Cover

Leseprobe

Coco Sonne

Die Happy-End-Chroniken

1

Coco

 

 

Deutsche Erstveröffentlichung Januar 2016

Copyright © der Originalausgabe 2016 by Coco Sonne

E-Mail: cocosonne@email.de

Herausgeber:
Coco Sonne
c/o
AutorenServices.de
König-Konrad-Str. 22
36039 Fulda

Umschlaggestaltung und Lektorat: ISA DESIGN, www.isadesign.net
Fotomaterial: Shutterstock, Inc. und Fotolia

Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen Erlaubnis durch die Autorin. Für den Inhalt verlinkter externer Seiten ist die Autorin nicht verantwortlich.

 

»Bescheidenheit bereitet all denen Mühe, die zu Großem bestimmt sind.«
(Peter Ward: Under a Green Sky. The Medea Hypothesis)

Dieses Buch ist allen Kindern gewidmet und es gedenkt aller verletzten Frauen der Sylvesternacht 2015.

 

Anmerkung der Autorin

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich freue mich, dass du den Weg zu meinem Buch gefunden hast, und ich hoffe, dass ich dein Herz mit meiner Geschichte erreiche. Wichtig ist mir ganz besonders ein Anliegen gegenüber all denjenigen, die es im Leben nicht so leicht hatten: Wer traumatisiert ist oder wer befürchtet, dass eine Retraumatisierung geschehen könnte, sollte die Kapitel Schändung, Hölle und Umweg meiden beziehungsweise mit emotionalem Abstand lesen. Darüber hinaus möchte ich an dieser Stelle klar betonen: Die hier vorgestellte Selbstheilungs- und Selbstbefreiungsmethode ersetzt weder den Arzt noch den Heilpraktiker und auch nicht den Psychotherapeuten.

Wer einen Jugendlichen oder ein Kind kennt, dem dieses Buch helfen könnte, der möge ihm ein Geschenk machen, indem er ihm mein Opus kauft. Möglicherweise kann Leben gerettet werden. Dieses Anliegen ist mir so wichtig, dass ich nach dem Schlusskapitel dieses Romans noch mal darauf hinweise. Es handelt sich dabei also um keinen ungelöschten Wiederholungsfehler.

Inhaltsverzeichnis

Titelei

PROLOG

Der Anruf

Der lächelnde Feind

Ein Päuschen

Angst

DIE GROSSE WEISE FRAU

Schändung

Schneewittchen

Klapperschlangen

Hölle

Einweihung

Seelengefährten

Zucker

Das rote Feuerwehrauto

Schule

Alltag

Damit du besser verstehst, mein Kind

Die Wolfspelzler

Solidarität

EgoStyle

Sadomasochismus und Kleider

Zwei Cocos

Knöpfe

Das Destruktive

Ein echter Vater

Heldin

Der Umweg

Ein Wochenende

Tante Petzi

Es beginnt

DAD SHAUN

Waffen

Seelengold

Auszeit

Die Göre und das Lachen

Nobelpreis

Intermezzo

Im sonnigen Schatten des Kanzlers

Unterm Christbaum

Wassermännisch

Danke fürs Zuhören, mein Kind

EPILOG

Die Autorin

Das Buch in aller Kürze

Danksagung

Nachwort

Fußnote

Literaturliste

PROLOG

 

 

Ich krieg dich.

Der Anruf

 

 

 

ICH MACHE MIR einen Sojamilchkaffee. Die Farben an den Wänden riechen frisch. Neben dem Tisch für die Aufgabe rauschen sie im Wind. Durch das geöffnete Fenster erfüllt Blumenduft den Raum. Es ist Frühling.

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung mein Kind, nach siebzehn Jahren Trennung. Hände zittern. Der Teelöffel fällt mir auf den Teppich. Haare legen sich falsch um mein Gesicht.

»Warum?«, fragt mein Kind.

Ich schließe die Augen.

»Alles?«

»Ja, alles.«

Ich schließe die Augen. Ich kehre zurück.

 

Der lächelnde Feind

 

 

 

 

DER KADETT IST angekommen. Von acht Stunden Fahrt habe ich fünf Stunden lang gehustet. Das beliebte Auto unserer Zeit ist ein Symbol für etwas, das verspricht, was es nicht hält: Familie. Deshalb ist unser Kadett gelb. Gelb, die Farbe der Lüge. Viertürig für Papa, Mama und die lieben Kinderlein. Und ich fühle mich doppelt veräppelt.

Auch das erste Kind der Familie hat es endlich geschafft. Mit dem Eifer des Zuspätkommenden prahlt es mit etwas Normalem. Wir aus der eingeschlossenen Stadt wissen, dass solche Zugfahrten, wie er sie wie ein Provinz-Tarzan beschreibt, etwas völlig Normales sind. Dass Fahrgäste angerempelt, Kinder scharfe Texte ins Ohr gebrüllt und sogar ihnen der Weg zur Toilette versperrt wird, nur um allen im Zug zu zeigen, dass die grauen Männer für fünf von acht Stunden Bahnfahrt die Herren der Welt sind.

Normal ist es auch, dass Hunde unter dem Zug herumschnuppern, während dieser an der Grenze mindestens eine halbe Stunde herumsteht.

Den neuen Kanzler gibt es zwar schon, aber an der Art und Weise, wie es in den Zügen aus unserer Stadt in den kalten deutschen Süden zugeht, hat sich nicht viel geändert. Das weiß doch jedes Kind. Ich bin fünf Jahre alt.

»Weißt du, was die gerufen haben, sobald wir in Bayern waren, Mutti?«

Sie hält das siebzehnjährige Gesicht zwischen ihren Händen wie das eines fülligen, pausbäckigen Pausenbrotjungen mit X-Beinen. Und lächelt. Echt!

»Nein, was denn, mein Kind?«

»Die Deutsche Bundesbahn heißt alle Reisende in die Bundesrepublik Deutschland herzlich willkommen.«

Ich sag’s ja, das Kind wird noch als langweiliger Provinz-Tarzan enden. Und so was ist mein Bruder.

Und ich weiß auch schon, worauf der sich freuen wird, wenn er eines Tages mal wieder in unsere Ex-Heimat zurückfahren wird.

Probstzella. Probstzella. Hier Probstzella. Wir begrüßen Sie in der Deutschen Demokratischen Republik.

O Mann! Was kannst du von so einem Kind erwarten!

Ich bin zwar fünf Jahre alt, aber weil mich die Frau mit den Blumen wie einen anständigen Menschen behandelt und nicht wie eine faltenfreie Fleischmasse mit der Aufschrift Kind, bin ich einigermaßen vernünftig geraten und weiß, dass man sich bei Reiseantritt für so eine Zugfahrt keine BILD-Zeitung ins Gepäck packt und die während der Reise auch noch auffällig (auffälliger, als das Blatt ohnehin schon aussieht) liest. Klar, dass einer der grauen Herren sie ihm abgenommen hat.

O Mann! Das weiß man doch vorher!

Dank der Frau mit den Blumen kenne ich mich in solchen Dingen aus. Ich bin ein schlauer kleiner Mensch. Und daran soll sich auch niemals etwas ändern.

Die Frau mit den Blumen hat mir erzählt, dass da einer vor zwei Jahren aus der DDR, so wie die Deutsche Demokratische Republik in Kurz-Deutsch heißt, geflohen ist. Erfolgreich geflohen ist. Der hat nämlich für die Bahn der DDR gearbeitet, genauer gesagt, als Kellner für das Mitropa-Bordrestaurant im Eilzug 224. Den Zug gibt es extra für Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland, kurz BRD, die ihre DDR-Verwandten besuchen und danach wieder in ihre Heimat zurück wollen. Nach der Passkontrolle in Probstzella besteigen sie den Transitzug nach Bayern.

Am achten Januar 1966 nutzt besagter, mutiger Kellner jeden Augenblick an Unaufmerksamkeit an diesem Tag für seine geglückte Reise in die Freiheit. Weil ein Mann der Passkontrolleinheit annimmt, er wäre im Besitz gültiger Papiere, so reden die DDR-Beamten tatsächlich, muss er in Probstzella keine weitere Kontrolle befürchten. Dann kommt der E 224, also Eilzug 224, auch noch vierundvierzig Minuten zu spät an, was bedeutet: Das Fluchtfahrzeug des mutigen Kellners in den Westen, der Schnellzug D 152 von Berlin nach München, wartet bereits abfahrbereit auf die Passagiere des Zubringerzuges.

PKE-Beamter Leutnant Bootz tut etwas, was er sein Leben lang bereuen wird. Er lässt die Passagiere umgehend in den Zug nach München einsteigen. Und übersieht, anders als eine dritte bislang am Geschehen unbeteiligte Person auf dem Bahnsteig, wie sich unser mutiger Kellner unter die West-Passagiere mischt und den Zug nach München betritt.

Nachdem der D 152 um 15.18 Uhr in Richtung Ludwigsstadt losgerollt ist, meldet die Putzfrau – ich nenne sie hier mal Hannelore, weil mir die Frau mit den Blumen den Namen nicht genannt hat –, was sie beobachtet hat.

Zu spät.

Der Kellner ist bereits im Glück.

Und ich hoffe, er heißt Hans, hätte mein … Bruder gesagt. HaHaHa! Gott, wie peinlich!

Aber zurück zur Geschichte einer erfolgreichen Ost-West-Flucht.

Zur Erhöhung der Sicherheit im grenzüberschreitenden Verkehr, so reden die tatsächlich, wird auf dem Bahnsteig zwei in Probstzella eine Trennwand errichtet mit einem Loch darin, Durchlass genannt. Durch Letzteren müssen die Menschen des Zubringerzuges künftig gehen und werden dabei scharf kontrolliert, bevor sie den Transitzug besteigen.

Eine weiße Spur auf dem Bahnsteig wird den Verlauf der Trennwand bezeugen, lange nachdem sie nicht mehr existiert.

In grünlich grauer Winteruniform – Bande am Ärmel, Aufschrift Grenztruppen der DDR –, mit Hemd und Krawatte darunter und pelzbesetzter Mütze im Stil der Sowjetarmee auf dem Kopf haben die Grenzpolizisten meinen Bruder kontrolliert, der das erste Mal an diesem Tag etwas Spannendes erzählt.

»Da war so ein dicker Volkspolizist. Sprach 'ne Mischform aus Sächsisch und hartem Berlinerisch. Der hat einen Professor von der Westberliner Uni kontrolliert. So von oben herab hat der den Mann behandelt. Nu, hoben 'se geene Babiere im Gebäck, Herr Dogder?, hat der ihn gefragt und blöde dabei gelacht.«

»Lauter kleine Ulbrichts«, sagt die Frau mit den Blumen, als sie endlich wieder neben mir steht. »Übrigens gibt es entflohene Jugendliche aus dem Werkhof nahe Probstzella. Die werden dort geschlagen. Wie Tiere behandeln die die armen jungen Menschen. Deshalb laufen sie weg. Dann schließen sie sich in der Bahnhofstoilette ein. Aber die Grenzpolizisten von Probstzella, alles Stasi-Leute, sind erbarmungslos und schicken sie wieder zurück.«

Zu spät für die armen Kinder.

Zu spät für mich.

Als ich an diesem Nachmittag vor unserem neuen Haus stehe, entreißt mich Mutter der Frau mit den Blumen. Ungelenk, weil künstlich, schließlich bin ich kein so kleines Kind mehr, nimmt sie mich auf den Arm. Während sie nach meinen Speckhändchen greift, spüre ich ihre rissigen Handflächen. Spülihände. Mutter cremt sich nie ein. Nicht ein einziges ihrer Körperteile.

Zwischen Traum und Wirklichkeit liegen siebzehn Kilometer.

Wie immer besteht Mutters Gesicht aus drei Schlitzen: zwei Hassschlitze, genannt Augen. Ein dritter, das ist der Mund. Ihre späte Kopie der Jackie-Kennedy-Frisur ist schwarz wie die Nacht.

Lächelnd nur zu ihm, stellt sie mich ihm vor.

»Das ist dein neuer Onkel, Coco. Er heißt …«

Schlimmer als kein Lachen ist ein falsches.

»Hallo, Coco. Ich bin dein Onkel …«

Die größten Feinde sind die, die lächeln … Wer hat das noch mal gesagt? Sei still, du bist noch lange nicht dran!

»Er wird bei uns arbeiten, Coco, im ersten Stock. Er baut Geigen, Coco, viele schöne Geigen.«

Er ist Teil von Mutters Familienclan, der, auf drei weitere gelbe Kadetts verteilt, mit in den kalten deutschen Süden zieht. Ein Corso des Horrors. Von der Blumen-Frau abgesehen.

Onkelchen hat lange Zeit im Ausland gelebt.

Soweit man Österreich als Ausland bezeichnen kann.

Mutter hat mich angelogen. So wie sie es immer tut, wenn sie sagt, dass sie mich liebt, mit diesem Drei-Schlitze-Gesicht. Ja, tatsächlich! Diese Frau sagt mir, dass sie mich liebt.

Der Onkel ist nämlich gar kein neuer Onkel für mich.

Nur sein Mund ist neu. Nicht aber seine Augen. Zwei große volle Monde.

Denn der war mal zu Besuch bei uns. In Berlin. Als in Dallas mörderische Schüsse fielen.

Als ich an diesem Abend erschöpft schon um sechs Uhr einschlafe, ohne eine einzige Mahlzeit davor, sehe ich sie wieder. Die beiden Monde glotzen mich an, während ich auf etwas Hartem liege. Zwischen meinen Knien leuchten sie mir die Nacht, die erst zu einer wird, als sie auftauchen. Ich höre zwei Geräusche. Eines ist wie trinken. Da ist noch etwas weiter unten. Dann ein kalter Windzug und die Stimme einer Frau, die nicht meine Mutter ist. Die Monde sind so schnell verschwunden, wie sie am kalten Himmel aufgetaucht sind. Ich weine nicht. Ich quieke nicht wie ein Baby. Ich bin starr und stumm.

Was war das denn?

Als ich am nächsten Morgen ums sechs Uhr aufwache, weiß ich nur eines: Dass ich in Berlin geboren bin, hat mir rein gar nichts gebracht. Verantwortlich dafür ist ein Vater hinter Nebelschwaden. Wegen ihm bin ich hier gelandet.

Ausgebüchst ist Vater kurz nach dem Krieg. Bloß weg von einem Vater, der von drei Söhnen nur einen liebte, einen zweiten duldete, einen dritten verachtete.

Und dann gab es da noch eine Schwester …

Mit einer Mark oder zwei in der Tasche ist Papa in Berlin per Anhalter aufgeschlagen. Aber das mit dem Fußfassen hat nie richtig geklappt. Auch nicht die Sache mit dem ersten Kind in Berlin. Mein Vater denkt tatsächlich, dass sein Sohn …

Ich war noch nicht mal flüssig, da hatte Vater schon jede Menge Kündigungen in der Tasche. Er sortierte Trumpf-Schokolade am Fließband. Nicht schnell genug. Bog Eisenteile für Stahlgerüstträger. Nicht schnell genug. Stapelte Brandt-Zwieback auf Turmhöhe. Nicht schnell genug. Zu guter Letzt, und da gab es mich schon, goss er Plastik zu Klobrillen und schmierte in der Kantine von Hertie Brote im Akkord. Wie sollte es anders sein: beide Male nicht schnell genug.

Der Kadett-Corso des Horrors bedeutete nichts anderes als die Rückkehr des reumütigen Waschlappens von Sohn. Gesehen mit den Augen eines Großvaters, dem ich, Gott sei es gedankt, niemals in Berlin begegnen musste.

An diesem Tag um drei Uhr Nachmittag tue ich es. Wie immer kriege ich von Mutter eine Extraportion sehr, sehr süßen Himbeerkuchens, der mir den Mund so verklebt, dass ich nur noch schweigend dem Grauen vor mir zusehen kann.

Ein Blick auf den Mann, der aussieht wie einer, der diesem Land Krieg und Tod beschert hat, genügt, um zu wissen, dass er vorlaute Kinder, wie ich es bin, nicht mag. Schon gar keine vorlauten Mädchen. Wir befinden uns hier auf höchstkatholischem Boden. Großvater Grässlichs Lieblingssohn hat Theologie studiert und lehrt Religion am Gymnasium – Gott sei es noch einmal gedankt! – weit genug von unserem neuen Haus entfernt.

Aus Mitleid mit uns, der Familie des Schwächlings von Sohn, hat dieser Großvater uns ein Haus gebaut.

»Obwohl du es nicht verdient hast …«, so spricht er zu meinem Vater, der ihm mit herabhängendem Kopf gegenübersitzt.

Das Einzige, was Papa kann, ist Auto fahren. Hat er im Krieg von Großvaters Doppelgänger gelernt (Opa sieht aus wie Hitler. Aaahh!!!). In der Wehrmacht.

»Die langen Arme des Dritten Reiches«, sagt die Frau mit den Blumen immer.

Sie will Großvater nicht kennenlernen. Sagt, dass er nicht kapiert, dass sein Sohn nach dem Krieg ein D wie Depression und ein P wie Posttraumstörung, oder so ähnlich, im Gesicht und in der Seele trägt. Deshalb habe er kein Geld für uns in Berlin verdienen können, auf lange Sicht, sagt sie.

Der Vater meines Vaters habe dafür kein Verständnis. Nicht umsonst sehe er aus, wie er aussieht, sagt sie.

Aber Vater hat Glück.

Drei Monate nach unserer Ankunft stirbt Großvater Grässlich. Ausgerechnet vor dem Wochenende seines einundneunzigsten Geburtstags bricht er tot auf dem Feldweg nahe eines Fichtenwäldchens zusammen. Nie wieder wird Vater seine demütigenden Worte hören. Versager, Nichtsnutz, Idiot und das schlimmste: Muttersöhnchen.

Vater ist so glücklich über Großvater Grässlichs Tod, dass er den Familiennamen ändert. Als Grund nennt er, dass er wegen seines jüdisch klingenden Namens ständig verspottet werde. Die Behörden des kalten deutschen Südens nicken seinen Wunsch binnen drei Wochen ab. Aus Sonnengold wird Sonne.

Nicht einmal der Spott in der Wehrmacht hat meinen Vater so wütend gemacht, wie er über Großvater Grässlichs Tod glücklich ist.

Von dem Erbe, das Großvater Grässlich ihm überlassen musste – denn in Deutschland gibt es einen Pflichterbteil für jedes Kind – hat sich Vater einen eigenen Lastwagen und auch noch einen Pkw gekauft. Beides von der Marke Mercedes-Benz. Damit ist er etwas Besonderes für mich. Das gelbe Kotzfahrzeug Kadett B landet als Fahrschulwagen bei einem früheren Schulfreund meines Vaters. In der Garage steht ein weinroter Mercedes 180 D neben einem dunkelblauen Lkw.

Und dann passiert noch etwas: Vater macht sich selbstständig. Den Fahrersitz seines eigenen Lkw unterm Popo, wird er sein eigener Chef.

Und er wird freundlich zu mir.

Vater lächelt mich an, wenn er von der Arbeit als Nah- und Fernkraftfahrer nach Hause kommt. Die Verhaltenswende ist nicht so groß, dass er viel mit mir reden würde. Ein »Hallo, wie geht es, Coco?« oder ein »Hallo, meine Kleine!« genügen ihm. Er ist eben kein Mann der Worte.

Aber für mich bedeutet das nach einer Wüste an Aufmerksamkeit eine Oase aus zwei Palmen und einer Hängematte dazwischen.

 

Während Vater, den ich jetzt Papa nenne, Glück hat, habe ich kein Glück. Vier Wochen vor dem Wonnemonat Mai stirbt die Frau mit den Blumen. Im gelben Kadett auf dem Schoß sollten die Pflanzen ihr Glück in der neuen Heimat bringen. Aber das fiese Gelb hat anscheinend gesiegt.

Mit ihr stirbt nicht nur mein Spielgefährte, sondern auch meine einzige echte Verwandte und Vertraute. Sie ist es gewesen, für die ich nach den Fluchtversuchen in Berlin immer wieder zurückgekehrt bin. Auf sie habe ich mich gefreut, wenn ich nach dem Spielplatz Mauer wieder nach Hause gekommen bin.

Auf ihrem warmen Schoß gab es Quark, gesüßt mit Erdbeeren, auch ein Eigelb war darin. Diese Speise, von ihr in den Mund gelöffelt, bedeutete Direktflug Berlin–Paradies. Nach der Kind-Fütterung hat sie eine Märchenplatte aufgelegt, und während ich zuhörte, hat sie mich in den Armen gewiegt wie ein Baby.

Sorry, allerliebste Verwandte, aber bei den grimmschen Märchen war das ja wohl auch angebracht! Horror pur!

Dass sie das alles nicht meh!r für mich tut, ist noch nicht das Schlimmste. Ich verliere mit ihrem Tod den Schutz, den ich ausschließlich für unser neues Zuhause brauche.

Ich bin ihm ausgeliefert.

Es gibt keinen Kindergarten in diesem Kaff mit dem äußerst zutreffenden Namen Loch, nicht mal für die Kinder von berufstätigen Frauen. Das hat einen einfachen Grund. In Loch gibt es keine berufstätigen Frauen.

Nach dem Tod der Blumen-Frau scheint zunächst die Sonne. Wettermäßig, meine ich. Der nette Frühling lädt mich ein zum Spielen mit den Kindern unserer Straße.

Aber dann setzt der Regen ein. Und es regnet und regnet und regnet. Drei Wochen lang regnet es junge Hunde.

Ein Satanswetter, in dem ich auf ein falsches Lächeln setze, das direkt aus der Hölle kommt.

Mutter erlaubt keinen Kinderbesuch. Ich bin so einsam, dass ich mich in die Haut kneife, um zu wissen, dass ich auf der Welt bin. Langsam gehe ich der Tür im ersten Stock entgegen. Die Frau mit den Blumen nannte sie Die verbotene Tür. Von den Monden hatte ich ihr natürlich erzählt.

Ich brauche den Griff gar nicht herunterzudrücken. Die Tür wird mir vor meiner Nase aufgerissen.

Das falsche Lächeln hat mich erwartet.

»Komm herein. Komm. Hab keine Angst.«

Ein Päuschen

 

 

 

»ES WIRD HEFTIG werden«, warne ich sie und frage, ganz die Mutter: »Hältst du das aus?«

»Ich bin deine Tochter.«

Ich sollte mich geschmeichelt fühlen, tue es aber nicht. An sie Schmerzen weiterzugeben ist nicht der Job einer Mutter.

»Jetzt fang endlich an«, drängelt sie.

Tief atme ich ein.

O Gott!

Angst

 

 

 

BEI MEINEM SCHNITZENDEN Onkel gefällt es mir. Die zwei Monde sind nach drei Tagen vergessen. Etwas in der Magengrube piekst noch, wenn der Mann mich ansieht. Aber dann erlebe ich, wie Geigenbauer-Onkelchen neue Leute in das Haus lockt. Menschen aus fernen Ländern, die alle freundlicher zu Kindern sind als die Deutschen, was keine Kunst ist. Aus Ungarn, der CSSR, Spanien, Italien und sogar aus den USA. Onkelchens Instrumente haben Premiumqualität, wie ich während der Besuche erfahre. Die echt lachenden Gäste streicheln meine Wange, heben mich hoch, nehmen mich in den Arm und ziehen mir an meinem Stupsnäschen. Frisur und Lederhose, die ich trage, seit ich auf süddeutschem Boden lebe, machen mich zu einem Prinz-Eisenherz-Kind. Die Leute sind von meinem Anblick entzückt, schenken mir Geld, und noch besser: Musik. Sie spielen auf Onkelchens Violinen Melodien, die mir die Frau mit den Blumen vorenthalten hat.

Dvořák, Mozart, Mendelssohn. Ersterer kommt aus der Heimat meiner Mutter. Böhmen. Geflohen ist sie zusammen mit ihrem Clan aus Böhmen in den kalten deutschen Süden, hat hier meinen Vater kennengelernt und ihn geheiratet, bevor er sich zusammen mit ihr und dem Clan auf und davon nach Berlin gemacht hat.

Eingelullt von Musik, liege ich bäuchlings auf dem Boden zwischen Holzspänen, unter denen ich meine ersten selbst geschnitzten Holzfiguren versteckt habe. An dem mit braunem Kunstleder überzogenen Riesenhobel, der aussieht wie ein Steckenpferd, lässt mich Onkelchen kleine Holzteile zurechtschleifen. Jedes Mal knapp an der Fingeramputation vorbei. Aber genau das schätze ich an dem Onkel, der mir immer sympathischer wird. Er lässt mich Risiken eingehen, während ich spiele. So wie es zu einem Prinz-Eisenherz-Kind eben passt!

Ich bin im Honigstübchen meiner Kindheit angelangt. Die leimgeschwängerte Luft erzeugt einen Duft, der mich an Süßigkeiten direkt aus dem Reich der Bienen erinnert.

Leimgeschwängerte Luft erzeugt einen Duft, der mich das Fürchten lehrt.

An diesem Tag. Und danach.

Nachdem ich mehrmals gesehen habe, wie er sich rührend um meine Spielsachen kümmert, fasse ich endgültig Vertrauen. Immer ist Onkelchen da für kleinere und größere Reparaturen an meinen beiden Puppen und Puppenwagen.

 

An diesem Tag ist mein neuer Flugdrachen gebrochen. Mit einem Schmetterling drauf. Schmetterlinge sollen Glück bringen und in Mexiko die Lebenden mit den Seelen der Toten verbinden. Glücksbringer sind sie wie Grillen, vierblättrige Kleeblätter und Hufeisen.

Nicht für mich.

Bei der Landung ist mein Schmetterlingsdrachen mit der Spitze gelandet und ein dünner Holzbügel gebrochen. Onkelchen von den Violinen hat bestimmt Leim, mit dem er den Drachen reparieren kann.

Mutter ist nicht in der Küche. Ich gehe über die Treppe nach oben in den ersten Stock. Die Tür ist heute zu. Ich klopfe. Jemand öffnet. Heute ist etwas anders. Mein Herz trommelt mir gegen die Brust. Auch das ist neu. Trotzdem trete ich ein, Kinder sind konservativ und lieben Routine. Mit dem Rücken zu ihm gedreht, darauf hoffend, dass sich mein Herzschlag beruhigt, lege ich meinen Schmetterling auf den Boden. »Ich glaube, der braucht Lei…«

Prinz Eisenherz ist mutig und dreht sich um. Das Gesicht: eine Fratze wie der Leibhaftige persönlich. Schmale, vor Hass zitternde, aufeinandergepresste Lippen, buschige, zusammengezogene Augenbrauen, eine Zunge, die einmal ganz langsam über die Lippen streicht, wie vor einer wohlschmeckenden Mahlzeit. Gefurchte Wangen. Und das Allerschlimmste: an Verwesung erinnernder Mundgestank. So plötzlich. Aus dem Nichts auftauchend. Nie zuvor bei diesem Mann gerochen. Ein Wesen direkt aus der Hölle steht vor mir. Am Geruch erkenne ich den Komplizen meiner Mutter.

Mein Blick fällt auf etwas, das mir für alle Zeit die gesprochene Sprache verschlägt, sobald dieser Mann in meine Nähe kommt. Paralysierende Verunsicherung wird mein Wort mit P werden. Das, was ich sehe, wird mir wehtun. Etwas, das zu meiner Körpergröße absolut nicht passt. Es kann doch nur kleiner sein, damit es in Ordnung für mich ist.

»Komm schschschon!«, zischt die Teufelsfratze. Auch der Ton zum Gesicht ist jetzt ganz anders.

Feste Handwerkerhände drehen mich wieder mit dem Gesicht von ihm weg, heben mich von hinten hoch und setzen mich auf, auf … O Gott! Es ist nicht das, was ich denke, dass es ist. Das Große, gerade eben Gesehene. Es … ist … in … meinem … winzigen Körper. Prinz Eisenherz hin oder her, das ist zu viel für mich. Ich bin mir sicher, das war’s. Heute treffe ich die Frau mit den Blumen jenseits der Wolken. Etwas reißt. Etwas brennt. Worte für den Mann wird es nie mehr geben, aber jede Menge Schreie. Aaahh!!! Ich schreie um mein Leben und fühle mich wie eine lebendig entpanzerte Schildkröte mit sichtbar schlagendem Herzen, dem Todesstoß sehr, sehr nahe. Alles an und in mir ist Wunde. Vollkommen ausgeliefert. Das, was in mir ist, kann nur den Tod bedeuten. Ich bin durchbohrt von Kopf bis Fuß. Verschwommen sehe ich mein Höschen und die verdammte Lederhose, die mich eigentlich schützen sollte. Beides liegt auf dem Boden. Ich schreie, aber niemand kommt. Der Teufel hebt mich hoch und runter. Hoch und runter. Hoch und runter. Das Brennen wird schlimmer und dann fließt Blut an meinen Beinen hinunter, tropft auf die Erde, genau in mein Höschen. Der Mann schreit, zittert. Seine Hände, wie ein Schraubstock um meinen Bauch gepresst, knapp unterhalb meiner Lungen, nehmen mir die Luft zum Atmen. Ich glaube, ich werde ohnm…

Nein, doch nicht. Leider, vielleicht hätte er dann Mitleid mit mir. Als das Zittern nachlässt, stellt er mich auf die Erde. Noch immer sieht er mich nicht an. Niemals mehr wird er mir ins Gesicht sehen. Niemals mehr wie noch einen Tag vor diesem Tag, als er ein beliebter, weltoffener Musik-Onkel gewesen ist und keine Höllenbrut.

Satan ist noch nicht fertig. Die perverse Fantasie noch am Glühen. Aus der Ecke zerrt er einen Plastiknachttopf. Nach dem Sex braucht er keine Zigarette, sondern zieht an seinem Augenzeugen des Ekels. Während er nach Leim stinkendes, verlogenes Gelb in den Topf spritzt, lächelt er sein teuflisches Lächeln. Nachdem er den letzten Tropfen abgeschlagen hat, spuckt er mir ins Gesicht. »Meine kleine Hure. Du kannst jetzt gehen!«, sagt er.

Trotzig sehe ich ihm direkt in die Augen. Auch seinen Schleim wische ich mir nicht aus dem Gesicht.

Mein letzter Blick fällt auf den Topfinhalt. Dunkelgelber Urin mit etwas Rotem darin. Wie eine weinende Spätsommer-Sonne mit Spuren eingetrockneter Tränen.

Vor verschlossener Tür wische ich mir mit dem blutigen Höschen über das Gesicht, schaffe es aber nicht, hartes Leder über eine brennende Wunde zu ziehen. Es würde wieder anfangen zu bluten, da bin ich mir sicher.

Im Wäschezimmer neben der Werkstatt finde ich eine Hose aus weichem Stoff und einen Rollkragenpulli. Es ist zwar noch Frühling, aber mir ist kalt wie im Winter.

Ich habe ihm nicht einmal versprechen müssen, dass ich es niemandem sage. Wenig später weiß ich warum.

 

Mit neuen Kleidern gehe ich zum Nächstbesten mit Ohren. Aus der Einsamkeit und Verzweiflung heraus wird der nächste zwischenmenschliche Fehler geboren, den kein Kind begehen würde, das sich in einer Familie geborgen fühlt. Was mein Verhalten in dieser Familie betrifft, habe ich an diesem Tag nicht alle Tassen im Schrank. Ich renne buchstäblich ins zweite offene Messer.

Dass Mutter nach dem Kinderblut im Urin plötzlich im Haus anwesend ist und seelenruhig in der Küche Zeitung liest, fällt mir nicht mal auf, als ich ihr mit abstehenden Haaren und einem Herzschlag von einhundertachzig erzähle, was passiert ist.

Sie hebt nicht mal den Blick von der Zeitung.

»Was hast du denn getan, dass er so reagiert?«

Komplizen. Sie sind Komplizen, was man am Gestank schon erkennt. Wie konnte ich ausgerechnet ihr das erzählen!

Das Blut gefriert mir in den Adern, als sich die Frau neben mir erhebt und mit schmalem Lächeln den Raum in Richtung Schlafzimmer verlässt.

Ich bin eine Halbwaise. Der Drache bricht ein zweites Mal. Ich gehe ins Bad, nicht um mich zu waschen, sondern um im Spiegel zu sehen, was sich verändert hat.

An diesem Tag hättest du von mir eine Vorher-nachher-Story machen können. Das Löwenbabygesicht von vor dem Drachenabsturz hat jetzt Wangen wie Trauerweiden, einen weinenden Mund und verbogene Augen unter Lidern, so schwer wie Krähenschwingen im Regen. Nichts sitzt mehr richtig in diesem Gesicht. Binnen einer Stunde bin ich um ein halbes Menschenleben gealtert, so fühle ich mich.

Als die Frau, die mich geboren hat, schnellen Schrittes das Haus verlässt, tut sich unter mir die Erde auf. Während ich falle, brechen Blutkrusten an den Innenseiten meiner Schenkel wie trockener Savannenboden. Er hat einen Wettergott, der ihm Nahrung spendet. Und ich?

DIE GROSSE WEISE FRAU

 

 

 

DAS ERSTE MAL sehe ich sie in der Nacht nach dem Angriff und Mutters Verrat. Eine Frau, wunderschön mit grünen Augen, lockigem, langem rotem Haar, Sommersprossen auf einer Elizabeth-Taylor-Nase, breitem rotem Mund, Zähnen wie aufgereihte Perlen, barfuß in einem langen weißen Kleid aus Samtstoff, spricht zu mir.

Trotz des kühlen Aussehens ist ihre Stimme warm. Anscheinend kennt sie mich ganz gut.

»Coco, ich weiß, was dir heute geschehen ist. Es hat sehr, sehr wehgetan. Aber deine Feinde werden dich nicht zerstören. Ich bin so etwas wie dein Schutzengel. Ich bin DIE GROSSE WEISE FRAU. Seit es der Wunsch der allschaffenden Quelle war, dich entstehen zu lassen, bin ich deine ständige Begleiterin. Alles, was dir geschieht, werde ich bezeugen. Nach diesen schrecklichen Taten ist es wichtig, dass du mich siehst und triffst, sooft es geht. Geh in die Kirche. Dort ist es besonders leicht für dich, dass sich meine Gedanken in Worte verwandeln, die nur du verstehst. Dort ist es auch besonders leicht, deine Gedanken in Worte zu verwandeln, die nur für mich bestimmt sind. Wir schließen hiermit einen Bund. Die Kirche und der Traum, hier wohne ich für dich. Und dein Kopf ist deine Pforte zu den Räumen, in denen ich für dich da bin. Von nun an bis in alle Ewigkeit. Ich liebe dich, Coco, von ganzem Herzen.«

Der Traum ist nicht zu Ende.

Schändung

 

 

 

»SCHÄNDEN IST UNRECHT. Ganz großes Unrecht. Ein anderes Wort ist Vergewaltigung für das, was dein Onkel getan hat. Deine Mutter hat dich geschändet, indem sie nicht für dich da war und ihr Kind nicht verteidigt hat. Ganz, ganz schlimm.«

Sie nimmt mich nicht in den Arm. Wieso bloß? Zusammen mit ihrer wunderbaren Stimme um mich herum wäre das wunderbar. Sie schweigt einfach, obwohl sie meinen Wunsch doch bestimmt kennt, so wie alles.

Stattdessen klärt sie mich weiter auf. Was mir aber auch ganz gut hilft. Ich bin die, die richtig tickt. Ich bin diejenige mit allen Tassen im Schrank.

»Die beiden großen Augen in deinem Traum nach der Ankunft in Loch, Augen, so groß wie zwei Monde, waren die Augen deines Onkels. Er hat dich als Baby auf dem Wickeltisch geschändet. Er hat dich damals geschändet, genauso wie er es heute getan hat. Die Schande ist bei diesen beiden Menschen. Bei deinem Onkel und bei deiner Mutter. Und du bist unschuldig.

Damit du das nicht vergisst, niemals!, möchte ich dir jemanden vorstellen. Komm morgen in die Kirche.«

Schneewittchen

 

 

 

WIE ASCHENPUTTELS KLEIDER auf dem Grab ihrer Mutter liegen sie vor mir, während gleißendes Licht durch die bunt bemalten Fenster der Kirche fällt. Ich steige hinein in einen Traum aus duftigem Weiß. Streife mir weiße Strickstrumpfhosen über. Mit goldenen Knöpfen, die aussehen wie Rosenblüten, schließe ich das taillenkurze Jäckchen aus weißer Wolle. Das Beste kommt noch: Vor mir stehen schwarze, flache Lackschuhe mit Riemchen dran. Ich bin im Himmel. Das kann doch alles nicht wahr sein.

Minuten vorher habe ich meine Einsamkeit zusammen mit meinen beiden blonden Gören Claudi und Heike in meinen Puppenwagen aus beige-rotem Kunstleder gelegt, bin damit zur Kirche gerannt und habe ihn mit quietschenden Reifen vor dem Marienaltar geparkt.

»In diesen Kleidern DES WEISSEN MÄDCHENS MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN sollst du mich sehen, sooft du hier bist«, sagt sie, die längst Platz genommen hat, bevor ich es ihr nachmache … mit vorsichtigen Schritten und vermutlich so aussehend, als ob der Blitz im Gebälk dieses alten Gemäuers eingeschlagen hätte und ich kurz vor den Wahnsinn stünde.

Außerdem mag ich keine Kirchen, die sind kalt und kinderfeindlich. Blutige Horrorwesen hängen am Kreuz und werden auf Bildern geschlagen und getreten. Für mich alles Gesellen der grimmschen Märchenmonster.

Während ich gehe, passiert etwas. Diese Kirche wird anders. Sie ist warm, als ich den Marienaltarraum betrete. Links von einer Statue steht ein Kupferkessel mit schwarzem Griff dran, in dem sich Weihwasser befindet. Davor sind Kleider und Schuhe gelegen, die ich in diesem Moment trage. Die Statue, das ist eine Frau mit einem dicken Kind auf dem Arm, das dämlich grinst. Eigentlich tun sie das beide. Beide haben einen Strauß Maiglöckchen geschenkt bekommen. Vom Pfister nehme ich mal an. Das ist der Typ, der hier alles richtet.

Die andere, viel wichtigere Frau, ich meine DIE GROSSE WEISE FRAU, sieht genauso aus wie im Traum. Wenn man wie sie mit schuhfreien Füßen hier spazieren geht, muss die Kirche wohl warm gemacht werden. Ich gehe schwer davon aus, dass sie für diese kuschelige Temperatur hier zuständig ist. Die Maiglöckchen, diese giftigen Dinger!, geben hoffentlich bald den Geist auf.

Plötzlich sitzen wir nicht mehr zu zweit auf der Bank in der ersten Reihe.

»Ich möchte dir jemanden vorstellen«, sagt sie und strahlt mich dabei so grundgütig freundlich an, dass ich meine, der einzige Mensch für sie auf diesem Planeten zu sein.

Links von mir hat ein Mädchen Platz genommen, das ich von den Märchenplatten der Blumen-Frau kenne. Wie die Frauen in einem anderen Teil des kalten deutschen Südens, wo Menschen noch schlimmer sprechen als die Lochner, wie jemand, der nach einem kurzen Tauchgang in einem Moorschlammbad mit ungesäubertem Mund einfach unbekümmert weiterspricht, trägt das Mädchen hier ein sogenanntes Dirndl (das L im Wort ist das Schlimmste daran. Llll): rotes Kleid, weiße Bluse mit kurzen Puffärmeln, schwarze Schürze. Schadenfroh stelle ich fest, dass sie nur einfache schwarze Treter abgekriegt hat. Aber weiße Strickstrumpfhosen hat auch sie von irgendjemandem geschenkt bekommen.

»Hallo«, sage ich. »Deine Schürze passt toll zu deinen schwarzen Haaren und deinen Augenbrauen.« Etwas schleimen in der Kirche kann ja nicht schaden, denke ich mir. Zumindest machen die Großen das hier immer so.

Aber leider bleibt das Mädchen mit dem superweißen Gesicht, um das man sich als Elternteil bestimmt Sorgen macht, stumm.

»Das Mädchen heißt, wie du es vermutlich schon geahnt hast, SCHNEEWITTCHEN«, sagt DIE GROSSE WEISE FRAU rechts von mir. »Sie spricht nicht.«

Besser issess.

»Sie kommt wie ich direkt aus der allschaffenden Quelle.«

O!

»SCHNEEWITTCHEN, sein Anblick, soll dich daran erinnern, wie unschuldig du bist.« Sie macht eine Pause und legt mir die Hand auf die rechte Schulter. Eine Vogelfeder wiegt erheblich mehr. »Und noch etwas: SCHNEEWITTCHEN soll dir dein Schicksal aufzeigen.«

»Schicksal?«

»Deine Zukunft.«

Ich erschrecke und zittere, weil ich weiß, dass sie recht hat. Sie ist doch so etwas wie eine Göttin, auch wenn es da diese komische Quelle gibt.

Allschaffende.

Genau! … Hä?

Ein Gott ist jemand, der alles über dich weiß, es dir aber nicht verrät, hat mir die Blumen-Frau gesagt. Alles.

»Erklär mir das mit der Zukunft!«, fordere ich sie auf. »Wird mich meine M…, M…, M…, nicht mal das Wort bringe ich nach der Schändung mehr heraus … wird mich die Fraudiemichgeborenhat, sage ich so schnell, dass es mir kaum wehtut, ermorden lassen … vom Jäger aus der Geigenbauer-Werkstatt?«

Die Göttin scheint Mitleid mit mir zu haben – auf ihre Weise.

»Zukunft, das ist wie ein Korridor«, sagt sie. »Von diesem Korridor gehen Türen zu verschiedenen Räumen ab. Und mit deinem freien Willen entscheidest du, welche Tür du öffnen und welchen Raum du betreten willst.«

Ich hebe die Augenbrauen.

»Freier Wille heißt, dass du entscheidest, wie du von Menschen behandelt werden möchtest. Dein Onkel hat deinen freien Willen gestern gebrochen. Denn du wolltest nur, dass er dein Spielzeug repariert. Dir hat nicht gefallen, was er mit deinem Körper getan hat. Du wolltest niemals von ihm so angefasst werden.«

»Stimmt«, sage ich.

Stell dir bitte noch mal den Korridor vor, von dem ich gerade gesprochen habe.«

»Ja, mache ich.«

»Nun, als dein Onkel dir das angetan hat, hat er dich, bildlich gesprochen, in ein Zimmer gezerrt, in das du gar nicht gehen wolltest. Weißt du, Mädchen wie du, alle Mädchen, alle Kinder wollen selbst entscheiden, wann sie sich das an ihrem Körper anschauen und berühren, das dein Onkel heute gesehen hat, und noch schlimmer … Das ist freier Wille.«

»Ich verstehe. Und was ist denn jetzt mit meiner Mutter … und dem Korridor?«

»Du entscheidest, was du aus dem machst, was deine Mutter dir antut. Und natürlich auch, was dir dein Onkel angetan hat. Du entscheidest, welches Zimmer du betreten möchtest, auch wenn du …«

»Gar keine echte Mutter hast«, beende ich den Satz mit tränenüberströmtem Gesicht, ganz leise, mit 'nem ziemlich fetten Kloß im Hals. Und nun fasst sie mich an. Ich fühle eine Umarmung aus warmer Luft. Wie eine Stola legt die sich um meine Schultern.

Ich weine stundenlang. Dass ich den letzten Satz von ihr gar nicht richtig verstanden habe, merke ich erst allmählich.

Meine unausgesprochene Frage kriegt keine Antwort. Stattdessen empfange ich von ihr eine andere, wie ein Hauch in mein Ohr geflüstert. Verschwommen nehme ich wahr, wie sich ihr rotes Haar um meinen Kopf gelegt hat.

»Wenn ich nach einer Frage von dir schweige, heißt das, dass du die Antwort nicht verstehen würdest, noch nicht. Dann warte einfach, der richtige Zeitpunkt kommt. Vertraue.«

Die Kirchturmuhr schlägt halb sieben. Um sieben Uhr gibt es Abendessen.

Ich packe meine beiden blonden Gören in den Puppenwagen.

Ach Mist! Fast vergessen. Die hübschen Kleider und die schwarzen Schuhe muss ich ablegen.

»Wir sehen uns morgen wieder?« Mit dieser Mischung aus Frage und Aufforderung macht sie mir Mut, Lackschuhe und Stoff loszulassen. Bevor ich die Strümpfe von den Beinen ziehe, erinnert sie mich noch an das stumme Mädchen.

»Tschüss!«, sage ich zu ihr, die mich zärtlich und ehrlich anlächelt.

»Vergiss nicht«, sagt DIE GROSSE WEISE FRAU, »was ich dir im Traum gesagt habe. Du bist rein. Auch wenn dich der grausame Mann geschändet hat, dich schlechtmachen will, dich kleinmachen will. Du bist rein. Rein. Rein. Rein. Bist du einsam zu Hause, komm einfach hierher. Komm jeden Tag!« Der letzte Satz klingt fast schon wie ein Befehl.

»Ja.«

»Coco, ich liebe dich von ganzem Herzen.«

Sobald ich das letzte bisschen WEISSES MÄDCHEN MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN von mir gestreift habe, ist die Göttin verschwunden.

 

Klapperschlangen

 

 

 

ES IHM NICHT erzählt zu haben ergibt Sinn, als ich kurz davor bin, die Küche des Höllenheims zu betreten, das aufgehört hat, mein Zuhause zu sein. Mutter ist fortan die Fraudiemichgeborenhat. Den neuen fiesen Onkel mit dem falschen Lächeln nenne ich nur noch und ausschließlich Onkel Dirty. Was das englische Wort auf Deutsch heißt, weiß ich von meiner früheren Nachbarin in Berlin. Die arbeitet dort als Übersetzerin für die US-amerikanische Armee.

»… alleine erledigen«, höre ich, als ich die Küche betrete. Und weiß schon, worum es hier geht. Mit Papas beruflicher Freiheit geht es zu Ende. Damit steht sein Traum vor dem Aus.

Nur jemand, der unfreier ist als er, schafft es, ihn herzlos zu erledigen. Und das ist die Fraudiemichgeborenhat. Ihr Motiv: Rache. Rache für die Stunden in der kalten Vollzugsstätte ihrer Ehe. Oder mit den Worten der Berliner Übersetzerin-Nachbarin ausgedrückt: »He gave her a hard time on the couch.«

Auch das gehöre zum Krieg, hat die Frau mit den Blumen immer gesagt. Dass diese Männer, die so wie Papa nicht gewonnen hätten, ihre Ehefrauen besitzen wollten, statt sie zu lieben, und dass das vor allem körperlich vonstattengehe.

Tja, die Blumen-Frau hat mich nicht geschont. Mir alles zugetraut. Dafür liebe ich sie. Dafür vermisse ich sie so sehr, dass mir das Herz beinahe platzt.

»ICH BIN ERLEDIGT, WENN DU MIR NICHT HILFST!«, schreit Vater verzweifelt, vier geöffnete und davon drei leer getrunkene Flaschen Bier vor sich stehend.

»Johann, das ist mir einfach zu viel. Ich bin keine Buchhalterin«, haucht sie wie Jackie Kennedy, während sich ihr Mundwinkel verräterisch nach oben zieht. Sie glaubt wohl, ich sehe das nicht. Mit Johanns scharfer Wahrnehmungsgabe muss sie nicht mehr rechnen.

Es geht um Papierkram. Johanns Frau soll sich um die Schreibarbeiten für unser Fuhrunternehmen kümmern. Sie weiß ganz genau, dass wir uns eine Sekretärin nicht mal für ein paar Stunden in der Woche leisten können.

Und ich weiß auch genau, dass sich die Fraudiemichgeborenhat heimlich Geld von meinem Bruder zustecken lässt. Und das nicht zu knapp. Die Haushaltskasse ist gerettet.

Die Fraudiemichgeborenhat nimmt das Geld meines Bruders, ohne mit der Wimper zu zucken. Für ihn bedeutet das keine Zukunft, da keine Ersparnisse, keine Pläne, da kein Geld. Er suhlt sich in der Anerkennung seiner Mutter und verliert jede Achtung vor seinem Vater, fährt sogar mit Papas weinrotem Mercedes spazieren, ohne ihn um Erlaubnis zu bitten. Papa wehrt sich nicht, weil er das nie gelernt hat. Die Frau mit den Blumen hat mir erzählt, dass ihn seine älteren Brüder schon im Buddelkasten aus der Klemme helfen mussten, wenn er von größeren Kindern Prügel bezog. Wie ich später erfahre, hat das etwas damit zu tun, dass Papa eben kein Muttersöhnchen war und der tote Großvater Grässlich mit dieser Ansicht vollkommen danebenlag.

»Dann muss ich morgen den Laster verkaufen, Gulla, willst du das?«

»Wenn es sein muss …«, haucht sie. »Tut mir leid«, sagt sie, weil sie eine anständige, sprich eine verheiratete Frau bleiben will. Ist mir doch egal! Geschieht dir recht, du Mistkerl!, denkt sie.

Mit Suff im Hirn entscheidet Papa natürlich falsch. »In der Betonfabrik suchen sie Fahrer für ihre Stahlteile. Die nehmen meinen Laster aber nur, wenn sie mich gleich mitkriegen.«

»Vielleicht ist es das Beste so.«

Das ist es nicht. Für Papa nicht, für mich nicht, und schon gar nicht für sie selbst. Warum begreift sie nicht, dass er noch gröber zu ihr sein wird, wenn er sich unfreier fühlt. Aber das Motiv Rache macht anscheinend einen miserablen Schachspieler aus jeder Person.

»UND WAS GLOTZT DU EIGENTLICH SO BLÖDE?«, schreit Vater mich an. »ISS DEIN ABENDBROT UND DANN ABMARSCH IN DIE KISTE!« Da ist er wieder, der alte Ton, und Papa ganz der Alte.

Aber das geht leider nicht. Im Wohnzimmer liegt mein Bruder auf der Couch, die ausgeklappt mein Bett ergibt. Der Film im Fernsehgerät ist noch lange nicht zu Ende.

Tränenüberströmt gehe ich die Treppe hoch und wähle als Nachtlager den Wäscheberg im unbeheizten Zimmer neben Onkel Dirtys Werkstatt.

Es gibt keine Oase, keine Palme, keine Hängematte. Das Höllenheim hält, was sein Name verspricht.

Als ich am nächsten Morgen erwache und aus dem Fenster blicke, sehe ich einen hinkenden Hund in unserem Garten. An diesem Tag fährt ein junger Mann einen weinroten Mercedes gegen einen Baum.

Für mich wird es Zeit, dieses Stockwerk zu verlassen.

Onkel Dirty beginnt seine Arbeit um Punkt acht Uhr. Also in einer halben Stunde.

Als er an diesem Tag mit etwas beginnt, das sich in jeder Woche dreimal wiederholt wird, weiß er, dass es nicht mal mehr eine halbe Portion Vater gibt, die mich beschützt. Vater kehrt an diesem Vormittag betrunken nach dem Verkauf seines Lkws, dem Symbol seiner Freiheit, mit Festanstellung zurück. Umhüllt von Nebelschwaden, fällt er ins Bett. Ich weiß, dass es ihm egal ist, ob er mit einer brennenden Zigarette in der Hand unser Haus abfackelt. Er ist zum Albtraum seiner Kindheit zurückgekehrt.

Onkel Dirty hat freies Spiel.

Auf der Treppe, in der Küche und auf der Türschwelle zur einzigen Toilette des Hauses im Erdgeschoss sagt Onkel Dirty immer wieder das Gleiche: »Und morgen gehörst du mir.«

Drei Tage hintereinander, elfmal mir ins Gemüt gereicht. Und morgen gehörst du mir. Und morgen gehörst du mir. Und morgen gehörst du …

Manchmal ist die dunkle Prophezeiung auch nur ein Blick und manchmal auch nur ein übertragener Gedanke.

Ich fühle mich im Höllenheim wie in einem Zelt mit ganz, ganz wenig Sauerstoff darin. Ständig huste ich. Mein Hals schwillt zu und da ist da noch etwas in meiner Brust. Das hört sich schrecklich an. Ich krieg keine Luft.

O Gott, hilf mir!

 

»Krank ist nicht gleich krank«, beginnt DIE GROSSE WEISE FRAU damit, mich darüber aufzuklären, dass sogar eine Krankheit etwas Gutes hat.

»Was?«, frage ich in Kleidern und Schuhen DES WEISSEN MÄDCHENS MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN. »Ich verstehe das nicht.«

Heute ist der Marienaltar vor mir mit rosa Blumen geschmückt. Sie duften gut, bevor ich sehe, dass auch das nur Makulatur, das heißt Täuschung, wie mir die verstorbene Blumen-Frau erklärt hat, ist. So frisch, wie sie riechen, sind die Dinger gar nicht mehr. Eine Rosenblüte fällt zu Boden.

»Hast du gewusst, dass diese Moosrosen vor dir am stärksten riechen, wenn sie bereits beginnen zu welken?«

»Wenn sie irgendwie kränklich aussehen, so wie ich mich fühle?« Ich bin sauer.

»Die Menschen sehen nicht das, woran sie sich erinnern, nachdem sie lange den Raum mit den Blumen darin verlassen haben. Das nicht unbedingt Schöne hat ihnen ein Geschenk gemacht.«

Warme Luft umhüllt meine Schultern, als die Göttin weiterspricht. Mein Ärger wird wie die Luft. Leicht.

»Du könntest ohne diese Krankheit nicht lernen, was du noch lernen sollst.«

»Aber ich will nicht krank sein.« Der Ärger will wiederkommen. Denn ich denke an das, was regelmäßig zu Hause passiert. Jede Nacht huste ich mich in den Schlaf. Hinter mir auf der Couch liegt, sofern sie von Vater nicht zur ehelichen Pflichterfüllung gerufen wird, eine Mutter, die sich nicht darum kümmert, wie es mir geht. Selbst dann nicht, wenn sie wegen meines Hustens gar nicht richtig schläft. Ich halte das nicht aus!

»Ich will nicht krank sein«, mache ich ihr klar. »Mach mich gesund, wenn du eine Göttin bist! Ich will normal leben wie andere Kinder auch.«

»Das wird nicht geschehen«, sagt sie, bevor ich den Arm um SCHNEEWITTCHENS Schulter lege, um mich daran zu hindern, der Göttin, die mich von ganzem Herzen liebt, für ihre grausame Prophezeiung mindestens eine Ohrfeige zu verpassen. »Du sollst stark werden und anderen Menschen ein Vorbild. Eine Heldin für Kinder, denen Ähnliches geschah, Kindern wie SCHNEEWITTCHEN.«

»ICH WILL, DASS DIESER GANZE HORROR AUFHÖRT, AUF DER STELLE!«, schreie ich sie an, so gut das eben geht. Dass ich den Mitgliedern des Familienclans der Fraudiemichgeborenhat von Dirtys Schändungen erzählt habe, schreie ich hinterher, und dass sie nur vor Widerwillen ihre doofen Köpfe geschüttelt haben. Widerwillen nicht für das, was Dirty getan hat, obwohl ich ihnen die blutigen Details nicht erspart habe, sondern dafür, dass ich mir erlaubt habe, »solche Lügen über einen unserer angesehensten Verwandten am Ort zu verbreiten.« Originalton Tante Veronika. »Wir haben es als Neulinge hier ohnehin nicht leicht. Da kommst du mit deinen Lügen!« Originalton Tante Martha, das ist Onkel Dirtys Ehefrau.

Gerade Tante Martha müsste doch entsetzt darüber sein, was ihr eigener Ehemann so anstellt, wenn er nicht zu Hause ist. Aber noch weiß ich zu wenig.

»DAS ÜBERLEBE ICH NICHT!«, schreie ich weinend.

»Doch«, beharrt sie, nachdem sie ihre Stola aus warmer Luft um meinen ganzen Körper gewickelt hat und sie so nah an mich herangerückt ist, dass ihre Schulter meinen Kopf berührt. »Die Krankheit hilft dir. Stell dir einen Pfirsich vor. Die Krankheit umschließt deine Seele wie das Fleisch eines Pfirsichs dessen Kern. Dein Kern, das ist dein Leben.«

»Aber dieser ständige Husten und dieses Rasseln da in meiner Brust, wie … wie?«

»Klapperschlangen?«

»Jaaa!«

»Das ist eine Krankheit, deren Namen du erfahren wirst, sobald du dir unter Menschen Hilfe holst. Schritt eins: Such dir einen Gefährten!«

Das lässt sich ein Prinz-Eisenherz-Kind nicht zweimal sagen. Obwohl ich Lackschuhe liebe, verschwende ich keine Zeit damit, sie unnötig lange zu tragen. Unnötig lange, weil ich nun weiß, dass es einen guten Menschen in meiner Nähe gibt.

»Coco, ich liebe dich von ganzem Herzen«, sagt DIE GROSS WEISE FRAU zum Abschied.

Nun gut, dieser Satz durfte nicht fehlen. Aber eigentlich gefällt er mir ganz gut. Vor der Kirche spucke ich Schleim ins Gras.

 

Die Gefährtin hat braune Locken und heißt Moni. Sie ist die Frau meines Cousins väterlicherseits. Sie ist auch die Schwiegertochter einer Frau, die sehr wichtig für mich sein wird. Moni hat einen Gemüseladen, und wo Gemüse ist, sind Kräuter nicht mehr fern.

Aber leider liege ich mit meiner Idee völlig falsch.

»Was du brauchst«, sagt die Frau mit den hohen Wangenknochen, kleinem Näschen, braunem Puderlidschatten und einem Strahlen im Gesicht, das jedes Kinderherz höher schlagen lässt, »das gibt es in der Apotheke.« Keine Minute ist vergangen gewesen, als sie mir eingefallen ist. Warum, frage ich mich, habe ich nicht schon früher an sie gedacht.

Mit klopfendem Herzen lache ich Moni an, verziehe das Gesicht und huste absichtlich sehr laut.

»Uiuiui!, das hört sich aber gar nicht gut an.«

Aber ihre Sorge fühlt sich gut an.

Ausführlich beschreibe ich ihr meine Klapperschlangen-Krankheit.

Noch mehr Sorge.

Ist sie meine neue Oase mit den zwei Palmen und einer Hängematte dazwischen?

»Komm in einer Stunde nach der Mittagspause wieder. Dann kriegst du was von mir.«

 

Wieder vor den rosengeschmückten Altar und in die Kleider DES WEISSEN MÄDCHENS MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN zurückgekehrt, frage ich sie mit klopfendem Herzen und rasselndem Atem: »Wird sie mir helfen? Sie ist soooo freundlich.«

Dass ich keine Antwort auf meine Frage kriege, heißt nur eines.

Wenn aber die Zeit noch nicht reif dafür ist, diese Antwort zu verstehen, dann kann ich mich ja wenigstens schon mal auf den Weg machen. Dorthin, hin zu dem Zeitpunkt, an dem ich sie verstehe. Ich meine, ich hole mir die Antwort einfach von Moni selbst ab.

Auch diesmal umhüllt warme Luft nicht nur meine Schultern, sondern den ganzen Körper, aber aus einem ganz anderen Grund.

»Ist das so etwas wie ein Lob?«, frage ich.

»Ja«, sagt DIE GROSSE WEISE FRAU, »und eine zweite Aufforderung. Geh zu deiner neuen Gefährtin!«

Die Kirchturmuhr schlägt halb zwei. Monis Mittagspause ist um.

»Ich liebe dich, Coco, von ganzem Herzen.«

Ehrfürchtig lege ich die Schuhe und Kleider DES WEISSEN MÄDCHENS MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN ab.

 

»Das ist es, was dir hilft«, strahlt mich Moni an, während sie mir ein blaues Päckchen hinhält, das aussieht wie eine Packung Tee.

»Aber ich hab gar kein Geld?«

»Mhm, vergiss das mal. Deine Mutter ist Stammkundin bei mir.«

»Oh, danke, Moni!«

»Du weißt, wie du das anwenden sollst?«

Also, jetzt wird sie ulkig. Ich bin noch nicht mal sechs Jahre. Ich lache, aber Moni spricht einfach weiter.

»Deine Krankheit heißt übrigens Bronchiale Hyperreagibilität, hat mir der Apotheker gesagt.«

Ich lache. Diesmal, weil mich Moni ebenso wie die Blumen-Frau nicht wie eine kleine Fleischmasse mit der Aufschrift Kind behandelt. Mein Lachen kommt bei den Klapperschlangen in meiner Brust gar nicht gut an. Sie beschweren sich lautstark über zu viel Freude.

»Du musst das ernst nehmen. Daraus kann Asthma entstehen. Bronchiales Asthma.« Sie sieht mich mit Sorge im Gesicht an. »Geht es dir hier nicht gut, hier in Loch?«

Meine Stunde ist gekommen. Vorfreude macht meinen Herzschlag ganz schön schnell.

»Nein, da ist …«, fange ich an.

Hinter mir erscheint ein dunkler Schatten vor der Ladentür.

»Dass ich jetzt keine Zeit für dich habe, weißt du?«, flüstert sie freundlich.

Der erste Kunde betritt den Laden. Sie trägt, was alle hier am Ort tragen: braune Kleider. Ich sehe an mir herab. Nicht viel besser. Das muss sich bald ändern.

»Tschüss, Moni«, sage ich leise, während die Klapperschlangen sich gefräßig in meiner Brust breitmachen.

»Komm einfach noch mal vorbei, am besten am Abend. Ist ja nur ein paar Schritte zu dir nach Hause«, sagt sie, bevor sie die Kundin, die sie bereits ungeduldig ansieht und für mich keinen Blick hat, beginnt zu bedienen.

»Ja, mach ich.«

 

Zu Hause schnappe ich mir den größten Topf im Küchenschrank. Den, den die Fraudiemichgeborenhat sonntags zum Kochen der im kalten deutschen Süden stets beliebten Kartoffelklöße benutzt. Diese Klöße gibt es bei uns nur sonntags und nur serviert zu Rindsrouladen und Rotkohl.

Ich übergieße zwei Esslöffel Meisterwurz mit anderthalb Liter kochendem Wasser, lege mir ein Handtuch über den Kopf und inhaliere zehn Minuten lang. Unter dem Handtuch ist es still und kuschelig wie im Altarraum, wenn DIE GROSSE WEISE FRAU anwesend ist.

Vielleicht komme ich hier ja auf ein paar Ideen direkt aus dem Himmel. Wenn diese Klapperschlangen so rasseln, heißt das, dass sich jede Menge Schleim in meiner Brust befindet. Heißt das nicht auch, dass ich dafür sorgen sollte, dass der nicht unbedingt mehr wird? Dirty bleibt mir wohl noch eine Weile erhalten. Aber was ist mit Essen? Das ist das Zweite, das direkt in den Körper kommt, so wie die sauerstoffarme Zeltluft des Höllenheims, die Dirty und die Fraudiemichgeborenhat produzieren. Ich darf nur Dinge essen, die keinen Schleim produzieren. Nach welchen Mahlzeiten habe ich in den letzten Stunden und Tagen besonders gehustet? Nachdem ich ein Käsebrot verdrückt habe. Nachdem ich süßen Quark zum Nachtisch gegessen habe. Und – o Wunder, ist es doch die Kindermahlzeit Nummer eins! – nach dem täglichen Glas Milch zum Frühstück.

Die Kuh ist mein Feind, und von allem, was sie produziert, halte ich mich fern. So lautet der Plan. Was, wenn ich nachts, nach einem Käsebrotabendessen, ersticke …?

Der tödliche Schleim muss vermieden werden. Auf meinen Teller kommen nur noch Wurst, Brot, Salat, Gemüse und Fleisch.

Trotz Dirtys täglicher Todesdrohungen – ich weiß, dass jede weitere Schändung mein absolutes Ende bedeuten kann – werden mithilfe der Meisterwurzinhalationen aus Klapperschlangen Babyklapperschlangen.

 

Dass die Fraudiemichgeborenhat eine Falte auf der Nasenwurzel kriegt, jedes Mal, wenn ich die Milch stehen lasse, und laut wird, sobald Vater aus dem Haus gegangen ist, stört mich nicht. Dass ich meine einstige Mutter ertragen kann, dafür sind die verantwortlich, die mich mächtig stolz machen, und auch ein bisschen eingebildet. Die drei Typen aus der Kirche: DIE GROSSE WEISSE FRAU, SCHNEEWITTCHEN und DAS WEISSE MÄDCHEN MIT DEN SCHWARZEN LACKSCHUHEN.

Welches Kind in unserer Straße kann von sich behaupten, Wesen zu seinen Freunden zählen zu können, die nur es selbst sieht? Die helfen, auch wenn man sie im ersten Moment in die Tonne treten möchte, weil man sie nicht auf Anhieb versteht. Die einem das Gefühl geben, ein mit besten Kleidern und vor allem edelsten Schuhen beschenktes Kind zu sein. Die einen daran erinnern, dass man richtig tickt, und ganz gewiss nicht diejenigen, die einen töten wollen, kurz gesagt: Wer hat himmlische Wesen in seinem Leben, auf die er zählen kann, wann immer die Welt der Menschen ihn im Stich lässt?

Sobald ich die Kirche verlassen habe, vergeht auch draußen keine Sekunde, in der ich nicht an sie denke; was erträglich macht, was jeder Außenstehende als tödliches Pech bezeichnen würde.

Hölle

 

 

 

ICH BIN KRANK. Erkältet. Jemand hat das Fenster offen stehen lassen, an dem ich nach dem Inhalieren mit nassen Haaren im Nacken vorbeigelaufen bin. In knapp zwei Monaten beginnt die Schule. Keine Grippe dauert so lang. Aber so wie diese sich anfühlt, schon. Ich erbreche sogar mein Essen, habe Ohrenschmerzen, die Nase, meine Mandeln sind so zugeschwollen, dass ich aus dem letzten, förmlich kleinen Loch pfeife. Das ist alles gar nicht gut. Bis Schulbeginn muss ich doch unbedingt wieder gesund sein. Die Schule, da bin ich mir ganz sicher, ist meine Rettung. Mehr Zeit außerhalb des Höllenheims. Und vor allem: mehr Ohren! Einer der Kinder muss mir doch helfen, sagt es einem Elternteil, einem Lehrer. Letzteres könnte ich eigentlich selbst erledigen. Dann die Polizei und ich bin frei! Mit der Fraudiemichgeborenhat komme ich schon klar, hab ja jetzt DIE GROSSE WEISE FRAU. Das klappt schon. Hauptsache, das Violinen-Monster ist hinter Schloss und Riegel.

Hustend und keuchend liege ich auf der ausgeklappten Couch im Wohnzimmer. Die Fraudiemichgeborenhat geht zwischen zehn und elf Uhr einkaufen. Die schwere Eingangstür fällt ins Schloss, ebenso wie die stets quietschende Tür zum Windfang. Fanfarenklänge für einen Seelenmörder. Zwei geschlossenen Türen folgen zwei sich öffnende. Mir gegenüber sehe ich, wie ein Türgriff langsam nach unten gedrückt wird. Ausgeliefert. O Gott! Wieder einmal ausgeliefert! Wieder bin ich die Schildkröte ohne Panzer, mit freiliegendem Herzen auf den Todesstoß wartend. Ich schreie schon, bevor … O Gott, hilf mir! Wo bist du jetzt, du doofe Göttin?! Du hast es mir nicht gesagt, du Verräterin!, dass das hier kein Ende nimmt. Weil mich die Antwort umgebracht hätte. Danke für die Schonung, du blöde Kuh. Na warte, wenn ich das hier überlebe! Stark werden, das kann auch anders gehen. Mit Liebe und netten Menschen. Jemand anders kann den anderen Geplagten und Geschändeten erzählen, wie man stark wird. Nicht ich. Ich will ein freies und glückliches Kind sein. Hörst du? Hörst du, du dämlich-doofe, abwesende Göttin! Hier brauche ich dich und nicht in deiner widerlich alten Kirche mit den blutigen Figuren an Kreuz und Wänden! Du bist gar kein Gott! Nur eine Illusion, damit das alles hier erträglicher wird. Warum hat diese verdammte Tür vor mir bloß keinen Schlüssel?

Nnnneinnn!

Weglaufen, wie denn? Mit mehr Klapperschlangen im Brustkorb, als da hineinpassen. Ich bin zu schwach, um mir die heilenden Inhalationen zuzubereiten. Außerdem ist die Fraudiemichgeborenhat den ganzen Vormittag über in der Küche gewesen. Das mit dem Inhalieren geht nur, wenn sie weg ist, zu Besuch bei ihren feigen Schwestern Veronika und Martha. Jedes Mal, wenn ich aufstehe, rebelliert mein Magen und mir wird schwindelig. Die Fraudiemichgeborenhat ruft keinen Arzt.

Keuchend sehe ich, wie er sich die Hose öffnet, während er auf mich zugeht.

O Gott, hilf mir, wer immer du bist, dass ich das überlebe, und wenn nicht, will ich ganz schnell sterben. Also keine große Sache, einfach nur bei der Blumen-Frau wieder sein. Im Schnellflug bitte! Bei der Blumen-Frau auf dem Schoß mit jeder Menge Erdbeerquark im Mund. Ohne tödliche Schaumbildung. Hineingelöffelt, während sie mich hält, und ja!, wenn es sein muss, höre ich dort oben auch vierundzwanzig Stunden am Tag grimmsche Märchen auf Platte. Aber bitte, mach was!

Ich rieche falschen Leim und Urin wie beim ersten Mal. Mehr Urin als falschen Leim. Wenn er jetzt schon absichtlich so widerlich stinkt, wird er mir danach wieder ins Gesicht spucken? Er hebt die Bettdecke hoch. Muss sie mir entreißen. Er hebt mein Nachthemd hoch. Muss es mir entreißen, mir vom Leib reißen. Knöpfe gehen verloren. Die Fraudiemichgeborenhat wird sie, ohne zu murren, wieder annähen. Sie, die von nun an täglich zur gleichen Uhrzeit verschwinden wird. Vorher hat sie das nicht getan. Ich schreie, wie schon die ganze Zeit, seit ich ihn hören und sehen kann. Ich schreie, weil ich nicht mehr mit ihm spielen will, seit der Schmetterling Kinderblut auf seinem Auge trägt. Aber er lässt es nicht zu. Ich schreie. Ich schreie vor Wut, weil er der Stärkere ist. Er wird es immer sein, sooft das hier geschieht. Und ich, Menno!, immer die Unterlegene. Ich schreie und schlage nach ihm. Er lacht. Lacht das sadistische Lächeln, das ich aus einer Zeitschrift kenne.

Die Blumen-Frau hat es mir erklärt, als ich bei ihr auf dem Schoß saß und besagte Zeitschrift vor uns auf dem Tisch lag. Dieses Lächeln gehört zu einem Mann mit weißem Arztkittel und einer Spritze in der rechten Hand. Mit der linken hält er ein Kapuzineräffchen am Kragen. Er wird es töten. Für einen sogenannten medizinischen Versuch. Tatsächlich tötet er es, um sich an der eigenen Macht zu betrinken.

Der Arztkittel weicht der dunkelblauen und mit Holzstaub befleckten Schürze eines Geigenbauers. Erst hebt er sie. Dann hebt er mich aus dem Bett. Wie beim letzten Mal sieht er mir nicht in die Augen. Von hinten. Der ist feige wie der ganze Familienclan der Fraudiemichgeborenhat. Ich sehe aus dem Fenster. Der Goldregen blüht vor dem Fenster. Ich schreie, bis es vorbei ist. Obwohl ich so klein bin und er so groß, es höllisch brennt und blutet, falle ich wieder nicht in Ohnmacht.

Na, warte, du blöde Göttin! Du glaubst wohl, du kannst mich mit deinem blöden Kleidertrick ver… Wenn ich jetzt das Wort sage, werde ich wie er. Ich will nicht hassen, nicht sein wie er. Ich wähle das Wort veräppeln. Mich lockt keiner mehr irgendwohin.

Dirty ist fertig. Sein Spott kennt keine Grenzen, ist Teil seines sadistischen Rituals: Mit der stinkenden Hand, die sein krankes Teil in die Hose zurückgelegt hat, drückt er mich nach hinten. »Nun ruh dich schön aus«, säuselt er mir ins Ohr, »bald wird es dir wieder besser gehen«, drückt mir einen feuchten Kuss auf die Stirn, der nach falschem Leim stinkt, und verlässt den Raum.

Gott sei Dank sieht er mir nicht in die Augen. Ich würde es nicht überstehen. Noch lange danach hängt dieser Geruch im Raum. Für mich riecht es nach diesem Tag überall danach. In jeder winzigen Ecke des Hauses riecht es nach tödlichem Leim.

Leim, mein neues Wort für Lüge, Verrat und lahme Feigheit.

 

Leider muss ich mit ihr sprechen. Um mich zu schützen, bedeckt einer der beiden Nachthemdsärmel die Nase, denn da gibt es ja noch diesen zweiten Grund, weshalb ich nicht gerne mit ihr spreche …

Sie ist wieder zurück. Eine Viertelstunde nach dem Ende der Schändung. So wird das von nun an immer sein. Ich fühle das.

»Mutter, an der Tür zum Wohnzimmer fehlt der Schlüssel.«

Sie sieht mich an, als ob ein fünfhöckeriges Dromedar vor ihr stünde.

»Den gibt es nicht. Hat es nie gegeben. Und wird es auch nicht geben.« Ich könnte auf der Stelle kotzen. Nicht nur wegen dem, was sie sagt, sondern weil der tödliche Gestank aus ihrem Mund den Raum, in dem sie unser Essen kocht, in einen Stinkbombenpalast verwandelt. Sie hat Karies im Endstadium. Dass die Vorderzähne noch weiß sind, verblüfft mich jeden Tag aufs Neue. »Wozu brauchst du einen Schlüssel? Magst du uns etwa nicht mehr? Willst du uns aussperren?«

So viel

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 01.06.2016
ISBN: 978-3-7396-5842-1

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch ist allen Kindern gewidmet und es gedenkt aller verletzten Frauen der Sylvesternacht 2015.

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