Kapitel 1
„Und jetzt verschwinde gefälligst! Ich will dich hier nie wieder sehen!“, schrie mir meine Mutter aus der Haustür hinterher. RUMMS! Die Haustür schlug lauter als nötig zu. Ein Wunder das die Scheibe noch heile war. Ich blickte nicht noch einmal zurück. Mit Wuttränen in den Augen, die ich zu unterdrücken versuchte, ging ich mit energischen Schritten zu meinem kleinen blauen VW Polo und schmiss meine Reisetasche in den Kofferraum, knallte die Klappe zu und stieg auf den Fahrersitz. Ich ließ den Motor an und kramte mein Handy raus, dann ließ ich die Kupplung kommen und während ich die Straße runterfuhr schaltete ich mein Tomtom ein um die Adresse, die ich zuvor in meinem Handy gespeichert hatte, dort einzugeben. Das Tomtom machte ein Piepgeräusch und ich gab die Adresse ein. „In 300m rechts abbiegen. Dann folgen sie dem Straßenverlauf.“ Sagte die auf Tonband aufgenommene Stimme des Navi´s. Ich folgte der Straße und bog rechts auf den Highway ab um diesem dann „4km zu folgen“. Ich fasste es einfach nicht. Wie konnte meine Mutter nur so weit abrutschen dass sie ihre eigene 17jährige Tochter aus dem Haus schmiss mit dem Argument, dass sie eine Socke auf dem Fußboden ihres Zimmers liegen lassen hatte während ihr eigenes aussah als würde dort seit Jahren niemand mehr saubermachen. Aber ich hatte keine Lust mehr auf eine weitere Diskussion in der zweifellos ich Recht hatte, also packte ich meine Tasche und lief unter weiteren Beschimpfungen aus dem Haus. Schon seit Monaten suchte ich vergeblich nach der Adresse meines Vaters doch nun endlich hatte ich jemanden gefunden der mein Vater sein konnte. Fotos, Geburtsurkunde, alte Bekannte, das Internet und Verwandte. Alles Faktoren die mir zu meinem, hoffentlich, Erfolg geholfen hatten. Die Fahrt sollte laut Tomtom viereinhalb Stunden dauern, also fuhr ich auf den nächsten Rastplatz um noch einmal zu einem überteuerten Benzinpreis nachzutanken und eine Wasserflasche zu kaufen um dann weiterzufahren. Immer der Straße entlang… Es war schon spät am Abend gewesen als ich losgefahren bin, was dazu führte, dass ich erst mitten in der Nacht in Phoenix ankam. Ein Strandhaus, nicht gerade klein, aus weißem Sandstein ragte zu meiner linken aus dem Boden wie ein Palast. Ich fuhr an den Straßenrand, darauf bedacht die riesige Einfahrt nicht zuzuparken. Dann stellte ich den Motor ab. Zum Glück konnte ich ihn noch eigenhändig abstellen, denn mein Tank zeigte schon seit einigen Kilometern an, dass der er leer war was bedeutete, dass ich mehr oder weniger hierher gerollt war. Ich machte die Fahrertür auf und stieg aus. Erst jetzt bemerkte ich, dass überall Autos standen und auf dem ganzen Grundstück Leute umhergingen, tanzten und lachten, sich betranken und Party machten. Scheiß Moment um meinem Dad zu begegnen…Falls mein Dad überhaupt hier wohnte…, dachte ich. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und ging die Einfahrt hoch. Ich fühlte mich fehl am Platz, denn alle anderen Mädels waren in kurze Kleider, Mini-Röcke oder Hotpants gekleidet, die Tops gaben tiefe Einblicke in das was sich wohl darunter verbarg. Das Alles noch getoppt durch viel zu viel Make-Up. Die Jungs waren nicht weniger stylisch angezogen. Ich fühlte mich DEFINITIV nicht wohl. Mit meinem schwarzen Kaputzenpulli auf dem ein großes Badman-Logo zu sehen war, eine etwas zerrissene Jeans und schwarzen Sneakers. Meine Haare fielen mir locker in kastanienbraunen Wellen über die Schulter, aber das war es dann auch schon. Kaum Make-Up, nur ein wenig Mascara, kein Schmuck, kein Garnichts. Und außerdem, wie sollte man sich schon fühlen wenn man auffiel wie ein bunter Hund? Alle guckten mich misstrauisch von der Seite an und beäugten mich spöttisch. Ich versuchte nicht rot anzulaufen und ging weiter bis zur Haustür. Die Klingel ignorierte ich geflissentlich da diese bei der lauten Musik sowieso niemand gehört hätte. Ich trat ein und guckte mich suchend um. Wieder nur ein Haufen Teenager die sich die Birne zukippten. Nichts zu sehen von einem Typen der aussah wie mein Vater. Wahrscheinlich hab ich mich in der Hausnummer geirrt, denn hier konnte unmöglich mein Vater wohnen. Plötzlich rempelte mich jemand an und ich stieß gegen das Mädchen das vor mir stand, sodass sie ihr Bier auf dem Fußboden verschüttete. Das Mädchen mit einem viel zu fetten Lidstrich und viel zu roten Lippen starrte mich wütend an. Fast hatte ich damit gerechnet dass sie mir die leere Bierflasche gegen den Kopf knallen würde. Da tippte mir jemand auf die Schulter: „Entschuldigung, ich hab dich nicht gesehen. Ist alles okay bei dir?“ Ein Typ, ca. 1.85 groß, schlank und mit schwarzen zotteligen Haaren durch die ich am liebsten durchgewuschelt hätte, so weich sahen sie aus. „Ja, alles bestens. Is ja nichts passiert.“ „Nichts passiert?!“, meldete sich das Mädchen das ich versehentlich angerempelt hatte. „Komm runter Janice, hol dir einfach ein neues Bier und gut is. Du brauchst ja nich direkt so einen Aufruhr zu starten.“, meinte der Typ. Jetzt wandte er sich wieder mir zu. „Ich bin übrigens Nick, und wer bist du? Ich hab dich hier noch nie gesehen. Hat Jake dich eingeladen?“ „Ich bin Leila und nein, ich kenne keinen Jake. Ich bin auf der Suche nach meinem Vater, er soll hier wohnen. Tom Parker? Sagt dir das was?“ „Klar, das is der Kerl den sich Jakes Mutter geangelt hat. Das Haus hier hat er Jake geschenkt damit der ihn als Familienmitglied akzeptiert. Hat er zwar nicht, aber dafür hat er das Haus. Und das ist ja auch schon mal etwas.“, sagte Nick und zwinkerte mir zu. Also hatte mein Dad sich eine neue Frau/Freundin zugelegt. Na das ist ja ein super Anfang. „Weißt du wo er ist?“, fragte ich Nick. „Ne, tut mir leid. Da musst du Jake fragen.“ „Und wo ist der?“ „Hier.“, sagte da eine raue Stimme hinter mir. Ich drehte mich um. Jake blickte mich mit einem hasserfüllten Blick aus seinen braunen Augen an. Seine Haare glänzten in einem hinreißenden schwarz-braun Mix. Sie waren nicht kurz aber auch nicht zu lang, sondern gingen ihm fast bis auf die Schultern. Er musterte mich abschätzig, was dazu führte dass ich nun doch rot wurde. Er war zu allem Übel auch noch etwas mehr als einen Kopf größer als ich. „Hi, ähm… Du bist also Jake?“ „Wer will das wissen?“ „Ich bin Tom Parkers Tochter, Leila.“ Er guckte mich verdutzt an. „DU bist die Tochter von dem Idioten?“ „Jetzt mach aber mal halblang! Ich kenne meinen Vater zwar nicht sonderlich gut, aber du musst trotzdem nicht so über ihn herziehen!“ „Is ja gut!“, sagte er in einem gelangweilten Ton. „Dann also die Tochter von Tom.“ „Ja. Kannst du mir vielleicht weiterhelfen?“ „Kommt drauf an, was willst du denn?“ „Weißt du wo er ist? Laut Adresse müsste er hier wohnen.“ „Das Haus läuft über seine Versicherung, gehört aber mir.“ „Also wohnt er nicht hier?“ „Nein.“ „Und wo ist der dann?“ „Soweit ich weiß dürfte er grade mit meiner Mutter in seinem Haus in Sydney sein.“ „Sydney??“ „Ja, wieso?“ „Ich… ach verdammt, es war eine scheiß Idee hierherzukommen. Ich gehe dann mal wieder.“ Ich drehte mich um und spürte die verwirrten Blicke von Nick, Jake und ein paar Umstehenden in meinem Rücken. Als ich meinen Polo erreicht hatte und gerade einsteigen wollte, packte mich eine Hand an meiner Schulter. Ich zog noch schnell mein Pfefferspray aus meiner Tasche ehe ich herumgewirbelt wurde. Ich hielt meinem Angreifer das Spray direkt ins Gesicht. „Wow, alles okay! Ich tu dir doch nichts!“ Mein Angreifer, der sich als Nick enttarnte, hob abwehrend die Hände. Ich ließ das Pfefferspray sinken und packte es zurück in meine Tasche. „Tut mir leid, ich hab Panik bekommen.“ „Schon okay.“ Nick lächelte. „Wieso bist du hinter mir her gekommen?“ „Ich wollte nur fragen wo du jetzt hinfährst.“ „Erst mal zur nächsten Tankstelle, in der Hoffnung dass ich da noch hinkomme, und danach in irgendein billiges Hotel wo ich mir meinen nächsten Schritt überlege.“ „Wieso fährst du nicht zurück nach Hause?“ „Lange Geschichte.“ „Hm, okay. Aber Hotel kommt garnicht erst in Frage! Du kannst mit zu mir kommen.“ „Nein, ich will wirklich niemandem zur Last fallen, ich schaffe das schon alleine. Aber danke.“ Ich lächelte ihn an doch er wirkte enttäuscht. „Ich würde es dir nicht anbieten wenn du mir zur Last falle würdest. Ich habe ein großes Gästezimmer und genug zu Essen. Außerdem würdest du Geld sparen, denn ich werde dir sicherlich kein Geld abknöpfen.“ „Das hört sich wirklich nett an, aber ich schaffe das wirklich schon.“ „Vergiss es, los, nimm dein Zeug mit, du kommst jetzt mit zu mir. Und keine Wiederrede!“ Das war sein letztes Wort, denn nun ging er zu meinem Kofferraum, holte mein Gepäck raus und brachte es zu seinem Wagen. Ein schwarzer Lamborghini. Dann ging er zurück zu meinem VW Polo und machte Türen und Kofferraumklappe zu. „Abschließen und mitkommen!“ Ich machte das Auto noch einmal auf um meine Handtasche zu holen, schloss das Auto ab und ging zögerlich zur Beifahrerseite auf der Nick stand und mir die Wagentür aufhielt. Ich setzte mich hinein und schnallte mich an während Nick ebenfalls einstieg und losfuhr. „Siehst du? Ist doch garnicht so schlimm.“ Er lachte und ich musste, von seinem Lachen angesteckt, ebenfalls lächeln. „Wie kommt es, dass man in deinem Alter schon so einen protzigen Wagen fährt?“ „Meine Eltern haben mehrere Firmen. Sie sind ziemlich erfolgreich und haben einen Haufen Kohle von der ihr Sohn natürlich auch einen großen Teil abbekommt und tadaa, ein Lamborghini, zwei Häuser und das schon mit 20.“ „Wow…“. „Und wie kommt es jetzt, dass du nicht zurück nach Hause kannst?“ „Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte. Und ich möchte nicht so gerne darüber reden.“ „Okay, dann vielleicht ein ander Mal.“ „Ja, vielleicht.“ Ich guckte aus dem Fenster. Der Strand zog im Schein des Mondes an uns vorbei. „Aber du verpasst doch jetzt die Party wegen mir.“ „Jake schmeißt fast jeden zweiten Tag eine Party, also was das angeht mach dir mal keine Sorgen.“ Nick lächelte mich an. Nach einer Weile des Schweigens wandte ich mich wieder an ihn, der gelangweilt auf die von Scheinwerfern erleuchtete Straße blickte. „Wohnst du alleine?“ „Ja. Vor ein paar Monaten hat meine kleine Schwester auch noch bei mir gewohnt, aber die wohnt jetzt mit ein paar Freunden in einer WG und studiert.“ „Ah, okay. Und du? Arbeitest oder studierst du auch?“ „Nein, das habe ich nicht nötig.“ Er lachte wieder. „Meine Eltern schicken mir und meiner Schwester monatlich tausende Dollar auf mein Konto. Wozu da noch arbeiten?“ Er lachte immer noch. „Und was machst du den ganzen Tag?“ „Ich bin in einem Volleyballteam, in einer Basketballmannschaft und spiele ab und an mit den versnobten Leuten Golf. Und sonst mache ich wozu ich gerade Lust habe.“ „Oha, also scheint es dir ja wirklich richtig gut zu gehen.“ Ich lächelte ein wenig. „So, da sind wir auch schon.“ Er bog links auf eine Einfahrt und parkte sein Auto in der Garage. Wir stiegen aus und ich sah das dreistöckige Haus mit riesigen Fensterfronten. Es war wunderschön. Die Außenfassade war aus schwarzen Steinen die durch das Mondlicht leuchteten. Er hatte schon mein Gepäck in der Hand ehe ich etwas erwidern konnte und ging zur Haustür. Er öffnete sie und drinnen ging das Licht an. Das Erste was ich sah war eine große Eingangshalle die in ein riesiges Wohnzimmer führte. Ich blickte mich ehrfürchtig um. Das Wohnzimmer besaß eine ganze Wand nur aus Glas die den Blick aufs Meer freigab. „Wunderschön.“, hauchte ich. „ Ja, nicht? Ich liebe es hier.“, sagte Nick der plötzlich direkt hinter mir stand. Er legte mir seinen Arm um die Schultern. „Magst du noch schwimmen gehen? Oder soll ich dir etwas zu essen machen? Oder möchtest du einfach nur schlafen gehen?“ „Ich würde wahnsinnig gerne schwimmen gehen. Es muss traumhaft sein im Mondlicht baden zu gehen.“ „Ja, das ist es wirklich. Dann zeige ich dir eben dein Zimmer und dein Bad, dann kannst du dich umziehen.“ Er nahm meine Hand und ging zurück in den Flur von dem aus eine große Wendeltreppe nach oben in das zweite Stockwerk führte. Vor dem zweiten Zimmer links blieben wir stehen. Nick öffnete die Tür und ich trat fasziniert ein. Auch dieses Zimmer besaß eine große Fensterfront von der man auf das Meer blickten konnte. Das Bett stand in der Mitte des Raumes, sodass es einen perfekten Blick auf den Strand freigab. Der Boden war aus schwarzem Marmor, die Wände waren weiß mit breiten schwarzen Streifen vom Boden bis zur Decke zwischendurch. An der rechten Wand stand eine Kommode auf der ein Strauß mit lila Blumen stand. Die Bettwäsche war aus einem feinen Stoff und ebenfalls lila. Eine Tür führte links in einen begehbaren Kleiderschrank, eine Glastür führte auf einen Balkon und durch eine weitere Tür auf der rechten Seite kam man in ein großes Bad mit Jacuzzi, Badewanne, Dusche und zwei Waschbecken. Der Boden war hier ebenfalls aus schwarzem Marmor, genau wie der Boden der riesigen Dusche. Der Rest war aus weißem geschliffenem Stein. Ich ging zurück in das große Zimmer und sah Nick an. „Es ist wunderschön! Und das ist wirklich das Gästezimmer?“ „Wenn du das schon toll findest solltest du die anderen Zimmer sehen und ganz besonders meins!“ Er lachte herzlich. Ich kam aus meinem staunen kaum wieder raus. „Definitiv besser als ein Hotel, findest du nicht?“ „Das kannst du laut sagen!“, erwiderte ich. „Dann zieh dich mal um, ich warte solange unten auf dich.“ Er drehte sich um und schloss die Tür. Ich ging zu meiner Reisetasche, kramte ein großes Handtuch und meinen weißen Bikini heraus und ging in das große Badezimmer, dass an mein Zimmer grenzte, um mich umzuziehen. Als ich fertig war ging ich Barfuß runter in das große Wohnzimmer und trat nach draußen in die Nacht. Die kühle Luft wehte durch mein Haar und ich atmete tief ein. Dann ging ich die Stufen von der Veranda hinunter und trat in den noch warmen Sand. Der Strand war breit und lang. Den Weg bis zum Wasser genoss ich und kurz vorher legte ich mein Handtuch in den Sand und ging mit den Füßen in das kalte Meer. Es umspielte meine Knöchel und ich ging weiter hinein. Als das Wasser mir bis zum Bauchnabel reichte tauchte ich unter und schwamm ein noch ein paar Züge weiter heraus. Ich genoss das Mondlicht auf meiner Haut und das Wasser war eine Erholung nach diesem Tag. Ich ließ mich auf dem Rücken treiben. Plötzlich ergriff mich etwas an meinem Knöchel und ehe ich aufschreien oder gar reagieren konnte wurde ich unter Wasser gezogen. Jetzt stirbst du, das kannst du nicht überleben! , dachte ich und versuchte meinen Knöchel aus dem eisernen Griff zu befreien. Als ich schon nichtmehr daran glaubte, dass ich mein Leben weiterleben könnte, war ich wieder an der Oberfläche. Ich spuckte Wasser aus, atmete tief ein und hustete ein paar Mal. Da schlangen sich starke Arme um meine Hüften und drehte mich um. Ich hatte Wasser in die Augen bekommen und sah nicht sofort wer es war, doch dann sah ich Nick wie er sich ein Lachen verkniff. Ich wurde rot vor Wut. „Du Arsch! Hast du eine Ahnung wie viel Angst ich hatte??“ Ich hustete noch zweimal. Und dann musste er doch laut auflachen. „Das ist NICHT WITZIG!“ „Oh doch, das ist es! Du müsstest dich gerade mal sehen!“ Er lachte immer noch. „Lass mich los!“ „Wie die Prinzessin verlangt.“ Er ließ mich los und ich tauchte wieder unter Wasser. Er zog mich wieder nach oben. „Haben wohl das Schwimmen verlernt, hm?“ Er lächelte mich an. „Tz.“ Doch nun musste ich auch lachen. Ich schwamm ein Stück zurück Richtung Strand bis ich wieder stehen konnte. „Wie konntest du mich nur so erschrecken? Du bist ein Idiot!“ „Tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht anders. Du bist so dahingetrieben und ich wusste du würdest mich nicht kommen hören, also ergriff ich die Chance.“ Er lachte wieder los. Ich boxte ihn spielerisch. „Aua!“ Er rieb sich die Schulter und guckte beleidigt. „Tat das echt weh?“ Ich bekam schon wieder ein schlechtes Gewissen. „Nein du Dummerchen, natürlich nicht.“ Er lachte wieder los. „Da bräuchte es schon einiges mehr um mir weh zu tun.“ Ich tat beleidigt und drehte mich mit verschränkten Armen um. Er legte mir seinen Kopf auf die Schulter und sagte: „Hey, das war doch garnicht so gemeint.“ Ich harkte meinen Fuß um seinen Knöchel und brachte ihn zu Fall. Nur dumm, dass er mich mitzog. Wir klatschten ins Wasser und kamen beide prustend wieder hoch. „Du bist mir ja eine!“ Er lachte und hob mich hoch. „Hey! Lass mich sofort wieder runter!“ Er antwortete mir nicht sondern trug mich immer weiter ins tiefe Wasser. Plötzlich schmiss er mich hoch und ich kreischte auf. Kurz danach fiel ich ins Wasser. Als ich wieder hochkam schwamm ich zu dem vor Lachen kaum atmen könnenden Nick und döppte ihn. So ging das noch eine ganze Weile bis ich schließlich zur Auszeit pfiff. Ich schwamm zurück zum Strand und lullte mich in mein kuscheliges Handtuch ein. Nick kam ebenfalls aus dem Wasser. Von seinen schwarzen Haaren rieselten kleine Wassertropfen in den Sand. Er lief ein Stück den Strand hinunter wobei ich seine starke Rückenmuskulatur bewundern konnte. Er hob etwas auf und kam dann zurück zu mir gerannt. Er hatte sich sein Handtuch geholt mit dem er sich nun den Kopf abtrocknete. Ich zitterte ein wenig als eine seichte Briese die Seeluft an den Strand wehte. „Ist dir kalt?“ „Ein wenig.“, erwiderte ich und als ob mein Körper diese Aussage noch untermauern wollte begannen meine Zähne zu klappern. Nick kam zu mir herüber und umarmte mich. Er strahlte eine enorme Wärme aus, was ich seltsam fand da, er ja auch aus dem kalten Wasser kam. Ich kuschelte mich an ihn, den Gedanken verdrängend, dass ich ihn erst seit ein paar Stunden kannte. Schließlich nahm er mich wie ein kleines Kind auf den Arm und brachte mich ins Haus zurück. Im Wohnzimmer ließ er mich sachte auf die Couch fallen und schloss dann die Terrassentür. Ich setze mich auf und trocknete mich weiter ab. „Am besten du nimmst erst einmal eine heiße Dusche und dann sehen wir weiter.“ Nick lächelte mich an und ich lächelte zurück. „Ja, ich denke das wäre das Beste. Und noch einmal vielen Dank für deine Großzügigkeit!“ „Hör auf dich ständig zu bedanken, ich mache das gerne für dich.“ „Aber trotzdem.“ Er lächelte weiterhin und scheuchte mich dann nach oben damit ich duschen konnte. Er ging mir hinterher, um dann noch ein Stockwerk weiter hoch zu gehen. Wahrscheinlich war dort sein Zimmer. Ich ging in das übergroße Bad um zu duschen. Nachdem ich geduscht hatte und mir eine schwarze Boxershorts und ein weißes Tanktop angezogen hatte lief ich nach unten und hielt nach Nick Ausschau. Er saß in einer dunklen Jeans und einem schwarzen T-Shirt auf dem Sofa und zappte die Sender durch. Als er mich sah legte er die Fernbedienung zur Seite und lächelt mich an. „Schon Bettfertig?“ „Es ist immerhin schon fast drei Uhr nachts.“ Ich musste lachen. „Dann solltest du schlafen gehen, sonst hast du morgen Augenringe.“ „Nein, alles okay. Ich bin noch nicht müde.“ „Hast du Hunger? Soll ich dir noch etwas zu Essen machen?“ „Auf garkeinen Fall! Wenn du mir sagst wo deine Küche ist mache ich mir ein Toast oder so und gebe dir dann das Geld zurück. Du musst ja nicht auch noch dein Essen mit mir teilen.“ „Ich bin derjenige mit dem Haufen Kohle, nicht du. Also lass dein Geld stecken. Aber meine Küche ist gleich die erste rechts wenn du aus dem Wohnzimmer kommst. Soll ich dir jetzt etwas machen oder willst du ohne Essen ins Bett?“ Er lachte schon wieder. „Na gut dann mach du mir was… Aber höchstens ein Toast oder so.“ „Geht klar.“ Er stand auf, nahm mich bei der Hand und zog mich mit in die riesige Küche in der ebenfalls überall schwarzer und weißer Marmor verlegt war. Er hob mich hoch und setzte mich auf die Küchenzeile. „Da bleibst du jetzt und guckst mir zu damit ich ja nichts falsch mache! Normalerweise kocht meine Haushälterin für mich.“ Nachdem ich ein mit Mühe zubereitetes Hawaiitoast gegessen hatte sagte ich Nick gute Nacht und ging hoch. In meiner Reisetasche lag meine Kulturtasche welche ich mir nun nahm um mir die Zähne zu putzen. Als ich meine abendliche Prozedur im Bad vollzogen hatte legte ich mich in das riesige Bett mit Meerblick.
Kapitel 2
„Hallo? Jemand zu Hause?“ Nick fuchtelte mit einer Hand vor meinem Gesicht herum. „Sorry, ich bin weggedöst.“ Ich blinzelte ein paar Mal und biss ein weiteres Mal von meinem Marmeladentoast ab. „Hast du was gesagt?“ „Ja, ich habe dich gefragt wie du geschlafen hast. Aber es scheint als hättest du überhaupt kein Auge zu bekommen.“ „Ich weiß auch nicht, mir ist viel durch den Kopf gegangen und ich kam einfach nicht zur Ruhe.“ „Möchtest du darüber reden?“ „Danke für das Angebot aber nein, ich schaff das schon.“ Ich rieb mir den Rest Schlaf aus den Augen und aß den letzten Bissen meines Toasts. Dann nahm ich meinen Kaffeebecher in die Hand und trank ein paar Schlucke. „Und was hast du heute vor?“, fragte Nick mich nach einer Weile. „Ich denke als erstes sollte ich noch einmal zu Jake um ihn nach der Handynummer meines Vaters zu fragen, dann müsste ich mal mit ihm telefonieren und so einiges klarstellen und wenn alles gut verläuft werde ich mich mit ihm treffen und über weiteres mit ihm reden.“ „Warte mal, du willst nochmal zu Jake?“ Nick guckte mich ungläubig an. „Ja, wieso? Ist das ein Problem?“, fragte ich und guckte ihn misstrauisch an. „Nein, es ist nur… Er ist… Er ist einfach kein guter Umgang für dich.“ „Ich brauche doch nur die Handynummer, dann bin ich sofort wieder weg. Ich hatte nicht vor mich länger bei ihm aufzuhalten.“ „Naja gut, aber pass auf dich auf.“ Was auch immer er mit seinem wirren Gerede meinte, ich nickte einfach und beließ es dabei. „Allerdings…musst du mich hinfahren.“ „Wieso denn das? Du hast doch auch ein Auto und…Ach ja, tut mir leid, ich vergaß.“ Er musste lachen. „Klar bringe ich dich hin.“ „Danke Nick.“ Ich lächelte. „Dann packe ich mal meinen Kram zusammen und dann können wir lo…“ „Halt! Wieso deinen Kram zusammen packen? Ich dachte du wolltest nicht länger bei Jake bleiben?!“ „Hatte ich auch nicht vor, aber ich hatte auch nicht vor dir noch länger dein Gästezimmer zu versperren.“ „Du versperrst gar nichts. Bitte bleib doch noch.“ „Nick, das ist echt lieb von dir, aber ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken dir nichts dafür zahlen zu können.“ „Ich habe dir doch gestern schon gesagt, dass ich kein Geld von dir brauche. Ich bin der mit reichen Eltern.“ Er guckte mich liebevoll an was mich ein wenig irritierte, da ich ihn erst seit gestern Abend kannte. Aber ich nahm es hin, ich wollte schließlich nicht unhöflich wirken. „Okay, Nick, ich mache dir ein Angebot.“ „Oho, ein Angebot.“ Er musste auflachen. „Dann fang mal an Frau Verhandlerin.“ Ich guckte ihn gespielt wütend an. „Machst du dich über mich lustig?“ Ein Lachen unterdrückend sagte er: „Aber nein, leg los. Wie sieht dein Angebot aus?“ „Also schön. Du fährst mich gleich zu Jake. Ich hole mir die Nummer und fahre wenn ich alles erledigt habe wieder zu dir. Aber vorher muss ich noch tanken. Sonst wird das mit dem fahren nichts. Und wenn alles schief läuft mit meinem Vater suche ich mir einen Job und miete mir eine kleine Wohnung an.“ „Neuer Plan.“ Ich guckte ihn verwundert an. „Ich fahre dich zu Jake. Du holst dir die Nummer während ich mit deinem Wagen tanken fahre. Dann fahren wir zwei wieder hierher, du telefonierst mit deinem Vater und wir überlegen zusammen wie es weitergeht. Falls es schief gehen sollte wirst du aber auf keinen Fall in so eine Bruchbude ziehen und bei einem scheiß Job arbeiten. Du bleibst solange bist du einen vernünftigen Job hast und dir eine normale und schöne Wohnung leisten kannst.“ Ich seufzte. „Okay, letztes Angebot. Wenn etwas schief gehen sollte werde ich hier bleiben bis ich mir eine normale Wohnung leisten kann und so weiter aber ich werde dir auch Miete zahlen.“ „Das kannst du direkt verge…“ „Nick! Entweder so oder ich ziehe in eine Bruchbude.“ „Na gut, dann zahl mir halt Miete, aber bleib.“ „Ja, ich verspreche es.“ Er lächelte. „Achso, aber wenn du mein Auto tanken willst dann nur mit meinem Geld.“ Er wollte gerade wiedersprechen als ich ihm einen warnenden Blick zuwarf. Nun war es Nick der seufzte. „Na gut.“ Gab er resignierend zurück. „Okay, wir sind da. Spring rein und hol dir die Nummer. Ich fahre in der Zeit tanken.“ „Okay, bis gleich.“ „Beeil dich. Ich find es ohnehin nicht toll, dass du da jetzt alleine reingehst.“ „Ja, ich beeil mich.“ Ich musste ein Lachen unterdrücken als er mich anguckte, als würde ein Teil seiner Welt zusammenbrechen, wenn ich jetzt zu Jake gehen würde. Ich stieg aus bevor er noch etwas sagen konnte. So schlimm konnte Jake ja nun nicht sein. Nick stieg ebenfalls aus und fuhr dann mit meinem Wagen zur nächsten Tankstelle.
Die Einfahrt war nun nicht mehr so voller Autos wie gestern Abend. Aber es standen noch hier und da einige herum. Vermutlich von denen, die sich gestern die Kante gegeben hatten. Ich ging mit einem mulmigen Gefühl zur Haustür und klingelte. Eine Weile war es still und ich wollte schon ein zweites Mal klingeln als ich Schritte hörte. Die Tür ging auf und Jake stand vor mir. „Was willst du denn schon wieder hier?“ „Keine Angst ich bleibe nicht lange. Ich brauche nur die Nummer von meinem Dad und dann bin ich wieder weg.“ Er rieb sich die verschlafenen Augen. ,,Dann komm rein, ich brauch erst mal nen Kaffee.“ Er drehte sich um und ich ging hinter ihm her nachdem ich die Haustür geschlossen hatte. Leise, in der Angst, ich könnte jemanden von denen wecken, die hier übernachtet hatten. Jake ging den langen Flur entlang der mit weißem Laminat ausgelegt war. Irgendwann ging er an einer gläsernen Schiebetür vorbei in eine riesige Küche. Eine Kücheninsel stand direkt in ihrer Mitte und am Rand standen Schränke mit Arbeitsplatten darauf. Weiße Hängeschränke, passend zu denen die auf dem Boden standen, hingen darüber. Ein zweitüriger Kühlschrank stand ebenfalls in einer der Ecken. Jake ging geradeaus zu der ziemlich teuer aussehenden Espressomaschine und stellte eine Tasse darunter. Dann drückte er auf mehrere Knöpfe und das heiße Getränk floss in den Behälter. Als die Tasse voll war nahm er sie in die Hand, pustete leicht und trank dann einen Schluck. Dann blinzelte er ein paar Mal und guckte wieder zu mir herüber. Ich hatte mich an die Wand neben der Schiebetür gelehnt und wartete bis er ansprechbar war. Er stand am anderen Ende des Raumes und blickte mir in die Augen. Dann ging er auf mich zu bis er mir gegenüber an der Kücheninsel lehnte. „Die Nummer von Tom.“ Keine Frage, eher eine Feststellung. „Ja.“ „Brauchst du Handy oder Festnetz?“ „Handy, ich glaube Festnetz würde mir erst mal nicht viel helfen.“ „Hast du Zettel und Stift?“ „Nein.“ Er stieß sich von der Platte ab und ging direkt auf mich zu. Erst bekam ich Panik bis ich bemerkte dass er neben mich griff um von dem Pinnboard einen Zettel zu reißen. Dann nahm er einen Kugelschreiber der darunter auf einem kleinen Regal lag. Er schrieb eine Nummer auf den Zettel und gab ihn mir dann. „Danke. Das war´s dann auch schon.“ Ich wollte mich umdrehen und gehen, doch er hielt mich an der Schulter fest ehe ich mich ganz umgedreht hatte. „Ist noch etwas?“, fragte ich verdutzt. Er antwortet nicht und nahm auch die Hand nicht von meiner Schulter. Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Jake guckte mich unverwandt an. Seine braunen Augen wurden etwas dunkler, fast schwarz, doch das konnte eigentlich nicht sein. Das musste mit dem Licht zu tun haben. Ich wollte mich bewegen doch mein Körper versagte mir den Dienst. Er kam noch einen Schritt näher auf mich zu und ich wollte fliehen, doch meine Knie sackten zusammen und ich fiel auf den Boden. Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen…
„Was hast du getan du wiederwertiges Arschloch?“ „Ich habe gar nichts getan! Was kann ich dafür wenn sie in Ohnmacht fällt?“ „Jetzt tu doch nicht so unschuldig!“ „Jetzt mach aber mal halblang! Was soll ich denn bitte gemacht haben?“ „Das weißt du genau!“ Ich hörte wie sich zwei Personen stritten. Zwei männliche. Ich konnte noch nicht identifizieren wer es war, mein Kopf dröhnte noch zu sehr. Ich wusste nicht mehr was passiert war, doch ich wusste, dass ich eigentlich auf dem Boden gelegen hatte. Es fühlte sich nun aber eher so an, als würde ich auf einem Sofa oder einem Bett liegen. Langsam verschwand das Gefühl der Taubheit und ich konnte mich wieder bewegen. Ich blinzelte und öffnete langsam meine Augen. Das Licht brachte mich dazu, die Augen wieder zusammenzukneifen. Als ich mich schließlich an die Helligkeit gewöhnt hatte setzte ich mich langsam auf. Ich massierte mir die Schläfen und öffnete meine Augen nun ganz. Ich lag auf einem großen grauen Sofa mit einem Haufen Kissen an den Lehnen. Im Türrahmen standen zwei Personen. Vermutlich die Beiden, die sich gerade unterhalten hatten. Doch sie hatten aufgehört und blickten nun zu mir. Es waren Jake und Nick. Einer der Beiden musste mich auf das Sofa gelegt haben. „Du bist wach.“ Nick. „Ja. Was ist passiert?“ „Du bist ohnmächtig geworden.“ Jake. Nick kam herüber und setzte sich neben mich. „Wie fühlst du dich?“ Ich musste wieder meine Schläfen massieren. „Ich habe unglaubliche Kopfschmerzen und mir ist noch leicht schwindelig aber sonst ist wieder alles okay denke ich…“ Nick guckte mich besorgt an, fast wie ein Hund der Angst um sein Herrchen hatte. Die Vorstellung brachte mich zum schmunzeln und ich guckte auf meine Füße. Jake hatte sich keinen Meter bewegt und lehnte jetzt an der Tür so wie zuvor ich in der Küche. „Wieso bin ich ohnmächtig geworden?“ Wieder war es Nick der antwortete: „Ich glaube du hast einfach zu wenig getrunken und der Stress um deinen Vater hat deinen Kreislauf etwas strapaziert.“ Nick warf Jake einen wütenden Blick zu und dachte wohl ich würde es nicht sehen, doch ich guckte genau in diesem Moment hoch. „Hier stimmt doch was nicht.“, sagte ich ernst wobei ich erst Nick und dann Jake ansah. „Was sollte denn nicht stimmen? Du bildest dir da etwas ein. Komm erst mal mit, ich bring dich zu mir und mache dir einen Tee während du dich auf der Couch ausruh…“ „Nick ich bitte dich. Ich bin noch nie Ohnmächtig geworden! Und normalerweise trinke ich normale Mengen. Und heute habe ich auch mehr als genug getrunken. Du kannst mir nicht erzählen dass ich deshalb zusammengebrochen bin.“ „Vielleicht kamst du ja auch nicht mit meinem umwerfenden Aussehen klar.“ Jake zwinkerte mir mit verschränkten Armen zu. „Jake halt den Rand.“ Nick guckte ihn wieder wütend an. „Jetzt komm erst mal mit. Du brauchst Ruhe. Danach klären wir den Rest.“ Ich hatte keine Lust mit den Beiden weiter zu diskutieren, deshalb stand ich auf, quetschte mich in der Tür an Jake vorbei und ging zu meinem Auto. Nick lief mir hinterher doch bevor er etwas einwenden konnte saß ich in meinem Auto und fuhr los. Er hatte sein Auto schließlich auch da. Doch ich hatte nicht vor zu ihm zu fahren. Ich brauchte einen klaren Kopf. Ich drückte also ordentlich aufs Gaspedal und holte alles aus meinem Auto raus was es hergab. Ich blickte in den Rückspiegel und als ich niemanden sah verlangsamte ich mein Tempo wieder etwas. Ich fuhr Richtung Küste. Als ich die Dünen von der Straße aus sah hielt ich mein Auto an und stieg aus. Den Rest lief ich. Am Wasser angekommen zog ich meine Schuhe aus um Barfuß weiterzugehen. Jetzt hieß es Gedanken sortieren. Meine Mutter schmeißt mich raus, ich fahre los um meinen Vater ausfindig zu machen, lande in dem Haus meines ,,Stiefbruders", platze in seine Party rein, lerne einen wildfremden Kerl kennen und fahre direkt mit ihm nach Hause nur weil mein Tank leer ist, flirte mit ihm, schlafe in seinem Haus, fahre wieder zu meinem ,,Stiefbruder" und werde ohnmächtig. Das macht doch alles keinen Sinn. Wie kam ich nur auf die idiotische Idee mit einem Kerl mitzufahren den ich nicht einmal kannte? Es hätte ein Psychopath sein können! Er hätte mich im Meer ertränken können, was er auch beinahe geschafft hätte, oder mich im Schlaf erdrosseln können. Er hätte mich sogar vergewaltigen können ohne dass es jemand mitbekommen hätte! Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich werde mir schleunigst ein Hotel suchen um nicht weiter bei ihm zu wohnen. Doch, verdammt, meine ganzen Sachen sind ja noch bei ihm! Dass heißt, ich werde noch einmal zu ihm zurück müssen. Nachdem ich noch eine Weile am Strand auf und ab gelaufen war, ging ich wieder zu meinem Auto und machte mich auf den Weg zu Nick.
Kapitel 3
Sein Auto stand vor der Tür und ich überlegte mir was ich ihm erklären sollte. Moment mal, wieso erklären? Ich war im Recht! Ich ging zur Haustür, doch ehe ich hätte klingeln können sprang die Tür auf und Nick nahm mich hoch und drückte mich an sich. „Mach das nie wieder!“, nuschelte er in meine Haare. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!“ Ich machte mich los sodass ich wieder auf eigenen Füßen stehen konnte. Ich hatte kurz das Verlangen gehabt mich ebenfalls an seinen Hals zu schmiegen und einfach alles zu vergessen, doch ich hatte etwas zu erledigen! Meine Sachen holen und dann meinen Vater ausfindig machen. „Nick, ich habe da keine Zeit zu. Ich hole jetzt meine Sachen und verschwinde.“ Er guckte mich verdattert an. „Du…Du…“ Das war wohl das letzte womit er gerechnet hatte. „Du kannst doch nicht einfach weggehen!“ Ich blickte ihm ohne jegliche Gefühlsregung ins Gesicht, ging an ihm vorbei und die große Treppe hoch ins zweite Stockwerk. Hinter mir hörte ich wie die Haustür wütend zugeknallt wurde und danach hektische Schritte in meine Richtung. Ich lief in das Zimmer in dem ich meine Sachen liegen hatte und kramte alles zusammen so schnell es ging. Dann nahm ich meine Taschen und raste an dem gerade ins Zimmer getretenem Nick vorbei die Treppe wieder herunter. Doch bevor ich den Knauf der Haustür berührt hatte packte mich eine Hand an der Schulter und riss mich herum. „Leila, bitte geh nicht.“ Hatte Nick Tränen in den Augen? Nein, das bezweifle ich. Schließlich kannten wir uns kaum. „Nick, ich…“ „Bitte, ich habe dir doch nichts getan. Bitte bleib bei mir.“ Er guckte mich flehend an. Nick nahm mir meine Taschen aus den nun kraftlosen Händen und stützte seine Hände links und rechts neben meinem Kopf an der Tür ab. Ich weiß nicht was mit mir los war, doch ich hatte plötzlich keine Kraft mehr in Armen und Beinen. Ich war froh, dass ich noch aufrecht stehen konnte. „Warum Nick?“ „Warum was?“, raunte er. „Warum willst du mich hier haben? Wir kennen uns doch garnicht richtig.“ „Gegenfrage, warum willst du weg?“ „Ich habe zuerst gefragt.“ „Das tut nicht zu Sache.“ Er lächelte mich an und machte einen Schritt zurück. Dann nahm er meine Hand und zog mich sanft ins Wohnzimmer. Ich muss hier rauskommen!, dachte ich. Wir setzten uns auf das riesige Sofa und sahen uns direkt in die Augen. Irgendetwas stimmte jedoch nicht. Seine Augenfarbe veränderte sich leicht von smaragdgrün zu einem dunkleren Ton. Doch da musste ich mich geirrt haben. Seltsam war es allerdings schon, denn das Gleiche ist auch bei Jake passiert. Ich verscheuchte den Gedanken sofort und sah aus den riesigen Fenstern auf das Meer hinaus. „Warum willst du weg von mir?“ Ich war ihm keine Rechenschaft schuldig, ich war ihm keine Rechenschaft schuldig! Redete ich mir ein und dann sagte schließlich: „Warum sollte ich hierbleiben?“ „Ich will nicht, dass du gehst.“ „Aber wieso?“ Er zögerte. Man konnte sehen wie er mit sich kämpfte. „Ich…kann es dir nicht sagen.“ „Nick, wenn du mir nichts sagst wieso, dann gehe ich. Auf der Stelle.“ Er blickte mich verzweifelt an. „Bitte Leila, bleib hier! Du musst mir einfach glauben. Ich kann und darf es dir nicht sagen, dass haben mir die Götter…Verdammt! Ich sage schon wieder viel zu viel.“ „Die Götter? Nick wovon redest du?“ „Leila bitte, ich darf es dir wirklich nicht sagen. Aber bitte glaub mir. Es gibt tausende Gründe weshalb du hierbleiben solltest!“ „Dann nenn mir mindestens einen!“ Nun war ich sichtlich verwirrt. Die Götter? Was zum Henker hatte das Ganze mit den Göttern zu tun? Noch dazu, die gab es doch garnicht. Die griechische Mythologie hat mich zwar schon immer fasziniert, aber richtig glauben, dass es Götter wirklich gab, tat ich nicht. „Du solltest nicht als siebzehnjährige alleine durch Phoenix laufen! Es laufen Leute hier herum die es lange nichts so gut meinen wie ich es tue! Du kannst mir vertrauen. Ich will dir nichts antun.“ Nun blickte er mich wieder verzweifelt an. Das Dunkle in seinen Augen wich wieder dem schönem Grün Ton von vorher. „Ich werde mich jetzt in mein Auto setzten und wegfahren. Ich werde alles noch einmal überdenken und dann komme ich später wieder und sage dir was ich machen werde.“ „Bist du wahnsinnig geworden?“ Sein Ton klang wütender als er vermutlich hätte klingen sollen. „Hast du eine Ahnung was dir alles passieren kann?“ „Jetzt musst du mir vertrauen.“ Er rang mit sich doch schließlich gab er nach und ließ mich fahren. Ich brauste den Highway entlang, ohne zu wissen, wohin ich eigentlich fahren wollte. Als ich mein Auto stoppte, erkannte ich wohin es mich mein Auto gelenkt hatte. Ohne es gewollt zu haben war ich zu Jake gefahren und stand nun in seiner Einfahrt. Das Licht brannte, was bedeutete, dass er vermutlich zu Hause war. Ich brauchte Klarheit, das wusste ich jetzt. Ich hatte Jake und Nick gestern reden hören und genau dieses Gespräch ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und klingelte. Genau wie beim ersten Mal musste ich eine Weile warten bis er aufmachte.
„Leila. Hat Nick dich weggelassen?“ „Er hat mir nichts zu sagen und ich wohne nicht bei ihm. Ich kann kommen und gehen wie ich will.“ Er stand mit verschränkten Armen im Türrahmen. „Naja gut, was möchtest du denn von mir?“ „Kann ich vielleicht…reinkommen?“ Jake runzelte die Stirn. „Klar.“ Er ging nur einen kleinen Schritt zur Seite, sodass ich mich an ihm vorbeiquetschen musste. Er lächelte mich an und trieb mir somit die Schamesröte ins Gesicht. Ich ging weiter, jedoch wusste ich nichts so recht in welches der vielen Zimmer ich gehen sollte. „Ähm…wo können wir reden?“ „Wohnzimmer.“ Er deutete in die Richtung und ging dann in die Küche. Ich ging ins Wohnzimmer und setzte mich auf das Sofa, auf dem ich nach meinem Schwächeanfall aufgewacht war. Jake kam nicht sofort hinter mir her und ließ auf sich warten. Nach einer Weile kam er mit zwei Bechern Kaffee zu mir aufs Sofa. „Du trinkst doch Kaffee?“ „Ja.“ Ich nahm mir eine der beiden Tassen und genoss die Wärme die sie ausstrahlte. Jake lehnte sich genüsslich zurück und legte die Füße auf den Couchtisch. Ich blieb an der Kante des Sofas sitzen. Wir tranken unseren Kaffee bis Jake schließlich das Schweigen unterbrach: „Wieso bist du hier?“ Ich zögerte, wusste nicht wie ich anfangen sollte, doch dann fielen mir die Worte meiner Mutter wieder ein, die sie mir gesagt hatte bevor sie alkoholabhängig geworden war, weil sie die Trennung von meinem Vater nicht verkraftet hatte. Dies geschah als ich gerade mal 3 Jahre alt war. Seither trank sie als ob es kein Morgen mehr gäbe. Auf jeden Fall hatte sie mir damals immer wieder gesagt: „Angriff ist die beste Verteidigung.“ Und das setzte ich jetzt in die Tat um. „Wieso bin ich ohnmächtig geworden? Und wag es nicht mir Lügen aufzutischen!“ Er blickte immer noch gelangweilt drein. „Ich kann´s dir nicht sagen.“ Ich guckte ihn wütend an. Dann seufzte ich. „Ich weiß das die “Götter“ da mit drinnen hängen, also bitte erklär mir jetzt was los ist.“ „Hat Nick dir etwa was verraten?“ Er war wütend. Sein Interesse war geweckt. „Es ist ihm nur rausgerutscht. Aber du hast mir gerade die Bestätigung gegeben, dass die “Götter“ da tatsächlich mit drinnen hängen. Also? Ich höre.“ „Wie schon gesagt, ich kann es dir nicht sagen! Ich lasse mich nicht von dir beeinflussen, ich bin stärker als Nick!“ Damit war sein letztes Wort gesprochen. Er knallte die Tasse auf den Tisch und ging davon. Ich stellte meine Tasse ebenfalls auf den Tisch und ging dann zu meinem Auto. Fazit? Jap, es hatte etwas mit Göttern zu tun. Aber was? Ich hatte, außer im Geschichtsunterricht als wir über Griechenland und die Mythologie gesprochen hatten, nichts von denen gehört. Und warum sollten sie auch existieren? Und außerdem, warum sollte ich wegen denen ohnmächtig werden? Die haben, wenn es sie wirklich geben sollte, mit Sicherheit besseres zu tun als irgendwo ein Mädchen ohnmächtig werden zu lassen oder etwa nicht? Eine weitere Frage die mir durch den Kopf waberte war, warum Jake gesagt hatte, er wäre stärker als Nick. Was sollte das denn nun schon wieder heißen? Von den Muskeln her nahmen sie sich beide nicht viel, aber selbst wenn, dann würde ich sagen das Nick mehr hatte als Jake…
Ich realisierte erst zu spät das ich angehalten hatte, und das mitten auf dem Highway, als schon ein Auto von hinten in mich reinknallte. Ich stand direkt hinter einer Kurve, sodass man mich nicht sehen konnte, ehe es zu spät war. Der Lärm war ohrenbetäubend, Glas flog durch die Luft, gefolgt von anderen Teilen des Autos. Durch den Aufprall des anderen Autos wurde mein Wagen mitgerissen und wir rutschten gemeinsam auf eine Klippe zu. Alles geschah wie in Zeitlupe. Ehe ich es mir versah, hing mein Auto halb über der Klippe, halb auf der Straße und schwankte bedächtig. Mein Schädel tat höllisch weh und als ich meine Hand hob und meinen Kopf abtastete, spürte ich die warme Flüssigkeit, bevor ich sie sah. Ich musste Glassplitter in meinem Kopf stecken haben. Die Airbags waren aufgegangen, doch schon wieder erschlafft und nun saß ich unter Schock in meinem Auto. Konnte mich nicht bewegen. Meine Beine waren eingequetscht und überall war Blut. Ich hörte wie das Auto hinter mir explodierte und die Wucht der Explosion gab meinem Wagen den Rest und er sauste die Felswand hinab in meinen sicheren Tod. Der letzte Gedanke, den man in Geschichten vor dem Tod hatte, blieb aus. Ich starrte einfach nur nach draußen und wartete auf mein Ende…
Kapitel 4
Ein kühler Windzug. Ich spürte weiche Laken, die mich umgaben wie Federn. Ich lag. Es war still. Fast schon zu still. War das der Himmel? War ich tot? Ich öffnete langsam meine Augen, doch musste sie wegen des blendenden Lichts wieder schließen. Wo war ich? Just in dem Augenblick hörte ich eine Stimme neben mir. Konnte jedoch weder diese, noch die Worte entziffern. Es war eher ein rauschen, eine Melodie, keine konkreten Wörter. Noch einmal versuchte ich meine Augen zu öffnen und diesmal gelang es mir. Über mir flogen flauschige Schäfchenwolken vorüber. Die Luft war klar. Der Himmel in einem wunderschönen blau.
Neben mir stand eine Frau on einem bodenlangen weißen Kleid. Um ihre Taille waren braune lederbänder gebunden die wie eine Korsage aussahen. Sie war sehr zierlich und doch sah sie mächtig und wunderschön aus. Ihre blonden Haare fielen ihr bis weit über die Hüfte. Eine atemberaubende Schönheit. Ihre Augen waren aus einem so unnatürlichen Blau, dass ich glaubte, von ihnen hypnotisiert zu werden. In ihrem Haare waren rote Rosenknospen an manchen Stellen eingeflochten. Als sie mir nun direkt in die Augen blickte lächelte sie und ging anmutig in die Hocke. Ich war wie wie erstarrt und ihr Blick ließ mich nicht los. Sie strich mir sacht über Stirn und Wange und nahm schließlich eine meiner Haarstränen in die Hand um sie zu flechten. Ich schaffte es schließlich mich aufzusetzten und realisierte, dass ich träumen musste. Der Fußboden und alles drumherum sah aus wie eine Wolke, nur das diese von innen ausgehüllt zu sein schien. "Wo bin ich? Und wer sind sie?", fragte ich nach einer Weile. Die Frau setzte sich neben mich und spielte weiter mit meinen Haaren. "Ich bin Aphrodite. Die Göttin der Schönheit. Du bist mehr oder weniger...im Himmel." Ich schaute sie verwirrt an. Aphrodite? Himmel? Jap! Definitiv ein Traum. Ganz ruhig Leila., dachte ich. "Nein, kein Traum meine Liebe. Ich bin es wirklich und dies ist zwar nicht der Himmel aber sowas in der Art." "Wie soll ich das verstehen? Eine Art Himmel? Was soll das denn sein?" Und wieso wusste sie das ich das dachte? "Zum ersten: Der Himmel sieht um einiges besser aus als dieser Ort hier. Der genaue Name dieses Ortes lautet Obsecro, was soviel bedeutet wie Begnadigung oder Galgenfrist. Hierher kommen die Menschen, die wir noch nicht dafür auserkoren hatten zu sterben. Die Toten selber kommen in die Unterwelt und gehen einen steinigen und harten Weg bis zum Fluss Lethe, der sie alles was sie jemals wussten vergessen lässt damit ihre Seelen wiedergeboren werden können. Du jedoch hast dein Ende noch nicht erreicht, desshalb bist du hier. Und zum zweiten: Ich bin eine Göttin. Was erwartest du denn von mir? Natürlich kann ich deine Gedanken hören. Und bevor du immernoch denkst es sei nur ein Traum, dann liegst du falsch. Und nun komm mit mir, ich muss dir jemanden vorstellen." Aphrodite erhob sich und reichte mir die Hand. Verdutzt guckte ich sie an. Es kann doch nicht war sein. Den Himmel, die Unterwelt,...all das gibt es doch garnicht! "Doch das tut es, und jetzt komm, ich hab zwar ewig Zeit, aber andere nicht." Okay, das mit dem Gedankenlesen stimmt. Ich nahm ihre Hand und erhob mich. Dann ging sie vorraus ohne das ich erkennen konnte wohin, da ohnehin alles gleich aussah. Plötzlich wurde es verdammt hell um Aphrodite und ehe ichs mich versah war sie verschwunden. Einfach weg. Ich drehte mich um, doch sah niemanden. Schließlich machte ich einen Schritt nach vorne. Und noch einen. Bis zu der Stelle an der sie verschwunden war. Als ich genau an der selben Stelle stand fühlte ich ein Kribbeln durch meinen Körper gehen und zwei Sekunden später war ich in gleißendes Licht gehüllt wesswegen ich meine Augen schließen musste. "Nun komm schon!" Ich öffnete meine Augen wieder und sah Aphrodite auf einer schier unendlich weit reichenden Fläche aus makellosem Rasen. Sie drehte sich um und schritt einen Weg entlang der bis zu riesigen weißen Marmorstufen führte. Diese wiederrum führten zu einem gigantischen Palast aus ebenfalls weißem Marmor und vielen Säulen. Aphrodite ging auf die Türen zu welche sich ganz von alleine öffneten. Ich folgte ihr schnell und stand in einer Eingangshalle in der nichts als ein paar Säulen standen. Weiter hinter Aphrodite hertrabend fragte ich mich, ob diese Halle irgendwann ein Ende nehmen würde. Endlich blieb sie stehen und deutete auf einen Kreis aus unterschiedlich hohen weißen Stühlen. Der höchste und größte von allen war aus purem Gold. Als Aphrodite sich auf näherte erschiehnen nach und nach Gestalten auf den Stühlen. Ein Mann mit Dreizack in der Hand, neben ihm eine Frau mit Bogen über der Schulter und einem Köcher Pfeile neben sich.
Tag der Veröffentlichung: 08.12.2013
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