»Hallo. Mein Name ist Raul und ich bin ein Dämon.
Tja, jetzt weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Ich bin ein Dämon und…
Aber das war nicht immer so. Früher bin ich ein Engel im Paradies gewesen. Es war eine ruhige und friedliche Zeit gewesen.
Doch dann kam eines Tages der gute alte Lou zu mir und fragte, ob ich nicht bei seiner Clique mitmachen wollte. Ich war dabei. Am Anfang war es auch ziemlich cool gewesen. Wir hatten niemanden weh tun wollen. Wir wollten einfach nur die Schöpfung auf den Kopf stellen. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam, aber auf einmal befanden wir uns mitten im Krieg mit unseren Brüdern und Schwestern. Am Ende wurde ich verbannt und folgte dem fallenden Lou in den Trichter, den er durch seinen Sturz schuf. So war die Hölle geboren.
Und wieder war es am Anfang ganz chillich. Wir haben uns ein neues Zuhause aufgebaut und so weiter. Doch dann kamen unsere Brüder und Schwestern zu uns und fragten, ob wir nicht die bösen Seelen haben wollen, sie selbst hätten so viele über, die sie eigentlich bestrafen müssten. Aber natürlich wollte sich niemand dabei die Hände schmutzig machen, typisch. Aber wir willigten ein. Sklaven konnten nie schaden. Das Gute an diesen Seelen war ja, dass man alles mit ihnen machen konnte. Sterben konnten sie nicht und Rechte hatten sie auch keine mehr. Das mag jetzt den einen oder anderen erschüttern, aber einige hatten es auch echt verdient.
Jedenfalls baute ich mir über die Äonen ein kleines Reich in der Unterwelt auf. Mit Bediensteten und allem drum und dran. So ging es mir lange Zeit lang gut.
Aber eines Tages hatte ich einen klaren Moment. Ich weidete gerade einen kleinen Elternmörder aus und schniefte sein Blut als wäre es Kokain, während ich auf einem Thron aus nackten Weibern saß, die in ihrem Leben die Männer durch Unterjochung in den Wahnsinn oder schlimmeres getrieben hatten. Da wurde mir zum ersten Mal klar, was aus mir geworden war und ich fragte mich, `hey warum tust du das gerade? Was ist nur passiert´. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern ab welchem Zeitpunkt überhaupt alles schief ging.
Von da an ging nichts mehr glatt. Das Geschreie und Gestöhne der Verdammten ließ mich nicht schlafen. Ich kam einfach nicht zur Ruhe – war rastlos und trieb mich immer mehr herum. Ich konnte mir nicht einmal mehr in den Spiegel gegenüber sehen, so krank machte mich mein eigener Anblick. Etwas musste sich ändern. Aber solange ich in der Unterwelt war, gab es keine Ausweichmöglichkeit. Egal wohin ich ging, gab es immer nur dieselben Gräuel und Sünden.
Doch irgendwann kam dann ja das Angebot des Himmels, dass einige Dämonen freiwillig in die Menschenwelt ziehen dürften. Ich machte ein paar Schnupperjahrhunderte und bekam dann mein Visum.
Inzwischen bin ich ein mehr oder weniger normaler Bürger. Ich arbeite in einem Büro und helfe alten Menschen über die Straße. Eine Freundin habe ich inzwischen auch. Also alles in allem bin ich eigentlich ganz zufrieden mit meinem Leben hier«, beendete Raul seine Vorstellung.
Höfliches Klatschen ging vom Stuhlkreis aus. Überall saßen Dämonen in ihrer Menschengestalt, um über ihre Sorgen und Nöte in der Menschenwelt zu sprechen.
»Sehr schön Raul. Aber die Frage ist, wenn du so glücklich bist, warum bist du dann hier«, fragte der Dämonen Therapeut Martes Ánimam.
Raul rieb sich den Nacken, während er ausweichend zur Seite blickte. »Nun ja. Ich habe das Gefühl dass mir hier etwas fehlt. Ich dachte, sobald ich keine bösen Taten mehr begehe, bin ich glücklich.«
»Ja, dieses Problem ist uns allen bekannt. Viele Dämonen die in die Menschenwelt ziehen, hören auf gemeine Schandtaten zu begehen, was jedoch ein gewaltiger Fehler ist. Wir sind nun mal böse. Das ist unsere Natur. Die können wir nicht so leicht abschütteln. Vielen hilft es, kleine Schandtaten zu begehen, um ihren Drang zu stillen. Marx dahinten zum Beispiel veranstaltet illegale Hahnkämpfe. Oder Fransiscos hier schwatzt alten Damen irgendwelche überhöhten Kredite auf. Alma und Tim sind hingegen beim Fernsehen und bringen Leute dazu sich in der Öffentlichkeit zu blamieren. Du siehst also, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, seinem schlechten Werk weiternachzugehen.«
»Ja, aber, wenn ich nicht mehr böse sein will?«
»Dann sieh es doch mal von dieser Seite, wir tun hier wichtige Arbeit für die Heimat. Während unsere Brüder und Schwestern in der Unterwelt foltern und bestrafen, kümmern wir uns um das Böse in dieser Welt. Die Engel haben ja angeblich auch ihre Leute hier, die den Himmel nicht mehr sehen können. Wir tun das alles nur, um das Gleichgewicht zu wahren.«
Wieder rieb sich Raul den Nacken. »Nun, ja. Das mit den bösen Taten dürfte sich als schwierig erweisen. Sollte nämlich meine Freundin Monika-«
»Was hat die ´olle Schlampe damit zu tun?«, fragte einer der anderen Dämonen.
»Nun, sie ist eine Hexe. Eine von der Guten Sorte.«
Alle atmeten auf einmal vor Entsetzen laut ein.
»Du willst doch nicht sagen, dass eine eurer Identitäten aufgeflogen ist?!«, fragte der Therapeut panisch.
»Nein. Ich hab es nur so durch Zufall erfahren. Hab gesehen, wie sie die Welt gerettet hat. Da waren wir ungefähr acht Monate zusammen. Da hat sie einer fiesen Mumie den Kopf mit bloßen Händen abgerissen. Es war das sexiste was ich jemals in meinem langen Leben sah. Spätestens da war für mich klar, dass sie die eine ist.«
Alle lachten, da Dämonen nicht lieben konnten und jeder der von Liebe sprach ,war entweder verrückt oder verwechselte das Gefühl einfach mit seinen Trieben.
»Sie weiß auch nicht, wer ich bin. Sie hält mich für einen ganz normalen Typen. Manches Mal fällt ihr keine passende Erklärung für ihr langes Verschwinden oder andere Ungereimtheiten ein. Da greife ich ihr unter die Arme und gebe ihr eine passende Vorlage. Natürlich ist eine solche Beziehung schwierig, wegen all der Geheimnisse und oft kommt sie spät bis gar nicht zu den Verabredungen, aber ich glaube, dass sie es wert ist.«
»Du weißt schon, dass du damit gegen die Regeln verstößt.«
»Was?! Nein. Tue ich nicht. Es ist nur verboten, sich dem anderen zu erkennen zu geben. Solange das keiner von uns beiden tut …«, Raul biss sich auf die Lippe. Monika wollte mit ihm heute Abend über etwas Wichtiges sprechen und er hoffte aufs Innigste, dass sie nicht ihre geheime Identität verraten würde.
»Sollte einer von euch, seine wahre Natur preis geben, wäre es mit einer Kriegserklärung gleichzusetzen«, sprach Martes aus, was Raul dachte. »Himmel und Hölle haben sich darauf geeinigt friedlich und unerkannt in dieser Welt zu leben. Sollte auch nur die Identität eines einzelnen auffliegen, so könnte man die andere Seite der Beschattung und Spionage bezichtigen. Ich würde dir raten, diese Beziehung sofort abzubrechen, um deiner und ihrer willen.«
»Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich einfach nicht ohne sie sein kann. Die Art wie sie mich anlächelt und wie sie mit mir spricht, da wird mir ganz anders.«
»Raul, du solltest vorsichtig sein. Schon so mancher Dämon hat sich auf den Pfad der falschen Liebe begeben und ist nie von dort zurückgekehrt.«
»Es ist keine falsche Liebe! Es ist echt!«
»Wenn du sie wirklich lieben würdest, warum verlässt du sie nicht einfach? Allein zu ihrer eigenen Sicherheit.«
Raul dachte einen Moment lang nach, bevor er antwortete: »Ich brauche sie.«
»Dennoch solltest du dich von ihr trennen, bevor sie dir ihr Geheimnis verraten kann.«
»Okay, mach ich.«
Am selben Abend kam das besagte Gespräch zwischen Raul und Monika trotzdem zustande.
Noch konnte niemand ahnen, welch große Auswirkungen es haben sollte.
The End
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2014
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