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Hi Leute ich heiße Lea-Sophie Schollz, ich bin schon oft mit meinen Eltern umgezogen.
Dieses Mal soll es nach Schönsichtingen gehen und auch der letzte Umzug bleiben (naja ich bin ja mal gespannt).
Ich werde meine Schule und meine Freunde vermissen aber am meisten meine beste Freundin Katja, denn Sie war vom ersten Moment an für mich da als ich in die Klasse kam.
Aber nun genug vom Plaudern der Möbelwagen ist fast fertig und gleich geht es los nach Schönsichtingen.


So nun haben wir das ganze Wochenende damit verbracht die Umzugskisten aus zu räumen und das neue Haus ein zu räumen.
Nun ist es Montagmorgen und Lea-Sophie machte sich auf den Weg zu ihrer neuen Schule.
Sie schaute im Bus noch mal auf ihren Stundenplan, den ihr das Sekretariat geschickt hatte. Ausgerechnet mit Mathe würde sie anfangen, zwei lange Schulstunden. Ätzend! danach zwei Stunden Französisch und Bio, beides Fächer, die Lea-Sophie auch nicht sonderlich mochte.


Als sie wieder zu Hause war, rief sie Katja an und klagte der ihr Leid.
"Kein Mensch hat mit dir geredet?! wunderte sich Katja.
"Was sind das denn für Sturköpfe? Oder sind sie einfach nur blöd?".
"Frag nicht, ich weiß es nicht. Zu mindestens hab ich mich voll auf den Unterricht konzentrieren können. Und die Penne kenn ich inzwischen auch schon ganz gut. Aber lass uns über was anderes reden, Katja. Wie geht es bei dir?"
"Wir haben den ganzen Tag nur über dich gequatscht. Alle vermissen dich, sogar deine Lieblingsfeindin hat nach dir gefragt."
"Die tolle Ellen? Was hat sie denn gesagt?"
Katja kicherte. "Nichts Böses, ehrlich. Sie hat nur gefragt, ob du dich schon bei mir gemeldet hast."
Eine Weile plauderten die beiden über alte Zeiten, aber als Anette Schollz zum dritten Male erschien und vorwurfsvoll auf ihre Uhr tippte, verabschiedete sich Lea-Sophie rasch und legte auf.


"Hat wirklich keiner mit dir geredet?" wollte Frau Scholz, die natürlich jedes Wort mitbekommen hatte, wissen.
Lea-Sophie zuckte mit den Schultern. "Was soll´s? Ich werde es schon überleben, Mutti. Vielleicht sind sie morgen gesprächiger."
Jeden Morgen hoffte Lea-Sophie auf ein Wunder, das dann doch nicht geschah. Ihre Mitschüler schienen nicht das geringste Interesse an ihr zu haben, und wenn sie einen ansprach, kamen immer nur kurze unbedeutende Antworten. In den Pausen stand oder saß sie meistens allein da. Und so ging es eine ganze Woche lang.


Am Freitag ergab sich dann eine ganz neue Situation. Maja, die in der Jahrgansstufe 11 so etwas wie die Anführerin darstellte, musste in Mathe ihre Hausaufgaben vorlesen, hatte sie aber nicht gemacht. Ganz instinktiv schob ihr Lea-Sophie ihr eigenes Heft hin. Maja zögerte, wenn auch nur für Sekunden, dann nahm sie das Heft und las Lea-Sophies Hausarbeit vor.
"Danke... das war... wirklich nett von dir.", sagte Maja, als es zur Pause klingelte. " Gern geschehen." antwortete Lea-Sophie.
"Sag mal, warum kapselst du dich eigentlich immer so ab?" wollte Maja wissen, als sie draußen waren.
Sekundenlang stand Lea-Sophie wie vom Donner gerührt da. Sie und sich abkapseln? Das war ja wohl der Witz des Jahrhunderts. Seit fast einer Woche ignorierten die Mitschüler sie, und jetzt so ein Vorwurf.
"Liegt nicht an mir!", konterte sie knapp.
"Wer spielt denn hier die Unnahbare?" fuhr Maja fort, "Du redest doch mit keinem."
"Ach? Und wer guckt durch mich durch? Stell ich mich irgendwo dazu, zieht ihr Leine. Ich dräng mich nun mal nicht gerne auf, weißt du? Da, wo ich herkomme, war es total anders."
"Und wo kommst du her?"


In kurzen Worten schilderte Lea-Sophie, wo sie bisher gelebt und zur Schule gegangen wär, und dass sie dort eine Menge Freunde gehabt hatte.
"Auch einen Boyfriend?" hakte Maja interessiert nach. "Erzähl doch mal! Seht ihr euch noch? Wie ist er denn so?"
Im ersten Impuls wollte Lea-Sophie klarstellen, dass sie gar keinen Freund hatte, aber irgendwas in ihr warnte sie. "Er... er ist sehr nett. Du gehst wohl mit Karsten, stimmt´s?"
Maja lächelte leicht. "Kann man so sagen. Ja wir... wir sind ein paarmal ausgegangen und so. Hast du Freunde hier?"
"Keinen einzigen. Bloß mein Dad kennt ein paar Leute hier. Das ist alles."
Einen Moment blieb es still zwischen den beiden, und Lea-Sophie glaubte schon, dass Maja sie völlig vergessen hatte, aber dann schaute sie sie doch wieder an. Ihr Blick schien sogar recht freundlich zu sein.
"Wenn du willst, kannst du abends ja mal ins Take five kommen. Wir sind meistens dort und am Wochenende geht im Up and Down die Post ab."


In einem plötzlichen Impuls beugte Maja sich vor, "Wenn ich dir einen Rat geben darf, sie zu, dass du dir schleunigst einen Lover anlegst. Egal, wen, aber solo hast du hier nichts zu melden."
Irritiert zog Lea-Sophie die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Maja grinste noch eine Spur breiter. "Schau mich nicht so bescheuert an, wir sind doch nicht mehr im Kindergarten, oder?"
Um ein Haar wäre Lea-Sophie in lautes Gelächter ausgebrochen, aber zum Glück konnte sie sich im letzten Moment noch bremsen. Maja schien das ernst zu meinen. Wer IN sein wollte, wer was auf sich hielt, hatte also einen festen Freund. Irgendwie idiotisch.
Seltsame Ansichten hat diese Frau, schoss es Lea-Sophie durch den Kopf. "was gibt es denn in Schönsichtingen sonst noch Schönes?" bemühte sich Lea-Sophie, dass Gespräch in Gang zu halten.
"Kommt drauf an. Stehst du auf Sport?"
Nicht so besonders. Und du?"
Maja schüttelte sich übertrieben und strich sich das Schulterlange Haar aus dem Gesicht. "Shopping ist besser."
Abschätzend glitten ihre eisblauen Augen über Lea-Sophies Outfit. "Wenn du willst, zeige ich dir ein paar Boutiquen, wo man ganz irre Sachen kaufen kann. Immer nur Jeans ist doch langweilig."
"Aber bequem", konterte Lea-Sophie, die sich nicht so besonders gern auf stylte.
"Abends kannst du dich so aber nicht zeigen", erklärte Maja in schönster Offenheit. "Ich sehe schon, ich sollte mich mal ein bisschen um dich kümmern. Wo wohnst du eigentlich?"


"Ich glaube, Maja kümmert sich bloß ein bisschen um mich, weil ich in allen Fächern ganz gut bin", beendete Lea-Sophie ihren Bericht an Katja, die an diesem Wochenende doch nicht zu Besuch hatte kommen können.
"Besser als gar keinen zu haben. Mensch, Lea-Sophie, du tust mir ja so schrecklich leid."
"Reg dich ab. Ich bin ganz gern allein", schwindelte Lea-Sophie. "Und besser lernen kann ich auch. Übrigens ich bin hier eh im Vorteil. Vieles von dem, was wir gerade durchnehmen, haben wir schon längst gehabt. Wie geht es Ricky?" lenkte sie rasch ab.
"Sie vermisst dich auch. Ach ja sie und Timo sind jetzt zusammen, es wurde aber langsam auch Zeit."
Unwillkürlich musste Lea-Sophie wieder an Majas Worte denken. "Ohne Boyfriend ist man hier total out", murmelte sie wie zu sich selbst, aber Katja hatte sie dennoch verstanden.
"Meinst du das ernst?" hakte sie nach.
"Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber da ist was Wahres dran. Maja wollte auch sofort wissen, ob ich einen Freund habe."
"Und? Was hast du gesagt?"
Lea-Sophie lachte. "Du kennst mich doch. Ich habe mich ziemlich vage ausgedrückt."
"Notfalls erfindest du halt einen", sprudelte Katja eifrig hervor.


Verwirrt nahm Lea-Sophie den Hörer vom Ohr und schaute hinein. "Sag mal, welcher Affe hat dich denn gebissen? Ich erfinde doch keinen Boyfriend."
"Wenn es dir aber hilft. Mensch Lea-Sophie, du bist entschieden zu ehrlich für diese Welt. Du sagst doch selbst, dass bei dir alle Mädels einen Freund haben. Dann hast du halt auch einen. Wo ist das Problem?"
"Du spinnst, Katja. Ich erfinde doch keinen Freund."
"Das wäre doch aber irre", verteidigte Katja ihren Einfall.
"Lass mal gut sein, irgendwie kommt alles auf die Reihe", machte Lea-Sophie sich selbst Mut. "Mit Maja läuft es ja eigentlich ganz gut."
Als Lea-Sophie auf die Uhr schaute, die ihre Mutter neben dem Telefon angebracht hatte, erschrak sie. Über eine Stunde hatte sie schon mit Katja geklönt. Was das wohl wieder kostete?
"Ich ruf dich morgen an", sagte Katja in diesem Moment und gab damit zu erkennen, dass sie sich trotz der Entfernung noch gut in Lea-Sophies Gedanken hineinversetzen konnte. "Und mein Angebot gilt. Wenn du einen Lover brauchst, ich stehe zu deiner Verfügung. Und tolle Liebesbriefe schreib ich allemal."
"Wer weiß? Vielleicht komme ich tatsächlich auf dein Angebot zurück", somit verabschiedeten sie sich voneinander.


Lea-Sophie ging in ihr Zimmer, in dem es immer noch penetrant nach frischer Farbe roch. Wie ein junger Hund rollte sie sich auf dem Bett zusammen und schaute sich um. Ihr Zimmer war toll, eigentlich war es sogar das schönste, das sie je gehabt hatte, und doch kam sie sich schrecklich einsam und verlassen vor. Dadurch, dass sie den Unterrichtsstoff in den meisten Fächern schon kannte, hatte sie mit den Hausaufgaben keine große Mühe. Mehr als eine gute Stunde brauchte sie selten. Den Rest des Tages langweilte sie sich. Mit Wehmut dachte sie an Katja und ihre Clique zurück. Ständig waren sie auf Achse gewesen und so etwas wie Langeweile hatte sie nie gekannt.
"Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!", murmelte sie vor sich hin. So ähnlich pflegte ihre Mutter immer zu sagen und sie hatte wahrscheinlich Recht. Wenn sie Tag für Tag in diesem Zimmer hocken blieb, konnte sie keinen kennenlernen. In einem plötzlichen Impuls stand Lea-Sophie auf und nahm ihre Jacke. Warum sollte sie sich draußen nicht mal ein wenig umsehen? Sie musste sich ja eh vertraut mit der Stadt machen, denn angeblich sollten sie jetzt hier erst einmal bleiben, hatten ihre Eltern versprochen. "Wer´s glaubt", murmelte sie vor sich hin. In Auenhausen hatten sie auch bleiben sollen und dann war doch alles anders gekommen. Und davor in Veronaville war es ähnlich gewesen. Der Himmel mochte wissen, wie lange sie in Schönsichtingen bleiben würden, aber dennoch musste sie sich hier einleben, wollte sie nicht ihr halbes Leben in den eigenen vier Wänden zubringen.


"Katja hat vorhin angerufen", eröffnete Annette Schollz ihrer Tochter, als diese gegen neun nach Hause kam.
"Es klappt am nächsten Wochenende, soll ich dir ausrichten."
"Gott sei Dank", entfuhr es Lea-Sophie. "Es wird Zeit, dass ich mal wieder mit einem vernünftigen Menschen reden kann."
"Es tut mir leid, dass es dir hier nicht gefällt", murmelte Frau Schollz bedrückt.
"Die Stadt ist ja ganz okay, aber die Typen, mit denen ich mich abgeben muss..." Den Rest verschluckte Lea-Sophie wohlweislich, aber ihre Mutter schien sie auch so verstanden zu haben.
"Klamotten und Jungs", sagte sie ihr auf den Kopf zu, und Lea-Sophie nickte notgedrungen.
"Glaubst du, ein einziger interessiert sich für die Schule? Im Unterricht schreiben sie sich Briefchen und schicken sie rum. Mich wundert bloß, dass keiner der Pauker reagiert. Denen scheint es auch egal zu sein. Ich... Himmel, ich komm mir langsam vor wie ein Streber", stöhnte Lea-Sophie so übertrieben, dass ihre Mutter lachen musste.
"So was gab es auch schon zu meiner Zeit", erklärte Annette Schollz nachsichtig lächelnd, aber Lea-Sophie bemerkte es nicht einmal.
"Ich komm mir so ausgenutzt vor", klagte sie weiter. "Zum Abschreiben bin ich gut, aber sonst... Ich muss schon dankbar sein, dass wenigstens Maja mit mir spricht, dabei mag ich sie gar nicht so besonders."
Geduldig hörte sich Annette Schollz alle klagen an, und als Lea-Sophie traurig zu ihr aufschaute, lächelte sie sie aufmunternd an. "Ich bin sicher, wenn du dich in der Schule erst eingelebt hast und eine wirklich nette Freundin gefunden hast, wirst du dich auch wohler fühlen."
"Und woher soll ich eine wirklich nette Freundin, wie du sagst, nehmen? Die in meiner Jahrgangsstufe sind alle nicht ganz dicht und..."
"Kind, Kind", fiel ihr ihre Mutter ins Wort. "Die Menschen hier sind halt anders. Erinnerst du dich noch an Veronaville?"
Lea-Sophie zog die Augenbrauen hoch und schaute ihre Mutter verwundert an, doch diese ließ sie nicht zu Wort kommen.
"Damals wolltest du, dass wir dich auf einer anderen Schule anmelden, weißt du noch? Deine Lehrerin hatte dich angeblafft, und deine Mitschüler haben dich ausgelacht, und doch war nach ein paar Wochen alles in Ordnung. Und als wir weggingen, warst du todunglücklich und wärst am liebsten dort geblieben."
Lea-Sophie senkte den Kopf und biss sich auf die Lippen. Das, was ihre Mutter da gesagt hatte, stimmte in jedem Punkt. Aber dennoch fühlte sie sich in Schönsichtingen noch schlimmer als zu Anfang in Veronaville.
"Hab Geduld, Liebes", mahnte Frau Schollz. "Wir alle müssen uns eingewöhnen. Am Wochenende haben wir übrigens Besuch. Erinnerst du dich noch an Wolfgang und Hanna Schramm?"
"Die, die in Kanada gelebt haben?" "Genau. Seit einem halben Jahr wohnen sie wieder in Schönsichtingen. Ihr Sohn Marcel ist ein oder zwei Jahre älter als du. Vielleicht solltest du dich mal mit ihm unterhalten, Liebes."
"Wetten, dass er auch Ärger hat?" ereiferte sich Lea-Sophie.


Mit gekreuzten Beinen saß Katja auf Lea-Sophies Bett und hörte sich deren Klagen geduldig an.
"Und wenn du dir außerhalb der Schule Freunde suchst?" schlug sie vor, nachdem Lea-Sophie ihren Bericht beendet hatte. "Hier in der Umgebung gibt es doch bestimmt auch Leute in unserem Alter."
"Weißt du, wie lang eine Pause sein kann?" seufzte Lea-Sophie, ohne auf den Vorschlag einzugehen. "Und weißt du, wie blöd man sich vorkommt, wenn einem keiner antwortet?"
Mitleidig schaute Katja die Freundin an. "Ich kann es mir denken", murmelte sie. "Aber du musst da durch, Lea-Sophie. Wo bleibt dein Selbstbewusstsein?"
"Das hat wohl Ferien", versuchte Lea-Sophie zu scherzen. "Ich bin echt total down. Am liebsten würde ich morgen mit dir zurück nach Auenhausen fahren."
"Gekniffen wird nicht", erklärte Katja kategorisch. "Ach ja, ich hab dir ein paar Briefe geschrieben. Vielleicht helfen sie dir." Rasch kramte sie in ihrer Tasche herum und zog ein schmales Bündel hervor, das sie Lea-Sophie reichte. "Jeden zweiten Tag hast du Post gekriegt", fuhr sie lächelnd fort. "Ich habe mit Bernd unterschrieben. Ich hoffe, der Name gefällt dir."
Überrascht überflog Lea-Sophie die Briefe und brach in schallendes Gelächter aus. "Du hast Talent, Katja. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dieser Bernd ist tatsächlich mein Lover."
"So soll es ja auch sein", murmelte Katja zufrieden. "Vielleicht spielst du die Briefe dieser Maja unauffällig zu. Sie scheint mir ja ein ganz sensationshungriges Früchtchen zu sein."
"Vor allem ist sie so wahnsinnig direkt", beklagte sich Lea-Sophie weiter. "Manchmal ist sie echt peinlich."
"Wie Ellen. Sie hat uns gestern bis ins kleinste Detail geschildert, wie sie mit ihrem neuen Freud geschmust hat."
Lea-Sophie kicherte. "So ähnlich ist Maja auch. Sie wollte wissen, ob ich schon mit meinem Freund geschlafen habe."
"Klar, hast du das", erwiderte Katja gelassen. "Himmel, verarsch sie doch."
"Lieber nicht. Außerdem hab ich keinen Bock darauf, mit ihr über solche Sachen zu reden."
Als es klingelte, schaute Katja die Freundin fragend an. "Erwartest du besuch?"
"Ich nicht, aber meine Eltern." Rasch erzählte sie von den Schramms, die auch erst seit kurzer Zeit in Schönsichtingen wohnten.


"Und der Sohn, dieser Marcel. Ist er wenigstens nett?"
"Keine Ahnung. Den hab ich ein einziges Mal gesehen, aber das ist schon ein Weilchen her. Damals war er vierzehn und hatte das Gesicht voller Pickel."
"Musst du dich um ihn kümmern?"
"Nicht unbedingt. Wenn du nicht willst..."
"Doch, doch", fiel ihr Katja schnell ins Wort. "Schauen wir uns den Knaben doch mal an!"
Der Knabe entpuppte sich als ein baumlanger, sehr gut aussehender Typ, inzwischen ohne Pickel, der sowohl Lea-Sophie als auch Katja auf Anhieb gefiel. Und als er sie nach dem Essen zu einer kleinen Spritztour einlud, ließen sich die beiden Freundinnen nicht zweimal bitten.
Zu dritt zogen sie los. Geschickt steuerte Marcel seinen alten Golf durch den abendlichen Verkehr, während er gleichzeitig den Fremdenführer spielte.
"Mir gefällt Schönsichtingen", erklärte Katja, nachdem Marcel seinen Wagen geparkt und alle ausgestiegen waren.
"Es ist eine schöne Stadt", bestätigte Marcel. "Man muss nur die richtigen Leute kennen. Kommt mit! Ich stell euch ein paar Freunde vor. Katja zwinkerte Lea-Sophie vergnügt zu während sie Marcel ins Innere der Altstadtpinte folgten.


Zielstrebig steuerte Marcel einen Ecktisch an, an dem einige junge Leute saßen und sich unterhielten. Marcel stellte die beiden Freundinnen vor, und Lea-Sophie staunte nicht schlecht, als sie feststellte, dass sie einen der Jungs aus der Schule kannte. Es war jener Andy, den Maja zwar toll fand, der aber in einer Band spielte. Andy wiederum war verwundert, weil Lea-Sophie so gut über ihn Bescheid wusste.
"Hast du uns schon mal auf der Bühne gesehen?" erkundigte er sich interessiert.
"Leider nicht. Ich bin ja noch nicht so lange in Schönsichtingen."
"Warum kommt ihr nächste Woche nicht alle zu Robbies Fete?" schlug Andy vor. "Er wird achtzehn, und zur Feier des Tages, haben seine Eltern uns engagiert."
"Würde ich gern, aber nächste Woche bin ich wieder zu Hause in Auenhausen", entschuldigte sich Katja.
"Und ich bin auf Studienfahrt", steuerte Marcel bedauernd bei.
"Aber du kommst doch?" sagte Andy und schaute Lea-Sophie dabei bittend an.
"Ich kenne diesen Robbie doch gar nicht", wandte sie zögernd ein, aber Andy winkte ab.
"Kein Problem, das regele ich. Wir sind in einer Jahrgangsstufe, und für dich wäre das die Gelegenheit, einige Leutchen aus der Schule etwas näher kennenzulernen."
Als Lea-Sophie immer noch zögerte, redeten Katja und Marcel gemeinsam mit Andy auf sie ein, bis sie endlich einwilligte.
Es wurde für alle ein sehr kurzweiliger Abend, den vor allem Lea-Sophie ganz besonders genossen hatte. Und das gestand sie Katja auch, als sie endlich im Bett lagen.
"Du bist halt ein Gesellschaftsmensch", kommentierte Katja. "Und du solltest auf jeden Fall zu dieser Fete gehen. Wer weiß? Vielleicht findest du ausgerechnet da die Freunde die du suchst."
"Hoffentlich. Sonst brauch ich demnächst tatsächlich einen Seelenklempner. So allmählich entwickele ich Komplexe. Ich hab mich schon ernsthaft gefragt, ob ich vielleicht anders als andere bin."
"Bist du nicht", erklärte Katja im Brustton der Überzeugung. "Ich kenne deine neuen Schulkameraden zwar nicht, aber irgendwie scheinen sie mir ein bisschen verschroben zu sein. An dir liegt es garantiert nicht, wenn du noch keine Kontakte hast."
Noch lange diskutierten die beiden, aber dann schliefen sie doch ein.


Der Sonntag verging für Lea-Sophie und Katja leider viel zu schnell.
"Wo ist die Zeit bloß geblieben?" klagte Lea-Sophie, als sie Katja beim Packen zusah. "Sonst vergeht sie nicht, und jetzt..."
"Eine Runde Mitleid", grinste Katja. "Himmel Lea-Sophie, du wirst mich nicht los. Ich komme immer wieder, verlasse dich drauf. Und das du mir nur ja haarklein erzählst, wie es auf dieser Fete war. Ich bin ja schon tierisch neugierig."
"Ich weiß doch noch gar nicht, ob ich hingehe", maulte Lea-Sophie. "Ich kenn doch da keinen."
"Unsinn. Du kennst Andy, und der Rest wird sich schon finden. Überwinde deinen inneren Schweinehund."
"Ich wünschte, ich könnte es." Noch einmal umarmte Lea-Sophie die Freundin fest. "Du fehlst mir echt, Katja",
murmelte sie beklommen. "Mit dir wäre es hier gar nicht schlimm."
"Ohne mich wird es auch klappen", versicherte Katja mit Überzeugung. "Du musst es nur wollen."
Bis zum Bahnhof redete Katja auf Lea-Sophie ein wie auf einen kranken Gaul, aber als sie später im Zug nach Auenhausen saß, war sie sicher, dass sie nicht viel hatte ausrichten können. Lea-Sophie hatte sich in den paar Tagen erschreckend verändert, und das war ihr natürlich nicht entgangen. Insgeheim nahm sie sich vor, noch öfters als vorgesehen zu ihr nach Schönsichtingen zu fahren, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Und außerdem gefiel ihr dieser Marcel Schramm gut. Mehr noch, sie mochte ihn schon jetzt sehr gern.


Lea-Sophie glaubte zu träumen, als Andy am Montag in der ersten großen Pause zu ihr kam.
"Alles paletti", rief er schon von weitem. "ich hab eben mit Robbie gesprochen. Das mit der Fete am Samstag geht klar. Wenn du willst, hol ich dich ab, denn Robbie wohnt ziemlich weit außerhalb und für dich als Schönsichtingen-Neuling dürfte es schwierig sein, sein Haus zu finden."
"Ja aber...", begann Lea-Sophie, doch Andy erstickte ihren Protest im Keim.
"Ich weiß selbst, wie beschissen man sich in einer fremden Stadt fühlt. Ich hab´s mitgemacht und ich weiß auch, wie gut es tut, wenn sich jemand ein bisschen um einen kümmert. So eine Fete ist genau richtig, um ein paar nette Leute kennenzulernen. Gib mir deine Adresse, dann hol ich dich am Samstag bei dir zu Hause ab."
"Und wie komm ich wieder zurück? Ich mein, du sagtest doch, das es..."
"Ich bringe dich natürlich auch wieder zurück. Und keine Sorge, ich trinke nie", versicherte Andy augenzwinkernd. "Und Drogen sind bei mir auch nicht drin. Bei mir bist du so sicher wie in Abrahams Schoß."
Nur halb überzeugt nannte ihm Lea-Sophie ihre Adresse, und sie verabredeten sich am kommenden Samstag um sechs, weil Andy und seine Band schon früher bei Robbie sein wollten, um ihre Instrumente aufzubauen.

Nachdem Andy wieder gegangen war, stand Lea-Sophie wieder allein auf dem Pausenhof.
"Was zu Teufel hast du mit Andy zu bequatschen?" riss die immer etwas schrille Stimme von Maja, Lea-Sophie aus den Gedanken. "Woher kennst du ihn überhaupt?"
Etwas irritiert schaute Lea-Sophie auf. Sie sah, dass Maja sich einer Rachegöttin gleich vor ihr aufgebaut hatte.
"Ich... ich hab ihn vorgestern kennengelernt. Und er hat mich zu einer Fete eingeladen."
"Ach nee? Sieh mal einer an." Majas blaue Augen wirkten plötzlich noch viel kälter als sonst, aber dann riss sie sich zusammen. "Geht es etwa um Robbies Fete?" erkundigte sie sich in völlig verändertem Tonfall.
"Ja, Andy und seine Band spielen dort", bestätigte Lea-Sophie reichlich widerwillig.
"Na super. Wir... wir sind wahrscheinlich auch da. Karsten und ich, meine ich. Wir können dich mitnehmen, denn Robbie..."
"Wohnt ziemlich weit außerhalb", vollendete Lea-Sophie den Satz. "Das hab ich heute schon einmal gehört. Und deswegen holt Andy mich am Samstag ab."
"Na, dann ist ja wohl alles klar", murmelte Maja. "Was ziehst du an?"
Verwirrt zog Lea-Sophie die Augenbrauen hoch. Diese Maja war ein absolut seltsames Geschöpf, schwer zu durchschauen und reichlich launisch.
"Darüber zerbreche ich mir doch jetzt noch nicht den Kopf", antwortete sie leise.
Maja schmunzelte anzüglich. "Solltest du aber. Du willst doch bestimmt Eindruck schinden. Und denk dran, Jeans sind bei solchen Anlässen out."
Nachdenklich schaute Lea-Sophie auf ihre Schuhspitzen, innerlich darauf gefasst, dass Maja gleich wieder gehen würde. Aber das Gegenteil war der Fall.
"gehen wir einen Kaffee trinken?" fragte Maja.
Lea-Sophie, froh, die Pause nicht allein verbringen zu müssen, willigte ein.

Im Schüler Café waren alle Tische besetzt, so dass sie ihren Kaffee im Stehen trinken mussten, aber das schien Maja nicht zu stören.
"Der da drüben ist übrigens Robbie. Siehst du den Typen mit dem Zopf? Das ist er. Merk ihn dir! Nicht, dass du dem Falschen zum Geburtstag gratulierst."
"Werde ich schon nicht", nuschelte Lea-Sophie, die sich ebenfalls unauffällig umsah.
"Robes Eltern sind tierisch reich, aber das wirst du bald selbst sehen. Ihr Haus ist ein Traum und der Partykeller..." schwärmerisch verdrehte Maja die Augen. "Alles vom Feinsten." Vertraulich beugte sie sich noch weiter zu Lea-Sophie hin. "Schade dass Rob nicht ganz sauber tickt. Er hatte noch nie eine Freundin. kannst du dir so was vorstellen?"
"Dann hat er wohl noch keine gefunden, die ihn wirklich interessiert. So was gibt es doch", wandte Lea-Sophie ein, aber Maja wischte ihren Einwand mit einer Handbewegung beiseite. "Träum weiter. Mit Boys kenne ich mich aus. Die meisten fangen doch schon mit dreizehn, vierzehn an, die Girls anzubaggern. Wenn du mich fragst, hat Robbie einen kleinen Strickfehler."
"Bei dir sind alle gleich Schwul" empörte sich Lea-Sophie.
Ärgerlich umklammerte Maja ihren Unterarm und drückte zu. "Schrei doch nicht so laut. Muss denn die ganze Welt hören, worüber wir reden?"
"Dann erzähl doch nicht so einen Stuss", konterte Lea-Sophie und streifte Majas Arm ab.
"Stuss, nennst du das? Na super", höhnte Maja. "Da will ich dir helfen und gebe dir ein paar Insiderinfos, und was ist? Du motzt mich an."
"Entschuldige, aber so langsam hab ich das Gefühl, dass du über jeden, der noch keinen Freund oder Freundin hat, stänkerst."
"Denk, was du willst", knurrte Maja und trank ihren Kaffee aus. Ohne sich weiter um Lea-Sophie zu kümmern, stiefelte sie zur Theke und stellte ihre Tasse ab.


Im ersten Impuls wollte Lea-Sophie ihr folgen, aber dann entschied sie sich anders. Aus ihr und Maja würden wohl nie echte Freundinnen werden, und das war vielleicht auch ganz gut so. Als Lea-Sophie auch gehen wollte, stand Andy plötzlich wie aus dem Boden gewachsen vor ihr.
"Bist du etwa mit Mariannchen befreundet?" erkundigte er sich sichtlich angewidert, was Lea-Sophie erstaunte.
"Mariannchen? Wen meinst du?"
"Na die falsche Blondine, die da grad aus der Tür gerauscht ist. Sorry, vielleicht sollte ich besser Maja sagen", fügte er den Namen gehässig betonend hinzu.
"Maja? Nun sag nicht, sie heißt in Wirklichkeit Marianne", vergewisserte sich Lea-Sophie ungläubig.
Andy nickte zustimmend und grinste breit. "Maja klingt natürlich wesentlich interessanter als Marianne. Nun sag mal, warum gibst du dich mit so einer ab?"
"Weil... Nun ja sie ist eine der wenigen, die mit mir reden", murmelte Lea-Sophie verlegen. "Als Neue hat man es hier nicht leicht."
"Das kann ich mir denken." Rasch schaute Andy auf die Uhr. "Magst du eine Cola? Wir haben noch ein paar Minuten Zeit."
"Ja warum nicht."


Andy holte die Getränke und als bei Robbie am Tisch ein Platz frei wurde, nahm er Lea-Sophie beim Ellbogen und führte sie hin. "Das ist das Mädel, von dem ich dir erzählt habe", stellte er sie Robbie vor. "Sie ist mit Marcel befreundet."
"Hallo", grüßte Robbie und lächelte Lea-Sophie freundlich an. Einladend deutete er auf den freien Stuhl und Lea-Sophie setzte sich. "Kennst du Marcel schon lange?"
"Meine Eltern sind mit seinen befreundet. Wir haben uns aber erst am Samstag wieder gesehen und bei der Gelegenheit hab ich dann auch Andy kennengelernt. Du, das mit deiner Fete..."
"Geht klar", versicherte Robbie. "Du bist herzlich eingeladen. Ich hab gehört, du gehst in die 9?"
Prompt war Lea-Sophies eben noch so gute Laune wie weggeblasen.
Robbie, der ihren Gesichtsausdruck richtig interpretierte, grinste wissend. "Nicht nötig, was zu sagen. Die meisten in deiner Jahrgansstufe sind absolute Volltrottel. Ein eingebildeter Haufen, der schon seit der 5 zusammengluckt. Für neue ist es verdammt schwer, sich anzupassen. Schade, dass du nicht in unsere Stufe kommen konntest. Bei uns sind viel nettere Leute."
Um ein Haar hätte ihm Lea-Sophie zugestimmt, aber dann zuckte sie bloß mit den Schultern und Robbie redete auch schon weiter.
"Hast du Andy und seine Band schon mal gehört?" wechselte er das Thema, wofür Lea-Sophie sehr dankbar war.
Die Zeit verging wie im Flug und als es wieder zum Unterricht schellte, hätte Lea-Sophie die nächste Stunde am liebsten geschwänzt und sich weiter mit Robbie und Andy unterhalten.
"Wir halten dir nachher einen Platz frei", versprach Robbie, als sie die Cafeteria gemeinsam verließen.


Als Lea-Sophie am Samstag erwachte, galt ihr erster Gedanke Robbies Fete. Inzwischen freute sie sich schon sehr darauf, denn seit sie sie sich mit Robbie und Andy ein wenig angefreundet hatte, war sie im Ansehen ihrer Mitschüler gewaltig gestiegen. Sogar Sonja, die vorher richtig zickig gewesen war, war viel zugänglicher geworden und auch Sarah, neben der sie in Kunst saß, war auf einmal richtig nett zu ihr. Dennoch traute Lea-Sophie dem plötzlichen Frieden nicht ganz, obwohl sie sich ihr Misstrauen nicht erklären konnte. Es war einfach ein Gefühl, das sie vor allzu engen Bindungen an die Mitschüler warnte. Als sie an Maja dachte, musste Lea-Sophie unwillkürlich schmunzeln. Inzwischen hatte sie ihr die von Katja verfassten Liebesbriefe gezeigt und Maja schwärmte regelrecht von ihrem angeblichen Freund Bernd.
"Ich beneide dich", hatte sie sogar einmal gesagt. "So einen zärtlichen Freund hätte ich auch gern." Und dann hatte sie sich über Karsten ausgelassen und darüber, wie sehr sie sich manchmal über ihn ärgerte. "Eigentlich ist er für mich nur Mittel zum Zweck", hatte sie ihr sogar anvertraut. "Er kennt Gott und die Welt und so was ist natürlich nützlich. Ohne ihn hätte ich nie eine Einladung für Robbies Fete gekriegt."
Wieder einmal musste Lea-Sophie daran denken, wie oberflächlich Maja doch war und irgendwie tat ihr Karsten sogar leid, denn er schien Maja wirklich sehr gern zu haben.
Gähnend legte Lea-Sophie sich auf den Rücken, verschränkte die Arme im Nacken und schaute an die schneeweiße Decke. So schön wie in Auenhausen würde es für sie in Schönsichtingen wohl nie werden, aber sie war sicher, dass sie sich hier mit der Zeit doch einleben würde. Nur Katja, ihre allerbeste Freundin, die fehlte ihr doch ganz gewaltig.


"Weiß dein Freund eigentlich, dass du zur Fete gehst?" fragte Maja, die bereits um drei bei Lea-Sophie aufgekreuzt war.
"Klar", schwindelte Lea-Sophie. "Er hat nichts dagegen. Warum auch?"
"Also, ich hätte schon was dagegen, wenn mein Freund sich ohne mich amüsiert. Er kann sich doch ausrechnen, dass da auch Typen sind."
"Wenn ich mich in einen anderen verliebe, werde ich es Bernd schon sagen", murmelte Lea-Sophie, die sich doch noch nicht an die ständigen Lügen gewöhnt hatte, verlegen. "Außerdem geht er auch aus."
"Bist du denn nicht eifersüchtig?" bohrte Maja weiter.
"Nein, wir... wir haben das so abgesprochen. Könnten wir vielleicht von was anderem als ständig von Bernd reden? Weißt du, wer nachher noch alles so kommt?"
Maja seufzte, setzte sich auf Lea-Sophies Schreibtisch am Fenster und ließ die Beine baumeln. "Die halbe 10 natürlich, aber auch noch ein paar andere. Sag mal, in letzter Zeit warst du ziemlich oft mit Robbie zusammen. Bahnt sich da was an?"
"Spinnst du?" entfuhr es Lea-Sophie. "Robbie ist absolut nicht mein Typ und außerdem sind wir nur gute Freunde."
"Wer weiß?" grinste Maja anzüglich. "Was ziehst du nachher an?"
So unterhielten sich Lea-Sophie und Maja noch eine ganze Weile.


In einem Punkt hatte Maja die Wahrheit gesagt: das Haus von Robbies Eltern war ein absoluter Traum. Etwas beklommen schritt Lea-Sophie an Andys Seite auf die doppelflügelige Haustür zu, die sich plötzlich, wie von Geisterhand geführt, öffnete. Robbie, lässig grinsend, machte eine übermütige Verbeugung. "Gut, dass ihr kommt." Rasch zog er Lea-Sophie ins Haus. "Vielleicht kannst du diesen dummen Gänsen vom Partyservice sagen, dass sie nicht so viel Tamtam machen sollen. Unten sieht es aus wie im Grand Hotel. Ich kann so was nicht ab." Dabei sah er sie so kläglich an, dass Lea-Sophie herzlich lachen musste.
"Dann zeig mir mal, wo es langgeht", forderte sie Robbie, dessen Outfit in krassem Gegensatz zu dem vornehmen Haus stand, auf.
Unwillkürlich hielt sie die Luft an, als er sie in den Partykeller brachte. Der Raum war unwahrscheinlich groß, und wenn Robbie den füllen wollte, musste er die halbe Stadt eingeladen haben. An der Stirnseite war eine Art Bühne aufgebaut worden, über der einige Scheinwerfer hingen. Die linke Seite des Raumes nahmen weißgedeckte Tische ein, an denen drei junge Frauen emsig hin und her wuselten. In der Mitte des Partykellers türmten sich Kisten und Kästen, die alle die Aufschrift eines Partyservices trugen.
"Bitte, Lea-Sophie", raunte ihr Robbie ins rechte Ohr. "Bring diese Verrückten zur Vernunft. Ich blamiere mich bis auf die Knochen, wenn sie hier Silbertabletts auffahren."
"Hast du das denn nicht vorher abgesprochen?" wunderte sich Lea-Sophie.
"Wie denn?" jammerte Robbie in komischer Verzweiflung. "Meine Mutter hat das Büffet bestellt, aber wenn es nach ihr ginge, würden heute alle im Smoking und Schlips antraben. Rette mich!"
Entschlossen ging Lea-Sophie auf die drei jungen Frauen zu, die sich redliche Mühe mit der Dekoration gaben.

Robbie und Andy schauten zu wie Lea-Sophie den Frauen vom Partyservice hilfreich zur Seite stand und einige Änderungen vornahm.
"Eine tolle Frau", schwärmte Robbie begeisternd.
Krall sie dir", riet Andy. "Sie ist bestimmt noch zu haben."
"Meinst du?" Versonnen wanderten Robbies Augen zu Lea-Sophie hin, die in dem kürzen Glitzerpulli und der hautengen schwarzen Hose zum Anknabbern aussah. "Und was ist, wenn sie mich nicht mag?"
"Dann wird sie dir das wohl sagen. Sie ist nicht der Typ, der mit Jungs spielt."
In diesem Moment schellte es und Robbie ging wieder nach oben, um die Tür zu öffnen. Nacheinander trudelten die restlichen Bandmitglieder ein und als der Soundcheck begann, setzte Robbie sich zu Lea-Sophie.
"Danke für deine Hilfe", sagte er. "Du hast mich vor der größten Blamage meines Lebens gerettet."
Obwohl Lea-Sophie sich über das Lob freute, tippte sie sich vorwurfsvoll an die Stirn. "Nun übertreib mal nicht, Robbie. Was habe ich denn schon groß getan?"
Robbie seufzte, aber da klingelte es wieder an der Tür und er kam nicht mehr dazu, die Frage zu beantworten.
Kopfschüttelnd gesellte sich Lea-Sophie zu Andy und seiner Band.


Robbies Fete war der Knaller. Die Stimmung war bombig und Lea-Sophie hatte das Gefühl, sich noch nie so gut amüsiert zu haben wie hier. Es ging schon auf zehn Uhr zu, als ein baumlanger Typ Robbie, mit dem sie tanzte, auf die Schulter klopfte.
"Hallo Julian. Dann hast du es also doch noch geschafft", freute sich Robbie. "Das, Lea-Sophie, ist Julian Geyer, mein allerbester Kumpel. Und das ist Lea-Sophie. Sie ist erst..."
"Sie kann selber reden", unterbrach Julian den Freund und nahm Lea-Sophie einfach in die Arme.
Sein Blick ging ihr durch und durch und einen Moment hatte Lea-Sophie das Gefühl ein paar Meter über dem Boden zu schweben. Mit angehaltenem Atem schaute sie in Julians Augen, die in dem Schummerlicht geheimnisvoll in verschiedenen Farben schimmerten.
"Lea-Sophie", murmelten seine Lippen und aus seinem Mund hörte sich ihr Name wie eine Liebkosung an. Lea-Sophie spürte, wie sich ihr Pulsschlag rasant beschleunigte, gleichzeitig wurden ihre Knieweich wie Pudding.
Verdammt, schoss es ihr durch den Kopf, während sie, wenn auch vergeblich nach Fassung rang. Was zum Teufel war denn bloß plötzlich in sie gefahren?
"Jetzt weiß ich, weshalb ich herkommen musste", redete Julian leise weiter, aber seine Worte drangen gar nicht bis in Lea-Sophies Gehirn vor. Dafür spürte sie zwei Hände, die ihre schmale Taille umschlangen, roch den betörenden Duft, der von Julian ausging.


Reiß dich zusammen, mahnte sie sich. Er ist doch nur ein ganz normaler junge. Aber irgendwie stimmte das nicht. Julian war kein normaler Boy, sondern ein absoluter Traumtyp, ihr Traumtyp. Niemals zuvor hatte ihr einer auf Anhieb so gut gefallen wie er. Dabei war er alles andere als schön, zu mindestens nicht im landläufigen Sinn. Sein dunkles, halblanges Haar wirkte zerzaust und Augen und Mund schienen für das schmale Gesicht entschieden zu groß zu sein und doch zog er sie wie magisch an, so sehr, dass Lea-Sophie keinen einzigen klaren Gedanken fassen konnte. Und erst seine Bewegungen! Sein durchtrainierter Körper schien ganz eins zu sein mit der Musik. Wie von selbst passten sich ihre Schritte den seinen an.
Julian schaute ihr immer noch tief in die Augen und Lea-Sophie hielt seinen Blicken wie gebannt stand. Sie konnte gar nicht anders. Und als Julian zu lächeln begann, lächelte sie ebenfalls. Als die Band zu einem schnelleren Song wechselte, führte Julian, Lea-Sophie von der Tanzfläche. Etwas abseits blieb er stehen, hielt aber ihre Hände weiterhin fest umschlungen.


"Erzähl mir von dir", bat er und dieses Mal drang seine Stimme in Lea-Sophies Bewusstsein.
"Was soll ich dir schon groß erzählen?" erwiderte sie, heftig bemüht, ihre wirren Gefühle unter Kontrolle zu bringen.
"Ich bin erst seit kurzem in der Stadt. Andy und Robbie hab ich nur durch Zufall kennengelernt, obwohl wir in dieselbe Schule gehen."
"Ein guter Zufall", murmelte Julian wie zu sich selbst. Sein Lächeln wurde ein wenig verlegen und das war der Moment, in dem Lea-Sophie sich rettungslos in ihn verliebte.
"Es mag blöd klingen", fuhr Julian hastig und ein wenig atemlos fort, während sich seine Finger noch fester um ihre krallten, "aber ich..." Julian seufzte und biss sich auf die Lippen. "Können wir bitte gehen?" presste er heiser hervor.
"Ich habe dir so viel zu sagen."
Wie in Trance ließ Lea-Sophie sich von ihm zur Tür führen. In ihrem Kopf herrschte ein einziges Durcheinander und das Blut hämmerte schon beinahe schmerzhaft in ihren Schläfen. Was war bloß mit ihr los? Wieso reagierte sie so übertrieben? Fragen, auf die sie keine Antwort fand, wahrscheinlich auch gar nicht finden wollte. Es war einfach ein schönes Gefühl, Seite an Seite mit Julian zu gehen, zu wissen, dass er ähnlich verwirrt, ähnlich aufgewühlt war wie sie selbst.
Aufatmend stieß Julian die breite Haustür auf und trat mit Lea-Sophie ins Freie. Die kühle Nachtluft schlug ihnen entgegen, aber Lea-Sophie spürte sie nicht. Und als Julian einen Arm fest um sie legte, kuschelte sie sich unwillkürlich an ihn. Sekunden später schloss Julian die Tür seines Autos auf und half Lea-Sophie beim Einsteigen. Rasch glitt er auf den Nebensitz und ließ den Motor an. Der kleine Wagen schoss davon, aber schon bald hielt Julian ihn wieder an.


"So ist es schon besser", murmelte Julian vor sich hin. "Ich hätte es da drinnen keine Sekunde länger ausgehalten", vertraute er Lea-Sophie an, die mit großen Augen zu ihm aufsah. "Vielleicht hältst du mich für total übergeschnappt, aber ich musste mit dir alleine sein." Julian räusperte sich und fuhr sich verlegen mit der Zungenspitze über die Lippen. Eine Geste, die Lea-Sophie ganz tief in ihrem inneren berührte. Wie von selbst legte sich ihre Hand auf seinen Arm. Im selben Moment fühlte sie wie Julians freie Hand sich hinauf zu ihrer Wange tastete.
"Himmel, ich... ich verstehe das alles nicht", seufzte er. "Halt mich nicht für verrückt, aber so etwas ist mir ehrlich noch nie passiert. ich meine, dass ich jemanden so... so..." hilflos brach er ab und schaute sie bittend an. Und jetzt endlich fand auch
Lea-Sophie ihre Sprache wieder.
"Ich kann mir vorstellen, was du fühlst", krächzte sie heiser. "Ich meine, es ist total komisch, aber... wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten, ich kenne dich mein ganzes Leben lang."
"Ja genau", pflichtete ihr Julian sichtlich erleichtert bei. Und plötzlich schien auf seinem Gesicht trotz der späten Stunde die Sonne aufzugehen. "Ich hab dich lieb, Lea-Sophie", gestand er ihr mit fester Stimme. "ich weiß nicht, wieso, aber es ist einfach so." Ohne zu zögern, kam sein Gesicht dem ihren immer näher und plötzlich fühlte Lea-Sophie zwei samtweiche Lippen, die sich zärtlich auf ihre legten.
Julians Kuss war wie ein Hauch, suchend und so zärtlich, dass Lea-Sophie erschauerte. Ganz still hielt sie, als Julian sie in die Arme schloss. Seine Küsse wurden immer verlangender und Lea-Sophie konnte nicht anders und erwiderte seine Zärtlichkeit. In heißen Wellen jagte ihr Blut durch die Adern, immer heftiger, so dass sie das Gefühl hatte, innerlich zu verbrennen.


Halt dich zurück, mahnte etwas in ihr, aber Lea-Sophie überhörte die Warnung, konnte auch gar nicht anders, denn längst waren ihre Gefühle stärker als der Verstand. Als Julian und sie sich schwer atmend voneinander lösten, schaute Lea-Sophie mit verschleierten Augen zu ihm auf.
"Ich liebe dich", hörte sie Julian sagen.
Immer noch spiegelten seine schönen Augen die innere Verwirrung wider. Zärtlich legte Lea-Sophie ihre Hand an seine Wange. Julian ergriff ihre Finger und zog sie an seine Lippen, während seine gesprenkelten grün-braunen Augen ihr Gesicht streichelten. Niemals zuvor hatte Lea-Sophie eine unbändigere Zärtlichkeit für jemanden empfunden, ein so heftiges Gefühl, dass sie gleichzeitig verwirrt und doch so glücklich machte.
"Dir wird kalt, Liebes", sagte Julian plötzlich. "Fahren wir in die Stadt, ja? Und unterwegs erzählst du mir von dir."
Nur widerstrebend setzte Lea-Sophie sich wieder gerade hin und schnallte sich an. Der Wagen ruckelte leicht, als Julian anfuhr, was Lea-Sophie mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte.
"Du bringst mich total durcheinander", entschuldigte er sich. "Herrgott, was musst du bloß von mir denken?"
"Nur Gutes", versicherte Lea-Sophie schnell. "Ich glaube, ich könnte gar nicht mehr fahren", gestand sie ohne jegliche Verlegenheit. Und als Julian sie von der Seite anlächelte, legte sie ihren Kopf an seine Schulter.


Auf der Fahrt in die Innenstadt begann Lea-Sophie von sich zu erzählen. Offen und ehrlich, alles, was ihr gerade im Kopf herumging. Und sie verschwieg auch nicht, dass sie sich einsam und verlassen vorgekommen war, dass sie ihre Freunde vermisste.
"Armer Schatz", murmelte Julian mitfühlend. "Ich wünschte, ich könnte dir helfen."
"In den letzten paar Tagen war es ja nicht mehr ganz so schlimm", schwächte Lea-Sophie ab. "Mit Robbie und Andy verstehe ich mich gut, und auch mit einigen aus meiner eigenen Stufe, nur... eine Freundin wie Katja kann man vielleicht gar nicht ersetzten."
"So geht es mir mit Robbie. Obwohl wir nicht mehr in dieselbe Schule gehen, ist und bleibt er mein allerbester Freund. Allerdings verstehe ich mich auch mit denen aus meiner Schule ganz gut."
Als Julian an einer roten Ampel halten musste, schaute er Lea-Sophie fragend an.
"Hast du noch Zeit?"


Lea-Sophie spürte, wie sich ihre Kehle zusammen zog. Die Tatsache, dass sie sich schon so bald wieder von Julian trennen müsste, wenn sie seine Frage verneinte, setzte ihr mächtig zu. Sie wollte noch bei ihm bleiben, wollte noch mit ihm reden und vor allem wollte sie noch einmal von ihm geküsst werden.
"Wenn du Zeit hast", fuhr er da fort, "könnten wir noch zu mir fahren. Du musst doch wissen, mit wem du es zu tun hast. Ich meine, du magst mich doch auch, oder?"
Das Oder klang so kläglich, dass Lea-Sophie lächeln musste. "Fahren wir zu dir. Ich habe zu Hause keine feste Zeit ausgemacht. ich glaube, meine Eltern waren ganz froh, dass ich endlich mal wieder ausgegangen bin."
Zärtlich drückte Julian ihre Hand, setzte den Blinker und bog an der nächsten Kreuzung ab. Wenige Minuten später hielt er vor einem älteren Mehrfamilienhaus.
"Da sind wir. Hoffentlich gefällt dir meine Bude." Rasch stieg er aus, umrundete den Wagen und war Lea-Sophie beim Aussteigen behilflich. Als er die Haustür aufschloss, blieb Lea-Sophie plötzlich stehen und schaute ihn aus großen Augen an.
Julian hielt ebenfalls inne und legte beide Arme um sie.
"Ich weiß, was du denkst, aber du brauchst keine Angst vor mir zu haben", versicherte er. "Ich schwöre dir, ich tue nichts, was du nicht auch willst."


Julians Zimmer lag im Dachgeschoss und verfügte über einen eigenen Eingang. Lea-Sophies Herz klopfte wieder wie wild in ihrer Brust, als sie sich langsam in dem gemütlich eingerichteten Raum mit den schrägen Wänden umsah. Auf Anhieb fühlte sie sich hier wohl und herrlich geborgen.
Julian hielt sie bei der Hand und sagte nichts. Erst als Lea-Sophie das Schweigen brach, lächelte er sie zärtlich an.
"Schön hast du es hier", lobte sie. Als sich ihre Blicke trafen spürte Lea-Sophie wieder diesen seltsamen Zauber, der von Julian ausging. Fast gleichzeitig streckten sie die Arme nacheinander aus und schmiegten sich innig aneinander. Nicht eine Sekunde lang hatte Lea-Sophie das Gefühl etwas Unrechtes zu tun. Es war ganz selbstverständlich, dass sie und Julian sich umarmten, sich zärtlich berührten und küssten. Nur wiederwillig lösten sie sich nach einer kleinen Ewigkeit voneinander. Mit dem Kopf deutete Julian auf die schwarze Couch vor dem Dachfenster. Lea-Sophie, deren Gesicht von innen zu leuchten schien, nahm Julians Hand und zog ihn mit sich.
"Ich komme mir vor, wie in einem schönen Traum", sprach Julian das aus, was auch Lea-Sophie schon dachte. "Kneif mich, Liebes, damit ich weiß, dass ich nicht nur träume."
Statt ihn zu kneifen, beugte sie sich vor und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. "Das ist besser", flüsterte sie. Verlangend ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Brust gleiten, während Julians Blick sie gefangenhielt.
Wieder schloss Julian sie fest in die Arme und küsste sie, bis ihnen beiden die Luft knapp wurde.
"Ich hab dich so lieb", murmelte er rau an ihren Lippen.
Lea-Sophie spürte, wie Zeit und Raum um sie versanken und plötzlich zählte nichts mehr für sie als Julian, der sie mit Zärtlichkeit verwöhnte, sie regelrecht damit überhäufte. Worte waren zwischen ihnen längst überflüssig geworden. Ihre Körper, ihre Augen und Lippen sprachen eine eigene Sprache und drückten all die Liebe aus, die sie in diesem Moment füreinander empfanden. Und als Julian sie zu entkleiden begann, war es für Lea-Sophie eine Selbstverständlichkeit, ihm jetzt und hier ganz zu gehören.


"Dieses Miststück. Diese scheinheilige Tussi", tobte Maja, als sie sich am nächsten Tag mit ihrer Freundin Sonja traf, die nicht zu Robbies Fete gekommen war. "Dabei hat Lea-Sophie längst einen Lover. Einen sehr netten sogar, der ihr tagtäglich Briefe schreibt. Und dann zischt sie einfach mit Julian ab. Nicht mal von Robbie hat sie sich verabschiedet. Der arme Kerl war total am Boden. Die ganze Fete hat sie ihm versaut. Wenn du mich fragst, er war selbst scharf auf sie. Dabei könnte er doch jede haben."
Sonja grinste nur und fuhr fort, ihre Nägel zu lackieren.
"Kannst du vielleicht auch mal was sagen?" fuhr Maja sie aufgebracht an.
"Du redest doch schon für zwei", konterte Sonja ungerührt. "Ich frage mich eh, weshalb du dich darüber so aufregst. Was geht es dich schon an, mit wem es die Neue treibt? Wenn sie sich noch an deinen Karsten..." Sonja hielt mitten im Satz inne und schaute zu Maja hin, deren Gesicht vor Zorn gerötet war. Anzüglich pfiff sie durch die Zähne. "ich hab´s endlich geschnallt. Du bist selbst scharf auf Julian. Gibt’s nur zu!"
"Und wenn schon", knurrte Maja und wendete sich schnell ab. "Glaubst du, Karsten reizt mich noch?"
"Dann schieß ihn doch ab."
"Bin ich bescheuert? Er kennt alle Leute und ohne ihn wäre ich nie auf Robbies Fete gekommen. Genauso wenig wie du, meine Liebe", fügte sie gehässig hinzu.
"Die Fete war für dich doch ein Schlag ins Wasser", stellte Sonja mit sichtlichem Vergnügen fest. "Irgendwie gefällt mir die Story. Ich würde zu gern wissen, ob Lea-Sophie mit Julian geschlafen hat."
"Da kannst du Gift drauf nehmen", zischte Maja. "Wenn du die beiden gesehen hättest... Sie konnten nicht schnell genug aus dem Haus kommen. Womöglich haben sie es schon im Auto gemacht."
"Ich würde mich an deiner Stelle nicht darüber aufregen. Bei Julian hast du eh keine Chancen. Schon deshalb nicht, weil Robbie dich nicht mag."
"Pah. Ich kriege jeden", prahlte Maja. "Auch einen Julian Geyer. Sollen wir wetten?"
Sonja schraubte die Nagellackflasche zu und pustete leicht auf ihre Fingernägel. "Und wie willst du das anstellen?"
Einen Moment herrschte zwischen den beiden eisiges Schweigen, aber dann begann Maja zu lachen, erst verhalten, dann immer lauter.
"Das wirst du schon sehen. Ich schwöre dir, Sonja, Lea-Sophie kriegt Julian nicht."


"Ich verstehe es immer noch nicht", schluchzte Lea-Sophie, die von einer Telefonzelle aus mit Katja telefonierte. "Ich wusste genau, was passieren würde und doch bin ich mit ihm nach oben gegangen."
"Beruhige dich doch, Lea-Sophie", redete Katja mit Engelszungen auf ihre Freundin, die völlig aufgelöst zu sein schien ein. "Wenn du ihn doch liebst."
"Wie kann ich jemanden lieben, den ich gar nicht richtig kenne? Himmel, Katja, wir kannten uns noch keine zwei Stunden und schon hab ich sämtliche Grundsätze über Bord geworfen. Das verzeihe ich mir nie. Ich... ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, alles ungeschehen machen aber..."
"Das geht nicht und das weißt du auch. Was hat Julian denn gesagt?"
"Du meinst, nachdem es passiert war? Nichts. Das heißt, so genau weiß ich das nicht mehr. Als er ins Bad ging, bin ich weggelaufen. Auf einmal wurde mir klar, was ich gemacht hatte. Ich... ich war so erschrocken", stammelte Lea-Sophie hörbar entsetzt. "Ich hab mich so schrecklich geschämt, Katja." Wieder begann Lea-Sophie zu weinen. "Himmel, was mag er jetzt bloß von mir denken? Ich will ihn nie mehr sehen. Ich glaube, ich würde umfallen, wenn ich ihm noch einmal begegne."


Katja zögerte, aber dann holte sie tief Luft. "Und jetzt bin ich dran Lea-Sophie", begann sie ungewohnt streng. "Ich finde, dass du absolut überzogen reagierst. Ich hab so etwas zwar noch nicht erlebt, aber es kann doch durchaus Liebe auf den ersten Blick geben. Warum muss man sich immer erst Wochen- oder Monatelang kennen? Bei euch hat der Blitz eingeschlagen, fertig. Ich gebe gern zu, dass alles im Eiltempo passiert ist, aber so etwas soll es ja geben. Und dass du dir jetzt die Augen ausheulst, finde ich auch nicht gut. Rede mit Julian. Sag ihm, wie schlecht du dich fühlst."
"Niemals. Ich will ihn nicht sehen."
"Die Luft in Schönsichtingen bekommt dir echt nicht", konstatierte Katja trocken.
"Spotte du nur", murmelte Lea-Sophie und schluchzte erneut.
"Ich spotte nicht, ich mache mir tierische Sorgen", rief Katja lauter als notwendig. "Himmel Lea-Sophie, ich würde dir so gern helfen, aber wie?"
"Mir kann keiner helfen", flüsterte Lea-Sophie tonlos. "Ich hab mich benommen wie eine ..."
"Wage es nicht, so was zu sagen", fiel ihr Katja wütend ins Wort. "Du bist schwach geworden. Und? Dieser Julian muss ein ganz besonderer Junge sein. Und eben weil das so ist, solltest du dich mit ihm aussprechen. Sag ihm, wie du dich jetzt fühlst. Wenn er wirklich so ist, wie du ihn eben geschildert hast, wird er dich verstehen. Und vor allem, du solltest auch einmal an ihn denken. Womöglich fühlt er sich genauso mies wie du. Warum rufst du ihn nicht an?"
"Niemals. Ich ... ich muss das alles vergessen. Und eins schwöre ich dir, ich gehe nie mehr auf eine Fete. Ich sehe zu, dass ich mein Abi mache, und dann bin ich weg. Ich hasse Schönsichtingen."
"Wenn du dir das oft genug einredest, glaubst du es irgendwann mal selbst", knurrte Katja.
"Es ist aber so. Diese Stadt bringt mir kein Glück. Im Gegenteil!" wieder fing Lea-Sophie zu weinen an. "Weißt du noch? Wie oft haben wir beide über das erste Mal geredet. Wir waren uns einig, dass wir uns nur mit einem schlafen würden, den wir gut kennen, dem wir vertrauen. Und jetzt ... Ich weiß echt nicht, wieso ich das getan habe."
Noch eine Weile redete Katja beruhigend auf die Freundin ein, richtete aber nicht viel aus.


Immer wieder fuhr Julian um den Häuserblock, in dem Lea-Sophie wohnte, aber er bekam sie nicht zu Gesicht. Anrufen oder gar bei ihr zu klingeln traute er sich nicht, weil er nicht wusste, wie ihre Eltern darauf reagieren würden. Und sie in Schwierigkeiten bringen, wollte er natürlich auch nicht. Und doch musste er dringend mit ihr sprechen. Die Tatsache, dass sie sich klammheimlich verdrückt hatte, belastete ihn sehr. Niemals würde er sich verzeihen, dass es zwischen ihnen so schnell zum äußersten gekommen war. Und er hatte ihr sogar sein Wort gegeben, das nichts passieren würde, was sie selbst nicht auch wollte.
Sie hat es doch gewollt, sagte er sich zum bestimmt hundertsten Mal und doch tröstete ihn das nicht. Sie war total verwirrt gewesen, ebenso wie er selbst. Nicht sein Kopf, sondern sein Gefühl hatte Regie geführt und ihr war es wohl ebenso ergangen. Er hätte sich bremsen müssen. Hätte sich zurückhalten müssen, doch stattdessen hatte er mit ihr geschlafen. Noch immer glaubte er, ihren weichen vor Leidenschaft bebenden Körper zu fühlen. Sie hatte sich ihm vollkommen überlassen, hatte ihm vertraut und er...
Gequält stöhnte Julian auf. Er musste mit Lea-Sophie reden, unbedingt sogar. Er würde ihr erklären, weshalb er so stürmisch reagiert hatte, weshalb er sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt hatte. Und dann würde er sie um Verzeihung bitten.
Als es dunkel wurde und er Lea-Sophie immer noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, gab er vorläufig auf und fuhr zu sich nach Hause.


"Ich muss unbedingt mit dir reden", erklärte Maya und drängte Lea-Sophie in deren Zimmer. "Es geht um Robbies Fete."
Lea-Sophie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und drehte sich schleunigst um. Die wirrsten Gedanken kreisten ihr durch den Kopf, während sie sich zwang, ruhig und gleichmäßig zu atmen. Wortlos deutete sie auf den einzigen Sessel und schloss ihre Zimmertür hinter sich.
"Es geht um Julian Geyer", kam Maya ohne Umschweifen zur Sache. "Du bist noch reichlich fremd hier und deshalb kannst du nicht wissen, was für ein Dreckskerl er ist." Maya wartete die Wirkung ihrer Worte ab, aber Lea-Sophie gab keinen einzigen Ton von sich. "Ich weiß, dass es mich nichts angeht", fuhr sie fort, "aber ich sehe es als eine Art Pflicht an, dich über diesen miesen Typen aufzuklären, denn immerhin sind wir in letzter Zeit so etwas wie Freundinnen geworden."
Als Lea-Sophie sich immer noch nicht rührte, stand Maya auf und ging vor ihr in die Hocke. "ich meine es doch nur gut mit dir", fuhr sie eindringlich fort. "Er ist echt ein Dreckskerl, der die Mädchen bloß ausnutzt. Und wenn er sein Ziel erreicht hat, lässt er sie fallen wie eine heiße Kartoffel. Mensch Lea-Sophie, nun sag doch mal was! Oder...?" Betroffen legte Maya die Stirn in Falten. "Sag nicht, er hat dich schon vernascht", flüsterte sie entsetzt.
Lea-Sophie sprang so ungestüm auf, dass Maya ins Schwanken geriet. "Hat er nicht", stieß sie heiser hervor. "Himmel, kannst du auch mal an was anderes denken?"


Maya kam schnell auf die Füße. "Sorry, ich wollte dir nur helfen. ich finde, dass bin ich dir schuldig. Bleib lieber bei deinem Bernd. Der scheint mir ein sehr netter Typ zu sein."
Es kostete Lea-Sophie eine beinahe unmenschliche Kraft, nicht in hysterisches Lachen auszubrechen. Mayas Warnung, mochte sie vielleicht sogar wirklich gut gemeint haben, kam leider um ein paar Stunden zu spät. Und einen Bernd, bei dem sie hätte bleiben können, gab es auch nicht.
"Ich... ich weiß, dass du mich nicht so besonders magst", redete Maya da schon weiter, "aber dennoch... Ich... ich mag dich wirklich gern. Glaub mir, Lea-Sophie, ich kenne Julian ganz gut, und ich weiß, wovon ich rede." Hörbar holte sie Atem. "Wenn du es genau wissen willst, wir waren mal befreundet, aber als ich gemerkt habe, dass er nur mit mir ins Bett wollte, hab ich ihn schleunigst abgeschossen. Ich finde, mit gewissen Sachen sollte man sich zeit lassen."
"Ach ja?" Verwundert schaute Lea-Sophie sich nach Maya um. "Seit wann hast du deine Meinung denn geändert? Hast du mir nicht erst neulich erzählt, dass du dir jeden krallst, der dir gefällt?"
"Sich einen krallen oder mit jemanden schlafen sind zwei Paar Schuhe", antwortete Maya. "Anfangs fand ich Julian ja auch ganz nett, aber als er mich überrumpeln wollte..." Mayas Lächeln wurde noch eindringlicher. "Ich finde, wir Frauen sollen bestimmen, ob und wir mit einem Mann schlafen. Und wenn mich einer bedrängt, ist bei mir der Ofen aus."
Lea-Sophie lächelte leicht, obwohl ihr eher nach Weinen zumute war. So ganz schlau wurde sie immer noch nicht aus Maya, aber sie rechnete ihr hoch an, dass sie sich um sie sorgte. "Danke", sagte sie in einem plötzlichen Impuls. "Aber mach dir keine Sorgen. ich will Julian gar nicht."
"Nicht?" rief Maya sichtlich erleichtert. "Kluges Mädchen. und wenn er dir noch mal auf die Pelle rückt, schießt du ihn ab. Wenn du willst, helfe ich dir sogar dabei."
"Lieb von dir, aber ich glaube, dass ist nicht nötig, Ich werde ihn nicht mehr sehen."

Aber in diesem Punkt irrte Lea-Sophie sich ganz gewaltig.


"Nun komm schon, Lea-Sophie", lockte Maya am Montag. "Du kannst doch nicht ewig nur pauken. Ein bisschen Abwechslung hat noch keinem geschadet. Wir brauchen ja nicht unbedingt ins Take Five zu gehen."
"Ich möchte aber nicht ausgehen", widersprach Lea-Sophie, die den Schock über das, was sie getan hatte, noch nicht überwunden hatte, traurig.
"Und warum nicht? Hast du Angst, Julian zu begegnen?"
Entnervt schloss Lea-Sophie die Augen. "Nein, natürlich nicht", schwindelte sie. "Er interessiert mich nicht die Bohne."
"Wenn das so ist, können wir doch ausgehen. Ich lad dich ein." Entschlossen klappte Maya das Heft, in dem Lea-Sophie geschrieben hatte zu. Nur wiederwillig stand Lea-Sophie auf und folgte Maya zur Tür.
"Hast du wieder Post von Bernd bekommen?" erkundigte Maya sich möglichst beiläufig beim Hinausgehen.
"Ja, er hat geschrieben", murmelte Lea-Sophie. Wieder eine Lüge, fuhr es ihr durch den Kopf. bring endlich Ordnung in dein Chaos! Wenn Maya herausfindet, dass du sie belügst, verlierst du sie auch noch, und dann bist du wieder ganz allein. Unbehaglich dachte sie daran, wie lieb Maya eben in der Schule zu ihr gewesen war. Robbie war ziemlich sauer auf sie gewesen, weil sie sich klammheimlich von seiner Fete verdrückt hatte, aber Maya hatte sie wie eine Tigerin verteidigt und ihm den Wind aus den Segeln genommen. Eigentlich hatte sie allen Grund, ihr dankbar zu sein. Stattdessen belog sie sie.
"Wenn du auf mich hörst, erwähnst du Julian Bernd gegenüber mit keinem Wort", plauderte Maya weiter. "Jungs können tierisch eifersüchtig sein."
Lea-Sophie nickte nur, während ihre Gedanken wieder zu Julian wanderten. Immer noch konnte sie nicht glauben, dass er tatsächlich so gemein war, wie Maya ihn beschrieben hatte. Aber weshalb sollte sie na Mayas Worte zweifeln? Sie kannte ihn sicherlich besser. Ärgerlich über sich selbst verdrängte sie jeden Gedanken an Julian. Es wurde höchste Zeit, dass sie sich ablenkte.


"Siehst du", freute sich Maya, nachdem sie sich in der kleinen Espressobar, die nur zwei Straßenzüge von Lea-Sophies Wohnung entfernt lag, an einen Tisch gesetzt hatten. "Hier triffst du keinen aus unserer Penne."
"Gut so", murmelte Lea-Sophie. "Ich bin auch nicht scharf darauf, einen zu treffen. Am liebsten würde ich zurück nach Auenhausen gehen. Diese Stadt liegt mir nicht."
"Rede doch keinen Unsinn. Du musst dich halt erst einmal einleben. So was dauert nun mal, aber wenn du willst, helfe ich dir dabei. Ich kenne mich hier gut aus. Es tut mir nur leid, dass ich dich nicht sofort auf Robbies Fete vor Julian gewarnt habe. Aber zum Glück war es ja noch nicht zu spät."
"Was ist eigentlich mit dir und Karsten?" lenkte Lea-Sophie schnell ab.
"Ach, der. Ich hab dir ja schon erzählt, dass das mit ihm auch nicht das Wahre ist. Karsten ist mir zu... wie soll ich ... Himmel!" fiel sie sich selbst ins Wort, als ihr Blick auf die Eingangstür fiel.
"Was ist denn?" Als Lea-Sophie sich umdrehen wollte, umklammerte Maya mahnend ihr Handgelenk.
"Dreh dich bloß nicht um. Julian ist gerade reingekommen. Bleib ganz ruhig ja? Und lass mich nur machen."
Zischend sog Lea-Sophie den Atem ein, während ihr Herz wie verrückt zu pochen begann. Hilfesuchend suchten ihr Augen Mayas Blick, aber die schaute an ihr vorbei.
"Lea-Sophie", hörte sie eine Stimme sagen, die sie unter tausenden wiedererkannt hätte und plötzlich war ihr, als griff eine eiskalte Hand nach ihrem Herzen. Visionsartig sah sie sich wieder mit Julian in dessen Bett liegen, hörte die Worte, die er ihr gesagt hatte, spürte seine Hände... Aber dann hörte sie auch Mayas Stimme, die sie vor ihm gewarnt hatte.


"Alles klar?" fragte Julian, der Maya nicht zu beachten schien.
Wie in Zeitlupe hob Lea-Sophie den Kopf und schaute Julian an. Sie spürte den warnenden Tritt unter dem Tisch und zwang sich zu einem Lächeln. "Bestens", bestätigte sie verkrampft.
"Wir haben gerade über Bernd, Lea-Sophies Freund, geredet", mischte Maya sich ein, während sie Lea-Sophies Füße unter dem Tisch weiter mit Tritten malträtierte. "Er und Lea-Sophie sind schon seit Ewigkeiten zusammen. Ich beneide sie echt um ihn. Stell dir vor, er schreibt ihr täglich Liebesbriefe und nächste Woche kommt er sie sogar besuchen."
Als Julian nicht reagierte, sondern Lea-Sophie nur weiterhin anstarrte, klopfte Maya auf den freien Platz neben sich. "Willst du dich nicht für einen Moment zu uns setzen? Ich überlege schon, ob wir für Bernd nicht eine Fete geben sollen. Lea-Sophie wollte eh ihren Einstand feiern."
"Nein ich..." Julian räusperte sich. "ich muss gehen", presste er zwischen den Zähnen hervor, blieb aber dennoch stehen. "Dann... dann wünsch ich dir und deinem Freund viel glück, Lea-Sophie." Wie von Furien gehetzt verließ er das Lokal.
"Dem haben wir es aber gegeben", jubelte Maya. "Lob mich mal für diesen Geistesblitz, dass Bernd dich besuchen kommt. Das lässt sich doch bestimmt arrangieren, nicht wahr? Und außerdem bin ich schon schrecklich gespannt auf deinen Freund."


Lea-Sophie seufzte und biss sich fest auf die Lippen. Alles in ihr war in Aufruhr. Das unerwartete Wiedersehen mit Julian, das ihr gezeigt hatte, dass sie ihn trotz Mayas Warnungen liebte, dann noch Mayas bitte, Bernd einzuladen. Am liebsten wäre sie in ein Mauseloch gekrochen und nie mehr zum Vorschein gekommen.
"Himmel, Lea-Sophie", machte Maya sich wieder bemerkbar. "Was ist denn bloß auf einmal mit dir los? Man könnte glauben, du hast dich echt in diesen miesen Typen verknallt. Julian ist ein Ekel, ein absolut schmieriger Kerl, der nur mit den Gefühlen anderer spielt. Wenn du mir nicht glaubst, bring ich dich mit ein paar der Girls zusammen, die auf ihn hereingefallen sind. Ich glaube, du solltest deinen Bernd wirklich einladen, damit du endlich auf andere Gedanken kommst. Ruf ihn an und sag ihm, dass du Sehnsucht nach ihm hast."
Sekundenlang rang Lea-Sophie mit sich, ob sie nicht zumindest den Schwindel über Bernd aufklären sollte. Tu´s nicht, warnte ihre innere Stimme. Wenn Maya den anderen erzählt, dass du deinen Lover bloß erfunden hast, bist du untendurch. Dann ist alles aus.
"Mal sehen. Vielleichtlade ich ihn wirklich ein", sagte Lea-Sophie, vermied es aber Maya dabei anzusehen. Plötzlich kam sie sich noch schäbiger vor. Sie musste unbedingt mit Katja reden. Sie war der einzige Mensch, der sie wirklich verstand und vor dem sie keine Geheimnisse hatte.


Als Lea-Sophie die Wohnungstür aufschloss, hörte sie die Stimmen, die aus dem Wohnzimmer drangen. Leise wollte sie die Tür hinter sich schließen, aber es war schon zu spät.
"Da bist du ja, Schatz", rief ihre Mutter. "Marcel ist von seiner Studienfahrt zurück."
"Hi, Lea-Sophie", grüßte Marcel und trat hinaus in die Diele. "Ich wollte bloß mal sehen, wie es dir geht. Alles klar?"
"Ja", sagte Lea-Sophie mit einer Stimme, die selbst in den eigenen Ohren ziemlich unglaubwürdig klang.
"Entschuldigt mich, Kinder, aber ich muss nach dem Essen sehen." Frau Schollz drängte sich zwischen Lea-Sophie und Marcel durch und ging in die Küche.
Verwundert musterte Marcel Lea-Sophie. "Ist mit dir wirklich alles okay?" erkundigte er sich besorg.
Lea-Sophie spürte, wie sie am ganzen Körper zu zittern begann. Gleichzeitig zog sich ihre Kehle zusammen.
Erschrocken legte Marcel einen Arm um Lea-Sophie und führte sie schnell zu ihrem Zimmer. "mit dir stimmt doch was nicht", murmelte er verwirrt und erschrocken zugleich. Im ersten Impuls wollte Lea-Sophie widersprechen, aber plötzlich stand sie wie gelähmt da und starrte Marcel an. Entsetzt fühlte sie, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Besorgt drückte Marcel sie auf ihr Bett und setzte sich zu ihr. "Willst du darüber reden?" fragte er.
Als Lea-Sophie leise zu weinen begann, legte er einen Arm um sie und drückte sie fest an sich. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, ehe sie sich wieder ein wenig gefasst hatte.
"Ich habe Mist gebaut, Marcel", gestand sie zaghaft. Und plötzlich löste sich die innere Sperre in ihr. Offen und ehrlich erzählte sie dem Freund, was sie getan hatte. Und nachdem sie Marcel alles, was sie bewegte, anvertraut hatte, fühlte sie sich sogar ein klein wenig leichter.


Eine lange Zeit blieb es zwischen den beiden still, aber dann lächelte Marcel sie freundlich an. "Danke für dein Vertrauen. Ich kann mir denken, wie schwer es dir gefallen ist, mit mir darüber zu reden."
Lea-Sophie lächelte, wenn auch mit Tränen in den Augen. "Ich muss einfach mit jemanden reden, der unparteiisch ist. Katja will mich nur trösten, aber das hilft mir irgendwie auch nicht weiter. Himmel, wie soll ich es sagen?"
"Schon gut", lächelte Marcel. "Ich verstehe dich auch so. Und das du ziemlich von der Rolle bist, kann ich dir auch nachfühlen, dennoch muss ich dir jetzt eine Frage stellen, die du mir hoffentlich ehrlich beantwortest. Was empfindest du für Julian?"
Lea-Sophie wurde erst blass, dann rot, dennoch hielt sie Marcels fragenden Blick stand. "Ich glaube, ich liebe ihn immer noch. Das mit uns war so... so einmalig, irgendwie unwirklich und doch so richtig. Aber warum schäme ich mich dann bloß so?"
Nachdenklich schaute Marcel sie an. "Gefühle sind etwas, das man mit dem Verstand nicht erklären kann. Manchmal will der Kopf anders als das Herz."
"Dennoch verstehe ich nicht, wie ich einfach alle Grundsätze über Bord werfen konnte. Ich kannte Julian doch gar nicht und doch war er mir so vertraut, als würde ich ihn mein Leben lang kennen."


Beruhigend drückte Marcel ihre Hand.
"Ich weiß gar nicht mehr, was ich denken soll", klagte Lea-Sophie weiter: "Und jetzt noch diese Sache mit meinem angeblichen Freund. Wenn Maya erfährt, dass ich sie angeschwindelt habe, lässt sie mich auch fallen. Und was dann?"
"Muss sie es denn erfahren?" überlegte Marcel laut. "Warum sagst du ihr nicht, dass du Schluss gemacht hast? Dann ist das Problem schon mal vom Tisch. Und die Sache mit Julian... Nun ja..."
"Ich muss ihn vergessen", rief Lea-Sophie dazwischen. "Maya hat mir doch erzählt, was für ein mieser Typ er ist."
Marcels Gesicht verriet keine Regung. "Und das glaubst du ihr?"
Lea-Sophie seufzte. "Muss ich wohl. Maya ist doch auch mal mit ihm gegangen. Und es passt ja auch alles zusammen. Ich meine, immerhin bin ich gleich mit ihm..."
"Pssst", mahnte Marcel. "Mach es dir nicht noch schwerer, Lea-Sophie. man sollte zu dem, was man tut, stehen. Und vor allem solltest du dir keine Vorwürfe mehr machen. Du hast dich in Julian verliebt, und du hast mit ihm geschlafen. Kein grund, dich zu verurteilen wie eine Verbrecherin."
Widerwillig musste Lea-Sophie lächeln. "Du bist ein lieber Schatz, Marcel", sagte sie dankbar.
"Wozu hat man Freunde? Und jetzt muss ich leider wieder gehen. Und du versprichst mir, dass du dir dein hübsches Köpfchen nicht mehr zerbrichst. Warte einfach mal ab, ja? Vieles regelt sich von selbst."
"Glaubst du?"
"Ich weiß es", versicherte Marcel augenzwinkernd. "Darf ich dich morgen um drei abholen?"
"Morgen? Was ist denn da?"
Marcel drückt ihr einen flüchtigen Kuss aufs Haar und ging zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen. "Wir gehen aus. Du und ich."


In den Pausen hatte Maya nur ein einziges Gesprächsthema und das hieß Bernd. Obwohl Lea-Sophie ein schrecklich schlechtes Gewissen hatte, befolgte sie Marcels Rat und ließ Maya in dem Glauben, dass Bernd existierte. Dennoch war sie heilfroh, als Maya sich gleich nach dem Unterricht von ihr verabschiedete.
In Gedanken versunken, fuhr Lea-Sophie mit dem Bus nach Hause. Das Julian ein Schuft sein sollte, erschien ihr immer unmöglicher und doch sprachen die Tatsachen gegen ihn.
Als sie um die Ecke in ihre Straße einbog, stockte ihr fast der Atem. Vor ihrer Haustür parkte ein kleiner blauer Wagen, der ihr bekannt vorkam. JULIAN, hämmerte es in ihrem Kopf. Unwillkürlich beschleunigte sie die Schritte, aber als sie näher kam, sah sie, dass am Steuer ein alter Mann saß, der ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad trommelte.
Reiß dich zusammen, schimpfte sie sich ärgerlich. Wenn du so weiter machst, drehst du noch völlig durch. Für ihn warst du ein Abenteuer, nicht mehr. Dennoch klopfte ihr Herz wie ein Hammer in der Brust, als sie in ihre Wohnung eilte. Aufatmend lehnte Lea-Sophie sich mit dem Rücken gegen die Tür und schloss die Augen. Bewusst zwang sie sich, mehrmals tief durchzuatmen.
"Ich muss ihn vergessen", redete sie sich ein.


Als es eine gute Stunde später an der Wohnungstür klingelte und Marcel vor ihr stand, atmete sie auf. Endlich würde sie auf andere Gedanken kommen und nicht immerzu nur an Julian denken.
"Gehen wir in mein Zimmer", lud sie Marcel ein, aber dieser griff nach ihrem Parker.
"He, was hast du vor?" wunderte sich Lea-Sophie, während sie brav in die Jacke schlüpfte, die ihr Marcel aufhielt.
"Das, meine Liebe, wirst du schon sehen", erklärte er geheimnisvoll.
Kurze Zeit später lenkte er seinen Wagen auf einen Parkplatz in der Altstadt.
"Was, zum Teufel, hast du vor?" fragte Lea-Sophie erneut, aber Marcel zwinkerte ihr nur zu. Als er sie ins Take Five führte, wollte Lea-Sophie protestieren, aber Marcel hakte sich fest bei ihr ein.
"Vertrau mir", bat er. "Ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen."
Dennoch ging Lea-Sophie nur widerwillig mit ihm. Um diese Zeit war das Take Five nur mäßig besetzt und Lea-Sophie stellte erleichtert fest, dass keiner aus ihrer Schule hier war.
Marcel führte sie zu einem Ecktisch, bot ihr aber einen Platz an, von dem aus sie die Eingangstür nicht im Blick hatte. Nachdem er für sie beide bestellt hatte, plauderte er amüsant über seine Studienreise, aber auch über seine Schule.


Lea-Sophie, froh über diese Ablenkung, hörte ihm mit wachsendem Interesse zu. Erst als jemand auf ihre Schulter tippte, schaute sie auf. Vor ihr stand Julian, ein sehr fröhlicher Julian, wie sie auf den ersten Blick erkennen konnte.
"Darf ich mich zu euch setzen?" fragte er, schaute aber nur Lea-Sophie dabei an.
Im ersten Moment wollte sie ablehnen, aber da räumte Marcel seinen Stuhl und bot ihn Julian an.
"Ich komme später bei dir vorbei", verabschiedete sich Marcel und drückte beruhigend ihre Hand. "Hör Julian einfach nur zu okay?"
Lea-Sophies Lippen bebten vor Zorn, aber auch vor Enttäuschung. Wie konnte Marcel sie so hereinlegen? Natürlich war dieses Treffen hier arrangiert. Niemals...
"Bitte, hör mich an", sagte Julian in ihre Gedanken hinein und tastete nach ihrer Hand. "Ich glaube, es wird höchste Zeit, dass wir beide miteinander reden. Ich liebe dich, Lea-Sophie. Und das musst du mir glauben, egal was man dir über mich erzählt hat."
Sekundenlang befürchtete Lea-Sophie vom Stuhl zu kippen. Ihre Augen brannten wie Feuer und in ihrem Kopf schien sich nur noch Watte zu befinden. Und ihr Herz spielte total verrückt und klopfte so heftig, dass sie dachte, jeder müsse es hören.
"... Marcel nicht dankbar genug sein, dass er mir alles erklärt hat, Ich habe dieser Hexe... Lea-Sophie!" Mit der freien Hand wedelte Julian vor ihren Augen, aber Lea-Sophie zuckte mit keiner Wimper.
"Liebes! Bitte, nun sag doch einen Ton", flehte er. Verzweifelt schaute Julian sich um, aber niemand schien Notiz von ihnen zu nehmen. Rasch umrundete er den Tisch und setzte sich neben Lea-Sophie. Behutsam zog er sie an sich und küsste sie auf die eiskalten Lippen.
"Verzeih mir, dass ich so ungestüm war", stammelte er. "Ich liebe dich so sehr. das ist meine einzige Entschuldigung für Samstag."


Lea-Sophie schnappte mehrmals nach Luft und räusperte sich. Dennoch klang ihre Stimme schrecklich brüchig, als sie zu reden begann. "Ich weiß alles, Julian. Du brauchst mir nichts zu erklären. ich war dumm genug, auf dich hereinzufallen. Ich..."
Julian schaute ihr fest in die Augen. "Warum glaubst du dieser verlogenen Maya mehr als mir? Ist dir denn nicht klar, was sie damit bezweckt, wenn sie mich bei dir anschwärzt? Sie steigt doch jedem nach und vielleicht sollte ich ihr nächstes Opfer werden. Moment noch", bat er, als Lea-Sophie ihn unterbrechen wollte. "Glaubst du, dass unser Treffen gestern in der Espressobar ein Zufall war?"
"Ja", hauchte Lea-Sophie. "Was denn sonst?"
Julian lächelte bitter. "Es war mit Maya so abgemacht. Sie wollte mir beweisen, dass du schon einen Freund hast. Ich habe ihr das nämlich nicht abgekauft, musst du wissen."
Lea-Sophies Augen weiteten sich, während sich ihre Gedanken überschlugen. Sie versuchte, sich an das Gespräch von gestern zu erinnern und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Auge. "Sie hat sofort von Bernd geredet", flüsterte sie tonlos.
"Ja, und weil du ihr nicht widersprochen hast, hab ich ihr die Story natürlich auch abgekauft. Und doch..." Julian lächelte sie wieder so lieb an, dass es Lea-Sophie heiß durchrieselte. "Irgendwie hab ich es doch nicht glauben können, denn das am Samstag... So was kann man einfach nicht spielen", vollendete er den Satz. "Mir ging es doch genau wie dir. In der allerersten Sekunde hab ich gespürt, dass zwischen uns etwas ganz Besonderes ist. Und als Marcel dann gestern zu mir kam und mir die Hölle heißgemacht hat, war mir natürlich klar, was Maya bezweckt hat."


Hörbar sog Lea-Sophie den Atem ein und lehnte ihre heiße Stirn an Julians Schulter. Ganz allmählich wurden ihre Gedanken wieder klarer und vieles, das sie bisher falsch interpretiert hatte, erschien ihr jetzt in einem völlig anderen Licht. "Du weißt, dass mein angeblicher Freund nur eine Erfindung ist?"
"Zum Glück, denn sonst..." Julian lächelte und zog Lea-Sophies eiskalte Hände an seine Lippen. "Wenn es ihn wirklich gäbe, würde ich dennoch um dich kämpfen, mein Herz", flüsterte er rau. "Ich liebe dich so sehr."
Lea-Sophies Augen begannen zu strahlen. "Könntest du das bitte noch einmal wiederholen?" bat sie verträumt.
"So oft du möchtest", versicherte Julian überschwänglich und verschloss ihre Lippen mit einem innigen Kuss.
Als sie sich etwas atemlos voneinander lösten, kuschelte Lea-Sophie sich an ihn. Es tat so gut, ihn wieder zu spüren, aber noch viel, viel schöner war, dass Julian ebenso empfand wie sie.
Noch lange saßen sie beisammen, aber als das Take Five sich füllte, verließen sie die Pinte und schlenderten Hand in Hand durch die Altstadt.
"Ich werde morgen offen mit Maya darüber reden", sagte Lea-Sophie plötzlich in die Stille. "Was sie sich mit uns erlaubt hat, ist echt ein starkes Stück."
"Bringt es was, wenn du sie zur Rede stellst?" gab Julian zu bedenken. "Wir sind doch jetzt zusammen."
Lea-Sophie blieb stehen und schaute Julian fest in die Augen.
"Und was wäre gewesen, wenn ich Marcel nicht gekannt hätte?"
Zärtlich strich ihr Julian eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Du hast ihn aber gekannt und er kannte Andy und Robbie und die wiederum kannten mich. Und auch ohne sie... Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich aufgegeben hätte? Ich hätte immer wieder versucht, dich zu treffen. Und irgendwann wäre mir bestimmt aufgefallen, dass du gar keinen Freund hast. Aber natürlich will ich dich nicht beeinflussen, Liebes. Wenn du Maya zur Rede stellen willst, dann tu das."
"Ich denke noch mal darüber nach", lächelte Lea-Sophie und schlang beide Arme um Julians Nacken.
"Wenn du mich so anschaust, garantiere ich für nichts", murmelte Julian und küsste sie innig.


Als Lea-Sophie am nächsten Tag in die Schule kam, gesellte Maya sich sofort zu ihr. "Na? Hast du mit Bernd geredet?" fragte sie.
"Wir haben uns getrennt", erklärte Lea-Sophie so gelassen wie möglich. "Ich liebe Julian und er liebt mich. Und weil ich..."
"Bist du des Wahnsinns?" polterte Maya mit vor Wut blitzenden Augen los. "Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass der Typ nichts taugt? Er ist..."
"Spar dir die Worte", fiel ihr Lea-Sophie ins Wort. "Zwischen mir und Julian ist alles klar. Und die Sache mit Bernd hat sich auch erledigt. Ich brauch nun mal einen Freund, der immer bei mir sein kann, Irgendwann wirst du das wohl auch verstehen. ich meine, wenn du mal den richtigen Boy gefunden hast."
Sekundenlang starrte Maya Lea-Sophie hasserfüllt an, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürmte davon.
"Mir scheint, da hast du dir eine Feindin gemacht", kommentierte Sonja, die jedes Wort mitbekommen hatte, trocken. "Wusstest du, dass Maya selbst scharf auf den schönen Julian ist?"
"Ich hab´s mir gedacht", erwiderte Lea-Sophie.
"Sie wird sich schon wieder beruhigen", fuhr Sonja ungerührt fort. "Und wenn nicht, ist es auch egal. Sag mal, du hast nicht zufällig Mathe gemacht? Ich hatte nämlich gestern keine Zeit. Und wenn ich noch einmal ohne Hausaufgaben erwischt werde, geht es mir an den Kragen:"
"Klar. ich gebe dir gleich mein Heft, dann kannst du in der Pause abschreiben."
"Gib es mir lieber sofort", platze Sonja heraus. "Ich wollte dich nämlich fragen, ob du nachher mit mir in die Cafeteria gehst. Es ist nämlich so..." Sonja zögerte, aber dann gab sie sich doch einen Ruck. "Du und Robbie, ihr seid doch ziemlich gut befreundet und da dachte ich ... Himmel, du verstehst schon. Robbie interessiert mich und da dachte ich, dass du... ich meine, dass ich...“, stotterte sie herum.
"Brich dir nicht die Zunge ab", schmunzelte Lea-Sophie, die Sonja bisher für Mayas Freundin gehalten hatte. "Ich hab bestimmt nichts dagegen, wenn wir nachher zusammen einen Kaffee trinken.
"Super. Mensch, du bist ja echt nett", staunte Sonja.


Am Abend kamen Julian und Marcel zu Besuch. Stolz stellte Lea-Sophie ihren neuen Freund den Eltern vor.
"Sie scheinen mich zu mögen", freute Julian sich, als sie später in Lea-Sophies Zimmer saßen.
"Du bist ja auch ein netter Mensch", grinste Marcel und knuffte Julian in die Rippen. "Aber nun schieß los, Lea-Sophie. Wie war´s in der Schule?"
Lea-Sophie begann zu schmunzeln. "Absolut super. Maya schäumt vor Wut, dafür ist Sonja auf einmal superfreundlich. Ich glaube, ich sollte mich damit abfinden, dass einige meiner neuen Mitschüler etwas seltsam sind. Na, sagen wir, sie sind anders als andere. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass bei uns jeder jeden ausnutzt, aber daran kann man sich gewöhnen."
"Hauptsache, zwischen uns ist alles klar", sagte Julian und legte einen Arm um Lea-Sophies Schultern.
Verliebt kuschelte sie sich an ihn. "Ach ja, da fällt mir ein, am Samstag kommt Katja mich besuchen. Was haltet ihr davon, wenn wir zu viert was unternehmen?"
"Ich bin dabei", versicherte Marcel und schaute Julian an.
"Keine Einwände. ich bin schon sehr gespannt auf sie. Wenn sie nur halb so lieb ist wie Lea-Sophie..."
"Ist sie", kam es aus zwei Kehlen gleichzeitig.


Es war schon ziemlich spät, als Lea-Sophie Julian hinunter zur Haustür begleitete.
"Schlaf schön, Liebes", sagte er und schloss sie noch einmal fest in die Arme.
"Ich... ich muss dir noch etwas sagen", flüsterte Lea-Sophie. "Es ist wegen Samstag. Ich... ich muss ständig daran denken und ich wollte dir nur sagen, dass ich..."
"Nicht", bat Julian zärtlich. "Du brauchst keine Gewissensbisse zu haben. Wir lieben uns und da spielt die Zeit wohl keine Rolle, oder?"
"Nun ja", murmelte Lea-Sophie zögernd. "Eigentlich nicht, aber..."
"Es ist passiert, mein Herz und ich wäre ein elender Lügner, wenn ich behaupten würde, es tut mir leid." Julian zwinkerte ihr zu und streichelte ihre Wange. "Aber eins verspreche ich dir: Du wirst entscheiden, wann du mich wieder besuchst."
Ganz tief sog Lea-Sophie die kühle Nachtluft in sich ein und schaute zum Himmel empor, an dem unzählige Sterne funkelten. "Werde ich", versprach sie. Und als sie Julian zum Abschied küsste, wusste er, nein spürte er ganz genau, dass sie ihr versprechen schon sehr bald einlösen würde.
Fröhlich pfeifend lief er zu seinem Wagen.





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Tag der Veröffentlichung: 03.06.2011

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