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Im Alter von acht Jahren kam ich einmal zu spät vom spielen nach Hause. Meine Familie saß schon beim Abendessen als ich das Haus betrat, allesamt schauten sie auf. „Da war eine alte Lady, sie war verwirrt, ich habe sie nach Hause begleitet“ entschuldigte ich mich. Mein Vater Christofer nuschelte Kopfschüttelnd in seinen roten Vollbart, ich war mir sicher das es nichts nettes war, er konnte mich nicht leiden, dann schaufelte er weiter den Lamm topf in sich hinein. Meine Mom dagegen stand auf zog einen Stuhl vom Tisch ab, rückte meinen leeren Teller zurecht und tätschelte mir das Haselnuss Braune Haar, „Du bist ein guter Junge Aidan. Wasch dir die Hände bevor du dich setzt ja“ sagte sie. Sie hatte recht, schon damals, ich war ein braver Kerl und bin es noch immer. Gut und langweilig. Ich stehe jeden Morgen überpünktlich auf, mache mich fertig und bereite das Frühstück für meine vier Geschwister vor. Danach gehe ich hinaus in den Stall der zu unserer Ranch gehört, dort füttere ich die Hühner, die Pferde, die Ziegen sowie die Schweine. Um acht Uhr sitze ich dann in der Schule um noch mehr Einsen zu schreiben, die ich dann mit nach Hause bringe um mir von meiner Mutter den Kopf tätschelt zu lassen und zu hören was für ein guter Junge ich doch bin.

Wir leben in Melrose, eine kleine Stadt in Schottland, irgendwo zwischen New Castle und Edinburgh. Mein Name ist Aidan Forbes und noch bin ich 16 Jahre alt. Geboren wurde ich allerdings in Glasgow, zu meinem Glück verliebte meine Mutter Susann sich auf einer Arbeitsreise in einen Farmer Namens Douglas. Damals setzte sie kurzentschlossen meinen gewalttätigen Vater vor die Tür und zog mit mir und meinem zwei Jahre älteren Bruder Connor zu Doug nach Melrose , zu dem Zeitpunkt war ich zehn Jahre alt. Im Abstand von je 1 ½ Jahren folgten dann meine Halbbrüder. Liam, Nate und Jamie.
Mein Vater hat sich nach der Trennung nie wieder blicken lassen, geschweige denn das er angerufen hat. Connor hat das ganz schön zu schaffen gemacht, den im Gegensatz zu mir hatte er ein geradezu spitzen Verhältnis zu unserem Dad, was wahrscheinlich daran lag das wir so unterschiedlich wie Tag und Nacht sind, er hatte schon als Kind eine große Klappe und das hat sich bis heute nicht geändert, mit einer Größe von 1,94cm und dem Goldblondem Haar stehen alle, wirklich alle Mädels auf ihn. Ich höre sie kichern jedes Mal wenn er in der Schule an ihnen vorbei geht. Er verarscht die Mädels nur und doch rennen sie ihm wieder und wieder nach, in der Hoffnung dass sie die eine sein könnten. Mädchen stehen auf böse Jungs, das habe ich inzwischen begriffen.

Es war Anfang Juli, wir hatten Sommerferien oder wie wir hier so schön sagen Summer break und das für ganze drei Monate, einer war schon rum. Da Alfi, der einzige Freund den ich besaß, mit seinen Eltern den kompletten Sommer über nach Kanada verreist war und ich als einer der wenigen Jungen in unserem Dorf keine feste Freundin hatte, schlug ich mir die Zeit um die Ohren indem ich mir ein wenig Geld dazu verdiente. Unsere Nachbarin fand immer die eine oder andere Arbeit für mich, meistens ziemlich unnötige Tätigkeiten aber das war O.k., sie zahlte mir vier Pfund die Stunde, außerdem war sie für ihr Alter von 73 Jahren ziemlich cool. Daisy‘s Haus aus grauem massiven Stein war klein und mit Efeu bewachsen, die blauen Windröschen die beinahe ganz Schottland bedeckten, wuchsen überall in ihrem Vorgarten, aus diesem Grund durfte ich dort auch nie den Rasen mähen, Daisy war der festen Überzeugung das es Unglück bringen würde den Blumen den Kopf abzusäbeln. Ich klopfte nicht sondern trat einfach ein, so machte ich es schon seit Jahren, sie hatte keine Geheimnisse, dennoch betete ich immer wieder aufs Neue das ich ihr nicht ausversehen mal begegnen würde wenn sie gerade Nackt aus der Dusche kam.
Im Haus war es Mucksmäuschen still, normalerweise hörte man zumindest ein Rascheln in der Küche, doch an diesem Tag, Nichts. Ich lief den langen Flur entlang, glitt mit den Fingern über die dunkelbraune Vertäfelung, „Daisy?“, „Ich bin da und ich habe dir Ziegenmilch mitgebracht“ rief ich, die alte Frau machte den besten Ziegenkäse aller Zeiten, diesen verkaufte sie auf dem Wochenendmarkt an Touristen oder beglückte alte Bekannte damit, die bereits im Altersheim lebten um später einmal in Ruhe zu sterben. Als ich die Küche betrat zuckte ich erschrocken zusammen und trat automatisch zwei Schritte zurück, ich blinzelte ein paarmal in der Vermutung ich würde lediglich Fantasieren, doch das tat ich nicht. An Daisy‘s hölzernen Küchentisch saß nicht sie, sondern ein Mädchen in meinem Alter, sie trug ein luftiges weißes Leinenkleid, dazu lederne braune Stiefel, ihre hellblonden Locken wippten bei jedem Atemzug über ihre schmalen Schultern und obwohl sie kein Make up trug, das sah sogar ich, hatte sie glatte, seidige und von der Sonne leicht gebräunte Haut. Hunderte von Sommersprossen tanzten über ihre Nase so schien es. Ich stand da mit offen stehenden Mund, im blau karierten Flanellhemd und ausgewaschener Jeans, in der rechten eine Gartenschere, in der linken die Tüte mit der inzwischen tropfenden Ziegenmilch. Schlimmer ging es nicht. Verlegen kämmte ich mir die zotteligen ungekämmten Haare über mein leicht abstehendes Ohr und stach mir dabei beinahe die Schere ins Auge. Das Mädchen sah mich an, sagte aber nichts, ich marschierte durch die Küche und legte meine Mitbringsel auf dem Tresen ab, dann drehte ich mich wieder zu ihr. „Hi, ehm…ich wollte zu Daisy, weißt du wo sie ist?“ fragte ich, keine Antwort, wie nett, dachte ich.

Daisy erschien im Flur vor der offen stehenden Tür, mit dem Zeigefinger deutete sie an das ich zu ihr kommen sollte und das tat ich. Sie zog mich ins Wohnzimmer und fing direkt an zu erklären, „Sie ist die Enkeltochter meiner groß Cousine, ihre Eltern hatten vor zwei Wochen einen grauenvollen Autounfall, das Auto fing sofort Feuer und die Arme musste mit ansehen wie sie bei lebendigen Leib verbrannten. Zeugen sagen man konnte sie schreien hören als ihre Körper Feuer fingen. Seit dem hat sie eine Posttraumatische Belastungsstörung, sie spricht nicht mehr“ meinte Daisy. Das arme Mädchen, dachte ich, ich möchte mir gar nicht vorstellen wie es sein muss so etwas zu erleben. „Von wo kommt sie?“ wollte ich wissen, „London“ beantwortete Daisy meine Frage, ein Großstadt Mädchen also und bei ihrem Aussehen ganz sicher das nächste Opfer meines Bruders, sobald sie wieder spricht natürlich. „Warum ist sie hier und nicht bei deiner groß Cousine?“ war meine nächste Frage, Daisy winkte ab, „Ach die blöde Kuh hat schon lange ins Grass gebissen, ein fieses hinterhältiges Miststück war das. Sie wollten Abigail in ein Heim für Psychisch gestörte Teenager abschieben, aber wenn du mich fragst ist das Mädchen nicht gestört, sie ist nur einfach fürchterlich traurig“ sagte sie, „Tja kein Wunder“ meinte ich, Daisy nickte zustimmend. Sie hatte wirklich ein großes Herz das sie einfach so, dieses Fremde Mädchen bei sich aufnahm, Daisy war toll, ich wünschte sie wäre meine Großmutter. Während ich in Gedanken schwelgte, klopfte sie mir lachend auf die Schulter, „Na was soll‘s, wir werden das Mädel schon schaukeln“. Wir, ich komm ja kaum mit mir selbst klar. Alles was ich wusste war das sie auf keinen Fall Conor begegnen durfte den ansonsten wär er wohl der erste der sie schaukelt und das meine ich nicht einmal Sarkastisch.

Daisy reichte mir eine Liste mit drei Dingen die ich zu erledigen hatte, Hecke trimmen, ihren Hühnerstahl ausmisten und den Müllschlucker reparieren. Nachdem ich die Hecke neu frisiert hatte und schließlich verschwitzt von den Hühnern zurück in die Küche kehrte saß Abigail noch immer am Tisch, vor ihr lag aufgeklappt ein dickes Buch, obwohl ich sie nicht kannte war ich ehrleichtert das sie sich wenigstens mit lesen ablenken konnte, sie sah nicht einmal zu mir auf, was o.k. war. Allerdings funktionierte der Müllschlucker nach einer halben Stunde schrauben und drehen noch immer nicht und das Schweigen wurde fürchterlich unangenehm und ja ich geb es zu, ich konnte mich kaum konzentrieren da Abigails süßer Duft durch das offene Fenster hinter ihr immer wieder in meine Richtung wehte, also rappelte ich mich vom Boden auf, holte zwei große Gläser aus der Vitrine und füllte diese mit selbstgemachten Apfelsaft. Ich stellte Abigail eines der Gläser vor die Nase bevor ich mich zu ihr an den Tisch setzte, sie schob es von sich und blätterte eine Seite ihres Buches um. „Mein Name ist übrigens Aidan“ ich streckte ihr meine Hand entgegen, nur wiederwillig ergriff sie diese, „Und du bist Abigail“ sagte ich, sie lächelte gequält und starrte erneut auf ihr Buch. „Ich wohne direkt nebenan auf der Farm. Normalerweise lauf ich auch nicht so rum, also mit solchen Lumpen und zotteligem Haar. Es sind ja auch Ferien, da soll man es sich doch gemütlich machen, endlich mal raus aus der öden Schuluniform…ich meine nicht jeden Tag, oft kämme ich mich auch in den Ferien…naja du weißt schon“ plapperte ich und lief gleichzeitig rot an, vielleicht sollte ich lieber meine Klappe halten, da Abigail mich stirnrunzelt ansah ging ich davon aus das sie exakt das gleiche dachte. Einige Minuten schwieg nun auch ich, dabei nippte ich unsicher an meinem Apfelsaft, sie blätterte die nächste Seite um. „Das mit deinen Eltern tut mir leid“ murmelte ich, Abigail schlug mit einen lauten wumps das Buch zu, griff in einen lila Rucksack der neben ihr auf dem Stuhl stand, zog einen Briefumschlag , sowie einen grünen Filzstift heraus und begann zu schreiben. Sie knallte mir den Zettel mit solch einer Wucht gegen die Brust das selbst das Glass auf dem Tisch gefährlich anfing zu kippeln, dann rannte sie samt Buch aus der Küche und stampfte geräuschvoll die Treppe hinauf. Ehrfurchtvoll warf ich einen Blick auf den Umschlag, da stand: „Alles hat so gut angefangen. Dein verlegenes Geplapper war sogar richtig witzig und dann kommst du mir plötzlich mit diesem Du tust mir so leid Mist. Ich brauche kein Mitleid. Lass mich einfach in Ruhe Aidan von nebenan. P.S. Ich hasse Apfelsaft“. Schmunzelnd faltete ich den Briefumschlag zusammen und verstaute ihn in meiner Hosentasche. Soeben hatte ich mich hoffnungslos verliebt.

Impressum

Texte: Charaktere, sowie Geschichten verlauf gehören allein mir.
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Büchlein, widme ich Sarah, Ines und Stephanie, die genau wie Abigail, alle drei einen Mann wie Aidan an ihrer Seite verdienen.

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