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Prolog

 

 

 

 

  1. Juni 2014

Nach einem halben Jahr soll ich nächste Woche endlich entlassen werden. Ich kann es kaum noch erwarten, doch werde ich wohl zunächst einmal nicht zu meiner Mutter nach Hause zurückkehren.

Außerdem habe ich Angst. Was, wenn ich noch nicht bereit dafür bin? Was, wenn es wieder so wird wie vorher? Oder, was noch viel schlimmer wäre: Was, wenn mein Vater in der nächsten Zeit beschließt, dass er doch keinen gestörten Sohn haben will und mich wieder zu meiner Mutter schickt? Nicht auszudenken was mich dann erwartet.

Ich hasse es in diesem Teufelskreis zwischen Unwissenheit und Hoffnung gefangen zu sein. Und doch kann ich ihm nur entfliehen, wenn ich es endlich schaffe einen Neuanfang zu machen.

Doch will ich das überhaupt? Und was viel wichtiger ist, kann ich das überhaupt? Ist es überhaupt möglich, in der Zeit in der das Internet die Privatsphäre entmachtet ein neues Leben zu beginnen? Ein Leben in dem keiner um deine Vergangenheit weiß und in dem du nicht mit Vorurteilen konfrontiert wirst? Ich selbst glaube nicht daran und doch will ich nichts unversucht lassen. Ich will mir später nichts vorwerfen müssen.

Sechs Wochen werde ich Zeit haben mich einzugewöhnen, ehe ich wieder zur Schule muss. Davor habe ich nämlich am meisten Angst. Der Schule.

Hier, in der Klinik, bin ich Einzeln unterrichtet worden, sodass mir die großen Menschenmaßen und die dämlichen Kommentare der anderen erspart geblieben sind. Doch jetzt, wo ich entlassen werden soll, bin ich mir nicht sicher, ob es nicht dumm gewesen ist nach Einzelunterricht zu verlangen. Was, wenn ich gar nicht mehr weiß, wie man mit anderen Menschen umgeht? Ich völlig dessozialisiert bin? Was, wenn ich in Panik verfalle sobald ich auch nur einer größeren Gruppe von Menschen gegenüber stehe?

Fragen über Fragen und mit jedem Tag werden es ein paar mehr. Und mit den Fragen kommt auch die Angst. Die Angst davor die Klinik zu verlassen. Doch auch die Hoffnung wächst stetig. Die Hoffnung auf ein neues Leben.

Was soll ich bloß tun? Die Verzweiflung quält mich.

 

 

Kapitel 1

 

Fife

 

 

 

»Fife!«

Ich hätte womöglich gar nicht reagiert und weiter dort gestanden, wäre mir die Stimme nicht so bekannt vorgekommen. Doch so machte ich, dass ich davon kam und zog mir die Kapuze meiner Sweatjacke eilig tiefer in die Stirn. Nicht, dass es etwas bringen würde, denn aufgrund meines nicht gerade kleinen Mastiff-Rüden Da Vinci (ja, ich weiß) war es sowieso aussichtslos in der Maße untertauchen zu wollen. Trotzdem fand ich es immer einen Versuch wert, wenn ich so Rae und seinen Freunden entgehen konnte.

Nachdem ich mich durch etliche kleinere Gruppen von Schülern hindurchgeschlängelt hatte ohne eine Panikattacke der ähnliches zu erleiden, erreichte ich endlich das Schulgebäude und damit sicheren Boden. Dort liefen zu viele Lehrkräfte herum, als das ich mich hätte ernsthaft sorgen müssen Ziel einer ihrer Streiche zu werden. Doch nach wie vor ließ ich Vorsicht walten während ich durch die langen Gänge der Schule irrte, denn innerhalb der letzten Wochen seit Wiederbeginn des Unterrichts hatten mein Stiefbruder und seine Freunde es bereits mehr als einmal fertig gebracht mich in Schwierigkeiten zu bringen.

Allein innerhalb der letzten Woche hatten sie mir zwei meiner Bücher sowie mein Sportzeug geklaut und meinen Spind verwüstet. Wie er an meinen Code gekommen war, wusste ich nicht.

Und hatte ich am Anfang noch auf einen Neuanfang gehofft, so hatte ich jetzt das Gefühl, dass sich alles was in meiner Heimatstadt Bridgend passiert war wiederholen – und bei meinem Glück sogar noch schlimmer werden – würde. Doch zurück konnte und wollte ich auch nicht mehr. Zu grauenvoll waren die Erinnerungen an meine alte Heimat.

»He, Junge!«, riss mich jemand unsanft aus meinen Gedanken und ich drehte mich zögernd in die Richtung aus der die Stimme zu kommen schien. »J-ja?«, fragte ich und hasste mich sogleich für meine Unsicherheit und Schwäche. Und doch konnte ich einfach nicht anders. Ich war noch immer Unsicher im Umgang mit Fremden und vermochte nicht wirklich einzuschätzen wie diese sich mir gegenüber verhalten würden. Auch Da Vinci schien meine Unsicherheit zu bemerken, denn er drückte seinen Kopf vorsichtig gegen meine Hüfte und schaute aus großen, braunen Augen zu mir hinauf. Fast augenblicklich ging es mir besser und ich wurde wieder ein wenig ruhiger. Wie so oft in den letzten Wochen war ich froh, dass mein Vater Dave dafür gesorgt hatte, das ich den riesigen Rüden mit in die Schule nehmen konnte. Ich hatte Da Vinci bereits vor meinem Aufenthalt in der Klinik besessen, doch während meiner Abwesenheit hatte Dave sich um den jungen Hund gekümmert. Dabei hatte er ihn dann auch gleich zum Therapiehund ausbilden lassen, um mir den Wiedereinstieg ins soziale Leben zu erleichtern. Auch hatte er mich manchmal zusammen mit Da Vinci besucht, damit der Hund sich nicht entwöhnte, doch diese Sorge hätte man sich nicht machen brauchen. Trotzdem war es schön gewesen, schließlich war der massige Rüde mein einziger Freund.

»He, Junge. Ich hab dich was gefragt, hörst du?«, wurde ich erneut aus meinen Gedanken gerissen und als ich meinen Kopf hob schaute ich geradewegs in das schlechtgelaunte Gesicht eines Lehrers. »E-entschuldigen Sie, was haben S-sie gesagt?«, stammelte ich vor mich hin, während ich hastig wieder den Blick senkte, damit mein Gegenüber nicht mitbekam, wie peinlich mir das alles war. »Ich sagte, das Hunde in der Schule nicht erlaubt sind.«, antwortete der Lehrer genervt und ich machte mich eilig daran nach dem Dokument, das Da Vinci als Therapiehund auswies, zu suchen. Manchmal fragte ich mich ernsthaft wie unorganisiert eine Schule eigentlich sein musste, wenn der Direktor es nicht einmal schaffte die gesamte Lehrerschaft darüber zu informieren, dass es einen Jungen in Begleitung eines Therapiehundes an der Schule gab. Und mit seinen neunzig Zentimetern Risthöhe war Da Vinci nun wirklich nicht klein. Das noch keiner beim Direktor nachgefragt hatte was er hier zu suchen hatte, war mir ein Rätsel.

»Es muss doch hier irgendwo sein …«, murmelte ich und hob das Dokument, das ich gesucht hatte, triumphierend in die Höhe, sobald ich es aus den Tiefen meiner Tasche gekramt hatte. »Bitte sehr.« Ich hielt dem Lehrer das Blatt hin und streichelte mit einer Hand Da Vinci, um mir meine immer größer werdende Nervosität nicht anmerken zu lassen.

»Nun gut.«, kam es irgendwann von dem Lehrer vor mir, nachdem er sich das Dokument durchgelesen hatte. »Du kannst gehen.« Er reichte mir das Blatt zurück und scheuchte mich ungeduldig in Richtung der Klassenräume. Da es zwei Sekunden zuvor zum ersten Mal geschellt hatte kam ich dieser Aufforderung nur allzu gerne nach und machte mich auf den Weg in den nächsten Unterricht.

Und wenn ich gedacht hatte, ich hätte endlich meine Ruhe, so hatte ich die Rechnung natürlich ohne meinen neuen Stiefbruder gemacht. Doch anstelle wie sonst von seinen beiden besten Freunden flankiert, schnitt er mir diesmal alleine den Weg ab. Da Vinci begann unterschwellig zu knurren – eine ziemlich ungewöhnliche Reaktion des sonst so friedlichen Rüden – und ich packte ihn vorsichtshalber am Halsband, um zu verhindern, dass er sich gleich auf Rae stürzte. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte ausrichten können und ich konnte Da Vinci sein Verhalten auch nicht übel nehmen, denn nur weil Rae alleine war, hieß das nicht automatisch auch, dass er sich weniger fies gab.

»Was willst du?«, fragte ich betont gelassen, jedoch nicht ohne meinem Stiefbruder dabei einen misstrauischen Blick zuzuwerfen. Natürlich war ihm dieser nicht entgangen und entgegen meiner erwarteten Reaktion begann er zu lachen.

Kein dummer Spruch.

Keine Gehässigkeit meiner Paranoia ihm und seinen Freunden gegenüber.

Nur ein Lachen, dass mir eine Gänsehaut bereitete. Nicht etwa, weil es so schrecklich gewesen wäre, nein. Eher das Gegenteil war der Fall: ich mochte sein Lachen. Nein, falsch. Ich mochte sein Lachen nicht. Ich war lediglich überrascht, dass er überhaupt dazu in der Lage war. Schließlich hatte ich ihn bis dato nur miesgelaunt erlebt. Es sei denn, er hatte mich mal wieder in Schwierigkeiten gebracht, dann war auch so etwas wie Genugtuung in seinen Zügen erkennbar gewesen.

Vielleicht ist er ja doch anders, als er sich gibt, sprach eine leise, verräterische Stimme in meinen Kopf und so sehr ich mir auch wünschte, das die Stimme recht haben mochte – immerhin hatte ich mir immer einen großen Bruder gewünscht – dem war nicht so und eigentlich wusste ich das auch. Und was ist wenn du Unrecht hast? Was, wenn er wirklich nur so tut als ob?, fragte die Stimme, die man wohl als mein Unterbewusstsein hätte bezeichnen können, weiter. Doch auch diesmal ließ ich mich nicht darauf ein. Trotzdem ließ die Stimme es sich nicht nehmen, mich immer wieder in Gedanken darauf hinzuweisen, dass ich mich auch  irren konnte.

»Aufhören!«, rief ich irgendwann völlig verzweifelt während ich mir die Ohren zuhielt, weil mir der innere Monolog zusehends den Nerv raubte. Es gab nichts – absolut nichts – gutes an Rae und damit Schluss.

»Alles in Ordnung bei dir?«, kam es belustigt von irgendwoher rechts von mir und als ich aufblickte sah ich in das grinsende Gesicht meines Stiefbruders. Fast augenblicklich spürte ich, wie mir das Blut in die Wangen schoss und ich räusperte mich kurz.

»Was willst du von mir?!«, fuhr ich ihn an und konnte nicht umhin meine Wut darüber, dass ich mich so von seinem Lächeln hatte hinreißen lassen, in meiner Frage mitschwingen zu lassen. Rae musste dies auch bemerkt haben, denn seine Augen weiteten sich kurz vor Überraschung, obgleich er schnell zu seinem typisch lässigen Grinsen zurückfand. »Kein Grund gleich an die Decke zugehen, Fife.«, brachte mein Stiefbruder mir erstaunlich ernst entgegen. Erneut kochte Wut in mir hoch. Das ich zu spät zum Unterricht kommen würde, wenn ich mich auf ein Gespräch mit ihm einließ, war mir in diesem Moment völlig egal. »Ist das dein Ernst? Du machst mir seit Wochen das Leben schwer, sorgst dafür das ich in den Augen der Lehrer und anderen Schüler schlecht dastehe und erwartest ernsthaft von mir das ich nicht an die Decke gehe?!« Ich war mit jedem Wort lauter geworden und schaute ihm nun angriffslustig in die Augen. Ich wusste, das ihn das was er sehen würde überraschen würde, schließlich hatte ich ihm seit meiner Ankunft nicht einmal in die Augen geschaut und ich musste zugeben, er hatte schöne Augen. Klare, sturmgraue Augen, wie ich sie in meinem Leben noch nie gesehen hatte. Doch schon im nächsten Moment besann ich mich wieder darauf, dass ich ja eigentlich wütend auf Rae war und mich gefälligst nicht von seinen Augen ablenken lassen sollte.

»Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ich dich nach der Schule mit nach Hause nehmen soll.«

»Du … bitte was?«

»Du hast mich schon verstanden.« Rae lächelte nicht. Im Grunde zeigte er überhaupt keine nennenswerte Reaktion und das machte mich skeptisch. Nicht, dass ich nicht so schon misstrauisch gewesen wäre, bevor er mir dieses Angebot unterbreitete, denn seien wir doch mal ehrlich: Ich war klein und schmächtig und ich hatte keine Freunde. Ich konnte seinem Ruf nur schaden, egal was andere behaupten mochten und aus genau dem Grund war es mir unbegreiflich, wieso ihm das auf einmal egal zu sein schien.

»Ähm … g-gerne.«, sagte ich trotz aller Bedenken zu, denn ein Teil von mir hatte die Hoffnung in Rae eine Art großen Bruder gefunden zu haben noch nicht aufgegeben. Gott, wie naiv das klang und trotzdem konnte ich nichts gegen dieses übermächtige Verlangen unternehmen. Vielleicht wollte ich es auch bloß nicht und spielte ihm damit direkt in die Hände, doch das konnte ich erst erfahren, wenn ich es versuchte. Oder etwa nicht? Eben.

»Super, dann sehen wir uns nach der Schule.« Rae hatte zu seinem Lächeln zurückgefunden, doch es sah weder echt aus, noch wirkte es besonders freundlich und wieder überkamen mich Zweifel. Doch noch ehe ich ihn darauf ansprechen konnte, hatte Rae sich umgedreht und war den Flur hinunter verschwunden.

Ich musste ihm wohl ziemlich verwirrt hinterhergestarrt haben, denn Da Vinci stieß mich mit seiner nassen Schnauze vorsichtig an und bellte leise. »Du hast ja Recht. Lass uns gehen, Da Vinci.« Doch anstelle mich auf den Weg in den Unterricht zu machen, schlug ich den Weg in Richtung der Toiletten ein, da ich mich nicht in der Lage fühlte meinem wohl ziemlich wütenden Geschichtslehrer Mr. McDougal gegenüberzutreten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

Fife

 

 

 

Alle anderen waren bereits seit zehn Minuten gegangen, als ich endlich meine Sachen zusammengepackt und das Klassenzimmer verlassen hatte. Bis auf einige wenige, die noch zur Schach-AG oder zum Rugby wollten, waren die Flure leer. Kaum einer hielt sich länger als nötig in der Schule auf und tat er es doch, wurde er augenblicklich als Freak abgestempelt.

Nicht, das ich das nicht sowieso schon war. Dafür hatte Rae gesorgt.

Umso misstrauischer war ich deshalb auch seinem Angebot gegenüber mich nach der Schule mit nach Hause zu nehmen. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er das wirklich ernst meinte.

Meine Angst davor, dass alles nur ein Scherz gewesen war, war dermaßen übermächtig, dass ich absichtlich seinen Zorn auf mich zu ziehen versuchte, indem ich weiter Zeit schindete. Auch wenn das bedeutete, das ich planlos und verloren auf dem Flur herumstand. Doch nach weiteren fünf Minuten in denen ich mich mehr oder weniger erfolgreich um die Spinde herumgedrückt hatte, wurde Da Vinci unruhig und ich befand, dass es Zeit wurde, mich meiner Angst zu stellen.

Trotzdem machte ich mich nur langsam auf den Weg in Richtung Parkplatz, denn man wusste ja nie so genau, was einen erwartete.

Draußen angekommen hatte sich meine Angst zu einer leichten Panikattacke ausgewachsen und ich begann zu zittern. Dass Rae mit seinem Wagen nur wenige Meter vom Schulgebäude entfernt stand und mich mit seinen sturmgrauen Augen fixierte, tat sein Übriges. Ich wäre am liebsten schreiend ins Gebäude zurückgerannt, doch für einen Rückzug war es längst zu spät. Ich überlegte ernsthaft auf Rae und seinen Wagen zuzugehen, als mir die Entscheidung von seinen beiden besten Freunden abgenommen wurde. Diese bogen nämlich gerade um die nächste Ecke und liefen geradewegs auf meinen Stiefbruder zu. Wenn die beiden mich zu sehen bekamen hatte ich ein echtes Problem. Nye und Akir hassten mich noch mehr, als Rae selbst es tat, doch einen Grund dafür hatte ich ihnen nicht geliefert. Andererseits hatte ich auch Rae keinen wirklichen Grund für sein Verhalten geliefert – nur das übliche Gezanke unter Geschwistern – und dieser hasste mich schließlich auch. Das nannte man dann wohl Schicksal. Oh, wie sehr ich mein Leben doch manchmal hasste.

Ich war ja noch nie sonderlich beliebt gewesen, aber so schlimm konnte es eigentlich gar nicht sein. Ich bemühte mich ja wirklich darum nett zu allen zu sein und vielleicht war genau das das Problem. Vielleicht war ich zu unterwürfig, in mehrerlei Hinsicht, doch ändern ließ sich das nun auch nicht mehr und eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Wenn jemand ein Problem damit hatte… bitte, aber ich war an einem Punkt angelangt an dem es mich nicht mehr sonderlich interessierte, was andere von mir dachten, denn das letzte Mal, hatte mich genau das an den Rand der Zerstörung gebracht. Und ein weiteres Mal hatte ich da echt keinen Bock drauf. Im ersten Moment mochte sich der Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik ja noch ganz interessant anhören, schließlich gab es jede Menge verrückter Leute und das war ja bekanntlich immer ganz spaßig. Allerdings war ich wohl etwas zu naiv an die Sache herangegangen, denn es war in keiner Weise so, wie ich es mir erhofft hatte. Die Tage waren streng durchgeplant gewesen mit verschiedenen Therapien und auch die Leute dort waren weitaus verrückter gewesen als ich es mir hätte träumen lassen. Alles in allem war es eine noch einsamere Zeit gewesen, als davor oder auch jetzt. Wie einige Leute ihr ganzes Leben so verbringen konnten, wollte mir einfach nicht einleuchten. Ich jedenfalls, wollte nie wieder dorthin zurück. Egal was es kostete.

Völlig in Gedanken versunken hatte ich nicht gemerkt, wie ich mich – trotz aller Vorbehalte – immer weiter in Richtung von Raes Wagen bewegt hatte. Keine allzu gute Idee wie sich rausstellte, denn Nye und Akir wirkten nicht sonderlich erfreut, als sie mich entdeckten.

»Was macht der denn hier?« Wie nett, ich hatte nicht mal einen Namen. Nicht, das es mich wirklich überraschte, aber beleidigt war ich schon ein wenig. Nicht viel, aber immerhin. »Ich habe ihm angeboten, dass ich ihn mit nach Hause nehme.«, war die überraschend ehrliche und gelassene Antwort meines Stiefbruders. »D-du hast was?« Akir schien mindestens genauso perplex wie ich. »Natürlich, er ist immerhin mein Stiefbruder. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass er wirklich so dumm wäre zuzusagen.« Ein grausames Lächeln zierte nun Raes Lippen und ich wäre am liebsten vom Erdboden verschluckt worden. Ich hätte es wissen sollen. Natürlich hatte er es nicht ernst meinen können. Wie konnte ich nur so naiv sein zu hoffen?

Anstelle etwas dazu zu sagen, mich vielleicht sogar zu verteidigen, machte ich auf der Stelle kehrt und lief mit Da Vinci in Richtung der Stadt davon. Ich würde Dad einfach eine Nachricht schreiben, dass ich vorhatte später zu kommen und er sich keine Sorgen um mich zu machen brauchte. Den Grund für meine spontane Entscheidung verschwieg ich ihm. Ich würde mich einfach in mein Lieblingscafé zurückziehen und bei einem Vanille-Chai-Latte versuchen zumindest ein wenig in die Gedankenwelt des Rae Morgan einzutauchen. Vielleicht erschloss sich mir ja ein Teil seines unergründlichen Verhaltens. Und wenn nicht hatte ich zumindest einen angenehmen Nachmittag verbracht. Und das war immerhin schon etwas.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3

Fife

 

 

 

 

Als ich etwa drei Stunden später von meinem Ausflug ins Café zurückkehrte, waren Rae und mein Vater bereits zu Hause. Sie saßen einträchtig nebeneinander auf der Couch im Wohnzimmer, hielten jeder ein Bier in der Hand und schauten das Spiel der Celtics gegen die Wizards. Keiner der beiden blickte auf, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel und Da Vinci ein freudiges Bellen ausstieß. Dafür erklang eine sanft tönende Begrüßung Olivias aus der Küche, die kurz darauf im Torbogen erschien und mich anlächelte – in der Hand hielt sie ein riesiges Stück Salami, das Da Vinci ihr auch sogleich schwanzwedelnd abnahm.

Ich mochte sie. Sie war ruhig und unkompliziert, nicht so aufbrausend wie meine Mutter. Das Wichtigste jedoch war, dass sie meine Zurückhaltung ihr gegenüber respektierte, sich bemühte mich nicht zu bedrängen. Mit einem Mal überkam mich das Bedürfnis ihr zu zeigen, wie viel mir ihr Verständnis bedeutete. Ich machte einen vorsichtigen Schritt in Richtung der neuen Frau meines Vaters, streckte die Arme nach ihr aus und umarmte sie. Olivia schien überrascht und es brauchte eine Weile bis sie die Umarmung erwiderte. Es war ein angenehmes Gefühl, gar nicht so erdrückend wie ich vermutet hatte. Ich war sogar soweit, sie nicht mehr loslassen zu wollen und doch rang ich mich relativ rasch dazu durch mich von ihr zu lösen. Ich konnte nicht ewig so stehen bleiben. Vor allem dann nicht, wenn Rae nur ein paar Meter weiter auf dem Sofa saß.

Ich schenkte der Frau meines Vaters noch ein unschuldiges Lächeln und zog dann weiter ins Wohnzimmer, um meinen Vater zu begrüßen. Dieser sah mich wissend an, schwieg ansonsten aber zu der Szene im Flur. Die Erleichterung war ihm anzusehen. So oft schon hatte er mich angefleht meiner Stiefmutter eine Chance zu geben, meine  Berührungsangst Menschen – und vor allem Fremden gegenüber – zu vergessen. Es war noch kein Durchbruch, aber ein Anfang und das war ihm nur allzu bewusst.

»Na, Fife. Wie war die Schule?«, versuchte er ein unverfängliches Gespräch zu beginnen. Er konnte ja nicht wissen, dass die Schule nun wahrlich nicht zu meinen Lieblingsorten gehörte. Ich warf einen unauffälligen Blick zu meinem Stiefbruder und versuchte mir die Nervosität, die mich jedes Mal überkam, wenn einer dieses Thema anschnitt, nicht anmerken zu lassen. »Gut, es war gut. Sehr interessant. Wir haben angefangen den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg im Zuge der Kolonialisierung der Welt zu behandeln.« O Himmel, was erzählte ich da nur. Kein Wunder, das Rae mich für völlig bescheuert hielt. Ich konnte ja manchmal selbst kaum glauben normal zu sein. Von dem Aufenthalt in der Psychiatrie mal abgesehen, versteht sich.

»Es freut mich zu hören, dass es dir hier so gut gefällt. Deine Mutter und ich hatten wirklich Sorge, wie du mit dem allen umgehen würdest.« O bitte nicht. Das konnte doch nicht wirklich sein ernst sein. Nicht, wenn Rae daneben saß und alles mit anhörte. »Dad, bitte…« Ich warf ihm einen flehenden Blick zu, in der Hoffnung, er würde aufhören.

Und tatsächlich, er verstummte. Widerwillig zwar, aber er tat es und dafür war ich ihm unglaublich dankbar. Rae lächelte derweil stumm vor sich hin, plante vermutlich schon seinen nächsten Schachzug mich bloßzustellen. Mir graute bereits jetzt bei dem Gedanken daran, was mich nun wieder erwarten mochte.  Noch einmal würde ich mich nicht mit meinem Ungeschick herausreden können, wenn es meine Kleidung oder meinen Spind traf. Nicht auszudenken was dann los wäre. Mein Vater war ein sehr geduldiger Mensch, aber auch ihm fiel irgendwann auf, wenn man versuchte ihn zu verarschen. Mir blieb also nur abzuwarten und zu hoffen, dass es nicht allzu schlimm werden würde.

Schon wieder.

»Ist alles okay bei dir, Fife? Du siehst müde aus.«, besann sich mein Vater nach kurzem Zögern auf mein Wohl, während er mich kritisch beäugte. Seit er mich zu sich geholt hatte achtete er akribisch auf jedes Anzeichen psychischer Instabilität um einen erneuten Zusammenbruch, wie den der mich letztendlich in die Klinik gebracht hatte, zu vermeiden. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl dabei, war ich derartige Fürsorge doch kaum gewohnt. Trotzdem ließ ich die Frage nach meinem Befinden immer brav über mich ergehen, diente sie doch nur dazu mir zu helfen.

»Du hast Recht.«, antwortete ich darum nach kurzem Zögern. »Ich bin wirklich müde, Dad. Wenn es dir nichts ausmacht würde ich dann jetzt auch gerne nach oben  gehen und mich hinlegen.«

»Natürlich, natürlich.« Mein Vater schien nicht besonders überzeugt zu sein, hatte sich aber trotzdem wieder dem Basketballspiel zugewandt. Auch Rae starrte längst wieder auf den Bildschirm, das boshaft wirkende Lächeln war verschwunden. Stattdessen trug er eine hochkonzentrierte Miene zur Schau, ganz, als wäre er selbst derjenige der die Körbe zu werfen hatte. Ein wahrlich interessanter und seltener Anblick. Doch bevor mein Vater noch auf die Idee kommen konnte, dass ich vielleicht doch gar nicht so müde war, wie ich vorgab zu sein, machte ich, dass ich hinauf in mein Zimmer kam.

 

 

 

 

 

Kapitel 4

Fife 

 

 

 

Kaum hatte sich meine Zimmertür hinter mir geschlossen, rutschte ich an eben dieser entlang in Richtung Boden. Ich konnte noch immer nicht fassen, was soeben geschehen war. Ich hatte tatsächlich meine Stiefmutter umarmt. Es war die erste Umarmung seit langer Zeit die ich selbst herbeigeführt hatte. Nicht mal meine Mutter hatte ich so umarmt. Zumindest nicht mehr seit meinem Zusammenbruch.

Es war ein komisches Gefühl gewesen – vertraut und fremd zugleich. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit gehabt. Etwas, das so noch nie vorgekommen war. Das Verhältnis zu meiner Mutter war trotz einzelner Zärtlichkeiten ihrerseits eher kühl. Geborgen hatte ich mich bei ihr nie gefühlt – nur einer der vielen Gründe, warum ich nach meinem Klinikaufenthalt zu meinem Vater gezogen war. Ich war zufrieden, zumindest meistens und ich wäre vermutlich sogar wirklich glücklich gewesen, wären da nicht Rae und Konsorten, die mir das Leben schwer machten.

Ein Seufzer entfuhr mir und sogleich spürte ich eine feuchte Nase an meiner Wange. Da Vinci hatte sich neben mich gesetzt und schien mich besorgt zu mustern. Ich konnte nicht anders als zu lächeln. Er war der beste Freund den ich jemals gehabt hatte und ich liebte ihn abgöttisch. Umso mehr freute es mich, dass er so viele menschliche Züge hatte. Selten hatte ich einen Hund so Mimik reich kommunizieren sehen. Geistesabwesend streichelte ich Da Vincis Kopf. Solange, bis das vibrieren meines Handys mich in die Wirklichkeit zurückbeförderte. Ich warf einen schnellen Blick auf das Display, ehe ich abhob und war erleichtert, mich in der Eile nicht verlesen zu haben.

Grace plapperte einfach fröhlich drauf los. Sie meinte es nicht böse, konnte einfach nicht anders. Irgendwann würde ihr auffallen, dass ich nichts sagte und nachfragen. Die Fragen stellen, die normalerweise am Anfang jeden Gesprächs standen. Doch trotz ihrer sehr einnehmenden Art mochte ich sie. Grace war die womöglich einzige Freundin, die ich jemals gehabt hatte. Ihre aufgeweckte Art hatte mich in der Klinik vor dem ein oder anderen depressiven Schub bewahrt. Und obwohl sie die stärkere von uns beiden war, hatte man sie erst nach mir entlassen. Doch nun schien sie glücklich zu sein. Seit nunmehr vier Wochen befand sie sich wieder im Kreise ihrer Familie. Sie hatte sich – anders als ich – entschieden weiter an ihrer alten Schule unterrichtet zu werden, obwohl ihre Eltern ihr mehr als einmal einen Schulwechsel und sogar Umzug angeboten hatten.  

Sie erzählte mir von ihrem Alltag und das sie bereits Freunde gefunden hatte. Darunter auch Leute, mit denen sie vorher nie ein Wort gewechselt hatte. Ich freute mich für sie, doch irgendetwas in ihrer Stimme ließ mich inne halten. Sie wirkte zu aufgekratzt, selbst für ihre Verhältnisse. Ganz so, als würde sie sich zu dieser Fröhlichkeit zwingen. Allerdings verschwand dieses Gefühl genauso schnell wieder, wie es gekommen war und ich beschloss es als eine Art Einbildung abzutun. Das Ganze ging die nächste halbe Stunde so weiter, bis auch ich endlich dazu kam ihr von mir und meinem Leben hier zu erzählen.

Ich erzählte ihr von Rae und dessen unbegründeten Hass auf mich, sowie den Ereignissen der letzten Wochen – einschließlich der heutigen – und erntete dafür eine gehörige Portion Mitleid von Grace. Es tat gut mir das alles von der Seele zu reden. Von jemandem zu hören, dass es nicht meine Schuld war, dass die Dinge so liefen, wie sie es eben taten.

Als ich auflegte hatten Grace und ich etwas mehr als zwei Stunden telefoniert. Das war nicht ungewöhnlich und doch fühlte ich mich danach erschöpfter als sonst. Hätte Da Vinci neben mir nicht leise angefangen zu winseln, wäre ich vermutlich sogar eingenickt. Ich war versucht den Rüden einfach zu ignorieren, doch ein Blick auf die Uhr verriet, dass es tatsächlich an der Zeit war den Hund rauszulassen. Langsam begann ich mich aus dem Bett zu quälen, verfluchte die Tatsache, dass Hunde keine Katzen waren und man sie deshalb regelmäßig ausführen musste. Egal ob es einem nun passte oder nicht. Auf der anderen Seite liebte ich Da Vinci über alles und würde ihn nur wegen solch einer Lappalie nicht missen wollen. Inzwischen hatte ich mich hochgekämpft und meine Kleidung gerichtet, bereit meinem Vater und Rae wieder unter die Augen zu treten. Zumindest glaubte ich das. Doch zu meinem Erstaunen war keiner von beiden zu sehen, lediglich Olivia saß noch in der Küche und schien über irgendwelchen Unterlagen zu brüten. Ich ließ den Hund in den Garten und setzte mich der Frau meines Vaters gegenüber. Ich wollte sie nicht stören, saß deshalb nur still da und beobachtete sie.

Es dauerte nicht lange und Olivia hob den Blick. Sie wirkte zunächst erstaunt, dann erfreut. Verständlich, schließlich hatte ich mich noch nie zu ihr gesetzt. Für Gewöhnlich redete ich ja nicht mal mit ihr. Aber genau das erschien mir nun falsch. Olivia konnte nichts für meine Probleme. Sie traf keine Schuld und nachdem ich heute schon den ersten Schritt gewagt hatte, wollte ich gerne auch den zweiten tun. Ich wusste so gut wie nichts über die hübsche Brünette, die meinem Vater schon vor Jahren den Kopf verdreht hatte. Weit bevor das Verhältnis zwischen ihm und meiner Mutter so kompliziert geworden war und weit bevor er uns verlassen hatte.
Es gab so viel das mich interessierte, aber ich hatte nie den Mut gefunden zu fragen. Mit meinem Vater konnte ich über sowas nicht reden. Er akzeptierte und liebte mich und trotzdem hatte ich manchmal das Gefühl, dass er Rae mir vorzog. Bei Olivia war das anders. Ich glaubte daran, dass sie mich verstand. Schließlich war sie es gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass ich bei ihnen leben durfte.

All das hatte ich im Hinterkopf, als ich das wohl erste und vermutlich längste richtige Gespräch mit einem Erwachsenen in meinem Leben zu führen begann.

 

 

Kapitel 5

 Fife

 

 

 

 

Es war bereits weit nach Mittag, als ich mein Zimmer verließ. Die gestrige Nacht war lang gewesen, hatte ich mich nach dem Telefonat mit Grace doch noch stundenlang mit Olivia unterhalten. Ich konnte nachvollziehen, warum mein Vater sich auf sie eingelassen hatte, nachdem die Ehe meiner Eltern in die Brüche gegangen war.

Olivia hatte ein freundliches, sanftes Wesen – war stets um das Wohl ihrer Mitmenschen besorgt. Selbst Rae schien sie nie aus der Ruhe zu bringen und das, obwohl er es allein in den letzten Wochen mehr als einmal provoziert hatte. Ich konnte das nicht verstehen: wäre meine Mutter nur eine halb so liebenswerte Person gewesen wie Olivia, ich hätte meine Mutter vergöttert. Stattdessen hatte sie mich vernachlässigt und abgeschoben. Jede Woche zu einem anderen Verwandten oder zu Freunden, vorzugsweise aber zu ihrer herrschsüchtigen Schwester. Das Geld, das sie von meinem Vater erhalten hatte, war immer irgendwo anders hingeflossen als in meine Richtung. Meistens in Alkohol. Lange Zeit hatte sich meine Wut auf meinen Vater konzentriert, schließlich hatte er mich bei ihr zurückgelassen. Es hatte Jahre gedauert bis ich erkannte, dass er trotz allem nichts dafür konnte. Wenn man ihm glauben konnte, hatte er nichts von ihrem Suchtproblem gewusst, ebenso wenig wie von meinen psychischen Problemen und den Besuchen vom Jugendamt. Kaum vorstellbar und doch hatte ich keinen Grund ihm zu misstrauen.
Dermaßen in Gedanken versunken, wäre ich beinahe die letzten paar Stufen der Treppe hinuntergefallen. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich am Geländer halten. Jedoch nicht, ohne dabei einen Höllenlärm zu verursachen. Es dauerte keine drei Sekunden bis die ersten besorgten Gesichter im Torbogen zur Küche erschienen. Allen voran Olivia, dicht gefolgt von meinem Vater.
»Ist alles in Ordnung, Fife? Brauchst du Hilfe?«, plapperte Olivia auch gleich unsicher drauf los. Sie wirkte ernsthaft besorgt, dabei war nicht mal was passiert. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, ihr so einen Schrecken eingejagt zu haben.
»Es ist alles gut. Ich wäre nur beinahe die letzten Stufen heruntergerutscht.« Ich versuchte ein Lächeln. »Halb so wild, ehrlich.«

»Bist du dir sicher?« Olivia wirkte nicht überzeugt, doch ehe ich etwas sagen konnte, hatte mein Vater ihr bereits die Hand auf die Schulter gelegt. »Lass gut sein, Schatz. Wenn er sagt es ist alles in Ordnung, sollten wir ihm das glauben. Alles andere ist ohnehin kaum förderlich.« Ich hatte den stummen Wink verstanden, wusste nicht genau ob mich das nun ärgern sollte oder nicht. In erster Linie jedoch war ich erleichtert, dass mein Vater versuchte mich vor der drohenden Überforderung zu schützen.

Ich wollte nicht länger im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen und war mehr als dankbar, als Olivia stumm nickte und wieder in die Küche verschwand. Rae tat es ihr nach, sodass mein Vater und ich alleine im Flur zurückblieben. Er starrte mich eine Weile nur an, ehe er sich zu Wort meldete.
»Willst du mir verraten was dich dermaßen abgelenkt hat, dass du beinahe die Treppe herunterstürzt?«, fragte er mich leise, aber eindringlich. Er musste etwas ahnen. Anders war sein plötzliches Interesse nicht zu erklären. Ich überlegte kurz ihm eine der üblichen Ausreden zu servieren, entschied mich dann jedoch dagegen. Ich wusste nicht was mich davon abhielt, doch irgendetwas sagte mir, dass es an der Zeit war mit ihm darüber zu reden.

»Es… es ist wegen Mom«, ich machte eine kurze Pause »und wegen dem was in Bridgend passiert ist.«

»Verstehe.«, mein Vater wirkte mit einem Mal nachdenklich. Dann begann er sich verlegen am Hinterkopf zu kratzen. »Hör zu, Fife: ich weiß, das kommt spät – vielleicht etwas zu spät – aber ich will das du weißt, dass es mir ehrlich leid tut. Ich hätte wissen müssen, dass deine Mutter überfordert war. Ich hätte es merken müssen. Sie war jedes Mal so komisch, wenn ich euch besucht habe, aber ich dachte lange Zeit es liegt einfach an mir. Daran dass ich sie mit dir alleine gelassen habe. Ich dachte –«

»Ich weiß, Dad.«, unterbrach ich ihn sanft. »Es ist okay. Ich weiß du wolltest das alles nicht. Aber es ist vorbei und ich muss lernen mich auf meine Zukunft zu konzentrieren. Das vergangene hinter mir lassen. Das haben sie mir zumindest in der Therapie gesagt und ich will es versuchen. Es wird nicht einfach, aber ich muss es schaffen. Für mich.«

»Du bist ein kluger Junge, Fife.« Mein Vater lächelte. »Ich bin stolz auf dich. Wirklich stolz. Auch wenn der Grund mich traurig macht. Du solltest in deinem Alter nicht so ernst sein. Versuch ein wenig Spaß zu haben. Versprich es mir, ja?«
»Ich werde es versuchen, Dad.«
»Mehr verlange ich auch gar nicht. Und jetzt komm. Es wird Zeit fürs Frühstück.«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Texte: L. C. Mondry
Bildmaterialien: dary
Tag der Veröffentlichung: 24.08.2016

Alle Rechte vorbehalten

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