Umschulung - Meteorologe
Feitag Nachmittag. Völlig erschöpft beginne ich das Wochenende. Da fasse ich einen Entschluss. Ich schule um. Zum Meteorologen.
Meteorologen haben es gut. Ich habe dazu mal in Statistiken geforscht: Es ist kein Fall bekannt, dass ein Meteorologe während der Arbeitszeit an Stress verstarb. Die Berufsgenossenschaft der Meteorologen und Klimaforscher vermerkt nur einen tragischen Arbeitsunfall. Einen Toten durch Erfrieren. Dabei handelte es sich um den Teilnehmer einer Polarexpedition. Der ging kurz vor die Tür und hatte den Schlüssel vergessen. Was mir auch ab und an passiert. Aber niemals am Nordpol. Ich fange schon an zu frieren, wenn die Nase zu weit unter der Bettdecke vorschaut. Zur Sicherheit habe ich mich erkundigt: Die Teilnahme an gefährlichen Expeditionen ist freiwillig und man kann nicht dazu gezwungen werden.
Im letzten Jahrhundert gab es einige Unfälle durch Blitzschlag, durch Hagelschlag und durch umstürzende Messstationen bei starkem Sturm. Doch die Arbeitsbedingungen wurden seitdem extrem verbessert. Blitze werden den Meteorologen nun an großen Monitoren angezeigt. Früher mussten sie bei Wind und Wetter zu ihren Messstationen, um die Werte fein säuberlich in ihre Diagramme zu übertragen. Dann noch das Wasser aus den Messkolben ausschütten, die Minimal- und Maximalwerte der Thermometer zurückstellen und solches Zeug. Heute geht alles automatisch und voll elektronisch. Die Meteorologen werfen kurz einen Blick auf ihre Kurven, und wenn da nicht steht, dass zum Beispiel im Raum Berlin schon wieder 35°C sind, wird schon alles stimmen. Falls nicht, rufen sie die Hotline der für die Wartung der Messstationen verantwortlichen Firma an oder ermahnen Meteosat, die Peilung der Satelliten zu korrigieren. Dann wählen sie im Computer eines der drei Programme für die Wettervorhersage: Wetter bleibt in etwa so wie es ist, was statistisch gesehen zu 50 Prozent mit nur wenigen Abweichungen zutrifft, es wird noch regenreicher oder es bessert sich. Sie staunen selbst über die tollen Wolkenzüge, die dadurch auf ihren Bildschirmen erscheinen und widmen sich wieder ganz ihrer eigentlichen Aufgabe.
Sie müssen jeden Tag durch die verschiedensten Wettspiele festlegen, wer von ihnen das Resultat der Arbeit des Computers dem gespannten Publikum verkündet. Dabei stehen sie wirklich im Rampenlicht der Öffentlichkeit, im Fernsehen zur besten Sendezeit, oder zu jeder halben Stunde im Radio. Weshalb dieser Teil der Arbeit, der im internen Jargon „Mach mir den Frosch“ heißt, besonders bei schlechtem Wetter nicht besonders beliebt ist.
Ansonsten leben Meteorologen ziemlich ruhig und sind total abgeklärt. Sie können eigentlich machen, was sie wollen. Es bleibt absolut straffrei. Zum Beispiel unser Wetter in diesem Jahr im Mai. Ich trage in der Wohnung als Hausschuhe, Latschen der Marke Bugatti. Klingt das nicht toll? Erinnert nicht schon der Name an Mittelmeer, offene Cabriolets, Straßencafes, Swimmingpool? Doch nichts ist. Von Dezember bis Mitte Juni zog ich die dicken Socken nicht aus. Ich rechnete schon damit, mir neue kaufen zu müssen, so dünn und durchgescheuert waren die bereits. Und kurz darauf, im Juli diese Hitzeperiode. Da fragte man sich, wozu es überhaupt Kleidung gibt. Mal abgesehen von Badehosen und so.
Und die Meteorologen? Was tun die? Sitzen den ganzen Tag im voll klimatisiertem Raum zusammen, telefonieren mit ihren Kollegen in der Karibik, auf den Seychellen oder von der Station Sandnes in Norwegen und quatschen übers Wetter. Was für ein Job.
Texte: Grafik: Deutscher Wetterdienst
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2010
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