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Der Detektiv mit dem Geisterarm

Ich widme diesen Text csarly und hoffe, dass sie eines Tages die Zauberformel entdeckt um beschriebenes Papier in Gold zu verwandeln, so wie es sich wünscht und verdient hätte.

 

Viele Menschen die ihr karges Dasein in Rʼlyeh-City verbrachten taten dies ohne dass jemals etwas Besonderes in ihrem Leben passierte. Edward Derby zählte jedoch nicht zu dieser Sorte. Für ihn war das was wir als ungewöhnlich empfanden etwas vollkommen Normales, was in Anbetracht seiner Lebensgeschichte nicht sonderlich verwunderlich war.

Obwohl das Twilight-Genre mit seinen Vampiren gerade ein Hoch erlebte, so war die Fantasy-Literatur doch nicht tot zu kriegen von der Edward Derby früher ein Teil gewesen war. In so gut wie jeder Mainstreamgeschichte gab es einen bösen namenlosen Zauberer oder Hexenmeister der am Anfang immer als das pure Böse präsentiert wurde nur um dann im letzten Drittel zu sterben und als Strohmann des absoluten Bösen entpuppt zu werden. Jedoch war Edward da eine Ausnahme, denn der Held der ihn bekämpft hatte tötete ihn nicht sondern verbannte ihn in eine andere Dimension. In unsere Welt. Rʼlyeh-City um genau zu sein, da diese Stadt für ihre Merkwürdigkeiten, Schrecken und Wunder bekannt war so schien es auch nicht sonderbar zu sein, dass der Übergang an jener Stelle – an der die Stadt erbaut worden war – am schwächsten war.

In unserer Welt verbrachte Edward viele Jahre in Bars. Ihm hatte seine Niederlage klar gemacht wie alt er doch war. Ein Auslaufmodell das von einem kleinen neunjährigen Helden in die Knie gezwungen wurde. Nach all den Jahrtausenden war er mehr wie ein Dinosaurier und so verbrachte er seinen selbstgewählten Lebensabend damit sich und sein Selbstmitleid in Alkohol zu ertränken. Wenigstens hatte es einmal etwas Gutes, dass er rostiges Metall in glänzendes Gold verwandeln konnte. Schien ihm diese alchemistische Fähigkeit früher doch sinnlos gewesen zu sein als er noch über Heere von Orks, bösen Feen, Hexen und Drachen regiert hatte. Doch irgendwann brauchte auch ein ausrangierter Zauberer Geld und einen richtigen Namen, welchen er zufälligerweise der Inhaltsangabe eines kleinen Buches entnommen hatte. Doch so leicht ließ das Schicksal einen alten Hexenmeister nicht davonkommen. Später fand der alte Edward heraus, dass er selbst nichts weiter als eine Figur aus einem Roman gewesen war. Lange Zeit über machte er die Autorin jenes Werkes namens Sophia Anna Csar für seine Niederlage sowie jetzige Situation verantwortlich. Ein weiterer Grund sich selbst zu betrinken und im Selbstmitleid zu baden.

Aber wie es so oft im Leben kam, irgendwann setzt sich jemand neben dir auf einen Barhocker und schafft es irgendwie dass du deinen Arsch erhebst und deine Probleme in Angriff nimmst. So war es auch bei Edward der daraufhin dem Bösen abschwor, seine markante Glatze durch eine Durchschnittsfrisur ersetzte und anfing für sein Geld zu arbeiten, statt es einfach herbeizuzaubern. Schon nach kurzer Zeit eröffnete der Hexenmeister ein eigenes Detektivbüro. Seine Erfahrung mit Dingen die für unsere Augen als ungewöhnlich galten brachte ihm schnell einen Ruf ein und er übernahm immer die „verrückten Fälle“.

Alles wäre gut gewesen, doch so schnell entsagte niemand ungestraft den Mächten der Finsternis. Der rechte Arm von Edward weigerte sich gut zu sein und so fing er an Amok zu laufen und sich den Befehlen seines Meisters zu widersetzen. Dem ehemaligen Hexenmeister blieb nichts anderes übrig als sich das halsstarrige Körperglied abzuhacken und zu verbrennen, doch trotz alledem spürte er immer noch die Gegenwart jenes Körperteils, welche sich in einem kalten Sog äußerte. Edward wusste nicht wieso dies so war, aber nun war der Arm meist unter Kontrolle, doch es gab immer noch gewisse Momente in denen der Geist des Ausläufers anfing unkontrolliert zu töten. Jedoch hielten sich diese Augenblicke in Grenzen. Doch kommen wir nun zu der eigentlichen Geschichte.

 

»Tut mir leid, Succi, aber ich konnte wirklich nichts herausfinden. Dieser Kerl der deinen Macker getötet hat ist wie ein Geist. Er hat keine einzige Spur hinterlassen, mit niemanden geredet, nicht telefoniert und nirgendwo eingecheckt. Ich wünschte wirklich ich hätte bessere Neuigkeiten für dich. Du weißt ja wie gerne ich einer geschätzten Kollegin aushelfe, aber in dem Fall bin selbst ich überfragt.«

Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Seufzen ehe der Hörer aufgelegt wurde und Edward sich wieder daran machte die Dimensionspost durchzulesen. Das Blatt das über die Geschehnisse anderer Welten berichtete, wobei es egal war ob es Bücherwelten, andere Dimensionen, Realitäten oder aber Planeten waren. Wenn etwas großes passierte fand es dort Erwähnung. Gerade als Derby einen Artikel über die Teufelshexe Avith las die eine Sirenenparty in Paris hat platzen lassen, meldete sich sein Pieper um ihn rechtzeitig an seinen Termin zu erinnern. Schnell griff er noch nach dem halbvollen Glas Bourbon auf seinem Schreibtisch um es zu leeren, ehe er sich auf den Weg machte.

Kurz bevor er noch sein Büro verließ fragte er sich, was dieser Ältestenrat dort in dieser Bücherwelt sich wohl dabei gedacht hatte eine so gefährliche Irre auf die Welt loszulassen statt sie wie einen tollwütigen Hund einschläfern. Mit bösen Hexen kannte Edward sich aus. Er hatte mit genug von ihnen geschlafen und sogar gegeneinander ausgespielt indem er sie um seine Gunst buhlen ließ wenn ihm früher immer langweilig gewesen war. Doch dieses Weib Avith… Die brauchte niemand.

»Irgendetwas neues Fräulein Dagon?«, fragte der Detektiv den Goldfisch welcher sich in einem Glas auf dem Schreibtisch des Vorzimmers befand.

Die Sekretärin/Goldfisch Wanda Dagon wandte ihre glubschigen Fischaugen vom Geschehen im alten Fernsehkasten ab, ehe sie anfing zu blubbern: »Lucy ist Schwanger und hat es dem Hilfssherriff Andy erzählt, dieser kann jedoch nicht der Vater sein, da er keine Kinder zeugen kann. Also vermutet sie, dass es Dick Tremayne sein muss mit dem sie mal ein Verhältnis hatte. Aber später stellt sich heraus, dass Andy doch wieder Kinder zeugen kann. Und nun steht sie zwischen zwei Männern.«

Eine ganze geschlagene Sekunde überlegte der Detektiv wie er diese Information einzuordnen hatte während er seine Sekretärin unverwandt ansah. Dann gab er mit einem langgezogenen »Okaaaaayyyy« auf und überließ Wanda wieder dem halbwegs kaputten Flimmerkasten und der Serie Twin Peaks. Dann jedoch wandte sie überraschenderweise doch das Wort an ihren Arbeitgeber. »Werden Sie eigentlich zu der Vorlesung ihrer Mutter gehen? In der Bücherei stellt sie den neuen Band von Sichelmond vor.«

Unwillkürlich griff der alte Hexenmeister nach dem kleinen smaragdgrünen Kristall an einer Kette in welchen Runen eingearbeitet worden waren. Diese Geste bedeutete dass wieder all die Trauer und Resignation in ihm hochkamen. »*Seufz* Nein, das werde ich nicht, Fräulein Dagon. Diese Frau hat mich wie eine billige Nebenfigur ausgearbeitet und sich stattdessen lieber auf ihre Hauptfigur konzentriert. Ein Neunjähriger ist ihr somit wichtiger als ich. Ich wollte ihn ja nur töten, wegen einem Ritual das mir noch mehr Macht geben sollte. Sie hat mich nie geliebt, sonst hätte sie sich etwas Besseres für mich einfallen lassen, also werde ich jetzt nicht anfangen in Kontakt mit ihr zu treten. In ihren Augen war ich nie mehr als ein plumper Bösewicht. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich muss noch auf ein Konzert.«

»Aber-« Weiter kam sie nicht, da Edward den Raum bereits verlassen hatte.

 

Die Popmusik war laut, die Menge unruhig und die grellen Scheinwerfer huschten über die mit Nebel bedeckte Bühne auf der ein blondes Schulmädchen mit zwei Zöpfen in einer viel zu knappen Cheerleaderuniform zu den soften Klängen der Musik über die Bretter hopste. An sich nichts Ungewöhnliches. Aber schnell hatte Edward, welcher sich am Bühneneingang postiert hatte, erkannt dass die Fans nur mit Mühe von der Security zu bändigen waren. Zuerst hatte es der Detektiv im Dunkeln der kellerartigen Undergroundhalle nicht gesehen, doch die Fans waren nichts weiter als nach Hirn gierende Zombies die danach trachteten die Sängerin Juliet Star-Ling zu fressen. Glücklicherweise war Derby von einem Sicherheitsbeauftragten aufgeklärt worden, dass diese Fans genauso sehr Zombie waren wie auf anderen Konzerten auch. Oder war es so, dass die Zombies genauso Fans waren wie auf anderen Konzerten auch? Jedenfalls wollten sie die Sängerin nicht fressen, auch wenn dies zunächst so schien.

Nach dem Konzert zerstreuten sich die Untoten wie gewöhnliche Besucher auch und die Sängerin kam zu dem Detektiv und geleitete ihn zu ihrer Garderobe. Dort ließ sich das Popidol erst einmal stöhnend in einen Sessel fallen und trank einen Schluck Wasser, ehe sie die blonde Perücke abnahm und sich mit dieser über das von Schweiß glitzernde Gesicht wischte, worauf sie die falschen Haare angewidert in eine Ecke warf.

»*Räusper* Fräulein Star-Ling«, begann Edward ehe er unterbrochen wurde.

»Bitte, nennen Sie sich mir hier drin einfach Mindy.«

»Was?«

»Mindy McReady, so lautet mein richtiger Name«, meinte die Sängerin, während sie sich durch die schwarzgefärbten Haare fuhr und sich die Gesichtspiercings wieder in die Löcher reintat.

Edward war ziemlich verwundert. Es hieß immer, dass Juliet – oder Mindy wie sie eigentlich hieß – eine hohle Nuss sei die außer einer Mainstreamstimme und einem knackigen Körper überhaupt nichts zu bieten habe. Noch nicht einmal so etwas Unbedeutendes wie eine Persönlichkeit.

»Verzeihen Sie die Frage, aber… wieso diese Maskerade?«

McReady begab sich hinter einem kleinen abgesperrten Bereich um die Cheerleaderuniform gegen etwas Bequemeres einzutauschen. »Das war die Idee meines Managers. Er meinte mit diesem „dummes-Blondchen-Image“ würden sich meine Singles besser verkaufen.«

Nachdenklich hielt sich Edward das Kinn und versuchte sich in freudiger Erregung die nackte Gestalt hinter der Trennwand vorzustellen. »Dabei wirken Sie gar nicht wie jemand der gerne Pop hört.«

»*Seufz* Erraten. Ich stehe mehr auf Hard-Rock. Aber letztlich müssen wir doch alle irgendwie unser Brot verdienen. Ich singe einfach was man mir in die Hand drückt und versuche dabei so viel Knete wie nur möglich zu verdienen.«

Irgendwie desillusionierend, dachte sich Edward. So viele Künstler die alles dafür tun würden um mit ihrer Leidenschaft Geld zu verdienen und dann wird der Zaster einem Mädchen hinterhergeworfen, dem die Kunst völlig egal ist. *Innerlicher Schulterzuck* Na ja, mir soll es egal sein.

Genüsslich steckte Derby sich eine Kippe an als Mindy in ihren Gothic-Look aus der Abtrennung hervortrat. Genüsslich stieß er den Rauch aus. »Also, Sie benötigen meine Dienste.«

»Genau. Sie sollen meinen Hund Pootchy suchen, mit dem ich mich in der Öffentlichkeit immer sehen lassen muss. Mir kann es eigentlich egal sein was mit dieser kleinen Ratte passiert, doch mein Manager besteht darauf.«

»Ihre Tierliebe ist geradezu herzergreifend.«

»Hey, wenn du ständig eine glupschäugige Ratte im Handgepäck herumschleppen müsstest, würdest du dich auch freuen wenn das Drecksviech verreckt.«

»Wie sieht der Hund denn aus?«, fragte Derby leicht von der ätzenden Gleichgültigkeit seines Gegenübers genervt, aber immer noch höflich.

Mindy überreichte daraufhin ein Foto, durch dessen Anblick dem Ermittler die Kippe aus dem Mund fiel. Es war ein seltsamer Hund. So etwas hatte der Detektiv vorher noch nie gesehen. Extrem große Augen und Fledermausohren. Dazu winzige Zähne und ein abgemagerter Körper der kaum von Fell bedeckt wurde. Ein Chihuahua sah im Vergleich dazu wie ein reinrassiger Kampfhund aus. »Was ist das für eine Art von Köter?«

»*Schulterzuck* Keine Ahnung. Wir haben ihn aus dem Schlussverkauf einer strenggeheimen Militärbasis.«

»Sie kaufen Hunde aus strenggeheimen Militärbasen?«

»Wir wollten den jämmerlichsten und billigsten Hund den wir finden konnten. Und das ist er. Weiß Gott, was die Forscher dort mit ihm gemacht haben.«

»Wieso die überhaupt einen Schlussverkauf veranstaltet haben, wundert mich.«

»Nun ja, ihnen wurden die Gelder gestrichen und sie mussten Räumen, zuvor jedoch wollten sie noch möglichst viel loswerden um die Verluste gering zu halten.«

»DAS wiederum ergibt irgendwie Sinn.«

»Du hättest das mal sehen sollʼn. Eine ganze Lagerhalle voll mit waffenfähigen Uran, freakigen Mutanten und Aliens, sogar ein T-Virus war dabei gewesen. Das meiste aber haben die Terroristen vor uns gekauft. ISIS oder so war der Name des Anführers. Voll peinlich, heißt wie ein Mädchen.« Die Popsängerin verfiel in Gelächter. Scheinbar war sie an Politik nicht sonderlich interessiert. Zumindest ließ ihre Bemerkung dies vermuten.

Edward verließ jedoch den als Unschuldsengel bekannten Promi als Mindy aus einer Schublade eine Heroinspritze hervorholte und sich anstellte sie in ihre Venen zu drücken.

 

Der Hund war am Ende schnell gefunden. Ein städtischer Hundefänger hatte ihm im Tierheim abgegeben. Entgegensetzt der meisten Meinungen war das Leben als Privatdetektiv oftmals langweilig. Spannende Fälle waren daher eher eine Seltenheit.

»Entschuldigen, Sie«, wandte sich eine zwielichtige Gestalt an Derby, »aber es gibt da jemanden der sich für Sie und den Hund interessiert.«

Dies war jedoch keiner dieser langweiligen Fälle.

»Ach ja? Und wer sollte sich für einen einarmigen Kerl und seinen Hund interessieren?«

Das Lächeln des augenscheinlichen Unholds wurde breiter. »Unser Meister Azathoth.«

Edward schluckte. Azathoth war DER Bösewicht im Roman Sichelmond gewesen, dem gleichen Werk dem auch Derby entsprang. Während er als namenloser Hexenmeister den Helden in Schach hielt und ihm eine Falle nach der anderen stellte war es Azathoth der im Hintergrund die Fäden zog. Zwar hatte der Detektiv eine große Fangemeinde an Lesern, doch die war nichts im Vergleich zu der seines Meisters. Er war zweimal älter als das Universum von Sichelmond selbst und war nichts weiter als das personifizierte Chaos des Universums. Allerdings war er auch bekanntermaßen Wahnsinnig. Die einen behaupteten er sei verflucht, während andere meinten sein Geist hätte sich einfach von seiner körperlichen Hülle getrennt. Welche Version man jedoch Glauben schenken mochte spielte letztlich keine Rolle.

»*Stöhn* Okay, bring mich zu ihm, damit wir es hinter uns haben.«

Als Edward kurz blinzelte waren sie auch schon in einer Art finstren Lagerhaus. Dem Gekreische der Möwen nach zu urteilen waren sie am Hafen.

Ich habe schon ganz vergessen wie es ist, wenn einem der Meister ungefragt teleportiert. Immer wieder verwirrend diese Desorientierung am Anfang. So wirklich gewöhnen tut man sich nie daran.

»So sehen wir uns nun endlich wieder, mein treuer Diener.«

*Entnervtes Stöhnen* Oh, wie ich diese Stimme doch vermisst habe. NICHT!

»Keine Sorge, deine Zeit der Schmach in dieser Welt ist nun endlich vorüber und wir werden nun schlussendlich über das Universum von Sichelmond herrschen! *Muhahahahahaha*«

Aus den Schatten flog eine skurrile Gestalt ins Licht. Es war ein geflügelter Hase und Edward musste sich wirklich zusammenreißen um unbeeindruckt auf das kleine Schlappohr zu schauen anstatt in schallendes Gelächter zu verfallen. Er nahm die Kippe aus dem Mund damit sie nicht aus dem leicht nach oben zuckenden Mundwinkel zu fallen drohte, als er fragte: »Wieso in allen sieben Welten, ein geflügelter Hase?«, erkundigte er sich während er auf den Boden aschte.

Azathoth lachte auf. »Wer würde schon einen Hasen verdächtigen? Immerhin sind wir Vegetarier.«

»*Trocken* Hitler war auch Vegetarier.«

»Wie war das mein getreuer Hexenmeister?«

»Nicht so wichtig. Ein Hase also.«

»Ja, ein Hase. Natürlich bin ich nicht selbst anwesend. Aber du weißt ja, dass ich ein Gott bin und daher war es ein Kinderspiel einen kleinen Teil von mir hierherzuschicken, einen Hasen für mich zu Beanspruchen, ihm komforthalber Flügel wachsen zu lassen und diesen menschlichen Diener hier willenlos werden zu lassen.«

»*Stöhn* Lass mich raten, du wirst mir jetzt deinen finsteren Plan in sämtlichen Einzelheiten schildern.«

»Selbstverständlich. Also mit dem Hündchen in deinem Arm können wir über unsere Welt herrschen.«

»Mit einem Hündchen?« Er hielt das Tier nochmal hoch, wie um sicherzugehen dass er es richtig verstanden hatte, weil es ihm schwer fiel zu glauben mit diesem Häufchen Elend überhaupt irgendetwas anderes tun zu können als Mitleid zu erwecken. »Diesem Hündchen?«

»Ja, sein Speichel enthält eine willenlos machende Droge. Diese werden wir der Autorin Sophia Csar verabreichen, worauf sie nur noch das Schreiben wird was wir ihr diktieren und somit werden wir über unser Universum herrschen!«

Innerlich schüttelte Edward mit dem Kopf. Er verstand schon den Plan. Azathoth konnte zwar einen Menschen willenlos machen, aber dieser besaß dann keinerlei Eigeninitiative mehr und das war für einen Autoren ziemlich wichtig. Eine leere Hülle konnte sich nichts Eigenes aus den Fingern saugen und Csar musste nur gefügig gemacht werden und nicht willenlos.

In seinem alten Leben hatte es niemanden gegeben den Derby mehr für seine Intelligenz und seinen Einfallsreichtum beneidete als Azathoth. Später war er eifersüchtig auf ihn gewesen, weil er eine Hintergrundgeschichte besaß die detailliert tausende Jahre umspannte, während seine eigene nur dreißig Jahre grob Anschnitt. Er war immer nur einfach der böse Hexenmeister gewesen, der vielleicht mal eine schöne Kindheit gehabt hatte und gespielt hat wie alle anderen auch und das war es schon, wobei all dies in den Romanen mehr angedeutet wurde als wirklich ausgebaut worden war.

Und dann kam da dieser Azathoth der schon seit Jahrhunderten intrigierte, ganze Kriege auslöste und Frieden brachte wenn es ihm gefiel und ihm irgendwie dieser Waffenstillstand zum Vorteil gereichte. Jede Lüge, jede Manipulation, jedes Komplott war von Csar aufgeschrieben und auf der Webseite Csarlys Buchstabensalat veröffentlicht worden. Die Leser hatten ihren Einfallsreichtum und die Genauigkeit gelobt. Doch bei Edward lobte man nur seine Bosheit. Das war die Frucht seines ganzen Daseins gewesen. Eine tolle Geschichte um das Trinken anzufangen und auf dem Treffen der anonymen Alkoholiker bestimmt ein echter Brüller.

Doch nun war etwas anders. Es schien als sei der einarmige selbst nicht mehr länger der böse Hexenmeister, sondern wahrlich Edward Derby. Konnte es sein dass sein Leben hier ihn so sehr verändert hatte dass er nicht länger an seine frühere Existenz gebunden war? Konnte er mehr sein als der Schurke als der er erschaffen worden war? Eine gewaltige Erkenntnis bäumte sich mit einem Male vor ihm auf und erschlug ihn geradezu. Er war frei. Frei wie ein Vogel. Er konnte tun und lassen was er wollte. Früher unterlag er der Illusion eines eigenen Willens, doch nun konnte er sich wahrlich entscheiden. Es gab keinen Autoren mehr der ihm sagte wie er als nächstes zu handeln hatte. Und da traf es ihn wie ein Blitz. Seine Mutter Csar hätte ihn im Roman sterben oder töten lassen können. Stattdessen aber hatte sie ihn nur verbannt und ihm nun sein eigenes Leben mit einer eigenen Wahl geschenkt. Ein größeres Geschenk konnten Eltern ihren Kindern gar nicht machen.

Unterdessen begann wieder der kalte Sog an der rechten Schulter sich zu melden. Es wurde in der dunklen Lagerhalle noch finsterer. Der mit runenverzierte Stein begann in einem hellen grün zu leuchten. Die dunkle Magie sowie die helle Seite von ihr begannen sich gegen ihren ehemaligen Meister zu erheben.

»Nein«, dröhnte Derbys mit Macht geschwängerte Stimme durch die Halle. »Ihr werdet ihr kein Haar krümmen!«

Ein grüner Tentakel purer smaragdgrüner Energie – in dessen wildem Strudel Runen voller Macht enthalten war – schlang sich explosionsartig aus dem Stein und schleuderte den Handlanger wie eine Puppe durch die Gegend. Als der kleine Schurke gegen die Wand landete blieb er tot am Boden liegen.

Edward machte sich jedoch mehr Sorgen um den Geist seines Armes. Er wusste was jener fühlte und dass obwohl dieses Glied noch nie ein Wort von sich gegeben hatte. Der Geist war erfüllt mit dem puren konzentrierten Bösen welches Derby schon seit Anbeginn seiner Existenz ausgemacht hatte, doch inzwischen war das Übel so extrem dass es seinen Meister nicht mehr als Mentor ansah sondern als Feind den es zu zerschlagen galt, um zu beweisen wer das wahre Übel war. Die dunklen Energien entfesselten sich schreiend aus seiner Schultern um darauf den geflügelten Hasen zu verschlingen. Die pechschwarze Magie drang unter fließendem Blut in die Körperöffnungen des Tieres ein, begleitet von einem schaurigen Chor wehklagender Verdammnis. Dem geflügelten Schlappohr blieb nichts anderes übrig als schreiend zugrunde zu gehen. Der Detektiv spürte etwas, als wenn der Arm sagen wollte: „Wer ist hier jetzt das Böse, heh?“ Die dunklen Energien verschlangen den Hasen und zwangen Edward dabei zuzusehen wie die pure Bosheit das kleine Wesen bei lebendigem Leibe häutete, dabei schlug dem Detektiv ein unerträglicher Gestank entgegen. Und am Ende war vom Tier nichts weiter übrig als ein undefinierbarer Klumpen Fleisch der wie ein nasser Lappen auf den Boden klatschte und überall seine Blutspritzer hinterließ.

Zufrieden löste sich die dunkle Energie auf, denn sie hatte nun bewiesen wer hier der Herr im Hause war. Doch Edward würde sich nicht darauf verlassen nun die Kontrolle über dieses Monster zu haben. Irgendwann würde es wieder hungrig sein und dann würde es vielleicht einen unschuldigen Passanten treffen dessen einziges Verbrechen es war Edward zur falschen Zeit über den Weg gelaufen zu sein. Allerdings war die Sache mit Azathoth auch noch nicht ausgestanden. Eines Tages würde er wiederkommen so viel stand fest. Dieser Hase war nichts weiter als eine leere Hülle gewesen und wer wusste schon wo und wie er als nächstes Zuschlagen würde?

Ein Jaulen riss Derby aus seinen Gedanken als der Hund in seinem Arm sich meldete.

»Ja, ich weiß, es wird noch ein Nachspiel haben und du willst nicht dabei sein. Schon klar.«

 

»Für wen soll die Widmung sein?«, fragte die Schriftstellerin Sophia Csar als ihr ein weiteres Exemplar vom neunten Band von Sichelmond überreicht wurde, welches von einem großzügigen Gehaltschecks eines gewissen Managers eines gewissen Popsternchens erworben worden war.

Edward sah die Autorin unverwandt an. Es war das erste Mal dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Dem Detektiv verschlug es glatt die Sprache. Diese junge Frau mit den gewellten Haaren und kaum sichtbaren Sommersprossen hatte ihn also geschaffen? Es war kaum denkbar, dass eine so freundlich wirkende Person eine Figur in einem Buch derart teuflisch darzustellen vermochten.

»Kennen wir uns?«, fragte sie und hob verwundert eine ihrer leichtbuschigen Augenbrauen.

Derby blinzelte kurz, ehe er seine Sprache wiederfand. »Nein, wohl eher nicht.«

»Doch ich bin mir ganz sicher.«

Der Detektiv war froh darüber keine Glatze mehr und einen Arm weniger zu haben. Wer wusste schon ob sie ihn dann wiedererkannt hätte? »Bitte schreiben Sie für meine Mutter«, wechselte er das Thema.

Die Multimillionärin murmelte nur ein leises »Komisch«, ehe sie fragte: »Wie heißt denn ihre Mutter?«

»Anna.«

Mit schnellen Bewegungen huschte der Kulli über das Papier. Sophia Anna schlug das Buch zu und reichte es ihrer Romanfigur, diese jedoch machte keine Anstalten es entgegenzunehmen. Viel zu gerührt war Derby von diesem denkwürdigen Augenblick. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie in den Arm nehme?«

Verwundert stand die Schriftstellerin auf und nahm den Sohn in den Arm von dessen Existenz sie nichts wusste.

»Danke«, säuselte er ihr ins Ohr.

Sie würde nie erfahren wer Edward Derby wirklich war. Es war besser so und sollte Azathoth seine gierigen Finger wieder nach ihr ausstrecken würde der Detektiv da sein um sie – seine Mutter – zu beschützen.

 

Nach der Vorlesung hatte sich Derby in sein Büro zurückgezogen um ungestört im neunten Band von Sichelmond lesen zu können. Ehrlich gesagt wusste er nicht was er davon halten sollte. Sein Verschwinden aus der Romanreihe hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Werk welches er gerade studierte. Auf der einen Seite wäre er vielleicht geschmeichelt gewesen sich wieder dort zu finden aber andererseits hätte er damit auch seine Freiheit eingebüßt. Obwohl er den Fans zustimmen musste, dass es ohne ihn nicht mehr das Wahre war.

Währenddessen schwamm sein Runenstein in einer Tinktur um sich wieder aufzuladen, da er im letzten Kampf seine gesamte Energie verbraucht hatte. Somit würde der Detektiv gut einen Tag auf seine magischen Kräfte verzichten müssen. Sei es drum. Er würde schon alleine klar kommen. Für solche Fälle hatte er immer einen Revolver in der Schublade den er nun zur Verteidigung im Halfter trug, während der graue Kiesel in seiner dunkelgrünen Flüssigkeit lag. Sobald das Wasser vollkommen klar sein würde und der Stein grün leuchtete wusste der Zauberer dass er wieder volleinsatzfähig war. Die Tinktur hatte ihm sein alter Lehrmeister in dieser Welt beigebracht, der sich an jenem schicksalshaften Tage neben ihn in einer Bar setzte und ihn dazu animierte sein Leben wieder aufzunehmen statt es in Alkohol zu ertränken. Jenes Individuum hatte ihm den Stein gegeben und das Rezept für die Tinktur welche die pure Kraft und Magie der Natur in sich barg.

Interessiert rasten die Augen des Detektivs die letzten Sätze des Nachwortes entlang. Als er damit fertig war, klappte er das Buch zu und packte es in eine Schublade. Es würde einen besonderen Platz in seinem Büro einnehmen, doch nun würde er es erst einmal dort lagern und sich ein Glas Bourbon gönnen. Zwar war der Alkoholismus des Zauberers nicht mehr so schlimm wie früher, aber dennoch weigerte er sich trocken zu werden. Solange er es im Griff hatte war alles okay. Mit seiner Hand schwenkte er das Glas hin und her, wobei er die Bewegungen des Alkohols verfolgte was von den Klängen des Fernsehers im Nebenzimmer begleitet wurde. Goldfische und Sekretärinnen sahen wohl niemals leise fern. Vor allem nicht wenn sie beides in sich vereinten.

Plötzlich klingelte das Telefon. Edward trank schnell aus, ehe er den Hörer abnahm.

Sie sind überfällig, mein Freund, meinte eine bekannte Stimme aus dem Hörer.

»Ach Sie sind es! Ja, ich entschuldige mich für diese Verspätung, doch in letzter Zeit hatte mein Büro viel zu tun.«

Kein Problem. Immerhin habe ich Zeit und unser Projekt befindet sich noch in Planung. Also, wen haben sie für uns gefunden?

»Okay, warten Sie mal kurz.« Edward klemmte den Hörer zwischen Kopf und Schulter und kramte mit seinem Arm eine Akte hervor die er kurz auf dem Tisch durchblätterte ehe er die richtige Seite fand. »Sind Sie noch da?«, fragte er als er den Hörer wieder in der Hand hielt.

Am Apparat.

»Okay, ich habe da einen der sie vielleicht interessieren dürfte. Sein Name ist Cletus Wade. Er sitzt gerade im Napoleon Komplex wegen siebenfachen Mordes.«

Das klingt nach unserem Mann. Was war sein Motiv?

»*Puh* Keine Ahnung. Er gab zu Protokoll dass er sich nur „amüsieren“ wollte.«

Perfekt! Ist gekauft. Und ich kann Sie nicht zum Mitmachen bei unserem Projekt überreden? Es soll Ihnen nicht leidtun.

»Nein, danke. Ich bin raus aus der Bösewicht-Nummer.«

Nun, Schade. Aber wir werden doch trotzdem auf ihre Dienste als Ermittler hoffen dürfen?

»Selbstverständlich. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

Ihnen auch. Und damit hörte man nur noch das Freizeichen des Telefons.

Edward Derby hatte die Wahl. Er konnte der Schurke sein wenn er wollte doch nun war er frei und dies lässt sich erst dann wirklich erkennen wenn man den alten Zwang bewusst ablehnte.

 

The End

Brief

 

(Ein handschriftlicher Brief.)

Ich weiß nicht ob ich noch lange genug Leben werde um diese Zeilen zu Ende zu schreiben. Sollte dem so sein, ist es nur ein schwacher Trost für mich. Eigentlich soll ich hier ja nur meine Haftstrafe von 25 Jahren wegen Totschlages absitzen, aber ich schätze mal dass ich nach nun mehr als sechs Monaten tot sein werde. Oder verschwinden so wie andere zuvor.

Als ich das erste Mal von diesem Strafvollzug hörte, dachte ich mir noch das nameless Silence wäre ein ruhiger Ort an dem nichts geschehen würde. Allerdings weiß ich nun, dass es nichts bedeutet wenn von einem Ort nichts Negatives verlautbart wird. Tatsächlich kennen nur die wenigsten dieses Gefängnis. Es wurde nie irgendetwas von diesem Höllenloch berichtet. Es scheint fast so als kümmere es niemanden was mit dem Personal und den Insassen geschieht sobald sich die Tore erst einmal geschlossen haben. Hätte ich schon damals gewusst was mich erwartet hätte – vielleicht hätte ich... es anders gemacht? Ich weiß noch nicht einmal mehr, weswegen genau ich hier bin. War es wirklich Totschlag oder bilde ich mir das nur ein? Es ist für mich jedoch unvergesslich wie der Richter Gift und Galle bei der Urteilsverkündung gespuckt hatte. Eigentlich sollte ich in ein anderes Gefängnis wandern, doch irgendwie haben mich die Behörden hier rein gesteckt.

Vielleicht stimmt es ja was die Leute über Rʼlyeh-City sagen. Diese Stadt scheint verflucht zu sein und nichts anderes als Tod und Wahnsinn hervorzubringen. Aber kann man wirklich eine Stadt für solche Taten verantwortlich machen?

Inzwischen wird sich aber niemand mehr an meinen Fall erinnern. Die Welt vergaß mich als sich die Tore hinter mir schlossen. Niemand verlässt je nameless Silence. Es scheint als wenn sich die Menschen nicht bewusst wären, dass es diesen Ort überhaupt gibt, denn niemand kam um mich zu besuchen. Keine Verwandten oder Freunde. Es scheint als wäre ich bereits tot. Genauso fühlt es sich an wenn man an einem Ort wie diesem hier gefangen ist. Aber so geht es den anderen hier auch. Nie kommt jemand der nicht hier einsitzt oder arbeitet. Keine Besucher oder andere Menschen. Ich habe von Fällen gehört wo ein Insasse mitunter jährlich interviewt wurde weil seine reißerischen Verbrechen immer gut in den Lokalnachrichten ankommen. Dieser Ort scheint so weit weg vom alltäglichen zu sein, dass er dem Gedächtnis eines jeden Menschen entfällt der außerhalb dieser Mauern lebt. Doch wer einmal hier drin ist der vergisst dieses Fleckchen in der Hölle niemals.

Ein Bekannter von mir arbeitete mal in einem anderen Strafvollzug und was er mir damals von Machtmissbrauch und der Angst und Abscheu vor den Insassen erzählte konnte ich früher noch allzu gut nachvollziehen. Sträflinge verdienen es hart bestraft zu werden dafür dass sie unserer ehrbaren Gesellschaft Schaden zugefügt haben. Natürlich ändert meine derzeitige Situation die Sicht der Dinge vollkommen, aber darauf will ich nicht hinaus. Am Anfang hielt ich unsere Wärter noch für grimmige Gestalten die ihre Aufgabe mit dem nötigen Ernst verrichteten, doch ist nun mehr als offensichtlich dass sie sich fürchten und ebenso Gefangene sind wie wir. Trotzdem müssen sie ihrer Arbeit nachgehen, doch ich habe nie gehört oder gesehen wie einer von ihnen dies Gefängnis je verließ. Wenn jemand ging kam er auch nicht wieder. Außerdem bin während meiner Gefangenschaft bei mehr als zwölf Suiziden dabei gewesen. Und das allein im ersten Monat. Als ich damals hier ankam und die orangene Sträflingskleidung mit meiner Nummer darauf anzog konnte ich noch recht gut schlafen. Doch mit der Zeit schlichen sich immer mehr Albträume in meinen Schlummer. Doch es begann ganz leise und langsam, so als würde die Furcht in meinem Geist wie ein Krebsgeschwür wachsen.

Dies ist zugegebenermaßen kurios und unglaublich, verblast aber im Angesicht der Tatsache, dass die Zeit an diesem Ort hier schwerfälliger zu verstreichen scheint. Natürlich vergeht die Zeit immer langsamer wenn ein Mann den ganzen Tag in seiner Zelle hockt und eine verschlossene Metalltür anstarrt, doch ich habe die Sonnenuhr auf dem Platz gesehen. Die Wachen holen uns nach einer Stunde an der frischen Luft wieder rein, doch der Zeiger auf der Uhr hatte sich in dieser Stunde nicht vom Fleck bewegt. Und nach meinem eigenen Zeitgefühl müsste es mit 60 Minuten hinkommen. Aber wie um noch einen draufzusetzen funktioniert die Sonnenuhr selbst dann wenn graue Wolken den Himmel verfinstern, was oftmals hier der Fall ist. Vom Gitter meiner Zelle aus habe ich diese wundersame Uhr gut im Blick. Der Zeiger bewegt sich tatsächlich, doch es scheint als würde die Sonne am Firmament im Schneckentempo dahin schleichen. Ich bin alles andere als leichtgläubig, doch ich habe die Uhr jedes Mal untersucht wenn ich auf dem Platz war und keine Apparatur und keinen Trick gefunden der mir diesen wundersamen Umstand erklären würde. Aber letztlich bestätigt es nur eine Vermutung von mir. Die Tage hier sind endlos lang – viel länger als in der Welt dort draußen und die Nächte hier sind schlaflos. Ich weiß, dass ich nicht der einzige bin der unter Albträumen leidet und aufschreckt wenn das Grauen seinen Höhepunkt erreicht, doch noch nie habe ich jemand anderen schreien gehört als mich selbst. Ich weiß es von den Wachen und anderen Insassen, dass sie ebenfalls in der Nacht schreiend aufwachen, doch nie hört jemand einen anderen Schrei als den eigenen. Mein Zellennachbar direkt neben mir behauptet steif und fest sich jede Nacht in den Schlaf zu weinen und schweißgebadet aufzuweichen wie jeder andere hier auch, doch nie habe ich etwas von ihm gehört wenn wir nebeneinander in unseren Zellen sitzen.

Es scheint fast so als wäre dieser Ort nicht von dieser Welt. Als läge er irgendwo anders. Aber als wenn diese Torturen nicht schon schlimm genug wären geht von den Schatten eine mehr als offensichtliche Bedrohung aus. Am Tage scheinen sie fast stofflich zu sein und mit unsichtbaren Augen einen jeden zu durchbohren. Niemand traut sich in ihnen zu wandeln, was seltsam ist, da manche Insassen zugegebenermaßen ihr Leben lang von ihnen umhüllt waren. Aber eine derartige Dunkelheit hat noch keiner von uns vorher gekannt. In Wirklichkeit sind sie diejenigen die dieses Gefängnis leiten. Die Wärter sind nur offiziell die Wächter um den Schein zu wahren. Nach allem was ich so hörte waren viele von ihnen früher hartgesottene Hunde und Despoten gewesen, doch dieser Ort raubt ihnen die Lebensgeister und lässt aus ihrem heißkochendem Blut Eiswasser werden. Niemand der unschuldig ist kommt nach nameless Silence – dem Ort an dem die Schatten herrschen. Am Tage noch beobachten sie uns, doch in der Nacht kommen sie um jeden an diesem Ort zu quälen. Am Anfang merkte ich noch nichts als die Albträume begannen und am nächsten Morgen wieder verschwanden wie Nebelschwaden die von der Sonne bescheint werden. Aber inzwischen ist mein Geist zerrüttet genug um zu spüren wie mir von ihnen die Lebenskraft geraubt wird. Ich bin nun nur noch kränklicher Schatten meiner Selbst, während die dunklen Ecken in meiner Zelle immer weiter an Kraft gewinnen und beizeiten sogar so tollkühn werden, mit einem unmenschlichen Kichern das sich nicht in Worten beschreiben lässt, nach mir greifen.

Anfangs hatte ich noch an eine Flucht geglaubt, doch mir wurden diese Flausen schnell ausgetrieben als ich die ersten Fluchtversuche gesehen hatte und wie sie endeten. Einer der Insassen – ich glaube sein Name war Edgar – er wollte einen Fluchttunnel graben und ließ die geschaufelte Erde traditionsgemäß in seiner Matratze verschwinden. Jedoch war seine Zelle eines Morgens bis zur Decke mit Dreck und Sand zugeschüttet worden. Das absonderliche an dem Fall war, dass kein einziger Krumen Erde durch die Gitterstäbe auf den Gang gelangt war. Es hatte Stunden gedauert ehe die Wärter den armen Edgar freigeschaufelt hatten. Wenn ich mich recht entsinne hatte ihn dieser Schwall Erde mitten in der Nacht überrascht und bei lebendigem Leibe begraben und dabei den gesamten Raum ausgefüllt. Doch nirgendwo anders wurde Erde gefunden, womit sich die Frage stellt woher all diese Massen so plötzlich kamen. Der zweite war Markus. Er klügelte mit einem der Wärter einen Plan aus und wurde eines Morgens tot aufgefunden. Der Arzt hier drinne meinte er sei mit seinen sechszehn Jahren an Herzversagen gestorben. Aber das ergibt keinen Sinn. Zum einen war es zu verfrüht und andererseits hat er auf seiner Pritsche dagelegen als habe er einen Geist oder etwas Derartiges gesehen. Sein gesamter Körper war vollkommen verkrampft und bleich gewesen. Beim dritten Fluchtversuch ist mir dann klar geworden dass alle Hoffnung vergebens ist. Es war Stephen der mir die Augen öffnete. Als er mittels eines Wäschewagen entkommen wollte fand man ihn am nächsten Morgen auf dem Platz IM Galgenbaum! Wie er da hin kam wusste niemand. Es gab keinerlei Hinweise und ich bin geneigt den Gerüchten zu glauben. Ich habe einfach schon zu viel an diesem Ort gesehen um es besser wissen zu müssen. So abwegig es auch klingen mag, der Baum muss ihn einfach gefressen haben. Etwas anderes würde noch weniger Sinn ergeben. Von den vielen Aufenthalten auf dem Platz kenne ich wie jeder andere den Baum in- und auswendig. Es gab kein Astloch mitten im Baum aus dem ein toter Arm herausragen konnte, aber nichtsdestotrotz war er am nächsten Morgen mit Stephens totem Glied da. Es gab sogar den Fall dass ein Insasse und ein Wärter Freunde wurden. Ja, sogar in der Hölle scheint es so etwas zu geben. Der Gefangene hielt es jedenfalls nicht aus und so prügelte der Wärter ihn unter Tränen zu Tode, da dies sein Wunsch war. Vermutlich lag der Fall etwas komplizierter, aber so erinnere ich mich an ihn. Danach beschwerte jener Wärter sich tagelang über ein Lachen in den Schatten, welches nach seinem toten Freund klang. Vermutlich hatte er die Dunkelheit durch den Totschlag verärgert und nun trieb sie ihn mit ihrem unheimlichen Gelächter in den Wahnsinn. Wer einen Schatten schon mal Lachen gehört hat weiß, dass es mit nichts aus dieser Welt vergleichbar ist. Und eines Tages tauchte der Kerl nie wieder auf. Niemand hatte ihn gesehen oder je wieder von ihm gehört. Manche die jedoch mehr mit dem besagten Wärter zu tun hatten bestätigten ebenfalls ein Lachen im Schatten gehört zu haben, wenn sie in seiner Nähe gewesen waren.

Aber dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einer langen Geschichte schrecklicher Ereignisse die dieses Gemäuer gesehen hat und die ich mehr oder weniger hautnah von meinem Zellentrakt aus miterlebt habe. Und auch ich w
(Der Rest ist unleserliches Gekritzel, als habe ihn jemand mit Gewalt fortgezogen.)


The End

Das Monster aus Haut

Monster aus Haut

Mit Blut ´rum saut
Durch die Anstalt schleicht
In Schatten so seicht
Fürs Fressen es reicht
Furcht und Schrecken es bringt
Tod durch die Hallen singt
Jeder um sein Leben bangt
Mordende Haut um sich langt
Fürchte dich mehr!
So sehr!
Die Haut braucht mehr!


Der Polizeibericht:

Dieses Gedicht wurde in dem Zimmer eines Patienten im Napoleon Bonaparte Komplex gefunden. Es wurde mit seinem eigenen Blut an die Wand geschrieben, nachdem er sich selbst die Haut von den Armen entfernt hatte. Grund für eine derartige Verschlechterung seines geistigen Zustandes ist laut psychologischen Gutachten die Reihe der Tierattacken in jüngerer Vergangenheit.

Mehrere Angestellte und Patienten der psychiatrischen Anstalt wurden dabei von einem großen Raubtier unbekannter Herkunft angefallen. Sie wurden in Stücke gerissen und ihre Haut wurde dabei von selbigen verzehrt. Währenddessen ist zudem ein wegen Mordes verurteilter Insasse namens Cletus Wade entkommen, der scheinbar das Chaos für eine Flucht ausgenutzt hatte. Jedoch ist es nicht auszuschließen, dass es sich entgegen dieser Theorie nicht um einen tierischen sondern um einen menschlichen Täter handeln könnte, wobei Mr. Wade dabei als Hauptverdächtiger aufgrund seiner vergangenen Morde infrage käme. Jedoch konnte der Verursacher dieser Taten trotz der vielen Blutspuren nicht ausfindig gemacht werden. Verwendbare Zeugenaussagen gab es keine, da die Beobachter psychisch beeinträchtigt waren.

Der Fall der von der Presse sowohl treffend als auch reißerisch als „ Das Wolfsmassaker“ bezeichnet worden ist, wird hiermit zu den Akten gelegt, da sich die Spuren im Sande verlaufen, solange keine neuen Morde geschehen.

 

-Fall TZ15-14 aus den Archiven des Rʼlyeh-City Police Department


The End

Das Autobahnmotel das mich an Psycho erinnerte

10.03.1996

Ich habe ein preisgünstiges Autobahnmotel gefunden, ungefähr eine halbe Stunde Fahrt von Rʼlyeh-City entfernt. Als ich hier ankam hätte ich fast einen Unfall gebaut, weil so eine blöde Trulla mir an der Auffahrt zum Motel die Vorfahrt genommen hat. Ich sag es ja immer wieder: Niggern sollte man keinen Führerschein geben, sonst glauben sie sie könnten genauso herum rasen wie in manchen dieser gewaltverherrlichenden Actionfilmen. Diese Junkies sind einfach zu dumm zum Autofahren. Selbst die verwahrlosten Kinder auf dem Rücksitz sahen sehr verstört aus über das Fahrverhalten ihrer Erzieherin. Eigentlich müsste ich deswegen das Jugendamt anrufen. Hätte ich doch nur das Kennzeichen oder ähnliche näheren Angaben. Aber darüber will ich mich gar nicht weiter aufregen. Gott wird sie schon eines Tages für all ihre Sünden strafen.

Ich muss nur diesen Auftrag in der Stadt erledigen. Ungefähr gegen Ende des Monats sollte ich damit fertig sein und dann kann ich wieder zurück nach Cleveland.

Aber ich sehe es nicht ein, wieso ich nach einem schweren Arbeitstag nicht ein wenig das Wäldchen um das Motel herum erkunden sollte. Es ist schon erstaunlich wie ländlich und abgeschieden es hier wirkt, obwohl wir noch in der Nähe der Großstadt sind. Das Motel wirkt für mich schon fast wie eine detailgetreue Nachstellung von Alfred Hitchcocks Psycho. Es fehlt eigentlich nur noch das bedrohliche Herrenhaus. Aber ich glaube nicht, dass mich die betagte Vermieterin unter der Dusche mit einem Messer abstechen wird. Dennoch werde ich diese Abgeschiedenheit von all dem Lärm der Großstadt schon fast wie einen Urlaub empfinden. Es ist hier wie ein vergessenes Paradies.


10.07.1996

Habe nicht so gut geschlafen. Vermutlich ist es der Stress auf der Arbeit. Ich kann mich einfach nicht richtig entspannen. Es ist als wenn ein irritierendes Licht nachts vor dem Fenster flackert und somit meinen Schlaf stört. Vermutlich ist es Einbildung, denn ich habe es nie mit geöffneten Augen gesehen.

Nun, da ich hier seit vier Tagen wohne, kommt mir die Ruhe fast schon unnatürlich vor. Es gibt keine Vögel oder sonstige Tierlaute welche die Stille zu unterbrechen vermögen. Ich habe die Vermieterin gefragt ob hier irgendwelche Waldtiere heimisch sind, doch ihre Antwort war von Drogen vernebelt. Vermutlich lebt sie schon lange hier und versucht die Stille mit Marihuana erträglich zu machen.

Lediglich der ruhige See in der Nähe vermag es meine angespannten Nerven etwas zu beruhigen.


10.10.1996

Ich fühle mich beobachtet. Ich sah eine Gestalt vor meinem Fenster lauern. Es schien als wenn sie mich beim Schlafen beobachtet hätte. Vermutlich konnte ich deshalb so schwer schlafen. Dieses Gespinst vor meinem Fenster beschäftigt mich sehr und an Arbeit ist kaum zu denken, dennoch versuche ich mein Bestes. Das Ding lässt sich nur schwer beschreiben. Es wirkt humanoid, könnte jedoch auch eines dieser Aliens sein von denen man immer wieder in den Nachrichten hört.

Heute ist wieder jemand überstürzt vom Motel aufgebrochen, ähnlich wie die Frau als ich Anfang des Monats gerade auf die Auffahrt fuhr. Vermutlich lag es doch nicht an den Ketten ihrer ethnischen Herkunft. Aber ich werde nicht ausziehen, dafür ist dieser Auftrag zu wichtig für meine Karriere.

Über den kleinen See liegt nun beständiger Nebel, fast so als würde die Sonne die Schwaden nicht zu erreichen vermögen. Ich weiß nicht wieso aber mir schaudert es wenn ich nun zu ihm rüber blicke.


10.17.1996

Ich habe es wieder gesehen, doch dieses Mal war es nicht alleine dort. Und es ist diesmal auch nicht sofort bei Sichtkontakt verschwunden wie beim letzten Mal. Es starrte mir nun direkt in die Augen und ich sah nichts anderes als den Tod selbst. Und erst nach einer Weile des gegenseitigen Anstarrens verschwanden die beiden in aller Ruhe als wenn sie nichts zu befürchten hätten.

Am liebsten würde ich von hier verschwinden, doch ich habe schon in anderen Hotels und Motels nachgefragt und niemand will mir sonst ein Zimmer geben. Immer wenn ich sage wo ich derzeit wohne scheine ich bei meinem Gegenüber auf Granit zu stoßen. Niemand will mich aufnehmen, als wenn ich die Pest am Hals hätte. Mich beschleicht zudem das ungute Gefühl dass etwas Schlimmes passieren wird und das schon bald. Sehr bald.


10.20.1996

Mit jedem Tag werden die Erscheinungen dreister. Inzwischen scheuen sie nicht mehr davor zurück mitten in meinem Zimmer zu erscheinen. Aber außer mir nimmt sie keiner wahr. Werde ich langsam verrückt? Ich versuche des Nachts die Decke über den Kopf zu ziehen um wenigstens etwas Schlaf zu finden, doch ihr Leuchten scheint sogar durch mein Laken und Augenlidern hindurch. Inzwischen breitet sich der Nebel hier aus und hat das Motel fast schon erreicht. Er macht alles kalt und gespenstisch. Das Ereignis welches mir mein Gefühl prophezeit rückt immer näher und zwar in großen Schritten.


10.21.1996

Heute habe ich die Gestalten bei der Arbeit gesehen. Sie haben irgendetwas mit meinem Computerbildschirm gemacht. Ich kann nicht erklären was es war. Es ging alles so furchtbar schnell und dennoch jagt es mir eine Scheißangst ein.

Inzwischen ist das ganze Motel in dieser verdammten Nebelfront die vom See ausgeht und mit ihr kamen auch die Geister. Hundert Pro hat das miteinander zu tun. Aber ich fürchte mich da rauszugehen.

Ich höre die Gestalten in den dunkelsten Ecken meines Verstandes flüstern. Ich weiß nicht was sie sind. Geister, Aliens oder aber beides. Es geht mir auch am Arsch vorbei. Vielleicht wäre mir nicht so bange wenn ich verstehen könnte was diese Wesen genau von sich geben.


10.22.1996

Es scheint als wenn es morgen soweit wäre. Ich weiß nicht was passieren wird, aber ich habe die Schnauze gestrichen voll. Scheiß auf die Karriereleiter, ich krepiere hier draußen! Ich bin der einzige Trottel der hier geblieben ist. Bis auf die Vermieterin, die in ihrem Rausch gar nichts mehr von sich gibt als sinnloses Gebrabbel und dass Morgen der Tag der Opferung sei, gibt es außer mir keinen einzigen Bewohner mehr. Ich kann noch nicht einmal mehr fliehen. Ständig lande ich hier, egal wo ich hingehe ich komme immer wieder hier an. Inzwischen bin ich weit über die Grenzen meiner eigenen Angst hinaus. Ich bin stinksauer und ich werde nun zu diesem verdammten See gehen und es dort beenden. Hoffentlich schaffe ich es bis zum nächsten Sonnenaufgang zurück.


10.23.1996      00:00 AM

ﺍ πϞϲϥ _ξ╬۬ۓѣ фѮѦҳҨҬ (Übersetzung: Die Opferung ist vollzogen)


The End

Die Eintreibung nach der Austreibung I

Diane fuhr eines Abends mit ihrem Auto von der Arbeit nach Hause. Sie arbeitete als Anwaltsgehilfin und verdiente gut genug um davon zu leben. Doch ihr reichte das nicht. Sie langweilte sich furchtbar. Ein Tag war wie der zuvor und der davor und der Tag vor dem Tag zuvor. Es fühlte sich an als ob sie ihr Leben verschwenden würde. Nie erlebte sie etwas und nie geschah etwas. Sie arbeitete nur und verbrachte ihre Freizeit damit sinnlose Dinge zu tun, wie etwa der Buchclub in dem sie jetzt schon seit drei Jahren war. Oder der Töpferkurs. Alles Zeitverschwendung. Sie hatte sogar angefangen diesen Rock-Sender auf den Fahrten zu hören, damit wenigstens etwas unerwartetes geschah, da dieser Radiosender gerne auch mal exotischere Titel spielte. So wie im Moment, als der Song einer deutschen Punkrock Band lief. Sie verstand kein Wort der hässlichen Sprache, vermutete aber dass er etwas mit einem Alex und einer Horrorshow zu tun hatte. Nur ein beschissener Song. Nichts allzu aufregendes also. Wenn doch nur etwas passieren würde, dass sie für einen kurzen Moment von ihren öden gewöhnlichen Leben ablenken würde und sei es auch nur für eine Nacht, wäre sie glücklich.

Früher hatte sie noch Angst vor der Ampel gehabt die gefährlich nahe an dem Napoleon Bonaparte Komplex stand. Man hörte allerlei Gerüchte und wüste Geschichten über diese Einrichtung. Illegale Experimente, okkulte Rituale und schrecklichere Dinge. Doch inzwischen war diese Ampel zu etwas völlig gewöhnlichem verkommen. Was sollte hier schon passieren? Der Komplex war für Ausbruchsfälle und ähnliches ausgerichtet. Als ob jemand einfach so bei ihr einsteigen würde und-

»Die Hände hoch, bitte«, sagte plötzlich eine Stimme völlig ruhig.

Diane drehte sich zur Seite und sah einen Mann in ihrem Alter der eine Pistole durch das offene Fenster auf sie richtete. Er trug die Wachuniform besagter Irrenanstalt, doch das Gesicht passte nicht zu den auf dem Namensschild. Also tat sie was die meisten in so einer Situation taten: Sie geriet in Panik. »Ohmeingottbittetunsiemirnichtsichgebeihnenalleswassiewollenbloßtunsiemirnichtsmeinmannistbeidermafiadertötetsieohnemitderwimperzuzucken!«

Der Fremde stieg mit gezogener Waffe ins Auto ein. »Beruhigen Sie sich bitte und fahren Sie los. Wenn sie ruhig bleiben und keine Dummheiten machen, geschieht Ihnen nichts.«

»A-aber die Ampel ... sie ist rot.«

»Nein, ist sie nicht.«

Diane schaute nach vorne und stellte fest, dass sie wirklich inzwischen auf Grün gesprungen war. Sie fuhr los. Völlig verkrampft saß sie am Steuer und verfluchte ihr Leben. Warum hatte sie sich so etwas nur gewünscht? Wobei so etwas hatte sie nie gewollt. Ein attraktiver Mann wäre vollkommen ausreichend gewesen. Auch wenn der Mann schon ziemlich süß war und, oh Gott seine Augen, sie waren so dunkel und grün, dass man sie einfach lieben musste. Und obwohl er sie entführt hatte, war er völlig gelassen und ruhig.

»W-wo soll es hingehen?«

»Fahren Sie einfach. Ich sage Ihnen schon wann sie wo abbiegen müssen.«

Ein Moment der Stille trat ein. Schließlich hielt Diane die Anspannung nicht mehr aus. »Wie heißen Sie?«

»Mein Name ist Alex. Und ihr Name?«

»Diane.«

»Freut mich Diane. Die nächste Möglichkeit rechts, bitte.«

»W-was wollen Sie?«

»Von Ihnen möchte ich nichts. Ich brauchte nur eine Mitfahrgelegenheit.«

»Hätten Sie denn keinen Freund fragen können?«

»Ich habe keine Freunde«, gestand Alex völlig ungerührt.

»Tut mir leid.«

Als ihr Kidnapper entnervt seufzte zuckte Diane zusammen. Sie hatte etwas Falsches gesagt, dass wusste sie instinktiv. Doch was? Allerdings wusste man bei diesen Verrückten nie. Sie waren krank und verhielten sich unberechenbar.

»Warum denken eigentlich immer alle, dass wir Menschen über dieselben Bedürfnisse verfügen?«

»W-was?!« Diane wusste, dass er sie nun erschießen würde. Sie hatte ihn verletzt und nun würde er es an ihr auslassen.

»Wenn manche Menschen viele Freunde brauchen und manche nur einige, wieso ist es dann so unvorstellbar, dass es Menschen gibt die mit sozialen Bindungen nichts anzufangen wissen? Nun links, bitte.«

Die Straßen wurden um einiges leerer. Hier würde sie sterben. Sterben ohne je wirklich gelebt zu haben. Sie hatte immer zu viel Angst gehabt und nie den Mut gehabt so zu leben, wie sie es eigentlich gewollt hätte.

»N-na ja«, wollte Diane anfangen, wurde allerdings von Alex unterbrochen.

»Was ist so toll daran normal zu sein?«

Jetzt wusste sie gar nichts mehr. Er blieb die ganze Zeit ruhig und nicht das geringste Maß an Bedrohung ging von ihm aus, wenn man mal von der Pistole absah. Die Art und Weise wie er über die Dinge direkt sprach, als wären sie das normalste der Welt, das hatte schon etwas beeindruckendes.

»Ich weiß nicht was Sie meinen. Normal zu sein ist doch etwas Schönes.«

»Langweilig, genau das ist es.« Diese Worte trafen sie direkt ins Mark. Er hatte es einfach so ausgesprochen, was sie es ihr Leben lang im Herzen getragen hatte. Er selbst schien es allerdings nicht zu merken, da er ungerührt fortfuhr. »Es ist nichts schlimmes an Langeweile, doch letztlich ist die Normalität nichts als ein Luftschloss. Ein größenwahnsinniger Versuch des Menschen das Leben nach seinen Vorstellungen zu verbiegen. Überlegen Sie doch mal, früher war es normal, dass Mann und Frau heiraten, Kinder bekommen und wie in einem Bilderbuchmärchen leben. Homosexualität galt damals als etwas abnormes, sofern sie überhaupt wahrgenommen wurde. Meistens hat man sie nur verdrängt. Sie war da und doch nicht existent, weil es mit den Vorstellungen über Normalität nicht vereinbar war. Ich für meinen Teil lebe lieber in der Realität die so viel mehr bietet als diese Traumfantasie einer amerikanischen Vorstadt.«

Obwohl es sich verrückt anhörte, verstand Diane was er damit meinte. Sie hatte das Leben noch nie so betrachtet. Für sie war Normalität immer ihr Alltag gewesen, dass etwas außerhalb dessen existierte hatte sie mehr am Rande wahrgenommen. Aber das konnte sie so nicht sagen. Ihr kamen nur die Worte: »Ich verstehe« über die Lippen.

Ein Moment des Schweigens trat wieder ein.

»Dürfte ich nun endlich erfahren, wo wir hin fahren?«

Alex zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Was soll das heißen, keine Ahnung?! Sie haben doch gesagt wo ich abbiegen soll!«

»Regen Sie sich nicht so auf. Ich folge nur meinen Instinkten.«

Na toll, er war doch nur ein ganz gewöhnlicher Irrer. »Und wohin führen Sie ihre Instinkte?«

»Ich bin auf der Suche nach meinen Dämonen.«

Jetzt wurde es richtig schräg. »Nach ihren Dämonen, aber natürlich.«

»Ja, oder nennen Sie es Psychosen, wenn Sie so wollen. Ich habe sie in der Psychiatrie verloren.«

Hatte Diane das gerade richtig verstanden? »Sie haben Ihre Geisteskrankheiten während der Behandlung verloren? Wow. Das muss ja ein richtig mieses Gefühl sein.«

»Kein Grund gleich schnippisch zu werden.« Diane zuckte zusammen. Sie hatte ganz vergessen, dass sie mit einem gefährlichen Kerl sprach. Sie kannte diese Psychos aus dem Fernsehen. American Psycho war ihr Lieblingsfilm gewesen. Diese Leute taten in der einen Sekunde völlig harmlos und dann schlugen sie zu und töteten einfach alle. »Der Punkt ist, dass meine Dämonen jetzt frei sind. Sie haben mich dort zwar geheilt, aber zu einem viel zu hohen Preis. Wenn meine finsteren Seiten auf andere überspringen, kann das ziemlich übel werden. Hier gleich rechts.«

»Wie sollen Psychosen auf andere Menschen überspringen?«

Wieder zuckte Alex nur mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das müssen klügere Köpfe als ich herausfinden. Biegen sie in diese enge Gasse ein. So, wir sind da. Sie bleiben im Auto und rühren sich nicht. Ich meine es ernst. Sie fahren nicht weg! Egal was passiert. Ich erledige den Rest.«


Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung II

»Sie machen sehr gute Fortschritte, Alex. Wenn das so weiter geht, werden Sie bald geheilt sein.«


Alex schüttelte diese unliebsamen Gedanken beim Weitergehen ab. Jetzt war keine Zeit sich damit zu beschäftigen. Er musste ignorieren, dass diese Gasse derjenigen ziemlich ähnlich sah, in der der Mord geschehen war. Aber das durfte ihn jetzt nicht ablenken. Er hatte seine Pflicht zu erfüllen. Die Gesellschaft mochte sich noch so sehr aufspielen mit all ihrer Autorität und den Regeln, doch sie wusste nicht wie machtlos sie eigentlich war. Das es Gesetze gab würde keinen der Dämonen aufhalten. Und hier war einer, dass sagte ihm seine Intuition. Einige Menschen rannten ihm panisch entgegen. Normalerweise hasste er es offen aggressiv mit anderen zu werden, doch diesmal schien es ihm die einzige Möglichkeit des Vorankommens zu sein. Also schnappte er sich den erstbesten, packte ihn am Kragen und drückte ihn gegen die nächste Wand.

»Was ist hier los?«, knurrte er mit tiefer Stimme.

Erst jetzt erkannte Alex die Kluft an seinem Gegenüber. Es war ein Mitglied des Motorradclubs Big Sharks. Sie waren in der Stadt berüchtigt, auch wenn sie kaum außerhalb von Rʼlyeh-City bekannt waren. Dann arbeiteten sie lieber mit anderen Clubs zusammen. Aber nichtsdestotrotz waren diese Biker keine Weicheier und etwas hatte ihnen gehörig Angst eingejagt.

»M-mein Kumpel Chad ist völlig durchgedreht. Zuerst wollte er einen Eisbecher mit Erdbeeren und als wir ihn auslachten fing er an wie ein kleines Kind zu lächeln und dann meinte er, dass er spielen wollte und dann und dann-«

»Begann er damit euch bei lebendigen Leibe zu fressen«, beendete Alex. Er war hier richtig. »Danke für dieses überaus aufschlussreiche Gespräch« Nun war es nicht mehr nötig jemanden einschüchtern, weshalb Alex zu seinem alten höflicheren Schema zurückkehrte. Er ließ den Biker los und folgte der Gasse, ohne den Mann auch nur eines Blickes zu würdigen.

Kind war zwar der Dämon mit dem niedersten Rang, aber nichtsdestotrotz war er extrem gefährlich. Auch wenn er den anderen nichts befehlen konnte, so war er doch immer der kriegerischste gewesen. Sein Psychoprofil war das eines Kindes gepaart mit dem eines wilden Tieres. Ihm ging es immer nur darum seine animalischen Bedürfnisse zu befriedigen. Er war auch der einzige Dämon der über einen Sexualtrieb und emotionales Empfinden verfügte. Darüber hinaus wollte er nur Menschen verschlingen und Spaß haben. Kind verfügte über eine sehr impulsive Persönlichkeit. Er war stets für eine Überraschung gut und improvisierte hervorragend. Wenn man aber all das düstere und bedrohliche beiseiteschob konnte man den Blick auf ein fröhliches Kind unter all dem Blut werfen. Er liebte es zu spielen und war die meiste Zeit immer gut drauf. Ein wirklich anspruchsloser Dämon der leicht zu begeistern und zufriedenzustellen war.

Alex fand die offene Tür, die am Ende einer nach unten führenden Treppe war. Er hörte leichte Schmatzlaute. Er war hier wohl richtig. Gelassen stieg er nach unten. Es galt nun sich vollends auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Alles andere was nicht nützlich oder im Weg war galt es auszublenden. Aber dennoch kam er nicht umher im Türrahmen vor Überraschung stehenzubleiben. Er sah einen übergewichtigen Riesen der sich auf einem Tisch an den Gedärmen eines Mannes gütlich tat. Das war wirklich nicht überraschend, da Kind schon immer auf Innereien abgefahren war. Wenigstens gab es keine Babys. Er hätte sie getötet und die Leute dann damit abgeworfen, um sie emotional zu belasten. Alles in allem war es ein für Alex zu erwartendes Bild. Aber er hätte nicht gedacht Diane und eine Fremde hier vorzufinden. Diane wirkte sichtlich verängstigt. Na toll, er hatte es doch gerade erst geschafft sie etwas zu beruhigen und jetzt musste sie mit ansehen wie jemand etwas aus ihrer Sicht völlig verstörendes tat.

Alex lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme. Nun erkannte er auch, dass die Fremde sich ebenfalls an den Leichen verging. Gleich und gleich gesellt sich halt doch gerne. »Wie ich sehe, hast du deinen Spaß.«

Der bärtige Fleischberg drehte sich bluttriefend um. »Ah, du bist es! Warum hast du mich allein gelassen? Ich hatte solche Angst ohne dich.«

»Ich weiß«, sagte Alex und ignorierte den Blick von Diane deren Gedanken praktisch auf ihren Gesicht geschrieben worden waren. Sie konnte nicht verstehen, warum so ein Monster Angst haben sollte.

»Ich wollte nur einen Strawberry-Sunday und diese blöden Männer haben mich ausgelacht. Und ich-«

»Du wusstest nicht, wie du damit umgehen solltest und ich war leider nicht da um dich zu beruhigen und dir den Rücken zu stärken.«

»Warum hast du uns weggeworfen?«, fragte Kind traurig.

»Komm, setzen wir uns erst einmal alle an einen Tisch.«

Diane setzte sich neben Alex und die Fremde neben Kind. Die mexikanische Frau hatte sich eine eiserne Maske vom Tisch genommen und sie aufgesetzt. Aber Alex hatte schon mitbekommen, dass sie ebenfalls Blut im Gesicht hatte. Vermutlich war sie auch eine Menschenfresserin. »Bevor wir das Gespräch beginnen wüsste ich gerne, wer deine neue Freundin ist.«

»Das ist Lupe. Sie ist zufällig hier des Weges gekommen.«

Alex richtete seinen Blick auf Lupe. Sie sagte einfach: »Es freut mich die Sonne zu sehen. Ich mag diesen Teil der Nachtschwärze die du unter dem Sternenlicht suchst.«

»Verstehe.« Sie war also auch ein Unmensch und somit auf Alex Seite des Lebens. Aber da sie bisher noch keinerlei Anstalten machte sich einzumischen war sie fürs erste neutral. »Und wieso sind Sie hier, Diana? Ich habe doch gesagt, Sie sollen im Wagen bleiben.«

»Ich habe sie gefunden«, antwortete Kind. »Die Frau riecht gut. Hatte auch deinen Geruch an dir. Ich dachte mir, dass du mir böse wärst, wenn ich sie einfach töten würde.«

Diese Raubtiereigenschaften waren mitunter wirklich beeindruckend und unheimlich zugleich. Aber jetzt war nicht die Zeit dafür. Es gab noch viel zu tun.

»Ich möchte, dass du mitkommst. Was muss ich dafür tun?«

»Warum hast du uns weggeworfen?«, wiederholte Kind seine Frage. Er wollte wohl wirklich den Grund wissen.

Alex seufzte schwer. »Es war nicht meine Entscheidung. Die haben mich unter Drogen gesetzt und mich so lange bequatscht bis ich zusammengebrochen bin. Wir sind alle nur Menschen.«

»Liebst du uns nicht mehr?«

»Natürlich liebe ich euch noch. Warum wäre ich sonst hier? Ihr macht mir das Leben bloß ziemlich schwer.«

»Ich hätte den Mann damals nicht essen sollen.« Kind schaute traurig zu Boden.

»Nein, das ist es nicht. Du hast nur getan was deiner Natur entsprach. Jeder von euch drei hat ein Anrecht auf seinen Tribut und seine Existenz. Und du hast dein Opfer bekommen. Ich hätte einfach nicht in die Gasse gehen sollen.«

»Aber es ist meine Schuld, dass wir eingesperrt wurden.«

»Hey,«, er berührte sein Gegenüber zärtlich an der Wange. »Du hast mich davor gewarnt. Ich, dass heißt wir, hatten ein schlechtes Gefühl dabei in diese Gasse zu gehen, doch ich habe beschlossen es zu ignorieren. Mich trifft die Schuld. Ich war schwach, ich war dumm. Du hast gar nichts getan.«

Kind schniefte und holte ein Taschentuch hervor um sich die Nase zu putzen.

»Also kommen wir zum Tribut. Was möchtest du dafür haben, dass du diesen Körper verlässt und mit mir zurück in die Klinik kommst?«

»Die hübsche Frau.«

»Was?!«, entfuhr es Diane.

»Vergiss es. Du weißt, dass du sie nicht bekommen kannst. Aber es war ein netter Versuch von dir.«

»Ich will Blut und Gewalt!«

»Ja, aber du kannst Diane hier nicht einfach töten. Immerhin bringt sie mir das Opfer und dann kannst du es durch mich erhalten. Ich meine, wie stellst du es dir vor? Dass ich im Napoleon Komplex mal eben irgendwohin gehe um die Sachen zu besorgen? Wir brauchen jemanden der die Dinge für uns holt und das ist sie hier.«

»Gut, aber was bietest du mir an?«

»Wie wäre es mit dem neuen Godzilla-Film?« Alex wusste um die Schwäche kleiner Jungs mit großen Dingen. Insbesondere da Kind sich mit dieser fiktionalen Figur identifizierte.

»Deal.«

»Na dann wollen wir mal. Hoffentlich klappt es auch.« Alex tippte dem großen Kerl auf die Stirn und fühlte wie Kind zu ihm zurückkehrte.

Der Mann taumelte zuerst etwas mit glasigen Blick zurück, bis er schließlich klar wurde. Er sah sich um und floh schreiend vor Entsetzen vom Tatort. Die drei anderen sahen ihm nach.

Alex wandte sich an Lupe. »Wir wollen dich nicht weiter stören. Wenn du uns entschuldigen würdest. Wir haben noch einiges zu tun. Komm, Diane, wir gehen.«

»Wahrlich eine Nacht mit Faszination in der Luft. Der Wahnsinn läuft um und ein Mann fängt ihn in sich selbst auf, damit andere von ihm nicht betroffen werden. Die Definition eines Helden.«

»Wenn ich eines nicht bin dann ein Held.« Die beiden gingen zurück zum Auto. Keiner drehte sich um als neue Schmatzgeräusche zu hören waren. Niemand wollte unbedingt mehr Ärger als nötig.

 

Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung III

Seufzend setzte sich Alex auf den Beifahrersitz. Er steckte die Pistole weg. Scheinbar hielt er sie nicht mehr für nötig. Trotzdem fühlte sich Diane dadurch nicht besser. Sie hatte etwas unvorstellbares gesehen. Zuerst hatte dieser gewaltige Kerl mit dem Verstand eines Kindes sie genau dann entführt, als sie abhauen wollte und kurz nachdem dieser Irre neben ihr ihn berührte wird er scheinbar plötzlich wieder völlig normal. Wie konnte so etwas nur geschehen? Eigentlich war es doch vollkommen unmöglich.

»Wir müssen zurück. Richtung der Anstalt. Ich sag Bescheid, wenn wir abbiegen müssen.«

Diane tat wie befohlen. Sie musste es wissen. Also schluckte sie und nahm ihren gesamten Mut zusammen. »Dieses Ding ... ist dann nun wirklich in dir drin?«

Alex wirkte überrascht. »Natürlich. Warum sollte ich sonst mit dir durch die Stadt ziehen?«

»Und du bist immer noch du selbst?« Sie bemerkte wie Alex ihr unangenehm auf die Brüste schaute. Sie versuchte möglichst nicht zu verkrampfen, um diesen Kind in ihm nicht zu reizen.

»Ja und nein. Ich bin mehr als noch vor ein paar Stunden als ich bei dir eingestiegen bin. Kann diese Ampel nicht mal ein bisschen schneller werden?«

»Wieso bist du plötzlich so ungeduldig?«

»Ich habe Blut geleckt. Ich möchte nach Möglichkeit nicht allzu lange warten bis ich den nächsten Dämon treffe.«

»Wie viele von denen werden wir noch treffen?«, fragte Diane leicht entnervt.

»Nur noch zwei.«

Es trat ein Moment des Schweigens ein, den Alex mit einer ziemlich seltsamen Aussage unterbrach.

»Seit wann duzen wir uns eigentlich?«

»Hm? Tun wir das? Ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Scheint dann wohl auch nicht weiter wichtig zu sein. Es fällt mir schwer die Feinheiten bei sozialen Interaktionen zu erkennen. Mal scheinen banale Dinge wichtig zu sein, während scheinbar wichtige Dinge einfach nicht erwähnt werden.«

»Aha.« Wie sollte sie diesen Typen jemals einordnen können? Aber wo sie nun zusammen waren und sich besser kannten, gab es da eine Frage die seit eh und je auf Diane lastete. »Sag mal, wie wird man eigentlich so?«

»Eigentlich so ..., was?«

»Na du weißt schon! Kein normaler Mensch kommt auf die Idee jemanden aufzufressen oder einfach zu töten und danach mit seinen Kumpels ganz sachlich zu reden. Ich habe mich immer gefragt was man dafür erlebt haben muss um so zu werden.«

»Nichts.«

»Absolut nichts? Das glaube ich nicht.«

»Ich war schon immer so. Natürlich haben sich solche Dinge im Laufe der Zeit entwickelt. Aber letztlich bin ich so geboren worden.«

»Wie geht das?«

»Wie geht es, dass Menschen homosexuell werden? Es ist genau dasselbe Prinzip. Sie sind einfach so und trotzdem behaupten viele Menschen, dass es an der Erziehung oder einem anderen Erlebnis lag, dass sie so wurden. Der Unterschied liegt bloß darin, dass die meisten Leute darüber nicht aufgeklärt sind. Lass mich raten, du glaubst, du weißt wie Psychopathen – wie ich einer bin – ticken, weil du American Psycho gesehen hast? Ernsthaft?! Das macht dich zum Experten?!«

Bei der Nennung des Filmtitels zuckte Diane unfreiwillig zusammen.

»Ich meine, willst du mich verarschen?!«

»Warum sind dann so viele Psychopathen Serienkiller, kannst du mir das mal sagen?«

»Es sind nicht alle Psychopathen automatisch Serienkiller. Das ist ein Klischee. Wir Unmenschen sind enger mit unseren animalischen Trieben verbunden und gleichen damit das aus, was uns fehlt, wenn wir euch normale Menschen als Maßstab betrachten.«

»Das verstehe ich nicht. Was fehlt euch denn?«

»Hier links. Uns fehlt es an Empathie und Emotionen. Je nachdem wo bei uns der Schwerpunkt ist. Wir können nicht zusammenarbeiten, aber dafür haben wir keine Hemmungen oder Skrupel.«

»Genau das meine ich. Das ist vollkommen krank.«

»Das ist aber nur die dunkle Seite des ganzen.«

»Du wirst mir nicht sagen wollen, dass es auch positive Aspekte geben soll?«

»Ich für meinen Teil habe nur sehr schwache Gefühle. Keine Scham, keine Zweifel oder Wut. Deshalb tut es mir nicht leid, wenn ich einfach ich selbst bin, egal was andere denken mögen.«

»Das ist tatsächlich bewundernswert.« Diane wünschte sie könnte auch nach ihren eigenen Maßstäben leben und einfach auf andere scheißen. Immer musste sie sich darüber Gedanken machen, was andere von ihr hielten. Andererseits war dieser Preis doch etwas zu hoch für sie.

»Wir sind da.«

»Ich komme mit«, warf Diane ein.

»Das könnte gefährlich werden.«

»Ich weiß auf mich aufzupassen.«

»Ich möchte dich nicht davon abhalten. Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass du einen schmerzhaften Tod sterben könntest. Mir doch egal, ob du mitkommst oder nicht. Aber steh nicht im Weg rum, klar?«

»Geht klar.« Zum ersten Mal seit ewiglanger Zeit lächelte Diane von sich aus.


Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung IV

»Sie müssen sich anpassen, Alex. Wenn Sie sich nicht der Gesellschaft anschließen, wird dies gewaltige negative Auswirkungen auf ihr Leben haben.«

Alex schnalzte nur mit der Zunge. Die Frage lautete eher, für wen dies wirklich negative Auswirkungen hatte. Niemand konnte ihn kontrollieren, dazu war nur er selbst in der Lage und keine Gesellschaft und kein Gericht konnte ihn im Zaume halten.


Sie standen vor einem Apartmentgebäude. Vor der Tür stand ein bulliger Mann. Alex hatte schon so eine Ahnung wen er hier treffen würde.

»Wenn sie die Freude besäßen uns zu ihrem Anführer zu bringen.«

Der Schrank sah ihn von oben bis unten an. »Der Boss sagte schon, dass du kommen würdest. Er ist oben im dritten Stock. Ist nicht zu verfehlen. Aber sie bleibt hier.«

»Sie gehört zu mir. Sie ist ... für euren ... Boss.«

Der Mann grunzte, während Diane Alex schief ansah. »Ist mir neu, dass er an so etwas interessiert wäre. Aber es ist okay. Wir alle hatten schon Angst dass er schwul wäre.«

Er ließ die beiden durch. Innerlich schüttelte Alex nur mit dem Kopf. Asexualtität hatte nichts mit Homosexualität zu tun. Wäre es so, würde es bedeuten dass Schwule keinen Sex hatten. Die Denkweise der normalen Leute mit ihren Vorurteilen würde für ihn wohl auf ewig ein Rätsel darstellen. Als der Türsteher noch einmal mit seinem Telefon den Besuch ankündigte war für Alex klar wem er gleich gegenübertreten würde. Es gab nur einen Dämon der wusste wie wichtig ein funktionierendes Kommunikationsnetzwerk war.

Macht war wie sein Name schon aussagte der mächtigste unter den Dämonen. Seine Kraft lag in der Autorität und Art der Manipulation über die er verfügte. Während Kind etwa die Leute durch Angst und Brutalität einschüchterte, konnte Macht alle anderen Dämonen beeinflussen. Er konnte sie schwächen, ihre Kraft kanalisieren, konzentrieren und befeuern. Von ihnen war er der König. Er konnte Machtstrukturen aufbauen und war von allen der strategisch Begabteste. Nur seiner Unterstützung war es Alex gelungen so lange nichts anzustellen. Das lag vor allem daran, dass er über keinerlei Ambitionen verfügte. Er besaß Ehrgeiz, oh ja. Aber es gab nichts was in seinen Augen diesen Ehrgeiz oder eine Machtdemonstration wert war. Deshalb vermittelte er mit den Dämonen und Alex vermittelte so gut es ging mit den Menschen. Doch würde er nach all dem wiederzurückkehren wollen?

Sie trafen im dritten Stock auf einen weiteren Türsteher, der sie einließ. Macht saß als hagerer Nerd im Wohnzimmer und gönnte sich eine Ausgabe des Comics Sandman, während vor ihm ein grobschlächtiger Flegel stand und nervös von einem Bein aufs andere hüpfte.

»Und?«, fragte er nervös.

Macht legte den Comic für einen Moment zur Seite und benutzte dabei seinen Zeigefinger als Lesezeichen. »Der Comic ist gut. Wirklich gut. Kein Wunder, dass Vertigo damit so groß werden konnte. Sieh dir doch einmal diesen Seitenaufbau an. Diesen Zeichenstil und die Bilddramaturgie. Von dem Handlungsaufbau ganz zu schweigen. Ein wirklich grandioser Comic. Auch wenn ich mir von Constatines Auftritt etwas mehr versprochen hatte.«

»Das meinte ich nicht ... Sir«, fügte er kleinlaut hinzu. »Die Fotos. Bekomme ich sie?«

Gelassen nahm Macht seine Lektüre wieder auf. »Bringe mir alle Fortsetzungen und sie gehören dir.«

»A-aber das ist eine Stange Geld.«

»Ist doch nicht mein Problem. Weder deine Geldnöte, noch der Betrug deiner – wohlgemerkt – Freundinnen.«

Wutentbrannt verließ der Kerl die Wohnung. Alex wusste, dass er wiederkommen würde. Einfache Menschen waren ziemlich Willensschwach und Konfliktscheu.

»Deswegen habe ich nie einen eigenen Harem betrieben. Zu anstrengend und aufwendig.« Er klappte ein Lesezeichen ein und stand von seinem Sessel auf. »Lustig, nicht? Vor ein paar Tagen war dieser Kerl, der gerade eben raus gerannt ist, noch der Peiniger von demjenigen dessen Körper ich besetze. Ich habe nur einen Tag gebraucht um ihn gefügig zu machen. Zu deinem Glück, Alex, sind normale Menschen so langweilig. Du hingegen bist wie wir, ein Dämon. Wenn auch ein reichlich verkommener«, und hierbei zwinkerte er zweideutig. »So etwas wie ein Anti-Dämon. Kein Engel, aber auch kein echter Dämon.«

»Ich würde gerne zum Geschäftlichen kommen. Es ist schon spät, ich bin müde und muss noch zu einem anderen Treffen.«

»Eile mit Weile, komm, setzten wir uns beisammen auf den Boden.«

Sie taten wie geheißen.

»Wer sind Sie? ... Ich meine, ... ähm ... Welcher Dämon sind Sie?«, fragte Diane plötzlich.

»Ich bin das Schwert das nie gezogen wird. Die Macht die unnütz im Inneren versauert, während Alex den Traum eines Utopia träumt.«

»Er heißt Macht«, kürzte Alex die Vorstellung ab, bevor es noch die ganze Nacht so weiterging. Kind hüpfte freudig auf und ab, da es nun endlich zur Konfrontation kam. Alex spürte allerdings die Abwesenheit des dritten Dämons der vor jedem Kampfe in ihm brannte mit einem geradezu unheimlichen Verlangen nach Gewalt. Vielleicht war es besser, dass er nicht hier war.

»Ich würde gerne noch einmal die Situation für alle zusammenfassen, damit wir uns bewusst werden worum es eigentlich geht«, setzte Macht an.

»Ich bitte darum.« Eine Zusammenfassung konnte Alex für seine Argumentationskette gut gebrauchen.

»Wir erwachten als du ein Teenager warst. Du hattest Angst vor uns und vor den Möglichkeiten die wir dir boten.«

»Ihr wolltet meiner Familie im Schlaf die Kehlen durchschneiden, da sie dann leichter zu töten war.«

»Wahre Worte. Zu meiner Verteidigung, damals war ich noch der schwächste von uns – nichts als pure Entschlossenheit ohne eigenen Willen – und nichts anderes als die Schlampe der anderen Dämonen, wenn ich damals überhaupt in deiner Psyche existierte. Doch du, mein Freund hast dich geweigert dem Verlangen nachzugeben. Das machte mich stärker und zu dem was ich heute bin.«

»Komm jetzt langsam mal zum Punkt.«

»Gemach, gemach. Wir müssen noch klären was deine Ambition damals war. Du wolltest uns domestizieren oder töten. Wenn du die Herrschaft erlangtest würdest du versuchen eine friedvolle Koexistenz mit den Menschen anzustreben oder aber du schließt dich ihnen an, wenn du uns tötest. Aber du schätzt das Leben auf deine eigene Weise. Du hältst es nicht für unschätzbar wertvoll, viel mehr kennst du seinen wahren Wert nicht. Bevor du ein Leben beendest sollte zumindest seine Bedeutung geklärt werden. Sonst laufen wir Gefahr dass die Nachteile die Vorteile überwiegen. Wir beide gehen keine unnötigen Risiken ein, so wie einige Anwesende.« Kind freute sich tierisch, da nun sein Name indirekt gefallen war. »Du hast uns bis jetzt nicht getötet. Im Gegenteil du warst uns gegenüber äußerst großzügig und milde, zumindest mehr als man es von den gewöhnlichen Menschen erwartet. Aber nichtsdestotrotz ist dein Projekt mit dem Gleichgewicht zwischen uns Monstern und den Menschen gescheitert. Du hast eine dunkle Gasse betreten einen bewaffneten Räuber brutal getötet und bist nachdem du dich gestellt hast dafür verurteilt worden. Die Menschen wissen nun was du bist. Nur der Fakt, dass sie dich nicht richtig einschätzen konnten, hat uns allen die Jahre des Friedens beschert. Im Knast haben sie an uns herumgedoktert. An Dingen die sie weder verstanden noch ermessen konnten.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Wir beide sind zwei Teile eines größeren Ganzen, deswegen würde ich mit dir zurückkommen, wenn du mir sagst, wieso dein Plan weiterhin klappen sollte. Was sollte die Menschen davon abhalten uns wie Tiere zu jagen, einzusperren oder gar zu töten?«

Plötzlich mischte sich Diane empört ein. »Moment Mal!«

Mit all seiner Autorität brachte Macht sie zum Schweigen. »Schnauze, Schlampe!« Seine Zügen verzerrten sich zu einer dämonischen Maske die jeden das Fürchten lehrte. Doch das war nichts im Vergleich zu dem bedrohlichen Unterton in seiner Stimme die tiefverwurzelte tierische Instinkte in jedem Menschen ansprach und sie somit zur Unterwerfung zwang.

Er sprach nun ruhiger weiter. »Du weißt wie sie mit uns Unmenschen umgehen. Sie sprechen uns jeglichen Funken Anstand ab und meinen dass wir alles tun würden um zu bekommen was wir wollen. Dass wir krank seien und nicht anders können. Doch du hast es widerlegt, aber keiner hat es gesehen und somit ist es offiziell nie geschehen.«

»Mein Plan sieht folgendermaßen aus: Wir verbüßen unsere Strafe. Lassen sie glauben, dass wir einer von ihnen sind. Wir tarnen uns und halten die Füße still.«

Macht warf verzweifelt seine Arme in die Luft. »Dein Ernst? Du willst einfach stupide weitermachen, als wäre nichts gewesen. Ohne irgendetwas zu ändern?«

»Nein, doch wir dürfen uns von schweren Zeiten nicht unterkriegen lassen. Wir lernen daraus, verändern uns und werden so zu mehr als wir vorher noch waren.«

»Das glaubst du doch wohl selber nicht.«

»Doch das glaube ich. Denn es ist dieser Prozess der uns so weit gebracht hat. Erinnere dich an früher als wir uns hassten, bekämpften und mordeten. Egal wie oft ihr mich unter Druck gesetzt oder gefoltert habt, ich gab nie nach. Ich machte einfach – wie du so treffend gesagt hast – stupide weiter. Nachdem wir Frieden schlossen lernten wir uns besser kennen und nun lieben wir uns. Wir sind eins. Wir sind eine Einheit und Harmonie wird bei uns großgeschrieben. Denke an die Menschen die zwar im Einklang mit ihrer Umgebung sind, das aber nicht bei sich selbst sein können. Wir werden die Welt und uns selbst verändern, bis es klappt. Aber auf diesen Weg brauche ich euch alle. Jeden einzelnen. Also, hilfst du mir dabei?«

Macht lachte auf. »Scheiße. Ich hätte echt nicht gedacht, dass du so ein Kaninchen aus den Hut zauberst. Okay, was soll’s. Ich habe eh nichts besseres zu tun. Also lass es uns angehen. Als Tribut fordere ich den ersten Band des Vertigo-Comics Sandman. Dann bin ich glücklich.«

Alex berührte ihn wieder mit der Hand und nahm den Dämon in sich auf. Schweigend verließen die beiden das Apartment. Der Nerd schaute irgendwie glücklich drein als er noch nicht bei Bewusstsein war. Vermutlich hatte er zum ersten Mal in seinem Leben einen Geschmack von Macht erlebt und das Gefühl der damit verbundenen Freiheit. Zu tun und zu lassen, was ihm gefiel.

Dieser Dämon war immer der beste Beweis gewesen. Der Mann der die Macht hat alles zu tun, hat ebenso die Macht gar nichts zu tun.


Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung V

»Was hat es eigentlich mit diesem Tribut auf sich?«, fragte Diane.

»Dafür dass meine Dämonen die Menschen in Ruhe lassen, wollen sie natürlich auch eine Gegenleistung haben. Also erübrige ich immer wenn ich es entbehren kann etwas von meinem Erspartem und kaufe ... Geschenke für sie. Dann sind sie zufrieden und wollen niemanden mehr etwas antun. Für eine Weile.« Alex schloss die Autotür.

»Und nach welchen Maßstäben suchst du so etwas aus?«

»Das hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. In was für einer Stimmung ist der Dämon, wer schreit gerade am lautesten und warum, wer bekam zuletzt etwas, etc, etc.«

»Wow. Das kannst du alles mitbekommen?«

»Ich mache das schon seit frühster Kindheit. Natürlich lernt man dann irgendwann wie der Hase läuft. Unvoreingenommenes zuhören ist das Wichtigste. Genau das könnt ihr normalen Menschen nicht.«

»Apropos Menschen, es fiel öfters das Wort Unmensch. Was hat es damit auf sich?«

»Links, bitte. Ich habe schon früh aufgrund meiner Dämonen einen tiefen Graben zwischen mir und anderen gezogen. Ein Wolf hat nichts unter Schafen zu suchen. Ich bezeichne Personen wie mich als Unmenschen. Auf der einen Seite sind wir Menschen, aber andererseits sind wir keine und dieses Wort drückt es perfekt aus. Mensch sein und doch kein Mensch sein. Eine andere Art von Mensch. Wir sehen aus wie ihr und haben ähnliche Bedürfnisse, doch wir sind gleichzeitig völlig anders. Wir setzen andere Prioritäten als ihr. Beispielsweise brauchen wir keine Freundschaften, aber Macht ist für uns meistens sehr wichtig.«

»Aha. Und wer würde deiner Meinung nach als Unmensch zählen?«

»Jeder Mensch der per Definition kein guter Mensch sein kann, weil es seiner Natur widerspricht. Nach moralischer Sicht kannst du nicht gut sein, wenn du über wenig bis keine Empathie verfügst. Gut-sein baut auf Mitgefühl auf, damit kann ich leider nicht dienen. Außerdem würde ich Wilde noch hinzuzählen.«

Diane lachte auf. »Wie? Meinst du so etwas wie Indianer?«

»In der Antike als die menschlichen Kulturen noch jung waren, wurden alle als böse angesehen die sich unzivilisiert verhielten. Dieses Kernelement ist heute auch noch bei uns vorhanden, wenn auch in abgewandelter Form.«

»Du meinst, Menschen die in Höhlen wohnen sind per se Schlecht.«

»Die Zivilisation wurde erfunden um die animalische Natur des Menschen zu bändigen. Somit sind Menschen die sich wie Tiere verhalten, die jagen, töten und ficken wie es ihnen gefällt, schlecht.«

»Wow! Also wow!«

»Die nächste müssen wir wieder rechts.«

Ein Moment der Stille trat ein, ehe Alex sie brach. »Es muss furchtbar für dich sein. Ich rede hier den ganzen Abend, aber bisher habe ich dir keine einzige Fragen gestellt.«

Die Verwirrung war Diane inzwischen seltsam vertraut. »Was möchtest du wissen?«

»Bereust du etwas?«

Diane lachte verkrampft auf. »Nein.« Darauf folgte eine unangenehme Stille die sie nicht lange ertragen konnte. »Na gut. Ich bereue es so normal zu sein. Als Kind war immer alles voller Magie und Abenteuer. Es war alles so neu. Doch dann wird man Erwachsen und das Leben wird mit jedem Tag grauer und trister. Ich meine, dass hier ist der aufregendste Abend meines ganzen Lebens und ich wundere mich, wieso ich nicht tot bin. Ich sehe all diese verrückten Dinge und frage mich, wieso sie kein Teil meines Lebens sind. Jeden Tag schufte ich und Abends bin ich gerade mal fit genug um den Fernseher einzuschalten. Es reicht noch nicht einmal um meine Social Media-Accounts zu führen. Im Ernst, ich war seit mindestens einem Jahr nicht mehr auf Twitter, weil es mir zu anstrengend war. Ich hätte gerne mehr Aufregung in meinem Leben, ohne das Chaos, dass du mit dir herumschleppst, Alex.«

»Bist du glücklich?«

»Nein«, seufzte sie. Allerdings stahl sich sofort darauf ein Lächeln auf ihre Züge. »Aber hier und jetzt in diesem einen besonderen Moment. Da bin ich glücklich. Zum ersten Mal in meinem Lebe fühle mich wirklich lebendig und echt, verstehst du?«

»Fahr rechts ran, da ist ein Diner. Ich habe Hunger.«

Immer muss er alles kaputt machen, dachte Diane verdrießlich.


Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung VI

»Alex, Sie müssen einsehen, dass jedes Leben kostbar ist.«

Und genau deshalb tue ich, was ich tue. Ich töte weder meine Dämonen noch Menschen. Niemand wird so sein Glück erfahren, doch dadurch wird auch keiner den gewaltsamen Tod finden.


Und mit diesen Worten stieg Alex aus und ging langsam auf das Diner zu. Es gab nur noch einen Dämon zu holen und der war hier. Ein Ort an dem er wirklich viel Schaden anrichten konnte. Kind war es egal wo er war, er konnte überall überleben. Macht hatte sich etwas gesucht wo er eher zurückgezogen lebte. Doch der letzte Teil seiner Psyche hatte sich ein Diner ausgesucht in welchem es reichlich Beute gab. Sein Name war Dämon. Er verkörperte die innere Finsternis von Alex. Seine Fähigkeit war in erster Linie die Manipulation der Dunkelheit die in menschlichen Herzen lauerte. Er brachte die hässlichsten Seiten einer liebenswürdigen Person zum Vorschein. Er wusste welche Knöpfe er dafür drücken musste. Ein perfider Menschenkenner der jegliche Art von Schmerz, Leid und Tragik liebte. Es war klar dass er nicht mitkommen würde. Widerspenstig bis aufs letzte. Früher war er der mächtigste von allen Dämonen gewesen. Unter ihnen war er ein echter Teufel. Er hetzte Kind gegen Alex und dieser hatte nur den damals schwächlichen Macht auf seiner Seite. Es hatte Jahre gebraucht, damit er Alex Kraft anerkannte. Ein Kampf war dieses Mal unausweichlich, dass wusste er.

Diane stieg ebenfalls aus. »Ich komme mit.«

Alex blieb auf der Stelle stehen.

»Wenn du wüsstest, was ich für einen Hunger- Was ist denn?«

»Du solltest besser im Wagen bleiben.«

Einen Moment herrschte Stille, in welchem Diane wahrscheinlich versuchte die Situation zu deuten. Sie entschied sich anschließend für ein empörtes: »Vergiss es! Ich lass mich schon die ganze Nacht von dir herumschleppen. Da werde ich auf den letzten Metern keinen Rückzieher machen.«

Macht gab zu bedenken, dass Alex ihr Leben eigentlich egal sein konnte. Kind hingegen hatte sie ins Herz geschlossen und wollte nicht, dass ihr etwas passierte. Aber Alex hatte schon vor langer Zeit lernen müssen, dass sein Einfluss auf andere Menschen ebenso gering war, wie sein Einfluss auf sich selbst groß war. Selbst wenn er es ihr erklären würde, könnte sie dies nicht davon abbringen. Und am Ende würde sie wie alle anderen auch in kürzester Zeit zusammenbrechen. Menschen sind solch schwache Kreaturen. In der Vergangenheit hatte Alex ab und an versucht die Leute vor seinen gewalttätigen Handlungen zu warnen, doch sie hatten nicht auf den schmächtigen Jungen hören wollen, der sie kurz darauf wie ein aggressives Tier bekämpfte. Schon nach kürzester Zeit lagen sie wimmernd am Boden. Was hatten sie auch anderes erwartet?

»In Ordnung«, war alles was Alex hervorbrachte.

Sie betraten das Diner. Das Licht war gedämpft und es war von seltsamen Geräuschen erfüllt. Ein sexuelles Stöhnen gemischt mit dem Schluchzen eines kleines Kindes hallte durch den Raum. Langsam hatten sich Alex Augen an das Schummerlicht gewöhnt. Er sah wie kleine Blutlachen auf den Tischen vom Licht vorbeifahrender Autos reflektiert wurde. Einige Leichen befanden sich auf den Bänken. Sie hatten sich die Pulsadern durchgeschnitten und dann mit ihren Blut ein grausiges Bild geschaffen, dass sie bis zu ihrem Tode an die Wand gekrakelt hatten. Alex und Diane stiegen über zwei Frauenleichen, die sich scheinbar im Zweikampf mit bloßen Händen und Zähnen getötet hatten. Die Bedienung hinter dem Tresen wirkte bei dieser Szenerie völlig deplatziert und somit am verstörendsten. Sie hatte ihr schönstes Lächeln aufgesetzt. Eine Hand an der Hüfte und in der anderen eine frische Kaffeekanne.

Schweigend setzte sich Alex, während Diane sich immer noch umsah und versuchte den Anblick hier zu verarbeiten. Er setzte sich etwas auf, um einen Blick hinter die Küche zu werfen in der eine Frau einen abgehackten Kopf leidenschaftlich küsste.

»Ein Kaffee, Süßer?«, und ohne eine Antwort abzuwarten schenkte sie ein und holte gleich eine zweite Tasse für Diane hervor. Die Frau ging mit großen Schritten auf die vierzig zu. Die Haare waren hochgesteckt und ein Namensschild kennzeichnete sie als Bette.

»Ich habe noch nie Kaffee getrunken. Es gibt nur wenig, dass so gut riecht wie frisch gekochter Kaffee, aber-«

»aber schmecken tut es schrecklich, ich weiß«, beendete Dämon den Satz.

Inzwischen war auch Diane an den Platz gekehrt. Ihr Gesicht war bleich wie der Tod. Sie hatte Dinge gesehen, die nie ein Menschen sehen sollte.

»D-da ist ein kleines Kind mit ausgestochenen Augen«, sagte sie völlig entgeistert und bleich.

»Oh, das arme Ding!«, sagte Dämon mitleidsvoll. »Es wollte einfach nicht mit ansehen wie sich die Leute gegenseitig auffressen. Also habe ich ihm einen Weg gezeigt, wie es diese Gräuel nicht mehr mit ansehen musste. Die Trommelfelle hat es sich auch ausgestochen. So eine tapfere kleine Seele.«

»Nenne mir deinen Preis.«

Doch Dämon ging nicht darauf ein. »Sieh dich um! Sieh dir den Tod und die Zerstörung an, die du diesen Leuten gebracht hast! Du hast dich heilen lassen und uns achtlos weggeworfen. Und das ist das Ergebnis. Tod und Wahnsinn. Alles nur weil du normal sein wolltest. Es wäre besser, wenn du nie geboren worden wärst.«

Alex kannte diesen Trick. Sie wollte ihn auf seine niedersten Instinkte reduzieren. Ihn aus der Reserve locken. Er hatte zum Glück Macht und Kind zuerst eingesammelt. Macht war es egal und Kind war trotzig – vernünftigen Argumenten nur selten zugänglich. Diane hatte leider kein solches Glück. Sie tat genau das was sie nicht tun sollte, sie blickte sich um und nahm sich die Worte zu Herzen.

»Was willst du um mitzukommen?«, fragte Alex erneut.

Dämon nickte in Richtung Diane, »Sie will ich. Ihr Blut. Gib es mir und ich werde kampflos mitkommen.«

Unwillkürlich blickte Alex zu seiner Sitznachbarin. Ein Fehler.

»Sieh dir seinen Blick genau an, meine Liebe. Er meint es ernst. Er würde alles tun, um uns in die Finger zu bekommen. Dein Leben ist ihm nichts wert. Oder hat er schon einmal etwas für dich getan, um dich zu beschützen? Vermutlich hat er dich immer links liegen lassen und sich nicht einmal schützend vor dich gestellt, als einer der anderen dich angegriffen hat.«

Sie wirkte bleich und wich sogar noch etwas zurück, als er sie ansah. Scheinbar dachte sie, er würde ihr Angebot ernsthaft in Betracht ziehen. Was er auch tat, aber anders.

»Bleib ruhig, Diane. Lass es mich dir erklären.«

»Aber um es noch interessanter zu machen ... Du, Mädchen! Wenn du ihn tötest, ergebe ich mich dir. Du kannst mich verschonen oder vernichten, das liegt ganz bei dir. Ich werde dir sogar einen Schubs in die richtige Richtung geben. Wenn du hinter dich schaust siehst du ein blutiges Messer auf dem Tresen.«

Diane drehte sich um und nahm die verschmierte Klinge. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen was in ihr vorging. Sie hatte all dieses Grauen gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass keines dieser Monster leben sollte. Alex musste zum Wohl der menschlichen Gemeinschaft sterben.

Er seinerseits stand ebenfalls vom Hocker auf und ging auf Abstand. »So viel Tod und so viel Leid! Warum das alles?! Weil es deiner Natur entspricht! Menschen wie du sollte man einfach töten sobald sie auffällig werden.«

Sie ging mit dem Messer auf ihn los. Ohne Sinn und Verstand hieb sie um sich. Sie war außer sich vor Wut, aber sie war auch erschöpft und übermüdet. Vermutlich konnte sie selbst gerade nicht einmal wirklich klar denken. Alex hatte sich hingegen auf diese Nacht mit einer Mütze Schlaf vorbereitet. Er hatte mit deutlich mehr solcher Konfrontationen gerechnet, schon bevor er in ihr Auto gestiegen war.

»Du liebst sie?! Diese Dinger?! Das sind Monster, sie töten und manipulieren zum Spaß! Wenn du wirklich menschlich wärst, hättest du sie getötet. Macht meinte, du hattest es in der Hand, doch du hast dich auf ihre Seite geschlagen, statt auf unsere.«

Zwar besaß Alex viele Talente, doch Multitasking gehörte nicht dazu. Er konnte nicht mit Kind ausweichen und gleichzeitig mit Macht eine Argumentationskette ausarbeiten um sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Dämon lächelte grausig. Sie hatte ihren Spaß. »Sieh dir mal diese kalten dunklen Augen an! Diese Menschenverachtende Finsternis in ihnen. Köstlich.«

Menschen dachten immer eher schlecht von ihren Mitmenschen. Ein wichtiger Punkt der die Koexistenz seit jeher gefährdet hatte. Alex wich Diane mit einen Ausweichschritt aus, stellte ihr ein Bein und brachte sie so zu Fall. Sie stürzte mit dem Kopf gegen eine Tischkante und war bewusstlos. Doch damit hatte er Dämon den Rücken gekehrt. Ein böser Fehler. Sie warf die Kaffeekanne nach ihm. Auch wenn das nicht wehtat, so war sie doch leicht geöffnet und verbrühte ihn den Rücken. Schreiend ging er zu Boden. Als er sich auf den Fliesen windete und schrie kam ihm eine Idee. Wie von Macht gedacht kam die Frau auf ihn zu und beugte sich über ihn. Ihr falsches Mitleid konnte den Sadismus ihres Wesens nicht verhehlen.

»Oh, du Armer. Dahin sind all deine Pläne. Nun gehört ihr endlich alle mir. Vergesst die Comics und die Spaziergänge im Sonnenlicht oder den Frieden zwischen uns und den Menschen. Ab sofort habe ich das Sagen. Ich werde töten, verschlingen und zerstören bis sie mich töten. Danach ziehen wir einfach in einen neuen Körper. Das wird von nun an unsere einzige Daseinsberechtigung sein.«

Innerlich bereitete Alex seinen Angriff vor. Sie stand direkt vor ihm. Kind war bereit ihr an die Kehle zu springen. Macht sorgte dafür, dass er nicht zu früh oder spät loslegte. Doch zuerst musste er den Köder auslegen. Alex biss die Zähne zusammen, grub sein Gesicht in die geballten Fäuste und imitierte ein Weinen.

»Witzig. Ich erinnere mich noch als du so vor uns lagst. Als kleiner Junge, weinend in deinem Bett weil du deine Eltern nicht töten wolltest und das obwohl ich dich so sehr unter Druck setzte. Du hattest nur eine Bitte an mich. Dass ich dich endlich sterben lasse. Damit du frei von dieser Verantwortung und den Schmerz wärst.«

Sie beugte sich quälend langsam nach unten zu ihm. »Ich brauche dich nicht mehr. Dieser Körper tut es auch, doch die anderen wären mir noch nützlich. Also werde ich dir deinen Traum aus Kindheitstagen endlich erfül-«

Mit einem Mal sprang Alex nach oben, griff nach Dämons Gesicht und zerrte ihn aus dem Körper. Er merkte den Widerstand den er leistete, doch Macht unterdrückte seine Kraft und so gelang es doch noch den letzten Dämon einzusperren.

Keuchend ließ sich Alex nach hinten fallen. Bette fiel bewusstlos auf ihn und presste durch ihr Gewicht alle Luft aus seinen Lungen. Dämon schrie und tobte in Alex Geist, doch er ignorierte es. Der kleine Satansbraten hatte ganz andere Probleme. Kind war wütend auf ihn, weil er Diane mit reingezogen hatte. Gegen seine Wildheit kam noch nicht einmal die Dämons an. Er spürte wie die beiden sich mit aller Kraft fetzten. Macht gab zu bedenken, dass Kind dafür belohnt werden sollte. Seufzend grabschte Alex Bette an den Arsch. Kind heulte vor lauter Freude auf, während sich Macht nur dachte, wie schwabbelig es sich anfühlte. Aber Kind war es egal. Er war noch nie anspruchsvoll bei Frauen gewesen. Er erkannte die Schönheit in jeder von ihnen. Egal wie sie aussahen. Obwohl er schon eine kleine Schwäche für Milfs hatte. Alex hatte sich das alles irgendwie anders vorgestellt. Er spürte lediglich die Müdigkeit und nicht die erhoffte Euphorie des Sieges. Er hatte es geschafft, doch es freute ihn nicht. Er fühlte sich einfach nur tierisch erschöpft. So langsam wurde das Gegrabsche langweilig, weshalb er die Bedienung möglichst sachte von sich schubste.

Er sah auf Diane runter. Ein leichtes Rinnsal Blut sickerte ihre Schläfe hinab. Hoffentlich hatte sie sich keine Gehirnerschütterung zugezogen und konnte noch fahren. Der Grund wieso Alex auf sie angewiesen war, lag an der simplen Tatsache, dass er Fahrangst hatte. Kind machten die Geschwindigkeit und die vielen schnellen Eindrücke ziemliche Angst.

Hoffentlich würde Diane bald aufwachen. Der Tag brach an und Alex wollte nur noch Nachhause.


Fortsetzung folgt...

Die Eintreibung nach der Austreibung VII

»Hier, dein Kaffee. Tut mir leid, wenn er kalt ist. Mehr war in der verschütteten Kanne nicht mehr.«

»Schon gut. Danke«, sagte Diane. Müde schlürfte sie aus der Tasse. Ihr Kopf dröhnte und sie war hundemüde.

Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie sich an einem Stuhl gefesselt wieder gefunden, wo Alex ihr ein Messer an die Kehle hielt. Es war genau das Messer mit dem sie ihn hatte umbringen wollen, um weitere Tode zu verhindern. Das war der Moment wo sich Diane dachte, dass war’s. Er hielt einen Moment inne, damit sie sich ihrer Lage bewusst werden konnte und sagte dann, dass ihr Leben in seiner Hand wäre. Wenn er ihren Tod wollte, würde er ihr hier und jetzt die Kehle durchschneiden. Vor lauter Angst schloss sie die Augen. Doch der kalte Biss des Stahls blieb ihr verwehrt. Stattdessen schnitt er die Fesseln durch und meinte, dass es Zeit wurde nachhause zu gehen.

Diane drehte den Zündschlüssel um. Sie war zu müde um sich noch einen Kopf darum zu machen, ob Alex leben wirklich so viel wert war, wie das aller anderen. Die ersten Strahlen der Sonne krochen über den Rand der Welt. »Also, wohin jetzt?«, fragte sie.

»Zum Napoleon Bonaparte Komplex.« Mit einem Mal kam Leben in den müden Alex. »Hey, sieh dir mal das Motel da neben dem Diner an! Sieht aus, wie aus Psycho!«

»Stimmt, du hast recht.« Diane war zu erschöpft um noch irgendeine Emotion zu zeigen. »Sobald ich Zuhause bin, falle ich einfach ins Bett und mache heute Blau. Und danach suche ich mir einen vernünftigen Psychiater, damit ich all diese Scheiße hinter mir lassen kann.«

»Die Leute rennen viel zu schnell zum Psychiater, statt einfach zu versuchen ihre Probleme selbst zu lösen.«

»Du bist doch auch in Behandlung.«

»Aber nicht freiwillig. Du hast gesehen, wozu es geführt hat.«

»Stimmt, ganz vergessen. Was wirst du jetzt tun?«

»Ich werde gute Miene zum bösen Spiel machen. So tun als ob ich wirklich dazugehören wollen würde. Diesmal weiß ich ja, was abgelaufen ist, also wird es relativ leicht Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Aber natürlich werde auch ich mich einmal richtig ausschlafen. Dann werde ich die Geschehnisse aufschreiben und vielleicht noch eine Kurzgeschichte zu diesem Motel erfinden.«

»Du schreibst?«

»Das ist Teil der Opferung. Fiktive Gegenstände und Personen werden den Dämonen geopfert. Sie werden ihren Bedürfnissen angepasst und dann sterben oder leiden sie dafür. Ich schreibe über diese Stadt und anderes Zeugs. Alles fiktiv, bis auf das hier, versteht sich.«

»Wenn es dir hilft.«

»Um zum Thema zurückzukommen: Ich halte Psychiatrie für überbewertet. Sie steckt noch in den Kinderschuhen und es gibt noch deutlich Verbesserungsbedarf. Überleg mal, wie viele Serienkiller in Amerika rumlaufen.«

»Du sagst es, Mister Ich-steige-mit-einer-Knarre-in-fremde-Autos-ein.«

»Ich habe mich dafür doch bereits entschuldigt. Sag mal, kannst du mir einen letzten Gefallen tun, Diane?«

»Was wäre das?«, fragte sie seufzend.

»Könntest du mir meine Opfergaben in die Anstalt bringen? Ich würde sie ja gerne selbst organisieren, doch ich schätze, die suchen mich bereits. Würde etwas schwierig werden. Das Geld erstatte ich dir natürlich.«

»Na klar. Was war das nochmal? Ein King Kong-Film...?«

»Der aktuellste Godzilla-Film. Der erste Band des Comics Sandman von Vertigo. Und zu guter Letzt etwas Blut von dir.«

»Moment mal! Wann wurde das denn vereinbart?«

»Dämon sagte doch im Diner, dass er dein Blut wolle.«

»Ich werde mir bestimmt keinen Liter abzapfen, wegen dieser Scheißbitch!«

»Die Menge wurde niemals vereinbart. Somit müssten ein paar Tropfen genügen. Nicht mehr als ein Nadelstich in den Finger.«

»Warum hat sie das nicht gleich gesagt?«

»Das Ziel war es Zwietracht zwischen uns zu sähen, weshalb sie sich einer schwammigen Ausdrucksweise bediente.«

»Verstehe. Also schön, du bekommst dein Blut. Aber das mache ich kein zweites Mal, damit wir uns recht verstehen.«

»Das Blut muss flüssig sein. Ich werde es trinken.«

»Igitt!«

»Ich mag den kupfernen Salzgeschmack.«

Sie sprachen noch lange miteinander bis sie schließlich zur Ampel kamen an der sich ihre Wege das erste Mal trafen.

»Danke für die Fahrt, Diane.«

»Gern geschehen, Alex.«

»Und du denkst an die Dinge?«

»Ja, Godzilla, Sandman, Blut. Habe ich alles im Kopf.«

»Schön.« Alex wandte sich zum Gehen. Diane verspürte leichte Wehmut, als sie ihn gehen sah. Sie hätte ihn gerne etwas besser kennengelernt. Er war ein interessanter Mann.

»Eine Sache wäre da noch«, sagte Alex und drehte sich um.

»Ja?«, fragte sie freudig.

»Ist dein Mann wirklich bei der Mafia?«

»Nein. Die Wahrheit ist, ich lebe allein. Ich wollte es nur sagen, damit du mir nichts tust.«

»Verstehe. Schade eigentlich. Du bist eine nette, attraktive Frau. Wie dem auch sei, wir sehen uns.«

»Ja, wir sehen uns.«

Und damit trennten sich die Wege der beiden. Die ersten Minuten im Sonnenlicht waren nach den Schrecken der Nacht befremdlich und Diane vermisste Alex. Doch dann musste sie lächeln. Ihr Bauchgefühl verriet ihr, dass das Leben von nun an nicht mehr so langweilig sein würde, wie noch am Tage zuvor.


The End

Todesgrüße zu Weihnachten

Liebe Familie Miller,

ich hatte das unbeschreibliche Vergnügen jüngst ihren steinreichen Großvater kennenzulernen. Während ich ihn zu meiner eigenen Belustigung folterte, erzählte er mir vielerlei über sich. Von so banalen Dingen wie seinem Stammsupermarkt bis hin zu den höchstpikanten homoerotischen Fantasien bezüglich seines Butlers, möge er nun ebenfalls in Frieden ruhen. Jedenfalls erzählte er mir auch von ihren erbschleicherischen Geschleime. Ihr Großvater konnte sie auf den Tod nicht ausstehen. Jeden Sonntag den sie ihn besuchten und so verzweifelt seine Gunst vor den anderen Familienmitgliedern erringen wollten, hoffte der alte Mann inständig, sie würden allesamt eines qualvollen Todes sterben.

Heute ist Weihnachten und da es ein Fest der Liebe und des Gebens ist und ich nie einem verblichenen Ehrenmann seinen innigen Wunsch abschlagen würde, werden sie heute sterben.

 

Mit ergebensten Grüßen

 

C. W.

 

PS: Der Überbringer dieser Grußkarte ist der Mörder. Sie haben nun die Erlaubnis in Todesangst zu schreien.


The End

Ein Königreich für eine gute Waffe

»Dies ist das in eine andere Dimension verfrachtete Rʼlyeh-City. Die Zivilisation wie wir sie kennen ist zusammen gebrochen. Doch in der dunkelsten Stunde erhebt sich ein Held, um alles wieder ins Lot zu bringen. Und der Name dieses Helden ist Steven die heiße Latino-Amazone.« Steven hielt einen kurzen Moment in ihrer heroischen Pose auf dem Hochhausdach inne um die Rede auf sich wirken zu lassen. »Nee!«, sagte sie. »Klingt Kacke, genau wie Alejandra. Vielleicht sollte ich den normalen Namen ganz vergessen und nur noch meinen Superheldennamen benutzen. Everywalker! Nein, das klingt auch wie ein Haufen Scheiße. Ich meine, ich kann auf allem Laufen. Wasser, Beton, kann an Wänden entlanglaufen solange ich Bock habe. Da bietet sich irgendwie nicht viel an. Wenn wenigstens meine schwarzen Augen jetzt noch irgendwie Laserstrahlen oder so etwas abfeuern könnten. Das wär’s.«

Steven holte ihr Fernglas aus dem Rucksack raus. »Aber zuvor brauche ich unbedingt einige Sachen, um eine Basis zu errichten. Ein Ort, ein paar Leute und etwas Anbaufläche für die Landwirtschaft. Was haben wir denn heute so alles im Angebot... Ein paar Mutanten die am Wasserspeicher Gymnastik treiben. Und der eine sagt zum anderen: „Schaut mich an! Ich bin der größte Kletterer aller Zeiten.“ Und der andere antwortet: „Aber du hast trotzdem einen fetten Hintern.“« Steven kicherte kurz vor sich hin. Ihr machte das Leben hier viel mehr Spaß als früher. Früher hieß es immer nur, dass man mit seiner Zukunft etwas anfangen sollte und blah, blah, blah. Dabei wollte sie immer nur Spaß haben. Hier konnte sie rumballern, ein heißes Gerät sein, Sachen kaputtmachen, klauen. Es stand ihr frei zu leben, wie sie wollte. Eine Superheldin bereit die kaputte Welt zu retten. Schließlich stieß ihr etwas ins Auge. Ein paar Mutanten jagten ein schmächtiges Kind zu einem Gastank. Es war Zeit für Heldentaten!

Steven sprang vom Dach. Normalerweise würde dieser Stunt ihr großen Schaden zufügen, doch dieser Körper sah nicht nur Hammer aus, er hatte auch hammermäßige Sachen drauf. Sie sprang von Dach zu Dach, grindete und flog durch die Luft wie ein Vogel, um zu dem Kind zu kommen. Wie der heftigste Stuntman konnte sie Kunststücke mit ihren Körper vorführen, die den Gesetzen der Schwerkraft den Stinkefinger zeigten. Körperlich konnte sie zwar nicht so viel austeilen, war dafür jedoch um einiges agiler. So war es ein leichtes in der Luft mit ihrer Knarre, die sie auf den Namen Dirty Harriett taufte, auf die Gegner zu schießen. Doch leider hieß ein neuer Körper nicht gleichzeitig auch, dass sie über Zielfertigkeiten verfügte. So war der Rückstoß heftiger als gedacht und sie verfehlte den Kopf des Mutanten um einen Meter. Blöderweise richtete dadurch die Meute bestehend aus drei Gegnern nun ihre Aufmerksamkeit auf die Latina.

»Ups. H-hey. Was geht ab! Ich wollte euch nicht großartig stören...« Steven griff an die Eisenstange die sie an ihrem Rucksack befestigt hatte. »Hier habt ihr ihn! Den Eisenstangen-Bumerang des sicheren Verderbens!« Sie warf die Stange und diese flog über die Köpfe der Mutanten hinweg. »Okay, wir halten fest: Es war ´ne ziemlich blöde Idee meine einzige Nahkampfwaffe nach euch zu werfen. Also muss ich euch doch erschießen.«

Während Steven mit den Dirty Harriett zielte, löste sie ausversehen einen Schuss aus. Als sie auf die nun langsam auf sie zukommenden Mutanten zielte, machte keiner Anstalten schneller zu laufen. Vermutlich sahen sie die Latina nicht als Überlebensfähig an. Doch als sie versehentlich schoss prallte die Kugel von einer Regenrinne ab und hielt genau auf ein Ventil des Gastanks zu, traf ein Rädchen, welches darauf begann sich wie verrückt zu drehen. Ein lautes Zischen war zu hören und dann kam es zu einer Explosion. Dieser unwahrscheinliche Zufall bestärkte die verblendete Steven darin, dass sie zur Superheldin geboren war, wieso sollte sonst etwas so unmögliches passieren. Aus dem Rauch der Explosion und den verkohlten Mutantenkadavern schälte sich das Kind heraus. Doch es war kein Kind. Es war der Kopf eines alten Mannes auf einen geschrumpften und verjüngten Körper, wodurch er wie ein Kind aussah.

»Professor Jenkins?!«

»Verzeihung, kennen wir uns?«

»Ich bin’s! Steven! Sie wissen schon, der Typ dem sie immer sagen, er soll während ihrer Vorlesung nicht so laut schnarchen.«

»Ich sagte dir, wenn du schlafen willst sollst du Penner dich verpissen...« Erst jetzt realisierte er die Situation. »Steven bist du das?! Du siehst so...«

Die Latina nickte mit einem breiten Grinsen. »Ich weiß.«

»sexy aus.«

»Ja, ich weiß. Da fällt mir gerade ein, haben Sie vielleicht ein paar meiner Kumpels gesehen? Dillon? Sheldon?«

»Was mit Dillon passiert ist, weiß ich nicht. Aber Sheldon habe ich glaube ich erst vor kurzem gesehen.«

»Im Ernst?! Wie geht’s ihm? Ist er jetzt auch ´ne Frau? Ihn habe ich immer am meisten gemocht.«

»Er ist ein Mutant.«

»Zum Glück mag ich Dillon mehr. Aber sagen Sie mir erst einmal, was Sie hier machen.«

»Ich bin weggelaufen.«

»Ah ja, ich verstehe. Also ich und meine Schwester – Sie kennen Cheryl – wir wollen eine neue Gesellschaft aufbauen. Können Sie uns da helfen? Oh, sehen Sie mal! Einer der Mutanten hatte eine Axt als Arm. Die nehme ich doch gleich mal mit. Scheiß auf die Brechstange. Sie ist im Angesicht des Feindes geflohen. Also um zurück zum Thema zu kommen. Können Sie uns bei diesem Wiederaufbau-Dingsda helfen?«


The End

Undertown

Unter Rʼlyeh-City befindet sich Undertown eine Hölle der eigenen Art. Vermutlich entstand der Ort mit den fünf großen Herrschern dieser unterirdischen Stadt. Sie kamen aus einer fremden Welt, die sie wegen ihrer Grausamkeit verstieß. Ihre Namen waren Reltih, Nilats, Nagodre, Oren und Oam. Niemand wusste, woher sie stammten, nur ihre Verbannung gilt als gesichert. Deshalb schufen sie ihr eigenes Paradies unter Rʼlyeh-City. Undertown wurde nie ein Garten Eden. Viel zu zerstritten und egozentrisch waren die Herrscher, weshalb ein nie endender erbitterter Krieg herrschte. Stetig kamen und gingen neue Mitspieler nach einem Regelwerk, dass niemand verstand. Es waren Individuen die sich irgendwie in diese kleine verrückte Welt einfügten und sie ergänzten. Eine dieser Gestalten war Alex das Skelett und dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Geschichte des Lebens das es führt.

Wir befinden uns in jenem Moment der Handlung wo die Hauptfigur sich in einer ausweglosen Situation befindet. In diesem Falle ist es ein umstelltes Hochhaus, das zu unser aller Glück leer steht, wie so ziemlich die meisten Gebäude von Undertown. Die Häuser dieser Stadt zeichnen sich durch ihre angeschlagene Unverwüstlichkeit aus. Sie sahen bös zerstört aus, doch sie hielten alle größeren Gewaltakte statt. Von Flammenwerfern bis hin zu größeren Bomben. Deshalb störte es das Gebäude auch nicht, als es unter schweren Feuerbeschuss von mehreren Bazookas kam. Dennoch suchte Alex verzweifelt nach einem Ausweg. Letztlich wollte man den Boten entweder herauslocken oder aber festnageln bis die Verstärkung kam. Das Skelett drückte das Paket fester an die Brust. Wieso die Leute dahinter her waren wusste es nicht, aber als Kurier war es hier unten eh gesünder so wenig wie möglich zu wissen. Man wollte ja nicht in irgendetwas hineingezogen werden. Schließlich kam eine Feuerpause in der die maskierten Gangmitglieder aufgrund von zu viel vergeudeten Munition nicht im Stande waren weiter zu feuern. Sollte Alex jetzt flüchten? Mit Magie konnte es möglicherweise entkommen. Einen Versuch war es alle Mal wert. Der Kurier sprang aus dem Fenster, landete auf der Straße und entlud alle Schattenmagie die den Knochen inne wohnten. Mit einer gewaltigen Explosion schwarzen Rauches hechtete Alex davon und suchte Zuflucht in der Kanalisation. Bis zum Auftraggeber waren es nur noch wenige Meter.


Wie üblich rauchte der einarmige Detektiv Edward Derby während er einen misstrauischen Blick auf Alex warf. Der alte Schwarzmagier stellte eine Art Brücke zwischen Undertown und Rʼlyeh-City dar. Seiner Ansicht nach versuchte er ein Gleichgewicht in der Stadt zu bewahren, damit diese nicht eines Tages in seine Heimat einfiel, was ihn in gewissermaßen zum Schattenkönig von Undertown machte. Das Skelett glaubte weniger an dieses Motiv. Vermutlich war es einfach nur seine Art den alten Lebensstil eines Superschurken aufleben zu lassen, indem er diesen bei kleinen Gelegenheiten freien Lauf gab. Wenigstens bezahlte er gut und pünktlich.

»Wurde auch Zeit«, paffte Edward. »Hatte schon Angst, dass die Lieferung auf dem Weg hierher verloren gegangen wäre. Dann hätte ich einen anderen Kurier schicken müssen, um es zurückzuholen.«

»Deine Sorge um mich ist wirklich rührend«, erwiderte das Skelett trocken.

»Für Abschaum für dich gibt es immer Ersatz. Es bräuchte nur fünf Minuten, um jemanden zu finden, der mehr auf dem Kasten hat.«

Als ob, dachte Alex. »Meine Bezahlung?«

Der Detektiv griff in eine Schublade und holte ein dickes Bündel Geldscheine hervor. Hastig steckte das Skelett die Kohle ein und schickte sich an zu gehen.

»Hey, ich wollte dich eben nicht beleidigen«, sagte der Einarmige als das Skelett bereits im Türrahmen stand. Aber Alex konnte es ihm nicht abkaufen, denn er fügte etwas hinzu, was es zutiefst hasste. »Bis zum nächsten Mal, Alexandra.«

Doch Alex hatte für ihn nichts übrig als einen Abgang mit erhobenen Mittelfinger, ohne sich auch nur umzudrehen. Sie war kein Mädchen mehr und selbst zu Lebzeiten hatte sie sich selbst eher als Neutrum betrachtet. Jetzt ihr Geschlecht anzusprechen, wo es nicht mehr sichtbar war konnte nur Häme von Derby sein. Da Alex nur die Tür im Auge hatte konnte das tote Mädchen nicht sehen, wie Edward hoffnungsvoll auf das Paket schielte.


The End

Diebstahl

Mein Name ist Montgomery McNard. Einziger Erbe des McNard-Vermögens. Zu meiner Person gibt es in diesem Tagebuch nur wenig zu sagen. Ich bin in eine wohlbetuchte Familie geboren worden, was mir sowohl Fluch als auch Segen zugleich ist. Wie jeder reiche Erbe wurde auch ich mit jener Geißel geboren, die jedem Anhänger des hartarbeitenden Proletariats fremd ist. Wir Erben werden zusammen mit der Langeweile in die Wiege gelegt und wachsen mit ihr auf. Die einen geraten verhätschelt, andere stürzen sich in Weibergeschichten, eine Angelegenheit die mir schon immer zuwider war, und dann gibt es noch solche wie mich die sich nach der Welt und ihren Abenteuern sehnen. Dies ist auch der Grund wieso meine Familie mich für missraten hält. Ich weiß noch, wie ich während des einen Sommers für drei Tage verschwunden war, um den berüchtigten Rübezahl in den deutschen Bergen nachzujagen. Man fand mich verletzt in einer kleinen Schlucht und brachte mich in unsere Sommerresidenz. Dies ist nur eines in meiner Sammlung verspielten Abenteuer. Gott sei es gedankt, dass ich mir diesen Funken kindlicher Unschuld bewahren konnte. Mein vorletzter Abstecher war auch der Grund wieso mein letztes Abenteuer überhaupt begann. Und es war ein vorzüglicher Zeitvertreib. Soviel sei gesagt.

Nachdem ich in den irischen Mooren nach einer Banshee gesucht hatte, statt mich wie von meinen Vater bestimmt um den dortigen Handelsposten zu kümmern, wurde ich von ihm nach Amerika geschickt. Ich schreibe hier zwar, dass er mich hierherschickte, doch eigentlich verbannte man mich eher. Unser Handelsposten in New Hope lief schlecht und somit ist es mir unmöglich dort irgendetwas zu vermasseln. Desweiteren versuchte mein Vater mich mit den Geschichten über dieses Land dorthin zu locken, damit die rufschädigenden Kindereien zuhause ein Ende fanden. Zugegebenermaßen interessierten mich die Erzählungen über rothäutige Wilde und grobschlächtige Männer die mit ihren Büchsen gegen gefährliche Tiere in einem ungezähmten Land kämpften. Aber der vernunftbegabte Teil in mir sagte, dass ich all dies nie zu Gesicht bekommen würde. In all den Jahren hatte man die Sicherheit meiner Person immer weiter verschärft, da ich es liebe ihnen zu entkommen. Ich verweise auf die Geschichte mit dem Rübezahl, um nur einen von unzähligen Gründen zu nennen. Desweiteren würde man mich so sehr mit Arbeit überhäufen, dass ich nicht dazukommen würde allzu große Fluchten zu organisieren. Aber alles hatte sein Gutes. In besagter Stadt New Hope sollte ich mit meinem alten Studienfreund Thomas Rains zusammenarbeiten. Ich bezeichne ihn gerne als den einzigen Engländer der mich nie langweilte. Außerdem folgte mir noch mein einziger Vertrauter, Weggefährte und Butler Earl B. Winston ins Exil.

Bevor ich mich allerdings auf eine Reise ohne Wiederkehr begab machte ich einige Nachforschungen über New Hope. Eine Angelegenheit die mein Vater zu versäumt haben schien. Oder aber er maß dem seltsamen Fall des Adam Smith keinerlei Bedeutung bei. Teufel noch eins, ich habe den Artikel gelesen und glaubte kein Wort von dem. Es war einfach zu fantastisch und abenteuerlich, als das es wahr sein könnte, egal was mein inneres Kind mir einflüsterte. Eher glaubte ich an die Unzahl von Katzen dort, die mit zwei Schwänzen geboren wurden. Wie sehr ich mich doch diesbezüglich täuschen sollte.

Mein erster Eindruck der Siedlung war keiner Erwähnung wert. Es schien kein besonderer Ort zu sein. Also machte ich mich mit einem schweren Seufzer auf den Weg zu meiner neuen Unterkunft, um mich dort häuslich einzurichten. Am nächsten Morgen gönnte ich mir ein herzhaftes Frühstück. Darauf folgte ein gemächlicher Spaziergang durch den Ort. Vorbei an kleinen Hütten und einer verkohlten Ruine, von der ich annehme, dass sie besagtem Smith gehörte. Seine Leiche wurde nie gefunden. Aber vermutlich ist er einfach weitergezogen, um einen anderen Platz auf dieser Welt heimzusuchen. Nun wollte ich zwar das Antreten meiner Pflichten als Leiter des hiesigen Handelsposten so weit wie möglich aufschieben, doch mein Taktgefühl gegenüber meinen guten Freund Thomas war stärker. Weshalb ich umkehrte um ihn in seinem Büro zu treffen. Vermutlich wusste er noch nicht einmal, dass ich hier war, da meine Reise recht zügig beschlossen worden war und es keine Zeit duldete ihn im Vorfelde über meine neuen Pflichten aufzuklären.

Allerdings stellte ich mit Verwunderung fest, dass der gute Thomas in seinem Büro nicht aufzufinden war. Seine Angestellten teilten mir sogar mit, dass er schon seit Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Meines Wissens war der gute Rains stets ein korrekter Arbeiter gewesen, der all seine Tätigkeiten Gewissenhaft verrichtete. So beschloss ich kurzerhand ihn Zuhause aufzusuchen. Ich klopfte an die Tor und wurde freundlich von seiner Haushälterin hereingebeten. Sie war eine alte und rundliche Dame. Wenn ich mich recht entsinne ledig. Eine treue Seele der Familie Rains. Wäre ich ein anständiger Mensch, der niederes Hauspersonal ebenso achten würde wie ein Mitglied des eigenen Standes, hätte ich mir ihren Namen gemerkt, doch leider bin ich kein solcher Mensch. Zu meinen eigenen Bedauern. Wie dem auch sei. Die Haushälterin erklärte mir, dass sich mein guter Freund von einem Tag zum anderen in sein Arbeitszimmer eingeschlossen habe und niemanden sehe wolle, egal wer es sei. Nicht einmal sie selbst durfte ihn sehen. Sie stellte ihn die Mahlzeiten vor die Tür und wenn sie wiederkam, stand das Tablett leer vor selbiger. Die Höflichkeit gebot es mir, dass ich es wenigstens versuchen musste Thomas auf irgendwie geartete Weise wiederzusehen wie sie die Etikette erforderten, weshalb ich die Haushälterin fragte, ob ich ihn sehen dürfte. Wie erwartet verneinte sie. Selbstverständlich hatte ich bereits einen Notfallplan erarbeitet, der jegliche Etikette über Bord warf. Wenn meine Instinkte mich nicht trübten, war das vermeidliche Arbeitszimmer in der ersten Etage und am Fenster selbigen Raumes stand ein großer Baum. Aber ich musste dafür sorgen, dass die gute Seele des Hauses mir nicht rein zufällig in die Quere kam, sollte ich mich irren. Deshalb verwies ich auf eine besonders schmutzige Ecke des Raumes und machte sie darauf aufmerksam, dass sie diese noch einmal gründlich reinigen sollte. Zu meiner eigenen Schande argumentierte ich in arglistiger Weise, dass würden wichtige Gäste kommen die Familie Rains durch derlei einen Schaden ihres guten Rufes erleiden konnte. Die Haushälterin nickte mir ernst zu und wusste wovon ich sprach. Dann verabschiedete ich mich freundlich und überließ die nette Dame ihrer Tätigkeit.

Zu meinem Glück war das Fenster zum einen nicht verschlossen und zum anderen führte es direkt in das verschlossene Büro meines Freundes. Doch er war nicht zugegeben. Ich rief leise seinen Namen, doch es kam keinerlei Antwort. Gerade als ich mich näher im Raum umsehen und ihn nach Geheimgängen absuchen wollte, trat ich auf etwas unverhofftes und ein unterdrückter Schrei erklang neben mir. Ich sah erschrocken zu Boden, doch da war nichts, abgesehen von ein paar Männerkleidern. Instinktiv tastete ich vorsichtig vor mir und berührte etwas weiches, warmes, das mein Auge nicht zu erkennen vermochte. Ich erschrak allerdings noch mehr als ich die Stimme von Thomas vor mir vernahm. Nachdem ich mich gesetzt und den ersten Schrecken mit einem Glas Whiskey hinuntergespült hatte, erzählte mir mein Freund seine Geschichte. Ich traute meinen Ohren kaum, als er mir erzählte, dass er eines Tages ohne seinen Körper erwacht war. Über Nacht war dieser von dannen. Thomas stand vor einem Rätsel. Zuerst dachte er, dass der Tod seine Krallen nach ihm ausgestreckt hätte, doch er atmete und konnte mit seiner Umgebung interagieren. Ein für Gespenster untypisches Verhalten, zumal er einen Puls besaß, wie ich mich selbst versicherte. So unklar sein Zustand für ihn war, so klar war er für mich selbst, der sich seit Kindesbeinen an mit den kuriosesten Ideen beschäftigte. Auch wenn Thomas meine Behauptung bis heute für eine Fantasterei hält, so bleibe ich auf meinem Standpunkt, dass er ein Mensch war. Nichts hatte sich geändert, außer dass er körperlos war. Kein Gespenst oder wandelnde Leiche. Er war einfach nur unsichtbar, weil sein sichtbarer Körper abhanden gekommen war. Nie hatte jemand behauptet, dass wir Menschen nur einen einzigen materiellen Körper besäßen. Ich weiß nun, dass wir mindestens zwei besitzen. Einer sichtbar und einer unsichtbar, doch beide untrennbar miteinander verschmolzen. Mag mich jeder für diese Behauptung als wahnsinnig oder exzentrisch betiteln, ich weiß es besser. So begann meine Zusammenarbeit mit Thomas und der Suche nach seinem sichtbaren Körper.


Fortsetzung folgt...

Tod

Die nächsten Tage verbrachten Thomas und ich damit eine rege Korrespondenz zu führen. Wäre ich gleich am nächsten Tag ohne ein Wort in sein Leben getreten, obwohl ich gestern abgewiesen worden bin, hätte dies Verdacht erregt. Wir wussten nicht, wer noch alles von dem bedauerlichen Zustand meines Freundes wusste. Die Haushälterin hätte wissentlich oder unwissentlich Informationen weiterreichen können. Es sollte zunächst so aussehen als ob mein guter Freund versuchen würde von Zuhause aus seinen alten Tätigkeiten nachzugehen. Wir fädelten alles ein und ich machte hier und da bei einigen Arbeitern Bemerkungen über seine Instruktionen. Ich behauptete einfach, dass mein Freund aufgrund eines seelischen Leidens ausgelöst durch einen Unfall das Bett hütete. Für jeden Eingeweihten würde es so aussehen als ob er sich mit seinem Zustand abgefunden hatte.

Während dieser Zeit schilderte mir Thomas über seine Briefe wie er die letzten zwei Jahre hier verbracht hatte. Das Geschäft ging schlecht und nur wenige trauten sich in diese verfluchte Stadt. Die meisten Leute mieden diesen Ort. Es war einfach undenkbar, dass hier mal eine Stadt wie San Francisco entstehen würde. Vermutlich würde sich in zweihundert Jahren niemand mehr an diesen Flecken Erde erinnern. Nichtsdestotrotz hatte er hier eine Frau kennengelernt die ihn liebte. Ihr Name war Therese Schulz. Ein Mädchen aus gutem Hause mit deutschen Wurzeln. Sie hatten sich zufällig auf der Straße getroffen und sich zugleich verliebt. Ich forschte über diese Frau nach. Während seiner körperlosen Zeit hatte diese Dame nie Anstalten gemacht ihn in seinem Hause aufzusuchen, was ich schon als sehr verdächtig empfand, selbst wenn es den Etiketten entsprechen sollte. Darauf beschloss ich kurzerhand mir ein Bild von dieser Dame zu machen indem ich bei ihr vorsprach. Es war ein wirklich netter Nachmittag mit allerlei Geschwätz und Kuchen. Danach schloss ich sie als Verdächtige aus. Es gab einfach zu viele Ungereimtheiten. Zum einen beschrieb mir Thomas seine angebetete als junge blonde Frau, doch die Hausherrin war schon fortgeschrittenen Alters und Brünett. Es ist mehr einem Zufall zu verdanken, dass meine Nachforschungen nicht in einer Sackgasse endeten. Als ich nämlich das Gesprächsthema auf meinen Freund Thomas lenkte, so wusste meine Gesprächspartnerin nichts darüber. Noch nicht einmal gehört hatte sie von ihm. Doch das klirren eines herunterfallenden Tabletts mit frischem Tee lenkte unser beider Aufmerksamkeit auf das Hausmädchen. Während Mrs. Schulz ihre Angestellte tadelte, sah ich sie mir genauer an. Sie war jung, blond und hatte ungefähr dieselbe Figur wie ihre Arbeitgeberin. Und dabei fiel mir ihr entsetzter Blick auf den sie hatte als ich den Namen Thomas erwähnte.

Ich beschloss sie zu beschatten. Doch nach zwei Wochen gab ich dieses Unterfangen auf. Der Tagesablauf der Bediensteten war völlig unspektakulär. Sie arbeitete nur und ging dann in ihre eigene Unterkunft in die Stadt. Sie wohnte seltsamerweise nicht bei Mrs. Schulz. Das Wieso habe ich nie erfahren. Ich informierte Thomas über meine Entdeckung und beschrieb ihm beide Frauen sehr genau. Er identifizierte die Angestellte als seine Angebetete. Eines Abends beschlossen wir uns das Haus der jungen Frau genauer zu betrachten. Mein Freund hatte damit begonnen sich zu bandagieren. Er trug eine gefärbte Brille, damit Niemanden auffiel, dass unter den Verbänden nichts war. Dazu zog er seinen Hut tief ins Gesicht. So getarnt gingen wir beide zum Haus.

Es war ein Kinderspiel in den Keller einzudringen. Die Tür war nicht abgeschlossen. Aber nichts und niemand auf der Welt hätte uns auf das vorbereiten können, was sich dort befand. Es war ein Mädchen mit braunen langen Haaren, mit nichts als Schmutz und Unrat bekleidet. Das hervorstechendste Merkmal war allerdings ein blindes Auge neben einen schwarzen. Als ich ihr das erste Mal ins Antlitz blickte sah ich ein Alter welches die Entstehung allen Lebens beobachtet hatte und ebenso beobachtete es den Untergang von alledem. Obwohl das Kind nicht mehr als acht Sommer zählen mochte, wirkte es doch deutlich älter als sein Körper vermuten ließ. Erst jetzt fiel mir das komplexe Pentagramm auf, in welchem sich die verhärmte Gestalt befand. Ich werde die ersten Worte dieses Kindes nie vergessen. »Montgomery McNard und Thomas Rains, welch Freude euch zu treffen.« Die Stimme klang süß und herb zugleich.

Natürlich hatte keiner von uns beiden diese Person je gesehen und doch wirkte sie irgendwie vertraut. Das dürfte auch der Moment sein in welchem das Hausmädchen in den Raum stürmte. Ihr Reden war wirr und unzusammenhängend. An dieser Stelle werde ich mein Bestes geben um ihr Gebrabbel verständlich wiederzugeben. Sie hatte einen kleinen Bruder der an Scharlach gestorben war. Da er ihre einzige Familie gewesen war, stürzte sie dies in eine tiefe Depression. Dann kam ein junger Bursche daher mit stechend blauen Augen und weißen Strähnen im Haar. Die Augen fanden in ihrer Darstellung immer wieder Erwähnung. So sollten sie überaus furchteinflößend und dämonisch sein. Ein blaues Feuer, dass sich bis in ihre Seele einbrannte. Dieser Bursche erzählte ihr, wie sie den Tod in einen menschlichen Körper bannen könnte. Sobald dies vollbracht war, würde der gefürchtete Schnitter sich in ihrer Gewalt befinden und für physische Folter empfänglich sein, sollte er ihren Willen nicht folgen. Allerdings benötigte sie dafür einen materiellen Körper in den sie ihn zwang. Thomas war dabei so gut wie jeder andere Kandidat, den sie in ihrer Tarnung hätte auserkoren können. Sein Körper verwandelte sich in dieses Mädchen und wurde zu Tod. Sie sperrte sie in dieses Pentagramm ein, verweigerte ihr Sonnenlicht und Nahrung. Das Hausmädchen wollte nur ihren Bruder zurück. Doch Tod sprach nicht und reagierte in keinster Weise auf ihr Flehen und Wüten. Die Folter zeigte keine Wirkung. Tod blieb unbeeindruckt.

Als ihre Geschichte endete glaubte keiner von uns dieses abstruse Ammenmärchen. Selbst wenn wir schon einiges erlebt hatten, so war es doch unmöglich den Tod in einen Keller gefangen zu halten. Allein die Vorstellung war absurd. Ich schubste das flehende Hausmädchen beiseite und zerrte die vertraute Fremde aus dem Pentagramm. Kaum dass die Gestalt ihren Standort verließ und von meiner Hand zu Thomas rüber gezogen wurde, erschlaffte der Körper des Hausmädchens. Sie war auf der Stelle tot. Das fremde Mädchen erklärte uns, dass der Zauber sie nur dort halten konnte, da dieser mit ihrem Leben verbunden war. Sollte sie sterben, würde der Zauber erlöschen, allerdings funktionierte dies auch umgekehrt. Und in meinem blinden Aktionismus hatte ich einen Teil der Kreide auf dem Boden verwischt. Genug damit Tod entkommen konnte.

So steckte diese nun in einem menschlichen Körper fest, den sie nicht zurückgeben konnte. Mein Freund Thomas muss sich wohl oder übel mit seinem verbliebenen Körper abfinden. Die Leiche des Hausmädchens wurde gefunden und der Fall wurde schnell an Acta gelegt. Niemand will ein zweites Salem hier erleben. Was mich betrifft so ruft mich schon das nächste Abenteuer. Denn Tod sucht jenem der einen Teil ihrer Selbst in dieser Welt einfangen konnte. Wer immer dieser Bursche war, der dem Hausmädchen die Instruktionen gegeben hatte, er befindet sich immer noch unerkannt auf freiem Fuße und seine verderbliche Macht scheint unermesslich gefährlich zu sein, wenn selbst eine ruhige Person wie Tod ihn aufzuhalten sich gedrängt fühlt. Sie gestand, normalerweise einfach abzuwarten bis die Zeit für ihre eigene Pflicht reif war. Es bestand nie Eile oder böswillige Tricks um ihren Willen durchzusetzen. Der größte Teil von ihr existiert immer noch um und neben uns. Unerkannt lauert er in den Schatten auf den richtigen Zeitpunkt um unser Leben zu beenden. Somit hatte Tod nichts dagegen, dass ich ihr fürs erste eine Bleibe anbot. Ich glaube, ich werde sie adoptieren, damit die Leute nicht allzu viel Verdacht schöpfen. Ein Kind von der Straße zu adoptieren wie einen aussätzigen Hund ist doch genau das was man von einem exzentrischen Erben erwarten würde. Ich glaube ich gebe ihr den Namen Mitu.


The End

Eine neue Dimension

Dick und Stacey waren ein recht gewöhnliches Liebespaar, doch die Ereignisse in Rʼlyeh-City sollten ihre Leben schon ziemlich schnell durcheinander bringen. Dies begann damit, dass sie sich während der Schulzeit auf einen kleinen Hof in einem dunklen Winkel der Stadt trafen, um dort ungestört Dosenbier zu trinken und Zigaretten zu rauchen, ohne von ihren spießigen Vormündern dafür kritisiert zu werden. Aufgrund der gespenstischen Ruhe war dies ihr beider Lieblingsplatz. Was allerdings die morschen Holzkreuze mit den Federn und Garn sollten, wussten sie nicht. Keine Ahnung, was hier früher einmal gewesen war oder wieso die Menschen diese Gegend mieden wie die Pest. Aber dafür gaben die Dinger gute Rückenlehnen ab.

»Das Leben suckt echt!«, meinte Stacey, als sie sich die nächste Kippe anzündete.

Dick musste darauf den Oberkörper etwas nach hinten verlagern, um nicht den pinken Ihro seiner Freundin im Gesicht zu haben. »Du sagst es. Schule suckt. Eltern gehen einen auf den Sack. Und alle wollen, dass man sich um die eigene Zukunft kümmert.« Er nahm einen Schluck aus der Bierdose. »Was wissen die schon.«

Dick schmiss seine halbleere Dose gegen eines der Kreuze und stieß es damit um. »Strrrrrriiiiiiiike!!!«

»Du bist so ein Vollpfosten«, tadelte ihn Stacey glucksend.

»Aber ich bin dein Vollpfosten«, meinte Dick darauf und küsste sie.

Dabei achteten beide nicht darauf wie eine Geisterhaiflosse plötzlich aus dem Boden trat und auf das Liebespaar zusteuerte.

Stacey zog ihre Jacke aus, ebenso wie ihr weißes Shirt mit dem großen A und den BH darunter. Gerade als Dick ihre Brüste ordentlich durchkneten wollte, sprang ein geisterhafter Schemen durch sein Sichtfeld und ließ von Staceys Oberkörper nur noch den Kopf übrig.

»Scheiße, was soll das?!!« Der Punker wich gerade rechtzeitig zurück, denn wenn er es nicht getan hätte, wäre er zusammen mit den verbliebenden Beinen verschlungen worden.

»Oh Gott!«, war alles was er von sich geben konnte, während er aufsprang und versuchte vor diesem Monster zu fliehen, welches genauso gut einem Trash-Film entsprungen sein könnte. Ich meine, jetzt mal ehrlich, wer würde einem schon glauben, dass ein Dämonengeisterhai bei einer uramerikanische Stätte versiegelt worden wäre? Aber in Anbetracht, dass diese Handlung in Rʼlyeh-City angesiedelt ist, macht es halbwegs nachvollziehbar. Immerhin ist diese Stadt schon seit jeher ein Treffpunkt der merkwürdigsten Seltsamkeiten. Ironischerweise sind wir noch nicht an dem Punkt der Geschichte angelangt, wo es seltsam wird. Denn erst als das unlebendige Ungeheuer unseren lieben Dick im Flug den Kopf abriss und aß entfaltet diese Geschichte ihre wahre Wirkung...


»Auuuuuu. Mein Schädel. Ich hatte noch nie solche Kopfschmerzen.«

»Er ist wach! Er ist wach!«, drang Staceys Stimme an Dicks Ohren.

»Das sehe ich selbst, Trottel!«

Dick musste ganz schön was abbekommen haben. Hätte er es nicht besser gewusst, würde er behaupten, dass Stacey gerade mit sich selbst stritt. Als er die Augen öffnete sah er ihre verschwommenen Umrisse. »W-wo sind wir?«

»Wenn du mich fragst, sind wir im Bauch des Hais«, meinte Stacey.

»Dich hat er aber nicht gefragt, sondern mich!«, wieder Stacey.

»Hey, ich hatte einen echt krassen Traum. Wir waren an unserem Lieblingsort und sind dort von einem Geisterfischstäbchen gekillt worden.« Sein Blick wurde dabei scharf und ihn überkam die Kenntnis wie siedend heißes Öl das über seinen Rücken gegossen wurde. Ihm starrte nämlich ein kopfloser Oberkörper mit entblößter Brust entgegen, neben welchem der passende Unterkörper stand.

»Oh mein Gott! Stacey?! Bist du das?!«

Der Unterkörper machte einen Schritt nach vorne. »Ich bin es, Dick. Ich weiß, das kommt dir etwas merkwürdig vor, aber ich verspreche, wir stehen das durch.« Es war grotesk einem halben Leib dabei zuzusehen wie er mit einem sprach. Er hatte keinen Mund oder ähnliches, aber dennoch kamen die Laute eindeutig von ihm.

»Er hat mit mir geredet!«, fauchte der Oberkörper.

»Gar nicht!«

»Doch, Bitch!«

»WAS ZUM-?!« Erst jetzt erkannte Dick, dass sie nicht mehr in Rʼlyeh-City waren. Diese Welt war wie von einem wahnsinnigen Gott im Drogenrausch in seiner eigenen Kotze erschaffen worden. Es gab keinen Boden oder ähnliches, zumindest war er nicht zu sehen. Die Umgebung bestand nur aus Neonfarben die sich ständig in Wellen änderten und purer Dunkelheit. Nichtsdestotrotz schien es eine Art von Lichtquelle zu geben, denn die beiden Hälften von Stacey warfen Schatten. Alles was Dick sah, ergab überhaupt keinen Sinn. Es war als wäre er in einem Manga oder Anime gelandet.

»Hi, ich bin Bob.«

Am liebsten wäre der Punker zusammengezuckt, statt wie ein Mädchen kurz aufzuschreien, als er den auf seinen Hoden watschelnden Penis sah, welcher sich gerade eben vorgestellt hatte.

»Ja, ja, ich weiß, es ist echt seltsam hier. Aber man gewöhnt sich daran. Und seht es doch mal positiv, wenigstens seid ihr mehr als eure Geschlechtsteile, he!«, machte er und versuchte es irgendwie aufmunternd klingen zu lassen, als das jedoch nicht funktionierte fügte er ein weiteres »He!« hinzu, dieses Mal jedoch mit ein wenig mehr Nachdruck. Allerdings trat darauf ein Moment peinlichen Schweigens ein.

»Hallo und herzlich Willkommen, hier in meiner Dimension.« Aus dem Nichts manifestierte sich eine abstrakte Gestalt oder ein Gegenstand, an diesem Ort war so etwas schwer zu bestimmen. Zuerst erschien die Silhouette, welche in grelles Licht getaucht war. Es besaß die Form einer Ananas, doch nachdem das Licht verblasste und einen genaueren Blick auf das Ding zuließ, erkannte man, dass es zwar wie eine Frucht geformt, jedoch keinerlei Ähnlichkeit damit aufwies. Die Haut war von einem gräulichen Rot, das eine Auge war geformt wie ein Ei und schien zugleich sein Mund zu sein. Vier längliche Gliedmaßen ragten aus seinem Körper und erinnerten entfernt an Schnürsenkel. Die Haare waren statische Tentakel mit Saugnäpfen, aus denen federlose Hähne ihre Häupter entgegenstreckten und sich unwillkürlich wieder zurückzogen.

»Hey, Jɘff«, grüßte Bob die skurrile Erscheinung. »Wieder hier für ein Status-Update?«

»Schnell geschaltet, Kleiner. Also, ihr seid die Neuen, von daher erkläre ich euch mal eben alles. Aber das tue ich nur einmal. Der Jɘff sagt nie etwas ein zweites Mal.«

»Wie war das?«, fragte der Unterkörper. »Sorry, ich war grade etwas von Dick abgelenkt. Sieht er nicht hinreißend aus?«

»Der Jɘff sagt nie etwas ein zweites Mal.«

»Wie war das? Sorry, könntest du es nochmal wiederholen«, neckte Staceys Oberkörper.

»Wie ich bereits sagte, der Jɘff... Wobei ... Jetzt habe ich es ein zweites Mal gesagt. Nein, sogar drei- Ist ja auch egal. Ihr Menschen wisst ja, was Social Medias und Götter sind.«

»Klar, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?«, fragte der Oberkörper.

»Wisst ihr, wir Götter haben ebenfalls soziale Netzwerke und eigene kleine Projekte und das hier ist meins. Ich lasse Geisterhaie Menschen und Gegenstände fressen und diese dann hier in dieser zu diesem Zweck geschaffenen Dimension gegeneinander kämpfen.«

»Klingt ziemlich dämlich«, erwiderte Dick trocken.

Mit einem Mal veränderte sich die Atmosphäre. Alles wurde düster und Dick fühlte wie die Existenz auf dieser Ebene in ihrer Essenz kochte und zu zerspringen drohte vor lauter Wut. »Nenn mich NICHT dämlich!«

»Sorry, mein Fehler«, ruderte der Punker panisch zurück. »Echt mal, eine eigene Dimension für Social Medias zu bauen ist voll töfte. Echt, man!«

Mit einem Male normalisierte sich alles. Scheinbar hatte dieser Jɘff die Spitzfindigkeit von Dick nicht bemerkt. »Ganz meine Meinung. Es ist halt Cool für Götter zu sehen wie abgetrennte Körperteile gegen gefressene Gegenstände kämpfen, die zum Leben erweckt wurden. Also: Unterhaltet die Menge und zeigt allen was für ein großer Künstler ich bin. Und was euch angeht, meine lieben Zuschauer: Abonniert mich, folgt mir, watcht mich oder kackt mir vor die Haustür. Mir egal was ihr macht, um mir eurer Wohlwollen zu zeigen. Für ein wenig Aufmerksamkeit tue ich absolut alles. Ich bin eine totale Hure. Bis zum nächsten Mal, Leute.« Und damit tauchte die Gestalt sich selbst in Licht um daraufhin zu verschwinden.

Dick starrte immer noch fassungslos zu dem Fleck wo die Kreatur eben noch schwebte, doch dann wurden sie von einem Autorreifen und einer Wagentür attackiert. Das war von nun an ihr Leben, zumindest bis die zum Leben erwachten Gegenstände sie töten würden.

 

The End

Durch dämonisches Blut verbunden I

Kathleen hatte eindeutig zu viel getrunken, doch glücklicherweise war ihre Wohnung nur ein paar Straßen weiter. Ansonsten hätte sie noch Geld für ein Taxi ausgeben müssen. Hoffentlich würde sie dieser schnuckelige Typ anrufen. Mit Mike lief es in letzter Zeit nicht so gut. Aber ob der Kerl im nüchternen Zustand immer noch so süß war? Im Moment war das aber egal. Mit einem Mal legte sich ein Schatten über sie und dann wurde alles schwarz...


Cindy wachte schweißgebadet auf. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Schon wieder so ein seltsamer Traum, an den sie sich nur noch verschwommen erinnern konnte. Es war nun schon drei Wochen her seitdem die falsche Kathleen gestorben war. Cindy verfluchte inzwischen ihre eigene Dummheit. Sie hatte diese Bonbons angenommen, obwohl sie wusste, dass etwas nicht stimmte. Nun befand sie sich in einer Situation die sie nicht recht einzuordnen vermochte. Körper und Geist hatten sich seitdem sehr verändert. Sie war ständig hungrig, was in Anbetracht ihres physischen Zustandes nur allzu verständlich war. Cindy war eigentlich immer recht klein gewesen, doch sie war um einige Zentimeter gewachsen. Ihre Arme hatten neben ihrer Körpergröße mächtig an Muskelmasse zugelegt, obwohl sie nicht trainierte. Alleine schon wegen ihres Six-Packs hätte sie bestimmt Monatelang hart arbeiten müssen, doch ihr Körper hatte von selbst diese Masse aufgebaut. Sogar ihr einst flacher Hintern besaß nun eine wohlgeformte Rundung. Es gab keine Klamotten mehr, die ihr passten und sie musste noch bis Ende nächsten Monats warten ehe sie ihr knappes Gehalt für eine neue Garderobe ausgeben konnte. Solange stahl sie die Kleidung von ihren One-Night-Stands, sofern sie ihr passten. Es war ihr ein völlig unbekannter Wesenszug sich die Nächte in Bars und Diskos um die Ohren zu schlagen um andere aufzureißen. Früher hatte sie sich immer in ihre kleine Wohnung zurückgezogen, dort gelesen und ein Fertiggericht vor dem Fernseher verzehrt. Doch diese Zeiten waren vorbei, seit ein starkes sexuelles Verlangen sie fest im Griff hatte. Eigentlich war sie Hetero doch nun war ihr plötzlich egal wer oder was ihr die Befriedigung verschaffte. Sie war schon mit vielen verschiedenen Menschen, Geschlechtern, und Geschlechtsidentitäten aufgewacht. Sogar manche Tiere hatten eine anziehende Wirkung auf sie. All das verstörte sie zutiefst, war sie doch stets gläubig gewesen und hatte jene Verachtet die ihren Trieben hemmungslos nachgingen. Wie lange noch, bis sie völlig die Kontrolle verlor? Es hatte nur einen kleinen Schritt bedurft ehe sie jeden Menschen als Sexpartner akzeptierte. Doch bei Tieren zog sie eindeutig die Grenze. Das war ihr zu abartig. Aber nun galt es erst einmal den Ort des Geschehens zu verlassen. Cindy verbrachte ihre Wochenenden lieber in der Wohnung. Sie durchsuchte leise die Kleidung ihres aktuellen Partners und wunderte sich, dass es Frauenkleidung war, obwohl sie sich sicher war, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte. Oder etwa nicht? Sie hatte nicht so wirklich darauf geachtet, da sie das innere Verlangen vereinnahmt hatte. Oder war es doch wieder ein Transvestit? Aber sie durfte auch nicht zu viel darüber nachdenken. Sie konzentrierte sich lieber darauf, ob es ihre neue Größe war, aber dem war leider nicht so.

Frustriert von ihrem neuen Leben machte sich Cindy aus dem Staub. Es ging ihr einfach zu viel durch den Kopf. Bestimmt würde es ihr besser gehen, wenn sie eine Weile durch die Stadt lief. Wo war die echte Kathleen? Wieso rief sie nicht an? Konnte sie nicht? Wollte sie nicht? Oder war dieses Gefühl eines Rufes mehr als es schien? Alles war durcheinander. Kaum blickte Cindy auf, wurde ihr bewusst, dass sie sich verlaufen hatte. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht darauf geachtet hatte wohin sie überhaupt lief. Jetzt war sie irgendwo in einem verlassenen Gebäude, welches scheinbar mal eine Art Lagerhalle oder ähnliches gewesen war.

Ein paar Fledermäuse oder ähnliche Kreaturen der Nacht flogen oben an der Decke, als sie ein lautes Knurren aus der Finsternis vor ihr vernahm, welches sie zurückschrecken ließ. Doch nach nur diesem kurzen Moment zog sie etwas mit laut pochendem Herzen tiefer in diese Dunkelheit. Es war ein magischer Moment in welchem sich jegliches rationales Denken bei Cindy ausschaltete. Sie musste dort drüben beim Ursprung des Knurrens sein. Dort gehörte sie hin. Sie war ein Teil dieses Wesens und das Wesen war ein Teil von ihr. Sie gehörten zusammen und nicht getrennt. Der Pulsschlag wurde immer heftiger und intensiver. Ein Geräusch hinter ihr ließ sie zusammenfahren. Höchstwahrscheinlich war es von der selben Kreatur. Nach nur einem weiteren Schritt hielt Cindy vor Angst keuchend inne. Ein heißer Atem schlug ihr im Nacken entgegen. Es war jetzt hier. Freude und Furcht waren in diesem Augenblick gleichstark vertreten. Obwohl sie in dieser Finsternis nichts sehen konnte, drehte sich Cindy um. Sie tastete sich dorthin wo sie das Gesicht vermutete. Es war warm, behaart und zeigte keinerlei Anspannung, zumindest keine die ihr mit den Fingern aufgefallen wäre. Es war ganz ruhig und ließ auch keinen Laut von sich geben, der auf eine aggressive Haltung hindeutete. Nicht wissend, was sie tat, zog Cindy das Gesicht näher zu ihrem und küsste es. Es war seltsam ungewohnt eine Schnauze zu küssen, doch es fühlte sich gleichzeitig auch richtig und natürlich an. Die raue Tierzunge erwiderte sogar den Kuss. Sie drang forsch und zugleich doch lieblich ein. Es gab Cindy das, was ihr so sehnsüchtig fehlte und kein Sex der Welt ihr geben konnte.

Nach dem Kuss rannen ihr heiße Tränen die Wangen hinunter und sie umarmte das Haupt der Kreatur. »Kathleen! Ich wusste, dass du nicht tot bist.«


Fortsetzung folgt...

Durch dämonisches Blut verbunden II

»Wo ist es nur? Argh! Typisch. Jahrelang verstecke ich dieses staubige Ding, doch wenn ich es mal brauche finde ich es nicht.«

Als Cindy noch ein Teenager gewesen war hatte sie sich etwas mit schwarzer Magie beschäftigt. Damals war sie in den Besitz einer Beschwörungsformel gekommen die einen Dämon herbeirief der einen im Austausch für Gefälligkeiten Wünsche erfüllen sollte. Wenn sie es richtig in Erinnerung hatte war diese Kreatur so in etwa wie ein Kaufmann. Bloß dass er nicht mit Geld bezahlt wurde. Allerdings hatte das kleine Mädchen von damals nicht den Mut besäßen die Beschwörung durchzuführen. Auf den letzten Etappen hatte sie die Angst gepackt und die Materialien waren in einem Wandschrank verschwunden. Doch nun hatte die Frau von heute einen Verwendungszweck dafür. Wenn dieser Dämon Kathleen heilen konnte, würde er alles bekommen was er wollte. Solange Kathleen wiederkam würde sie alles tun, koste es was es wolle. Sie war verzweifelt und griff nach jedem Strohhalm, ganz gleich wie unwahrscheinlich oder unwirklich es war.

So kam es, dass sie sich im Handumdrehen auf dem Boden ihres Zimmers kniete und nach dem Finden die Formel aufsagte. Während die Worte aus ihrem Mund kamen, begann das Zimmer sich immer schneller und schneller zu drehen. Die Farben verwischten so wie beim letzten Mal. Cindy wurde schwindelig. Der Raum wurde zu einem rötlichen Strudel. Als die Frau die letzten Worte herausbekam, wurden die Drehungen langsamer, bis sie schließlich zum Stillstand kamen. Sie befand sich nicht mehr in ihrem Apartment, sondern in einer kargen felsigen Welt mit brennendem Himmel. Die Luft flimmerte so stark, dass sie die ganzen Gestalten um sich herum nur verschwommen wahrnahm. Sogar die Geräusche um sie herum wurden davon beeinträchtigt. Es fiel auf dass alles irgendwie leise und verzerrt klang. Sie musste heftig atmen und fühlte einen Schock herannahen. Sie hatte damit gerechnet dass der Dämon in ihrem Zimmer erscheinen würde. Nicht dass sie sich in dessen Welt begab. Sie hatte die Formel falsch vorgetragen, dass wusste sie. Mit einem Mal drehte sie sich um und begab sich in Kampfstellung, ohne genau zu wissen wieso. Erst jetzt merkte sie das näherkommende schlängelnde Geräusch, das als einziges nicht verzerrt klang.

»Du musst neu sein«, bemerkte eine keuchende Stimme, die zwischen den Worten laut atmete. »Willkommen auf dem Dämonenbasar. Dabei handelt es sich um eine Zwischensphäre in welcher sich Menschen, Dämonen und andere ungestört ihren Geschäften widmen können. Da du mich gerufen hast, brauche ich meine Wenigkeit nicht weiter vorzustellen. Ich habe viele Namen, doch bevorzuge ich die Bezeichnung Seelenverkäufer. Eigentlich hat mich eine junge Hexe aus reinem Sarkasmus so getauft, doch muss ich gestehen, gefällt es mir, aber sag ihr das bitte nicht.«

Der Seelenverkäufer besaß den Unterleib einer Schlange und den Oberkörper einer Mumie. Zumindest ließen die graue pergamentartige Haut, die antikägyptisch anmutende Kopfbedeckung und die losen Bandagen auf dem vertrockneten Körper es so aussehen. Trotz des schwächlichen Körperbaus wirkte seine Gestalt doch recht einschüchternd. Wie ein Monster aus einem Horrorfilm.

Ungeachtet ihrer entsetzten Mine fuhr der Dämon mit geschäftlichen Tonfall fort. »Also lass uns handeln.«

Mit einem Male war Cindy wieder die graue Maus von früher. Ihr Gegenüber machte sie dazu, allerdings wusste sie nicht ob es ihr gefallen sollte oder nicht. »M-meine Freundin ist ein Monster.«

»Ein Werwolf?«

Cindy schüttelte verängstigt den Kopf. »Eine Art von Dämon oder sowas.«

»Ein Jammer. Einen weiteren Werwolf könnte ich in meinem Kundenkreis gut gebrauchen.« Mit einem Mal fuhr er sehr nah an Cindy heran und schnüffelte an ihr. Die Frau stand kurz davor sich in die Hose zu machen. »Ah! Ich sehʹ schon. Etwas von diesem Artgenossen steckt auch in dir.«

»K-kannst du ihr helfen? I-ich tue alles, wirklich alles, damit sie wiederkommt.«

»Und was ist mit dir?«

»Mir egal. Solange es Kathleen gut geht, komme ich schon klar mit dem ... mit der Situation.«

»Eine Trennung der beiden dürfte selbst für jemanden mit meinen Fähigkeiten unmöglich sein. Ich könnte die Verschmelzung allerdings zu ihren Gunsten beeinflussen.«

»A-aber das ist nicht das was ich will. Ich will sie zurück. So wie sie war.«

»Was allerdings nicht möglich ist. Die Verwandlung ist fast vollständig. Ich könnte höchstens das Kräfteverhältnis vertauschen. Statt ein Funke Menschlichkeit in Gestalt eines Monsters, würde sie in der Gestalt eines Menschen einen Funken Monstrosität inne haben. Das ist mein einziges Angebot das ich dir machen kann, leider.«

Cindy traute sich fast nicht diese überaus wichtige Frage zu stellen. »W-was würdest du denn als Gegenleistung wollen?«

»Du könntest mir ein Buch besorgen. Ein ganz spezielles. Danach wären wir Quitt. Zumindest was deine Freundin angeht. Was dich und dein ... Problem betrifft so wäre dazu eine weitere Verhandlung nötig. Sage mir, hübsches Kind, wie ist es von einem Tier begattet zu werden?«

Cindy errötete sichtlich. »I-i-ich habe nicht-«

»Noch nicht«, erwiderte die Kreatur. »Doch bevor wir auf weitere Deals oder die Details über unseren jetzigen Handel eingehen, lass mich dir ein Geschenk machen. Da du offensichtlich verliebt bist und vermutlich bei der Organisation meines Buches Hilfe benötigst, werde ich meinen Teil der Abmachung jetzt schon erfüllen. Allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum, versteht sich. Sagen wir bis zum nächsten Vollmond. Nach eurer Zeitrechnung müsste das in zwei Wochen sein. Wenn ihr bis dahin euren Part nicht erledigt habt, wird unser Vertrag null und nichtig, weshalb die Bestie zurückkehren und diese Kathleen verschlingen wird. Also, was die Gegenleistung betrifft...«


Am nächsten Morgen ging Cindy Schnurstraks in das Gebäude in welchem sie Kathleen gefunden hatte. Sie musste wissen, ob es ihr gut ging. Die letzte Nacht hatte sich sehr in die Länge gezogen und die Zauberformel hatte sie stark in Anspruch genommen. Wäre sie nicht einfach vor Angst und Erschöpfung zusammengeklappt, hätte sie sich sofort auf den Weg gemacht.

Sie fand Kathleen schlafend in einer dreckigen Abdeckplane gewickelt vor. Cindys Herz machte einen Hüpfer als sie ihre Freundin geheilt wieder vorfand. Als sie sich zur ihr hinunter beugte, ihren wohltuenden Duft wahrnahm und ihr leicht durchs Haar fuhr, fiel ihr wieder etwas ein das der Seelenverkäufer gesagt hatte.

»Du magst zwar Abstreiten sie zu lieben, doch ich weiß es besser. Die menschliche Liebe fasziniert mich seit jeher. In sämtlichen Farben und Formen. Kunden die ihre Liebsten bereits in Händen halten und drohen diese wieder zu verlieren sind deutlich motivierter mir zu bringen was ich verlange.«

War Cindy wirklich in Kathleen verliebt?


The End

Die Wahrheit über den X-Day

Am 20. Dezember 2133 – genannt X-Day – erfasste eine Explosion unbekannten Ursprungs Rʼlyeh-City und verwandelte die Einwohner in hässliche Mutanten und seltsame Freaks, während die Stadt in eine andere Dimension verfrachtet wurde. So lautet zumindest die offizielle Version. Fun Fact: An jenem Tag war die Premiere von McTonalds neuen Burger gewesen, den alle laut Staatsverordnung zu probieren hatten. Aber das hatte mit dieser ganzen Scheiße am X-Day nichts zu tun. Doch es gab einige, die diesen Nonsens mit der Explosion nicht glauben wollten. Eine dieser Personen war Johnny Trendt, ein Versicherungsdetektiv der sich einzig und allein von seinem scharfen Verstand und seiner Vernunft leiten ließ. Seiner Meinung nach handelte es sich bei all dem nur um einen ausgeklügelten PR-Gag. Irgendjemand wollte bestimmt sein neustes Buch oder einen neuen Film/Serie oder so etwas ähnliches promoten. Zu diesem Zweck hatte er einen Haufen Schauspieler, Technik und die dazugehörigen Leute herangeschafft. Etliche wussten bestimmt noch nicht einmal, dass sie gerade für kommerzielle Zwecke instrumentalisiert wurden. Sie machten einfach bei diesem Wahnsinn mit. Bestimmt waren es nur einige tausend Darsteller die mithilfe von Massenpsychologie und Hysterie die Leute beeinflussten. Doch nicht mit einem Mann wie Johnny Trendt. Er würde die Wahrheit aufdecken und diesen Schwindel auffliegen lassen. Er musste lediglich die Zentrale finden, von der aus alles gesteuert wurde.

Heute würde er mit seiner Suche Erfolg haben, das hatte er im Urin. Bei seinen Erkundungen durch die Stadt war er auf ein Einkaufszentrum gestoßen, in welchem reges Treiben herrschte. Er hatte schon einige Nester von Plünderern erkundet, doch dies war etwas anderes. Es war zu groß und zu gut organisiert, um irgendeiner Bande von Asozialen zu gehören. Er schlich über die Feuerleiter auf das Dach und ging an den Kuppeln mit ihren Grünanlagen vorbei. Die mutierten Bienen ignorierte er vollkommen. Es musste sich dabei um Androidentechnologie handeln, wie er sie häufig bei den Mutanten zu sehen bekam. All dies sollte das ungeübte Auge nur verwirren. Er musste sich lediglich über die Dachlucke ins Innere abseilen und von dort einen Raum voller Computer suchen. Auf leisen Sohlen schlich er über die Etage und orientierte sich erst einmal.

Ein leises Räuspern ließ ihn aufschrecken. Hinter ihm stand eine Frau im Hoodie mit Totenkopfbemalung und seltsamen Kontaktlinsen. An den Seiten ihrer Hüften hingen zwei Kama, als wäre sie der Schnitter persönlich. »Kann ich Ihnen helfen?«

»I-ich ... also ich ... äh ...«, versuchte Johnny sich irgendetwas einfallen zu lassen. Niemand bot derartige Technik auf, um am Ende von unliebsamen Zeugen entlarvt zu werden. Sie würden den armen alten Trendt verschwinden lassen müssen. Mit dieser Erkenntnis endete er seinen Gedanken mit den glorreichen Worten: »Ich muss weg!« Damit floh er halsüberkopf und wäre auch beinahe entkommen, hätte die Dame ihn nicht nach ein paar Metern beim Kragen gepackt, ihn aufs übelste verprügelt und anschließend hochkant aus dem Einkaufszentrum geworfen.


»Ich schwöre dir, ich stehe kurz davor diesen Laden hochgehen zu lassen. Dort geht etwas vor sich und dem werde ich auf den Grund gehen.«

»Wie oft denn noch, Johnny? Es gibt keine Verschwörung.« Hätte die KI vor lauter Frustration stöhnen können, sie hätte keine Skrupel diesen menschlichen Akt zu vollziehen.

»Wie oft denn noch, Lexa? Deine Daten werden manipuliert. Was weiß ein Büro schon von solchen menschlichen Dingen wie Betrug?«

»Nichts«, gab die körperlose Stimme zu. »Ebenso wenig weiß ich von menschlichen Dingen wie Paranoia.«

»Wie oft denn noch?! Ich bin nicht verrückt!«

Wieder wünschte sich Lexa stöhnen zu können, denn nun würde sie den Tag über nichts anderes tun, als mit Johnny über seinen Irrsinn zu diskutieren. Es stimmte zwar, dass sie von geistiger Gesundheit keinen Schimmer hatte, doch sie hatte schnell erkannt, dass man mit logischen Argumenten Verrückte nicht von ihren Irrtümern überzeugen konnte. So waren Menschen nun mal. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte, egal was die Logik dazu sagte.


The End

Dämonisches Blut I

Peter Miller arbeitete nun schon seit fast drei Jahren als Detective beim RCPD. Er besaß weder besondere Fähigkeiten noch war er in seinem Job besonders herausragend. Sein einziges Talent bestand darin die Beschwerden des Alltages zu umschippern und in seiner Abteilung zu überleben. Denn zu seinem Glück oder Unglück arbeitete er in der Abteilung »Sonstiges«. Eine Abteilung mit dem sich kein anderes Police Department in den USA rühmen konnte, geschweige denn wollte. Offiziell diente diese Abteilung als Aushilfe, sollte beispielsweise das Mord- oder Drogendezernat mal wieder überlastet sein. Die Wirklichkeit sah jedoch so aus, dass seine Abteilung sämtliche Fälle zugeschoben bekam, wie sie in der Serie Akte X hätten vorkommen können. Niemand wusste, wie groß diese Abteilung war. Manche meinten jeder zweite sei diesem Dezernat zugehörig, während andere meinten, dass es nur ein erlesener Kreis von Auserwählten war. Peter jedoch interessierte dies herzlich wenig. Er war nur froh, dass er in seinem Metier nicht die üblichen Probleme hatte. Die meisten hielten kein Jahr hier durch. Wie sollten sie auch? Menschen verschwinden, sterben auf kuriose Art, Monster wurden gesichtet und seit neuestem gab es Gerüchte über umherlaufende Superhelden sowie Übermenschen. Am Ende stand dann ein Burn-out, doch so viel Schwein hatten die wenigsten. Da waren Nervenzusammenbrüche schon häufiger, aber auch dies waren noch die Glückspilze, ebenso wie jene die mit den merkwürdigsten körperlichen und seelischen Verletzungen davonkamen. Die meisten verschwanden einfach nach einer gewissen Zeit und wurden nie wieder gesehen oder aber ihre Leichen wurden irgendwo, irgendwann, in irgendeinem seltsamen Zustand ungeklärter Todesursache aufgefunden.

Peters Strategie um diesen Job zu überleben, war recht simpel. Er bewältigte die Arbeit mit einem Müßiggang der an Lustlosigkeit kaum zu unterbieten war. Ihm war wichtig, dass er nur das Nötigste tat und seine Nase nicht in fremde Angelegenheiten steckte. In so einer Abteilung verlangte man auch nur selten Ergebnisse. Und wenn alle Stricke rissen, konnte er sich immer noch auf das alte Klischee verlassen einen Ausländer oder Schwarzen zu beschuldigen und an den Pranger zu stellen. Er selbst war zwar nicht rassistisch, aber wenn die Leute ihn dadurch in Ruhe ließen und glücklich waren, sollte es ihm recht sein. Aber sein Prunkstück an Unverschämtheit war sein Partner John, der John von dem er behauptete, dass es ihn wirklich gab, um den Eindruck zu erwecken dass er einen imaginären Freund hatte. Natürlich tat Peter dies nur, weil er keine Lust auf einen echten Partner hatte. Und da er sowieso in dieser Abteilung feststeckte, wurde ihm einiges verziehen. Ob man es nun glauben wollte oder nicht, so war ein imaginärer Freund noch einer der harmloseren Spleens. Und ein echter Partner konnte für eine Menge Probleme sorgen, insbesondere wenn er korrekt und gewissenhaft arbeitete. Diese Typen gingen als erstes drauf.

Zum Glück war Peter keiner von ihnen, wer weiß wie diese Geschichte sonst verlaufen wäre. Er spielte gerade Online-Poker, als ihm eine neue Fall-Akte auf den Tisch geknallt wurde. Gelangweilt überflog er die Berichte. Ein Haufen Junkies, die sich gegenseitig unbeschreiblich grausame Dinge antaten. Zunächst einmal nichts ungewöhnliches, aber so einfach war es nie und so musste der Detective wohl oder übel doch den gesamten Bericht lesen. Tatsächlich zeigten ihre Körper im Autopsiebericht Anzeichen seltsamer Veränderungen auf. Manche besaßen innere kaum ausgebildete neue Organe. Andere hatten ungewöhnlich harte Nägel oder aber eine veränderte Struktur der Haut und Haare. Aus diesem Grunde wurde der Fall an die Abteilung Sonstiges weitergereicht. Aber ehe er sich erst einmal an die müßige Kleinarbeit mit den Zeugenaussagen und der Suche nach der Nadel im Heuhaufen beschäftigte, galt es diese Partie Online-Poker zu beenden.

 

Fortsetzung folgt...

Dämonisches Blut II

»Guten Tag, mein Name ist Kathleen, aber bitte nennen Sie mich Kat. Es ist mir ein Vergnügen«, sie setzte den Lippenstift an und ließ ihn über die Lippen fahren, »Ihre Bekanntschaft zu machen.« Diese simplen Worte lernte sie nun schon seit Tagen und leierte sie gebetsartig herunter, dennoch bemühte sie sich dabei um eine gewisse Authentizität. Ein jeder sollte ihr glauben, dass sie wirklich die war, für die sie sich ausgab. Aber sie musste zugeben, dass es ihr mit jedem Tag leichter fiel.

Sie drückte ihre Lippen einander, legte den Stift offen zurück auf die Kommode an der sie saß und schenkte sich abschließend ein reizendes Lächeln. Ihr teils verzerrte Spiegelbild erwiderte es. Vermutlich wäre es noch schöner gewesen, wenn sie nicht in einem Anfall von Zerstörungswut ein Loch in die linke Ecke geschlagen hätte. Denn darum ging es einzig und allein in ihrem Leben. Chaos und Zerstörung waren die einzig schönen Dinge für die es sich zu leben lohnte. Das gesamte Apartment zeugte von dieser Ansicht. Es war heruntergekommen und verwüstet. Das Geschirr stapelte sich, die Möbel waren zerfetzt und auseinandergerissen worden und irgendwo unter ihren Trümmern lag seit Wochen die Leiche eines jungen Mannes und verrottete vor sich hin. Vermutlich handelte es sich um den Freund der echten Kathleen, deren Aussehen sie angenommen hatte. Während sie sich im Spiegel betrachtete erblickte sie im Hintergrund einige Fotos von ihr. Wieso sie ihre Haare nie dunkelgrün gefärbt hatte, würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben, denn es stand ihrem Gesicht wirklich ausgezeichnet.

Ein tiefes Grummeln vom Bett erinnerte sie daran, dass es bald an die Arbeit ging und sie sich zuvor noch um die echte Kathleen kümmern musste. Diese lag nämlich gefesselt auf dem Bett und wurde täglich mit Beruhigungsmittel vollgepumpt. Eines Tages würde die falsche Kathleen sie wieder frei lassen, doch es war noch nicht so weit. Schon allein wegen des Fortschritts ihrer Veränderung. Es war immer noch zu viel Menschliches an ihr, auch wenn ihre Gestalt es kaum erahnen ließ. Sie besaß nun den Körperbau eines Bodybuilders der mit einem Arm zwei LKWs ziehen konnte, was ihr die weiblichen Rundungen kostete. Die mächtigen Arme endeten in gewaltigen mit Krallen bewehrte Pranken. Über ihren Pelz trug sie harte Knochenplatten zwischen denen vereinzelte lange Haare hervor lugten. Ihr Gesicht besaß noch einzelne menschliche Züge, aber es verblasste mit jedem Tag etwas mehr. Ihre blauen Augen waren schon mit dem tiefen Gelb der dämonischen Natur durchzogen die von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie wimmerte die Gestalt ihres ehemaligen Selbst an, ihr Leiden zu beenden, doch dieses hatte nur ein mildes Lächeln für sie übrig. Die falsche Kathleen fuhr mit den zarten Händen über den rauen Körper und zischte ihm beruhigend zu, nachdem sie aus einer Schublade eine lange Spritze hervorholte und diese zwischen die einzelnen Platten in den Körper bohrte.

»Alles wird gut, meine Liebe. Dein Leben ist in guten Händen und sieh nur an, wie hübsch du aussiehst«, sie streichelte zärtlich über das Gesicht der echten Kathleen und steckte die nun leere Spritze weg. »Du hättest bestimmt nicht gedacht, dass es so enden würde, als du in jener schicksalshaften Nacht in die dunkle Gasse gingst. Bald werden du und der Dämon eins sein. Gemeinsam werdet ihr die Stadt ins Chaos stürzen. Dafür liebe ich dich.« Die falsche Kathleen gab der Kreatur auf dem Bett einen Abschiedskuss und holte daraufhin eine weitere frische Spitze hervor, mit welcher sie Blut abnahm. Anschließend schenkte sie dem kümmerlichen Wesen, welches immer noch ab und an weinerlich wimmerte keinerlei Beachtung mehr. Stattdessen zog sie sich lieber ihre Krankenschwesteruniform an. Sie steckte sich anschließend die mit Blut gefüllte Spritze ein, richtete ihre Brüste und verließ die Wohnung um zur Arbeit zu gehen.


Cindy saß wie üblich am Empfang. Eine graue Maus wie sie im Buche stand, klein, schmächtig mit Dutt, Brille und allem was dazugehörte. Sie war eine Freundin der echten Kathleen gewesen und ihr somit ein Dorn im Auge. Diese blöde Kuh wusste, dass etwas nicht stimmte, konnte es allerdings nicht besser benennen. Kurz: Sie musste weg.

Die falsche Kathleen setzte ihr schönstes Lächeln auf. »Hey, du. Tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so komisch drauf war. Seit mein M-macker-«

»Mike«, ergänzte Cindy.

»Genau der! Seit seinem Verschwinden stehe ich irgendwie total neben der Spur.«

»Du hast dich schon Wochen vor seinem Verschwinden seltsam benommen.« Sie musste wirklich weg. »Ich meine, du hast dir die Haare gefärbt. Versteh mich nicht falsch, es steht dir wirklich ausgezeichnet.«

»Oh, vielen Dank.«

»Aber die echte- Ich meine natürlich, früher hättest du so etwas noch nicht einmal im Traum getan.«

Die falsche Kathleen klatschte freudig in die Hände. »Ich habe ein Friedensangebot für dich. Hier«, sie überreichte Cindy eine metallene Dose.

Die Rezeptionistin nahm es neugierig entgegen. In ihr befanden sich Bonbons. Sie waren mit dem Blut der echten Kathleen bestrichen worden und würden bei ihr deshalb eine ähnliche Veränderung bewirken, wie bei all den anderen, wenn auch zeitverzögert. »Ich, äh, danke. Was ist es denn für eine Sorte?«

»Lass dich überraschen.« Ihr Lächeln war ebenso überzeugend wie sie Kathleen ähnlich war.


Eigentlich war Kathleens Arbeit ziemlich öde. Sie arbeitete im Labor und brachte die Bluttransfusionen auf die Station. Somit stand sie streng genommen unter einer Krankenschwester, aber die Doppelgängerin interessierte sich nicht für Berufsbezeichnungen. Eben wegen letzteres aber hatte sie die „Krankenschwester“ ausgewählt. Einen Dämon in einen menschlichen Körper zu sperren war ziemlich konventionell, aber mit seinem Blut andere anzustecken und einen kleinen Teil seines Selbst auf andere zu übertragen war schon ein Geniestreich. Die falsche Kathleen handelte nicht nach einem Plan. Sie wollte lediglich ihre Bedürfnisse befriedigen. Sich an der Pracht ihrer glorreichen Taten zu erfreuen war das Einzige wofür es sich zu leben lohnte. Deswegen manipulierte sie auch die Beutel mit dem Blut der echten Kathleen. Die Menschen würden sich verändern und so wunderschöne Dinge machen wie sich gegenseitig die Rippen herauszureißen und sich die Augen damit auszustechen. Ach, was für eine herrliche Welt das doch war. Das wohl schönste daran war, dass die betroffenen Personen eine selbstzerstörerische Tendenz entwickelten die sich meist im Konsum von Rauschgiften äußerte. Es war wirklich erstaunlich was die Menschen so alles verdrängten und herbei logen, nur um in ihrer eigenen kleinen heilen Welt zu bleiben in der alles seine ganz bestimmte Ordnung hatte. Jegliche Grausamkeit wurde irgendwelchen bösen Drogen zugeschrieben und die Bluttests der Betroffenen dürfte dadurch auch den dämonischen Inhalt in ihren Körpern übertünchen.

Es würde bestimmt interessant werden, von welcher Substanz Cindy abhängig würde, da es dort große individuelle Unterschiede gab. Vielleicht würden sie doch noch Freundinnen werden. Bei diesem Gedanken musste die falsche Kathleen freudig lächeln.


Fortsetzung folgt...

Dämonisches Blut III

Bevor Peter den Fall zu den Akten legen konnte, musste er leider zunächst einmal ermitteln. Dabei hatte er seine feste Routine. Es galt den offensichtlichsten Spuren nachzugehen und sich dabei derart inkompetent anzustellen, dass es nur in einer Sackgasse enden konnte. Aber man sollte zumindest klug genug sein um einen potenziellen Täter zu erkennen und es so aussehen zu lassen, als wenn er es war, um zu einem noch schnelleren Ergebnis zu kommen.

Alle betreffenden Opfer der Veränderungen waren in diesem Krankenhaus stationiert gewesen. Danach musste er nur noch die Verwandten abklappern. Das sollte es gewesen sein. Allerdings schien er beim Krankenhaus gleich auf der richtigen Spur zu sein. Dies verriet ihm sein Seltsamkeitsinstinkt, der ihm vor sämtlichen Merkwürdigkeiten warnte. Ausgelöst wurde dieser von der Rezeptionistin. Sie hatte etwas von einem Schmetterling mitten in seiner Metamorphose. Auf der einen Seite wirkte sie wie ein Mauerblümchen, das sich in ein ... eine ... irgendetwas anderes verwandelte. Ihre Haaren waren offen und zerzaust. Die Brille trug sie auf der Stirn, scheinbar hatte sie mal eine gebraucht, doch jetzt nicht mehr so häufig oder gar nicht mehr. Aber das Sonderbarste war ihre Berufskleidung, denn diese war ihr mindestens eine Nummer zu klein. Unter dem Stoff zeichnete sich deutlich eine starkdefinierte Muskulatur ab. Sie schaute auf ihren Bildschirm und dabei befand sich ihr Gesicht in steter Bewegung. Von Ärger, über Angst bis hin zur Verwirrung schien alles dabei zu sein. Vermutlich lutschte sie so intensiv an ihrem Bonbon, um sich selbst zu beruhigen.

»Guten Tag,«, Peter schaute auf das Namensschild, »Cindy. Kann ich mit dem Leiter des Krankenhauses sprechen?«, dabei zeigte er monoton seine Dienstmarke.

»Logo. Der ist im dritten Stock, dritte Tür links. Ganz leicht zu merken. Zweimal die drei, Sie verstehen schon. Wollen Sie auch ein Bonbon? Sind echt lecker. Schmeckt zwar nach Himbeeren, aber da ist noch etwas anderes mit bei. Macht einen ziemlich süchtig.«

Als sie ihm die Dose reichte schlug sein Seltsamkeitsinstinkt aus wie ein Seismograph bei einem Erdbeben der Stärke fünf. Außerdem gefiel ihm der Hunger in Cindys Augen nicht. »Nein, danke, ich bin im Dienst.« Mit dieser schwachen Ausrede begab er sich in Richtung Aufzug. Als er ein paar Schritte zurückgelegt hatte, drehte er sich noch einmal um und sah eine Rezeptionistin die dieses Gespräch irgendwie zum Nachdenken angeregt hatte. Daraufhin nahm sie noch ein Bonbon.


Die falsche Kathleen wollte zwar Zerstörung und Chaos, doch bis es soweit war, würde sie sich die Wartezeit mit etwas Spaß versüßen.

»Ja, Schatz, es wird heute etwas, äh, später. Ich- Arghhhh!«, er zog die Luft durch die Zähne ein, als die Schwester mit ihrer Zunge eine ganz besondere Ziehtechnik einsetzte. »Nein, nein, es ist nichts. Ich-ich bin nur etwas verspannt. W-wir werden uns aber bestimmt beim Abendessen sehen. Liebe dich auch«, fügte er hastig hinzu, ehe er ejakulierte.

Die falsche Kathleen schluckte den Samen genüsslich hinunter. Darauf kroch sie unter den Schreibtisch hervor und richtete ihre Kleidung etwas, während der Chefarzt seine Hose zuknöpfte. Als sich die Krankenschwester umdrehte erblickte sie einen großgewachsenen schlaksigen Mann mittleren Alters. Seine Augen wirkten irgendwie leer und unmotiviert. Letzteres Wort passte auch zu seinem Kleidungsstil. Ein zerknittertes Hawaiihemd mit einer ausgewaschenen Jeans. Der Leiter wirkte sichtlich ertappt und reagierte auf die wohl langweiligste Art. Eine Mischung aus Scham und Wut. »Wer sind Sie und was haben Sie in meinem Büro zu suchen!«

»Wenn es Sie beruhigt, ich habe das auch nicht sehen wollen.«

»Raus hier! Raus, Sie-«

Der Mann holte eine Polizeimarke hervor. »RCPD. Ich muss mir ein paar Patientenakten ansehen.«

Die falsche Kathleen wusste sofort worauf es hier hinauslief. Dieser Schnüffler würde ihr schon bald an den Haken kleben. Oh ja, sie durchschaute diesen Schmierenkomödianten. Er tat zuerst als ob er selbst keinerlei Interesse an seiner Arbeit hatte, um den möglichen Täter – also sie – in Sicherheit zu wiegen. In Wahrheit war er aber ein überkorrekter Beamter der vor Ehrgeiz und Gerechtigkeitssinn nur so strotzte. Wirklich raffiniert, aber nicht raffiniert genug.

»Wenn Sie erlauben, Chef,«, sie leckte sich über die Lippen, »würde ich diesen Gentleman gerne bedienen.«

»Meinetwegen. Und wir vergessen alle die Sache, deren Zeuge Sie gerade waren.«

»Ich wünschte es wäre so einfach«, gab der Detective trocken zurück.

Die falsche Kathleen ging voraus, steckte sich dabei die Hände in die Taschen und pfiff Always Look On The Bright Side Of Life. Sie tastete nach dem Skalpell, welches sie immer bei sich trug, sollte ein Fall wie dieser hier eintreten. Diesen Mann würde sie wie ein Schwein abstechen und an die echte Kathleen verfüttern. Bei diesem Gedanken wurde ihr Pfeifen noch ein Stück überschwänglicher.


Peter hatte sofort bemerkt was los war. Diese Frau war sexuell stark aktiv und stand auf Uniformen. Das war ihm in dem Moment klar gewesen, als sie seine Marke sah. Da waren ihr die Gesichtszüge für einen kleinen Moment entglitten. Oder stand sie gar auf Marken? Am Ende lief es doch auf dasselbe hinaus. Aber Peter hatte kein Interesse zu ficken, da konnte sie noch so freudig pfeifen. Er hatte es einmal in seiner Jugend getan, das reichte ihm für den Rest seines Lebens und da konnte eine Granate wie diese Kathleen, wie er ihren Namensschild entnahm, noch so lasziv über ihre Lippen lecken. Würde er ein Interesse an kopulierenden Körpern hegen, sähe er sich tausendmal lieber Tierdokumentationen im Fernsehen an.

Sie führte den Detective in das Archiv, welches sich im Keller befand. »Was für eine Art von Polizist sind Sie?«

»Steuerfahndung«, log Peter. Er wollte niemanden unnötig nervös machen. Am Ende wollte ihn noch jemand umlegen.

Kathleen schwieg einen Moment. Hätte der Ermittler es nicht besser gewusst, hätte er es als Bedeutungsschwer umschrieben.

»Werden Sie ihn kriegen? Den Täter, meine ich.«

»Ja, natürlich«, kam es monoton von ihm. Er hatte diese Floskel schon so oft heruntergeleiert, dass er nicht mehr darüber nachdachte, was er da eigentlich gerade sagte.

Mit einem Mal drehte sich die Schwester um rammte ihm ein Skalpell in den Bauch. Sein erster Gedanke befasste sich damit, warum sie ihm ein Skalpell in den Bauch rammte, das ergab keinen Sinn. Nun erst realisierte Peter, dass er dem Tode nahe war. In einer behänden Bewegung tastete er nach seiner Schusswaffe.

Kathleen zischte ihm beruhigend zu, während sie seinen Körper auffing und sanft zu Boden gleiten ließ. »Es ist alles in Ordnung. Lassen Sie einfach los, Detective.«

Ihre Unaufmerksamkeit kostete sie das Leben. Ohne nachzudenken drückte Peter ab und schoss zwei Mal auf sie.


Auszug aus dem Bericht von Detective Peter Miller – RCPD (Top Secret):

..., woraufhin ich mein Bewusstsein verlor. Später erzählte man mir, dass ich mein Leben der Rezeptionistin Cindy zu verdanken hatte. Sie war aus einem unbekannten Grund ebenfalls im Archiv gewesen. Den Kollegen gegenüber gab sie zu Protokoll, dass sie glaubte jemanden gehört zu haben. Als sie mich später im Krankenhaus besuchte erzählte sie mir, dass sie eine Art Ruf von der sogenannten echten Kathleen vernommen hätte und die von mir erschossene Frau eine Fälschung wäre. Die Suche nach der angeblich echten Kathleen lehnte ich ab, da es diese nicht geben kann. Den Befragungen einiger Bekannter ist zu entnehmen, dass die Täterin und Cindy Freundinnen waren. Es ist somit festzustellen, dass diese Frau unter Verdrängung leidet.

Wie genau Kathleen diese Menschen verändert hatte bleibt ungelöst. Aber durch ihr dahinscheiden ist nicht von neuen Opfern auszugehen.


The End?

Dämonisches Blut IV

Das Letzte an das sich die falsche Kathleen erinnern konnte waren zwei laute Knalle gefolgt von verschwimmenden Konturen und einbrechender Schwärze.

Nun erwachte sie wieder. Durch Blinzeln konnte sie feststellen, dass es finster war. Sie tastete um sich herum und fühlte feuchten Stein. Ächzend stand sie sich auf. Als sie sich zur vollen Größe aufrichtete, fiel ihr ein, dass sie sich den Kopf hätte stoßen können. Doch diese Sorge war unbegründet. Sie schritt auf wackligen Beinen nach vorne. Langsam kehrte ihre Erinnerung zurück. Sie hatte das Spiel dieses Polizisten durchschaut und ihn kalten Stahl schmecken lassen. Danach nichts mehr. Sie würde in Kathleens Wohnung zurückgehen und die besessene Frau auf ihn hetzen. Zwar wusste sie nicht, wie das vonstattengehen sollte, doch ihr würde schon etwas einfallen. Wie war sie eigentlich hierhergekommen? Ursprünglich war sie doch im Archiv gewesen.

Die falsche Kathleen sah trübes Licht vor sich und ging darauf zu, froh darüber, dass endlich die Finsternis enden würde. Sie kniff die Augen zusammen, als sie aus dem Gang trat. Kurz nachdem sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatten, blickte sie in die Spiegellung einer gegenüberliegenden Fensterscheibe. Sie hatte sich seltsam verändert. Die Wange auf der linken Seite fehlte und zeigte ihre Zähne, doch es tat nicht weh. Es wirkte auf die Frau irgendwie Cool, da es ihrer einen Gesichtshälfte etwas grimmiges verlieh. Und diese leichenblasse Haut passte perfekt zu ihren grünen Haaren. Als sie sich umschaute, erblickte sie ein Schild auf dem Undertown stand. Irgendetwas sagte ihr, dass sie von nun an hier gefangen war. Aber das machte ihr keine Angst. Bestimmt würde es ihr hier gefallen.

»Möge der Spaß beginnen.«


The End

Schriften im Inneren

Diese Legende ist eine der ältesten aus der Stadt R´lyeh-City. Angeblich trug sie sich 1692 zu während die Hexenprozesse in Salem im vollen Gange stattfanden, was vermutlich auch der Grund für den geringen Bekanntheitsgrad dieser Geschichte ist. Vielleicht ist es auch besser so, denn wer weiß was die Menschen aus diesen Ereignissen mitgenommen hätten.

Zu jener Zeit war die Stadt noch eine kleine Siedlung, doch schon damals war New Hope, wie die Stadt in ihren Anfängen hieß, eine Tummelplatz für kuriose bis zwielichtige Gestalten. Zur letzteren Sorte gehörte Adam Smith. Wer dieser Mann war oder was er tat, ehe er amerikanischen Boden betrat bleibt völlig im Dunkeln. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei seinem Rufnamen nicht um seinen Taufnamen handelt. Sogar seine durch den Namen zu erwartende Konfession darf angezweifelt werden. Laut damaliger Zeitzeugen soll es sich bei Adam um eine hagere Gestalt handeln mit pergamentähnlicher Haut. Zumindest ließ sich dies aus seinem faltigen, scharfkantigen Gesicht schließen, da er peinlichst darum bemüht war seinen Leib Unterhalt des Kinns zu verhüllen. Allerdings war seine Kleidung alt fleckig und mitunter sogar zerrissen, doch was sich unter dieser Schicht Stoffes verbarg ließ sich seltsamerweise nicht ergründen. Ebenso wenig wie das Alter des Fremden. Er wurde allerdings auf gut achtzig Jahre geschätzt. Auch wenn seine stechend blauen Augen ihn noch älter wirken ließen und dazu noch hart wie den unbarmherzigen Winter im neunten Kreis der Hölle. Wenn all die zuvor genannten Fakten in Kombination mit seinen langen schlohweißen Haaren in Verbindung gebracht wird, so muss dieser Mann wie ein Monster aus einer alten Gruselgeschichte angemutet haben.

Zu Anfang war Adam noch relativ unauffällig. Wie bereits erwähnt, gab es etliche seltsame Leute die sich hier versammelten, ein Umstand der bis heute noch anhält, aus diesem Grunde fiel er den Leuten am Anfang wenig auf. Sicher mieden alle seine Gegenwart, doch dies traf nicht auf die naivsten und kleinsten Bewohner zu. Es schien eine unsichtbare Anziehungskraft von ihm auszugehen, welche ihn für die Kinder unwiderstehlich machte. Trotz Verbote seitens der Eltern tummelten sich die kleinen Leute um ihn wie Bienen um eine besondere Blume.

Sie ließen erst von ihm ab, als er die erste Stufe zur Veranda seines Hauses erklomm, da erst die Ausstrahlung dieses Haufen Holzes sie davon abhielt ihm weiter zu folgen. Es lag sehr weit am Rand der Siedlung und war eine Ansammlung schiefer Holzbretter die verschiedener nicht sein könnten. Es wirkte wie die Karikatur eines Hauses mit seiner unförmigen Fassade und den verschiedenen Hölzern in ihren ebenso verschiedenen Zuständen der Verwahrlosung und Verrottung.

Als die Kette von verschwundenen Kindern begann wurde Adam Smith recht schnell der Ketzerei und Hexerei beschuldigt, doch es gelang ihm die Beschuldigungen auf recht verblüffende Weise von sich abzuweisen. Die genauen Hintergründe sind im Laufe der Zeit leider verloren gegangen. Manche meinen, dass er selbst viel zu verdächtig war, so dass er als wahrer Täter viel mehr darum bemüht gewesen wäre sich unscheinbarer zu geben. Andere meinen, dass es an seiner ruppigen Art lag mit der er die Gören behandelt hatte, um sie von sich wegzustoßen. Vielleicht besaß er auch nur eine große Überzeugungskraft gepaart mit Charisma.

Es brauchte noch unzählige weitere verschwundene Kinder ehe Adam überführt wurde. Eines besagter Sprösslinge schaffte es aus seinem Haus zu entkommen. Es sprach wie von Sinnen und meinte, dass unter der Kleidung beim Bauch eine klaffende Wunde sei, welche sich wie ein Maul öffnete und dort im Inneren befand sich ein Buch, welches danach trachtete das arme Ding zu fressen. Nach Aussage des Kindes sollte Adam aus einem vergessenen afrikanischen Land stammen und sich über Jahrtausende hinweg vom Blute unschuldiger Kinder sein Leben verlängert haben, einem Vampir nicht unähnlich. Das Zauberbuch soll dabei die Quelle seiner Macht sein. Mächtige Schutzzauber die in seine Haut mit Tinte geritzt worden sind, sollen ihn darüber hinaus gegen die meisten körperlichen Schäden schützen.

Als die Bewohner dies hörten, beriefen sie sich auf die reinigende Kraft des Feuers, welches jeden Frevel von dieser Erde zu tilgen vermochte. Sie verbarrikadierten das Haus des seltsamen Kauzes und zündeten es an. Abgesehen vom Prasseln des Feuers war kein Laut im Inneren zu vernehmen. Selbst als es vollständig niederbrannte war von Adam Smith keine Spur zu sehen gewesen. Dafür wurde jedoch ein weitaus grausigerer Fund gemacht. In den Wänden befanden sich etliche Skelette von Kindern. Nach eingehenden Begutachtungen war zu sehen, dass ihnen das Knochenmark ausgesaugt worden war. Was aus der Haut, dem Fleisch, Muskeln, Sehnen, Organen und anderem passiert war wollte sich gar niemand vorstellen, aber der Brandgeruch selbiger hing in der Luft. Sie bekreuzigten sich und der Priester gab sein bestes um den Boden von allen Übeln des Satans zu befreien. Schnell vergaß man diese Sache, da sich niemand mehr an sie erinnern wollte.

Nur das überlebende Kind vergaß nie. Es soll angeblich häufig bei den Ruinen des Hauses im Dreck gewühlt und anschließend ein von Grauen behaftetes Buch gefunden haben, dessen Name niemals Erwähnung finden darf. Kurz darauf verschwand es und von dem Buch wurde nie wieder etwas gehört. Einige der letzten Worte des verschwundenen Kindes sollen gewesen sein, dass es noch mehr solche Bücher auf der Welt geben sollte. Jedes auf seine Weise grausig und mächtig und ein jedes von ihnen Böse bis in den Abgrund der Finsternis.

Dies ist wahrscheinlich auch der Grund warum diese Geschichte bis heute noch Erwähnung in der Volksfolklore findet. Tief im Inneren war die Angst vor Adam Smith nie verschwunden, sondern war von einer Generation zur nächsten weitergereicht worden. Aber war es wirklich der Mann, den es zu fürchten galt, oder die Schrift in seinem Inneren und das Wissen, dass es noch mehr davon gibt?

 

(Auszug aus den Aufzeichnungen von Dieter Nickerbocker III.)

 

The End

Impressum

Texte: EINsamer wANDERER
Tag der Veröffentlichung: 25.06.2015

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