihr Name war Programm. Überall glitzerte und funkelte es. Die Einrichtung war in Silber und Schwarz gehalten und genauso dekadent, wie das Publikum, das hier verkehrte. Im Diamonds ging es ganz klar ums Sehen und Gesehen werden. An der Bar nahm ich auf einem der letzten Lederhocker Platz. Ich blieb dem Getümmel an der Bar fern und ließ mir von Vivien einen Mojito mitbringen. Wartend ließ ich meinen Blick durch die Menge schweifen. Beobachtete Frauen und Männer, die sich angeregt unterhielten und bei jeder Gelegenheit den Körperkontakt des Anderen suchten. Jede Geste und Mimik schien mit Bedacht gewählt. Wirkte reizvoll auf das andere und zu gleich einschüchternd auf das gleiche Geschlecht. Ich fühlte mich an Balzrituale auf offener Wildbahn erinnert, untermalt von elektronischen Klängen, die aus den Boxen dröhnten. So laut, dass sie die Luft in diesem Raum in Schwingungen versetzten. Aber leise genug, um das Wort seines Gegenübers zu verstehen.

„Guten Abend, Schönheit“, drang eine tiefe, raue Männerstimme an mein Ohr. Bevor ich herumfuhr, wusste ich, zu wem dieses Gänsehaut verursachende Timbre gehörte. Wie erwartet, stand kein geringerer als David Bender vor mir. Er lächelte lasziv, scheute sich nicht, mich von Kopf bis Fuß zu betrachten. Ich nutzte die Gelegenheit, selbiges zu tun, nur sehr viel unauffälliger. David hatte den Business Look abgelegt. Er trug eine dunkle Jeans, und ein farblich dazu abgestimmtes blaues Sakko über einem weißen Shirt. Sein dichtes, dunkles Haar lud dazu ein, mit den Fingern hindurch zu fahren. Und das indirekte Licht ließ seine perfekten Gesichtszüge kantig und dadurch noch maskuliner erscheinen. Kurz um, David sah aus, wie eine Sahneschnitte mit Kirschgarnitur auf zwei Beinen - einfach zum Anbeißen.

Ich genoss heimlich die Bewunderung in seinen Augen, nachdem er seine Inspektion beendet hatte. Er nahm einen großen Schluck von seinem Getränk, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Die Entschlossenheit und das Funkeln in ihnen machten mich nervös. Ich hatte das Gefühl, von ihm ins Visier genommen worden zu sein. Und wenn ich ehrlich war, gab es weitaus Schlimmeres, weshalb ich sein schiefes Lächeln erwiderte.
„Ich hab dich hier noch nie gesehen, Hannah“, sagte er und beugte sich dabei unnötigerweise zu mir herunter.
„Hätte ich mir ja denken können, dass du öfter hier verkehrst“,  entgegnete ich und sog den angenehmen Duft seines Aftershaves ein, der sich auf meine Nasenschleimhaut legte. Er lachte, ohne auf meine Bemerkung ein zugehen.

„Und du?“ „Ich bin mit drei … äh … Bekannten hier.“
„Ich weiß, ich hab dich und deine Freundinnen draußen gesehen.“ Sein verwegenes Grinsen verriet, dass er für die bevorzugte Behandlung verantwortlich war.
„Du steckst also dahinter?“
Er nickte und ein gönnerhaftes Schmunzeln umspielte seine vollen Lippen. Natürlich erwartet er Dankbarkeit für seine, ach so gute Tat, aber diese Genugtuung wollte ich ihm nicht geben. Dies schien ihn zu amüsieren, so wie ihn alles, was mich betraf zu amüsieren schien. „Ach, Hannah“, seufzte er lächelnd und schüttelte den Kopf.
„Was ist?“, stellte ich mich dumm. Schließlich hatte ich ihn nicht darum gebeten, den Gönner zu geben.
„Du … siehst umwerfend aus, Hannah“, wechselte er das Thema. Dabei taxierte er mich von Kopf bis Fuß. An meinen Augen verharrte sein Blick und ich erkannte den Schalk in ihnen.

Diesmal bedankte ich mich wie es sich gebührte.
„Was möchtest du trinken, Hannah?“
„Ich werde schon versorgt, danke“. Ich suchte die Bar nach Viviens dunkelbraunem Bob ab.
Ein dunkelhäutiger Typ tauchte neben David auf. „Hier steckst du. Ich dachte du hättest heimlich die Biege gemacht, Alter. … Oh, wer ist denn das?“, fragte dieser interessiert, als er mich erblickte und hielt mir zugleich die Hand hin. „Oliver“, stellte er sich vor.
„Hannah“, ergriff ich widerwillig seine Hand.
„Freut mich Hannah, sehr sogar.“ Der Blick den er David dabei zuwarf, brachte ihn dazu genervt die Augen zu verdrehen. „Dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend.“ Mir entging nicht, wie er David dabei anerkennend zunickte, bevor er sich mit einem Zwinkern verabschiedete.
„So reagiert er immer, wenn er eine außergewöhnlich schöne Frau sieht. Bitte verzeih, Hannah.“
„Bekommst du eigentlich Geld dafür, dass du hier so rum schleimst?“, fragte ich meine Verlegenheit kaschierend.
David warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft auf. „Komplimente sind nicht dein Fall oder?“, stellte er mit zuckenden Mundwinkeln fest.

Ich kam nicht mehr dazu seine Frage, die eher einer Feststellung glich, zu beantworten. Vivien winkte mich zu sich und deutete dabei auf eine freigewordene Sitzgruppe. „Mein Getränk ist da. Ich muss los“, sagte ich und erhob mich.
David stellte sich mir in den Weg und hinderte mich an meinem Vorhaben. „Der nächste Drink geht auf mich, Hannah.“ Das war kein Angebot, sondern eine Anordnung.
„Mal sehen…“, antwortete ich und ignorierte dabei die Wirkung, die seine bestimmende Art auf meine Libido hatte. Verdammter Körper.
„Bis gleich, Hannah.“ Das selbstgefällige Grinsen verriet, dass er sich seiner Anziehungskraft mehr als bewusst war.
„Vielleicht“, gab ich zurück und schob mich so dicht an ihm vorbei, dass mein Busen seinen Oberkörper streifte. Weil auch ich mir meiner Reize bewusst war. Er grinste wissend und machte keine Anstanden, den Abstand zwischen uns zu verringern. An ihm vorbei, wusste ich auch ohne mich umzudrehen, dass seine graublauen Augen mir folgten.

An der Sitzgruppe angekommen, hätte ich am liebsten wieder kehrtgemacht. Viviens Bruder, der wie ich nun wusste Jan hieß, war auch da. Dieser sah mich mit großen Augen an, als er mich erspähte. Ob vor Be- oder Verwunderung konnte ich nicht ausmachen. Die Begrüßung fiel derart verkrampft und unbeholfen aus, dass ich mich fragte, wie zum Teufel er es fertiggebracht hatte, mir einen Orgasmus zu verschaffen. Meinen Cocktail hatte ich in Null-Komma-Nix ausgetrunken. Was nicht nur meinem Durst geschuldet war. Ich hatte den Fehler gemacht, mich neben Fake-Blondie zu setzten, die in einer Tour Stuss von sich gab. Dies war ohne Alkohol kaum auszuhalten. Offenbar versuchte sie mit dem Geschwafel über ihre vor Kurzem erstandene pinke Kitchenaid bei Jan Eindruck zu schinden. Dieser wirkte eher unbeteiligt, nickte an den unpassendsten Stellen und schien ziemlich genervt zu sein. Ich glaubte mich verhört zu haben, als Fake-Blondie ihm vorschlug, mal zusammen zu backen.
„Meine Kitchenaid kann nämlich alles“, versicherte sie stolz mit einem Lächeln so künstlich, wie das Blond ihrer Haare.

„Möchte noch jemand was trinken?“, fragte Jan in die Runde ohne auch nur ansatzweise auf ihre Einladung einzugehen. Vivien und Susa, die sich angeregt mit irgendwelchen Typen unterhielten, winkten ab. Ebenso Fake-Blondie, die Jan verwirrt ansah und sich wahrscheinlich fragte, wo die Reaktion auf ihre Einladung blieb. „Ich komme mit“, entschloss ich kurzerhand, weil ich weder ihr Gelaber noch ihre Visage ertrug.
„Was möchtest du denn?“, wollte Jan an der immer noch überfüllten Bar wissen.
„Hmm … ich glaub, ich nehme heute mal eine pinke Kitchenaid“, äffte ich Fake-Blondie nach.
„Oh Mann. Hör mir auf“, gab Jan zurück und lachte, „also ich brauch jetzt erst mal einen Kurzen, bist du dabei?“ „Oh ja!“ Das war genau das Richtige.

Während ich auf Jan wartete, registrierte ich David auf der anderen Seite der Bar. Dieser genoss die volle Aufmerksamkeit einer südländischen Schönheit, die förmlich an seinen Lippen hing. Sie lachten miteinander und schienen sich köstlich zu amüsieren. Bei ihr hatte er leichtes Spiel, so wie sie ihn anhimmelte. Ich schaute schnell weg, als er zu mir herüber sah. Gott, wie albern. Aber, dieses selbstgefällige Grinsen, war nun mal genauso sexy, wie arrogant. Und ich war der Meinung, dass es vollkommen ausreichte, wenn er durch mindestens neunzig Prozent der hier anwesenden Frauen Bestätigung fand. Meine braucht er nicht auch noch.

„Ich hoffe, du bist trinkfest.“
Meine Aufmerksamkeit galt nun Jan, der mir ein Tablett mit insgesamt zwölf vollen Pinchen unter die Nase hielt. Allein der Geruch, ließ meinen Blutalkohol in die Höhe schnellen.
„Die sind aber nicht für uns allein oder?“
„Jetzt schon. Meine Schwester und Susa wollten nicht. Und mein Bedarf, etwas über pinkfarbene Küchengeräte zu erfahren, ist gedeckt. Hier.“ Jan reichte mir ein Pinchen.
Wir prosteten uns zu und setzten gleichzeitig an. Ich kniff die Augen zusammen und warf den Kopf in den Nacken. So ähnlich musste Desinfektionsmittel schmecken. In meinem Mund zog sich alles zusammen, während die klare Flüssigkeit brennend meine Kehle hinabrann und sich heiß in meinem Magen ausbreitete.
„Puh, … ist das ekelhaft.“ Ich sah Jan angewidert an.
Dieser lachte und reichte mir zugleich den nächsten Shot. „Der Erste ist immer der Schlimmste. Glaub mir, der Zweite wird nicht mehr ganz so schlimm schmecken.“
„Weil dann meine Geschmacksknospen betäubt sind oder was?“
„Ja, so ähnlich“, lachte Jan, bevor er ohne mit der Wimper zu zucken den Hochprozentigen in sich hinein kippte.

Herausfordernd blickte er mich an. Ich zog nach und musste leider feststellen, dass Jans Theorie sich nicht bestätigte. Auch nicht, nach dem dritten, vierten und fünften Pinchen. Beim sechsten winkte ich energisch ab, als ich anfing David doppelt zu sehen. Dieser sah von der anderen Seite der Bar zu mir herüber. Da der Alkohol meine Sehkraft leicht trübte, konnte ich die Blicke, die er mir zuwarf nicht deuten. Also ignorierte ich ihn und widmete mich weiter meinem Trinkkumpanen. Wir alberten herum, rissen derbe Witze über Fake-Blondie und krümmten uns vor Lachen. Ob wir ohne den Alkohol genau so viel Spaß gehabt hätten, wagte ich zu bezweifeln. Aber für den Moment amüsierte ich mich köstlich und fühlte mich in Jans Anwesenheit wohl.
„Ich bin froh, dass meine Schwester dich eingeladen hat“, wechselte Jan abrupt das Thema.
„Das glaube ich dir gern, sonst müsstest du vermutlich mit Clara …“

Ich kam nicht dazu, den Satz zu Ende zu führen, weil mich seine Zunge daran hinderte. Entsetzt stieß ich Jan von mir weg und konnte gerade noch verhindern, dass meine Hand auf seiner Wange landete. Und das auch nur, weil er Viviens Bruder war.
„Spinnst du?“, fuhr ich ihn an und war mit einem Mal wieder ganz klar.
„Ich dachte …“
„Falsch gedacht“, unterbrach ich ihn.
„Tut mir Leid.“ Er hob entschuldigend die Hände und rieb sich die Stirn. So als verstehe er selbst nicht, was über ihn gekommen war.
Ich konnte mich nicht erinnern, ihm irgendwelche Signale gesandt zu haben. Und falls doch, gab ihm das noch lange nicht das Recht, wie ein Neandertaler über mich herzufallen.
„Tut mir wirklich leid, Hannah … Ich …“ Er rang um Worte und wirkte genauso unbeholfen, wie bei der Begrüßung vorhin.
Er tat mir fast schon leid. „Hörzu. Wir hatten ein Mal Sex. Und es wird kein zweites Mal geben.“
Jan nickte und schien geknickt.
„Das hat nichts mit dir zu tun.“ Meine Güte, waren wir heute aber mitfühlend. „Ich schlafe nie zwei Mal mit demselben. Affären sind einfach nichts für mich … und Beziehung erst recht nicht“, schob ich schnell hinterher, um Missverständnissen vorzubeugen.
„Verstehe.“
Wo anfangs ausgelassene Stimmung geherrscht hatte, war nun peinliches Schweigen.
„Ich glaub, … ich guck mal nach meiner Schwester“, brach er irgendwann die Stille.
Dankbar für seinen rettenden Einfall erwiderte ich sein verlegenes Lächeln. Als er weg war, kramte ich mein Handy aus der Clutch und stellte mit Freude fest, dass es bereits halb zwölf war.

„Würdest du auch mich von dir stoßen, wenn ich dich hier und jetzt küssen würde, Hannah?“
David!, schoss es mir durch den Kopf. Niemand sonst vermochte mir einzig mit der Stimme eine Gänsehaut zu verpassen. Niemand sonst in diesem Raum würde es wagen, von hinten so dicht an mich heranzutreten, dass sein Atem meinen Hals streifte. Und niemand außer David konnte so unverschämt, dreist und zugleich sexy sein.
„Du solltest es besser nicht drauf ankommen lassen“, passte sich meine Stimme automatisch seinem Flüsterton an. Ich spürte sein selbstgefälliges Grinsen an meiner Schläfe. Dann trat er um mich herum und baute sich nur wenige Zentimeter vor mir auf. Herausfordernd sah er mir aus gesenkten Lidern direkt in die Augen. Ich erwiderte seinen Blick und wich keinen Millimeter zurück, als er den Abstand zwischen uns noch verringerte. Unsere Nasenspitzen berührten sich und verhinderten ein Aufeinandertreffen unserer Lippen. Dieser winzige Hautkontakt ließ mein Herz schneller schlagen.

Einmal mehr musste ich erkennen, dass mein Körper mehr für David übrig hatte, als mein Verstand. Dieser war trotzt des Alkohols erstaunlich klar und überlegte sich bereits eine angemessen Reaktion, sollte David tatsächlich wagen, mich einfach so zu küssen. Wachsam folgte ich Davids Augen, die jeden Millimeter meines Gesichts studierten. An meinem Mund angekommen, leckte er sich im Zeitraffer über die Lippen. Die Bewegung seiner Zunge war derart ausladend, dass er um ein Haar meinen Mund gestreift hätte.
„Wenn du mich küsst, knall ich dir eine“, sagte ich und spürte zugleich ein Ziehen in meinem Unterleib.
Nun fixierte er wieder meine Augen und schien sehen zu wollen, wie ernst es mir war.
„Was wäre so schlimm daran, Hannah?“, fragte er vollkommen unbeeindruckt.
Nichts, gestand ich mir ein. Aber das brauchte er nicht zu wissen.

Auf der Suche nach einer passenden Antwort, kam ein Kellner an unseren Stehtisch, um leere Flaschen und Gläser einzusammeln. Die perfekte Gelegenheit um auf Abstand zu gehen, dachte ich und trat einen Schritt zurück. Im selben Moment spürte ich, wie mir jemand den Ellenbogen in den Rücken rammte. Der Rempler beförderte mich geradewegs in Davids Arme. Ich bekam nur am Rande mit, wie sich eine Person nach meinem Befinden erkundigte. Allerdings brachte ich kein Wort über die Lippen. Denn Davids Erektion, die sich durch den Jeansstoff gegen meinen Bauch drängte, verschlug mir die Sprache. Seine Beule fühlte sich riesig an und ließ mich unweigerlich an Sex denken. An heißen, hemmungslosen und betörenden Sex mit David Bender. In einem kurzen Anflug der Erregung ärgerte ich mich, ihn nicht angerufen zu haben. Ich schüttelte den Gedanken ab, der schon längst feuchte Spuren in meinem Höschen hinterließ.
„Ich weiß, dass du ihn spürst, Hannah“, raunte David an meinem Ohr. Ich schluckte.
„Und ich weiß, …“ er presste mich noch enger an sich „… dass du dich fragst, wie er sich anfühlt … in dir.“
Obwohl ich ihm in keinen seiner Punkte widersprechen konnte, schaffte es mein Verstand, sich meinem Körper zu widersetzen.

Ich wand mich aus seinen muskulösen Armen und ging auf Sicherheitsabstand. „Weißt du, was man über Männer sagt, die derart mit ihrem sexuellen Können hausieren gehen?“, fragte ich um einen gleichgültigen Tonfall bemüht.
„Vermutlich das gleiche, was man Frauen nachsagt, die ihre Erregung mit frechen Sprüchen kaschieren.“
Schmunzelnd rutschte sein Blick tiefer. Ich folgte seinen Augen und sah, dass sich meine harten Nippel durch den dünnen Stoff meines Oberteils drückten. Hitze schoss mir brennend in die Wangen. Instinktiv verschränkte ich die Arme vor meinem Körper und verdeckte meine verräterischen Brüste.
„Tja. Ich schätze, wir werden nie erfahren, was wirklich hinter frechen Sprüchen und selbstverliebten Playboys steckt", konterte ich tapfer.
David lachte kurz auf, bevor er wieder ernst wurde. Er beugte sich vor und ich machte mich innerlich auf eine Unverschämtheit á la David Bender gefasst. Stattdessen wünschte er mir einen schönen Abend und nahm mir damit den Wind aus Segeln. „Wir sehen uns morgen, Hanna“, raunte er verheißungsvoll und verschwand im Getümmel der Bar.

Kapitel 4


David


Oli konnte nicht fassen, dass ich gestern keinen Sex hatte. „Du hast das blonde Geschoss einfach ziehen lassen? Was stimmt denn nicht mit dir, Mann?“
„Mit mir stimmt alles, okay? Ich wollte zu Hause in Ruhe die Präsentation für den Pitch von vorhin durchgehen“, log ich.
„Na und? Im Diamonds gibt es haufenweise Möglichkeiten für ne schnelle Nummer.“
„Das ist stillos. Außerdem … ist Hannah keine Frau für einen 0815 Quicky auf dem Klo.“ Weiß Gott nicht. Für diesen wunderbaren Körper würde ich mir Zeit nehmen, um jeden Zentimeter zu erkunden. Gott, hatte Hannah mich mit ihren Kurven gestern um den Verstand gebracht. Ihr Hintern, ihre Beine und diese Brüste. Allzu gern, hätte ich meinen Mund um ihre harten Knospen gelegt. Mann, mir platzte gleich die Hose. Ich rutschte mit dem Stuhl etwas tiefer unter den Schreibtisch. Immerhin wusste ich jetzt, dass sie auf mich reagierte. Ja, Hannah fühlte sich von mir angezogen. Ich war der Nord- und sie der Südpol. Simple Gesetzte der Physik, die selbst ihr hübscher Sturkopf nicht außer Kraft setzen konnte.
„Besser stillos, als schwanzlos. Deiner muss dir beim Flug aus New York auf dem Gepäckband abhandengekommen sein“, riss mich Oli aus meinen Gedanken.
Schwanzlos? Sicher nicht. Das würde die süße Hannah schon bald zu spüren bekommen und um mehr betteln.


Hannah

Mein Schädel dröhnte und bei jedem Atemzug roch ich Hochprozentigen. ‚Nur noch ein Glas Prosecco, zum Abschied‘, hatte Vivien gebettelt. Geendet hatte es zum Leidwesen meines Kopfes und wahrscheinlich auch meiner Leber in Cocktails und Tequila. In der Hoffnung, den Kater loszuwerden, vertraute ich auf ein altes Hausrezept gegen Kopfschmerzen: Espresso mit Zitronensaft. Diesen spülte ich mit einem in Leitungswasser aufgelösten Aspirin herunter.
Ich räumte gerade das benutze Glas in die Spülmaschine, als ein kühler Windzug ins Stübchen wehte. Zwei Geschäftsmänner hatten mein Café betreten und standen verloren im Raum.
„Excuse me. Have you opened yet?“, fragte der Ältere von beiden und sah sich irritiert um.
Angesichts meiner Verfassung war ich versucht, die Frage zu verneinen. Stattdessen lächelte ich den Presselufthammer in meinem Schädel weg und antwortete: „Yes. Where would you like to sit?“ Sie nahmen an Tisch 12 Platz. Meine Gedanken flogen kurz zu David, weil auch er hier gesessenen hatte. Hastig entsorgte ich die Erinnerung an diese personifizierte Arroganz in den hintersten Winkel meines Gehirns und brachte den beiden Männern Speisekarten. Hinterm Tresen zapfte ich zwei Cola und hoffte, dass es bei dieser Bestellung blieb. Die Zubereitung von Speisen würde meinem empfindlichen Magen sicherlich nicht bekommen. Natürlich blieb mein Wunsch unerfüllt. Mein Bauch rumorte heftig beim Anrichten der beiden Portionen Rühreier mit Speck.

Ich trat aus der Küche in den Speiseraum und traute meinen Augen nicht. In einer Zeitspanne von zirca fünfzehn Minuten, hatte sich mein Café um zehn weitere Gäste gefüllt. Mir blieb keine Zeit die Tatsache zu verarbeiten. Ich wünschte den beiden Herren einen guten Appetit, eilte zum Tresen und wappnete mich mit Speisekarten. Tief Luft holend, würgte ich die Übelkeit hinunter und setzte mein professionellstes Servicelächeln auf. Mit gestrafften Schultern begrüßte ich die zum größten Teil englischsprechenden Gäste und teilte die Karten aus. Mir war speiübel und meine Hände zitterten, als ich das große Tablett mit Kaffee, O-Säften, Apfelschorlen und einer Wasserflasche bestückte. Am liebsten hätte ich mich kurz hingesetzt. Ich brauchte dringend eine Pause. Musste mich erst mal sortieren. Richtig wach war ich auch nicht. Schon wieder schwang die Tür auf. Gäste Nummer drei-, vier-, und fünfzehn steuerten zielstrebig auf Tisch zwei zu. Die drei Frauen hatten kaum die Mäntel ausgezogen und winkten mich schon zu sich. Was zum Teufel war hier eigentlich los? Hatte ich in meinem Suff der letzten Nacht eine Rabattaktion gestartet, von der ich nüchtern nichts mehr wusste? Ich verfluchte diesen Tag jetzt schon.

Aber es kam noch schlimmer und zwar in Form gut gebauter Ein-Meter-neunzig, verpackt in einem perfekt sitzenden Anzug. David! Er und sein selbstverliebtes Grinsen hatten mir gerade noch gefehlt. Ich verdrehte die Augen. Was wollte der denn hier? Und wieso konnte er sich nicht einfach setzten und warten, bis er bedient wurde?
„Guten Tag, Hannah. Die Geschäfte laufen gut, wie ich sehe.“
„Was willst du trinken?“ Für Höflichkeitsfloskeln hatte ich nun wirklich keine Zeit.
„Espresso und Wasser bitte“, antwortete er und sah mir prüfend ins Gesicht.
Ich nickte seine Bestellung ab, lud das volle Tablett auf meine Handfläche und ging los.
Auf halbem Weg machte ich kehrt, weil ich die Speisekarten für Tisch zwei vergessen hatte. Ich bat David, der am Tresen Platz nahm, mir drei Karten zu reichen. Bei dem Versuch diese zu fassen, passierte es. Ich stieß mit der eigenen Hand an den Hals der Wasserflasche, welche gefolgt vom Großteil der Getränke auf meinem Tablett ins Wanken geriet und zu Boden fiel. Das Klirren der Gläser zog neugierige Blicke auf sich, was mich in den Mittelpunkt des Geschehens rückte.

Einen kurzen Moment hatte ich das dringende Bedürfnis laut aufzuschreien. Irgendwie widerstand ich dem Drang. Stattdessen ging ich um die Pfütze und die Glasscherben herum und beförderte noch heilgebliebene Getränke an die entsprechenden Tische. Anschließend eilte ich mit pochendem Kopf in die Küche. Dort angekommen fand ich David, der mit einer Selbstverständlichkeit in meinen Schränken herumwühlte, als sei er bei sich zu Hause. „Raus hier!“, zischte ich aus zusammenpressten Zähnen. Nur aus Rücksicht vor meinen Gästen brüllte ich nicht drauf los.
„Wo finde ich Kehrblech und Besen?“, fragte er vollkommen unbeteiligt und suchte weiter.
„Ich krieg das allein hin. Und jetzt raus aus meiner Küche.“
Endlich schenkte er mir Beachtung und trat vor mich. Nicht wieder diese Masche, dachte ich und ging vorsichtshalber einen Schritt zurück. „Hannah“, setzte er an. So ernst hatte ich ihn noch nie gesehen. „Du kannst hier entweder weiter den Aufstand proben oder dich um deine Gäste kümmern, während ich dein Missgeschick beseitige.“
„Ich …“, war sprachlos und musterte ihn skeptisch. Kein Spruch? Kein selbstgefälliges Grinsen? David Bender wollte mir einfach nur helfen?  „Unter … der Spüle“, gab ich immer noch verwirrt von mir. Wortlos nahm er sich die Putzutensilien und ließ mich in der Küche zurück. Bevor ich mich erneut den Gästen stellte, riss ich das Küchenfenster auf und tankte Sauerstoff. „Reiß dich zusammen, Hannah“, sagte ich zu mir selbst, verließ die Küche und folgte äußerst misstrauisch Davids Plan.

Das hätte ich mir ja denken können. David unterhielt sich ausgelassen mit den drei weiblichen Gästen an Tisch Zwei. Von wegen ‚ich beseitige dein Missgeschick‘. Jetzt nutzte er mein Café auch noch um zu wildern. Unfassbar! Dem würde ich was erzählen, nahm ich mir vor und zapfte wütend die Cola. Noch bevor ich loswettern konnte, legte David mir einen Zettel hin. „Hier. Drei Milchkaffee gehen an die Ladies bei denen ich gerade war.“
Perplex starrte ich zuerst die Notiz und dann ihn an. Erst jetzt fiel mir auf, dass er sein Jackett abgelegt und die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt hatte. Unschlüssig, was ich davon halten sollte, bereitete ich die Getränke zu und brachte sie den Gästen. Davids Hilfsbereitschaft kam mir trügerisch vor. Am liebsten hätte ich seine Hilfe abgelehnt, weil ich nicht in seiner Schuld stehen wollte. Wer weiß, was er als Gegenleistung verlangte, sicherlich nichts Jugendfreies. Ich arbeitete nach und nach seine Zettel ab. Und mit jedem seiner verschriftlichen Bestellungen wuchs mein Unbehagen, aber auch die Erkenntnis darüber, dass ich die stetig steigende Anzahl an Gästen nicht allein bewältigen konnte. Zudem trugen Davids fließende Englischkenntnisse, gepaart mit seiner charmanten Art Smaltalk zu führen, dazu bei, dass eine längere Wartezeit den Gästen nichts ausmachte. Den männlichen Gästen ebenso wenig, wie den weiblichen.

Die Hälfte der Gäste hatte bereits gezahlt und mein Café leerte sich allmählich. Endlich kam ich dazu, dreckiges Geschirr von den Tischen zu räumen. Mit einem Turm abgeräumter Teller, betrat ich die Küche. Dort fand ich David telefonierend vor: „… Du musst die Telko ohne mich machen. Hab Wichtiges zu erledigen.“
Ich entsorgte die Essensreste bewusst langsam, um den Rest des Gesprächs mit zu bekommen.
„Genau. Nicht unter zwei-fünf“, sagte er bestimmt und legte auf.
Alles hatte ich nicht mitgehört. Aber, die Satzfetzen, die an meine Ohren gedrungen waren, gefielen mir ganz und gar nicht. „Ich … will nicht, dass du meinetwegen wichtige Termine sausen lässt.“
„Das würde ich niemals tun, Hannah“, antwortete er lächelnd.
„Hast du aber. Ich hab dein Telefonat mitgehört, … also, den Schluss davon“, schob ich schnell hinterher. Er sollte bloß nicht glauben, dass ich ihn belauschte.
„Das ist kein wichtiger Termin. Nur eine Telefonkonferenz. Mein Geschäftspartner schafft das sehr gut ohne mich, Hannah.“

Mit verschränkten Armen sah ich ihn skeptisch an. „Warum hilfst du mir?“
„Weil ich das gern tue, Hannah“, antwortete David schmunzelnd.
Ja genau. Is klar. „Das kannst du deinen Mädels an Tisch zwei erzählen“, sprach meine Zunge schneller, als ich wollte. Na toll. Bei seinem Ego musste er natürlich denken, dass ich eifersüchtig war. In Erwartung auf seine Reaktion verdrehte ich die Augen.
„Meine Mädels?“, wiederholte David und hob belustigt eine Augenbraue.
„Sag schon, was versprichst du dir von deinem Verhalten?“, hakte ich nach. Mit sehr kalkulierendem Blick betrachtete er mich von Kopf bis Fuß. So, als müsste er sich die Antwort noch zurechtlegen. Ohne mich aus den Augen zulassen, legte er sein Mobiltelefon auf der Anrichte ab. Seine blaugrauen Augen hatten sich verdunkelt und ich erkannte Entschlossenheit in ihnen. Mein Herz klopfte unbegründet schneller. Was zum Teufel stimmte nicht mit meinem Körper, dass er auf diesen Blick so reagierte? Wieso konnte mein Verstand ihm nicht klarmachen, dass David die Tour bei jeder abzog, die bei drei nicht rechtzeitig auf einem Baum verschwand. Mich diesem Ausbund an Überheblichkeit hinzugeben, käme einem Verrat meines Egos gleich.

Tapfer hielt ich seinem durchdringenden Blick stand. Ich rechnete fest mit einer anzüglichen Bemerkung. „Ob du es glaubst oder nicht, Hannah“, setzte David an. „Es gibt Menschen, die an Nächstenliebe glauben, zufällig bin ich einer davon.“ Er strich mir eine Strähne hinters Ohr. Wieso ich das zuließ, war mir schleierhaft.
„Wieso hast du mich nicht angerufen, Hannah?“, wechselte er überraschend das Thema. Seine raue Stimme klang vorwurfsvoll und kratzte meinen Hals entlang.
„Ich hab deine Nummer entsorgt, weil ich sie nicht brauchte“, antwortete ich und versuchte das Ziehen zwischen den Beinen weg zu schlucken. Doch es blieb, weil David nun so dicht vor mir stand, dass sich unsere Lippen beinahe berührten.
„Und jetzt bereust du es“, raunte er an meinem Mund. Sein heißer Atem legte sich feucht auf meiner Haut nieder und duftete nach Kaffee und Minze, vermischt mit einer leichten Süße. Ob er auch so schmeckte, fragte ich mich und öffnete meine Lippen einen Spalt. Davids Blick wanderte zu meinem Mund und verweilte dort. Gleich würde er mich küssen. „Und?“, hauchte er in die kleine Öffnung hinein, „Bereust du es?“
Ich rang mir ein „Nein“ ab. Das mein Café in Wahrheit ein UFO und ich ein Alien war, hätte ich ihm vermutlich glaubhafter vermitteln können.
„Ich deute das als ‚Ja‘, Hannah“, flüsterte David und legte einen Arm um meine Taille.

Ich ließ es zu, spürte, wie mein Widerstand bröckelte, als er seinen Griff verstärkte.
Der Verrat an meinem Ego war im vollen Gange. „Ich werde dich jetzt küssen, Hannah.“
„Ich … hab Gäste“, lautete mein erbärmlicher Versuch dies zu verhindern. Es musste doch möglich sein, die Macht der Situation an mich zu reißen und meinen aufsässigen Körper dazu zu bringen sich meinem Verstand wieder unterzuordnen.
„Ich werde dich jetzt küssen, Hannah“, wiederholte David ohne Rücksicht und sah mir nun in die Augen.
Ich schüttelte den Kopf, obwohl die Erregung schon längst jeden Winkel meines verräterischen Körpers und einen Großteil meines Gehirns erfasst hatte.
„Doch, Hannah.“ David umfasste mein Kinn, unterband meinen Protest. Ohne mich zur Wehr zu setzten, ließ ich zu, dass er seine Lippen auf meine presste. Seufzend empfing ich seine Zunge, die in meinen Mund glitt und meine Mundhöhle erforschte. Geschmack und Geruch ergänzten sich … wie Milch und Honig, wie Kaffeebohnen und Wasser, Schokolade und eine Prise Chili - köstlich.

Gefühlvoll umschmeichelte er meine Zunge, saugte sanft an ihr und meiner Lippe. Leise stöhnend umschloss er meinen Nacken und ließ dabei seine andere Hand über meinen Rücken wandern. Der Kuss gewann an Intensität, wurde fordernder, leidenschaftlicher und raubte mir den Atem. Weil mich seit Ewigkeiten niemand so geküsst hatte. Unsere Münder passten sich einander an, wurden eins, und unsere Zungen verschmolzen. Nach mehr verlangend legte ich die Arme um seinen Hals, stellte mich auf die Zehen und krallte mich in sein dichtes Haar. Davids Hände fassten meinen Po und ich stieß erregt und überrascht den Atem aus, als er zupackte und mich anhob. Meine Füße schwebten knapp über dem Boden. Er presste sich enger an mich und ich spürte, wie sich seine Erektion an meinen Oberschenkel drückte. Sie fühlte sich noch größer und härter an als gestern. Die Muskeln meines Unterleibs zogen sich fast schmerzhaft zusammen und mein Slip wurde feucht. Meine Erregung wuchs und ich konnte ein Stöhnen nicht mehr zurückhalten.

„Ruf mich an“, keuchte David in meinen Mund und unterbrach den Kuss. Seine Hände ließen von mir. Allmählich kam ich zurück in die Gegenwart und spürte den Boden unter meinen Füßen neu und unbekannt … als hätte ich nie zuvor solch einen sicheren Stand gehabt. Irritiert schlug ich die Augen auf, begriff nicht, weshalb er in solch einem Moment aufhörte. Schweratmend sah er mich aus glühenden Augen an und raunte heiser: „Ich geh‘ jetzt. Ruf mich an, Hannah.“ Die Lust und das Verlangen hatten meine Sinne derart benebelt, dass ich nicht verstand, was David von mir wollte. Erst als ich mit pochendem Herzen und durchnässtem Höschen allein in der Küche stand, wurde es mir bewusst. David war fort. Unbefriedigt und erregt hatte er mich zurückgelassen.

 

 

Kapitel 5


David


'Ich geh jetzt?‘ 'Ruf mich an?‘ Ernsthaft, David? Fluchend und verärgert über meinen neu entdeckten Hang zum Masochismus stieg ich in meinen Audi. Oli hatte recht. Mit mir stimmte was nicht. Herr Gott nochmal, David! Hannah wollte dich. Du hättest sie haben können, in allen nur erdenklichen Stellungen. Stattdessen saß ich hier im Auto mit einer Erektion so hart, dass sie wehtat. Hastig befreite ich sie aus der Hose. Schon besser, dachte ich und atmete erleichtert aus. Beinahe automatisch wanderte meine Hand zu meinem Schaft, umschloss und rieb ihn. Zu heiß war der Gedanke daran, wie die süße Hannah sich nackt auf ihn setzte, ihre Hüfte kreisen ließ, sich vor Erregung wand und ihn zuckend molk. Scheiße, was machte ich hier? „Ich werde mir ganz sicher keinen runterholen und schon gar nicht in einem beschissenen Parkhaus“, sagte ich zu mir selbst und startete den Motor. Meine entblößte Erektion bedeckte ich mit meinem Jackett und fuhr los.

Sie wird sich melden und zwar heute noch, sie muss einfach!, redete ich mir auf der Fahrt ins Büro ein. Ich musste auf andere Gedanken kommen und die Arbeit würde mir dabei helfen. Mal sehen, wie die Telefonkonferenz gelaufen war. Im Fahrstuhl dominierte Hannah erneut meine Gedanken: Was, wenn sie meine hinterlegte Visitenkarte nicht fand? Hätte ich sie ihr doch lieber in die Hand geben sollen?

„Guten Abend Herr Bender“, unterbrach mich Frau Nießner, unsere attraktive, aber leicht dümmliche Empfangsdame im obersten Stock. Sie strich sich verlegen eine rote Locke hinters Ohr und sah mich mit roten Wangen erwartungsvoll an. Ich nickte ihr freundlich zu und ging weiter Richtung Büro. „Haben sie denn noch keinen Feierabend?“, fragte sie und präsentierte, weit über die Ablage des Empfangstresens gebeugt, ihre üppige Oberweite. Die Seidenbluse war unanständig weit aufgeknöpft und ihr Augenaufschlag ließ keinen Zweifel daran, dass sie Sex wollte. Den wollte ich auch, aber mit Hannah, weshalb ich mit einer knappen Bemerkung meinen Gang fortsetze.

Im Gang zu meinem Büro begegnete ich Oli. Sehr gut. Der würde mich garantiert auf andere Gedanken bringen. „Erzähl, wie ist es gelaufen?“, kam ich direkt zur Sache.
„Sie wollen kaufen. Für drei Millionen. Aber das wüsstest du, wärst du an dein verdammtes Handy gegangen.“
„Guter Job. Steht der Kaufvertrag schon? Dann können wir den Deal…“ Ich stockte. Oli hatte versucht mich anzurufen? Wieso hatte ich ihn dann nicht gehört? Hastig tastete ich meine Hosentaschen und mein Jackett nach meinem Handy ab. Verdammt, ich hatte es in Hannahs Café liegenlassen.



Hannah


„So ein arrogantes Arschloch“, schimpfte ich. Wie konnte er es wagen, mich einfach so stehen zu lassen? Er hatte schließlich damit angefangen. Und was man(n) anfing, hatte man(n) gefälligst auch zu Ende zu führen. Taub war er auch noch, andernfalls hätte er mitbekommen, dass ich seine Nummer nicht mehr hatte. Nicht, dass ich ihn anrufen würde, wenn ich sie hätte. Niemals! Entschlossen, presste ich die Schenkel zusammen, versuchte diese unerträgliche Lust zu ersticken. Doch das half nicht und machte mein Verlangen nach … David nur noch größer. Wo zum Teufel hatte er gelernt so zu küssen? Übung macht eben den Meister, dachte ich abfällig.

Himmel, so erregt war ich schon lange nicht mehr. Mir war so heiß, dass ich das Gefühl hatte jeden Moment Dampf aus meinen Poren emporsteigen zusehen. Ich presste meinen Körper an die kalte Fliesenwand der Küche und breitete die Arme aus. Abwechselnd kühlte ich Wangen und Stirn. Unfassbar, dass David mich dazu brachte, mich aufzuführen wie eine bekiffte Irre.
„Entschuldigung?“ Eine vollschlanke Frau, hatte sich in meine Küche verirrt und sah mich verständnislos an. Wieso entzog sich meiner Kenntnis, schließlich umarmte ich lediglich meine Küchenfliesen wie einen Geliebten und rieb mein Gesicht daran. Hastig löste ich mich von den Fliesen und wusste vor Peinlichkeit nicht, wo ich am liebsten versinken wollte.
„Ich äh … wollte sie und ihre … Wand nicht stören, aber wir würden gerne zahlen“, sagte sie und schien sich das Lachen verkneifen zu müssen.
„Ich … bin gleich bei ihnen.“

Leicht Rosa im Gesicht vor Scham und Verärgerung über David zog ich die Rechnung und kassierte die vollschlanke Frau ab. Mein skurriles Verhalten in der Küche schien sie nicht davon abzuhalten mir vier Euro Trinkgeld zu geben. Ich bedankte mich, wünschte einen schönen Abend und ging zum nächsten Tisch, der auf sich aufmerksam machte. Dieser und vier weitere fragten ebenfalls nach der Rechnung. Binnen fünfzehn Minuten hatte ich bis auf drei Geschäftsmänner an Tisch sechs, die mir abwechselnd interessierte Blicke zuwarfen, alle Gäste abgerechnet.

Früher als gewohnt, um halb neun, machte ich die letzte Runde. Ich musste dringend mein Höschen wechseln und mein Körper lechzte nach einer Dusche. Kopfschmerzen hatte ich keine mehr. Folglich würde ich den Tag entspannt ausklingen lassen können. Drei Pils trennten mich von meinem, wie ich fand, wohlverdienten Feierabend. In freudiger Erwartung auf diesen zapfte ich die Biere schnappte mir das Tablett und … Oh Gott! Sechs prominente Blockbuchstaben auf dem hellgrauen Hintergrund einer Visitenkarte, die den Namen ‚Bender‘ ergaben sprangen mich regelrecht an. David musste seine Karte auf dem Tablett abgelegt haben, bevor er … vor mir geflüchtet war.

Okay, dann war er eben doch nicht taub. Und wenn schon. Das änderte rein gar nichts, weil ich ihn nämlich nicht anrufen würde. Wie mit einer Kneifzange nahm ich die Karte zwischen Daumen und Zeigefinger vom Tablett. Als drohe Ansteckungsgefahr, ließ ich sie sofort wieder los, sodass sie leicht flatternd auf das Holz des Tresens segelte. Gleich würde ich sie entsorgen, nahm ich mir vor. Entschlossen erneuerte ich die Schaumkrone der Biere, brachte sie an Tisch sechs und kassierte direkt ab.

***

Frisch geduscht und eingecremt, ließ ich mich nach Feierabend in meinem Nachthemd mit handtuchfeuchtem Haar ins Sofa plumpsen. In der Hoffnung den Störenfried namens David aus meinem Kopf zu vertreiben, zappte ich durch das langweilige Freitagabendprogramm. Das Lesen der Gebrauchseinweisung einer Hämorrhoiden Salbe hätte mich vermutlich mehr unterhalten. Wieso kamen die TV-Produzenten nicht auf die Idee, dass es Frauen Mitte zwanzig gab, die es bevorzugten freitags Abends Fern zu sehen, anstatt von Club zu Club zu ziehen, auf Partys zu gehen oder sich vögeln zu lassen? Zum Beispiel von David Bender, der unfassbar gut aussah, seine Zunge führte wie Leonardo Da Vinci und Pablo Picasso den Pinsel und meinen Anruf erwartete.

Der Gedanke an seine geschickte Zunge, ließ erneute Erregung in mir aufkeimen. In meinem Unterleib pochte es. Und das Zusammenkneifen meiner Schenkel konnte nicht verhindern, dass feuchte Hitze meine Schamlippen benetze. In mir brodelte und kribbelte es. Jede Faser meines Körpers wollte Sex. Das zaghafte Veto, welches mein Gehirn versuchte vorzubringen wurde geflissentlich überhört. „Scheiß drauf!“, stieß ich fast keuchend aus. Ruckartig setze mich ich auf. Mein Herz pochte, als bereite es sich auf einem Tandemsprung vor. Mein Gott, war ich erregt. Der Porno in meinem Kopf mit mir und David in den Hauptrollen war viel zu weit fortgeschritten, als das ich ihn hätte anhalten können oder wollen.

Mit der Absicht es mir von David besorgen zu lassen, tapste ich die schmale Holztreppe zum Café herunter und knipste das Licht an. Das grausame Sexmonster in mir, welches meinen Verstand entmündigt hatte, zwang mich Davids Visitenkarte aus dem Müll zu fischen. Es war hungrig und ließ mir keine Wahl. Mit der Karte in der Hand ging ich zum Telefon hinter dem Tresen und atmete tief ein und wieder aus. Mit pochendem Herzen und einem sehnsüchtigen Ziehen im Unterleib wählte ich die Handynummer. Für den Fall, dass David nicht abhob, schwor ich, es kein zweites Mal zu probieren. Nach dem fünften Freizeichen erklang die Mailbox und ich legte auf. Den enttäuschten Knoten in meiner Brust ignorierte ich ebenso wie das Aufbegehren meines Sexmonsters, das heute hungrig zu Bett gehen würde.

Schmollend, wie ein Kleinkind, das seinen Willen nicht bekam legte ich das Telefon zurück in die Station. Auf dem Weg in meine kleine Wohnung, ließ mich das Klopfen an die Scheibe der Eingangstür zusammenzucken. Froh darüber, die Tür abgeschlossen zu haben stellte ich mich horchend vor sie. „Hannah, mach auf. Ich hab mein Handy bei dir liegen lassen“. ‚Ach du Scheiße. David!‘ ,war das Erste, das mir durch den Kopf schoss, gefolgt von dem unerträglichen Gedanken, ihn angerufen zu haben.

Ohne auch nur anzuzweifeln, dass ich mich aufführte, als hätte ich bewusstseinsverändernde Substanzen zu mir genommen, flitzte ich zum Tresen. Dort suchte ich in Rekordzeit jeden Winkel nach Davids Handy ab. Ohne Erfolg. Ich musste es finden, um meinen Anruf zu löschen. Angertrieben von Davids ungeduldigem Klopfen eilte ich in die Küche und knipste auch hier das Licht an. Nach kurzem Suchen, wurde ich auf der Anrichte fündig. Okay, jetzt aber schnell. Ich kam mir vor wie ein Dieb, der einen Einbruch plante … und am Passwort des Safes kläglich scheiterte. Verdammt! Natürlich hatte David sein Handy mit einem Sicherheitscode versehen.

Obwohl außer mir niemand hier war fühlte ich mich ertappt und wollte vor Scham vergehen. Um nicht aufzufliegen, legte ich das Handy dort hin, wo ich es gefunden hatte und machte das Licht aus. Barfüßig wie ich war schlich ich zur Tür. Ja, ich schlich. Den Grund dafür kannte ich selbst nicht. Um einen unbeteiligten Gesichtsausdrück bemüht, gewehrte ich David Einlass. Dieser musterte mich von Kopf bis Fuss und legte seine Stirn in Falten. „Wohnst du hier?“, fragte er irritiert.

Bei dem Versuch Davids Privatsphäre zu missachten, hatte ich ganz vergessen, dass ich ihm mit knappen Nachthemdchen und feuchten Haaren die Tür geöffnet hatte. „Nein, wir feiern hier eine Pyjamaparty, sieht man doch oder?“
„Steht dir ausgesprochen gut, Hannah“, überging er schmunzelnd meinen Spott und starrte mir unbehelligt in den Ausschnitt.
„Es zieht. Magst du vielleicht reinkommen?“
„Gerne.“ Ohne seinen Blick von mir zu nehmen, trat er ein und schloss hinter sich die Tür.

„Hast du Besuch, Hannah?“ Ja und zwar von einem sexhungrigen Monster, das du zum Leben erweckt hast, dachte ich, schüttelte aber den Kopf. David trat näher an mich heran und ich konnte nicht verhindern, dass ich auf seine vollen, festen Lippen starrte. In Erinnerung, daran, was sie vorhin mit mir angestellt hatten schluckte ich so laut, dass er es hören musste.
„Du wirkst durch den Wind und leicht außer Atem. Hast Du dich gerade selbstbefriedigt, Hannah?“ Davids Augen funkelten und seine Mundwinkel zeigten amüsiert nach oben. Ich schnappte innerlich nach Luft und spürte, wie meine Gefäße meinem Kopf die Blutzufuhr verweigerten. Das hatte er mich nicht wirklich gefragt oder? Ich musste mich verhört haben und sah keine Veranlassung auf diese Unverschämtheit zu antworten. Stattdessen bedachte ich ihn mit einem Blick der zum Ausdruck brachte, was ich davon hielt. An seinem Schritt blieb ich hängen und glaubte nicht, was ich da sah.

David hatte eine Erektion und es war ihm völlig egal. Es dauerte Sekunden, bevor ich meinem Blick von seiner Beule nehmen konnte. Fast schon provozierend stand er da. Breitbeinig. Arrogant. Maskulin. Lasziv. Und verflucht sexy. Ohne Vorwarnung nahm David meine rechte Hand und führte sie zu seinem Gesicht, roch an ihr. Noch bevor ich begriff, was er vor hatte, stülpte er seinen Mund über meinen Zeige- und Mittelfinger. Wie gebannt klebten meine Augen an diesen verführerischen Lippen, die meine Finger umschlossen, an ihnen lutschen und saugten. In mir zog sich alles zusammen und ich spürte wie die Nässe drohte meine Schenkel herabzurinnen.

In Zeitlupe entzog ich ihm wiederwillig die Finger. „Ich bin Linkshänderin“, log ich und atmete flach um nicht zu verraten, wie erregt ich war. Davids Brustkorb hingegen hob und senkte sich verräterisch schnell. „Du hast dein Handy hier vergessen?“, versuchte ich die Spannung rauszunehmen und wich seinem glühenden Blick aus. Ich ging Richtung Tresen wohl wissend, dass sein Blick jeden Zentimeter meiner Kehrseite scannte. „Ich hab hier keins gefunden“, flunkerte ich und war erstaunt darüber, wie leicht es mir fiel.

Davids Blick war immer noch auf mich gerichtet und ich sah die Lust in seinen Augen aufflackern, als ich am Tresen platz nahm. Es kostete mich meine gesamt Selbstbeherrschung mein Monster, das ungeduldig mit den Füßen scharrte, nicht auf ihn los zu lassen.
„An mir wirst du es nicht finden“, versicherte ich und erinnerte ihn an sein Vorhaben sein Handy zu suchen. Schwer seufzend nahm er seinen Blick von mir und lächelte leicht gequält, bevor er zielstrebig die Küche ansteuerte. Ob er merken würde, dass ich an seinem Handy war? Er wird sich wohl hoffentlich nicht gemerkt haben, wo genau er sein Handy auf der Anrichte abgelegt hatte.

Wie die Unschuld vom Lande rutschte ich nervös auf dem Hocker herum und hoffte keine Spuren hinterlassen zu haben.
„Hast du mich angerufen?“, fragte David aus der Küche kommend und hielt sein Handy in der Hand. Seine Stimme hallte rau und tief in meinem Unterleib nach. Leugnen war zwecklos. Ein Blick in seine Anrufliste würde mein Lüge entlarven und mich wie eine Idiotin aussehen lassen. Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Überlegungen. Ich stieg vom Hocker richtete mein Nachthemd und hob ab.

„Spinner“, schimpfte ich in den Hörer und legte auf. Offenbar hatte sich jemand einen Scherz daraus gemacht wie ein Psychopath ins Telefon zu atmen, ohne ein Wort von sich zu geben. Mit der Absicht Davids Frage zu beantworten drehte ich mich um und erstarrte zu einer Salzsäule. Dicht vor mir stand David mit seinem Handy am Ohr und grinste wissend. „Ich wusste, du würdest anrufen, Hannah…“

Kapitel 6


David

Hannah stammelte irgendetwas vor sich hin, versuchte ihren Anruf zu rechtfertigen. Doch ich hörte nicht mehr hin. Viel zu erregend war die zarte Röte, die ihren wohlriechenden Körper überzog und ihre hohen Wangen zum leuchten brachte. Ihr feuchtes blondes Haar reichte bis zum Ansatz ihrer Brüste, die sich mir entgegenreckten. Und ihre sensiblen Knospen drückten sich durch diesen dünnen Baumwollstoff, den ich ihr gleich von der zarten Haut streifen würde.

Unglaublich, wie schön sie war, ungeschminkt und pur. Die Fleisch gewordene Verführung. Behutsam drückte ich mein Becken  gegen ihren Schoß, ließ sie mein Härte spüren. Hannahs Atem ging flach. Deutlich hörte ich sie schlucken. Ja, die süße Hannah war erregt. Ihre vollen Lippen glühten und öffneten sich einen Spalt, während ihre tiefblauen Augen meinen Mund fixierten. Sie wollte geküsst werden. Noch nicht, dachte ich. Mal sehen, wie lange sie meinen Lippen widerstehen würde, wenn ich meine Erektion an ihrem Schritt rieb. Mit meinen Händen ihre faszinierenden Kurven beschrieb, bis ich an dem Saum ihres kurzen Negligees ankam. Leicht schob ich es bei Seite, glitt gemach mit meiner Hand unter den Stoff und ihren Schenkel entlang, was Hannah kaum hörbar aufseufzen ließ. Auch ich konnte ein leises Stöhnen nicht zurückhalten. Hannahs halbgeöffneter Mund, ihr Lust verhangener Blick und ihre Gänsehaut, unter meinen Fingerkuppen, machten mich derart an, dass ich das Gefühl hatte jeden Moment kommen zu können.

Ohne mein Zutun spreizte Hannah ihre Beine ein wenig, lud mich ein, ihr Paradies zu erkunden. Ich folgte dieser Verlockung und … Oh Gott! Ich war nicht mal an ihrem Delta angekommen und spürte bereits die Feuchte an Ihrem Schenkel. „Schon so bereit?“, raunte ich an ihrem Ohr und spürte den polternden Herzschlag. Flehend sah sie mich an. Ihre Finger krallten sich hinterrücks in das Holz der Ablage und hielten sie davon ab sich ihrem Verlangen vollends hinzugeben. Mit größter Selbstbeherrschung, widerstand ich dem Drang, einen Finger in sie hinein zu schieben und strich nur kurz über ihre schlüpfrige Spalte hinweg.

Gott, wie sehr ich sie küssen und schmecken wollte. Dazu hätte ich lediglich meine Zunge ausfahren müssen, so nah waren sich unsere Münder. Stattdessen glitten meine Hände ihren sagenhaft flachen Bauch hinauf, bis zu der sanften Wölbung ihrer Brüste. Hier verharrte ich, reizte den Moment aus, bevor ich mich ihren zarten sensiblen Knospen widmen würde. Hannahs Brüste hoben und senkten sich schwer über ihrem schnellen Herzschlag.

Gefolgt von einem kehligen Laut löste Hannah ihren Klammergriff und schob beinahe hastig ihre Hände unter die Spaghettiträger ihres Negligees. Sie ließ es von ihren Schultern gleiten. Ich sah zu wie es im Zeitlupentempo den Blick auf ihren Körper enthüllte. Elfengleich stieg sie voller Anmut aus dem Knäuel, der sich um ihre Füße gelegt hatte und presste endlich ihre heißen Lippen auf meine.

 

Hannah

 
Sehnsüchtig ließ ich meine Zunge in Davids Mund gleiten. Nicht auszuhalten war seine sadistische Beherrschtheit. Genauso wenig, wie die Erregung die sämtliche Poren meines Körpers nach außen kehrte. Wie eine Ertrinkende schlang ich meine Arme um seinen Hals, krallte mich in sein dunkles Haar. Gierig empfing ich die Streicheleinheiten seiner geschickten Zunge, die mich nun zu einem leidenschaftlichen Tanz aufforderte. Der Kuss gewann schnell an Intensität, wurde ungestümer und trieb mich der Art in den Wahnsinn, dass ich meinen entblößten Körper an ihn presste. Mich an dem rauen Stoff seiner Anzughose rieb und diesen mit meinem Saft besudelte.

Heiße und prickelnde Schauer jagten über meinen gesamten Körper. Und ich hörte mein Stöhnen die Stille des Cafés durchbrechen. Massierend und streichelnd fuhren seine Hände über meinen Rücken zu meinen Pobacken. Diese spreizte er sanft, bevor er sie packte und ich mit einem Mal den Boden unter den Füßen verlor. Als wöge ich nichts, hob David mich hoch und trug mich ohne von meinen Lippen zu lassen, zum äußeren Tresen. Die plötzliche Kälte der Holzverkleidung ließ mich kurz zusammenfahren, als er mich behutsam auf ihr absetzte.

Dort löste er sich von meinen Lippen, liebkoste meinen Hals, biss und knabberte an ihm. Den süßen Schmerz linderte er mit seiner Zunge, die gefolgt von samtig weichen Lippen eine feuchte Spur zu meinen Brüsten zog. Seine Handfläche auf meinem Rücken, übte leichten Druck aus und brachte mich ins Hohlkreuz. Davids Lippen übersäten meine ihm entgegen gestreckten Brüste mit zärtlichen Küssen. Die empfindlichen Knospen ignorierte er, was mich in den Wahnsinn trieb. Ungeduldig krallte ich mich in sein zerzaustes Haar und dirigierte ihn zu meinen empfindsamen Nippeln. Endlich umschloss er sie mit seinem Mund, leckte, sog und zupfte an ihnen, bis mein Atem stoßweise ging. Zum ersten Mal, hatte ich das Gefühl durch die bloße Liebkosung meiner Brustwarzen einen Orgasmus bekommen zu können. War das überhaupt möglich?

Bevor ich es herausfinden konnte, zog David sich zurück. Mir entfuhr ein enttäuschtes Schnauben, weil ich mehr wollte.
„Gleich, Kleines. Lass mich dich nur kurz betrachten“, flüsterte er rauh und ging zwei Schritte rückwärts. Schweratmend und ohne den Schutz seines hitzigen Körpers war ich seinem glühenden Blick ausgeliefert. Genüsslich leckte David sich über die Lippen und betrachte mich als sei ich Vorspeise, Hauptgang und Dessert in einem.
„Ein Traum“, raunte er und fing an sein Hemd aufzuknöpfen. Wie einer von den Chippendales entkleidete er sich vor mir in Stripteasemanier. Hypnotisiert folgte ich jedem seiner geschmeidigen Bewegungen. Immerhin gab es Frauen, die viel Geld bezahlten, um in solch einen Genuss zu kommen. Ja, David hielt sich in Form. Und wie er das tat. Himmel, sind die Bauchmuskeln echt? Unmöglich.

Mir lief das Wasser im Mund zusammen und nicht nur dort. Wie Gott ihn schuf stand David vor mir. Makellos und kaum behaart. Einzig ein dunkler, schmaler Flaum der von seinem Nabel aus gen Süden den Weg zum Glück wies, zierte seinen Bauch. Mein Blick rutschte tiefer zu seinem Schwanz. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein bewunderndes ‚Wow‘, weil er so schön war. Gerade gewachsen, gepflegt, beschnitten und von einer Größe, wie für mich gemacht. Teufel, war denn alles an diesem Mann … perfekt? Ich gehörte weiß Gott nicht zu der Sorte Frau, die ihren Körper verstecken musste, aber Davids ließ mich ganz schön alt aussehen. Sein gesamtes Äußeres glich einer biologischen Waffe, dazu geschaffen die Frauenwelt außer Gefecht zu setzen. Und offenbar hatte die Regierung für die er im Einsatz war es auf mich abgesehen.

Ich schluckte, als David endlich näher kam. Bereit ihn zu empfangen, spreizte ich in freudiger Erwartung meine Beine. „Hast du Kondome?“ Meine Stimme klang heiser vor Erregung. David küsste mich, statt zu antworten.
„Wir brauchen keins, Kleines“, raunte er in meinen Mund. „Noch nicht“, fügte er hinzu und drang ohne Vorwarnung mit zwei Fingern ich mich ein.

Als beobachte er ein Experiment, dessen Ergebnis ein Gewinn für die gesamte Menschheit war, sah er mich an. Mich nicht aus den Augen lassend, ertastete er meine intimste Körperregion. Als sei er einer Landkarte gefolgt, fand er den Punkt der mich erzittern ließ, massierte und streichelte diesen. Immer tiefer vergruben sich seine Finger in mir und ließen ein schmatzendes Geräusch entstehen, das sich mit meinem Stöhnen vermischte. Blitze jagten durch meinen Körper. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, manchmal auch beides gleichzeitig. Ich wollte schreien, weil ich das Gefühl hatte zu explodieren, wenn ich es nicht tat. So hatte ich mich noch nie gefühlt.

"Hannah“, hauchte David, bevor sein Daumen meinen Kitzler berührte. Kreisend und mit leichtem Druck massiert er diesen. Ich schloss den Mund, presste die Lippen fest aufeinander und unterdrückte einen Schrei. Ein Fehler. Mein Unterleib zog sich beinahe schmerzhaft zusammen. Meine Gliedmaßen verkrampften und Muskeln von deren Existenz ich nichts ahnte, zuckten unkontrolliert, wie unter Strom. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die Spannung nachließ. Ich kam heftig, keuchte in Davids Mund und biss ihm in die Lippe.

Immer noch unter Hochspannung bekam ich mit, wie David neben mich griff. Er nahm seine Anzughose vom Tresen, die er feinsäuberlich dort abgelegt hatte. War ich hier, als er das gemacht hatte? Ein Rascheln und Knistern, lenkte meine Aufmerksamkeit auf seine Hand, die ein Kondompäcken öffnete. Gebannt sah ich zu, wie er den durchsichtigen Gummi über seine beachtliche Erektion stülpte. Ich schluckte vor Erregung und Ehrfurcht davor, was er als nächsten in mir anstellen und auslösen würde.

„Ich will dich so sehr, Hannah“, murmelte David. Und schon spürte ich, wie seine geschwollene Eichel meine Schamlippen teilte. Behutsam drang er in mich ein. Immer tiefer, bis er mich gänzlich ausfüllte. Ich sog scharf die Luft ein, spürte wie seine Größe und Härte mich dehnte. David schloss eine Hand fest um meinen Nacken und küsste mich leidenschaftlich, bevor er mich mit einem Ruck von der Bar auf seinen Schwanz hob.
„Oh Gott!“, stieß ich aus, weil er nun noch tiefer in mir war. Mit einem einzigen Hieb fand er den einen Punkt. Zielsicher und gekonnt reizte er ihn mit seiner Spitze, so, als hätte er ihn höchstpersönlich erschaffen und dort platziert.

Es ist zu viel. Zu intensiv. Ich bäumte mich auf, wimmerte und versuchte verzweifelt mich mit den Ellenbogen an seinen Schultern hoch zu stemmen, um Erleichterung zu finden. Doch David hinderte mich. „Wehr dich nicht dagegen, Kleines“, raunte er an meinem Ohr. Er löste meine Arme um seinen Hals führte sie hinter meinen Rücken und hielt sie mit einer Hand dort gefangen. Mit der anderen presste er mich an sich. Unerbittlich stieß er zu, sah mir dabei in die Augen und traf jedes Mal diesen Punkt, in dem sich meine Lust scheinbar sammelte. Nach jedem seiner Stöße, verharrte er dort, massierte und rieb mit seiner Eichel dieses Pulverfass, das bei jeder Berührung hoch zugehen drohte.

„Ich will dich unter mir, wenn du für mich kommst, Kleines. Wo ist dein Schlafzimmer?“, fragte David keuchend.
„Treppe hoch“, war alles, was ich schaffte von mir zu geben. Noch in mir, nahm er mit mir im Arm die Treppe. Sein Schwanz zuckte und stimulierte mit jeder Stufe, die David nahm diesen einen Punkt. Ich biss in seine Schulter, weil ich es kaum auszuhalten war.
„Hinter welcher Tür, Kleines?“ Davids Stimme klang ungeduldig.
„Die … Rech...“

„Scheiß drauf“, unterbrach mich David und presste meinen Rücken gegen die verschlossene Tür hinter der sich mein Schlafzimmer befand. Die Ungeduld und Lust trieben ihn tiefer in mich hinein. Er fasste meine Schenkel und nagelte mich förmlich mit seinen Stößen gegen die Tür. Benommen schnappte ich nach Luft, spürte wie das Pulverfass in mir begann Funken zu sprühen. Ich kniff die Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander, weil ich versuchte abzuwenden, was sich mit voller Wucht in mir aufbaute.

Meine Beine wurden steif, fingen an zu zittern. Und meine Haut prickelte und vibrierte. Mit noch aufeinander gepressten Lippen spürte ich, wie ich verkrampfte. Sengende Hitze erfasste jeden Winkel meines Körpers.
„Sieh mich an, Kleines“, knurrte David. Doch ich schaffte es nicht, weil sein nächster Stoß mich explosionsartig kommen ließ und mein Innerstes in ihren Grundfesten erschütterte. Das unkontrollierte Zucken, meines Unterleibs ließ Davids Schwanz weiter anschwellen. Er verbiss sich in meiner Schulter, grub seine Finger in meine Haut und fand keuchend Erlösung.

***

Wo zum Teufel kam diese unerträgliche Hitze her? Der Schweiß klebte an meinem Körper, als hätte ich einen Hundertmeterlauf in der Sahara hinter mir. Bei dem Versuch mich von der Daunendecke zu befreien griff ich ins Leere. Stattdessen landete meine Hand auf einem Arm. Ich ertastete einen muskulösen Männerarm, der von hinten meinen Oberkörper fest umschlungen hielt. Mit dem Augenaufschlag kam auch die Erinnerung an letzte Nacht. David! Er lag halb auf mir und drückte mich mit seiner Körpermasse in die Matratze.

„Guten Morgen“, raunte er in mein Ohr und zog mich noch enger an sich. Davids Morgenlatte drückte gegen meinen Po und brachte Bilder zurück, die ein leichtes Ziehen in meinem Unterleib zur Folge hatten. Hastig schob ich gefühlte vierzig Kilo Bein und zwanzig Kilo Arm von mir und befreite mich aus diesem Brutkasten.
Nackt kletterte ich aus dem Bett und entzog David die Decke in der Hoffnung, er würde meine Aufforderung zu gehen verstehen. Weit gefehlt. David gab knurrende Laute von sich, stützte sich seitlich auf den Ellenbogen und grinste mich herausfordernd an. Und was sollte ich sagen, er sah aus, wie ein griechischer Sexgott. Wie von selbst wanderte mein Blick zu seiner Erektion, die auf mich zeigte, wie eine Kompassnadel gen Norden. Ich wurde feucht und spürte wie sich meine Brustwarzen zusammenzogen.

„Hast du Appetit, Kleines?“, fragte David und grinste triumphierend.
„Ich bin nicht dein Kleines“, motze ich verärgert über mich selbst und schwang das Federbett auf seinen entblößten Körper. Vor meinen eigenen hielt ich einen meiner Strickjacken die neben anderen Kleidungstücken meinen Schlafzimmerboden pflasterten.
„Ich sagte, KLeines. Nicht mein Kleines“, berichtigte mich David und schmunzelte amüsiert.
„Fein. Nenn mich einfach nicht Kleines, okay!“
„Gestern Abend und heute Nacht schien dir das nichts auszumachen.“ Davids Augen funkelten und seine Hand wanderte unter die Decke. Was zum Teufel… Holte er sich jetzt einen runter? Hier, vor mir? In meinem Bett, unter meiner Decke?

„Ähm, was machst du da?“, fragte ich leicht irritiert. Mein Blick fixierte das Stück Decke zwischen seinen Beinen, das sich verräterisch hob und senkte.
David folgte meinem Blick und lachte herzhaft auf. „Ich kratze meinen Oberschenkel, Hannah. Möchtest du dabei zu sehen? Macht dich das an?“
Ich verdrehte die Augen und verkniff mir ein Schmunzeln.  „Musst du nicht zur Arbeit?“, versuchte ich ihn erneut dazu zu bewegen endlich meine Wohnung zu verlassen.
„Wie wäre es mit Frühstück?“, überging er meine Frage mit einer Gegenfrage. Oh, wie ich das an ihm hasste.
„Ich bin kein Frühstücksmensch“, entgegnete ich schroff.
David lachte und fuhr mit den Finger durch sein zerzaustes Haar. „Komm ins Bett, Hannah. Ich hab noch nicht genug von dir.“

„Dann sieh gut hin.“ Ich ließ die Strickjacke achtlos zu Boden fallen und präsentierte meinen entblößten Körper.
„Nicht genug, Hannah.“ Davids Stimme klang heiser und in seinen Augen glomm etwas Dunkles auf.
„Dein Pech, denn mehr bekommst du nicht. Ich geh jetzt duschen. Wenn ich fertig bin, bist du angezogen.“ Ohne seine Reaktion abzuwarten, kehrte ich ihm den Rücken zu und verschwand ins Badezimmer. Dort beeilte ich mich das Wasser aufzudrehen und stellte mich drunter, sobald die Temperatur es zuließ. Ich brauchte dringend eine Abkühlung. Himmel, David zu widerstehen war anstrengender als dreißig Liegestütze.

Eingewickelt in ein Handtuch und mit geputzten Zähnen, tapste ich aus dem Badezimmer. Bemüht keinen Laut von mir zugeben, linste ich zwischen den Türspalt ins Schlafzimmer. Ich benahm mich wie eine Doppelagentin in geheimer Mission, die einen Staatsfeind ausspionierte. In meiner Wohnung und noch dazu fast nackt, bewaffnet mit einem Handtuch. Nee ist klar, Hannah.

Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür und stellte fest, dass David fort war. Ein kleiner, wirklich sehr kleiner, fast schon unbedeutender Teil von mir hatte gehofft, ihn grinsend auf meinem Bett vorzufinden. Und das am besten nackt. Wer wusste schon, wann und ob ich jemals wieder so guten Sex haben würde. „Biologische Waffe“, dachte ich laut und setzte mich auf die Matratze. Mein Blick fiel auf mein Skizzenbuch und es war aufgeschlagen. David!, schoss es mir durch den Kopf. Hatte er etwa darin rumgeblättert? Meine Halsschlagader fing bedrohlich zu tuckern an.

Ich hob es vom Bett und stellte entsetzt fest, dass er nicht darin geblättert sondern auch noch rumgekritzelt hatte:
   

Liebe Hannah,
          

     über Regel Nr.2 müssen wir dringend noch mal sprechen.


Bitte was? Regel Nr.2? Hastig klappte ich die erste Seite meines Skizzenbuches auf und las die zweite meiner insgesamt vier Regeln, die lautete: Verbringe nie mehr als eine Nacht mit demselben Mann.
Dieser Mistkerl hatte wohl noch nie, was von Privatsphäre gehört. Ich las wütend weiter:


     Und, du benötigst zwingend eine fünfte Regel: Wer sich an Regeln hält, verpasst was. ;)

     David

P.s: Ich habe noch lange nicht genug von dir, Kleines.

Kapitel 7


David

Ich fuhr den Rechner runter und klappte den Laptop zu. Endlich geschafft. Solange hatte ich seit der Uni nicht für eine Marktsegmentierung gebraucht. Und das nur, weil mir Hannah nicht aus dem Kopf ging. Was hast du mit mir angestellt, Kleines?, dachte ich und schenkte mir an der Bar im Wohnzimmer ein Glas Macallan ein. Den Whiskey genoss ich zusammen mit dem Blick auf den Rhein, den das Panoramafenster meines Apartments bereithielt. Wie gern würde ich die Aussicht mit Hannah genießen. Ihren schlanken Körper an diese Scheibe pressen, wenn ich mich tief in ihr vergrub. Dabei zusehen, wie sich unter ihrem keuchenden Atem das Glas beschlug, sie Abdrücke ihrer perfekten Brüste und zierlichen Hände hinterließ, wenn ich sie mit meinen Stößen zum Höhepunkt brachte.

Diesen Gedanken ließ ich zusammen mit einem Schluck des edlen Tropfen auf meiner Zunge zergehen, kostete ihn aus, bis mich das Klingeln meines Handys in die Realität zurückholte. Mit dem Glas in der Hand eilte ich ins Arbeitszimmer. Einen Anruf von Hannah wollte ich unter keinen Umständen verpassen. Ihr traute ich nämlich zu, dass sie bereits nach dem dritten Freizeichen auflegte, ohne es erneut zu probieren. Die süße Hannah. So unberechenbar, dachte ich und schmunzelte.

Ernüchtert stellte ich fest, dass nicht Hannah, sondern Fernanda Santos mich anrief. Intelligent. Sexy. Langweilig. Und im Gegensatz zu Hannah las man in ihr wie in einem offenen Buch. Sie machte keinen Hehl daraus, dass ihr Interesse an mir nicht nur körperlicher Natur war. Allerdings hatte ich nach dem dritten Treffen mit ihr schnell gemerkt, dass ihr lateinamerikanisches Temperament nicht über die Bettkannte hinaus ging. Ich verlor das Interesse und beschränkte unsere gelegentlichen Treffen auf unverbindlichen Sex. Sex an dem es nichts auszusetzten gab. Er war gut und befriedigend. Aber nichts im Vergleich zu dem, was ich vorgestern mit der süßen Hannah erlebt hatte.

Das war einfach nur … Das Klingeln verstummte. Ich trank den letzten Schluck Macallan und starrte aufs Handy. Kurzerhand beschloss ich Hannah eine Nachricht zu schreiben. Vielleicht hatte sie sich meine Zeilen durch den Kopf gehen lassen und ließ sich überreden eine weitere Nacht mit mir zu verbringen. Überreden,  dachte ich kopfschüttelnd. Noch nie hatte ich eine Frau überreden müssen mit mir zu schlafen. „Du lässt nach, David“, sagte ich zu mir selbst. Mit einem weiteren Glas Macallan und dem Handy setzte ich mich aufs Sofa und verfasste eine SMS an Hannah.

 
Die Erfahrung in dir zu sein war berauschend, Hannah. Nun brenne ich darauf deine süße Yoni mit meinem Mund zu verwöhnen, mit deiner kleinen Perle zu spielen und deine Erregung auf meiner Zunge zu schmecken.

David


Ich las die Zeilen nochmal durch, nahm einen großen Schluck Whiskey und drückte auf Senden.




Hannah

Hitze schoss mir in den Unterleib und mir wurde heiß. Ich presste die Schenkel zusammen und legte das Handy beiseite.
„Alles in Ordnung?“, fragte Vivien, die auf einen Cappuccino vorbeigekommen war, um mir zu erzählen, wie der restliche Abend im Diamonds verlaufen war.
Ich nickte und versuchte dabei nicht so auszusehen, als hätte ich gerade einen Vibrator auf höchster Stufe in mir. Denn genau dieses Gefühl löste Davids unzüchtige SMS in mir aus.

Mein Kopf fühlte ich an, als hätte ihn jemand aufgeklappt und warmes Wasser reingeschüttet. Und so wie Vivien mich musterte, sah er vermutlich auch so aus. „Und was war jetzt mit dem Typen?“, versuchte ich von mir abzulenken und schaffte es auch. Vivien plapperte munter weiter. Von einem unglaublich heißen Typen namens Oliver mit dem sie heftig rumgemacht hatte. Obwohl mich ihre Erzählung genauso wenig interessierte, wie das Paarungsverhalten von Regenwürmen hörte ich die meiste Zeit zu und warf ab und an ein „Aha“ oder „Oh“ ein.

Ich heuchelte Interesse. Dank Nadine, meiner ehemals besten Freundin, wusste ich genau, wann es angebracht war zu nicken oder eine unspezifische Frage zu stellen, ohne auch nur einen Bruchteil der Geschichte mitbekommen zu haben. Auf seltsame Weise erinnerte mich Vivien an Nadine. Weil auch sie diese Art an sich hatte, einen ungefragt an seinem Leben teilhaben zu lassen und es so aussehen zu lassen, als hätte man selbst darauf bestanden jedes Detail darüber zu erfahren. So lange Vivien mich mit Fragen über Details mein Leben betreffend, verschonte, sollte es mir recht sein.

Vivien schöpfte den restlichen Milchschaum aus der Tasse und leckte ihn genüsslich von dem Löffel. Dabei ließ sie ihre Zunge über das Silber gleiten, als stellte sie sich einen gut gebauten Männerkörper vor. Ohne, nach der Rechnung zu fragen, legte sie mir sechs Euro hin und stand auf. „Drück mir die Daumen, dass er sich meldet. Ich halt dich auf dem Laufenden.“
Nein, bitte nicht, hätte ich um ein Haar von mir gegeben und rang mir ein Lächeln ab.

Um halb zehn verließen die letzten Gäste mein Café. Ich räumte auf und verzog mich mit einem Glas Montepulciano und frisch gemachten Spaghetti Gambas in mein Wohnzimmer. Auf dem Sofa widmete ich mich Davids SMS. Ich las sie mir laut vor:
„Die Erfahrung in dir zu sein war berauschend, Hannah. Nun brenne ich darauf deine süße Yoni mit meinem Mund zu verwöhnen, mit deiner kleinen Perle zu spielen und deine Erregung auf meiner Zunge zu schmecken.“

Yoni? Perle? Aus welcher Schmonzette hatte er denn diese Formulierungen abgegriffen? Ich schüttelte den Kopf, schob mir eine Gabel Spaghetti in den Mund und antwortete:


Dass Du in meinen Sachen rumgeschnüffelt hast, finde ich alles andere als berauschend. Und ich brenne darauf zu erfahren, wie du dazu kommst, mein Skizzenbuch mit deinen Weisheiten zu verunstalten.

Hannah

P.s: Woher hast du meine Handynummer?


Ich spürte erneut die Wut in mir aufsteigen und versuchte meine Verärgerung mit einem großen Schluck Rotwein herunter zu spülen. Mein Skizzenbuch war mein Heiligtum. Es beinhaltete meine Gefühle Ideen und Gedanken, die ich in Form meiner Acryl- und Ölgemälde auf Leinwände brachte. Und David hatte darin herumgewühlt, wie ein Maulwurf in einem Blumenbeet. Dieser Mistkerl. Die Vibration meines Handys kündigte die Ankunft einer Nachricht an:


Ich habe Lust auf dich, Hannah. Lass uns Regel Nr. 2 brechen und ich zeig dir, was sich hinter Regel Nr. 5 verbirgt.


Was zum Teufel hatte diese Antwort mit meiner Nachricht zu tun? Streng genommen war es nicht mal eine Antwort. Hatte er sich meine Nachricht vorher überhaupt durchgelesen. Mit keinem Wort ging er auf meinen Vorwurf oder mein ‚P.s‘ ein. Oh, wie ich das hasste. Ich setzte das Glas an meine Lippen, trank es in einem Zug leer und tippte wütend auf meinem Handy rum:


1. Ich breche meine Regeln nicht. NIE!
2. Ich schlafe nicht mit Männern, die meine Privatsphäre missachten und es nicht einmal für nötig halten, sich dafür zu entschuldigen.
3. Auch ich habe eine Regel für dich: Lass mich in Ruhe!


Die Antwort folgte unmittelbar. So schnell? Wahrscheinlich las er sich meine Nachrichten wirklich nicht durch. Wozu auch? Er würde sie ohnehin übergehen.


Zu 1. Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden.
Zu 2. Du hast vollkommen recht, Hannah. Und ich möchte mich in aller Form für diesen Fehltritt entschuldigen. Vielleicht in Form eines Abendessens?
Zu 3. Siehe 1.


Idiot! Ich pfefferte mein Handy auf den Beistelltisch und würgte die restlichen Spaghetti runter. Der Appetit war mir vergangen. „Regeln sind dazu da um gebrochen zu werden“, äffte ich ihn nach. Glaubte er wirklich, dass ich nach dieser Aktion Lust hatte mit ihm Zeit zu verbringen, geschweige denn seiner Einladung zu einem Abendessen nachzukommen? Ganz sicher nicht, Bender. Und wenn du dich auf den Kopf stellst und mit deinem hübschen Schwanz vor mir rum wedelst. Die Vorstellung brachte mich zum Lachen. Ohne David zu antworten, schnappte ich mir mein Skizzenbuch und brachte das Bild in meinem Kopf kichernd zu Papier.

***

Wütend stampfte ich Dienstags morgens gegen neun Uhr in das riesige Gebäude aus Glas und Stahl am Konrad Adenauer Ufer. Wo sonst sollte David Bender sein Büro haben, wenn nicht direkt am Rhein? Mir kamen Männer in perfekt sitzenden Anzügen und Frauen in schicken Kostümchen entgegen. Das riesige Bender Data & Consulting aus Messing-schrift an der hinteren Wand neben den Fahrstühlen versuchte ich zu ignorieren. Genauso wie den abschätzenden Blick der brünetten Empfangsdame.
„Das Büro von Herrn Bender. Wo finde ich das bitte?“
„Im obersten Stockwerk. Ohne Termin werden sie ihn aber nicht sprechen können“, antwortete sie hochnäsig und kräuselte dabei ihre wulstigen Lippen.

Im Fahrstuhl spürte ich, wie ich mit jedem Stockwerk aggressiver wurde. Mein Herzschlag erhöhte sich und verstärkte den Druck in meiner Halsschlagader. Geräuschlos kam der Aufzug zum Stehen. Ich stieg aus und  steuerte zielstrebig die rothaarige Dame hinter dem halbkreisförmigen Pult an. Himmel, das Kostüm in dem sie steckte saß so eng, dass ihre Brüste sich scheinbar nicht anders zu helfen wussten, als vorn über zu quellen. Allein bei dem Anblick hatte ich das Gefühl, ersticken zu müssen. Unwillkürlich fasste ich mir an die Brust und behauptete einen Termin mit David zu haben.
„Das glaube ich kaum. Herr Bender hat gleich ein wichtiges Meeting und wird sie ganz sicher nicht empfangen können.“ Ihren Satz beendete sie mit einem Blick der so viel sagte wie ,Und jetzt verzieh dich‘.
Arroganz und Überheblichkeit schienen hier bei der Personalauswahl der Empfangsdamen Einstellungskriterium zu sein.

So einfach wollte ich mich nicht abwimmeln lassen. Ich würde nicht gehen, ohne David gehörig den Kopf zu waschen.
„Ich weiß von dem Termin,“ log ich ungerührt. „Deshalb bat mich David, vor seinem Meeting zu erscheinen“, probierte ich es mit der ‚Wir-kennen-uns-auch-privat-Taktik'. „Den Termin haben wir gestern sehr kurzfristig vereinbart. Vielleicht hat er vergessen ihnen diesen mitzuteilen“, schob ich noch hinterher.
Ohne zu blinzeln hielt ich ihrem prüfenden Blick stand. Gleich würde sie über ihren Tresen hüpfen und mich abtasten, dachte ich. Es würde mich nicht wundern, wenn sie mich gleich durch einen Metalldetektor schickte.

„Worum geht es denn?“, überrumpelte sie mich mit ihrer Frage auf die ich so schnell keine Antwort fand.
„Ähm..“ Ich konnte ihr wohl schlecht sagen, dass ich hier war, um David einen Kopf kürzer zu machen, weil er ohne mein Wissen mein Café auf irgendwelchen Flyern bewarb.
„Es… es geht um Regeln“, hörte ich mich sagen.
Eine perfekt gezupfte, rotbraune Augenbraue schnellte in die Höhe. „Um … Regeln?“
„Ja.“ Keine Ahnung, aus welchen Winkeln meines Gehirns dieser Einfall kam. „Rufen sie ihn an. Sagen sie ihm, es geht um Regel Nr. 5.“
„Aha. Und sie sind?“
„Hannah Sanders.

Ohne mich aus den Augen zu lassen griff Rotschopf zum Hörer und drückte einen Knopf, vermutlich Davids Kurzwahl. „Eine Frau Hannah Sanders, sagt sie hätte einen Termin mit ihnen.“ Sie taxierte mich von Kopf bis Fuß. „Es geht um … Regel Nr.5.“
Mein Herzschlag erhöhte sich, weil ich nicht sicher war, ob David den Köder schlucken würde. Innerlich bereitete ich mich darauf vor, ohne Rotschopfs Erlaubnis Davids Büro zu stürmen.
Ein leises Surren ertönte.
„Sie können zu ihm“, sagte Rotschopf gepresst und ihre Gesichtsfarbe machte der ihrer Haare ernstzunehmende Konkurrenz. Ich verkniff mir ein triumphierendes ‚Ätsch Bätsch‘ und drückte die surrende Glastür auf.

Beim Betreten des langen Gangs versanken meine Stiefel in einem grauen Hochflor Teppich. Die Putzfrauen, die den sauber halten mussten taten mir leid. Es wunderte mich nicht im Geringsten, dass David für solche Dinge keine Antenne hatte. Wieder spürte ich das Blut in meinen Adern hoch kochen. Und in den Ohren hörte ich es blubbern. Wie ein wütender Stier setze ich meinen Gang fort und fixierte die offen stehende Tür am Ende des Flurs, in dem zahlreiche … wirklich schöne Gemälde hingen. Unter anderem von Dominic Joice und Silvia Pelissero. Unwillkürlich verlangsamte sich mein Gang. Ich kam mir vor wie in einer Ausstellung für Kunst der Moderne, in der Stilrichtung, wie ich sie liebte und selber malte. Vor einem großen Ölgemälde von Françoise Nielly blieb ich schließlich stehen. Ich liebte diesen Künstler. Nur wenige vermochten Gesichtern so viel Ausdruck zu verleihen und ihnen soviel Leben einzuhauchen, dass der Betrachtende das Gefühl hatte sie kommunizierten mit ihm.

„Gefallen sie dir, Hannah?“ Davids unverkennbar tiefe Stimme durchschnitt die Stille und hallte durch den langen Gang. Ich drehte mich um und stieß mir beinahe die Nase an seiner breiten Schulter, weil er so dicht hinter mir stand, dass nicht mal ein Pinselstrich zwischen uns gepasst hätte. Herr Gott, musste er immer so nah kommen … und dabei noch so unverschämt gut riechen? Ich zuckte leicht zusammen, als ich seine  Hand auf meinem Rücken spürte.
„So viel Geschmack hätte ich dir gar nicht zu getraut“, entgegnete ich schroff und ging auf Abstand. David grinste, was auch sonst, und taxierte mich vom Scheitel bis zur Sohle. „Das ist einer meiner Lieblingswerke von Françoise Nielly“, sagte er den Blick von mir nehmend. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete er fasziniert das Bild mit den zwei Frauengesichtern.

David wusste wer Françoise Nielly war? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann sich für Kunst interessierte. Ich schüttelte im Geiste den Kopf und besann mich der Intention meines Besuches. „Ich bin nicht hier, um mit dir über Kunst zu debattieren“, sagte ich angriffslustig.
„Lass uns im mein Büro gehen, Hannah.“ Wieder legte er mir die Hand aufs Schulterblatt und dirigierte mich mit leichtem Druck den Gang herunter.
„Ich bin kein verfluchtes Schaf“, zischte ich und schüttelte seine Hand von meinem Rücken ab.
„Warum so gereizt, Hannah?“, fragte David ungerührt und sah mich nun von der Seite an.

Ich wartete bis wir sein Büro erreicht hatten, bevor ich explodierte: „Wie kommst du dazu, dich in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen?“, schrie ich und drückte ihm den Flyer an die Brust.
Seelenruhig ging David zur Tür schloss sie und stellte sich direkt vor mich.
„Okay. Du bist verärgert, Hannah“, stellte er mit einer Besonnenheit fest, die mich noch wütender werden ließ.
„Danke David, dass Du dieses unerträgliche Gefühl dir den Kopf abzureißen zu wollen, für mich eingeordnet hast. Jetzt bin ich weniger verwirrt. Aber Verärgerung ist es nicht. Verärgert war ich, als du mein Skizzenbuch verunstaltet und dir meine Handynummer erschlichen hast. Jetzt aber bin ich stinkwütend auf dich und ich will, dass du sämtliche Flyer auf der Stelle verschwinden lässt.“ Meine Stimme überschlug sich und erreichte Frequenzen, die mir Ohrenschmerzen bereiteten.

Statt zu antworten sah sich David den Flyer an. Schweigend und grübelnd ließ er meine Wut einfach an sich abprallen. Ignoriert der mich etwa? Ungeduldig tippte ich mit der Spitze meines Stiefels auf dem Marmorboden rum.
„Was gefällt dir nicht an den Flyern, Hannah?“, fragte er nach einer Weile.
„Herr Gott, es geht doch nicht um das Design“, fuhr ich ihn an. „Es geht darum, dass du nicht einfach den Namen meines Cafés und einen netten Satz auf eine Postkarte drucken und ohne mein Wissen verbreiten kannst. Das ist mein Café, okay? Und ich bestimme wann und wie ich Werbung mache.“
David hatte den Kopf schief gelegt und mir geduldig zugehört, ohne eine Miene zu verziehen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für taubstumm halten.

„Bitte, nimm doch Platz, Hannah“, deutet David auf eine moderne Sitzgruppe rechts von seinem Schreibtisch.
Nur mit Mühe unterdrückte ich einen Wutschrei. „Ich will mich nicht setzten, okay? Ich will einfach nur, dass du aufhörst dich wie mein Marketingberater aufzuführen und mich endlich in Ruhe lässt. Wenn du das verstanden hast, dann ist jetzt der Zeitpunkt um zu nicken.“
„Bitte nimm Platz Hannah, dann können wir das in Ruhe besprechen", wiederholte er vollkommen unbeteiligt.

Ich schnappte nach Luft. In Ruhe besprechen? Was gab es denn da zu besprechen? Allmählich fühlte ich mich verarscht und war drauf und dran ihm an die Gurgel zu springen. Ich zog meinen Pferdeschwanz strammer und beobachtete mit aufeinander gepressten Lippen, wie David hinter seinen Schreibtisch ging. Was zum …
„Frau Nießner, richten sie Baker bitte aus, dass er den Termin ohne mich machen soll und stellen sie bitte keine Anrufe durch. Ich wünsche nicht gestört zu werden. Danke.“

Kapitel 8


David

WOW! Was für ein Temperament. Wie ein wild gewordenes Kätzchen, stand Hannah vor mir, fauchend und mit ausgefahrenen Krallen. Keine meiner Affären oder One-Night-Stands hatte es je gewagt, so mit mir zu reden, noch dazu in dieser Lautstärke. Jede andere Frau hätte ich hochkant aus meinem Büro geworfen. Doch Hannah war anders. Eine leidenschaftliche Rebellin, die nicht versuchte mir zu gefallen. Ironischerweise übte genau dieser Wesenszug eine ungeheure Anziehungskraft auf mich aus. Ihre Augen sprühten blaue Funken, ihr blonder Pferdeschwanz wirbelte umher und ihre hohen Wangen waren von einer intensiven Röte. Der Röte, die ihren wunderbaren Körper überzogen hatte, als sie auf meinem Arm vor Erregung zerflossen war.

Gott, ich verspürte große Lust dieses Wildkätzchen zu zähmen. Hannah zu packen und ihren vorlauten, verführerischen Mund mit meiner Zunge zum Schweigen zu bringen. Okay, David. Reiß dich zusammen. Bloß nichts überstürzen. Und vor allem nichts tun, was die süße Hannah wieder aus deinem Büro treibt. Dazu zählte, dafür zu sorgen, dass sie sich beruhigte und … meine Erektion nicht sah. Verdammt, David! Wann bist du zum triebgesteuerten Primaten mutiert? Ich musste verrückt sein, ihretwegen nicht an dem Meeting teilzunehmen. Oli würde mir den Kopf abreißen, wenn er erfuhr, dass er den Pitch ohne mich machen sollte.


„Was soll das werden?“, fauchte Hannah.
Ich lass dich nicht gehen, Kleines. Nicht bevor feststeht, wann und wo wir, miteinander schlafen werden. „Ich möchte, dass du dich beruhigst, Hannah. Am besten setzt du dich …“
„Sag mal, bist du schwer von Begriff?“, fiel sie mir ins Wort. Die Augen zu Schlitzen geformt, funkelte sie mich an und ihre Nasenflügel bebten Ich ahnte, sie war kurz davor sich zu verabschieden. Und ich war gefesselt hinter diesem verdammten Schreibtisch. Weil das Wissen um den atemberaubenden Körper, der sich unter diesem unförmigen, grünen Parker verbarg, meinen Penis nicht abschwellen ließ.

Was soll’s, ignorierte ich die riesen Schwellung in meiner Hose und trat vor den Schreibtisch. Hannah sollte sehen, was sie mit mir anstellte, wie hart mich ihr wildes Temperament werden ließ …  und versuchen, mir zu wiederstehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie der Anblick meiner Erektion aus dem Konzept brachte. Und vielleicht schaffte ich es auch diesmal, zuerst ihren Verstand und dann ihren Körper zu verführen. Sie von ihrem Zorn gegen mich abzulenken und von diesem leidigen Flyer-Thema. Mir war ohnehin schleierhaft, weshalb sie sich über meine kleine Starthilfe so aufregte.

„Ich habe dein Anliegen klar und deutlich verstanden, Hannah. Gleiches sollte im Übrigen für meine Mitarbeiter in der ersten Etage gelten.“ Ich sah ihr fest in die Augen und unterdrückte ein Schmunzeln. „Aber diese Angelegenheit geht nur dich und mich etwas an, Hannah. Daher möchte ich, dass du dich beruhigst…“ Jetzt wird’s interessant. Hannahs Blick rutschte tiefer.
„Setzten wir uns doch und reden darüber. Erzähl mir, was dich daran stört, Hannah.“
Ihr Blick ruhte kurz auf meinem Schritt bevor sie zu mir rauf blickte. „An deiner Erektion oder an den Flyern?“, fragte Hannah gereizt und sah mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an.
Diesmal konnte ich mir das Grinsen nicht verkneifen, zu herrlich war ihr trockener Humor. Genau nach meinem Geschmack, ebenso wie Hannah. Nie um ein Wort verlegen.

Zu meinem Erstaunen steuerte sie statt der Tür, die lederne Sitzgruppe an. Sie nahm Platz, schlug ihre Beine übereinander und setzte ihre hohen, schwarzen Stiefel in Szene. Diese waren zwar von der Stange, aber geschmackvoll und das Leder schien mir echt. Leider nahm die blickdichte Strumpfhose die Sicht auf ihre makellose Beine.
„Möchtest du etwas trinken, Hannah?“ Ich ging zur Bar und sah sie über die Schulter hinweg fragend an.
Unsere Blicke trafen sich, bevor sie hastig wegschaute und an der Kordel ihrer Jacke zupfte. Offenbar hatte sie mich in Augenschein genommen und fühlte sich ertappt. Gut zu wissen, dass mein Anblick sie nicht unberührt ließ. Ein zufriedenes Lächeln huschte über meine Lippen. „Ich hätte Wasser, Saft, Kaffee … oder Whiskey im Angebot.“ Letzteres war als Scherz gemeint. Umso überraschender, als Hannahs Wahl auf den Whiskey fiel. Ich spürte, wie meine Gesichtszüge entglitten. Nicht zu fassen, dass Hannah zu dieser Tageszeit hochprozentigen zu sich nehmen wollte.

Ihre Augen sahen mich angriffslustig an. Man musste kein Psychologe sein, um zu wissen, dass Hannah mich herausforderte. Verwirren wollte sie mich, um von ihrer Unsicherheit abzulenken. Oder war es tatsächlich die Wut in ihr, die nach Alkohol verlangte? Ich erwiderte ihren Blick, dachte kurz nach und nickte schmunzelnd. „Dann eben Whiskey“, versuchte ich so gleichgültig wie möglich von mir zu geben.
Du willst spielen, Kleines? Du verlierst.

 



Hannah

Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Davids Gesichtsausdruck war einfach zu köstlich. Als hätte ich ihm gestanden transsexuell zu sein und nächste Woche eine Geschlechtsumwandlung vornehmen zu lassen. Mal sehen, ob er wirklich so cool war, wie er versuchte mir weiß zu machen. Ich legte meinen Parker ab und zupfte mein eng anliegendes, Strickleid zu Recht. So fühlte ich mich sexy und David ebenbürtig. In seinem perfekt sitzenden Anzug, die Beule in seiner Hose ausgenommen, sah er wiedermal verboten gut aus. Der Wunsch mich in sein dunkles Haar zu krallen und mich auf seinem Schreibtisch von ihm vögeln zu lassen, war genauso ausgeprägt wie die Wut auf ihn. Und es ärgerte mich, dass mein Körper auf ihn reagierter wie eine läufige Hündin.

Ich wusste genau welches Spielchen er trieb. Und wenn er glaubte, mich mit seinem perfekten Gesicht, seinem durchtrainierten Körper und das Präsentieren seiner Potenz aus dem Konzept bringen zu können, lag er nicht ganz falsch. Doch was er konnte, beherrschte ich in Perfektion. Und wenn er anbiss, würde ich ihn zappeln und an Land vertrocknen lassen wie einen Fisch.

 
Wissend, dass die schwarzen engen Maschen meines Kleides meinen Rundungen schmeichelten, stand ich auf und drängte mich zwischen David und die Bar. Ich war mir sicher, dass er hier nicht nur eine Whiskeysorte zur Auswahl hatte. Wenn ich schon, ausgelöst durch welchen Wahn auch immer, in der Früh Whiskey zu mir nahm, dann aber den Guten. Meine Vermutung bestätigte sich.
„Bedien dich ruhig, Hannah“. Davids raue Stimme brachte meine Nackenhaare zum Stehen. Ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken, die Hitze, die von ihm ausging und … etwas Anderes. Schnell griff ich nach dem Whiskey, der von allen am edelsten aussah. Die Flasche war bauchig und glich einer Karaffe. Das dicke Glas war mit schnörkeligen Einkerbungen und Verzierungen versehen. Zur Versiegelung diente ein Korken, eingearbeitet in einen goldfarbenen, hufeisenförmigen Griff. Guter Whiskey konnte verdammt teuer sein. Und dieser Macallan, wie ich auf dem Etikett las, kostete mit Sicherheit mehrere hundert Euro, dessen war ich mir sicher.

Mit der Flasche in der Hand wand ich mich David zu. Stellte mich seinem durchdringenden Blick, der mich zu hypnotisieren drohte. Natürlich wich er keinen Schritt zurück. Also drückte ich mich an ihm und seiner Härte vorbei und versuchte die aufkeimende Lust weg zu atmen. Geräuschlos verstand sich. Ich verlagerte meinen Sitzplatz auf seinen Schreibtisch. Ob er sich das gefallen lässt? Die Flasche mit der goldschimmernden  Flüssigkeit platzierte ich neben mir. Die Arme auf die Schreibtischplatte gestützt, schlug ich meine Beine übereinander und brachte mich in eine verführerische Position. David, der noch immer an der Bar stand lockerte seine Krawatte und sah mich aus gesenkten Lidern an. Seine Hose war vorn derart ausgestellt, dass ich glaubte Nähte platzen zu hören. Mit zwei Gläsern in der Hand, kam er auf mich zu und ließ mich dabei nicht aus den Augen.

„Ausgezeichnete Wahl, Hannah“, sagte er mit einem Unterton, den ich nicht einzuordnen wusste. Als führte er etwas im Schilde. Nur was? Ich nahm das Glas, das er mir reichte und kaschierte meine Unsicherheit mit einem Lächeln.
„Kennst du dich mit Whiskey aus, Hannah?“, fragte David und schenkte uns das flüssige Gold ein.
Mein Magen rumorte, als mir der Geruch des Alkohols in die Nase stieg. Worauf hab ich mich hier bloß eingelassen? „Wieso fragst du?“
„Also nein“, beantwortete David seine zuvor gestellte Frage selbst. Er grinste und hielt sich das Glas unter die Nase. „Machst du das öfter, Hannah?“ David sah mich über den Rand seines Glases an. Die Reflexion der schimmernden Flüssigkeit auf die Haut um seine Augen verlieh seinem Blick eine geheimnisvolle Intensität.
„Was meinst du?“, fragte ich unschuldig und krallte mich so fest in die Tischkannte, dass mir die Finger wehtaten. Ich bin hier die Angelschnur, mein Körper der Köder und David der Fisch, ermahnte ich mich. Dennoch kam es mir vor, als hätte David heimlich mein Drehbuch an sich gerissen und es umgeschrieben.


Seine vollen Lippen benetzend, griff er nach meinem Pferdeschwanz. Spielte mit ihm, wickelte ihn um seine Hand, kämmte ihn mit seinen langen schlanken Fingern und raunte: „Das Büro von Männern stürmen und sie durch den Sex, den du versprühst, derart um den Verstand bringen, dass sie an nichts anderes mehr denken können, als tief in dir zu sein, Hannah.“
Offenbar spielte ich meine Rolle besser, als ich ahnte. Ohne ihm zu antworten, nippte ich in Erwartung auf einen Würgereiz vorsichtig an dem Whiskey. Überrascht stellte ich fest, dass dieser ausblieb. Stattdessen breitete sich ein süßlich, herber Geschmack, der mich an Rosinen und Orangen erinnerte auf meinem Gaumen aus. Ich schmeckte Herbst und Sommer. Wie Balsam, mild und weich, rann die Flüssigkeit meine Kehle hinab. Köstlich.

 
„Nicht schlecht, hmm?“ David zwinkerte mir zu, bevor auch er sich einen Schluck genehmigte. Ich nickte und ertappte mich dabei, wie ich auf seinen Mund starrte, mal wieder. Himmel, wurde er dafür bezahlt so verführerisch Whiskey zu trinken? Hastig setzte ich das Glas erneut an meine Lippen. Ich trank drei große Schlucke hintereinander und ärgerte mich, dass man sich Menschen nicht hässlich trinken konnte. Ohne Vorwarnung nahm David mir das Glas aus der Hand und verringerte die Distanz zwischen uns. Ich spürte seine Erektion an meinem Knie. Er beugte sich vor und flüsterte wie ein Geheimnis: „Weißt du eigentlich, wie unglaublich sexy du bist, wenn du versuchst, mir zu wiederstehen, Hannah?“


Ich schluckte schwer und wusste nicht, ob ich lachen oder mich aufregen sollte. Ich entschied mich spontan für Variante Nummer drei: „Weißt du eigentlich, wie unglaublich ätzend ich deine Überheblichkeit finde, David?“?“, drehte ich den Spieß einfach um und begann mit ihm zu flirten. Mein Verstand klopfte meinem Körper anerkennend auf die Schulter. Wie zum Beweis seiner Überheblichkeit, verzog David seinen Mund zu einem selbstverliebten Grinsen. Ich verdrehte die Augen und nahm mein Glas wieder an mich.
„Ich weiß, dass du mich willst, Hannah. Und ich sag dir auch woher?“
„Lass mich raten. Du bist nicht nur Marketingberater, sondern auch Hobbypsychologe und Gedankenleser?“, mutmaßte ich scherzend und schlürfte den letzten, köstlichen Schluck aus dem Glas.
David lachte herzhaft auf und fasste sich an sein stoppeliges Kinn. „Okay. Ich schlag dir einen Deal vor, Hannah.“ Er sah mich an, als versuchte er mich zu hypnotisieren. Davon ausgehend, dass mich sein Vorschlag interessierte, fuhr er fort: „Du begleitest mich kommenden Freitag auf ein … nennen wir‘s Geschäftsessen und verbringst die Nacht mit mir, Hannah.“ Wie eine laue Sommerbrise wehte sein Atem meinen Hals entlang und sendete wohlige Schauer über meinen Rücken. „Danach, und das verspreche ich dir, wirst du mich nie wieder sehen, wenn das dein Wunsch ist, Hannah.“

 
Bevor ich seinen Deal ablehnen konnte, schwang Davids Tür auf und ein dunkelheutiger Mann polterte ins Büro. Er war von ähnlicher Statur wie David, nur etwas kleiner und hatte offensichtlich den selben Herrenausstatter.
„Du verarscht mich oder?“ stieß der Typ empört aus. „Ist sie etwas der Grund, weshalb ich mich mit Jennings & Partners allein rumschlagen darf?“ Er machte ein abfällige Handbewegung in meine Richtung und sprach von mir als sei ich nicht anwesend.
„Können wir das später besprechen?“, bat David höflich aber bestimmt.
Sein Kollege kam näher, fixierte erst die Gläser in Davids und meiner Hand, bevor er den Whiskey rechts von mir erspähte. „Hab ich was verpasst? Gibt es etwas zu feiern?“ Seine Stimme triefte vor Spott.
„Nicht jetzt, Oliver“, ermahnte David seinen Kollegen in einem Tonfall, der mich frösteln ließ.
Allmählich fühlte ich mich unwohl.

„Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass du dir… „, Oliver warf einen Blick auf seine Armbanduhr, „ … um viertel vor Zehn in der Früh einen 23.000 Euro teuren Whiskey genehmigst?“
23… Wieviel? Tausend? Vor Schreck verschluckte ich mich an der Luft, nach der ich fassungslos schnappte. Ich bekam einen entsetzlichen Hustenanfall, machte eine ausladende Armbewegung und fegte die 23 mit den drei Nullen vom Schreibtisch. Wie im Zeitraffer, nährte sich die Flasche dem Marmorboden und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte. Die leise Hoffnung, der Whiskey möge heil bleiben, zerschellte zusammen mit der Flasche auf dem harten Untergrund.

Mit vorgehaltener Hand sah ich schockiert dabei zu, wie 23.000 Euro auf dem Marmorboden dahin flossen. Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte mich jaulen zu hören. „Das … das wollte ich nicht“, stammelte ich und spürte wie meine Finger begannen zu kribbeln, weil sich all mein Blut im Kopf sammelte. Mir wurde entsetzlich heiß und ich war mir sicher, im Dunkeln glühen zu können. Es dauerte Ewigkeiten, bevor ich mich traute, David in die Augen zu sehen. „David … ich … Das … tut mir leid.“
„Das ist kein Weltuntergang, Hannah.“
„Ich hoffe, deine Trinkkumpanin ist gut versichert“, meldete sich Oliver zu Wort. Diese fiese Bemerkung half meinem Gedächtnis auf die Sprünge. Oliver. Der aufdringliche Freund von David aus dem Diamonds. Der Anzug und die Umgebung hatten mich irritiert. Doch jetzt erkannte ich ihn und fand ihn schlagartig unsympathisch.
„Halt dich da raus, Oli“, nahm David mich in Schutz, wofür ich ihm sehr dankbar war.
Oliver winkte kopfschüttelnd ab und verließ ohne ein weiteres Wort Davids Büro.


Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, das unerlaubterweise mit Streichhölzern gespielt und dabei das Sofa angesteckt hatte. Wohlgemerkt, ein 23.000 Euro teures Sofa. Wieso kaufte man sich einen Whiskey im Wert eines brandneuen Kleinwagens. Was zum Teufel war da drin, Goldstaub? Reumütig schaute ich zu David hoch und stammelt die gefühlt hundertste Entschuldigung. „Ich … weiß zwar noch nicht wie, aber ich …. ich werde dir die Flasche ersetzen.“
Davids Lippen umspielte ein amüsiertes Lächeln. „Von diesen Flaschen wurden weltweit nur 420 Stück gefertigt, Hannah", gab er zu bedenken.
Oh Gott, auch das noch. „Dann … dann werd ich dir zumindest das Geld wieder geben. Akzeptierst du Ratenzahlungen?“
„Hannah. Jetzt atme erst mal durch. Die Flasche und das Geld sind mir nicht wichtig.“ David nahm meine Hände und sah mich eindringlich an.
Mir ist es aber wichtig. Ich weiß, du traust mir nicht zu, das Geld zusammen zu bekommen. Aber wenn ich dir monatlich … zweihundert Euro gebe, dann …“
„… hast du in ca. neun Jahren das Geld zusammen“, führte er meinen Satz zu ende.

Angesichts dieser düsteren Aussichten, stieß ich einen leidgeprüften Seufzer aus und sackte innerlich zusammen. David bemerkte es und strich mir tröstend über die Wange.
„Kleines, sieh mich an.“  
Kleines? Ich hasste diesen Kosenamen, protestierte aber nicht. Heute durfte er mich so nennen, ausnahmsweise. Ich blickte in seine graublauen Augen und hoffte, dass mein Lächeln nicht so gequält wirkte, wie ich mich fühlte.
„Behalt dein Geld. Ich möchte es nicht.“
„Aber …“
„Sei am Freitag meine Begleitung und verbringe die Nacht mit mir, Kleines.“

 
Reflexartig entzog ich ihm die Hände und sah ihn schockiert an. „Versuchst du dir gerade meine Anwesenheit zu erkaufen?“ Zu meinem Schuldbewusstsein mischte sich nun auch Wut. Wut darüber, dass er meine missliche Lage auf so geschmacklose Art versuchte auszunutzen.
„Kleines…“
„Nenn mich verflucht noch mal nicht Kleines“, fauchte ich.
„Hannah. So war das nicht gemeint. Ich hätte dich auch darum gebeten, wenn du mir morgen das Geld überweisen würdest.“
„Das kann ich aber nicht und das weißt du. Unfassbar, dass du mein schlechtes Gewissen instrumentalisierst, um mich ins Bett zu bekommen“, schrie ich und sah im Gegenlicht feine Speicheltröpfen aus meinem Mund fliegen. Wütend sammelte ich meine Jacke und meine Tasche von seinem Sofa. Ich musste hier raus. Auf dem Weg zur Tür stellte David sich mir in den Weg. „Hör mir zu, Hannah. Du hast mich missverstanden. Erinnere dich, dann weißt du, dass ich dich bat eine Nacht mit mir zu verbringen, bevor die Flasche zu Bruch ging. Wenn du dich dabei wohler fühlst, überweise mir monatlich einen kleinen Betrag. Aber wisse, dass ich dir niemals so ein unmoralisches Angebot machen würde, weil ich dich respektiere, Hannah. Und ich lasse dich nicht gehen, bevor du mir das glaubst.“

Ich ließ seine Worte auf mich wirken und sah ihm in die Augen, auf der Suche nach Aufrichtigkeit. Kein Grinsen, kein Lächeln, kein Schmunzeln. Er schien es ernst zu meinen. Und wenn ich näher darüber nachdachte, tat ich ihm möglicherweise sogar Unrecht. Aber für den Moment war es leichter auf ihn wütend zu sein, als mich mit meinen Schuldgefühlen zu plagen. Ich war noch viel zu aufgebracht, um meinen Vorwurf zurückzunehmen. Stattdessen nutzte ich die Situation, um eine Sache ein für alle Mal klar zustellen. „Wie auch immer du das gemeint hast, David. Ich werde kein zweites Mal mit dir schlafen. Unter keinen Umständen. Bitte schick mir deine Kontodaten in einer SMS und lösche danach meine Nummer. Und … hör auf für mich Werbung zu machen, darum kümmere ich mich selbst."

Ich stellte mich auf die Zehen und tupfte David einen Kuss auf die stoppelige Wange. Ein letztes Mal sog ich den Geruch von Moschus und Männlichkeit ein. David setzte an etwas zu sagen, doch ich legte ihm meinen Zeigefinger über die Lippen seines halbgeöffneten Mundes. „Mach‘s gut, David.“

Kapitel 9


David

„Was hältst du von einem Glas Champagner, … in deinem Apartment, zur Feier des Tages?“ Fernanda sah mich aus gesenkten Lidern an und zeichnete mit ihrem Zeigefinger die Konturen meines Kinns nach.
„Ein gutes Geschäftsessen ist längst kein Grund zum Feiern. Noch hat Ludvig Anderson nicht unterschrieben“, wich ich ihren Avancen aus.
„Das wird er aber“, säuselte sie und betätigte den Knopf der blickdichten Scheibe, die dem Fahrer der Limousine die Sicht auf uns nahm.
„Und das liegt einzig an Frau Anderson und dem kleinen, aber entscheidenden Umstand, dass ich mich ausgezeichnet mit ihr verstanden habe. Sie wird ihn für dich überzeugen, glaub mir.“
„Hat sie dir das bei eurem gemeinsamen Gang zur Toilette verraten?“
„Nein“, lachte sie leise. „Aber ihr Mann hat sie sicher nicht grundlos mitgenommen. Er vertraut ihrem Urteil. Und…“, sie kroch auf meinen Schoß, „du weißt doch, hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine kluge Frau“, flüsterte sie an meinem Ohr und biss mir ins Läppchen.
„Nicht hinter jedem Mann“, korrigierte ich und hoffte, sie verstand meine Anspielung.
„Du hast mir gefehlt, Darling“, überhörte sie mich einfach. „Danke, dass ich dich begleiten durfte. Wir haben schon so lange keine Zeit miteinander verbracht …“ Küssend nährte sie sich meinem Mund, fuhr mit ihrer Zunge den Schwung meiner Lippen nach und alles, woran ich denken konnte war Hannah.

Sie hätte mich heute begleiten und die Nacht mit mir verbringen sollen. Ein Plan, der leider nicht aufgegangen war, weil Hannah sich nicht gemeldet und auf keine meiner Nachrichten geantwortet hatte. Mich hatte noch keine Frau zurückgewiesen. Mich, David Bender. Ich schüttele ungläubig den Kopf.
„Was ist los, Darling? Soll ich aufhören?“ Irritiert blickten Fernandas tief schwarzen Augen mich an.
Ihr Rock war soweit hochgerutscht, dass die dunkle Spitze ihrer Strapse unter ihrem Saum zum Vorschein kam. Offenbar hatte sie Vorkehrungen für diesen Abend getroffen. So wie ich sie kannte, ließ auch der Rest ihrer Dessous keine Wünsche offen. Unter anderen Umständen hätte ich nicht lange gefackelt, aber Hannah ließ mich einfach nicht los.
„David?“ Ungeduld schwang nun in Fernandas Stimme mit. „Woran denkst du?“, fragte sie verunsichert und stieg umständlich von meinem Schoß. Sie strich sich ihr dunkles, wallendes Haar hinter die Ohren und gab den Blick auf ihr hübsches Gesicht frei. Ich hatte ganz vergessen, wie attraktiv Fernanda war. Und sie war hier, bettelte geradezu darum, dass ich mit ihr schlief. Wieso auch nicht, dachte ich und strich zärtlich über ihre Wange. Es war an der Zeit, Hannah aus meinen Gedanken zu vertreiben und einzusehen, dass es keinen Sinn machte, ihr nachzulaufen.
„An nichts“, antwortete ich und zog Fernanda zurück auf meinen Schoß.

 



Hannah

Nie hätte ich gedacht, dass es so schwer sein würde eine Aushilfe für mein Café zu finden. Die Anforderungen waren simpel und überschaubar: Sie sollte weiblich sein, ein Tablett tragen und sprechen können, Zuverlässigkeit ausstrahlen sowie zwei bis drei Mal die Woche Zeit haben. Seit das Stellenangebot die Frontscheibe meines Cafés zierte, hatten sich vier Interessenten gemeldet. Nummer Eins, machte auf mich den Eindruck, das Geld für den nächsten Schuss zu benötigen, Nummer Zwei bekam kaum ein Wort über die Lippen und schien bereits damit überfordert, sich mir namentlich vorzustellen, Nummer Drei war so ungepflegt, dass ich mir sicher war, Probleme mit dem Gesundheitsamt zu bekommen, sollte ich sie einstellen und Nummer Vier war perfekt, brachte aber die geschlechtlichen Vorrausetzung nicht mit.

Am liebsten hätte ich mir eine Aushilfe gebacken, leider kannte ich das Rezept nicht.
„Ich muss los, Hannah“, verabschiedete sich Vivien, die nun regelmäßig ihre Mittagspausen bei mir verbrachte. Jeden Tag erzählte sie mir von ihrem Oliver und dem bevorstehenden Treffen. Ich kannte den Thread sowie die Inhalte jeder SMS, die sie sich schrieben  auswendig. Weil Vivien mir jede Nachricht, sei es seine oder ihre, laut vorlas. Sie wünschte mir Glück bei meinem Unterfangen ‚Aushilfe gesucht‘ und winkte mir mit dem Handy in der Hand vom Ausgang aus zu. Ob sie ihr Telefon jemals aus der Hand legte?

Skeptisch beobachtete ich, wie sie und Mia, Davids Schwester, sich sprichwörtlich die Klinke in die Hand gaben. Was wollte sie denn hier? Mein sechster Sinn riet mir zur Vorsicht. Wer wusste schon, welche Rolle David bei Mias plötzlichem Besuch spielte. Breit lächelnd kam sie auf mich zu und schaffte es, wie schon beim ersten Mal, mich ohne ein Wort zu besänftigen. Sie sah sehr viel besser aus, als bei unserer ersten Begegnung. Die schwarze Jeans und der dunkelrote Rollkragenpulli unter ihrem Wollmantel, waren für ihre Verhältnisse fast schon seriös. Ihre Dreadlocks hatte sie zu einem Dutt gebunden, der größer war als ihr Kopf. Wie sie es schaffte, bei dem Gewicht ihrer Haare die Balance zu halten und nicht hinten über zu kippen, war mir ein Rätsel.
„Hallo, Hannah“, grüßte sie mich und hielt mir schüchtern ihre, diesmal saubere, kleine Hand hin.
Ich ergriff sie und konnte nur über ihre guten Manieren staunen.
„Ich hab deinen Aushang gesehen und wollte fragen, ob du noch eine Aushilfe suchst.“
David! Also doch, schoss es mir durch den Kopf. Schickte er nun schon sein kleine Schwester vor, um …? Was auch immer, jedenfalls war es mir nicht geheuer. Vermutlich hatte David von meinem Aushang erfahren und nahm diesen nun als Vorwand, um sich wieder in mein Leben zu schleichen. Reichte es ihm nicht, dass ich beinahe ein Jahrzehnt damit verbringen würde, die Raten für diesen verdammten Whiskey zu begleichen? Wobei ich dazu seine Kontodaten benötigte, die er mir noch nicht geschickt hatte. Stattdessen hatte er sich per SMS mehrmals entschuldigt und mich zwei Mal probiert anzurufen.

Mia blickte mich erwartungsvoll an. Ob sie sich ihrer Schönheit bewusst war? Das stürmische Grau ihrer Kulleraugen erinnerte mich an David und die Art, wie er mich ansah, wenn …. Nein, ausgeschlossen. Mia konnte hier nicht arbeiten, unter keinen Umständen. „Wie bist auf den Aushang aufmerksam geworden?“, versuchte ich meine Vermutung, bezüglich Davids Zutun, zu bestätigen.
„Durch eine Freundin, sie hat sich vorgestern bei dir vorgestellt, glaubt aber nicht, dass es was wird. Da ich schon mal gekellnert hab und … dein Café mag, dachte ich…“
„Zahlen bitte“, unterbrach sie ein Herr, der mit der Geldbörse in der Hand auf sich aufmerksam machte.
Ich entschuldigte mich bei Mia und kassierte den Gast ab. Dabei ließ ich mir Zeit, um einen Weg zu finden, ihr schonend abzusagen. Ihr Hoffnungen zu machen und mich dann nicht mehr zu melden, erschien mir unfair und feige.

Mia hatte Platz am Tresen genommen und zupfte nervös am Ärmel ihres Pullis rum.
„Du hast also schon mal gekellnert?“, nahm ich das Gespräch wieder auf und ärgerte mich über meinen ungeschickt gewählten Einstieg. So leitete man nun wirklich keine Absage ein.
Mias Augen blitzten auf und sie plauderte munter drauf los, erzählte von ihren Erfahrungen als Kellnerin. So gesprächig hatte ich sie gar nicht in Erinnerung. Mir gefiel, was ich erfuhr. Zuletzt hatte sie in einem Irish Pub ausgeholfen, in dem es  sicherlich stressiger zuging, als neuerdings bei mir, … Dank Davids Werbung. Ich schüttelte den Gedanken an ihn ab und hörte Mia weiter zu.
„Wieso hast du aufgehört, wenn dir die Arbeit dort so viel Spass gemacht hat?“
Sie blickte beschämt auf ihre Hände, lief rot an und kaute nervös auf ihrer Unterlippe herum. Himmel, sie tat ja so, als hätte ich sie nach ihrem ersten Mal gefragt.

„Wegen der langen Öffnungszeiten … Ich schaffe sonst die Schule nicht … Außerdem darf ich mit siebzehn offiziell nicht so lange arbeiten.“
Und weiter?‘, hätte ich um ein Haar gefragt, weil ich nicht verstand, was daran so peinlich war. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, erklärte sie: „Ich hab letztes Jahr die Schule geschmissen und versuche jetzt mein Abitur nachzuholen.“
„Ja, Abitur und bis Nachts um Eins arbeiten vertragen sich nicht“, tat ich unbeteiligt, obwohl in meinem Kopf tausend Fragezeichen aufpoppten: Weshalb hatte sie die Schule geschmissen? Was hatte sie in der Zeit gemacht? Und wieso unterstützte David sie nicht finanziell, statt sein Geld für teuren Fusel auszugeben?
„Wann könntest du denn Probearbeiten?“, hörte ich mich fragen und hätte mir am liebsten in den Hintern gebissen.
Ruckartig blickte sie auf. Als hätte meine Frage ein Ventil geöffnet, floss das Blut in ihrem Kopf ab. Sie strahlte übers ganze Gesicht. „Wie wäre es morgen?“, schlug sie eifrig vor und lächelte glücklich.
„Okay. Von elf bis zwei?“
„Ich werde da sein, Hannah. Vielen Dank.“

***


Häuser und trostlose Landstriche zogen an mir vorbei. Unter mir ruckelte und polterte die S-Bahn, während der muffige Geruch abgenutzter Sitzpolster und verbrauchter Luft in meine Nase kroch. Als könne der Duft der roten Lilien ihn vertreiben, führte ich das Bund Blumen an mein Gesicht. Wie jedes Jahr zu dieser Zeit, stellte ich fest, dass Omas Lieblingsblumen hübscher aussahen, als sie rochen.

Am Dortmunder Hauptfriedhof angekommen stieg ich aus. Zügigen Schrittes überquerte ich den Parkplatz, der zum Nebeneingang des Friedhofs führte. Vor sechs Jahren hatte ich Dortmund den Rücken gekehrt und mir geschworen, nie mehr zurück zu blicken. Doch Oma Lisbeths plötzlicher Tod hatte mein Vorhaben auf schmerzliche Weise durchkreuzt. Am fünfzehnten November vor drei Jahren verlor ich den einzigen Menschen, der mir … nach der Sache mit Stefan geblieben war. Seitdem war ich gezwungen mich meiner Vergangenheit, zumindest räumlich zu stellen, was wie jedes Jahr, Unbehagen in mir auslöste.

Dank des Friedhofsgärtners, den ich von Omas Erbe bezahlte, sah man dem Grab meine seltenen Besuche nicht an. Es würde wohl niemals einen Botanikpreis gewinnen, aber es war gepflegt und sauber. Wie gewohnt, platzierte ich die Lilien und das Lichtlein vor dem Grabstein und gedachte, meiner geliebten Großmutter.
„Hannah“, hatte sie gesagt, „nur wer an die wahre Liebe glaubt, kann sie erfahren. Gehe mit offenem Herzen durchs  Leben, dann findet sie dich.“ Ich sah ihre dünnen, mit Falten übersäten Finger, die mir übers Haar strichen und ein Bonbon reichten. Als könne der Zucker einem den bitteren Geschmack des Lebens versüßen. Mit geschlossenen Augen erinnerte ich mich an die zahlreichen, tiefen Furchen in ihrem Gesicht und ihre leuchtend blauen Augen, die Erfahrung, Weisheit Glück, Trauer und zuletzt die Sorge darüber gespiegelt hatten, ob ich … Stefans Verrat jemals überwinden würde. „Mach dir keine Sorgen, Oma. Mir geht es gut“, flüsterte ich und war mir sicher, dass sie mich hörte.

Am Bahnsteig verkündete eine Männerstimme über die Lautsprecheransage, dass die Regionalbahn nach Köln dreißig Minuten Verspätung hatte. Unter normalen Umständen hätte ich getobt vor Aufregung, weil ich endlich raus wollte aus Dortmund. Aber die Unzuverlässigkeit der deutschen Bahn kam meinem knurrenden Magen ausnahmsweise gelegen, weshalb ich mir die Wartezeit mit einer warmen Brezel und einem Milchkaffee verkürzte. Da ich dem eisigen Wind am Bahnsteig schutzlos ausgeliefert war, beschloss ich in der Bahnhofshalle zu warten. Herzhaft biss ich in das Laugengebäck und versuchte den Teigklumpen mit mehrmaligem Schlucken herunter zu würgen. Das Teil war so trocken, dass meine Speichelproduktion nicht nachkam.

„Hannah?“
Schlagartig hörte ich auf zu kauen und zu schlucken. Der Kaffeebecher entglitt meiner Hand und fiel zu Boden. Mein Herz pochte so laut und heftig, dass ich es in den Ohren hörte und das Hämmern in meiner Brust spürte. Lieber Gott! Bitte, tu mir das nicht an, betete ich, drehte mich in Zeitlupe um und erstarrte. Vor mir stand Stefan. Am liebsten hätte ich meine Beine in die Hand genommen und wäre gerannt, so schnell ich konnte, weit weg. Stattdessen merkte ich, wie sich meine Lippen zu einem falschen Lächeln verzogen und ein verlogenes, „Stefan, wie schön dich zu sehen“, meinem Mund entwich.
„Hannah … ich …“ Stefan gelang es nicht so gut wie mir seine Überraschung zu verbergen. „Ich freu mich auch dich zu sehen“, sagte er schließlich und musterte mich von Kopf bis Fuß.
Er war nicht mehr der kleine Junge, seine Gesichtszüge waren kantiger und seine Schultern breiter geworden. Die vollen, dunkelblonden Haare reichten ihm bis zum Kinn. Hinter seine Ohren geklemmt und locker nach hinten gekämmt, gaben sie den Blick auf sein schönes Gesicht frei. Er sah gut aus, sehr sogar und ich spürte, wie eine scharfkantige, kalte Klinge an meinen Narben schabte. Hastig wich ich seinen blauen Augen aus, als sie meine suchten. Ich blickte auf meine rechte Hand, die nach Halt suchend, die Brezeltüte so fest umklammerte, dass meine Knochen weiß hervortraten. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso musste er ausgerechnet heute hier sein, vor demselben Bahnsteig, zur gleichen Zeit?

„Was verschlägt dich nach Dortmund? Ich … dachte du lebst jetzt in Köln“, brach er das Schweigen zwischen uns. Ja, deinetwegen. Weil du mir das Herz gebrochen und mich verraten hast, schrie ich in Gedanken. Stattdessen lächelte ich den Schmerz weg und antwortete: „Ich hab meine Oma besucht.“
„Und wie geht’s Oma Lisbeth?“
Dass er sie beim Vornahmen nannte, versetzte mir einen Stich, weil er das Recht dazu vor langer Zeit verloren hatte.
„Sie ist vor drei Jahren gestorben“, antwortete ich knapp.   
„Gott, Hannah. Das … das wusste ich nicht. Scheiße.“ Er streckte seinen Arm nach mir aus. Als hätten es die Trennung nie gegeben, strich er über meine Wange. Ich hätte ihm ausweichen, seine Hand wegschlagen und ihn stehenlassen sollen. Aber ich schaffte es nicht. Plötzlich war da diese Nähe, diese verloren geglaubte Vertrautheit und … noch was anderes. Etwas, dass mich ängstigte und verwirrte. Scheu wagte ich einen Blick in seine Augen die mich forschend und neugierig ansahen, mich gefangen hielten. Als sögen sie den Schmerz und die Gram in meinem Herzen auf. Ich hielt den Atem an, weil ich fürchtete, diesen Moment, der sich so fremd und zugleich gut anfühlte, durch die kleinste Regung zu Nichte zu machen.
„Hannah“, flüsterte Stefan und glitt mit seiner Hand zu meinem Nacken, begann mich zu kraulen.
Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Ich spürte, wie sich meine Lider senkten, mein Kopf nachgab und sich in seine warme Hand schmiegte.
„Hannah?“ Ich schlug die Augen auf und sah seinen besorgten Blick, der mich Augenblicklich in die Gegenwart katapultierte. „Es gibt etwas, was du wissen solltest …“

 
„Hey“, drang eine vertraute Stimme an meine Ohren, bevor Stefan seinen Satz beendet hatte. Nadine, meine ehemals beste Freundin, quetschte sich zwischen uns. Blitzschnell nahm Stefan seine Hand von meinem Gesicht. Entschuldigend sah er mich an und kassierte von Nadine einen misstrauischen Blick. Wofür erschloss sich mir nicht. 
„Was … machst du denn hier, Hannah?“, war alles, was meine ehemals beste Freundin nach so langer Zeit über de Lippen brachte. Freude sah definitiv anders aus.
„Ich hab Hannah zu fällig hier getroffen“, antwortete Stefan ungefragt und fuhr mit seiner Hand übers Gesicht. „Aha…“ Nadine bedachte mich mit einem skeptischen Blick und sah immer wieder zwischen mir und Stefan hin und her. „Was für ein schöner Zufall“, heuchelte sie und ergriff Stefans Hand.

Der Anblick traf mich wie ein gezielter Faustschlag in die Magengrube und ich sackte innerlich zusammen als ich den Ring an ihrem Finger entdeckte. Es war das gleiche Silber, der gleiche Stein, der selbe verdammte Ring. Ungläubig starrte ich die beiden an, wartete auf das ‚Haha, verarscht!‘, aber es blieb aus. Ich hörte die Tüte in meiner Hand raschelnd zu Boden fallen und schlang meine Arme um meinen Bauch, der sich anfühlte, als fräße sich Säure durch meine Eingeweide. Jene Klinge, hatte längst alle Narben aufgeschnitten und mir neue tiefere, Wunden hinzugefügt. Ich spürte nur noch Schmerz, nichts als Schmerz, der mir in die Nase und die Augen schoss. Nicht hier. Nicht jetzt. Nicht vor denen, dachte ich und blinzelte aufsteigende Tränen weg.

Wie eine Schauspielerin, die sich wieder an ihren Text erinnerte, bückte ich mich, hob die Tüte auf und lächelte. „Wie ich sehe, läuten bald die Hochzeitsglocken“, hörte ich mich sagen und erkannte meine eigene Stimme nicht.
„Hannah, ich …“, setzte Stefan an, wurde aber von Nadine unterbrochen:
„Ja, am 14.04.2014“, verkündete sie stolz und ich sah zu, wie meine ehemals beste Freundin, meinem ehemaligen Verlobten einen Kuss auf die Lippen drückte. Stefan blickte beschämt zu Boden und ich wusste nicht ob ich kotzen oder heulen sollte. Stattdessen verharrte ich in meiner Rolle der unbeteiligten Ex und schlang meine Arme um das glückliche Paar. Hätte man mir in diesem Moment ein Messer gereicht, ich hätte es ohne zu zögern in deren Rücken gerammt. Zu dem Schmerz gesellte sich nun Enttäuschung und Wut. Schnell löste ich die Umarmung und spürte, wie meine Maske zu verrutschen drohte. Und ich besaß weder die Stärke, noch die Lust sie wieder zu richten. „Ich … wünsche euch alles Gute“, presste ich aus zusammengebissenen Zähnen hervor und verabschiedete mich.

Im Zug rang ich um Fassung. Nicht weinen, nicht vor den Augen Fremder und … erst recht nicht wegen Stefan und Nadine, ermahnte ich mich. Ich verspürte große Lust mich selbst übers Knie zu legen, mir das Bild von ihr und ihm aus dem Kopf zu prügeln. Herr Gott! Was war bloß ich mich gefahren? Wie hatte ich Stefan so nah an mich ranlassen und mich ihm so öffnen können, nach Allem, was er mir angetan hatte? Ich schloss die Augen und kämpfte erneut gegen die Tränen an, spürte wie meine Unterlippe bebte. Der Kloß in meinem Hals wuchs und nahm mir die Luft zu atmen. Mit dem Gesicht zum Fenster, versuchte ich den neugierigen Augen meines Gegenübers auszuweichen. Die Dunkelheit nahm mir die Sicht nach draußen, stattdessen blickte ich in mein eigenes Spiegelbild. Gott, wie ich mich verabscheute.

In Köln angekommen nahm ich mir ein Taxi. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause.
„Scheiß Tag heute?“, fragte mich der Fahrer.
„Scheiß Woche“, gab ich zurück und brachte ihn damit zum Lachen, während mir noch immer zum Heulen zu Mute war.
An meinem Café angekommen schloss ich mit zittrigen Händen die Tür auf. Als ließen sich die Bilder und die Erinnerungen aussperren, öffnete ich sie gerade soweit, dass ich mich hindurchzwängen konnte und beeilte mich sie hinter mir abzuschließen. Das Licht ließ ich aus und presste meinen Rücken fest gegen die Tür. Zum ersten Mal seit drei Stunden hatte ich das Gefühl wieder Luft zu bekommen. Mein Atem hallte laut durch mein leeres Café. Minutenlang verharrte ich in dieser Position, starrte ins Nichts, versuchte nicht zu denken und zu fühlen, bis das Klingeln des Telefons die Stille durchbrach.

Wie ferngesteuert schlürfte ich zum Tresen und stieß mir im Dunkeln das Knie an einem der Tische. Ich spürte nichts, außer den Schmerz in meiner Brust der alles überstrahlte. Hinter der Bar hob ich ab ohne ein Wort zu sagen.
„Hannah, bist du das?“
Stefan! Woher hatte er meine Nummer? Mein Herz raste und Tränen schossen mir in die Augen. Ich holte tief Luft und spielte kurz mit den Gedanken aufzulegen. Warum tat ich es nicht einfach, verdammt?
„Hannah? Wenn du das bist, dann sag was.“
„Fick dich“, kam ich seiner Bitte nach.
„Ich … ich wollte nur sicher gehen, dass du gut angekommen bist. Und … mich entschuldigen für … vorhin und … alles andere. Ich wollte nicht, dass du von mir und Nadine auf diese Weise erfährst.“
Schweigen.
„Hannah? Bist du noch dran? Bitte sag doch was.“
Heiße Tränen liefen mir übers Gesicht und ich presste den Hörer an meine Brust, damit er nicht hörte, wie ich schluchzte.
'Ich hasse dich du feiges, verlogenes Arschloch. Scher dich zum Teufel!', hätte ich gern gesagt, aber ich schaffte es nicht und legte auf. Dahin war der Schutz des Cafés, die mühsam errichteten Mauern, waren eingerissen, lagen in Trümmern. Erinnerungen und Gefühle, die einfach nicht sein konnten, nicht sein durften waren freigelegt. Wie ein Parasit nistete sich das Bild von Stefan und Nadine in meinen Kopf ein. Und der Gedanke, dass seine Eltern sie als Frau an seiner Seite akzeptierten und er Nadine mir vorzog war unerträglich.

Ich hielt noch immer das Telefon in der Hand. Geistesabwesend legte ich es bei Seite, eilte zu meiner Handtasche und ertastet mein Handy. Hastig wischte ich mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und wählte Davids Nummer.

Kapitel 10


David

Irritiert stellte ich fest, dass Fernanda noch immer nackt in meinem Bett lag. Sie plante doch hoffentlich nicht, die Nacht hier zu verbringen. Außer beim Sex teilte ich mit keiner Frau meine Matratze, auch nicht mit ihr.
„Hast du noch nicht genug?“, fragte ich meine Verärgerung kaschierend und rubbelte mir mit einem Handtuch die Haare trocken. Statt zu antworten stütze sie sich seitlich auf ihren Ellenbogen und lächelte lasziv.
„Sehr verlockend, aber ich muss noch was für die Firma tun“, log ich und hoffte nicht deutlicher werden zu müssen.
„Darling, es ist Sonntagabend. Lass die Arbeit ruhen und komm zurück ins Bett.“ Aufreizend langsam fuhr sie mit ihrer Hand über ihre Brüste und malte mit ihrem Zeigefinger imaginäre Kreise auf ihren flachen Bauch.
Herr Gott! War die Frau schwer von Begriff? „Zieh dir was über, ich will nicht das du dich erkältest“, sagte ich und suchte ihre Kleider auf, die überall verstreut auf dem Boden lagen. Ich hasste Unordnung.
Schmollend hüllte sie ihren entblößten Körper in das Laken, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Ich rang mit meinem Gewissen. Am liebsten hätte ich sie gebeten zu gehen. Aber wie sollte ich das anstellen, ohne ihr vor den Kopf zu stoßen? Ich respektierte sie zu sehr, um sie nach dem Sex einfach nach hause zu schicken.

 
„Triffst du dich außer mir noch mit anderen Frauen?“, fragte Fernanda unerwartet. Der Vorwurf in ihrer Stimme gefiel mir ganz und gar nicht, weil es sie verdammt noch mal nichts anging. Ich sah sie über die Schulter hinweg warnend an, verkniff mir eine Antwort und ging in den Ankleideraum neben an. Fernanda folgte mir. Eingewickelt in das Laken, sah sie mir an den Türrahmen gelehnt dabei zu, wie ich mir T-Shirt und Trainingshose anzog. Ich hatte gerade beschlossen, mich nicht auf eine Diskussion dieser Art ein zu lassen, da fragte sie mich nach Hannah. Tief Luft holend drehte ich mich zu ihr. „Spionierst du mir hinterher?“, fragte ich und war mir der Schärfe meines Tonfalls mehr als bewusst.
„Würde ich denn fündig werden, wenn ich es täte?“
Ohne auf ihre Provokation einzugehen, schob ich mich an ihr vorbei. Im Schlafzimmer suchte ich nach meinem Handy, wurde im Bett fündig und sah, dass Hannah vor einer halben Stunde versucht hatte mich zu erreichen. Unter der Dusche musste ich ihren Anruf verpasst haben. Erleichtert stellte ich fest, dass Fernanda ihn nicht entgegengenommen hatte. Was Hannah wohl wollte? Sie in Fernandas Gegenwart zurückzurufen schien mir unangebracht.


„Ich denke du solltest jetzt gehen.“
„Etwa ihretwegen?“ Sie sah mich ungläubig an. „Schläfst du mit … dieser Hannah?“, fragte sie leise und ich sah den verletzten Ausdruck in ihren Augen.
Scheiße, wurde das jetzt kompliziert.  „Zieh dich bitte an, ich … fahr dich nach hause.“
„Du fickst sie oder?“ harkte sie nach, kam auf mich zu und stand nun direkt vor mir. „David?“ Fernanda fuhr sich nervös durchs Haar und sah mich verunsichert, beinahe ängstlich an.
Verflucht! Ich hätte mich niemals auf sie einlassen sollen. Nur Sex, so lautete die Absprache. Wieso hatte ich nicht erkannt, dass sie mir, und wahrscheinlich auch sich selbst, etwas vorgemacht hatte? Nun stand sie vor mir, in Erwartung einer Antwort, die sie verletzen würde. Also griff ich aus Mitleid zur Lüge. „Ich schlafe nicht mit ihr und ich treffe auch keine anderen Frauen.“
„Und warum schickst du mich dann weg? Wieso lässt du mich nie bei dir übernachten, wenn ich die einzige bin?“ Ihre Unterlippe bebte und ich hoffte, dass sie nicht anfing zu weinen.
„Weil das mit uns nur Sex war. Frauen mit denen ich … rein körperlichen Umgang pflege lasse ich grundsätzlich nicht bei mir übernachten. Das … hat nichts mit dir zu tun“, schob ich schnell hinterher, als ich sah, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Um Fassung ringend, presste sie ihre Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. „V-vielleicht ist es besser, wenn wir uns eine Weile nicht sehen, David. Ruf mir bitte ein Taxi.“
Ich nickte zustimmend und war froh, dass sie mir keine Szene machte. Meinen Vorschlag, sie nach draußen zu begleiten, lehnte sie ab und verließ ohne sich zu verabschieden mein Apartment.

 
Sobald das Schloss in die Tür gefallen war, rief ich Hannah an. Mein Herz klopfte. Das mussten die Nachwirkungen der Auseinandersetzung mit Fernanda sein.
Hannah hob ab: „Hi David.“ Sie klang merkwürdig.
„Bist du das Hannah?“
„Willst du immer noch Sex mit mir?“, fragte sie geradeheraus.
Ich schluckte und war mir nun zu hundert Prozent sicher, dass ich Hannah am Apparat hatte. Keiner Frau war es bislang gelungen, mich sprachlos zu machen.
„Geht’s … dir gut?“ fragte ich leicht irritiert und spürte augenblicklich, wie mir das Blut in die Lenden Schoß. Scheiße, ich war immer noch heiß auf sie.
„Mir ging es noch nie besser“, prustete sie in den Hörer und kriegte sich nicht mehr ein.
Okay, irgendwas stimmte nicht und ich fing an mir Sorgen zu machen.
„Wo bist du, Hannah?“
„Zuhause. Und ich will, dass du kommst. In mir. Ich scheiß auf Regel Nummer zwei.“

***


Wortlos gewährte Hannah mir Einlasse. Ihr kurzer Morgenmantel, enthüllte halbgeöffnet ihre prallen festen Brüste. Es war schier unmöglich den Blick von ihrem Dekolletee zu nehmen. Zu vollkommen war der Anblick. Ohne Vorwarnung fiel sie mir um den Hals, presste ihren Mund auf meinen und teilte ihn mit ihrer Zunge. Es folgte ein wilder, ungestümer Kuss, der nach Wein und Verzweiflung schmeckte. Meine Erregung wuchs, ebenso wie die Sorge um die sonst so taffe Hannah. Ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig löste ich mich von ihren Lippen und sah in ihre aufgequollenen blauen Augen. „Was ist los, Hannah?“, fragte ich besorgt und strich zärtlich über ihre Wange.

 
Den Blick abwendend, ging sie zum Tresen. Ich folgte ihr und entdeckte eine leere Flasche Rotwein auf der Holzverkleidung. Daher rührte also ihr merkwürdiges Verhalten vorhin am Telefon. „Hast du die allein getrunken, Hannah?“
Sie nickte und ein trauriges Lächeln umspielte ihre wunderschönen Lippen.
„Willst du mir nicht erzählen, was los ist, Kleines?“ Es war mir egal, dass sie nicht so genannt werden wollte. Denn im Moment, schien mir kein Name passender. Sie wirkte so zerbrechlich, so nackt, so schutzbedürftig und ich wollte nichts lieber, als für sie da zu sein. Statt mir zu antworten, öffnete sie einen weiteren Rotwein und trank ihn aus der Flasche. Am liebsten hätte ich sie ihr weggenommen, doch schien mir dies nicht der richtige Zeitpunkt, für Belehrungen mit erhobenem Zeigefinger. Also nahm auch ich einen großen Schluck und nährte mich ihr vorsichtig. Sie kam mir entgegen und schmiegte sich wie ein Kätzchen, das gekrault werden wollte, an meine Brust. Ich öffnete meine Trainingsjacke für sie, und ließ sie meine Körperwärme spüren.
„Danke“, murmelte Hannah und ich merkte, wie leichte Beben ihren zierlichen Körper erschütterten. Es zerriss mir das Herz, sie weinen zu sehen. Ich verspürte große Lust die Person, die dafür verantwortlich war, windelweich zu prügeln.

„Wenn du reden willst, Kleines…“, bot ich an und küsste ihr wohlriechendes Haar.
Abrupt wand sie sich aus meinen Armen. Im ersten Moment befürchtete ich eine Standpauke, stattdessen sah sie mich aus feucht schimmernden Augen flehend an und sagte: „Ich möchte nicht reden, ich will einfach nur vergessen.“
Ohne meine Reaktion abzuwarten, enthüllte sie den Blick auf ihren traumhaften Körper. Den Bademantel ließ sie dabei achtlos zu Boden gleiten. Gott, wie schön sie war. Es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, nicht wie ein Raubtier über sie herzufallen und sie bei lebendigem Leib zu fressen. Ich war so hart, dass selbst die Trainingshose mich einengte. Was nun? Man musste kein Verhaltensforscher sein, um zu wissen, dass Alkohol und Verzweiflung Hannahs Handeln beeinflussten. Und ich wollte nicht, dass sie etwas tat, was sie morgen nüchtern wieder bereute. Sie sollte mich bewusst wahrnahmen, wenn ich mich tief in ihr vergrub.
„Hannah, bist du sicher, dass du …“
Mit ihrer Zunge fiel sie mir ins Wort. Fordernd küsste sie mich und streifte mir ungeduldig die Jacke von den Schultern. Ihre Hände glitten gierig unter mein Shirt, ertasten meinen Bauch und meine Brust. Gott, wie scharf sie mich machte. Beinahe grob, zerrte sie an meiner Hose, fuhr mit ihrer Handfläche meinen harten Schaft auf und ab und stöhnte mir dabei in dem Mund. Sie wollte es, weil sie es brauchte. Und ich hatte weder die Kraft, noch den Willen ihr nicht zu geben, wonach sie bettelte. 

 

Hannah

Seine Hände schienen überall gleichzeitig an meinem Körper zu sein. Und unsere Zungen fochten eine leidenschaftliche Schlacht, bei der es keinen Verlierer gab. Halb blind ertasteten wir mein Schlafzimmer. Am Bett angekommen, beförderte ich ihn mit einem Stubser auf die Matratze. Ich folgte ihm und setzte mich rittlings auf ihn. Deutlich spürte ich, wie sich sein heißer Schwanz gegen meine nasse Spalte drängte, rieb mich an ihm und verteilte meinen Saft auf seinem Schaft.
„Gott, Hannah …“, stöhnte David. Er richtete sich auf und versuchte mich unter sich zu bringen.
„Nicht“, gab ich ihm zu verstehen. Ich wollte das Tempo bestimmen. Ich wollte und brauchte das Gefühl der Kontrolle. Er grinste wissend und ergab sich widerstandlos.

 
Hastig riss ich die Schublade der Kommode rechts vom Bett auf und ertastete ein Kondom. „Hier, mach schnell“, befahl ich und gab es ihm. Meine Hände waren zu zittrig und meine Ungeduld zu groß. Gebannt sah ich ihm dabei zu, wie er fast konzentriert den Gummi über seine prächtige Erektion rollte. Endlich, dachte ich und sank auf seinen Schwanz. Mit den Händen auf seine Brust gestützt, ließ ich langsam mein Becken kreisen. Ich schaltete meinen Kopf aus und fing an mich schneller und schneller zu bewegen. David umfasste meine Taille und kam mir entgegen. Gemeinsam fanden wir den Takt, der uns beide aufstöhnen ließ und mich höher und höher trieb. Einen Wimpernschlag später erfasste mich bereits die erste Welle. Ich nahm sie und ritt wie besessen dem Orgasmus entgegen, warf den Kopf hin und her und vergaß alles um mich herum.
„Verflucht! Kleines, wenn du so weiter machst, hast du nicht lange was davon“, keuchte David und ich spürte, wie er in mir anschwoll und seine Eichel diesen geheimen Punkt, den nur er kannte, massierte.

 
Ich krallte mich in seine muskulöse Brust und drückte den Rücken durch. Hitze durchströmte meinen Körper, gefolgt von einem kalten Schauer. Davids Hände fanden meine geschwollenen Brüste. Mit seinen Fingern zwirbelte und zog er an meinen Knospen, bis sie so hart waren, dass sie spannten. Mein Körper fing an zu kribbeln und in mir krampfte sich alles zusammen. „Gott!“, stöhnte ich und biss mir auf die Unterlippe, weil es fast schon zu viel war. Aus Angst vor der nächsten Welle, die sich bedrohlich, wie eine endlos hohe Wand, in mir aufbaute verlangsamte ich das Tempo. Doch das half nicht, weil David meine Hüften packte, sie gegen seine presste und von unten unerbittlich in mich pumpte. Nach Halt suchend, griff ich um mich, fand nichts und sank zuckend und schluchzend vorn über, auf Davids Brust. Die Muskeln meines Unterleibs kontrahierten unkontrolliert und in immer kürzeren Abständen.
„Sieh mich an, Kleines“, keuchte David. Er richtete sich auf, umschlag meine Taille und presste seine schweißfeuchte Stirn gegen meine. Mit einem Arm nach hinten gestützt hob er sein Becken an und vergrub sich nun noch tiefer in mir. So, als wolle er mein Innerstes erobern oder gar besitzen.

 
Mir wurde schwindelig vor Lust und Erregung. Meine Lider flatterten.
„Ich muss dich dabei ansehen“, stöhnte er heiser in meinen Mund. Ich schlug die Augen auf. Seine Pupillen waren geweitet und sein Mund geöffnet. Himmel, sowas Wildes und Hungriges hatte ich noch nie gesehen. Immer wieder stieß er in mich und ich spürte, wie sich ein gewaltiges Beben in mir aufbaute und jene Wand zum Einsturz brachte. Unaufhaltsam brach die Welle über mir zusammen und riss mich fort. Meine Zehen rollten sich ein. Ich kam heftig und laut. Viel zu laut, aber es war mir egal. Ich wollte nur noch fühlen und sah in Davids Augen, die nun den Fokus verloren. „Gott, Hannah … Verdammt … ich … Fuck!“, fluchte er als er zuckend und pulsierend in mir kam.

 
Kraftlos lag ich in Davids Arm, der mir sanft über den Rücken strich. Ich spürte immer noch sowas wie Nachbeben in meinem Unterleib. Unglaublich! Davids schneller Herzschlag an meinem Ohr verriet, dass auch er sich noch nicht von … was auch immer das vorhin war, erholt hatte. Ich genoss die Stille, die uns Umgab und die Leere in meinem Kopf.
„Wie fühlst du dich, Kleines?“ Davids Stimme klang leicht angerostet.
„Shht! Ruinier’s nicht“, flüsterte ich. Er begriff und drückte mich fester an sich. Für meinen Geschmack etwas zu fest.
„David?“, brach ich nach einer Weile die Stille zwischen uns.
„Hmhhmm …“
„Machst du bitte das Licht aus?“
„Nicht, wenn ich dazu aufstehen muss, Kleines“, sagte er seelenruhig und ich spürte ihn an meinem Haar grinsen.
„Ich kann so aber nicht einschlafen“, jammerte ich.
„Vielleicht will ich auch gar nicht, dass du schläfst“, raunte er, was  ein Ziehen in meinem Unterleib zur Folge hatte. War das zu fassen? Dabei hatte ich erst vor wenigen Minuten einen Orgasmus gehabt, der ausreichte, um ein Kloster voller Nonnen zu befriedigen. Wahrscheinlich hätte ich ihn nur umgarnen und ihm sagen müssen, dass er der beste Liebhaber auf Erden war, um ihn dazu zu bewegen, das Licht auszumachen. Aber das sah ich nicht ein. Schnaubend wand ich mich aus seiner Umklammerung und hoffte, dass meine Beine, die sich anfühlten wie Gummi, mich trugen.
„Lass dir Zeit, Kleines“, sagte David schmunzelnd und ließ seinen Blick unverhohlen über meinen entblößten Körper schweifen.
„Nenn mich nicht Kleines“, schimpfte ich und knipste das Licht aus. Ich hätte schwören können, dass ich ihn grinsen hörte.

***


Skeptisch nahm ich die Tasse Kaffee an, die David mir reichte.
„Guten Morgen, K…“ Ich sah ihn warnend an.
„… Schönheit“, beeilte er sich zu sagen und schmunzelte amüsiert. Ich roch an dem heißen Dampf, der empor Stieg, bevor ich einen Babyschluck nahm und feststellte, dass der Kaffee vollkommen normal schmeckte. „Seit wann kennst du dich mit Kaffeevollautoamten aus?“, fragte ich und stellte die Tasse auf der Kommode ab, um mir die müden Augen zu reiben.
„Deine neue Aushilfe, Mia, hat mir geholfen.“


Scheiße! Mia!
Ich hatte vollkommen vergessen, dass sie heute ihren ersten offiziellen Tag hatte. Schnell sprang ich aus dem Bett. „Ist es denn schon neun?“ Wie ein Eichhörnchen auf Speed flitzte ich ins Bad und unterzog mich einer Katzenwäsche, was ich angesichts der … körperlichen Aktivitäten etwas ekelig fand.
„Fie if fie überhaupt hier reingekommen?“, fragte ich zurück im Schlafzimmer mit der Zahnbürste im Mund.
„Sie hat mir erzählt, dass sie heute um neun bei dir anfängt. Da du geschlafen hast, hab ich ihr die Tür geöffnet“
„Waaf! Fie hat dich gefehen?“, stieß ich entsetzt aus und verschluckte mich fast an der Zahnpaste.
„Ich hoffe doch, dass sie mich gesehen hat, Hannah. Andernfalls, wäre meine kleine Schwester blind oder ich ein Geist.“
Genervt ging ich zurück ins Bad, spuckte den Schaum aus und spülte meinen Mund aus. Wieder im Schlafzimmer, zog ich mich unter Davids lüsternem Blick an. „Ich hoffe du hast dir vorher was übergezogen und deine  Haare gerichtet.“ Das fehlte mir gerade noch, dass Mia wusste, dass ich ihren Bruder vögelte.
„Was stimmt nicht mit meinem Haar, Hannah?“, fragte David und sah mir dabei zu, wie ich den sauberen Wäscheberg vor meinem Bett nach frischen Socken durchwühlte.
„Du hast ihr also mit Ich-hatte-Sex-Haaren die Tür geöffnet? Na toll!“, motzte ich und sah ihn vorwurfsvoll an.
„Meine Schwester interessiert es nicht, mit wem ich mich vergnüge, glaub mir, Hannah.“


Er hatte gut Reden. Schließlich musste nicht er, sondern ich mit ihr arbeiten, weil ich mich von ihrem Audrey-Hepburn-Augenaufschlag hatte einlullen lassen.
„Ich muss jetzt los, Hannah.“ David stand da, als wartete er auf den Bus und ich fragte mich weshalb er nicht einfach ging.
„Du erwartest jetzt keinen Abschiedskuss oder?“, scherzte ich.
„Wir müssen reden“, hörte ich ihn sagen.
Reden? Worüber? Ich verspürte den Drang einfach den Raum zu wechseln, weil mir die Richtung, die er einschlug missfiel. Als hätte er meinen Fluchtgedanken belauscht, schob er sich zwischen mich und den Wäscheberg und nahm meine Hände. Ich wollte sie ihm entziehen, aber er ließ mich nicht.
„Äh … David, ich glaub du missverstehst da was. Ich … “
„Ich weiß … Du brauchtest gestern Ablenkung und hast mich, nachdem du mich eine Woche lang ignoriert hast, hier her zitiert. Du hast bewusst meine Schwäche für dich ausgenutzt und mich benutzt, Hannah.“
Ich schluckte und verbarg meine Verlegenheit hinter einem lauten Lachen. Ganz Unrecht hatte er nicht, dennoch verstand ich nicht, was er jetzt von mir erwartete. War er etwa beleidigt und verlangte eine Entschuldigung?
„Ich finde es nur fair … “, fuhr er mit ernster Miene fort, „… wenn du dir zumindest anhörst, was ich dir zu sagen habe, Hannah. Ich hol dich heute um halb zehn ab. Zieh dir etwas Hübsches an. Ich führe dich zum Essen aus.“
Ich sah ihn an, als zierten zwei Nasen sein Gesicht.
„Übrigens bist du wunderschön, wenn du kommst, Hannah“, raunte er in mein Ohr und ließ mich verwirrt zurück.

Kapitel 11


David

„Du bist spät dran“, bemerkte Oli und bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick.
„Hatte was Wichtiges zu erledigen“, antwortete ich knapp, obwohl ich ihm keinerlei Rechenschaft schuldete. In der Hoffnung, dass meine Verspätung damit vom Tisch war, ließ ich ihn im Gang stehen und betrat mein Büro.
„Blond, gut gebaut und Beine bis zum Himmel?“ Oli war mir gefolgt und stand schmunzelnd in der Tür.
Ich hüllte mich in Schweigen, woraufhin mein Geschäftspartner mein Büro mit einem wissenden Grinsen verließ.

 
Äußerlich hatte er Hannah so beschrieben, wie es wohl jeder Mann täte, der ihr zum ersten Mal begegnete. Ich hingegen, hatte sie gestern auf eine Art gesehen und erlebt, die den meisten Männern verborgen blieb. Zumindest hoffte ich das. Der Gedanke daran, dass andere Kerle sie so sahen, missfiel mir. Niemand außer mir sollte zu Gesicht bekommen, was sich hinter ihrem feuerfesten Teflonpanzer verbarg. Diese Verletzlichkeit und Leidenschaft, diese Gier, dieses zügellose Verlangen nach Zärtlichkeit … nach Sex. All das wollte ich ihr geben, so lange bis sie um Gnade flehte. Der Gedanke an ihre Lustschreie, ihr umherwirbelndes, langes Haar und diesen hilflosen Ausdruck in ihren Augen, wenn sie kam und alles um sich herum vergaß, trieb mich in den Wahnsinn. Ich wollte und brauchte mehr davon. Was auch immer sie dazu gebracht hatte, ihren Schutz abzulegen und sich zu öffnen, sollte von nun an der Vergangenheit angehören. Nach dem heutigen Abend, würde sie diesen Panzer in meiner Gegenwart freiwillig abstreifen und mich als einzigen ihre Lust befriedigen lassen.

Damit es dazu kam, musste Hannah meiner Einladung folgen. Und wie alles, was diese Frau betraf, war ich mir nicht sicher. Von Hannahs Stimmungsschwankungen bekam selbst ich ein Schleudertrauma. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als zu hoffen und mich überraschen zu lassen.
Ich hasste Überraschungen für die ich nicht selbst verantwortlich war. Noch mehr jedoch, widerstrebte es meiner Natur zu warten, noch dazu auf eine Frau. „Was machst du bloß mit mir, Kleines?“, seufzte ich und warf einen ungeduldigen Blick auf meine Armbanduhr.

 



Hannah

Schnaubend band ich mir die Haare zu einem unordentlichen Knoten zusammen und ging die Treppe zum Stübchen hinunter. Mia erwartete mich bereits, weil ich verpennt hatte. Und wieso hatte ich verpennt? Weil ich blöde Kuh wider meiner Regel, eine weitere Nacht mit David Bender verbracht hatte, was – ich biss mir vor Verärgerung in die Faust- unverzeihlich … und vermutlich der beste Sex war, den ich je hatte. „Nicht ablenken, Hannah“, ermahnte ich mich flüsternd und erwiederte Mias herzliches Lächeln.

Überrascht stellte ich fest, dass bereits zwei Gäste da waren, um die sie sich schon gekümmert hatte. Nicht schlecht, dachte ich. Je nach dem, wie sie sich machte, könnte ich mich schon bald verstärkt meinen Gemälden widmen, während Mia an drei Tagen in der Woche meinen Laden schmiss. Der Plan war die Malerei als zusätzliche Einnahmequelle zu etablieren, indem ich meine Bilder zum Verkauf in meinem Café ausstellte. Der Gedanke daran versetzte mich in Unbehagen, weil bislang niemand meine Werke zu Gesicht bekommen hatte. Ich wusste nicht mal, ob sie etwas taugten. Wenn ich nicht länger als nötig in Davids Schuld stehen wollte, blieb mir leider nichts anderes übrig, als es auf einen Versuch ankommen zulassen.

Zufrieden beobachtete ich Mias Umgang mit den Gästen. Sie war freundlich ohne zu schleimen, aufmerksam ohne aufdringlich zu sein und damit die perfekte Servicekraft für mein Café. Gut gemacht, lobte ich mich.
„Tisch vier hätte gerne Frühstück Nummer zwei und drei“, sagte sie schüchtern ohne mir dabei in die Augen zu sehen.
Wich sie mir aus oder bildete ich mir das nur ein? Ob sie ahnte, was ich gestern mit ihrem Bruder getrieben hatte? Unauffällig drehte ich den Kopf Richtung Schulter, um an mir zu schnuppern. Ich wurde das Gefühl nicht los, nach Sex und David zu riechen. Dieser Mann schien mich zu verfolgen. Und jetzt wurde ich die Geister, die ich rief nicht mehr los.

In der Küche stellte ich den Ofen an und fragte mich, worüber David mit mir reden wollte. Und wieso war dafür ein Abendessen zu so später Stunde, noch dazu in ‚hübscher‘ Garderobe von Nöten? Konnte er nicht einfach in alter Manier zur Mittagszeit hier aufschlagen, mir bei einem Espresso oder Kaffee sein Anliegen vortragen und wieder verschwinden? Sonst nahm er schließlich auch kein Blatt vor den Mund. Leicht verärgert schlug ich zwei Eier in die Pfanne und sah ihnen beim Brutzeln zu. Ich hätte statt ihn anzurufen eine zweite Flasche Wein leeren sollen. Die hätte mich, wenn auch auf ungesündere und unglimpflichere Art, ebenso von … Stefan und Nadine abgelenkt. Der Gedanke an die beiden trieb die Klinge, die ich mühsam bis zu Hälfte herausgezogen hatte, wieder tiefer in meine klaffende Wunde hinein.  Hastig schob ich ihn beiseite, ignorierte den stechenden Schmerz und richtete die Frühstücksteller für Tisch vier an.

***

„Ich hatte Sex“, flüsterte Vivien mir über den Tresen gebeugt zu und strahlte als hätte sie die Sonne verschluckt. Ohne, dass ich sie um weitere Informationen bat, erzählte sie von ihrem Date mit Oliver und ging dabei auf jedes versaute Detail ein. „Es stimmt, was sie über schwarze Männer sagen“, kicherte sie wie eine Vierzehnjährige, die zum ersten Mal den Aufklärungspart der Bravo las. „Er ist riesig“. Sie machte eine ausladende Handbewegung und rutschte auffällig mit hoch rotem Kopf auf dem Hocker herum. Schnell weg, dachte ich, bevor sie aussprach, was auch immer sie mit dieser Geste andeuten wollte.

Obwohl Mia meine Hilfe nicht benötigte, räumte ich schmutzige Teller ab und nahm Bestellungen auf.
„Wie ich sehe, hast du eine neue Aushilfe. Süß die Kleine,“ sagte Vivien und sah Mia hinterher.
Blitzmerker, dachte ich und schüttelte verständnislos den Kopf. Vivien blickte mich über den Rand ihrer Tasse fragend an.
„Den da, „ich deutete auf den Cappuchino, der soeben ihre Lippen benetzte, „hat dir meine neue Aushilfe, Mia, vor fünfzehn Minuten gebracht. Wie mir scheint hat der Typ dir nicht nur das Hirn, sondern auch die Augen heraus gevögelt.“
„Gut möglich“, gluckste sie und wurde erneut rot.
Ich wollte gar nicht wissen, woran sie nun wieder dachte, weshalb ich froh über die nächste Essensbestellung, in die Küche verschwand.

 
„Und? Wie macht sich meine kleine Schwester?“
David! Ich stieß einen leidgeprüften, extra lauten Seufzer aus und widerstand dem Drang mich um zu drehen. „Was machst du hier?“, fragte ich gereizt und wusste nicht, worüber ich mich zuerst ärgern sollte.  Darüber, dass er so selbverständlich in meiner Küche stand oder, dass der sexy Bariton seiner Stimme meine Libido dazu brachte, mit leuchtenden Fahnen „hier“, zu grölen.
„Dich an unser Date erinnern, Hannah“, flüsterte er mir von hinten ins Ohr und ich spürte, wie eine Gänsehaut meinen Nacken hoch kroch.
„Mann, David!“, fauchte ich und fuhr herum. Das hätte ich lieber lassen sollen. Himmel! Er sah aus, wie ein Model, auf dem Weg zum Fotoshooting für maßgeschneiderte Anzüge von Armani. „Du … du.“ Scheiße, was wollte ich nochmal sagen?
„Ja? …“ fragte David mit hochgezogenen Augenbrauen und grinste wissend.
„Du hältst mich von der Arbeit ab“, machte ich meinem peinlichen Gestammel ein Ende und wand mich wieder dem Herd zu. „Außerdem kann ich mich nicht erinnern, zugesagt zu haben.“
„Abgesagt hast du aber auch nicht, wozu es im Übrigen keinen Grund gibt. Es handelt sich um ein harmloses Abendessen, Hannah.“
„Und weshalb soll ich mich dann schick machen?“ Ich nahm die Pfanne mit dem Saltimbocca vom Herd und rührte gleichzeitig in dem Erbsenpüree.
„Weil du dich in dem Etablissement in Jeans und Pullover unter Umständen unwohl fühlen könntest.“
„Ach ja? In welchem Etablissement gedenkst du denn zu dinieren?“, fragte ich schmunzelnd und hoffte, dass er den Spott in meiner Stimme hörte.
Er lachte leise auf. „Die Küche ist ausgezeichnet. Und ich bin mir sicher, dass du heute Abend auf deine Kosten kommen wirst, Hannah“.
Jetzt genügte schon diese verheißungsvolle Doppeldeutigkeit, um die Muskeln meines Unterleibs in Schwingungen zu versetzen. Was war bloß los mit mir? Hatte David mir gestern heimlich einen Mikrochip eingepflanzt, der auf ihn programmiert war? Reagierte ich deshalb so heftig auf seine Nähe und sogar Stimme? „Reichst du mir bitte zwei große Teller von dem Stapel da vorn?“ Wenn er hier schon rumstand und meinen Hormonhaushalt durcheinander brachte, konnte er sich wenigstens nützlich machen. „Was gibt es denn so Wichtiges zu bereden?“, fragte ich unbeteiligt und richtete dabei die Teller an.
„Das erfährst du heute Abend. Ich freu mich auf dich, Hannah.“
Blitzschnell tauchte er mit seinem Finger in das Erbsenpüree, kostete von ihm und verließ mit einem Augenzwinkern meine Küche.

 
Verärgert versiegelte ich das Loch, welches Davids Raubzug auf dem Püree hinterlassen hatte. „Idiot“, schimpfte ich vor mich hin und hatte gar nicht bemerkt, dass Mia hinter mir stand.
„Sprichst du von meinem Bruder?“
Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte einen Hauch Vorwurf in ihrer Stimme vernommen zu haben.
„Hier, das Essen für Tisch …“
„… Eins“, half sie mir auf die Sprünge und nahm die Teller von der Anrichte.
In der Tür blieb sie stehen. „Hannah, …  mein Bruder ist gar nicht so übel, … wenn man ihn erstmal besser kennt.“
„Du musst es ja wissen“, gab ich zurück und fand ihren Einsatz für David irgendwie rührend.
„Wirst du hingehen?“
„Wohin?“ stellte ich mich dumm und ärgerte mich darüber, dass David Mia offenbar eingeweiht hatte.
„Zu eurem Rendezvous?“
Ja, sie sagte nicht Date oder Treffen, sondern Rendezvous. Ich verkniff mir ein Schmunzeln und antwortete schulterzuckend, dass ich noch unschlüssig sei. Das konnte sie ihm gerne so ausrichten, wenn die beiden mich schon zum Gesprächsthema machten. Er brauchte nicht zu wissen, dass allein die Neugierde auf dieses Etablissement mir keine Wahl ließ, als seiner Einladung zu folgen. Sollte er mit irgendwelchem Gefühlsquatsch anfangen, würde ich mein Essen einpacken lassen und mir ein Taxi rufen. Guter Plan, dachte ich und hätte mich am liebsten selbst abgeklatscht.

„Wer war das? Was wollte er? Und was läuft da zwischen Mister Universum und dir?“ Vivien sah mich an, als wartete sie darauf, dass ich ihr die kommenden Lottozahlen verriet.
Ich verdrehte genervt die Augen und stieß schnaufend den Atem aus.
„Okay“, lenkte sie ein, „vergiss Frage eins und zwei und beantworte mir einfach Nummer drei.“
„Da läuft nichts“, kam ich in drei Worten ihrer Bitte nach.
„Ach komm, sag schon. Ich hab dir schließlich auch von Oliver und mir erzählt.“
„Worum ich dich nicht gebeten hab“, fuhr ich sie an. „Nicht jeder hat solch ein Mitteilungsbedürfnis wie du.“
Das neugierige Funkeln in Viviens Augen erlosch. Hastig strich sie sich eine nicht vorhandene Strähne aus ihrem rot angelaufenen Gesicht und sah mich verwundert an. Jetzt merkte auch ich, dass ich mich im Ton vergriffen hatte. Es wunderte mich nicht, dass Vivien nur wenige Minuten später nicht mich, sondern Mia um die Rechnung bat. Ohne sich zu verbschieden ließ sie mich und mein schlechtes Gewissens zurück.

***

Überpünktlich, um viertel nach neun, saß ich fertig angezogen auf meinem Sofa und langweilte mich. So schnell konnte es gehen, wenn man nur ein Abendkleid besaß. Das kleine schwarze Multitalent war schlicht, elegant und sexy. Was der hohe Ausschnitt, verbarg wogen meine Beine wieder auf. Da ich davon ausging, dass wir mit dem Auto fuhren, ließ ich die Strumpfhose weg. Mein glatt geföhntes Haar schmiegte sich sanft an die Wölbung meiner Brüste, die durch den enganliegenden Stoff auch ohne Ausschnitt zur Geltung kamen. Ja, so würde ich David, das Wasser reichen können, dachte ich und schlüpfte selbstbewusst in meine schwarzen High Heels. Fünfzehn Minuten später öffnete ich meinem Rendezvous eingehüllt in einen  beigen Wollmantel die Tür. Nur mit Mühe widerstand ich dem Verlangen meinen Hunger zu stillen, noch bevor wir im Restaurant angekommen waren. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ein schwarzes Lederhemd (ja, sowas gab‘s) zu einer schlichten dunkelblauen Jeans so gut aussehen konnte, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Ich biss mir auf die Zunge, um sie am Schnalzen zu hindern und erwiderte sein verführerisches Lächeln.

Leicht verdutzt blieb ich vor der schwarzen Limousine stehen, die zwei Straßen weiter neben einem Taxistand parkte. Dekadenter ging es wohl nicht. Ich ergriff Davids Hand und plumpste wie ein Sack voll nasser Wäsche, in den Sitz. Sehr elegant. Damit war der Plan ,so zu tun, als führe ich nicht zum ersten Mal in so einem Bonzenschlitten, dahin. Kaum war David eingestiegen, setze sich das Gefährt in Bewegung. Mühelos fädelte der Fahrer es in den Verkehr, als lenke er einen Twingo. Beindruckend. Ebenso wie Innenausstattung dieses Wagens. Ich kam nicht dazu mir diese Nobelbar auf vier Rädern genauer anzusehen, weil David näher rückte und mich mit seinem Blick gefangen hielt. Anders also sonst, fixierte er ausschließlich mein Gesicht und meine Augen, was vermutlich daran lag, dass sich der Rest von mir unter einem Mantel verbarg. Tapfer hielt ich seinem Blick stand und stellte einmal mehr fest, wie schön er nicht nur Kopf abwärts war.

„Wie geht’s dir, Hannah?“, wollte er wissen.
Eine Frage, so herrlich normal, dass sie mich, aus seinem Mund kommend, im ersten Moment überrumpelte.
„Wie … meinst du das?“, antwortete ich leicht dümmlich. Entgegen meiner Erwartung folgte weder ein Lachen noch ein amüsiertes Grinsen. Stattdessen, verringerte er erneut den Abstand zwischen uns und sah mich ernst an.
„So, wie ich es sagte, Hannah.“
„Gut … Mir geht’s gut“, antwortete ich und starrte ihm auf den Mund, der sich zu einem schiefen Lächeln verzog, auf das ich am liebsten meine Lippen pressen wollte. Okay! Jetzt war ich mir hundertprozentig sicher. Es musste dieser verfluchte Mikrochip sein.
„Bekommt man an dieser Bar auch was zu trinken?“, versuchte ich die Spannung, die uns umgab zu entladen. „Selbstverständlich. Ich war abgelenkt. Verzeih, Hannah.“
Er setze sich auf die gegenüberliegende Seite der Sitzbank deren Maße eher einer großen Komfortliege glichen. Aus der Vitrine, die warmes indirektes Licht spendete holte er zwei Gläser und … einen Whiskey hervor. Wortlos, sein Schmunzeln sprach Bände, kehrte er zu mir zurück, platzierte die Gläser auf dem kleinen schwarzen Hochglanzholztisch neben sich und schenkte uns ein.
„Auf dich, Hannah“, sagte er und sah mir tief in die Augen.
Ich erwiderte seinen Blick, nippte aber nur kurz an dem Glas, weil es sich nicht richtig anfühlte, mehrere tausend Euro in mich hinein zu kippen. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sich etwas erhoffte, das ich ihm nicht geben konnte und wollte.

„Wovon versuchst du mich zu überzeugen?“, fragte ich ohne Umschweife und gab ihm mein volles Glas zurück.
David, ganz der Alte, überging meine Frage mit den Worten: „Schmeckt er dir nicht, Hannah?“
Ich wartete, bis er mein Getränk abgestellt hatte und sich mir mit sorgenvoller Miene zu wand.
„Das hier“, ich machte eine ausladende Handbewegung, „ist ganz nett und dein schniekes Etablissement, in das du mich entführen willst, hat kulinarisch sicher einiges zu bieten. Aber ich leg keinen Wert auf solchen … Luxus. Sag mir einfach was du willst. Das erspart uns beiden Zeit und schont dein Portemonnaie.“
David sah mir entschlossen in die Augen. „Ich will das hier, Hannah.“ Er strich mir eine Strähne hinters Ohr, was mir gar nicht gefiel.
Ich ahnte was als nächstes kam und zog mich zurück.
„Hey, du Schisshase …“, er lachte,  „bleib hier und hör dir an, was ich zu sagen habe.“
„Ich bin kein Schisshase“, grummelte ich und ließ zu, dass er näher kam.
Davids Mundwinkel zuckten amüsiert, bevor er mit ernster Miene fort fuhr: „Mit das hier, meine ich, nicht zu wissen, was als nächstes passiert, wenn ich mit dir in einem Raum bin oder du den Mund aufmachst. Wenn ich eines hasse, dann ist es Kontrollverlust. Und so fühle ich mich, wenn du in meiner Nähe bist, Hannah.“
„David …“, versuchte ich ihm ins Wort zufallen doch er sprach einfach weiter.
„Zu meinem Job gehört es, heute zu wissen, was der Kunde in einem Jahr kaufen will, Hannah. Mich umgeben täglich so viele Menschen, auch Frauen, die mir nach dem Mund reden und so durchschaubar sind, dass ich kotzen könnte. Aber du bist anders, so erfrischend. Du treibst mich in den Wahnsinn, weil du ja sagst, obwohl du nein meinst und umgekehrt. Und jeder Versuch eine Gesetzmäßigkeit dahinter auszumachen ist zum Scheitern verurteilt. Bevor du gleich aus dem fahrenden Auto hechtest … Nein, ich bin nicht auf der Suche nach einer festen Partnerin.“
Trotzt meiner Bemühungen konnte ich nicht verhindern, dass alle Anspannung geräuschvoll aus meinen Lungen wich, was David zum Schmunzeln brachte.
„Und jetzt zu deiner Frage: Ich will Kontrollverlust, Hannah. Zwei bis drei Mal die Woche will ich, dass wir uns sehen, bei dir oder mir und alles um uns herum vergessen, Hannah.“
„Du … willst also eine Affäre“, fasste ich seinen endlos langen Monolog zusammen und spürte wie allein der Gedanke an regelmäßigen Sex mit ihm mich nass werden ließ.

 

 

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Tag der Veröffentlichung: 30.10.2013

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