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Wettbewerb – Die Utopie des Verbrechens

Es gibt drei Arten von Verbrechen. Die einen werden begangen, um das eigene Überleben zu sichern. Um nicht zu verhungern oder um nicht von den bösen Jungs erschossen zu werden. Die zweite Art ist die Gier, nach Macht, Geld, was immer du willst. Aber die dritte Art ist die einzig vernünftige. Die dritte Art ist das Verbrechen, welches begangen werden muss. Das Verbrechen aus Leidenschaft. Das wahre Verbrechen wäre es dieses Verbrechen nicht zu begehen. Also tut man es.

Sehen wir uns doch die moderne Gesellschaft an. Sie ist statisch, stur geradeaus. Alles ist bis ins kleinste Detail geplant. Jede kleine Störung ist wie ein Schock, auch wenn die Störung einen normalen Ursprung hat. Und was denkt ihr dazu? Ich kann zwar keine Gedanken lesen, aber was ich denke weiß ich ganz genau: Wie öde!

Deshalb stand ich damals auch vor der Bank. Es ging mir nicht um Geld. Mir war langweilig. Ich brauchte Action.

Ich war von einem Job zum nächsten gezogen, bis ich irgendwann die Schnauze voll hatte, dass irgendwelche Schwanzlutscher nicht genug Eier hatten, um mir offen ins Gesicht zu sagen, was mit mir nicht stimmte und warum sie mich wirklich feuerten. So kam es irgendwann, dass ich meine kriminelle Energie entdeckte. Aber das Geld war niemals die eigentliche Belohnung. Der eigentliche Lohn waren die Typen, denen ich es gestohlen hatte. Ich sah, wie die reichen und mächtigen vor Angst und Entsetzen in sich zusammensackten.

Zuerst war die High Society der Gesellschaft mein Ziel. Aber die waren schon mit dem goldenen Löffel in der Fresse geboren worden. Sie hatten einfach keinen Biss … versteht ihr? So verlagerte ich meine Ziele auf die eher zwielichtigen Gesellen. Die, die keine Skrupel hatten mich umzubringen. Jeder weiß, dass er nicht ewig lebt, was ich auch nicht vorhabe. Und was wäre das Leben ohne Nervenkitzel? Mein Psychologe sagte mal: ich sei ein machtbesessener Psychopath. Oder war es Soziopath? Egal.

Ob ich das glauben soll? Pffft! Keine Ahnung.

Jedenfalls zog ich irgendwann nach Utopia. Ein wirklich guter Witz für eine Stadt die so verkommen ist. Wenn du eine ehrliche Seele suchst, wirst du keine finden. Außer mich. So stelle ich mir das Paradies vor und die Verbrecher wahrscheinlich auch. Aber wir wollen erst einmal zurück zu der Bank.

Ich lehnte mich an meinem Porsche und beobachtete aus sicherer Entfernung das Gebäude. Es war eine Mafiabank. Ich schnalzte mit der Zunge. Hatte schon immer eine ausrauben wollen. Ich wusste nicht welchem Syndikate sie angehörte. War auch egal. Es ging mir schließlich nur um den Nervenkitzel.

Als ich loslegen wollte hieß es: noch einmal kurz durchatmen. Die Ruhe vor dem Sturm genießen und los geht´s.

Ich schritt, ohne groß drüber nachzudenken, über die Straße. Mit quietschenden Reifen kamen die Autos zum Stehen. Alle Fahrer hupten und brüllten mich an. Manche von denen hatten Augen wie Teletubbies. Ohne sie eines Blickes zu würdigen zeigte ich ihnen den Mittelfinger. Ich ging durch die Glastür des Gebäudes. It´s Showtime.

Ich zog die Waffe hervor und zeigte der Überwachungskamera meine Schokoladenseite mit dem schönsten Lächeln, das ich zustande brachte.

Ich schoss einmal in die Luft, um die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen.

»Guten Tag meine Damen und Herren«, sage ich ruhig. »Das ist ein Banküberfall. Bitte geben sie mir so viel Geld, wie in die Tüte passt. Und bleiben sie alle ruhig, ja?«

Sie taten wie ihnen geheißen. Eine blonde Bankangestellt mit hochgesteckten Haaren überreichte mir kurz darauf mit zittriger Hand meine Beute. Ruhig nahm ich sie ihr ab. Dann steckte ich meine Waffe kurz weg und küsste ihr mit einer leichten Verbeugung ihre Hand.

Ich öffnete den Beutel, natürlich zur Glaswand gerichtet. Eine blutrote Farbe klatschte dagegen. War nicht mein erstes Ding und so blöd war ich nicht. Ich betrachtete fasziniert die Farbe, wie sie die Scheibe herunterlief. Wie Blut. Eine Erinnerung, wie ich nackt und mit Schweineblut besudelt im Schein des Vollmondes tanzte, kroch mein Bewusstsein hinauf. Ein unvergleichliches Erlebnis.

Ich sah mal kurz auf meine Finger. Sollte ich …? Ja? Nein? Ich entschied mich dafür. Ich nahm einen meiner verätzten Finger und hinterließ mit der scheinbar wasserfesten Farbe folgende Botschaft: Holt mich, ihr Dreckssäcke. Das würden die sich bestimmt nicht zweimal sagen lassen.

Meine Fingerkuppen hatte ich selbst verätzt. In einem von vielen Drogenräusche habe ich es mal für ´ne gute Idee gehalten, meine Fingerkuppen weg zu ächzen und statt diesen langweiligen Fingerabdrücken Smileys auf den Fingern zu haben. Wer kann so etwas schon von sich behaupten? Ich kann nur sagen: es ist ein schönes Gefühl, wenn dich zehn lachende Gesichter auf einmal anschauen.

Jedenfalls sah ich wieder zu der Blondine, die vor Angst wie zur Salzsäule erstarrt war. Je länger ich sie betrachtete, desto mehr erinnerte sie mich an sie, wie sie früher war. Aber ich wusste, dass dies nur Einbildung war. Sie war es nicht. Nicht die Echte – oder doch? Wer weiß schon was Wahn und Fantasie ist oder was Fakt und Realität. Die Wahrheit ist sehr subjektiv. Ich selbst bezeichne mich schließlich als einen modernen Hamlet.

„Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage“, wie mal ein englischer Dichter schrieb. Bin ich nur ein Traum der stirbt, wenn der Träumende erwacht? Bin ich nur eine Figur in einer dahin geschmierten Geschichte für einen Schreibwettbewerb? Oder bin ich doch echt? Oder nur echt im Kopf der Menschen die an mich glauben? Ja oder nein? Oder doch vielleicht?

Aus einer spontanen Laune heraus hielt ich der Blondine meine Waffe an den Kopf. »Ich nehme sie als Geisel, okay? Keine Sorge, ihr passiert nichts. Ich brauche einfach jemanden zum Plaudern, versteht ihr?«

Sie starrten mich alle wie Rindviecher an.

Waren das da Milka-Rindviecher, die gerade im ausgeraubten Tresor ein Barbecue veranstalteten?

Und für all diejenigen die es noch nicht wissen: Leute. Drogen versauen euer Leben und zwar Richtig! Ich muss es schließlich wissen.

Anschließend nahm ich die Frau mit. Rannte mit ihr zum Auto. Ich hielt ihr sogar aus reiner Höflichkeit die Tür auf. Sie aber gab keinen Mucks von sich. Sie musste gut ausgebildet worden sein. Aber um mir auch hundertprozentig sicher zu sein, fragte ich nach.

»Du bist so still. Lernt man so etwas bei der Ausbildung?«

Sie nickte. Auch wenn sie es nicht zeigen wollte, so wusste ich; sie hatte Angst.

»Also gut. Ich will nur reden. Wenn ich fertig bin, fahr ich Rechts ran und lass dich raus.«

»Okay«, sagte sie mit unterdrückter Anspannung in der Stimme.

»Alles klar.«

Und schon ging sie los die wilde Fahrt.

»Dein erster Banküberfall?«, fragte ich.

»Ja«, kam es kurzgebunden.

Ich nickte verstehend und fing dann an über das zu reden, was mich beschäftigte. »Weißt du eigentlich wie kurz das Leben ist? Ich meine, ich weiß was ich gerade getan habe. Einer Mafia das Geld zu klauen ist selbstmörderisch, vielleicht sogar dumm.«

Sie schwieg. Auch gut, so etwas ist mir sowieso lieber.

»Und sie werden mich jetzt jagen und umbringen. Die Typen müssen echt viel Selbstvertrauen haben. Ich meine, da war ja noch nicht einmal ein Wachmann oder so. Sie gehen wohl davon aus unantastbar zu sein. Tja. Da haben die sich aber gewaltig geirrt. Sie haben vermutlich nicht damit gerechnet, dass jemand wie ich auftaucht. Jemand der so auf Droge ist, dass er selbst ohne Höhenflug nicht sagen kann, was in echt da ist oder nicht. Weißt du, ich bin eigentlich kein übler Kerl. Mich kotzt das Leben einfach nur an, verstehst du? Es ist so … statisch.«

Schüsse fielen. Blinkende Lichter waren im Rückspiegel, während der volle Mond bei Tag durch die dichten Wolken schien. Sterne fielen wie feiner Regen zu Boden.

»Ah! Die korrupten Bullen sind auch schon da. Wunderschön.«

Mir ging ordentlich die Pumpe. Zum Glück hatte ich mein Herz durch einen Spritschlucker ersetzt. Es geht nichts über einen Diesel. Kann ich nur weiterempfehlen.

»Weißt du, dieses Leben ist für mich wie ein Traum. Nichts scheint echt zu sein. Manchmal fühlt sich sogar mein Körper an, als wäre er losgelöst. Als würde meine Seele entweichen.«

Als sie mir den Rückspiegel zerschossen, waren wir auf der Brücke aus Zuckerwatte und Regenbögen, welches durch eine Diskokugel in sich ständig ändernde grelle Farbe getaucht wurde.

Ein Knall. Einer der Kühe hatte meinen Reifen zerschossen. Der Wagen sackte hinten ab. Ich hatte mit so was früher gerechnet. Es waren echt schlecht Schützen. Wie hatten die nur ihre Prüfung geschafft? War ich vielleicht beim A-Team gelandet?

Nur noch ein paar Meter und ich hätte es über die Brücke geschafft. Kreischend und Funkensprühend schabt das Metall über dem Asphalt. Ich vollführte mit dem Vehikel eine Neunziggraddrehung, so dass mich die Bullen sehen konnten.

Als der Wagen ganz zum Stillstand gekommen war, stieg ich aus. Alle zielten mit ihren Zuckerstangen auf mich. Jeder war angespannt. Die Polizisten, weil ich freudig lächelte und sie eine Falle vermuteten. Die junge Frau auf dem Beifahrersitz, die einfach nur Angst hatte. Aber ich war ruhig. Ich spürte wie Endorphine in mir freigesetzt wurden. Die pure Freude und beste Droge der Welt.

Ich hatte den Sack mit der Beute in der Hand und hob ihn theatralisch langsam hoch wie den Kopf meines erbittertesten Feindes den ich endlich erschlagen hatte. Lächelnd holte ich mein Feuerzeug mit dem ständig lachenden Clownsgesicht hervor und zündete das verdammte Geld an. Achtlos warf ich den lila abbrennenden Beutel Scheiße von mir. Einen Moment lang starrten alle fassungslos zum brennenden Scheiterhaufen des Mammons. Sie fragten sich bestimmt, warum ich überhaupt die Bank überfallen hatte. Sie würden es nie verstehen.

Geld ist ein Fluch, mit dem fast jeder belegt ist. Jeder außer mir. Während alle abgelenkt waren, griff ich mit einem dreckigen Lächeln in meine Jackentasche. Natürlich hätten sie mich erschossen. Aber ich hatte noch ein Ass im Ärmel. Dieses Leben – mein Leben – ist die Utopie des Verbrechens.

 

The End

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Tag der Veröffentlichung: 30.01.2019

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