Für Marie. Ohne dich hätte es Fred nie gegeben.
Fred erwachte. Nicht so, wie du und ich es tun, sondern zum ersten Mal in seinem Leben - und zum letzten Mal. Eine Erkenntnis, die ihn tief traf, kaum dass er seine Facettenaugen geöffnet hatte.
Er hatte einen einzigen Tag. Was also tun? Seine ganzen Brüder und Schwestern flogen ohne Verabschiedung los. Familienzusammengehörigkeit war unbekannt. Dabei hätten sie doch noch in Ruhe gemeinsam frühstücken können. (Dass ihr Verdauunssystem funktionslos war, war ihm nicht bewusst.) Nein, die Herrschaften waren ja nur auf eines aus: Arterhalt. Doch wozu? Nur, damit dann neue Heerscharen an Eintagsfliegen geboren wurden, die neue Fliegen produzierten und das Ganze immer nur einen Tag lang? Gab es ein sinnloseres Leben?
Fred wollte das nicht. Er wollte etwas ändern; etwas so Großes, Unvorstellbares erschaffen, dass noch Generationen von Eintagsfliegen davon sprechen würden.
Es war ein schöner, warmer Sommertag. Überall kopulierten die anderen seiner Art. Da würde es nicht auffallen, wenn er keine Nachkommen zeugte. Mit dem Gesicht zur Sonne genoss er die Strahlen und die positive Wärme. Vielleicht fand er ja einen Weg, die Lebenszeit ihrer Art zu verdoppeln. Das wäre doch etwas! Passenderweise sah er auf seinem Weg ein Schild, das zu einem Gentechniklabor wies. Die wussten doch sicher einen Weg!
Trunken vor Vorfreude nahm er den direkten Weg, durch den Wald, über die Autobahn und -
Der Scheibenwischer entfernte Freds Kadaver gemeinsam mit den ganzen anderen der kleinen Insekten, die an diesem Tag ständig gegen die Scheibe des alten, rostigen Käfers klatschten.
Texte: Sitala Helki
Bildmaterialien: OpenClips und Soorelis - pixabay.com; Bildbearbeitung: Sitala Helki
Lektorat: hab ich alleine geschafft ;-)
Tag der Veröffentlichung: 18.05.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Marie gewidmet, ohne die es diese Geschichte nie gegeben hätte.