Cover

Widmung

 

Mein lieber Tschips,

 

dir widme ich dieses Buch, denn ohne dich hätte ich niemals entdeckt, wie wundervoll es ist mit einem Vogel zusammenzuleben und wie viel Spaß man mit einem Vogel haben kann.

Mein lieber Piepser, du warst zwar leider nur kurze Zeit bei mir, aber ich bereue keine Sekunde mit dir.

Ich hatte und habe dich unglaublich lieb und werde dich niemals vergessen.

 

In meinem Herzen lebt ihr alle weiter, meine kleinen Piepser und ich werde euch und die schöne Zeit, die ich mit euch verbringen durfte, niemals vergessen.

Ich bin mir sicher, wenn ich eines Tages über die Regenbogenbrücke gehen werde, weil auch mein Leben irgendwann einmal endet, werdet ihr am Ende schon auf mich warten.

Vorwort

Tiere gehören seit meiner Kindheit zu meinem Leben dazu und auch heute kann ich mir ein Leben ohne Tiere einfach nicht vorstellen.

Zu Vögeln hatte ich jedoch nie einen besonderen Draht.

Ich erinnere mich, dass eine Freundin aus Kindertagen einen Kanarienvogel hatte, aber mein besonderes Interesse galt ihm nie.

Das alles änderte sich im Jahr 2014, als zuerst zwei kleine Spatzen und danach zwei Rotschwänzchen meine Hilfe brauchten. Sie haben mir gezeigt wie wundervoll Vögel sein können, wenn man sich erstmal näher mit ihnen beschäftigt.

Von der Zeit mit meinen kleinen Schützlingen möchte ich in diesem Buch erzählen. Es war eine schöne Zeit, jedoch auch voller Aufregung, unendlich vielen Sorgen und großer Trauer, aber eine Zeit, die unvergessen bleibt.

Meine ersten beiden Findelkinder

 Am 14.06.2014 kam morgens in aller Frühe die Müllabfuhr. Es war ein herrlicher Tag, die Sonne schien und lud geradezu dazu ein, etwas zu unternehmen. Das taten meine Mama und meine Schwester auch und meine Mama stellte zuvor die geleerte Abfalltonne unter einen Baum in unserer Hofeinfahrt. Den Deckel ließ sie offen, da sie sie später noch ausspülen wollte.

Als sie einige Stunden später zurückkehrte, lag ein Vogelnest in der Tonne, das mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Baum darüber hinuntergefallen war.

Meine Mama angelte das Nest aus der Tonne heraus, zwei der Vögelchen lebten noch, ein drittes hatte den Absturz leider nicht überlebt und sein winziger Bauch war durch den Sturz blau verfärbt. Der Anblick tat mir in der Seele weh und ich hätte alles dafür getan den Kleinen wieder lebendig machen zu können. Wir haben ihn später, nachdem seine Geschwister versorgt waren, im Garten unter dem Apfelbaum beerdigt.

Die beiden lebenden Vögel waren sehr schwach und vermutlich völlig ausgetrocknet. Wir wussten ja nicht wie lange sie in der Mülltonne ausgeharrt hatten und es war ein sehr heißer Tag. Die Vogelmutter hatte ganz offensichtlich sogar regelmäßig nach ihren Kindern geschaut, denn rund um die Tonne war Vogelkot auf dem Boden.

Wir versorgten die beiden Kleinen als erstes mit Wasser, das sie gierig von unseren Fingern leckten. Danach machten wir uns auf den Weg zu einem Tierarzt. Die Hoffnung dort jemanden anzutreffen war sehr gering, denn es war Samstag und die Tierarztpraxen geschlossen, doch in unserer Verzweiflung versuchten wir es trotzdem. Wir waren zum ersten Mal mit einer solchen Situation konfrontiert und wussten nicht was zu tun war.

Nachdem wir in der Tierarztpraxis niemanden angetroffen hatten, wählte meine Schwester die Nummer des Tierärztlichen Notdienstes. Dort teilte uns der Tierarzt persönlich mit, dass er für solche Fälle nicht zuständig sei und er schlug uns vor die Vögel wieder ins Nest zu setzen und das Nest einfach dorthin zurückzubringen, wo es hergekommen war. Er meinte, die Vogelmutter würde ihre Jungen wieder annehmen. Ich konnte mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen, denn es hieß doch immer, sobald man als Mensch ein Vogeljunges berührt hat, nimmt die Mutter es nicht mehr zurück. Als ich jedoch in den folgenden Tagen das Internet durchforstete, um an Informationen über die Wildvogelaufzucht heranzukommen, stellte ich fest, dass der Tierarzt wirklich recht hatte, denn Vögel achten weniger auf den Geruch ihrer Jungen, sondern sie erkennen sie am Piepsen.

Der Tierarzt nannte uns die Telefonnummer einer Wildvogelstation. Da es keine Möglichkeit gab die Spatzen mitsamt Nest in den Baum zurückzusetzen, habe ich sofort in der Wildvogelstation angerufen. Die Dame am Telefon war sehr nett und wollte, dass wir die Tiere vorbei bringen. Sie meinte, das wäre das Beste für die Tiere, da die Aufzucht von Jungvögeln sehr schwierig und zeitintensiv ist und dass sie sehr schnell sterben. Ich sollte ihr am Telefon das Aussehen der Tiere beschreiben und anhand meiner Beschreibung konnte sie erkennen, dass die Kleinen mindestens eine Woche alt sein mussten, da die Augen bereits geöffnet waren und sie sogar schon einige Federn hatten. Vogelbabys sind bei der Geburt völlig nackt und ihre Augen sind geschlossen. In den ersten Tagen verlässt die Vogelmutter das Nest so gut wie gar nicht und füttert ihre Jungen mit der sogenannten Vormagenmilch jede Stunde.

Nach etwa einer Woche öffnen die Kleinen ihre Augen und bekommen die ersten Federn und sie werden von da an mit Insekten ernährt.

Bei Vögeln unterscheidet man zwischen Körnerfressern und Insektenfressern (Weichfressern). Während die Insektenfresser sich ihr ganzes Leben lang von Insekten ernähren, werden Körnerfresser nur als Jungtiere mit Insekten gefüttert und bekommen später nur noch Körner.

Spatzen sind Allesfresser. Sie sind außerdem sehr frech und wer schon mal mit Spatzen zu tun hatte, weiß wovon ich rede. Gerade in den Städten verlieren sie die Scheu vor Menschen immer mehr und stibitzen auch schon mal Essen vom Teller.

Da wir den Kleinen die lange Fahrt zur Wildvogelstation nicht zumuten wollten und auch Angst hatten, dass sie uns unterwegs sterben, suchten wir nach einer anderen Alternative und beschlossen im nahe gelegenen Zoo anzurufen. Nach zwei vergeblichen Anrufversuchen, setzte ich mich kurzerhand ins Auto, um persönlich dorthin zu fahren. Die beiden Spatzen blieben in der Obhut meiner Mama, die ihnen immer wieder tröpfchenweise Wasser anbot.

Unterwegs versuchte meine Schwester weiterhin einen Mitarbeiter des Zoos ans Telefon zu bekommen, was ihr schließlich auch gelang. Doch was man uns dann mitteilte, finde ich noch heute unglaublich.

Die Dame am Telefon sagte doch allen Ernstes, dass man uns nicht helfen könne, da die Tierpfleger bald Feierabend machen. Wir könnten die Tiere aber am nächsten Tag um 9 Uhr bringen.

Ich war wirklich geschockt in diesem Moment. Ich gönne jedem seinen wohl verdienten Feierabend, gar keine Frage und ich weiß wie anstrengend der Beruf des Tierpflegers ist, aber in diesem Fall ging es um zwei Lebewesen. Die Arbeit mit Tieren ist mitunter überraschend und es kommt vor, dass Tiere krank werden oder etwas anderes Unvorhergesehenes passiert, dann muss ich aber auch als Tierpfleger bereit sein in einem solchen Fall über den Feierabend hinaus für meine Schützlinge da zu sein. Tiere sind Lebewesen und keine Maschinen, die ich nur ausschalten muss, wenn ich Feierabend habe.

Später habe ich, durch meine Recherchen im Internet, erfahren, dass Zoos in den meisten Fällen kein Interesse an kleinen Singvögeln haben. Sie interessieren sich, wenn überhaupt, nur für Greifvögel. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Zoos haben doch unter anderem die Aufgabe bedrohte Tierarten zu schützen und dafür zu sorgen Nachzuchten eventuell wieder auszuwildern, um ein Aussterben zu verhindern. Warum gilt das nur für „exotische“ Tierarten? Auch unsere heimischen Singvögel sind zum Teil massiv vom Aussterben bedroht und deshalb finde ich es wichtig, dass Zoos sich darum mit ebenso viel Engagement kümmern.

Ist ein kleiner Spatz etwa weniger wert als ein Eisbär oder ein Tiger? Ich finde, wir haben die Aufgabe alle Tiere in gleichem Maße zu schützen und wir müssen jedem Tier helfen, das Hilfe benötigt.

Ich habe dann beschlossen es mit der Aufzucht der jungen Spatzen selbst zu versuchen. Was sollte ich sonst machen? Es gab in diesem Fall nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich schaffte es sie durchzubringen oder nicht. Ich dachte in dem Moment, dass sie es schaffen würden, wenn ich sie zumindest schon mal bis zum nächsten Tag am Leben halten könnte.

Wieder zu Hause angekommen, habe ich Schmelzflocken besorgt und daraus eine Art Brei für die Kleinen zubereitet, den ich ihnen mithilfe einer kleinen Spritze verfüttert habe. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass das nicht die beste Lösung war, aber irgendetwas musste ich ihnen ja füttern, denn sie hatten bereits seit Stunden nichts mehr bekommen und ich wollte nicht riskieren, dass sie verhungern.

 

Die ersten Tage mit jungen Spatzen

 

In der folgenden Nacht habe ich sehr schlecht geschlafen, weil ich große Angst hatte, dass den Vögelchen etwas passiert. Ich glaube, insgesamt habe ich gerade mal drei Stunden Schlaf bekommen.

Um 3 Uhr morgens habe ich nach den Kleinen gesehen, sie haben geschlafen und es sah aus, als ob es ihnen gut geht. Eine gute Stunde später habe ich wieder nach ihnen gesehen. Sie haben die Schnäbel aufgesperrt, als ich zu ihnen kam, deshalb habe ich sie gefüttert und ihnen eine neue Wärmflasche gemacht, da Jungvögel viel Wärme brauchen. Zu einem späteren Zeitpunkt habe ich im Internet herausgefunden, dass Jungvögel, sobald sie eine Woche alt sind, von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends jede Stunde gefüttert werden müssen und in der restlichen Zeit kein Futter benötigen. Sind die Vögel jedoch jünger als eine Woche, müssen sie auch die ganze Nacht hindurch stündlich gefüttert werden.

Nachdem ich schließlich doch nochmal eingeschlafen war, fand die nächste Fütterung um 07:15 Uhr statt und danach habe ich um 08:30 Uhr gefüttert.

Ich war an diesem Morgen sehr zuversichtlich, dass es mir gelingen würde die Kleinen durchzubringen, denn ich hatte den Eindruck, dass es ihnen gut geht. Sie wirkten recht munter. Aus diesem Grund habe ich auch nicht ein einziges Mal in Erwägung gezogen sie doch noch in den Zoo zu bringen, denn ich hatte inzwischen kein Vertrauen mehr zu ihnen. Wer garantierte mir denn, dass man dort wirklich versuchen würde die Kleinen aufzuziehen? Möglicherweise wartete man dort bereits darauf zwei kleine Häppchen für die Schlangen zu erhalten. Das konnte ich auf gar keinen Fall zulassen.

 

Am Nachmittag recherchierte ich ein wenig im Internet. Bisher hatte ich mich in meinem Leben nie mit der Aufzucht von Vögeln beschäftigt, deshalb war es mir wichtig mehr darüber zu erfahren. Ich wollte schließlich nichts falsch machen.

Nachdem ich mich ein wenig eingelesen hatte, wurde mir klar, dass es unheimlich viele Dinge waren, die ich bis dahin noch nicht wusste. In dem Moment machte mir die Herausforderung Angst, aber aufgeben kam für mich nicht infrage. Außerdem hatte ich immer noch den Eindruck, dass es den Kleinen gut geht. Sie waren den ganzen Tag munter und haben viel gepiepst.

Nicht mal im Traum hätte ich daran gedacht, dass junge Vögel so unglaublich süß sein können. Bereits nach einem einzigen Tag hatte ich mich in die kleinen Rabauken verliebt und ich fand es enorm, wie viel Vertrauen sie mir entgegengebracht haben.

Als ich nachmittags draußen war, war ich mir ziemlich sicher die Mutter der Kleinen gesehen zu haben, denn dort saß ein Spatz, der sich die ganze Zeit umgeschaut hat. Nun konnten wir die Kleinen allerdings auch nicht mehr zurück nach draußen setzen, obwohl ich mit schweren Gewissensbissen zu kämpfen hatte, weil ich der Vogelmutter ihre Kinder vorenthielt.

Im Laufe des Tages wurde mir allerdings klar, dass es den Kleinen gut ging, denn sie waren viel munterer als am vorherigen Tag und sobald jemand von uns an den Käfig trat, in dem die Kleinen untergebracht waren, sperrten sie jedes Mal sofort ihre Schnäbel auf und begannen sogar schon mit den Flügelchen zu flattern. Das sah unglaublich süß aus, weil es noch sehr unbeholfen wirkte.

 

Am nächsten Tag bin ich zum Zoogeschäft gefahren, um anderes Futter für die Kleinen zu kaufen. Ich habe Eifutter und ein spezielles Futter für die Aufzucht von Jungvögeln gekauft. Letzteres enthält zum größten Teil Insekten, die die Kleinen dringend brauchten, denn in unserem Keller gab es mittlerweile keine Spinnen mehr. Die hatten sie schon alle vernichtet.

Da das Futter etwas fester von der Konsistenz war, konnte ich es mit der Pinzette füttern, was jedes Mal ein bisschen brenzlig war, da sie manchmal das Futter nicht sofort schluckten. Außerdem hatte ich im Internet gelesen, dass es bei Vögeln sehr schnell passiert, dass sie etwas in die Luftröhre bekommen und dann sterben. Diese Information machte es für mich nicht gerade leichter locker an die Fütterungen heranzugehen.

Hinzu kam, dass ich wahnsinnige Angst hatte ihnen mit der Pinzette weh zu tun.

Ich hätte es mir nie verziehen, wenn den Kleinen etwas passiert wäre und sie durch meine Schuld nicht überlebt hätten.

Allerdings war ich mir sicher, dass es ihnen gut ging, denn sie waren wieder sehr lebhaft an diesem Tag und ihr Piepsen war bereits lauter geworden. Mittlerweile piepsten sie den ganzen Tag, was ich sehr genoss, denn daran konnte ich schließlich auch erkennen, dass es ihnen gut ging.

Am Nachmittag entdeckte ich auf unserer Terrasse ein Vogelnest, das ein Rotschwänzchenpärchen gebaut hatte. Ich vermutete, dass sogar schon Eier im Nest lagen, denn die Vogelmutter hockte den ganzen Tag in ihrem Nest.

Ich fand das sehr beruhigend und hoffte, dass unsere beiden Kleinen später dort ein wenig Anschluss finden würden, denn ich wusste ja, dass ich sie wieder auswildern musste.

Auch am nächsten Tag hatte ich den Eindruck, dass es den beiden gut ging. Sie langten kräftig zu, wenn es Futter gab, ihr Piepsen war noch lauter geworden und den Federn konnte man geradezu beim Wachsen zuschauen. Sie versuchten auch immer häufiger mit den Flügeln zu flattern und nun konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie versuchten zu fliegen. Ich konnte es kaum erwarten dieses Ereignis mitzuerleben.

 

Der Tod gehört zum Leben

 

Am 19.06.14 bin ich, wie jeden Morgen, wieder sehr früh aufgestanden, um die Kleinen zu füttern.

Der Eine, etwas Größere der Beiden, war sofort munter, sobald er mich sah. Er hat gepiepst und den Schnabel aufgesperrt, aber der Kleinere lag völlig ruhig da, hat gezittert und nicht auf mich reagiert.

Ich habe mich natürlich erstmal um den Kleinen gekümmert und versucht ihm Fencheltee einzuflößen. Ein bisschen hat er auch getrunken, aber sein Kopf ist immer wieder nach unten gesackt. Ein einziges Mal hat er sogar seinen Schnabel aufgesperrt, aber fressen wollte oder konnte er nicht mehr.

Ich habe mir wahnsinnige Sorgen gemacht.

Nachdem ich den Großen gefüttert hatte, habe ich den Kleinen in meine Hand genommen. Er hat sich bewegt, aber seine Bewegungen wirkten unkoordiniert, er ist auf den Rücken gefallen und konnte sich aus eigener Kraft nicht mehr umdrehen.

Meinem Unterbewusstsein war sofort klar gewesen, dass es keine Chance mehr für den Kleinen gab, als er nicht sofort munter wurde, sobald ich kam. Eigentlich wusste ich zu dem Zeitpunkt bereits, dass er es nicht schafft, aber ich wollte es nicht wahrhaben, habe versucht den Gedanken nicht zuzulassen.

Ich habe den Kleinen in meinen Händen gehalten und gebetet, dass er durchkommt, habe gehofft, dass doch noch ein Wunder geschieht. Ich habe versucht mir vorzustellen wie meine Lebensenergie durch meine Hände in den Kleinen fließt, damit er doch noch eine Chance bekommt zu leben. Er hatte es doch verdient zu leben und es gab auf der Welt noch so viel für ihn zu entdecken.

Etwa eine halbe Stunde später habe ich Mama geweckt, weil ich dachte, dass sie sich vielleicht auch von dem Kleinen verabschieden wollte. Sie hat ihn in ihre Hand genommen und ich habe immer noch auf ein Wunder gehofft, da meine Mama heilende Hände hat. Doch gegen den Tod kann selbst die beste Heilerin nichts ausrichten. Nur wenige Minuten später ist der Kleine gestorben.

Nun waren schon zwei von drei tot und ich hoffte, dass es wenigstens der Dritte schaffte.

Ich hatte in den vergangenen Tagen wirklich versucht alles zu geben, um die Kleinen durchzubringen, alles hat sich ausschließlich um die Kleinen gedreht. Sie hatten mein Leben und meinen Tagesablauf völlig durcheinander gebracht, aber dennoch haben die beiden mir unheimlich viel Freude bereitet.

Ich versuchte mich damit zu trösten, dass ich wahrscheinlich nicht viel mehr hätte tun können. Ich weiß nicht, ob der Kleine es geschafft hätte, wenn ich ihn in erfahrenere Hände gegeben hätte. Nun machte ich mir große Vorwürfe etwas falsch gemacht zu haben, aber eine Garantie, dass sie überleben, hätte ich wahrscheinlich auch nicht gehabt, wenn ich sie in eine Wildvogelstation gebracht hätte. Sicher gibt es auch dort Tiere, die es nicht schaffen.

Ich versuchte mir einzureden, dass es in der Natur eben so ist, dass nur der Stärkste durchkommt und der Stärkste lebte ja noch.

Vielleicht hatte der Kleine auch beim Sturz vom Baum etwas abgekriegt und war nun an den Folgen gestorben. Ich wusste es nicht, aber ich war unendlich traurig. Nun hatte der andere Kleine niemanden mehr zum Kuscheln.

Ich fragte mich, warum das ausgerechnet jetzt passieren musste? Gerade als die Kleinen angefangen hatten zu flattern. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis zu den ersten Flugversuchen.

Der Kleine war doch so munter gewesen, hat gut gefressen und ununterbrochen gepiepst. Der Größere hat sogar heute sein „Nest“ verlassen, um zu kacken, denn auch Vögel sind sehr saubere Tiere und beschmutzen ihr Nest nicht.

Ich fragte mich, warum Gott (sollte es ihn geben) so etwas zulässt? Nun musste der Kleine ohne seine Geschwister aufwachsen.

Den ganzen Tag hatte ich jedes Mal wahnsinnige Angst, wenn ich den Kleinen gefüttert habe, weil ich Panik hatte, etwas falsch zu machen. Andererseits versuchte ich mir vor Augen zu halten, dass ich in dem Fall aber zumindest versucht hatte die beiden zu retten. Mehr konnte ich nicht tun und auch in einer Wildvogelstation hätte man nicht mehr tun können.

Dennoch machte ich mir den ganzen Tag furchtbare Vorwürfe, möglicherweise doch etwas falsch gemacht zu haben. Immer wieder bin ich den vorherigen Tag durchgegangen, um herauszufinden, was zum Tod des Kleinen geführt haben könnte. Ich

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 25.08.2017
ISBN: 978-3-7438-2996-1

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