Cover

Impressum

 

© 2019 Eve Flavian, Neela Faye

1. Auflage

 

Covergestaltung: Sabine Schulz

Silhouette: Eve Flavian

Hintergrund: monicor – pixabay.com (Bokeh)

DanChristian – pixabay.com (Struktur)

Trenner: Lauren Thompson (http://nymphont.blogspot.com – Schrift Nymphette)

Korrektorat: Simone Adam

 

https://www.facebook.com/Eves-und-Neelas-Projekte-1732600003642281/

http://eveflavian.wix.com/eveflavian

 

S. Adam, Wiesenstr. 10, 87751 Heimertingen

 

Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig.

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorinnen.

 

Ebooks sind nicht übertragbar und dürfen nicht weiterveräußert werden. Bitte respektieren Sie die Arbeit der Autorinnen und erwerben eine legale Kopie. Danke!

 

1.

 

Schlimmer konnte es nicht mehr werden, dachte Milo. Erst war die Getränkebestellung für das Kundenevent in seinem Laden namens „Dark Desire“ nicht vollständig, dann rief der Caterer an, dass der Koch krank wäre und dass seine Bestellung leider storniert werden musste.

Fluchend suchte Milo die Nummer eines anderen Services heraus, während er beim Getränkehändler telefonisch die fehlende Bestellung reklamierte. Bis der endlich zusagte, bis zum Nachmittag nachzuliefern, hing Milo zwei weitere Stunden am Telefon.

Wenigstens hatte er noch diesen türkischen Partyservice dazu gebracht; einige Antipastiplatten und Fladenbrot vorzubereiten.

Die Lachshäppchen musste dann eben Kim selbst machen. Da fiel ihm auf, dass sein Mitarbeiter eigentlich längst überfällig war. Wegen der Präsentation, die erfahrungsgemäß bis spät in die Nacht dauerte, hatte Milo Kim erst gegen Mittag herbestellt.

Während er die Nachlieferung des Getränkehändlers entgegennahm - zum Glück waren Wein und Champagner dieses Mal dabei - versuchte Milo, seinen Mitarbeiter zu erreichen.

Schließlich nahm er ab.

„Kim, na endlich! Hier brennt es an allen Ecken! Wo steckst du?“

„Milo, ich komm heut nicht.“

„Wie, du kommst heute nicht?“ Milo spürte, wie er leicht hysterisch zu werden drohte.

„Hast du denn nicht in die Post gesehen? Ich kündige.“

„Na du hast Nerven!“, fuhr Milo ihn an. „Aber du weißt schon, dass es eine Kündigungsfrist von 4 Wochen gibt. Also schwing deinen Arsch hierher!“

„Sorry Chef, du vergisst, dass ich noch Urlaub habe, sogar aus dem letzten Jahr. 4 Wochen ganz genau.“

Milo war sprachlos und das geschah nun wirklich nicht oft.

„Ich muss aufhören, mein Flug wurde gerade aufgerufen. Auf Nimmerwiedersehen, Sklaventreiber!“

Aufgelegt.

Milo unterdrückte nicht den saftigen Fluch, der ihm auf der Zunge lag. Was für eine Unverschämtheit!

Dann riss er sich zusammen. Er musste einen kühlen Kopf bewahren. Was war noch zu tun? Lachshäppchen würde er wohl selbst machen müssen, denn die Kunden bezahlten schließlich für die Nutzung des Buffets und erwarteten manche Dinge einfach.

Erster Punkt: Telefonat mit dem Feinkostladen hier in der Straße. Okay, immerhin konnte man ihm Weißbrot und Lachs liefern. Außerdem wäre noch geräucherte Forelle da. Was tat man nicht für gute Geschäftsbeziehungen?

Zweiter Punkt: Er brauchte einen neuen Mitarbeiter. Am besten sofort, auch wenn das utopisch war. Trotzdem hängte er schon mal ein Schild ins Schaufenster.

Dann kam die Lieferung des Feinkostgeschäfts und während Milo in Anzug und Krawatte im Laden stand, schmierte er Lachsbrötchen. Zumindest war heute nicht viel los, denn die Stammkunden kamen schließlich abends. So störte sich niemand daran, dass seine Finger nach Fisch stanken. Was für ein beschissener Tag!

 

 

Tarquin griff fester nach der Reisetasche und dem Gitarrenkoffer. Sein Gepäck wog immer schwerer in seiner Hand. Aber es war alles, was er noch hatte. Na ja, abgesehen von seinem Ersparten. Nur, was nützten ihm die vierhundert Euro, wenn man keinen Job und jetzt auch keine Wohnung mehr hatte? Klar, heute Abend würde er sich ein Hotelzimmer nehmen können, aber damit war das Problem ja nur kurzfristig gelöst.

Er atmete noch einmal tief durch. Natürlich hätte er Rick anrufen können, mit Sicherheit hätte sein Freund ihn selbst mitten in der Nacht hier abgeholt, aber eigentlich hatte er endlich auf eigenen Beinen stehen wollen nach der ganzen Sache. Wer hatte schon ahnen können, dass sein Vermieter ein WG-Zimmer doppelt vergeben würde? Jetzt stand er praktisch auf der Straße, nachdem er eine Gnadenwoche auf dem Sofa dort verbringen durfte. Bezahlbare Zimmer waren in der Stadt nun einmal Mangelware, so kurz vor Beginn des neuen Semesters sowieso. Das mit dem Job hatte sich auch als Flop herausgestellt, nachdem man ihm gleich nach den ersten Probetagen mitgeteilt hatte, dass er sich wohl leider nicht dafür eignete. Er war dem Filialleiter nicht schnell genug an der Kasse und beim Nachfüllen gewesen. Vielleicht war ihm aber einfach die vollbusige Bewerberin danach lieber gewesen. So genau hatte man ihm das natürlich nicht gesagt. Tarquin seufzte tief.

Sein Studium würde er so jedenfalls erst mal vergessen können, wenn er sich keine Wohnung und das Material dazu nicht leisten könnte. Seine Familie konnte er nicht um Geld bitten. Da nützten auch seine guten Noten nichts mehr. Das ganze Leben war einfach nur scheiße.

Gerade ging er an einer schweren, dunklen Tür vorbei, an der ein Schild hing. „Mitarbeiter ab sofort gesucht!“ Das schien doch ein Wink des Himmels zu sein.

Neugierig sah sich Tarquin um. Über der Tür stand in schlichten Silberlettern die Worte: „Dark Desire“. Ansonsten war nicht zu erkennen, um was für ein Geschäft es sich dabei handelte. Da er aber, was Arbeit betraf, nicht wählerisch sein konnte, beschloss er reinzugehen und sich umzusehen. Langsam öffnete er die Tür.

 

Als Milo die Tür hörte, sah er kurz auf. Der Kunde war ein schlanker Mann mit dunkelbraunen Locken. Scheinbar war er nicht von hier, vermutete er aufgrund des Gepäcks und der etwas dunkleren Hautfarbe. Irgendwas Südländisches vielleicht.

Nach der kurzen Betrachtung widmete er sich wieder den Lachshäppchen, die er vorzubereiten hatte. Meist brauchten seine Kunden eine Weile, um den Laden zu erkunden, und Milo wollte mit den Häppchen unbedingt fertig sein, bevor Steffen eintraf. Allein bei dem Gedanken an den Vertreter schlug sein Herz schneller. Dieser würde die Präsentation der neuen Produkte heute Abend machen und das war der einzige Lichtblick an diesem düsteren Tag.

Neugierig schaute sich Tarquin den Laden an. Für einen Sexshop war das Ganze verdammt edel und vor allem teuer. Eigentlich hatte er sich zwar vorgenommen, nie wieder mit Sex Geld zu verdienen, auch wenn das damals mit Thomas alles andere als gewollt war, aber gerade blieb ihm wohl kaum eine andere Wahl, als es zu versuchen. Jemand der seinen Laden so einrichten konnte, zahlte bestimmt gut. Und irgendwelche Sextoys zu verkaufen war im Grunde doch nichts anderes, als Obst und Gemüse. Schließlich verkaufte er nicht sich. Er fasste sich ein Herz und ging zum Verkaufstresen.

Der Kunde kam auf ihn zu und Milo sah auf und lächelte. Er war schließlich für seine kompetente und vor allem freundliche Art bekannt.

„Guten Tag, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“

„Hallo. Ähm, also ... Ich wollte fragen, ob der Job noch zu haben ist und worum es sich genau handelt.“

„Hi!“ Milo lächelte erleichtert. „Ja, der Job ist noch zu haben. Es geht eigentlich nur darum an der Kasse zu stehen und Ware auszupacken, Lieferscheine kontrollieren und sowas. Teilweise auch Kundenberatung. Außerdem findet ein bis zweimal im Monat ein Event statt, hier geht es dann um Bewirtung und so weiter. Interessiert?“

„Ja.“ Tarquin nickte. Er hatte schon viel schlechtere Sachen gemacht. Seit er ein Teenager war, hatte er sein Geld selbst verdient und nachdem seine Familie wieder nach Spanien zurückgegangen war, hatte er sich irgendwie über Wasser gehalten. Hatte Geld gespart, um endlich studieren zu können. „Wie sieht es mit der Bezahlung aus?'

„Heute Abend ist gleich das nächste Event und mein Mitarbeiter hat mich hängen lassen. Wenn Sie gleich anfangen können, kann ich Ihnen 150 € bar auf die Hand geben für die Veranstaltung. Den Rest besprechen wir am Montag, wenn Sie sich gut machen?“

„150 für den einen Abend?“, vergewisserte er sich. Das war mehr, als er zu hoffen gewagt hatte.

„Es könnte allerdings schon zwei Uhr nachts werden, bis wir fertig sind“, gab Milo zu bedenken.

„Oh ... okay.“ Tarquin überschlug seine Möglichkeiten, aber er konnte es sich nicht leisten, diesen Job auszuschlagen. „Wann soll ich anfangen?“ Er würde mindestens eine Stunde brauchen, um sich ein Hotelzimmer zu organisieren, oder er müsste in dieser Nacht auf der Straße schlafen.

„Am besten vor zwei Stunden“, erwiderte Milo trocken. „Wann ginge es denn bei Ihnen?“

„Ähm ... ich müsste mir ein Zimmer organisieren und mein Zeug wegbringen, dann wäre ich da.“ Tarquin zog die Schultern hoch.

„Okay. Hier in der Nähe gibt es eine günstige Pension.“ Milo suchte auf dem Tresen nach der passenden Visitenkarte und reichte sie dem jungen Mann. „Haben Sie zufällig eine schwarze Hose und ein weißes Hemd im Gepäck?“ Die Weste von Kim würde erst mal reichen müssen, auch wenn sie ihm vielleicht zu klein sein würde.

„Nur die schwarze Jeans.“ Er deutete auf seine Hose. „Und eventuell hab ich ein weißes Shirt in der Tasche. Bin mir aber nicht sicher.“

„Reicht völlig aus. Ich habe hier noch eine Weste mit unserem Logo drauf, für den Anfang reicht das.“ Milo lächelte. „Also sind wir im Geschäft?“ Er streckte seine Hand über den Tresen.

„Sind wir.“ Tarquin streckte die Hand aus und schlug ein. „Ich schaue, ob ich in der Pension ein Zimmer kriege und beeile mich.“ Er lächelte schüchtern.

„Ich werde anrufen, während Sie auf dem Weg sind, okay? Ich kenne den Besitzer. Darf ich fragen, wie Sie heißen?“

„Danke, das wäre nett. Ich heiße Tarquin Rodriguez.“

„Milo Sanders. Ich bin echt froh, dass Sie mir aus der Patsche helfen.“ Er lächelte. „Dann bis gleich.“

Tarquin nickte. „Bis gleich dann.“

 

 

Eine knappe Stunde später betrat Tarquin das „Dark Desire“ erneut. Mittlerweile hatte er dank Herrn Sanders ein bezahlbares Zimmer. Er hatte sich noch schnell frisch gemacht und ein bisschen gestylt. Er hoffte, dass es im Sinne seines neuen Chefs war.

„Sehr schön.“ Milo kam hinter dem Verkaufstresen hervor und auf Tarquin zu. Der hochgeschossene Mann würde seinen Kunden gefallen. Und vor allem war er froh, dass er tatsächlich so schnell jemanden gefunden hatte, der für Kim einspringen konnte.

„Was soll ich machen, Chef?“

Milo grinste. Das Bürschchen gefiel ihm. „Kommen Sie erst mal mit in den hinteren Teil des Ladens, da können Sie die Weste gleich anprobieren.“ Er wies auf die Tür hinter dem Tresen und ging voraus.

Tarquin folgte dem Mann und sah sich neugierig um. Selbst hier hinten war alles sehr aufgeräumt und nobel. Die Einrichtung war hauptsächlich in Schwarz gehalten. Es gefiel ihm und sah absolut nicht billig aus.

„Hier.“ Milo hielt ihm Kims Weste hin. „Ich hoffe, sie passt. Wenn Sie länger hier bleiben, bekommen Sie natürlich Ihre eigene Arbeitskleidung.“

„Okay.“ Tarquin nahm die Westen und streifte sie über. Sie war eng, aber vor allem reichlich kurz. „Und? Wie seh ich aus?“

Milo ging um den schmalen Mann herum und blickte ihn prüfend von oben bis unten an. Er nickte zufrieden.

„Für heute geht es. Aber in Zukunft brauchen wir eine neue. Können Sie sich darin bewegen?“

„Geht schon.“ Tarquin fühlte sich zwar schrecklich eingeengt, aber immerhin durfte er vollständig bekleidet arbeiten. Da nahm er das enge Teil gerne in Kauf.

„Okay. Heute Abend findet, wie ich ja schon gesagt habe, eine Präsentation statt. Eine Firma, deren Produkte wir verkaufen, stellt neue Dildos und andere Spielzeuge vor. Die Klientel besteht hauptsächlich aus Stammkunden. Bitte wundern Sie sich nicht, dass einige von ihnen etwas freizügiger unterwegs sein könnten. Wir wollen ihnen hier eine entspannte Atmosphäre bieten, in der sie sein können, wie sie sind. Seltsame Blicke sind deshalb unangebracht“, erklärte Milo, während sie wieder zurück in den Laden gingen. „In ein paar Minuten ist der offizielle Ladenschluss, da führe ich Sie dann kurz herum.“

„Alles klar und das mit den Blicken versteht sich von selbst.“ Tarquin nickte und sah sich um. „Wo genau findet die Präsentation statt?“

„Hier im Ladenlokal. Der Vertreter wird nachher kommen und seine Sachen aufbauen. Wir kümmern uns um den Aufbau der Stehtische und Stühle. Hier werden Sie dann den Aperitif reichen, in Ordnung? Im Keller bauen wir jetzt gleich das Buffet auf.“

„Okay. Das klingt machbar.“ Tarquin grinste.

„Sehr schön.“ Milo seufzte zufrieden. Der Kleine - nun ja, eigentlich war er nicht wirklich klein, aber er wirkte so jung - rettete ihm wirklich den Arsch. „Noch eins: Manche meiner Kunden werden versuchen, bei Ihnen zu landen, vielleicht ein wenig flirten. Soweit es für Sie nicht störend ist, gehen Sie höflich darauf ein. Wenn nicht, wenden Sie sich diskret an mich und ich regle die Angelegenheit. Und bevor ich es vergesse, unsere Kunden sind fast ausschließlich männlich und schwul. Selbst wenn Sie damit nichts anfangen können, bleiben Sie bitte höflich. Wir wollen schließlich etwas verkaufen.“

„Okaaaay. Mit dem männlich und schwul habe ich keine Probleme, das bin ich beides selbst. Mit dem Flirten ... na ja. Solang ich mich dafür nicht ausziehen muss ...“ Tarquin biss die Zähne zusammen. Früher hatte er nichts dagegen gehabt, sich zu zeigen. Im Gegenteil, er hatte es ziemlich genossen, wenn er beobachtet wurde. Aber Thomas hatte mit seinen Spielen alles kaputtgemacht. Hatte ihn kaputtgemacht. So weit würde es nie wieder kommen.

„Auf keinen Fall. Wir sind ja kein Bordell. Wenn jemand Sie belästigt, werde ich das auf keinen Fall dulden.“

„Gut.“ Ein wenig besänftigt nickte er.

„Haben Sie sonst noch Fragen, Herr Rodriguez?'

„Nein. Im Moment nicht. Aber Sie werden mir heute sagen müssen, was ich tun soll. So was habe ich noch nie gemacht.“

„Das bekommen wir schon hin“, meinte Milo und lächelte jetzt etwas wärmer.

Tarquin erwiderte das Lächeln und nickte leicht. Abwartend sah er seinen neuen Chef an.

„Dann mal an die Arbeit ...“

„Womit soll ich anfangen?“

 

 

Tarquin und Milo waren gerade mit den Tischen und Stühlen fertig, als es an der Ladentür klopfte. Unwillkürlich lächelte Milo, das konnte nur Steffen sein, der seine Sachen aufbauen wollte. Fast ein wenig zu schnell ließ er den letzten Stuhl fallen und eilte zur Eingangstür. Er sperrte auf.

„Hey Steffen.“

Tarquin beobachtete, wie sein Chef auf einmal grinste wie ein Honigkuchenpferd und zur Tür eilte. Herein kam ein Mann vom Typ aalglatter Vertreter. Nach hinten gegelte blonde Haare, gepflegter Dreitagebart, schicker Anzug mit Nadelstreifen und ein Lächeln, das ebenso gut ein Zähnefletschen hätte sein können. Der Mann war ihm schon unsympathisch, bevor er auch nur ein Wort gesagt hatte.

„Kann ich dir was helfen?“, fragte Milo und er wusste, wie verknallt er sich anhörte. Aber seine Schwäche für den Vertreter konnte er beim besten Willen nicht unterdrücken.

„Hey Milo. Schön dich zu sehen. Alles okay? Du siehst müde aus, du Armer.“ Steffen stellte seinen Trolley ab und umarmte Milo.

„Heute ist Stress pur gewesen ...“ Er seufzte und schmiegte sich für einen unerlaubt langen Augenblick an den anderen Mann. „Kim hat gekündigt. Einfach so, ohne Ankündigung. Und der Cateringservice hat abgesagt, die Getränkebestellung war unvollständig ...“

„Scheiße. Das tut mir leid.“ Steffen strich über Milos Rücken.

Der Trost tat ihm gut. Steffen wusste einfach, was er sagen musste, damit es ihm besser ging. „Naja, ich hab alles irgendwie hingebogen.“ Noch immer löste er die Umarmung nicht.

„Das ist gut. Ich hab auch ein paar echt schöne Stücke für dich dabei.“ Steffen lächelte und hauchte Milo einen Kuss auf die Wange. „So Süßer, jetzt muss ich aufbauen, sonst bin ich nicht fertig, wenn deine Kunden kommen.“ Er löste sich.

„Okay ...“, hauchte Milo. „Ich bin gespannt ...“ Sehnsüchtig blickte er Steffen hinterher.

Tarquin beobachtete die Szene und schüttelte den Kopf. Die rosa Herzen flogen ja schier um den Kopf seines Chefs.

„Herr Sanders? Die Stehtische sind fertig. Was soll ich jetzt machen?“

Milo schüttelte energisch den Kopf. Er musste sich jetzt auf das Geschäft konzentrieren. „Gut, perfekt. Dann ... bauen wir jetzt das Buffet im Keller auf.“

„Okay.“

Gemeinsam holten sie die Platten von dem türkischen Cateringservice sowie die von Milo vorbereiteten Häppchen und trugen sie die Treppe nach unten.

Milo war stolz auf sein Werk. Er hatte den Kellerraum vollkommen umbauen lassen. An der Seite befanden sich ein paar Tische, wo das Buffet aufgebaut wurde. Das Herzstück war die runde Bühne. Wie in einem Amphitheater war sie umringt von drei Stufen. In der Mitte konnte zum Beispiel eine Poledancestange aufgebaut werden oder auch anderes. Milo schwebten verschiedenste Dinge im Kopf herum. Eine Live-Sex-Performance vielleicht? Es gab viele Möglichkeiten.

„Wow.“ Tarquin stand auf der letzten Stufe der Kellertreppe und sah sich um. Der Raum war richtig groß und die alten Kellergewölbe waren erhalten geblieben. In der Mitte war eine große Bühne und als er diese entdeckte, prickelte plötzlich sein ganzer Körper.

„Gefällt es Ihnen? Es ist noch ganz neu.“

„Es sieht genial aus.“ Tarquins Blick glitt weiter. An den Wänden hingen mehrere Aktgemälde und es standen dicke Kerzen auf silbernen Ständer herum.

Milo grinste stolz. „Es gibt auch vier Separees.“ Er deutete auf die Türen. „Ein Fünftes ist noch in Planung.“

„Darf ich mir die Räume kurz anschauen?“

„Sicher, sehen Sie sich um. Wir sind gut in der Zeit.“

„Super.“ Tarquin stellte die Platte fürs Catering ab und steuerte den ersten Raum an. „Werden die Räume oft genutzt?“

„Bei diesen Events schon.“ Milo schmunzelte. „Manchmal auch während der Geschäftszeiten. Aber das wird dann in der Regel vorher abgeklärt. Heute ist nur der Raum 4 reserviert.“ Sein bester Freund Gideon und dessen neuer Freund würden sich hoffentlich darin wohlfühlen.

Tarquin nickte und betrat den ersten Raum. Dieser war von einem großen Bett mit unzähligen Kissen dominiert. An der Wand hing ein weiterer großformatiger Akt. Ansonsten war das Zimmer zwar schön, für Tarquins Geschmack jedoch eindeutig zu brav.

Er ging ins nächste Zimmer und pfiff leise. Der Raum war in sterilem Weiß gestrichen und der Geruch nach Desinfektionsmittel hing in der Luft. Statt eines Bettes stand ein Untersuchungsstuhl mit herunterhängenden Handfesseln in der Mitte. An der Wand standen noch ein schmaler Schrank und ein Rollwagen, genau wie ein kleiner Schreibtisch mit zwei Stühlen in der Ecke. Ein richtiges Arztzimmer. Tarquin drehte sich um und sah Milo im Türrahmen stehen.

„Na? Gefällt es dir?“ Automatisch fiel Milo in die persönlichere Anrede. In dieser Umgebung kam ihm das Siezen so übertrieben vor. Eigentlich schade, dass er noch keinen der Räume bisher benutzt hatte. Nur mit welchem Partner? Zwar war er seit Jahren in Steffen verliebt, traute sich jedoch nicht, ihn offensiver anzusprechen.

„Der Raum hat was ... Vor allem wenn man auf Doktorspielchen steht.“ Tarquin grinste. „Sehr authentisch. Jetzt bin ich echt auf die anderen Räume gespannt.“

Milo schmunzelte und hielt Tarquin die Tür zu Raum 3 auf. Auf die Reaktion war er gespannt, denn das war noch eine andere Hausnummer als das Untersuchungszimmer.

Tarquin trat einen Schritt ins Zimmer und blieb stehen. Heiße Schauder liefen durch seinen Körper. Vor ihm an der Wand befand sich ein großes Andreaskreuz und in einer Ecke stand eine Art Strafbank. Darüber hingen mehrere Peitschen an der Wand. Insgesamt hatte er dadurch das Gefühl, in einem mittelalterlichen Folterkeller gelandet zu sein.

„Na? Was sagst du?“ Milo mochte den Raum, auch wenn er absolut auf starke Schmerzen verzichten konnte. Aber es gab auch Peitschen mit weichem Leder, die die Haut eher streichelten. Allerdings hatte er natürlich auch das noch nie ausprobiert.

Wann genau hatte er das letzte Mal Sex gehabt? Milo erinnerte sich nicht.

„Der Raum ist genial. Richtig heiß.“ Tarquins Stimme kam ihm ungewöhnlich heiser vor. Wenn er einen Partner hätte, dem er richtig vertraute, hätte er hier zu gerne gespielt und sich an das Kreuz binden lassen. Er war auf solche Spiele sehr abgefahren und offensichtlich tat er das noch.

„Ja, mir gefällt er auch. Neben Raum 4 ist es der meistgebuchte ...“

„Kann ich verstehen. Was ist in Nummer 4?“

„Eine Liebesschaukel.“

„Oh.“ In Tarquin prickelte es heftiger. Er kannte die Schaukeln nur vom Sehen. Probiert hatte er sie nie. Für Thomas war so etwas viel zu romantisch gewesen.

„Willst du es ansehen?“

„Auf jeden Fall. Das lass ich mir nicht entgehen.“

Milo gefiel die Begeisterung seines neuen Mitarbeiters. Kim war oftmals ziemlich gelangweilt gewesen. Vielleicht kehrten neue Besen eben doch besser.

„Also ich muss sagen, die 4 gefällt mir auch sehr.“ Tarquin musterte die Schaukel. Dieser Raum war etwas kleiner als die anderen, wirkte aber auch intimer.

„Der ist heute auch schon reserviert.“ Milo schloss ab und zog den Schlüssel ab. „Für Nummer 5 habe ich noch keine wirkliche Idee.“

„Da fällt dir sicher noch was ein. Du könntest ein Verhörzimmer mit 'Folterecke' machen oder, wenn es softer sein soll, ein 'Spiegelzimmer'. Da gibt es so viele Möglichkeiten.“ Tarquin lachte. „Verlangst du für die Benutzung eigentlich Miete? Sind die Zimmer heute Abend offen? Und wenn mich heute jemand wegen der Zimmer anspricht, schick ich ihn zu dir?“

Milo gefielen die Ideen. Vielleicht sollte er Tarquin Raum 5 als Projekt übergeben? Er notierte es auf seinem mentalen Notizzettel. Erst mal heute Abend bestreiten.

„Während solcher Events ist die Nutzung kostenlos. Und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Also brauchst du darauf nicht zu achten. Die Kunden bezahlen einen kleinen Beitrag für das Buffet und die Getränke vorab, da kommt genug rein.“

„Okay.“ Tarquin nickte. „Soll ich jetzt die anderen Platten holen?“

„Ja bitte, ich sehe dann mal, wie weit Steffen ist.“ Milo lächelte. „Dann müssen wir eigentlich nur den Sekt für den Aperitif öffnen und einschenken, dann kann es losgehen.“ Er ging die Treppe voraus nach oben.

„Okay. Ganz kurz noch. Worauf soll ich heute achten, beziehungsweise was soll ich genau machen?“

„Wir begrüßen die Gäste, nehmen ihnen Garderobe ab, wenn nötig, und dann reichst du bitte den Sekt rum. Nach der Präsentation ein paar der Häppchen, okay?“

„Okay. Kein Problem.“

„Mach dir aber keinen Stress, die Leute wollen sich entspannen und deshalb brauchst du nicht in Hektik verfallen, ja?“ Milo lächelte. „Es wird schon alles werden.“ Sie waren oben angekommen im Verkaufsraum. „Und danke, Tarquin. Du bist meine Rettung heute Abend.“

„Kein Problem. Bis jetzt macht es Spaß und ich brauche das Geld echt dringend.“ Der zweite Teil des Satzes war kaum noch hörbar gewesen, aber das machte ja nichts.

Milo legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß, Studentenleben ist nicht leicht.“ Er drückte sie kurz und ging dann in Steffens Richtung.

Tarquin sah ihm nach und sagte nichts mehr zu dem letzten Satz. Außerdem schien Milo sowieso nur noch Augen für den Dildofritzen zu haben.

„Na, alles bereit? Oder kann ich dir noch was helfen? Ich bin gespannt und werde sicher wieder einiges finden für den Laden.“ Milo trat neben Steffen und warf einen Blick auf das Sortiment.

„Alles bereit. Schau dich ruhig schon mal um und wenn nach der Vorführung noch Fragen offen sind, können wir zwei Süßen das ja auch im privaten Rahmen klären.“

„Klaaar ...“, meinte Milo und spürte, wie er rot wurde. Wie sehr wünschte er sich, dass ihre Beziehung über das Geschäftliche hinausging.

„Super.“ Steffen zwinkerte ihm zu und warf einen letzten Blick über seine Produkte.

Bei dem Zwinkern bekam Milo weiche Knie und Herzklopfen. Ein wenig wie ein Schlafwandler kontrollierte er noch mal alles und blickte dabei immer wieder in Steffens Richtung.

Tarquin beobachtete das Spiel aus der Entfernung und wunderte sich, dass Milo sich noch nicht um Aufmerksamkeit bettelnd vor Steffen auf dem Boden wälzte. Er seufzte verächtlich. Nie wieder würde er sich so zum Affen machen. Nicht für einen Kerl und erst recht nicht für einen Lackaffen wie Steffen.

Als die ersten Gäste eintrafen, bekam Milo wieder einen kühlen Kopf, als hätte er auf Geschäftsmodus umgeschaltet. Später im Bett würde er seine Lust an sich stillen und damit hatte es sich. Auf in den Kampf!

 

Ende der Leseprobe

Das ganze Buch gibt es demnächst bei Amazon & Tolino

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Texte: siehe Kapitel Impressum
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Lektorat: siehe Kapitel Impressum
Tag der Veröffentlichung: 30.05.2019

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