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Liebeswettbewerb 3 – Liebe, Sex & Sehnsucht

>>Seit wann hast du keinen Sex mehr?<<, fragte Tina über die vielen gemurmelten Gespräche der Bar hinweg. Alle Gäste schielten dann und wann auf die beiden Frauen, die sich in der hinterste Ecke des Raumes verkrochen hatten. Die beiden strahlten etwas aus, was die tiefsten Sehnsüchte und Gelüste der Menschen wachrief und ihnen das Gefühl gab diese ohne Wiederworte zu erfüllen. So waren sie nun mal. So war ihre dämonische Natur.

>>Seit einem Monat nicht mehr<<, sagte Succi, während sie auf den Boden ihres Glases schaute. Der Dämonin war dieses Gespräch mit ihrer Cousine mehr als unangenehm.

>>Was?! Und du lebst noch? Ich halte nicht mal ´ne Woche durch<<, sagte sie mit einer wegwerfenden Bewegung. >>Was machst du dann den lieben langen Tag, wenn es dich überkommt?<<

Succi begann beschämt zur Seite zu blicken und errötete leicht. >>Ich … puzzle.<<

Tina brach in schallendes Gelächter aus und schlug mit offener Hand knallend auf die Tischplatte, was unter den anderen Gästen noch mehr Aufmerksamkeit erregte, wodurch Succi nur noch mehr errötete. >>Und das funktioniert?<<, gluckste sie.

Die Succubus nicke. >>Es macht sogar Spaß.<<

>>Und dein Freund weiß nichts davon, oder?<< Succi schüttelte darauf den Kopf. >>Pah!<<, sagte Tina. >>Was findest du nur an einen solchen wie ihn?<<

Abermals schüttelte die Sexdämonin mit dem Kopf. >>Ich weiß nicht<<, gestand sie kleinlaut ein. >>Er gibt mir das Gefühl, mehr zu sein. Das Gefühl ein normales Leben führen zu können.<<

>>Das nennst du ein normales Leben? So ganz ohne … du weißt schon. Warum gehst du nicht einfach zu ihm und sagst: `Hey Mensch! Ich bin ein Sexdämon aus der Unterwelt der durch den Geschlechtsverkehr tötet, gewöhn dich dran!´<< Tina hob lachend ihr Glas an, während Succis Rötung noch um eine ganze Nuance knalliger wurde und sie sich beschämt umsah. Inzwischen starrten sie alle an. Aber Tina schien das egal zu sein. >>Wie läuft das eigentlich? Dieses normale Leben, meine ich. Wie wollt ihr es jemals tun?<<

>>Gar nicht<<, sagte Succi mit fester Stimme.

>>Und wie kommt er damit zurecht?<< Mit einem hinterhältigen Lächeln fügte sie noch hinzu: >>Irgendetwas musst du ihm doch erzählt haben, damit er keine unnötigen Fragen stellt. Wieso treibt ihr es nicht miteinander?<<, sie zwinkerte übertrieben.

>>Ich bin HIV positiv<<, stöhnte sie entwaffnet. Warum sie überhaupt auf Tinas Frage antwortete, wusste sie selber nicht. >>Und um deiner nächsten Frage vorzugreifen, nein, wir benutzen keine Kondome, das spricht gegen meine Religion.<<

>>Ich habe mich sowieso schon gefragt, wieso du dieses Schrottteil da an deinem Hals trägst<<, sagte Tina, während sie großzügig ihr Glas umher schwenkte und versuchte das Kreuz um Succis Hals mit zerstörerischen Blicken einzuäschern. >>Dachte schon, du wärst unter die Gläubigen gegangen.<<

Jetzt reichte es der Succubus allmählich. Sie hatte genug von den bohrenden Fragen die auf die noch bissigeren Antworten warteten. Es wurde Zeit mit einer Gegenfrage zu kontern, um den Spott ihrer Cousine zu entgehen und ihrer Wut über die ständigen Fragen etwas Luft zu machen. >>Was willst du eigentlich von mir? Du besuchst mich sicher nicht aus reiner Freundlichkeit. Also was willst du?<<

Tina hob beruhigend die Hände, während sich ein süffisantes Lächeln auf ihre Züge stahl. >>Jetzt bleib mal locker, Schwester. Natürlich bin ich nicht hier, um mit dir über dein erbärmliches Leben zu reden.<< Auf einmal verfinsterte sich ihr Blick, >>Dein Ex. Er ist wieder da.<<

>>Soll das ein Witz sein?! Wenn du mich verarschen willst<<, Succi vollendete noch nicht einmal den Satz und stand wütend auf. Jetzt reichte es. Sie wollte gehen. Sie hatte genug von Tinas Scherzen.

>>Setz dich, du blöde Kuh<<, bei diesen Worten ließ sich Succi wieder nieder. Dem ernsten Unterton war zu entnehmen, dass es wirklich sehr schlimm sein musste. >>Er ist wirklich zurück. Nach dem was man sich auf den Straßen erzählt, will er mit dir das Lager teilen. Du weißt, was ich meine. Er will das was alle von uns wollen. Sex.<<

>>Aber warum ausgerechnet jetzt? Es ist doch alles so lange her.<<

>>Der Kerl will dich als … Brutkasten oder sowas benutzen. Angeblich soll ein reinblütiger Lustdämon zur Welt kommen, wenn ein Incubus und eine Succubus sich vereinen. Das sagen zumindest die Gerüchte und Legenden.<<

>>Und was will er mit so einem Kind?<<

>>Es zu irgendeiner Castingshow bringen, damit er ganz groß rauskommt und eine Menge Knete verdient. Verdammt Succi, was weiß denn ich?! Der Kerl ist seit dem ihr euch getrennt habt, total übergeschnappt. Er tötet vollkommen wahllos. Teilweise sogar mit echten Waffen! Großer Satan in der Hölle, es ist ein Wunder, dass er noch niemanden aufgefallen ist. Er stellt sich nicht gerade clever an. Aber schon vor eurer Trennung war er etwas … naja.<<

>>Trennung?<<, fragte Succi irritiert. >>Wir waren nie zusammen. Es war nur ein harmloser One-Night-Stand. Einer von vielen die ich heute bereue<<, den letzten Satz wisperte sie wie zu sich selbst und stupste ihr kaltes Glas an, das noch immer unangetastet auf dem Tisch stand.

>>Für ihn anscheinend nicht. Der Kerl ist ganz besessen von dir. Warum sonst hätte er sich nicht an mich oder einer anderen Succubus rangemacht, wenn er ein Kind wollte? Er will nur dich und sonst keine. Vielleicht hat er ja die abgehobene Wahnvorstellung, mit dir eine Familie zu gründen. Was hast du bloß in dieser einen Nacht mit ihm gemacht, dass er so auf dich abfährt?<<, fragte Tina mit einem abschätzenden Blick.

Succi spürte wie die Errötung weiter in ihr hochstieg. Wut, Empörung und Scham rangen in ihrer Gefühlswelt um die Oberhand. >>Vieles, was ich heute nicht mehr machen würde.<< Plötzlich wurde Succis Gesicht vollkommen ausdruckslos. >>Wenn das alles ist<<, sie stand auf und wandte sich ab, >>dann will ich mich verabschieden.<<

Sie wollte gerade gehen, als sich ihr ein Mann in den Weg stellte. Dem Leuchten seiner Augen und dem schmierigen Lächeln nach, wusste Succi nur zu gut was er wollte. Manchmal verfluchte sie ihren Körpergeruch, der dazu diente ihre Beute anzulocken.

>>Wie wäre es mit uns beiden?<<, fragte er dreckig.

>>Nein, danke.<< Succi legte etwas von ihrer dämonischen Ausstrahlung in die Stimme, um ihre Ablehnung noch mehr zu unterstreichen und sich nicht auf Spielchen mit ihm einzulassen.

>>Aber ich!<<, meldete sich Tina lächelnd mit erhobener Hand. Der Kerl ging schnurstracks auf sie zu und hatte Succi sofort wieder vergessen. Die Succubus wollte ihn davor warnen, dass seine Neuralenverbindungen im Gehirn beim Sex überlastet und er innerhalb von einer Woche tot sein würde, wenn er mit Tina schlief, doch sie kannte diese Sorte von Menschen nur zu gut. Er würde nicht auf sie hören, egal wie sie argumentierte.

So ging die Succubus hinaus in die kühle Nacht. Der Wind zerrte an ihrer dunklen Kleidung und ihren schneeweißen Haaren, von denen sie vor Mike behauptete sie gefärbt zu haben. Die Haare waren eine von vielen Lügen, die sie Mike auftischte, damit er bei ihr blieb. Eine andere Unwahrheit war die Brille. Succi gefielen Brillen nun mal. Sie konnte perfekt sehen, aber sie fand dass ihr die Gestelle standen, weshalb sie welche mit einfachen Gläsern trug. Beim Gedanken an all die Lügen und Tricksereien in ihrer Liebesbeziehung stöhnte sie innerlich: Man hat es echt nicht leicht, als Dämon, dachte die Succubus, während sie den Kragen ihres matschbraunen Mantels hochschlug, um sich vor der Kälte zu schützen. Die Temperaturen waren für diese Jahreszeit recht niedrig und ließen ihren Atem gefrieren. Ein Wunder, dass noch kein Schnee gefallen war.

Der Besuch von Tina hatte nicht nur alte Erinnerungen wachgerufen, sondern auch eine längst vergessene Lust in Succi geweckt, die Tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben war. Jetzt zerrte der triebhafte Teil ihrer selbst an seinen Ketten und schrie nach fleischlichen Gelüsten. Die Dämonin freute sich bereits auf ihr Puzzle, von welchem sie sich ein wenig Ablenkung versprach. Es hatte das Motiv eines wunderschönen Sonnenuntergangs am Meer, mit Delfinen die aus dem Wasser sprangen und einer kleinen mit Palmenbewachsenen Insel im Hintergrund. Das Beste war jedoch, dass die Farben des Puzzles im Dunkeln leuchteten. Succi lächelte dabei, wie unsinnig es war, für so etwas eine kleine Stange Geld zu zahlen, aber sie hatte es mit Freuden getan.

>>Warte!<<, schrie ihr jemand hinterher. Mit klackernden Stöckelschuhen lief ihr Tina auf sie zu. Succi wandte sich verwundert um. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihre Cousine so schnell wiedersehen würde. Ganz außer Atem hielt sich Tina die Knie. >>Versuch niemals - ehrlich niemals – in Stöckelschuhen zu rennen. Puh!<<, keuchte sie.

>>Was machst du hier? Solltest du nicht bei deinem Spielzeug sein?<<, sie spuckte das Wort verächtlich aus. Inzwischen lebte sie so lange unter Menschen, dass sie das Verhalten ihrer eigenen Artgenossen abstieß. Dieses Leben. Jede Nacht jemand anderes, egal ob Mann oder Frau und jede Nacht musste dieser Mensch sterben, weil er oder sie sich von ihnen hat verführen lassen. Aber das Schlimmste für Succi war die Einsamkeit, die man immer nach der Nacht am grauen Morgen bei den ersten matten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages verspürte, wenn man neben einer seelenlosen Hülle aufwachte in dem Wissen, dass man ganz allein für diesen kränklichen Zustand verantwortlich war. Sex war nicht gleich Liebe, dass hatte Succi in all der endloslangen Zeit auf Erden gelernt. Tina dagegen nicht.

>>Ach der<<, sagte sie abtuend. >>Der hat schon schlappgemacht.<<

>>Also. Was gibt´s?<<, fragte Succi unterkühlt. Sie wollte ihre Cousine so schnell wie möglich los werden. Auf keinen Fall sollte Tina etwas von ihrem Leben erfahren. Sie war von den beiden immer die Eifersüchtigere gewesen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatte sie Succi die Beute immer streitig gemacht. Und wenn es bei Mike auch so war? Sie schob den Gedanken von sich, denn sie wollte ihn nicht weiterverfolgen. Mike war das erste Wesen seit Jahrhunderten, das mehr in der Dämonin sah, als das Liebesobjekt. Früher hatte sie sich immer über solche Gefühle anderer lustig gemacht, durch Mike aber verstand sie nun diese und konnte nicht mehr ohne sie sein.

>>Glaubst du etwa, ich würde meine Lieblingscousine den weiten Weg nachhause laufen lassen, in dem Wissen, dass ein irrer Incubus frei rumläuft und sie begatten will? Nein, auf keinen Fall.<< Sie log, dass spürte Succi eindeutig. Tina wollte nur Mike sehen und ihn wenn es ihr gefiel verführen.

>>Nein<<, sagte Succi entschieden. Auf keinen Fall würde sie ihrer Cousine Haus und Hof öffnen.

>>Ach bitte<<, sagte sie, faltete flehentlich die Hände und schmollte mit der Unterlippe. Den Trick habe ich erfunden, dachte Succi erschüttert von der Unverfrorenheit der anderen Succubus. >>Ich verspreche auch, ganz artig zu sein. Biiiiiiittttteeeeeeeeee.<<

Succi stöhnte entwaffnend. >>Also gut, wenn du dann endlich Ruhe gibst.<<

Sofort sprang Tina auf, klatschte freudig in die Hände und rief: >>Yippie!<<, was nur noch mehr an Succis Nerven zerrte. So schritten die beiden Dämoninnen durch die dunklen, fast menschenleeren Gassen die nur spärlich von den elektrischen Laternen beleuchtet wurden. Eine von ihnen flackerte sogar knisternd, während ein eisiger Wind heulend an den beiden vorbei zog. Unwillkürlich musste Succi an früher denken, als Orte wie dieser ihr natürliches Jagdrevier gewesen waren. Als sie Sterbliche in dunklen Ecken verführt und anschließend durch den Liebesakt getötet hatte. Nicht selten war sie nach einiger Zeit von einem wütenden Bauernpöbel mit Fackeln und Mistgabeln verjagt worden. Sie war noch nie sonderlich Kampfeslustig gewesen, weshalb sie einfach geflohen war, bevor der Pöbel sie zu fassen bekam, denn anderswo gab es immer genügend Beute. Aber es war ein einsames Dasein gewesen. Nie war sie lange an einem Ort. Nie war sie irgendwo willkommen. Und die stete Einsamkeit, die einen wie ein dunkler Schatten verfolgte. Ein Schatten, dunkel genug, um die Welt in Grautöne versinken zu lassen. Jahr um Jahr. Jahrhundert um Jahrhundert. Bis irgendwann auch das kleinste Lichtlein erlosch und das Leben mit ihm.

Tina riss Succi mit ihrem fröhlichen Geplapper aus ihren trüben Gedanken. >>Erinnerst du dich noch an damals. Der Graf … oder war es ein Herzog? Ach egal. Weißt du noch, wir haben uns beide zur selben Zeit als Edeldamen ausgegeben und jede von uns wollte diesen gutaussehenden Mann ganz für sich alleine.<<

Succi nickte. >>Ich erinnere mich noch. Er war ein schrecklicher Kerl gewesen. Immer betrunken. Spielsüchtig und verdorben bis ins Mark.<<

Tina seufzte glücklich. Succi spürte praktisch die wohlige Wärme, die sich um das Herz ihrer Cousine legte. >>Ach ja. Heute gibt es solche wie ihn nicht mehr. Hättest du damals je gedacht, dass wir uns lange genug für einen Dreier vertragen könnten?<<

>>Hättest du damals je gedacht, dass wir darauf fast hingerichtet worden wären?<<, konterte Succi mit einer Gegenfrage.

>>Du siehst das ganze immer so negativ. Vor allem, wer sollte uns heute noch hinrichten? Wer glaubt heute noch an uns? Ich habe es dir bereits vor einhundert Jahren gesagt und jetzt sage ich es wieder, der genialste Schachzug des Teufels war es, die Menschen an seiner Existenz zweifeln zu lassen. Wo siehst du heute noch welche, die preisen, dass das was wir tun in Anführungsstrichen<<, sie hob dabei ihre Mittel- und Zeigefinger in die Höhe und knickte sie dabei, >>Böse ist?<<

>>Schon mal am Sonntag in einer Kirche gewesen?<<

Tina lachte laut und hielt sich die Seiten. >>Du ziehst diese Religiösen-Nummer echt ziemlich überzeugend durch.<< Sie und musterte Tina wieder etwas abschätzend. >>Vielleicht sogar zu überzeugend<<, sagte sie leise in einem ungewohnt misstrauischen Tonfall und glaubte wahrscheinlich, dass Succi sie nicht gehört hätte, was sie jedoch tat. Der Succubus wurde dieses Treffen mit ihrer Vergangenheit immer unangenehmer. Je mehr sie mit Tina sprach, desto mehr war sie auf der einen Seite froh, ihr altes Leben hinter sich gelassen zu haben, andererseits hatte sie auch Angst, dass Mike damit in Berührung kommen könnte. Die Welt der Dämonen war wahrlich nichts für einen einfachen Menschen.

>>Sag mal … jetzt wo du ehrlich<<, sie unterstrich das Wort wieder mit ihrer Anführungszeichengeste. >>geworden bist, wie verdienst du da eigentlich deine Brötchen, wenn man fragen darf?<<

Jetzt riss Succi wirklich der Geduldsfaden. Es hatte Tina nicht zu interessieren, dass Succi Privatdetektivin mit einem eigenen Büro war. >>Was geht dich das an?!<<, fauchte sie ihre Cousine wie eine wütende Katze an. >>Glaubst du, ich merke nicht, dass du mich aushorchst. Was also willst du von mir, hä?!<< Sie kam Tina gefährlich nahe, die auf den plötzlichen Ausbruch erst einmal einen Schritt vor Succi zurückwich.

>>Äh … ich … äh …<<

>>Was?!<<, brüllte die Dämonin deren himmelblaue Augen plötzlich begannen in einem dunklen Lila zu glimmen, was unter den Dämonen als einschüchternde Geste verstanden wurde.

>>Ich …<<, Tina versagte die Stimme, worauf sie nur noch betreten zu Boden schaute. Sie wandte sogar ihr Gesicht von Succi ab.

Die Succubus merkte, dass sie zu weit gegangen war. Das Glimmen erlosch und an seiner trat wieder das strahlende Blau hervor. >>Hey, hey, hey<<, versuchte sie Tina zu besänftigen und nahm sie beruhigend in die Arme. >>Es war nicht so gemeint. Es … es tut mir leid<<, seufzte sie. >>Ich weiß auch nicht, was da in mich gefahren ist.<<

Wütend stieß Tina ihre Cousine von sich. >>Blöde Kuh<<, war alles was sie sagte.

Den Rest des Weges verbrachten die Beiden schweigend. Bis sie zu dem Apartmentgebäude kamen in dem Succi mit Mike lebte. >>So, hier ist es<<, sagte Succi matt. >>Danke, Tina. Es war … nett, dich wiederzusehen.<< Succi wünschte sich von ganzen Herzen, dass es nicht so zögerlich gekommen wäre. Aber es fiel ihr schwer die richtigen Worte zu finden. >>Ich wünsche dir alles Gute und danke, dass du mich nachhause begleitet hast. Du bist eine gute Freundin. Und ich bitte nochmal vielmals um Entschuldigung für meinen Ausbruch vorhin.<< Succi versuchte damit ihren wütenden Anfall wieder wettzumachen, was ihr nicht so recht gelingen wollte.

Tina wandte wieder ihr Gesicht ab. >>Schon gut. Sag mal, vermisst du dein altes Leben eigentlich?<< Bei der Frage wandte sie ihr Gesicht wieder etwas zu Succi, um ihre Reaktion besser sehen zu können.

>>Nicht im Geringsten<<, sagte die Succubus und tat so, als wenn sie es aus tiefstem Herzen glauben würde. In Wirklichkeit hatte sie schwere Probleme, den fleischlichen Gelüsten zu entsagen. Ihrer wahren Natur zu entsagen. Vorbeugend war sie immer zu den anonymen Sexsüchtigen gegangen, um ihr Problem einigermaßen in den Griff zu bekommen. Das half aber nur wenig, da die meisten dort einfache Wurzeln für ihr Problem hatten. Sie waren keine Dämonen der Lust, in deren Natur das Töten und der Liebesakt lagen. Wie sehr sie sich in diesen Moment doch gewünscht hätte, dass sie in Mikes Armen lag. Aber sie konnte es einfach nicht zulassen. Sein Tod würde das farbenfrohe Leben wieder verblassen lassen. Ohne ihn war alles grau und kalt. Sie schüttelte die Vorstellung ab, wieder in den alten Trott zu kommen.

Tina verschränkte empört die Arme und wandte sich zum Gehen. >>Das glaubst du doch selber nicht, aber das ist schon okay. Irgendwann wirst du sicher wieder zur Besinnung kommen, da wette ich drauf. Menschen sind sowieso nicht gerade für ihre Langlebigkeit bekannt. Und Kinder werdet ihr wahrscheinlich auch keine haben können, es sei denn …<< Sie ließ den Satz unvollendet und kehrte ins Nichts zurück aus dem sie ebenso schnell gekommen war.

Seufzend ging Succi ins Treppenhaus. Erschöpft und ausgelaugt stieg sie die knarzenden Stufen zu ihrem Apartment hoch. Am liebsten wäre sie augenblicklich in ihr Bett gefallen und hätte wie ein Toter geschlafen. Müde schloss sie die Tür zu ihrer Wohnung auf. Nummer dreizehn. Bei dieser Zahl musste sie immer etwas schmunzeln. Wie viele Menschen hatten Angst vor dieser Zahl. Als wenn sie etwas für ihre Existenz konnte. Sie war einfach nur eine Zahl, mehr nicht. Es gab keinen Fluch. Es war eine stinknormale Wohnung, in der es nicht mehr Unglück gab, als in anderen Haushalten auch. Dennoch fürchteten sich viele Menschen vor ihr, genau wie vor schwarzen Katzen. Succi wunderte sich über ihre seltsamen Gedanken und schob diese auf ihre Erschöpfung. Mit ausgebreiteten Armen ließ sie sich auf das große Doppelbett fallen und schlief sofort ein.

Ein Arm, der sich um sie gelegt hatte, weckte sie jedoch aus ihrem traumlosen Dämmerschlaf. Ein kurzer Kuss auf die Wange ließ sie die Augen öffnen. >>Wie war die Nachtschicht?<<, fragte sie verschlafen und gähnte ungeniert.

>>Entschuldige<<, flüsterte Mike. >>Ich wollte dich nicht aufwecken.<< Succi spürte die Wärme seines Körpers. Wieder erwachte der dunkle Teil ihres Wesens. Jener Teil, der Mike am liebsten die Kleider vom Leib gerissen und ihn wild geliebt hätte. Zum Glück fühlte sich ihr Körper wie Blei an, so dass sie zu einer solchen Bewegung gar nicht fähig war. Aber sie hätte ihn dennoch gerne geliebt. Wie gerne hätte sie ihm Kinder geschenkt. Es war selten, dass ein weiblicher Sexdämon eine Tochter zur Welt brachte. Selten, aber möglich. Aber leider würde Mike seine Tochter nicht miterleben. Zum unzähligen Male, verfluchte sich Succi für das was sie war. Eine Ausgeburt der Hölle, die nie in der Lage sein würde, ihren Freund zu berühren, aus Angst sie könnte die Kontrolle über sich verlieren und ihn töten. Wie sehr sie sich auch wünschte, seine Hand halten zu können, es würde nie in Erfüllung gehen. Sie würde für ein einfaches, kurzes Händchenhalten auf alle Männer dieser Erde verzichten. Aber jeglicher Körperkontakt war aus sicherheitstechnischen Gründen strengstens Untersagt. Nichts war beängstigender als die Vorstellung, eines Tages neben Mikes seelenloser Hülle aufzuwachen, im Wissen dass es keine Möglichkeit gab ihm zu helfen. Succi müsste zusehen, wie er langsam starb. Wie sein so farbenfrohes Lebenslicht erlosch. Und um das zu verhindern, musste sie sämtlichen Körperkontakt meiden. Genau da biss sich die Schlange in den eigenen Schwanz. Vielleicht habe ich etwas in meinem letzten Leben falsch gemacht und bin dafür in diese Hölle verdammt worden. Bei diesem Gedanken musste sie wieder schmunzeln, während eine leise Träne ihre Wange herunter kullerte.

>>Ist alles in Ordnung?<<, fragte Mike, dem die Melancholie seiner Freundin nicht entgangen war.

>>Ich habe nur was im Auge.<< Sie versuchte nicht zu schluchzen, als er ihr die Träne aus dem Gesicht wischte. Wütend krallten sich ihre Finger in das Bettlaken. Nie würde sie die Wärme dieser Hände fühlen. Dieser Gedanke ließ sie nicht los. Selbst im Schlaf nicht.

 

Als sie morgens aufwachte, schienen bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die orangen Gardinen des Schlafzimmers. Grummelnd streckte sich Succi. Sie stand auf und torkelte Schlaftrunken mit nackten Füßen über den Bretterboden. Ihr kurzes T-Shirt entblößte eine eintätowierte Fledermaus mit ausgebreiteten Schwingen und weitaufgerissenem Maul, die sich oberhalb ihres Gesäßes befand. Sie wollte gerade ins Badezimmer gehen, als es an der Tür klingelte. Wer mochte um diese Uhrzeit vor ihrer Tür stehen? Gähnend schaute die Succubus durch den Spion. Draußen war niemand zu sehen. Als sie die Tür öffnete, lag auf ihrer Türmatte eine tote Katze. Jemand hatte ihr mit einem spitzen Gegenstand ´Vermisst du mich?´ auf die Brust geritzt. Angewidert hob Succi das arme Tier mit zwei Fingern hoch und betrachtete es. Sah so aus, als hatte Tina recht gehabt. Ihr Ex war wieder da. Er liebte derlei perverse Spielchen.

Schnell huschte Succi zurück in die Wohnung und warf die tote Katze in einen silbernen Mülleimer. Plötzlich fiel ihr ein, dass Mike die Katze dort entdecken konnte. Einen Moment überlegte sie fieberhaft, wie sie die Katze loswerden sollte. Ihre Schultern erschlafften und ein resignierter Ausdruck machte sich auf ihren Zügen breit, als sie zu der einzig sicheren Lösung kam. Leise schlich sie sich zurück in das Schlafzimmer, um sich noch einmal zu vergewissern, dass Mike auch wirklich schlief, was er auch tat. Anschließend holte sie die Katze am Schwanz gepackt aus dem Mülleimer und hob sie in die Luft. Einen Moment lang schaute sie das arme Tier von oben an, während es sich leicht um die eigene Achse drehte. Jetzt klebten auch noch die Haushaltsabfälle an seinem Fell. Muss das wirklich sein?, fragte sie sich angeekelt, nur um ihre Frage noch einmal bestätigt zu sehen. Succi hielt sich angewidert die Nase zu. Sie öffnete ihren Mund unnatürlich weit und ließ die Katze darin verschwinden. Mit knirschenden Kauen und versuchend den Würgreflex zu unterdrücken, lehnte sie sich an die Küchentheke. Denk an was Schönes. Denk an was Leckeres, versuchte Succi sich selbst abzulenken.

>>Morgen<<, kam es verschlafend hinter ihr. Succi erstarrte. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hätte sich Mike nicht aussuchen können, um die Küche aufzusuchen. >>Gut geschlafen?<<, fragte er, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb und anschließend streckte.

>>Mhm<<, nickte Succi bestätigend mit dicken Hamsterbacken, wobei sie ihre Antwort mit einem erhobenen Daumen unterstrich. Innerlich sah es aber ganz anders in ihr aus. Panik machte sich breit. Griff um sich wie ein wildes Lauffeuer und brachte ihr Herz lauthals zum Pochen. Was war, wenn er Verdacht schöpfte? Würde er dann noch bei ihr bleiben wollen, wenn er wusste, was sie war?

>>Du hast immer was im Mund<<, bemerkte Mike, während er sich gähnend neben die Kaffeemaschine stellte. Succi sah gekonnt aus dem Fenster, auf dessen Fensterbrett aus einem glücklichen Zufall ein Vogel saß der sein fröhliches Lied trällerte. >>Du solltest vielleicht etwas mehr auf deine Linie achten, du hältst mir doch auch immer Predigten, weil ich mich nicht gesund genug ernähre.<<

Succi schluckte den feuchten Fellknäuel herunter. >>Du hast recht, ich sollte wirklich mehr darauf achten<<, sagte sie mit einem unerschütterlichen Lächeln. Jetzt wo die Katze aus dem Weg geräumt war, musste sie nur noch Mike aus der Schusslinie bringen, damit ihm nichts geschah. Es begann bereits eine Idee in ihrem Kopf heranzureifen. >>Du. Ich … muss weg.<<

>>Schon wieder ein neuer Fall, den du über einen längeren Zeitraum bearbeiten musst und durch den du Nächtelang weg bist?<<, fragte er trocken, obwohl es keine eigentliche Frage sondern eine Feststellung war.

>>Ja, genau<<, sagte sie mit schnippenden Fingern. Sie hatte schon vermutet, dass er von selbst darauf kommen würde. >>Ist das okay für dich?<<, fragte sie mit einem dickem Schmollmund, genau wie es Tina gestern bei ihr getan hatte.

>>Null Problemo<<, sagte Mike, während er sich einen Kaffee einschenkte. >>Aber versprich mir, dass du nächste Woche Mittwoch wieder zurück bist. Da kommen meine Eltern zu Besuch und ich möchte euch endlich einander vorstellen.<< Succi schlug sich innerlich mit der Hand gegen die Stirn. Sie hatte das Treffen ganz vergessen. Aber es gab jetzt auch wichtigeres.

>>Keine Sorge. Ich verspreche dir, dass es schnell gehen wird.<< Sie gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und rauschte davon. Zog sich ein paar Sachen an, warf sich den Mantel über und ging zur Tür.

Gerade als sie die Klinke in der Hand hielt, rief Mike ihr noch hinterher: >>Ich liebe dich, aber wenn du wegen deiner Arbeit nicht kannst, werde ich dir das nie verzeihen.<< Sie kannte diesen Unterton mit dem schelmischen Augenzwinkern nur zu gut. Aber es war der erste Part welcher sie mehr berührte und innehalten ließ.

>>Ich liebe dich auch … so sehr<<, flüsterte sie zu sich selbst.

 

Fast Sieben Tage. Sieben Tage lang suchte sie bereits nach ihrem Ex, diesem verrückten Incubus. Sie suchte in Zeitungen nach seltsamen Todesursachen, suchte in illegal beschafften Polizeiakten nach Morden, die zu ihm passen könnten. Fand aber nichts. Er war wie ein Geist. So langsam zweifelte Succi daran, dass er überhaupt in der Stadt war und tat die tote Katze als bösen Streich von Tina ab. Bis plötzlich das Telefon klingelte.

>>Hallo?<< In Succis Stimme lag neben der Müdigkeit auch die Erschöpfung und Resignation der tagelangen Suche.

>>Ich finde es niedlich, wie du den Kopf auf den Tisch legst. Es sieht so aus, als wenn du schlafen würdest.<< Die Stimme des Anrufers war charmant, überaus anziehend und Succi nur allzu bekannt. Sofort richtete sie sich auf, was der Anrufer mit einem Kichern quittierte. >>Und allein deine Reaktion auf meine Worte. Richtig süß.<<

>>Was willst du?<<, fragte Succi mit unterdrückter Panik in der Stimme. Sie hatte sich noch gar keine Gedanken gemacht, was sie tun sollte, wenn sie ihren Ex traf.

>>Ich will dich nur sehen und wissen, wie es dir geht. Du kannst dir vorstellen, wie schwer es mir fiel, dich mir als Detektivin vorzustellen. Nach jener Nacht …<<, den letzten Satz fügte er mit einem Genugtuung hinzu, welche Succi glauben ließ, er schwelge in alten Erinnerungen, die sie selbst lieber vergessen hätte. Dieser Inkubus machte sie wirklich fuchsteufelswild.

Knallend donnerte sie die Faust auf den Tisch. >>Ich weiß zwar nicht, für wen du dich hältst, aber du solltest dich nicht mit mir anlegen.<<

>>Ts. Ts. Ts. Wie redest du denn mit deinem Lebensgefährten.<<

Succi drehte sich mit dem Kopf zur Wand. >>Du blöder Bastard<<, zischte sie. >>Das war nur ein One-Night-Stand.<<

>>Für dich vielleicht. Für mich war es das einzig Wahre. Nachdem du fort warst, habe ich nach anderen gesucht, aber die konnten es nicht mit dir aufnehmen. Ich habe versucht diese Nacht zu verdrängen. Doch es gelang mir nicht, so sehr ich es auch versuchte. Du warst wie eine Droge. Du hast mich zu einem Junkie gemacht. Zu einem Sklaven deiner Lust. Nur du kannst den unstillbaren Durst nach mehr in mir bändigen. Was allerdings nicht heißen soll, dass ich anderen gegenüber abgeneigt bin. Zuletzt habe ich diese … wie hieß sie doch noch gleich? Tiffany? Trina? Ach nein, Tina.<< Succi stockte der Atem. Sie hatte doch gerade noch am Anfang der Woche mit Tina gesprochen. Und jetzt sollte sie tot sein? Das konnte nicht sein, auch wenn sie wusste, wie schnell ein Leben enden konnte. Tina war schlau. Sie würde sich nicht so einfach töten lassen. Das musste ein Trick sein. Bestimmt war es einer. >>Ja, sie war wild. Hatte aber nicht das nötige Feuer. Das Einzige, was wir beide wirklich gemeinsam hatten, war unsere gemeinsame Zuneigung dir gegenüber. Sie hat dich wirklich geliebt. Wie eine Schwester. Dein Name, war das letzte Wort, welches diese süßen Lippen verließ.<< Succi hörte durch den Hörer, wie er sich übertrieben laut über die Lippen leckte und brachte damit ihre Theorie über den vermeidlichen Tod von Tina ins Wanken. Was war, wenn sie wirklich tot war?

>>Was willst du?<<, hauchte sie verstört.

>>Dich<<, kam es sofort zurück. >>Dich oder keine.<<

>>Willst du etwa noch ´ne schnelle Nummer?! Das kannst du vergessen!<<

>>Du beleidigst mich. Ich will dich. Alles. Vom Kopf bis Fuß. Vom Schopf bis zur Sohle. Körper und Seele. Alles. Einfach alles.<<

>>Bist du krank?!<<, schrie Succi in den Hörer und legte wütend auf.

Ein paar Momente lang herrschte absolute Leere in ihrem Kopf. Tina war vielleicht tot und diese Ungewissheit war quälender als die mögliche Wahrheit. Ihr Ex war wieder da und wollte sie besitzen. Das war einfach zu viel für sie. Kaum dass sie sich ihrer Leere bewusst wurde, klingelte das Telefon erneut. Mechanisch nahm sie den Hörer ab. >>Ich habe übrigens dein Schoßtierchen hier. Miky, Mike. Wie immer du ihn nennen willst.<<, sagte die Stimme auf der anderen Leitung hämisch. >>Wenn du ihn wieder haben willst, musst du schon zu mir kommen. Wir sind in dem leer stehenden Gebäude gleich gegenüber von deinem Büro. Ich freue mich schon darauf dich zu …<<, Succi legte auf, sprang vom Stuhl und rannte los.

 

Mit einem Tritt flog die Tür aus ihren Angeln und krachte staubaufwirbelnd zu Boden. Succi musste husten, als sie die muffige Luft mit all dem Staub einatmete. Das spärlich beleuchtete Gebäude war mit Nägeln und Brettern verrammelt. Nur ein paar einzelne Sonnenstrahlen schafften es durch die verbarrikadierten Fenster, aber Succi gewöhnte sich schnell an die schlechten Lichtverhältnisse. Wo Mike war, wusste sie nicht, aber einige mit Blut gemalte Pfeile an den Wänden zeigten ihr den Weg. Mit jedem Schritt, denen sie den Pfeilen folgte, wuchs ihre Besorgnis. Ihr Hirn malte sich ein grausiges Horrorszenario nach dem anderen aus. Eines schrecklicher als das vorangegangene. Nur ein kleiner Funke der Hoffnung wollte nicht erlöschen. Wollte daran glauben, dass alles nur ein böswilliger Scherz war und gleich jemand lachend hinter einer Ecke hervorsprang. Es konnte einfach nicht sein. Mike durfte nichts passieren.

Am Ende der Schnitzeljagd die quer durch das Gebäude geführt hatte, stand sie in einem verfallenen Kinderzimmer. Ein zusammengekauertes Bündel Fleisch lag zusammengekauert hinter einem Kinderwagen. Sie stürzte auf das Bündel zu, welches den Pullover trug, welchen sie Mike letztes Weihnachten geschenkt hatte. Im Vorbeigehen stieß sie den Wagen um, der polternd zu Boden fiel. Ein schmutziger Puppenkopf mit milchigen Augen rollte kullernd über den Bretterboden. Mit einem Ruck drehte Succi das Bündel so, dass sie sein Gesicht sehen konnte, nur um ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt zu sehen. Es war Mike der sie durch verklärte Augen ansah. Er war nicht einmal in der Lage Succi mit seinen Blicken zu fixieren. Sein Körper war vollkommen ausgedorrt, wodurch er um viele Jahre gealtert zu sein schien.

Ihre Unterlippe bebte. >>Nein. Nein! Das kann nicht sein!<< Sie beugte sich über die seelenlose Hülle ihres Freundes und schüttelte seine Überreste wie von Sinnen. >>Du darfst nicht sterben. Mike! Du wolltest mir doch noch deine Eltern vorstellen. Und ich wollte dir diese Schuhe im Schaufenster zeigen, die ich so toll fand.<< Sie hörte auf ihn durchzuschütteln und begann durch seine Haare zu streicheln, als sie einsah, dass ihre Worte ihn nie erreichen würden. In Strömen rannen ihr die Tränen übers Gesicht, während ihr Kopf auf seiner Brust lag und das schwache Pochen seines Herzens hörte, welches mit jedem ihrer Worte etwas schwächer wurde. >>Es gibt noch so viel, was ich dir sagen will. So viel, was ich noch mit dir tun wollte. Träume, die ich mit dir teilen will. Ich weiß, dass uns Kinder nicht vergönnt waren, doch ich hätte dir gerne welche geschenkt.<< Langsam schlossen sich Mikes Augen. Sein Herzschlag war kaum noch wahnehmbar. Die Seele machte sich bereit den Körper zu verlassen. >>Mach nicht die Augen zu!<<, versuchte sie das unausweichliche hinauszuzögern. >>Wag es nicht, sie zu schließen!<< Als er die Augen schloss, schluchzte sie: >>Bitte verlass mich nicht. Lass mich nicht allein zurück.<< Sie weinte ihren Kummer hinaus. All die Farben, die Mike in ihr wachgerufen hatte, verschwanden mit einem Schlag, genau wie die Lebensfreude. Das Leben wurde wieder grau und kälter als der eisigste Winter. Sie schrie ihren Schmerz zur Decke hinauf, wo im Blut geschrieben stand: `Es hat Spaß gemacht, ihn zu ficken.´

 

The End

Impressum

Texte: EINsamer wANDERER
Bildmaterialien: Sabi
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2014

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