Cover

Titel

 Der Weg in die Freiheit

 

Sitala Helki

Impressum

 

Der Weg in die Freiheit

Sitala Helki

 

© Sitala Helki 2019

c/o Papyrus Autoren-Club

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

sitala_helki@gmx.de

 

www.sitalahelki.de

 

Covergestaltung: Caro Sodar

Bildmaterialien Cover: unsplash.com, pixabay.com

 

Lektorat/Korrektorat: B. Frielingsdorf, K. Meier

 

Sämtliche Personen und Ereignisse dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung der Covermodels aus.

 

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Inhalt

Julius hat genug davon, als homosexueller Mann verachtet und übergangen zu werden und beschließt, etwas zu ändern – sich zu ändern, der Skepsis seiner Freunde zum Trotz. Von Kindheit an darauf getrimmt, dass nur eine heteronormative Lebensführung die richtige sein kann, ist er fest entschlossen, dies endlich umzusetzen. Und tatsächlich scheinen seine Bemühungen von Erfolg gekrönt, wäre da nicht Bernd, der sich immer wieder ungefragt in seine Träume und Gedanken schleicht …

Danksagung

Eigentlich bin nicht der Typ dafür, Dankesreden oder Widmungen in Bücher zu schreiben. Doch in diesem Fall ist es mir ein besonderes Anliegen, zwei Personen zu danken, ohne die es diese Geschichte nicht gegeben hätte: Caro und Bernd.

 

Caro, ich danke dir dafür, damals die Aktion »Eine Geschichte für Bernd« ins Leben gerufen und meine Muse mit deinem Bild angepikst zu haben.

 

Bernd, du bist die gute Seele jedes meiner Bücher – und ganz besonders dieses. Du tust so viel für mich und ich habe im Gegenzug immer das Gefühl, dir nicht genug zurückgeben zu können. Deshalb schrieb ich diese Geschichte. Eine Geschichte, die nur entstanden ist, weil es dich gibt. (Nicht zu vergessen, dass du sogar den Titel beigesteuert hast – und wir alle wissen doch, wie schwer mir die Titelsuche jedes Mal aufs Neue fällt – und ich einmal ungeniert deinen Namen verwenden konnte, ohne dass es sich komisch anfühlte.)

Danke!

1

»Mein Name ist Julius und ich suche den Weg in die Freiheit.« Verdammt, selbstbewusst klingt eindeutig anders. Vielmehr spiegelt das Zittern meiner Stimme die Angst vor Anfeindungen oder Gelächter wider.

Dachte ich bis vor ein paar Minuten noch, Beschreibungen von schmerzhaft in der Brust hämmernden Herzen wären maßlos übertrieben, werde ich in diesem Augenblick eines Besseren belehrt. Es krampft regelrecht. Aber nicht nur mein Herz, auch sämtliche Blutgefäße pulsieren, vor allem im Hals. Jeder einzelne Herzschlag verschlimmert meinen Zustand. Unauffällig versuche ich zu schlucken. Vergebens. Hitze durchströmt mich wellenartig und ich verfluche mich dafür, diesen Fleece-Pullover angezogen zu haben.

Nach Bestätigung suchend schaue ich mich um. Acht Augenpaare mustern mich interessiert. Darunter eines, welches mir bereits vor Beginn dieser Gesprächsrunde aufgefallen ist: Hellblaue, strahlende Augen, umgeben von Fältchen, die davon zeugen, dass der dazugehörige Mann viel lacht. Dennoch liegt ein harter Zug um seinen Mund. Skepsis steht in seinen Blick geschrieben und die verschränkten Arme unterstreichen die Abscheu, die er ausstrahlt. Ganz so als wäre er nicht freiwillig hier oder als hätte er kein Vertrauen in den Erfolg dieser Veranstaltung. Ich verspüre das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen und ihm zu versichern, dass es keinen Grund für Zweifel gibt.

»Hallo Julius«, antwortet mir die gesamte Gruppe im Chor. So ähnlich stelle ich mir ein Treffen der Anonymen Alkoholiker vor. Grotesk, wenn man bedenkt, dass ich lediglich hier bin, um endlich normal zu werden.

Konrad, der Gruppenleiter, welchen ich auf Anfang dreißig schätze, ergreift das Wort. »Schön, dass du zu uns gefunden hast, Julius. Magst du uns von dir erzählen?«, fragt er freundlich. Das Lächeln ist offenbar in seinem Gesicht eingefroren. Mit den leicht gelockten, blonden Haaren, die ihm bis zu den Schultern reichen, der hellen Cordhose und dem dunkelgrünen Strickpulli wirkt er eher wie ein Spät-Hippie oder Ökoaktivist, als dass man ihn für einen der renommiertesten Reorientierungsbegleiter halten würde.

Man mag sich wundern, was ein Mann in meinem Alter hier sucht. Schließlich bin ich mit fast vierzig Jahren längst erwachsen und sollte einen festen Platz im Leben gefunden haben. Tja, sollte …

Zwar rede ich nur ungern über mich, aber darin liegt nun einmal der Sinn dieser Gruppe. Außerdem fiebere ich seit Wochen auf diesen Workshop hin. Endlich wird die Therapie abgeschlossen. Seit über einem Jahr konsultiere ich regelmäßig Dr. Gutleben. Er war der Erste, der mir zuhörte und meine Bedenken ernst nahm. Mit seiner Hilfe werde ich in absehbarer Zukunft endlich das Leben führen können, welches ich mir seit meiner Kindheit wünsche: vollkommen selbstbestimmt und ohne gesellschaftlich anzuecken. Viel zu lange habe ich mich gequält und mich nirgendwo dazugehörig gefühlt, aber das wird bald der Vergangenheit angehören.

 

Ich räuspere mich und greife zu meinem Wasserglas, nur um meine Hand gleich wieder zu senken. Ich zittere viel zu stark. Das würde nur in einer unfreiwilligen Dusche enden. Mein Blick huscht in die Runde. Abgesehen vom Gesprächsleiter sitzen hier noch zwei Frauen und fünf Männer. Von Anfang zwanzig bis Mitte fünfzig sind alle Altersstufen vertreten. Erneut kann ich mich kaum von dem Typ mit den Wahnsinnsaugen losreißen. In ihnen könnte man sich verlieren. Ich stelle mir vor, wie wir allein sind, wie er mich voller Verlangen mustert. Wie sich wohl seine Hände auf meiner Haut anfühlen? Nein, verdammt. Was ist denn mit mir los? Solche Gedanken hatte ich doch seit Wochen nicht mehr!

»Ich bin lange Zeit schwul gewesen«, erkläre ich leise. Ich weiß, dass Nervosität in dieser Umgebung unnötig ist, doch mein bisheriges Leben bestand nur aus Hass und Ablehnung. Sei es wegen meiner vermeintlichen Natur oder dem Wunsch, mich anzupassen. Daher ist mein Selbstbewusstsein schon vor langer Zeit auf der Strecke geblieben. Konrad lächelt mir aufmunternd zu. Ich nicke und räuspere mich. Am liebsten würde ich dezent den Pulloverausschnitt lupfen oder das Ding gleich ganz ausziehen. Hier drin ist es viel zu heiß. Doch es nützt alles nichts. Jetzt ziehe ich es durch.

»Aber ich weiß, dass es verkehrt ist. Denn es fühlt sich falsch an. Deshalb bin ich hier.« Ich schaffe es kaum, Blickkontakt mit einem der Anwesenden zu halten. Zur Beruhigung zähle ich meine Atemzüge. Eins, zwei, drei … Ich schlucke. Niemand sieht mich verständnislos an oder amüsiert sich über meine Worte. Nicht so wie meine sogenannten Freunde. Jene hielten meine Pläne tatsächlich für einen Scherz. Wobei ich sie in gewisser Weise verstehen kann. Schließlich hört es sich wenig glaubhaft an, wenn man verkündet, für eine Wesensänderung drei Tage in der Walachei verbringen zu wollen. Ihre Belustigung hielt jedoch nicht lang an. Wohl weil sie erkannten, dass ich es ernst meine. Flo, mein bester Freund und Mitbewohner, redete am dringlichsten auf mich ein. Bis heute haben wir unsere WG nicht aufgelöst. Während der Zeit meines Studiums und seiner Ausbildung hielt uns die Geldnot zusammen. Mittlerweile hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt, welche ich nicht missen möchte. Zudem ist es ein beruhigendes Gefühl, abends nicht in eine leere Wohnung heimzukehren.

Vor allem von ihm hatte ich mehr Verständnis erwartet. Schließlich ist er selbst hetero. Dass die anderen versuchten, mich mit fadenscheinigen Argumenten hiervon abzuhalten, hatte ich vorhergesehen, sind sie doch genauso fehlgeleitet wie ich. Nur habe ich mittlerweile die Absurdität erkannt. Ihnen steht dieser Schritt noch bevor, sofern sie jemals bereit sein werden. Ich bekehre niemanden, denn ich bin kein Messias und akzeptiere ihre Art zu leben, sonst wären wir wohl kaum befreundet. Doch nur weil sie es nicht verstehen, heißt es ja nicht, dass mein Weg falsch ist.

»Ich hab lange Zeit sexuell mit Männern verkehrt, hab in oberflächlichen Beziehungen gelebt, die nie von Treue geprägt waren.« Seufzend denke ich an Axel zurück, meinen letzten Freund. Anfangs spielte er mir die große Liebe vor, beteuerte, ich sei der Einzige für ihn und dass er keine anderen Männer ansehen wolle, was ich nur zu gern glaubte. An dieses Versprechen hielt er sich auch – für etwa drei Wochen. Dann wurde ich langweilig. Ihm fehlte der Kick. Mein Wunsch nach einer harmonischen Beziehung ließ mich seine Untreue viel zu lang ertragen. Doch als ich ihn eines Tages im Bett mit gleich zwei Kerlen erwischte und ihm eine Szene machte, lachte er nur. Du bist echt selten dämlich. Was du dir wünschst, gibt es bei uns nicht. Mann, das ist doch das Geile an uns Schwulen. Sex und hopp. Wer will schon nervigen Beziehungsstress?

Erst wollte ich es nicht wahrhaben, aber bei näherer Betrachtung sah ich es ein. Jede heterosexuelle Beziehung meines Freundes- und Bekanntenkreises ist von Harmonie geprägt, während die der homosexuellen Paare nie von Dauer sind und sich im Grunde nur um das Eine drehen. Dabei hatte ich so sehr gehofft, es allen Pöblern und erst recht meiner Mutter beweisen zu können. Nämlich dass Schwule nicht ekelhaft sind. Dr. Gutleben bestätigte mir, was ich unterbewusst schon lange wusste: Das Ausleben meiner vermeintlichen Homosexualität stellt lediglich eine Rebellion gegen meine dominante Mutter dar.

Mein Vater verstarb, als ich sieben Jahre alt war. Seit dieser Zeit fehlte mir eine männliche Bezugsperson. Laut meinem Therapeuten war dies der Grund, weshalb ich mit vierzehn zu experimentieren begann. Meine Mutter erwischte mich damals beim Knutschen mit meinem ersten Freund. Die folgende Tracht Prügel machte es mir für mehrere Tage unmöglich, schmerzfrei zu sitzen. Während meiner gesamten Jugendzeit schwankte ich zwischen dem Bedürfnis, mit einem Jungen zusammen zu sein und dem Wunsch, meine Mutter zufriedenzustellen. Und es war ja nicht nur meine Mutter, keiner aus meiner Familie verstand auch nur ansatzweise, wie man so fühlen konnte. Schließlich sähe die Natur nun einmal die Verbindung von Mann und Frau vor, um die Art zu erhalten. Alles andere seien nur Fantastereien und Aufmüpfigkeiten. Niemand aus meinem Umfeld hatte auch nur im Geringsten Verständnis für mich und ich begriff, dass mit mir etwas nicht stimmte. Selbst meine beste Freundin fand mich mit einem Mal eklig, als ich mich ihr in meiner Verzweiflung anvertraute. Hinzu kam, dass sie mich gleich am nächsten Tag vor der gesamten Schule outete. Der folgende Spießrutenlauf war kaum zu ertragen und der Vertrauenslehrer, der mich zu sich zitierte, erzählte mir etwas von einer Phase und dass ich mich stärker auf den Unterricht konzentrieren solle, dann würde das schon wieder vergehen.

Also tat ich genau das, nur blieb die erhoffte Wirkung aus. Das Mobbing nahm zu und ich schwänzte immer häufiger die Schule. Wenn ich mich einmal durchringen konnte hinzugehen, kamen Sprüche wie Na, wieder nächtelang Schwänze gelutscht? und dergleichen. Meine Versetzung wurde immer ungewisser, weshalb meine Mutter mich an einer christlichen Schule anmeldete. Ihr vorrangiges Ziel bestand dabei nicht darin, mich zu entlasten. Vielmehr sollten mir die richtigen Werte beigebracht werden und ich lernte, dass meine Liebe zu Männern alles andere als gottgewollt war. Nur wollte ich an einen solchen Gott glauben, der mich schuf und dann den Rest meines Lebens leiden ließ? Ich war hin- und hergerissen, dennoch gaben mir der Glauben und die Gemeinschaft unerwartet einen Halt, welchen ich noch nie zuvor gespürt hatte. In der Hoffnung, eines Tages irgendwo dazuzugehören, hielt ich mich diszipliniert an sämtliche Regeln. Täglich betete ich für mehr Kraft, um meinen Weg zu meistern.

Der Umzug zum Studium nach Berlin wirkte zuerst wie ein Befreiungsschlag auf mich. Schließlich sind die Grenzen in einer solchen Großstadt deutlich weiter gesteckt. Ich gab die Hoffnung nicht auf, alles vereinen zu können: Meinen mittlerweile stark gefestigten Glauben sowie die Sehnsucht nach einer liebevollen Partnerschaft und Familie. Schnell fand ich Anschluss, lernte andere schwule Männer kennen und lebte all meine geheimen Wünsche aus. Doch mit jedem dieser Treffen vergrößerte sich die Distanz zwischen Wunschvorstellung und gelebter Realität. Das beklemmende Gefühl, mich auf dem falschen Weg zu befinden, verstärkte sich rasant. Bis ich auf Axel traf. Er verstand es, mir die nötige Kraft zu geben. Er akzeptierte meinen Glauben, wollte daran aber auf keinen Fall teilhaben. Ich begann ein Doppelleben. Einerseits gab es die Gemeinde, in der ich schnell Anschluss gefunden hatte, andererseits Axel, den ich liebte. Stets war ich darauf bedacht, diese beide Welten nicht zu vermischen. Zwar scheinen einige in der Kirchengruppe durchaus tolerant zu sein, aber man weiß ja, dass Toleranz häufig nur so weit geht, wie man nicht persönlich betroffen ist. Ich gab die Hoffnung dennoch nicht auf, es allen zeigen zu können; dass es den einen Mann gibt, der ebenso empfindet wie ich, und an einer homosexuellen Beziehung nichts falsch ist.

Obwohl ich wusste, dass Axel für derlei Dinge weniger empfänglich war, startete ich den Versuch eines romantischen Wochenendes. Seine Reaktion bestand aus einem spöttischen Lachen. Für so ein Heten-Zeug, wie er es betitelte, hatte er keinen Sinn. Er wollte Spaß, so oft und mit so vielen verschiedenen Männern wie möglich. Also gab ich nach und erkannte schließlich, dass meine Vorstellung einer Beziehung für immer ein Wunschtraum bleiben würde, zumindest solange ich schwul bin.

 

»Schließlich ist Promiskuität doch die Lebensweise schwuler Männer, egal, was uns die Medien oder die Fantasien fehlgeleiteter Autoren diverser Schmachtgeschichten weismachen wollen«, füge ich bedauernd hinzu. Kopfschüttelnd greife ich nach meinem Glas und drehe es hin und her. »Ich ahmte meine sogenannten Freunde nach, verhielt mich rücksichtslos, egoistisch, nur auf mich und meine Triebe fixiert. Ich will nicht sagen, dass es mir ernsthaft schlecht ging, aber glücklich war ich ebenfalls nicht. Vielmehr fühlte ich mich fremd in meiner sexuellen Identität. Mir fehlte die Nähe, das Gefühl, mit einem anderen Menschen eins zu sein. Immer wieder stellte ich mir die gleichen Fragen: Ist das alles? Wofür lebe ich? Wofür lebt ein Mensch überhaupt? Doch um eine Familie zu gründen und sich fortzupflanzen. Schließlich existieren wir alle nur zum Arterhalt, wenn wir es mal auf das Wesentliche herunterbrechen, nicht wahr? Und das ist nun einmal eine Sache, die naturgemäß nur zwischen einem Mann und einer Frau möglich ist. Ein Haus, eine Frau, Kinder – das war schon von früh an mein Lebenstraum. Doch meine vermeintliche Homosexualität steht diesem Traum entgegen. In den letzten Jahren wurde ich zunehmend unglücklicher. Ich schlidderte von einer katastrophalen Beziehung in die nächste, ohne einen Sinn zu sehen. Jetzt habe ich endlich die Ursache erkannt: Ich möchte nicht mehr homosexuell sein. Ich habe eingesehen, dass meine Mutter und alle anderen recht hatten. Meine biologische Uhr tickt. Wenn ich eine Familie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Sitala Helki
Bildmaterialien: pixabay.com, unsplash.com
Cover: Caro Sodar
Lektorat: B. Frielingsdorf, K. Meier
Satz: Sitala Helki
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2019
ISBN: 978-3-7487-0090-6

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