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Devil-Daughter: Das kleine Mädchen von damals

In der Wüste herrschte ein schlimmer Sandsturm. Jeder – außer einer einzelnen Gestalt – suchte Schutz vor ihm. Mühelos durchschnitt sie den Wind wie ein Geist und hielt zielstrebig auf die Stadt mit der Holzpalisade zu, welche inmitten der Wüste stand. Das Holztor stand offen wie der Schlund eines Ungeheuers das nach Nahrung gierte. Die Palisade diente weniger zum Schutz vor Feinden, als mehr vor Stürmen, wie sie es in dieser Gegend angeblich öfters gab. Als die Gestalt das Tor passierte, heulte der Wind durch und erzeugte ein Geräusch wie das Wehklagen der verdammten Seelen aus der Unterwelt. Jetzt wo der Sturm hinter der Person war, schob sie das staubige Halstuch vom Mund, welches der einzige Schutz vor dem Sturm gewesen war.

Die Gestalt entpuppte sich als eine junge Frau – fast noch ein Mädchen. Sie trug einen kleinen Reif aus Pistolenkugeln um ihr Handgelenk. Ein schwarzer Cowboy-Hut thronte auf ihren Kopf wie eine Krone. Die Krempe schien etwas zu groß für sie zu sein, aber dem Mädchen schien das nichts auszumachen. Sie trug eine ärmellose Weste aus dunkelbraunem Leder. Darunter war ein weißes Hemd zu sehen, dessen Ärmel stets hochgekrempelt waren. Die Beine ihrer fransigen Hose waren etwas zu weit – die neuste Mode. Auf dem Rücken trug sie ein doppelläufiges reichverziertes Gewehr. Der Griff aus Ebenholz war perfekt an die Hände der Dame angepasst. Die Läufe waren mit zusätzlichem Eisen zur Dekoration beschlagen. Das Metall formte Flammen, an deren Laufenden zwei Höllenhunde mit weitaufgerissenen Mäulern waren. Ansonsten waren am mit kugelverzierten Gürtel noch zwei Pistolen zu sehen. Der Geldbeutel über ihrem Gesäß war – wie sonst auch – leer.

Ihr Blick streifte über die Holzbaracken. Es mussten ungefähr ein paar Dutzend sein, aber sie waren schon sehr baufällig. Sie ging schnurstracks auf das Gebäude zu über dem `Saloon´ auf einem großen Holzschild in roter – sich langsam abblätternder – Farbe stand. Aus der Baracke kam langsame, gedämpfte Musik, die klang als wenn das Klavier jeden Moment in sich zusammen fallen würde. Ansonsten war es recht ruhig. Sie hatte einer alten Beschreibung nach eher mit einem lauten Hurenhaus gerechnet. Als sie eine der Schwungtüren zur Seite schob, krachte hinter ihr das Schild herunter. Sie blickte sich einmal kurz um, ging dann aber weiter. Für einen Moment verstummte die leise Geräuschkulisse, doch schon nach ein paar Augenblicken wurde sie angepfiffen.

»Hey, Süße! Wie wär´s mit uns? Hey du! Ich rede mit dir!«

Die Frau ignorierte den Mann und lief unbeirrt weiter. Sie setzte sich auf einen Barhocker und bestellte ein Bier bei der älteren Barfrau. Das hier musste der Hocker gewesen, da war sie sich sicher. Hier hatte er gesessen.

Sie betrachtete sich im schmutzigen und gesprungenen Spiegel gegenüber. Ihr Gesicht war braungebrannt. Schmutz und Schweiß waren aber deutlich zu sehen. Unter dem Hut lugten kurze, struppige pechschwarze Haare hervor. So musste sie bei ihrer ersten Begegnung mit ihm ausgesehen haben. Nur das sie damals in Lumpen gehüllt war.

Eine hochgewachsene Gestalt bewegte sich auf sie zu. »Hey du, hast du überhaupt schon Schutzgeld bezahlt?«

Die Antwort fiel knapp aus. »Wozu?«

Die Barfrau hielt sich nachdenklich das Kinn und murmelte etwas, dass wie »Déjà-vu« klang.

»Wozu?! Weißt du überhaupt, wer ich bin?!«

Die Frau schwieg, aber sie schaute ihr gegenüber an, während sie noch einen Schluck aus dem Glas tat.

»Ich bin Carlos der größte Verbrecher der Stadt! Auf meinen Kopf sind einhunderttausend Mäuse ausge…«

Ohne Vorwarnung schoss die Fremde Carlos ins Herz. Leblos sackte der Kerl zusammen. Die Frau schwang sich vom Barhocker, kniete sich über den Leichnam und zog unter ihrer Weste ein großes, Messer mit gezacktem Rücken hervor.

»Sorry, aber du hast mir zu viel geschwafelt und ich brauche die Kohle«, erklärte sie dem Toten ruhig, als sie ihm den Kopf abschnitt.

 

Ein paar Minuten später klopfte es am Sheriffbüro. Die Kopfgeldjägerin stand vor der Tür. Etwas verwirrt bat der Sheriff sie herein, doch sie hielt nur den immer noch bluttriefenden Kopf hoch und erwiderte mit einem verschmitzten Lächeln: »Ich will den Boden nicht dreckig machen.«

Der Sheriff erwiderte die Aussage mit einem stummen Lächeln. Dann fiel er in Ohnmacht.

Als er wieder zu Bewusstsein kam, lag er auf der Couch, der Arzt hatte zur Sicherheit mit seinem Stethoskop den Herzschlag kontrolliert. Der Schädel von Carlos lag auf dem Sheriffsschreibtisch, darunter lag ein weißes Stofftuch um den Tisch nicht unnötig schmutzig zu machen. Allerdings war das Tuch nicht besonders saugfähig. Der leblose Kopf schien fast eine neue Ohnmacht auszulösen, denn der Sheriff verdrehte beim erneuten Anblick wieder die Augen und sackte bewusstlos auf der Couch zusammen.

Die Fremde schälte sich seelenruhig einen Apfel mit eben jenem Messer, mit welchem sie noch vor einigen Minuten den Carlos Kopf vom Rumpf getrennt hatte, während sie aus dem Fenster schaute. Man hatte ihr einen Stuhl angeboten, doch sie lehnte sich lieber gegen die Schreibtischkante. »Scheint wohl zart besaitet zu sein, dieser Sheriff.«

Der Arzt lachte. »Ja, als er hier noch Hilfssheriff gewesen war, hat ihn der damalige Sheriff immer eine Geschichte erzählt, die so ähnlich war. Ein Kopfgeldjäger, den viele Devil nannten kam in diese Stadt und tötete Monty den Massenmörder. Damals war Carlos noch ein kleiner Gauner gewesen.«

Beim Namen Monty horchte die Frau für einen Moment auf. Wahrscheinlich nur eine namentliche Ähnlichkeit mit ihrem Bekannten.

»Jedenfalls kam dieser Devil hier einfach an und tötete nur ein paar Minuten später den größten Scheißkerl, den diese Stadt bis dato je gesehen hatte. Er schoss ihm direkt ins Herz.« Seine Worte untermauerte er, indem er sich an die Brust tippte. »Aber damit nicht genug. Also das war noch vor meiner Zeit. Um ehrlich zu sein, glaube ich den Quatsch nicht, dass er dem armen Arschloch das Herz herausgerissen und gegessen hat, nur um ihm danach den Kopf abzureißen und die Belohnung zu kassieren. Sowas macht doch keiner. Der damalige Sheriff hat bis zum letzten Atemzug geschworen, dass es wahr sei. Der jetzige Gesetzeshüter hat ihn damals ausgelacht, als er erzählte wie schlecht ihm von dem abgetrennten Schädel geworden war. Tja, jetzt kriegt er die Quittung dafür.«

Die Frau steckte sich ein weiteres Stück Apfel in den Mund. Es war saftig und wohlschmeckend, was auch gut so war. Schließlich hatte sie ihr letztes Geld für diese Frucht ausgegeben.

Kauend erzählte sie mit einem verträumten Blick aus dem Fenster: »Hab davon gehört. Auch wenn Sie nicht daran glauben, ich tue es bis zu einem gewissen Grad.«

Damit stieß sie sich von der Schreibtischkante ab und ging aus dem Büro. »Ich bleibe über Nacht im Motel. Sobald der Sheriff auf den Beinen ist, erwarte ich meine Belohnung.« Mit einem eiskalten Blick drehte sie noch einmal den Kopf zur Seite. »Und wehe, wenn nicht.« Ihre bedrohliche Stimme war kälter als Eis.

Kaum dass sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, sprang ein Mann neben sie. Vor Schreck sprang sie zur Seite.

»Und wehe wenn nicht«, imitierte er sie mit übertrieben unheimlicher Stimme. Dann musste er sich vor Lachen den Bauch halten. »Oh man, Elsa! Du wirst immer besser darin die Leute einzuschüchtern.«

Die junge Frau schaute kurz nach links und rechts, um sicherzugehen dass niemand sie sah. Schließlich sollte sie niemand für verrückt halten, wenn sie mit ihrem persönlichen Nervensägen-Geist sprach.

Elsa biss den letzten Rest vom Apfel ab und warf den abgenagten Stihl hinter sich, um dann gemächlich die Straße hinunter zu gehen. »Halt´ die Klappe, Monty. Im Ernst ich kann kaum etwas verstehen, weil du einfach nicht dein Maul halten kannst. Von allen toten Typen die ich am Hals haben könnte, habe ich ausgerechnet dich erwischt. Den toten Erzfeind meines Vaters.«

»Hey! Ich war nicht sein Erzfeind! Diese Bestie hat mich dazu gezwungen!«

Elsa drehte sich ungläubig schauend zu Monty um. »Ist klar, Skaru. Dieses Teufelsbiest hat zu dir geflüstert und dir eingeredet, dass du ein Gott bist. Diese Leier ist so alt, dass …« Die Tochter des Kopfgeldjägers hielt inne, als ein kleiner Junge panisch um die Ecke gerannt kam. Er versteckte sich in einem Fass. Elsa schien er dabei übersehen zu haben.

Kaum das er sich verkrochen hatte, holten seine Verfolger auf.

»Wo ist er?«, brüllte einer.

Elsa zog sich den Hut ins Gesicht, mit einer leicht übertriebenen Andeutung auf das Fass.

»Hallo, meine Schöne«, sagte einer. Mit dreckigem Lachen gingen die anderen zwei auf sie zu und umrundeten sie.

Scheinbar hatte keiner den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden.

»Nicht schon wieder«, murrte die Kopfgeldjägerin.

Sie umzingelten das Mädchen. Wahrscheinlich befürchteten sie das ihre Beute entkomme könnte. Einer der Typen fasste sie mit seinen dreckigen Fingern an einer Stelle an, wo sie es gar nicht schätzte.

Pfeilschnell sauste ihre Faust schräg nach oben und rammte das Nasenbein des Kerls in sein Gehirn.

Dann überschlugen sich die Ereignisse.

Elsa verpasste dem Kerl hinter sich eine Kopfnuss. Gerade stark genug, dass er zurücktaumelte. Dann tauchte sie unter dem dritten Mann durch, stellte sich in seinem Rücken und stahl in einer fließenden Bewegung die Pistole aus seinem Halfter. Bevor er sich wieder umdrehen konnte, schoss sie ihm in die Kniekehle. Dem Typen, dem sie eine Kopfnuss verpasst hatte, schoss sie in den Schritt.

Alle drei Angreifer lagen stöhnend am Boden. Elsa ließ achtlos die Waffe in den Staub fallen und ging ihres Weges.

Solche Typen waren es nie wert zu morden. Geld gab es für sie auch nicht.

»Wow! Was war das denn?!«, fragte der Junge der die ganze Zeit über durch ein Loch im Fass die Geschehnisse beobachtet hatte. »Wo hast du das denn gelernt?«

»Teils von meinem Vater, teils auf der Straße«, antwortete die Kopfgeldjägerin mit einem Schulterzucken.

»Wahnsinn!«, sagte der Junge während er die am Boden liegenden Männer trat.

»Kannst du das mal lassen! Die Typen sind schon genug bestraft.«

»Okay«, sagte der Junge kleinlaut und ging mit ihr bis zum Motel.

Irgendwann fragte Elsa: »Sag mal, folgst du mir etwa?«

»Ja«, antwortete er unumwunden.

»Hör auf damit! Ich kann keine kleinen Kinder gebrauchen. Geh Nachhause zu deinen Eltern oder auch nicht, mir egal.«

Bei der Erwähnung seiner Eltern blieb der Junge abrupt stehen. »Ich habe keine Eltern«, sagte er monoton, als wäre er weit weg. »Die Dämonen haben sie umgebracht.«

»Ach. Deine auch?«, fragte Elsa. Nach einer Weile des gegenseitigen Anschweigens seufzte Elsa. »Na gut. Du kannst mitkommen.«

Sofort rannte der Kleine auf sie zu.

»Das ist doch nicht dein ernst, Elsa!« Monty wehrte ihre Entscheidung mit Handbewegungen ab. »Du weißt doch, dass es da wir wo wir hingehen wahrscheinlich kein Zurück geben wird.«

Elsa schwieg. Sie würde sich später erklären, wenn die beiden ungestörter waren. Wenn der Junge sah wie sie mit einer scheinbar nicht existenten Person sprach, würde er nur unnötige Angst bekommen.

Der Kleine hielt ihr Bein umklammert, als handle es sich dabei um einen Rettungsanker.»Yippie! Bist du dann meine große Schwester?«

Bei dem Gedanken eine große Schwester zu sein, kochten in ihr alte Erinnerungen hoch gemischt mit immer noch frischem Schmerz. Dinge die Elsa längst begraben wähnte. »Nein!«, sagte sie entschieden.

»Wie heißt du eigentlich, Kleiner?«

»Klaus, aber alle nennen mich Flo, weil ich so klein bin und wie heißt du?«

»Elsa«, gab sie zurück. »Freut mich dich kennenzulernen.«

 

Der kleine Flo schlief friedlich in seinem Bett im Motel. Elsa reichte der einfache Stuhl. Der Mond schien in ihr Zimmer und sie versuchte sich von ihm fernzuhalten. Nicht dass der kleine Junge ihr Äußeres bei Nacht sah und Angst bekam.

Es hatte mächtige Überredungsarbeit gebraucht, dass die Kopfgeldjägerin ihre Miete nicht im Voraus zahlen musste. Der Betreiber hatte sie zu Recht als vollkommen abgebrannt eingeschätzt. Aber letztlich hatte Elsa doch wieder ihren Dickschädel durchsetzen können.

Sie war gerade dabei friedlich einzudösen, als Monty sich wieder einmischte. »Was hast du dir dabei gedacht, Elsa? Dieser Junge wird sterben, wenn er mit uns kommt! Jetzt sag bloß nicht, dass du ihn aus dem sentimentalen Grund mitnimmst, weil er dich an dich selbst erinnert, als du noch klein und von Dämonen gejagt wurdest. Und komm mir jetzt bloß nicht mit diesen Blick, Kleine!«

»Was hätte ich denn machen sollen?«, flüsterte Elsa.

»Was hast du gesagt? Warum flüsterst du? Ach ja, dich hört der Kleine ja. Natürlich. Ich vergess manchmal das ich ein Geist bin und so.«

»Er hat niemanden mehr auf der Welt …« Elsa unterbrach sich selbst, als Flo sich grummelnd zur Seite drehte. Als sie sicher war, dass er auch wirklich schlief fuhr sie fort. »Er ist allein, genau wie ich es fast mein ganzes Leben lang war. Weißt du wie das ist, ganz allein durch die Welt zu streifen? Na siehst du! Du hast auch keine Ahnung. Kannst du jetzt endlich mal aufhören ständig den Kopf zu schütteln?! Danke. Hast du überhaupt eine Ahnung was für ein Gefühl das ist, ohne Eltern oder Zuhause aufzuwachsen? Weißt du, wie es sich anfühlt glückliche Familien zu sehen und zu merken, dass etwas fehlt?«

Ein lautes Schnauben unterbrach die Stille der Nacht. Es klang unnatürlich, was wiederum bei Elsas Glück bedeutete dass es wahrscheinlich ein Dämon war. Sofort rannte die Kopfgeldjägerin zum Fenster, mit der Pistole im Anschlag, um zu sehen was da draußen vor sich ging.

Auf einmal fuhr Flo kerzengerade hoch. Der Lärm schien ihn aufgeweckt zu haben. Schlaftrunken drehte er sich zu Elsa. Er kniff die Augen zusammen, wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass er nicht träumte. Als er sich den Umstand seines Wachseins bewusst wurde, weiteten sich seine Augen beim Anblick der Kopfgeldjägerin. Elsa sah es und verstand ihn.

Sie war Leichenblass und ihre Augen schwärzer als die tiefste Finsternis.

Flo wollte schreien, doch Elsa hielt ihm gerade noch rechtzeitig den Mund zu.

»Alles in Ordnung«, sie versuchte ihn durch die Sanftheit ihrer Stimme zu beruhigen. »Es sieht schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist. Ich nehme jetzt die Hand weg, wenn du versprichst nicht zu schreien. Kann ich mich darauf verlassen? Gut.« Sie nahm die Hand von Flos Mund.

»Bist du krank?«, fragte er.

»So in etwa«, sagte Elsa traurig während sie auf ihre leichenblasse Hand starrte.

Wieder ertönte ein lautes Schnauben durch die Nacht. Darauf folgte ein lautes verzerrtes Muhen, wie von einem riesigen Bullen. Gefolgt von einem lauten Krachen. Wahrscheinlich hatte er die Palisade eingerissen.

Elsa blickte zum Fenster und fasste einen Entschluss. »Bleib hier und gib keinen Mucks von dir, ja?«

Flo nickte.

Elsa sprang darauf durchs Fenster auf die staubige Straße, wo ein gewaltiger Minotaurus in einem Lendenschurz mit Nasenring auf sie wartete.

Hinter ihm war ein großes Loch in die Palisade eingerissen worden. Ansonsten schien er noch gar nicht gewütet zu haben.

»Dann hatte dein Informant ja doch recht«, sagte die Kopfgeldjägerin zum Geist.

»Natürlich. Auf Holzbeinfresser Matt kann man sich eben verlassen.«

»War er es nicht auch, der dir die Stelle mit der Teufelsbestie gezeigt hat?« Elsa kannte die Antwort und konnte sich ein Lächeln verkneifen.

»Ja«, gab der Geist mit knirschenden Zähnen zurück.

»Endlich mal wieder etwas Menschenfleisch«, knurrte der Minotaurus und leckte sich mit seiner Kuhzunge über die Lippen. »Du siehst sehr zart aus, meine Kleine.«

»Machen wir es kurz. Ich bin Elsa die Tochter des berühmten Dämonentöters Branden Devil. Man nennt mich deshalb auch Devil-Daughter, klar soweit?« Sie zog ihr reichverziertes Gewehr vom Rücken. »Und das hier ist eine Waffe die man den Höllenvorboten nennt.«

»Sag mal bist du verrückt, Elsa! Wer weiß wie viel Schuss das Ding noch hat! Du weißt was passiert, wenn du den Höllenvorboten zu oft einsetzt!«

Elsa wusste genau wie viel Schuss sie hatte. Vier. Also fuhr sie unbeeindruckt mit ihrer Erklärung fort. »Derjenige der davon getötet wird kommt auf dem direkten Weg ohne wenn und aber in die Hölle.«

Der Minotaurus lachte dreckig. Er ging auf Elsa zu und fing an zu schwafeln, wie die Dämonen es so gerne taten. »Du solltest auf deinen kleinen Geisterkumpel hören, Sterbliche. Ja, ich kann dich auch sehen, Gespenst, so wieder jeder andere Dämon auch. Jetzt werde ich dir mal etwas über den Vorboten erzählen. Wie dir sicherlich aufgefallen ist, durchlebst du Nachts eine kleine Veränderung. Wer auch immer den Höllenvorboten anfasst verliert seine Seele, die dann als Munition genutzt wird. Jede Seele ist ungefähr zwölf Schuss wert. Sobald du auch den letzten Teil deiner Seele verschossen hast, gehst auch du in den Hades ein.«

»Ja«, bestätigte Elsa. »Sowas hab ich schon gehört. Aber ich werde dir trotzdem damit den Schädel wegpusten. Darauf kannst du einen lassen. Und jetzt lass uns anfangen.«

Wütend brüllend – mit den Kopf nach vorne – stampfte der Dämon wie ein Stier auf Elsa zu. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

 

Die Sonne brach sich an den Gipfeln der Berge. Sie blendeten die kleine Elsa, als sie auf dem Bauch im Kornfeld lag. Das Gewehr lag ruhig in ihrer Hand. Der Lauf war fest an ihre Schulter gedrückt. Ihr Auge war sicher auf ihr Ziel – welches eine leere Dose darstellte – gerichtet. Der Tau wurde ihr immer wieder vom Wind in die Augen geweht. Angestrengt versuchte sie sich davon nicht beirren zu lassen. Ihr Finger krümmte sich am Abzug und drückte ihn zu sich heran. Der Rückstoß des Gewehres kugelte ihr fast die Schulter aus. Sie versuchte nicht laut aufzuschreien.

Jetzt musste alles schnell gehen. Sie nahm sich noch nicht einmal Zeit zu schauen, ob sie die Dose überhaupt getroffen hatte. Stattdessen rannte sie zu ihrem Elternhaus und verkroch sich unter der Veranda.

Kaum dass sie sich im Dunkeln versteckt hatte, stampfte auch schon der ehemalige Kopfgeldjäger Brendan aus dem Haus mit der Waffe in der Hand. Von ihrem Platz aus, sah sie wie ihr Vater sich nach den vermeidlichen Angreifern umschaute. Schließlich fand er die durchlöcherte Dose. Nach einem Moment des Betrachtens warf er sie wieder achtlos auf den Acker. Die Dielenbretter über Elsa bogen sich und quietschten unter irgendeinem Gewicht. Ihre Mutter Eleonora war wahrscheinlich über ihr.

»Sie hat es schon wieder getan, oder?«, in ihrer Stimme lag Resignation.

»Ja«, bestätigte ihr Vater.

»Was sollen wir bloß mir ihr machen, Brendan? Dieses Verhalten schickt sich nicht für eine gebürtigen Farmerstochter.«

Elsa rollte nur wieder mit den Augen. Wie sie es hasste als Farmerstochter bezeichnet zu werden. Sie wollte lieber Verbrecher jagen, so wie ihre Eltern es früher getan haben.

»Ich mache mir auch sorgen, Schatz. Am Anfang habe ich sie gerne ausgebildet, weil damit zu rechnen war, dass uns irgendwann jemand findet, aber es kam niemand … Und nun glaube ich auch nicht mehr, dass uns noch jemand behelligen wird. Aber vergess nicht meine Liebe, dass sie eigentlich die Tochter zweier ehemaliger Kopfgeldjägers ist. Es steckt ihr im Blut.«

»Aber sie könnte dabei verletzt werden. Du weißt wie gefährlich dieser Job ist. Was passieren kann, wenn man ihn annimmt und da sie deine Tochter ist …«

»Ich weiß. Ich weiß. Deswegen habe ich ihr ja auch inzwischen verboten eine Waffe zu bedienen. Aber wir sehen ja, wie ernst sie meine Verbote nimmt.«

Eleonora gluckste darauf. »Sie war schon immer ein richtiger Wildfang.«

»Sobald ich sie in die Finger kriege, werde ich ihr die Ohren gehörig lang ziehen, das verspreche ich dir.«

Elsa schluckte. Ihr Vater hatte wieder diesen gewissen Unterton. Er meinte es ernst.

»Wir sollten uns nicht darüber aufregen, sonst kommt noch das Baby«, fügte er nun sanfter hinzu.

Elsa konnte sich bildlich vorstellen, wie ihr Vater jetzt die Hände auf den geschwollenen Bauch ihrer Mutter legte. Seitdem sie Schwanger war, machte er das ständig.

»Wir werden ihm nicht sagen, was damals passiert ist. Das Kind braucht es nicht zu wissen«, sagte er zum gefühlten hundertsten Mal.

Elsa stieß mit den Fuß gegen etwas Hartes, worauf sie einen kleinen Schmerzlaut der Überraschung von sich gab.

Sie drehte sich um und kniff die Augen zusammen, um es genauer zu betrachten. Die eingeschränkten Sichtverhältnisse gaben aber nicht mehr als den groben Umriss des Gegenstandes preis, nach denen es eine kleine, längliche Kiste zu sein schien.

Elsa wollte sich das gerade genauer ansehen, da packte sie die kräftige Hand ihres Vaters am Knöchel und zog sie aus ihrem dunklen Versteck heraus. Jetzt würde sie sich eine gehörige Standpauke anhören müssen, die von wilden Gesten und eventuellen Schlägen untermalt wurde.

 

Hustend und röchelnd spuckte der Minotaurus sein Blut auf die Erde. Seine rotgefärbte Hand klebte an seiner Halsschlagader. Sein Körper wand sich in Höllenqualen, während immer wieder sein Lebenssaft durch die Finger floss.

Es war ein Wunder, dass er der Macht des Gewehres standgehalten hatte. Normalerweise wäre er zu Asche verbrannt worden.

Elsa hatte den Höllenvorboten noch auf die Stirn des Dämons gerichtet. Ihr Blick war kälter als ein Grab. Sie hatte kein Mitleid mit diesem Ding. »Ich habe dich nicht gleich getötet, damit du mir eine Frage beantworten kannst.«

Der Dämon spuckte sein Blut in ihr Gesicht.

Sie wischte es sich unbeeindruckt ab und sah ihm direkt in die Augen.

»Ich werde dich nur einmal fragen. Wo ist meine Schwester?«

Der Dämon lachte. Aber selbst das schien ihm endlose Kraft zu kosten und die Schmerzen zu verstärken. »Du wirst sie niemals finden, kleines Mädchen. Sie ist unglaublich mächtig für einen ... einen …«, ein erneuter Hustenanfall unterbrach seinen Satz. Er fuhr ungerührt fort. »Selbst ich, musste mich ihrem Willen beugen. Sobald sie in den Besitz der Essenz der alten Götter ist, wird sie niemand mehr aufhalten können.«

»Wo finde ich die Essenz der Teufelsbestien?«

Der Dämon sah sie trotzig an. Aber die Kopfgeldjägerin wusste, wo sie die Essenz finden konnte.

»Sie ist dort wo die Götter gestorben sind, nicht wahr?« Obwohl sie diese Frage stellte, so musste sie doch nicht einmal die Antwort abwarten sie kannte sie sowieso schon.

Der Dämon bestätigte es allein durch seinen Blick.

»Danke«, war alles was sie sagte. Sie zog ihren Hut tief ins Gesicht, drehte sich vom Dämon ab der langsam in endloser Pein im Staub vor sich hinstarb.

»Hey!«, schrie der Minotaurus. »Erlöse mich von meinen Qualen! Du kannst mich doch nicht so einfach hier liegen lassen!«

Elsa blieb stehen.

Nicht um dem Dämon von seinen Schmerzen zu erlösen, sondern um ihm Hoffnung zu machen – unnötige Hoffnung durch die er in neue Tiefen der Verzweiflung gestoßen würde. Elsa würde ihn niemals töten. Dieser langsame Tod war nicht gerecht, das wusste sie, aber das Leben war nie gerecht und auch das wusste sie..

Sie drehte sich zum Sterbenden um.

Der Hut verdeckte die obere Hälfte ihres Gesichtes. Niemand sollte ihre feuchten Augen sehen über die Tragödie ihrer Familie die sie tagtäglich durchlebte. Langsam schritt sie auf dem Dämon zu, der sich nach dem schnellen Ende sehnte und glaubte ihn auch zu bekommen.

»Ja, so ist es richtig. Komm her, kleines Mädchen! Ich wusste, dass du nicht so grausam bist. Niemand kann so herzlos sein.«

Als sie über ihm stand, packte sie ihn mit einer Hand bei den Hörnern und führte das kuhähnliche Ohr zu ihrem Mund.

Als ihre Lippen sich bewegten, wuchs mit jeder gesprochener Silbe das Entsetzen des Dämons.

»Das kleine Mädchen ist tot«, flüsterte sie.

Damit ließ sie die Hörner los und den Dämon zum Sterben zurück.

In ein paar Tagen würde er sterben.

Aber zuvor würde er leiden wie kaum ein anderer vor ihm.

Die Leute dieser toten Stadt würden ihn zur eigenen Belustigung foltern und demütigen, bevor er seinen letzten Atemzug tat und danach würde man seinen Kadaver aus Profitgier ausschlachten und verscherbeln.

Aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz der in Elsas Herzen wütete.

Als sie zum Fenster ihres Zimmers schaute, erblickte sie den kleinen Flo.

Sie fragte sich, wie viel er davon wohl gesehen hatte und wie viel er davon schon verstand.

Ihr nächster Stopp wäre die Ruhestätte der Knochenbestie.

 

Fortsetzung folgt…

Devil-Daughter: Der maskierte Teufel mit den Zwillingspistolen

»Da wären wir also«, meinte Monty, während seine Augen unruhig im schwarzen Krater hin und her hetzten.

Vor langer Zeit war die Teufelsbestie, für die Monty später der Wirt wurde, hier abgestürzt. Der Krater war einer der wenigen Zeugen, dass diese urgewaltigen Kreaturen überhaupt existierten.

Die Überresten der anderen Bestie waren irgendwo am anderen Ende der Welt, aber sie beherbergten nicht mehr die Essenz, denn die besaß Elsas Vater Brendan.

Später, als aus Monty Skaru geworden war, hatte er hier eine Kirche zu seinen eigenen Ehren gebaut, nichtsahnend dass er nur wie Brendan ein Strohmann für die höheren Mächte war. Für den Geist war dieser Ort ein Denkmal des Schreckens den er durchlebt hatte.

Heute erinnerte nichts mehr an den Kampf dieser Giganten der hier getobt hatte.

Keine Überreste, keine Spuren einer Schlacht. Als hätte es sie nie gegeben.

»Was suchen wir hier?«, fragte Flo.

Wenn ich das nur wüsste, dachte Elsa.

Sie ging ein paar Schritte im Krater. Hier wuchs noch nicht einmal etwas. Dieser Ort schien wirklich verflucht zu sein.

Plötzlich blieb die Kopfgeldjägerin stehen. Hier war etwas. Ihre Füße waren auf einmal seltsam warm. Sie beugte sich nach unten und fasste den Boden noch einmal mit den Fingerspitzen an.

Zischend zog sie die Hand zurück, als hätte sie eben eine heiße Herdplatte angefasst.

Flo machte ein paar Schritte nach vorne. »Ist etwas?«, fragte er besorgt.

»Nichts«, meinte Elsa und wedelte mit der Hand um den brennenden Schmerz etwas zu mildern.

»Mhm. Könnte es sein, dass …?«, fragte sich Monty mit einer nachdenklichen Geste. Der Geist steckte seinen Kopf in den Boden. Nach einem Moment des Schweigens zog er ihn wieder aus dem festen Erdreich, als sei dies das normalste der Welt. »Hey, Leute! Ach ja, stimmt ja, der Kleine kann mich nicht sehen. Elsa! Hier geht es runter!«

Die Kopfgeldjägerin wollte schon etwas erwidern, aber sie konnte sich im letzten Moment noch davon abhalten.

Es war ungewohnt jemanden auf seinen Reisen dabei zu haben der nicht bereits tot war.

Sie ging zu der Stelle an der Monty kniete. Mit dem Lauf vom Vorboten stieß sie gegen den Fels. Und tatsächlich gab das Gestein nach. Elsa musste sich die Hand vors Gesicht halten, da eine heiße Dampffontäne aus dem Loch geschossen kam.

Nachdem der Druck sich abgebaut hatte, vergrößerte Elsa das Loch und legte aus dem Fels gemeißelte Stufe frei. Es schien eine Treppe nach unten zu sein. Sicher war sie aber nicht, denn es gab dort kein Licht. Die Stufen wurden einfach von der Dunkelheit verschluckt.

»Du bleibst hier, Flo. Ich bin bald wieder da.«

»Ich will mitkommen!«, begehrte der kleine Junge auf.

»Nichts da, Kleiner. Das ist viel zu gefährlich. Und auf diesen alten Trick mit den großen traurigen Kulleraugen falle ich nicht herein. Als ich in deinem Alter war, war ich schon eine Meisterin mit diesem Blick. Deiner ist nur so lala«, um ihrer Aussage mehr Gewicht zu verleihen, schwenkte sie mit der Handfläche von links nach rechts.

»Aber …«, warf Flo ein, doch Elsa ließ ihm keine Gelegenheit.

»Du wartest hier jetzt und damit basta!«

Monty nickte weise, als Elsa in die Finsternis hinabstieg. »Du tust das Richtige, Kleine.«

Drinnen war es sehr heiß und schwül. Der Gestank des Bösen hing in der Luft.

Elsa lächelte im Dunkeln.

In Flos Alter hatte sie es auch nicht ertragen können zu sehen, wie andere Leute sich in Gefahr brachten und sie nichts weiter tun konnte als Däumchen zu drehen. Am schwersten war es ihr damals gefallen, als ihr Vater in sein letztes Gefecht zog.

Hoffentlich konnte der Kleine die Füße stillhalten.

Sie und Flo waren sich wirklich sehr ähnlich.

Nicht so wie Elsa und ihre kleine Schwester Lina …

 

»Was machst du da?«, fragte Lina und beugte sich neugierig vor.

Ihre langen braunen Haare fielen Elsa ins Gesicht und mussten mit einer Handbewegung beiseite geschafft werden.

»Geht dich nichts an«, gab ihre große Schwester unwirsch zurück und drückte eine weitere Patrone in die Trommel.

Mit ihrer ungewöhnlich blassen Hand, die wie der Rest ihrer Haut niemals braun wurde egal wie lange sie in der Sonne war, griff Lina nach dem schwarzen Revolver.

Elsa stieß ihre Schwester mit einer harschen Bewegung von sich.

Beleidigt rannte Lina aus dem Feld hinaus, um wieder einmal zu petzen. »Mama, Elsa tut es schon wieder!«

Das Mädchen fluchte. Sie wollte doch einfach nur in aller Ruhe ihre Zielübungen mit Vaters alten Pistolen machen.

Den berühmten schwarzen Schießeisen mit den blutroten drei Sechsen. Am liebsten hätte Elsa mit beiden Waffen gleichzeitig geübt, aber die Dinger waren ihr viel zu schwer.

Bei Branden hatte das früher immer so leicht ausgesehen, so als wögen sie gar nichts.

»Elsa, was treibst du schon wieder?«, tadelte ihre Mutter sie. »Das ist kein Benehmen für eine junge Dame.«

»Habe ich das gut gemacht?«, fragte die kleine Lina und blickte zu Eleonora auf.

»Alte Petze«, fluchte Elsa in ihren Bart.

Lina streckt demonstrativ ihre Zunge raus und Elsa beherrschte sich, nicht gleich sofort auf sie einzuprügeln.

Allein für das gehässige Funkeln in ihren rehbraunen Augen hätte das Mädchen ihre kleine Schwester erwürgen können.

Manches Mal hatte Elsa den Eindruck, dass ihre Eltern Lina ihr vorzogen, weil sie nicht so eigenwillig und rebellisch war wie ihre ältere Schwester.

»Mein liebes Fräulein, solche Dinger sind keine Spielzeuge. Du könntest dich damit verletzen«, hörte sie ihre Mutter noch heute so manches Mal sagen.

 

Elsa schreckte hoch, als zwei Pistolen neben ihr aus der Finsternis auftauchten. Sie zielten genau auf ihren Kopf. Gerade noch rechtzeitig konnte sich Devil-Daughter ducken. Hätte die Dunkelheit es zugelassen, hätte sie sehen können, wie ihr vereinzeltes Haar von den Kugeln abgerissen wurde.

Sie hörte wie die Projektille an den Wänden hinter ihr abprallten, von dort an die Decke flogen, nur um dort wieder abzustoßen. Von da ging es auf die gegenüberliegende Wand und dann wieder auf Elsa zu, ohne dass die Geschosse an Geschwindigkeit einbüßten.

Gerade noch rechtzeitig konnte sie zur Seite ausweichen.

Es war wirklich unfair. Niemand konnte in so einer undurchdringlichen Finsternis kämpfen.

Es sei denn, man änderte die Bedingungen.

»Elsa! Nicht!«, schrie Monthy, der ihre Gedanken erraten zu haben schien.

Doch es war bereits zu spät.

In einer blitzschnellen Bewegung zog Devil-Daughter ihre Geheimwaffe und drückte den Abzug.

Kreischend und tobend, wie wilde Bestien schossen die Kugeln an die Decke.

Ohne sichtbare Mühe sprengten sie das Höhlengestein weg.

Trümmer gab es keine. Die beiden Kugeln hatten sie sofort eingeäschert.

Nun war aus dem Fels ein dicker Schlachtennebel geworden. Das fahle Licht des wolkenbehangenen Himmels durchstieß die Dunkelheit und sorgte wieder für faire Verhältnisse.

Nur noch drei Schuss, dachte Elsa.

Auch wenn dies ihre Lieblingswaffe war, so musste sie doch für jeden betätigten Abzug einen hohen Preis zahlen.

Zwei Schuss durfte sie noch sinnlos verschwenden, aber die letzte Kugel trug den Namen einer besonderen Person die es zu töten galt. Einzig für diese Person war die letzte Kugel bestimmt.

»Du Idiotin! Wir hätten dabei draufgehen können! Wobei eigentlich … DU hättest dabei draufgehen können! Ich nicht. Ich bin schließlich schon tot und … äh? Was wollte ich nochmal sagen? Ach ja. Denkst du überhaupt darüber nach, was du tust oder ballerst du nur so aus Spaß durch die Gegend?! Wie kann man nur so bescheuert sein?!«

Der Rauch lichtete sich und Elsa sah nun wer ihr Gegner war.

Bis auf eine schwarze Stoffhose und den in blutigen Leichentüchern gehüllten Kopf mit einem großen aufgemalten Auge im Zentrum war die Gestalt splitterfasernackt. Jede Narbe auf dem braungebrannten Körper war ein Beweis dafür, dass dieser Mann oder dieses Ding wusste, wie man kämpfte. Die sehnigen Muskeln spannten sich unter der rauen Haut.

Elsa erhaschte einen Blick auf die Pistolen. Es waren die ihres Vaters! Aus schwarzem Metall gegossen mit drei roten Sechsen darauf.

»Woher hast du die?!«, knurrte die Kopfgeldjägerin.

Sie wusste, dass ihr Vater sich niemals von seinen beiden Waffen getrennt hätte. Jedenfalls nicht freiwillig.

Am liebsten hätte sie den Vorboten genutzt, um die Gestalt zum Reden zu bringen, aber sie wollte nach dem einen Schuss nicht schon gleich den nächsten verpulvern.

Außerdem hätte er dann nicht mehr erzählen können, wie er in den Besitz der Zwillingspistolen kam.

So musste Elsa wohl oder übel ihre eigenen identischen Revolver ziehen und den Vorboten wieder auf dem Rücken verstauen.

»Ich werde wohl auf die altmodische Art die Scheiße aus dir raus prügeln müssen, um meine Antwort zu bekommen!«

Monty zog sich fluchend zurück. Selbst als Geist war er immer noch ein Feigling.

Den kurzen Augenblick den Elsa damit verbrachte dem Gespenst hinterher zu sehen, nutzte ihr Gegner, um auf sie zu zustürmen und ihr den Kolben mitten ins Gesicht zu schlagen.

Wie kann jemand nur so schnell sein?, fragte sie sich, während die Welt um sie herum einen Purzelbaum schlug.

Doch Zeit zum Verschnaufen hatte sie keine.

Der Maskierte packte sie an der Gurgel, hob sie mit einer Hand hoch und schmetterte sie gegen die schwarze Felswand.

Stark ist er auch noch, ächzte sie innerlich, als der Griff sämtliche Luft abschnürte und ihr Gesicht Purpur anlaufen ließ. Aber ich bin die Tochter des Devil, lächelte sie angestrengt.

Der Angreifer legte nachdenklich den Kopf schief. Scheinbar versuchte er die Geste seines Opfers zu verstehen.

Elsa trat ihrem Peiniger gegen die Brust.

Der Schlag schien keine Reaktion hervorzurufen.

Also jagte sie ihre Stiefelspitze mit geballter Macht gegen das Kinn, welches sie hinter den Bandagen vermutete.

Erschrocken ließ der Gegner sie los und taumelte einen Schritt nach hinten.

Elsa landete auf den Knien und schoss aus der Hocke heraus.

Sie traf den Maskierten mehrfach in der Brust.

Die Wucht der Geschosse ließ ihn weiterzurücktaumeln.

Dann ging er mit unzähligen Kugeln im Leib zu Boden.

Elsa ging auf den Besiegten zu. Sie hatte ihm zwei Magazine in die Brust gejagt. Sein Blut tränkte den Boden.

Er würde niemanden mehr erzählen können, woher er die Zwillingspistolen her hatte.

Langsam beugte sich Elsa vor und schickte sich an den Verband zu entfernen, in der Hoffnung doch noch einen Hinweis über den Verbleib ihres Vaters zu erfahren.

Plötzlich spürte sie das Leben hinter der Maske erwachen. Zur selben Zeit hielt sie inne und spürte den kalten Lauf einer der schwarzen Pistolen an ihrer Schläfe ruhen.

Der Schweiß trat ihr aus allen Poren und hinter der Stirn der Kopfgeldjägerin arbeitete es fieberhaft, wie sie diese Situation zu ihren Gunsten entscheiden konnte.

Die Zeit verstrich quälend langsam.

Keiner wagte es sich zu bewegen.

Elsa versuchte ruhig zu atmen, während der Maskierte wie versteinert auf dem Boden lag.

Warum zögert er?, fragte sie sich. Er könnte mich auf der Stelle umbringen, warum tut er es dann nicht?

Plötzlich und unerwartet trat der Maskierte Devil-Daughter in die Magengrube und stieß sie von sich.

Elsa war immer noch überrascht von der Kraft ihres Gegners, der sie wie einen Mehlsack durch die Gegend schleuderte.

Einige Wirbeln knackten, als sie erneut auf die steinerne Höhlenwand trafen.

Ihr Gegner ging auf sie zu.

Unter seinen nackten Füßen zerknirschten die Steine zu Staub.

Ein Rinnsal Blut lief Elsas Mundwinkel hinab.

Aus einem Reflex heraus versuchte sie auf den scheinbar unbesiegbaren Mann zu schießen, doch das klackende Geräusch ihres Revolvers kündete von einem leeren Magazin.

Fluchend warf Elsa die Waffe nach ihrem Feind, an dem das Wurfobjekt einfach abprallte.

Sie hätte niemals gedacht, dass es einen Kerl geben könnte, der so stark war.

Bisher war sie noch mit allem klar gekommen. Aber mit einem solchen Dämon und den Waffen des Devil konnte sie nicht mithalten.

Bedrohlich ragte der Teufel in Schatten gehüllt über der geschlagenen Kopfgeldjägerin auf und zielte mit den Waffen ihres eigenen Vaters auf sie.

Elsa konnte die Kugeln bereits spüren, wie sie sich gleich in ihr Fleisch graben würden.

»Na los«, meinte die junge Frau trotzig. »Bring es endlich hinter dich.«

Überraschend senkte der Maskierte seine Waffe und zielte auf Elsas Knie.

Mit zusammengebissenen Zähnen wendete sie den Blick ab und schloss zusätzlich die Augen.

Sie spürte nun das kalte Metall durch ihre Hose hindurch.

Nichts geschah.

Sämtliche Gedärme zogen sich aus lauter Furcht in ihr zusammen.

Nun war sie wieder das einsame kleine Mädchen von damals, das von Dämonen verfolgt wurde. Tränen und Angst überrumpelten sie, dabei hatte sie sich doch geschworen, dass es niemals wieder so weit kommen würde.

Ein lauterKnall ertönte.

Dann ein zweiter.

Elsa spürte nichts.

Der Schock verhinderte, dass der Schmerz sie erreichte.

Sie blickte auf ihre Wunden.

Die Zwillingspistolen hatten ihre Kniescheiben sauber durchstoßen. Es würde schmerzhaft werden, aber es würde schnell heilen.

»Elsa! Große Schwester, wo steckst du?!«, brüllte Flo durch die Gänge.

»Nein«, hauchte Elsa.

Der Teufel drehte sich um und wollte der Stimme nach.

»Nein!« Die Kopfgeldjägerin griff mit der Macht der Verzweiflung nach dem Bein des Maskierten.

Er hielt kurz inne und trat ihr ins Gesicht. Ihre Nase knackte und ihr Kopf knallte gegen das Gestein.

Ihr war schwindelig und eine Ohnmacht wollte sie übermannen.

Der Feind ging unterdessen unbeeindruckt weiter.

»Nein«, meinte sie matt.

Schneller als man es von ihrem jämmerlichen Zustand erwartet hätte, schliff sie ihren Körper mit den Armen nach vorne und biss dem Teufel in die Wade.

Plötzlich tauchte Flo auf. »Elsa?« Er sah die Szenerie und wurde kreidebleich.

Renn weg!, brüllte Elsa ihn in Gedanken an.

Der Maskierte schritt auf ihn zu und schleifte Elsa ohne weiteres hinter sich her.

Schließlich hielt er doch inne, um ihr einen erneuten Tritt in die Magengrube zu verpassen und sie gegen die Wand zu schleudern.

Elsa sah gerade noch, wie Flo schreiend mit Tränen in den Augen auf den Maskierten zu rannte und mit seinen kleinen Fäusten auf ihn einhämmerte.

Aber der Maskierte hob den kleinen Flo einfach hoch und schmetterte seinen Kopf mit brutaler Gewalt gegen den Fels.

Sein kleiner Körper erschlaffte.

Blut floss in kleinen Bächen über sein Gesicht.

Es ließ sich nicht sagen, ob er tot oder nur bewusstlos war.

Dann schwanden Elsa die Sinne.

Einzig Monty blieb bei ihr und sprach ihr zu, aufzustehen und zu kämpfen.

Vergebens.

Fortsetzung folgt…

Devil-Daughter: Finaler Schuss

»Wenn das mal nicht die kleine Elsa ist. Na? Mal wieder von Zuhause abgehauʼn?«, fragte der Sheriff aus der kleinen Stadt, die in der Nähe von der Farm lag.

Elsa ging dort immer hin, wenn es Zuhause wieder einmal dicke Luft gab.

Der Sheriff saß in einem Schaukelstuhl und hielt angeblich auf der Straße nach Gaunern Ausschau.

Elsa wusste jedoch, dass er in Wirklichkeit nur den leichten Mädchen hinter herschaute.

Sein Bierbauch unter dem verschwitzten Hemd war in den letzten Monaten noch größer geworden. Aber ansonsten wirkte der Gesetzeshüter recht hager. Das schüttere, kurze Haar lag unter einem dreckigen, verfilzten Hut, auf dem sein angerosteter Sheriffstern angesteckt war.

Beleidigt plusterte das kleine Mädchen die Backen auf. »Ich hab gar nichts gemacht. Aber Mama hat mir trotzdem Hausarrest gegeben.«

Der Sheriff rieb sich mit der Hand über seinen Dreitagebart. »Und wie ich sehe, ist dir das mal wieder vollkommen Schnuppe. Jetzt komm aber erst einmal in mein Büro rein. Ich gib dir ein Glas Milch aus.«

Elsa trottete gehorsam in die Holzhütte über der auf einem dunklen Holzschild ´Sheriff´ stand.

»Ich will aber lieber ʼnen Schnaps haben.«

Sie war inzwischen mit vierzehn Jahren schon alt genug zum Trinken, aber der Sheriff behandelte sie immer noch wie ein Kleinkind. Er glaubte, dass alkoholische Getränke etwas für Erwachsene und nichts für Halbstarke sei.

Im Büro setzte sich Elsa wie üblich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, der wie immer aussah als würde er jeden Moment krachend in sich zusammenfallen, während der Sheriff sich in einem teuren Sessel mit Sprungfedern unter einer olivgrünen Polsterung setzte, den er nach jahrelangem Sparen erworben hatte.

Durch die Kombination von Sessel und Tisch bekam der Arbeitsplatz des Gesetzeshüters einen starken Kontrast von alt und neu.

Der Sheriff griff in eine der maroden Schubladen seines Schreibtisches und holte eine Flasche Milch für Elsa und für sich selbst einen Bourbon hervor. Dann schenke er den Tropfen in ein kleines und das Babygetränk in ein großes Glas ein.

Als er damit fertig war, vertauschte Elsa blitzschnell die Gläser und wollte den Bourbon gerade hastig zum Mund führen, als eine Hand dazwischen ging.

Mit einem Glucksen meinte der Sheriff. »Netter Versuch, Fräulein.«

Er entriss Elsas Fingern das kleine Glas und trank es selbst in einem Zug.

Widerstrebend griff das Mädchen nach der Milch.

Wie jedes Mal, wenn Elsa in diesem Büro saß, lehnte sich der Sheriff seufzend in seinem Stuhl zurück, bevor er fragte: »Also, Kleines, was hast du denn heute wieder ausgefressen?«

»Gar nichts«, meinte das Mädchen gespielt unschuldig.

»Du hast schon wieder mit Waffen herumgespielt, richtig? Solche Dinger sind keine Spielzeuge, hörst du?«, tadelte er sie wieder mit dem erhobenen Zeigefinger.

»Was soll bloß immer die ganze Aufregung darüber? Meine Eltern haben doch auch mit Schusswaffen eine Zeitlang ihr Geld verdient.«

»Ja, mir ist da schon so etwas zu Ohren gekommen. Deine Mutter soll angeblich auch mal Kopfgeldjägerin gewesen sein. Kaum zu glauben. Diese anständige Frau … So etwas ziemt sich nicht! Das Jagen von Verbrechern ist Männersache, auch wenn einige Weibsbilder das nicht einsehen wollen!«

»Aber-«, wollte Elsa aufbegehren.

»Da! Siehste! Du gehörst auch zu dieser Sorte Frauen. Hör mal, deine Eltern haben dir doch sicher einige Geschichten aus ihrer Jugend erzählt, oder?«

Elsa nickte freudestrahlend, während nostalgische Erinnerungen in ihr hochkamen.

Als ihre Schwester Lina noch klein war, hatten ihre Eltern den beiden jeden Abend eines ihrer Abenteuer vor dem Zubettgehen erzählt.

Die jüngere der beiden hielt diese Geschichten für erfunden, doch der Rest kannte die Wahrheit.

Elsa liebte diese Erzählungen über alles und wollte selber auch ein aufregendes Leben führen, deshalb übte sie so oft sie konnte, um eines Tages auch eine Kopfgeldjägerin zu sein.

Der Sheriff fuhr unterdessen mit seiner Predigt fort. »Was dir deine Eltern aber nicht erzählt haben ist, wie gefährlich das alles war. Niemand hier will, dass du vorschnell draufgehst.

Die Lebenserwartung eines Kopfgeldjägers sind mehr als gering. Die meisten von ihnen die ich kannte, sind schon längst unter der Erde. Das ist ein hartes Brot, hörst du?

Nicht so wie das Farmerleben. Natürlich ist das auch harte Arbeit, aber noch längst nicht so gefährlich.

Ich sehe doch den Abschaum den diese harten Knochen jagen und hier wieder abliefern. Die übelsten Typen sind das. Solche Dreckskerle die dich verge- … ähm … die dir sehr wehtun würden. Und das willst du doch nicht, oder?«

»Keine Sorge«, meinte Elsa. »Ich werde einfach schneller sein, als die. Wenn mir einer dumm kommt, schieß ich ihn über den Haufen.

Niemand kann mich aufhalten, denn ich bin ja …«

Elsa hielt inne.

Ihr Vater hatte ihr klar und deutlich eingetrichtert niemals seinen Spitznamen in der Öffentlichkeit zu nennen.

Die Furcht vor Devil war zwar noch groß, aber dieser Name zog genauso viele Kerle an, wie er abschreckte.

Für die Welt musste Devil zum Schutze der Familie tot sein.

»nun,«, nahm Elsa den Faden wieder räuspernd auf, »ich bin ja die Tochter von zwei Kopfgeldjägern. Es liegt mir einfach im Blut, schätze ich.«

Der Sheriff schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich sehe schon. Bei dir sind Hopfen und Malz verloren.«

»Papa sagt, ich habe den Dickkopf von meiner Mutter geerbt«, erklärte Elsa mit einem stolzen Grinsen.

 

Schon von weitem hatte das kleine Mädchen die große Rauchwolke gesehen. Sie war sofort nachhause gerannt, so schnell sie ihre Beine tragen konnten.

Aber dort wartete erst der wirkliche Albtraum.

Die Farm brannte.

Nicht nur die kleine Hütte die Elsas einzigwirkliches Zuhause gewesen war, sondern auch das beackerte Feld mit seinen Ähren brannte lichterloh.

Eine Zeitlang stand Elsa einfach nur da und wollte nicht wahrhaben, was sich vor ihren Augen abspielte. Gleichzeitig brannte sich dieses Bild in ihr Gedächtnis ein.

Doch sie schüttelte die Angst ab und rannte in die brennende Hütte.

Im Inneren schlugen dem Mädchen glühende Hitze und beißender Qualm entgegen, der in ihrem Halse kratzte. Ihre Augen tränten.

Mit hocherhobenen Armen schlug sich das kleine Mädchen hustend durch die Flammen.

»Mama! Papa! Lina! Irgendwer! Antwortet doch! Wo seid ihr?!«

Doch es kam kein Reaktion.

Elsa konnte durch den Rauch und die tränenden Augen nichts sehen.

Plötzlich entdeckte sie ihre Mutter unter einem dicken Holzbalken liegend, der in Flammen stand.

»Mama!«

Unverzüglich eilte sie zu Eleonore.

Elsa versuchte ihre Mutter zu retten. Sie zog und zerrte mit aller Kraft an dem Balken, doch dieser rührte sich keinen Zentimeter.

Plötzlich schlug Eleonore die Augen auf. »Elsa?«, fragte sie mit einer vom Qualm rauen Stimme.

»Mama? Ich bin hier, Mama! Keine Sorge. Es wird alles wieder gut. Ich schaff das schon.«

Eleonore stieß ihre Tochter von sich. »Lauf! Für mich ist es zu spät. Rette …«, ihre Worte gingen in einem Hustenanfall unter.

»Nein, Mama! Ich werde dich nicht zurücklassen. Komm schon! Steh auf!«

Elsa war zum Heulen zu Mute, während sie verzweifelt versuchte den Balken zu stemmen. Sie konnte ihre Trauer nicht verbergen.

»Ich verspreche dir, ich werde nie wieder weglaufen! Komm schon, steh auf!«

Eleonore lächelte selig, als wäre das alles nicht so schlimm. »Ich liebe dich. Du bist so groß geworden. So erwachsen und stark. Aber nun musst du auf deine Mutter hören und mich zurücklassen.«

»Nein, das kann ich nicht!«

Ein Großteil des Daches stürzte ein, verschonte die beiden aber.

»Pass auf dich auf«, waren die letzten Worte die Eleonore ihrer Tochter gab. Mit all ihrer noch verbliebenden Kraft stieß sie Elsa von sich.

Das Mädchen konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sie fortgestoßen wurde. Kaum dass sie wieder einen festen Stand hatte, brach der hölzerne Boden unter ihr weg.

Schreiend fiel Elsa in den Sand und verstauchte sich an einem Stein den Knöchel, während über ihr die Hütte gänzlich in sich zusammenbrach und sie lebendig begrub.

 

 

Elsa wusste nicht, wie lange sie unter dem Schutt lag. In der Dunkelheit verhielt sich die Zeit immer merkwürdig.

Irgendwie hatten die Trümmer das Mädchen verfehlt und eine Art kleine Höhle um sie herum geschaffen, in welcher sie nun wie ein Fötus zusammengekauert lag.

Allein, Weinend und schluchzend.

Ihr Knöchel strahlte ein ständig-schmerzendes Pochen aus.

Sie hatte das Gefühl, etwas zum Festhalten zu brauchen, um nicht sich selbst zu entgleiten und in einem Meer der Trauer unterzugehen, also griff sie nach dem großen Stein, der sie verletzt hatte.

Bei näherem Betasten entpuppte sich dieser als eine große hölzerne Kiste. Sie war mit harten Nieten und kaltem Eisen verstärkt worden. Auch ihre Form war ungewöhnlich. Sie war flach und ziemlich lang.

Das Mädchen glaubte diesen angeblichen Stein schon einmal gesehen zu haben, als sie sich unter der Veranda versteckt hatte.

Aber Elsa genügte sie. So umklammerte sie die Truhe wie einen lange vermissten Freund, der in solch einer schweren Stunde halt gab.

Mit der Zeit beruhigte sich das Mädchen und sie begann sich zu fragen, was wohl in der Kiste sei, um sich von den schlimmen Dingen abzulenken, die ihr widerfahren waren.

Elsa tastete nach dem Verschluss, an welchem eigentlich ein Hängeschloss gehörte, aber es war keines da.

Sie öffnete die Kiste und holte etwas schweres in ein Tuch eingehülltes heraus. Sie wickelte den Gegenstand aus.

Plötzlich spürte sie einen seltsamen Sog an ihren Händen. Er war physisch nicht vorhanden, aber dennoch da. Der Gegenstand zerrte ihr gierig die Seele aus dem Leib und ließ nichts als gähnende Leere in ihrem Inneren zurück.

Elsa war so überwältigt von all dem, dass sich plötzlich ein brennender Schuss löste der sie aus den Trümmern befreite.

Mit Schmutz und Dreck bedeckt erhob sich Elsa mit einem seltsamen Gewehr in der Hand aus der Finsternis, um neu geboren zu werden.

Ein warmer Ascheregen begrüßte sie.

Die Dämmerung hatte inzwischen eingesetzt und ließ die Schatten sich in gespenstische Länge ziehen.

»Sieh an, sieh an. Ein Dämon ist geboren. Wie passend für meine große Schwester.«

Elsa drehte sich zu Lina um und erschrak.

Ihre kleine Schwester hatte sich verändert.

Die einst braunen Haare waren nun schneeweiß. Sie trug ein reines Kleid, von welchem der aufgewirbelte Staub einfach abprallte. Ihre Augen hatten die Farbe von Eiswasser und eine Kälte die Elsa vorher nie gekannt hatte. Linas Haut war schon immer blass gewesen, nun wirkte sie jedoch wie Porzellan. Mit ihrem ausdruckslosen Gesicht hätte man sie für eine Puppe halten können.

Aber auch Elsa hatte sich verändert. Ihre Augen waren schwärzer als die Finsternis selbst und ihre Haut ähnelte einer Leiche.

»Was zum …! Was ist nur los mit mir? Mit uns?«

»Wer immer diese Waffe berührt, verliert seine Seele. Im Austausch wird ihm die Macht verliehen, seine Feinde in die tiefste Hölle zu schicken.«

»Was? Wovon redest du?!«

»Der Höllenvorbote wird dich aber am Ende selbst zur Hölle fahren lassen, wenn du ihn zu oft benutzt«, erzählte Lina ruhig weiter, als wäre sie in weiter Ferne.

Elsa rannte auf ihre Schwester zu.

Sie schien unter Schock zu stehen und wirres Zeug von sich zu geben.

»Lina! Geht es dir gut? Was ist passiert? Bist du verletzt?«

»Natürlich nicht«, antwortete sie ohne ihre Schwester auch nur eines Blickes zu würdigen. »Ich bin nicht so dumm mich bei einem Feuer zu verletzen, das ich selbst gelegt habe.«

Elsa erstarrte. »Was hast du da gesagt?«

»Ich hab das Feuer gelegt«, sagte Lina unterkühlt.

Elsa rannen die Tränen über die Wangen. »Das ist nicht wahr!« Wütend schüttelte sie ihre Schwester durch. »Redʼ nicht so ʼen Scheiß! Warum solltest du das Feuer legen?!«

»Weil ich es konnte.«

Mit einem Mal stürzte sich Elsa auf Lina und packte sie am Kragen. »Weil du es konntest?!« Am liebsten hätte Elsa ihre gesamte Wut hinaus gebrüllt, doch sie war noch zu durcheinander. »Unsere Farm ist am Ende! Wir sind pleite! Schlimmer noch, Mama ist tot! Wer weiß, wo Papa steckt. Und dir fällt nichts besseres ein?!«

»Ich gebe zu«, erwiderte Lina immer noch seelenruhig. »das ich die Farm nicht abbrennen wollte. Ich wollte einzig Mutter töten.«

»Was?!« Elsa schlug mit aller Kraft auf ihre Schwester ein. »Warum?! Warum hast du das getan?! Unsere eigene Mutter!«

»Du würdest meine Beweggründe selbst dann nicht verstehen, wenn ich sie dir erklären würde.«

»Ich töte dich!«, knurrte Elsa wie ein tollwütiges Tier. »Hörst du?! Ich werde dich töten!«

Eine plötzliche Schockwelle ging von Lina aus und fegte Elsa von den Füßen.

Unbeeindruckt stand die jüngere Schwester auf. Ihr Kleid war immer noch blühten rein, obwohl sich die beiden gerade im Staub gesuhlt hatten. »Das glaube ich erst, wenn ich es sehe. Wenn du mich wirklich töten willst, musst du mir schon folgen, große Schwester.«

»Nenn mich nicht so! Du bist nicht mehr meine Schwester! Wir sind nicht miteinander verwandt! Kein Verwandter würde so etwas tun!«

»Da gehen unsere Meinungen wohl auseinander. Dieses Gespräch ist nun beendet. Wir sehen uns … Schwester.«

Elsa wollte gerade brüllend mit hocherhobener Faust auf Lina zu rennen und ihr den Schädel einschlagen, aber sie war plötzlich fort. Als hätte sie sich in Luft aufgelöst.

Das Mädchen war nun allein.

Zumindest glaubte sie das.

»Was für ein Auftritt. Das ist ja fast wie in einem melodramatischen Theaterstück vom weltberühmten Wilhem Schüttelspeer.«

Elsa schreckte zurück. Woher war auf einmal dieser Kerl aufgetaucht?

Er sah ziemlich abgehalftert aus in seinen zerlumpten Klamotten und dem Dreitagebart.

Verwundert drehte er sich um und versuchte Elsas Blick in die Ferne zu folgen. »Was ist da?« Der Mann war scheinbar geisteskrank.

Das Mädchen hob das seltsam aussehende Gewehr auf und hielt es dem Kerl direkt unter die Nase. »Beantworte meine Frage oder du wirst nur noch durch ein Nasenloch atmen!«

Plötzlich wurde der seltsame Kauz panisch. »Wie? Hey halt! Moment mal! Du kannst mich sehen?«

»Klar und deutlich! Also sag mir, arbeitest du mit Lina zusammen?«

»Wer? Ich? Nein, meine Kleine. Da muss ich dich leider enttäuschen.

Aber eines muss ich dir sagen. Das was du da gerade auf mich richtest, das ist mein Gewehr.

Dein Vater hat es in einer verlassenen Lagerhalle gefunden, die früher mir gehörte. Selbst als ich dem Größenwahn ein Gott zu sein anheimfiel, traute ich mich nicht, den Höllenvorboten anzufassen. Man sieht ja, was dir passiert ist. Also schien es damals doch die richtige Entscheidung gewesen zu sein.«

»Mein Vater hat diese Waffe … hier versteckt?«, Elsa betrachtete das Gewehr nun genauer.

Seine metallene verzierte Schönheit zog sie geradezu magisch an, als wenn diese Waffe nur auf sie gewartet hätte.

Hatte ihr Vater eine ähnliche Beziehung zu seinen Zwillingspistolen gehabt?

»Ja, der Vorbote raubt einem die Seele. Du bist nun untot, kleine Elsa. Ein seelenloser Verdammter, um genau zu sein.«

»Woher kennst du meinen Namen?« Wieder war das Misstrauen in dem Mädchen erwacht und sie zielte erneut auf den seltsamen Kerl.

»Hast du mich mal genauer betrachtet?

Ich bin durchsichtig!

Und?

Welche Gestalten sind durchweg durchsichtig und werden von normalen Menschen immer vollkommen ignoriert?

Na?

Weißt du´s?

Nein?

Die Antwort ist doch kinderleicht. Geister, liebe Elsa!

Ich bin tot! Dein Vater hat mich erschossen, schon vergessen?

Du erinnerst dich nicht mehr an mich, stimmt´s? So wie du mich betrachtest.

Ich bin´s! Skaru! Nun, eigentlich Monty. Das ist mein eigentlicher Name.«

»Was willst du von mir … Mon-ty?!«, Elsa knurrte den Namen mehr, als das sie ihn sagte.

»Gute Frage. Seit ich tot bin, habe ich nichts Festes mehr zum Beißen bekommen. Aber damit muss ich alleine klarkommen.

Im Moment begnüge ich mich damit mal wieder etwas Konversation treiben zu können, statt immer nur zuhören und kommentieren zu müssen.

Es tut einfach gut, endlich mal wieder mit jemanden quatschen zu können. Deshalb komme ich erst einmal mit dir mit.

Ich habe dir so viel zu erzählen, aber zuerst werde ich dir das Wichtigste über das Ding da in deinen Händen erklären.«

Elsa seufzte. Sei hasste diesen Kerl jetzt schon.

»Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft wird«, meinte der Geist fröhlich.

Das Mädchen boxte ihm eine, nur damit ihre Faust durch ihn hindurchging.

Der Geist lachte und schien es als Scherz abzutun.

Voll Zorn verstaute Elsa schließlich den Höllenvorboten auf dem Rücken und machte sich auf die Reise, ihre verhasste Schwester zu finden.

Dies war somit die Geburtsstunde der Kopfgeldjägerin Devil-Daughter.

 

Elsa legte die Blumen auf das Grab ihrer Mutter.

Es war eine rein symbolische Ruhestätte, da der Körper ihrer Mutter vollkommen verbrannt war und es somit nie etwas zu beerdigen gegeben hatte.

Schweigend und den Kopf auf die Brust gelegt, hielt sie eine Schweigeminute ab, um sich noch einmal vor dem Ende über alles im Klaren zu werden.

Einst war hier die Farm gewesen. Das Zuhause einer glücklichen Familie.

Nun war Eleonore tot. Seit jenem Tag war Brendan spurlos verschwunden. Und die Schwestern bekriegten sich gegenseitig.

Die Familienbande waren gelöst und getränkt in Blut.

An diesem Ort hatte es angefangen. An diesem Ort würde es nun enden.

Der Teufel hatte ihr während sie bewusstlos war einen Brief von Lina dagelassen, in welchem ihr dieser Ort als Treffpunkt genannt wurde.

Es war zu ende.

Elsas letzte Schlacht war nahe.

Neben der Kopfgeldjägerin stand Monty, der von Anfang an gesagt hatte, dass er sie bis hier her begleiten würde und nicht weiter.

Er wollte das ungewisse Ende nicht mit ansehen.

Nun stand er neben Elsa und versuchte ihr auf die Schulter zu klopfen, ohne das seine Hand durch sie hindurch ging. Eine symbolische Geste, ohne die Wärme von Nähe.

»Sie war eine gute Frau. Pass auf dich auf, Elsa«, sagte er noch, bevor er den Ort des Geschehens in Richtung Nichts verließ.

»Das stimmt nicht«, meinte eine Stimme plötzlich hinter Elsa. »Unsere Mutter war schlecht. Alle Menschen sind schlecht. Niemand von ihnen ist rein.«

Elsa schnalzte wütend mit der Zunge. »Das musst du gerade sagen.«

»Ich bin ein heiliges Geschöpf des Lichtes. Mir ist es strengstens untersagt Leben zu nehmen, sonst wäre ich nicht besser als die Dämonen und würde sofort in ihre Welt gesogen werden.«

»Aber das würde dich auch nicht vor mir schützen, Schätzchen.«

Lina zuckte nur nichtssagend mit den Schultern.

Sie hatte sich kaum verändert.

Die Jahre hatten sie schon fast zu einer Frau heranreifen lassen. Unter ihrem Kleid hoben sich die ersten Anzeichen ihrer weiblichen Rundungen ab. Hätte sie nicht diese abschreckende Kälte ausgestrahlt, hätten die Männer sie sehr hübsch gefunden.

»Du sagtest, ich solle herkommen, falls ich den Jungen jemals wiedersehen möchte. Nun … ich bin hier.«

»Das sehe ich.

Folgendermaßen habe ich es mir vorgestellt: Du wirst meinen Diener vernichten und ich werde im Gegenzug den Jungen freilassen.

Danach werden wir uns duellieren. Nur du und ich. Schwester gegen Schwester. So wie du es immer gewollt hast. Einverstanden?«

»Bringen wir es hinter uns«, meinte Devil-Daughter grimmig.

Wie aus dem Nichts waren die beiden anderen auch schon da.

Der Teufel war immer noch so stumm und bedrohlich wie eh und je. Doch dieses Mal würde Elsa ihn nicht unterschätzen.

Flos Augen waren milchig weiß und er schien abwesend.

Lina nahm den Jungen auf den Schoß und erhob sich mit ihm in die Lüfte, um das Schauspiel von dort zu beobachten.

Die Kopfgeldjägerin funkelte den Dämon herausfordernd an und ließ die Fäuste knacken. »Wie wäre es mit einer kleinen Aufwärmübung zum Anfang?«

Sofort raste der Sklave ihrer Schwester auf sie zu.

Noch schneller als im letzten Kampf versuchte der Teufel Elsa den Ellenbogen ins Gesicht zu schlagen.

Doch sie hatte in einer raschen Bewegung ihren Revolver gezogen. Mit einem Schuss zertrümmerte sie dem Dämon seine Kniescheibe.

Somit war sein Tempo für eine kurze Zeit gedrosselt.

Wenn dein Gegner dir körperlich überlegen ist, versuche ihn durch List und Tücke zu überwältigen, dachte sie sich.

Blind vor Wut und Zorn deckte der Dämon sie mit Schlägen ein.

Doch Elsa konnte ihm durch ständiges Zurückweichen entkommen.

Instinktiv zielte die Kopfgeldjägerin auf das Auge, welches sie hinter den Bandagen nur vermuten konnte, doch der Dämon schlug ihr die Waffe aus der Hand.

Elsa zog ihren zweiten Revolver, dieses Mal jedoch achtete sie nicht auf ihre Deckung.

Ihr Gegner verpasste ihr erneut einen Schlag ins Gesicht, wodurch sie einen Salto schlug. Nur mit Mühe konnte die junge Frau ihre Waffe in der Hand behalten, anstatt sie loszulassen.

Wieder packte der Teufel die Kopfgeldjägerin an der Gurgel und zielte mit einer Pistole ihres Vaters auf ihr Gesicht.

Elsa tat es ihm gleich und zielte auf sein Auge. Es war ein verdammt kleines Ziel, aber die junge Frau traute es sich zu.

Wieder einmal bewegte sich der Teufel nicht. Elsa sah genauer hin. Sein Arm zitterte und er stöhnte von der Kraftanstrengung.

Verließ ihn etwa seine Kraft?

Die Kopfgeldjägerin musste den Moment der Unaufmerksamkeit und Schwäche ausnutzen.

Sie schoss ihrem Gegner ins Auge.

Vor Schmerzen schreiend taumelte dieser nach hinten und ließ Elsa los.

Wer hätte gedacht, dass er auf denselben Trick ein zweites Mal hereinfallen würde?

Der Verband hatte sich gelöst und hing dem Dämon in Fetzen herunter.

Tobend vor Agonie hielt er sich das blutende Auge.

Blitzschnell zog Elsa den Höllenvorboten vom Rücken und schoss dem Gegner in die Brust.

Zwei Schuss noch.

Es sollte für Lina mehr als ausreichend sein.

Brennend und qualmend brannte der narbenübersäte Oberkörper und auch der Verband hatte Feuer gefangen.

Elsa lachte laut auf, als der Dämon die Maskierung fallen ließ und erstarrte dann. Aus ihrem Sieg wurde ein gewaltiger Albtraum.

Es war Brendan, Elsas Vater den sie erschossen hatte.

Die Kopfgeldjägerin rannte auf ihr tödlich verletztes Idol zu und fiel weinend vor ihm auf die Knie.

Die Kugel steckte immer noch in seinem Auge.

»Danke … das du mich gerettet hast.« Langsam fuhr seine Hand mit einer Liebe, die nur ein Vater für seine Tochter aufbringen konnte, durch ihr pechschwarzes Haar.

»Es tut mir so leid, Papa. Es tut mir so schrecklich leid.«

»Ist schon gut. Jeder muss irgendwann einmal sterben. Aber ich muss dich noch … um etwas bitten.«

»Alles! Ich tue alles was du willst!«

»Lina … deine kleine Schwester. Pass … pass auf sie auf, ja?«

»Aber sie-«

»Das ist nicht Lina. Sie ist seit ihrer Geburt von einer Macht … besessen. Ich habe es zu … zu spät gemerkt. Deine kleine Schwester ist immer noch da. Du musst … sie … retten!«

»Aber wie?!«

Brendan lächelte. »Dir wird schon … irgendetwas einfallen. Ich … bin so stolz auf dich … wir beide sind es.«

Dann erschlaffte Brendans Körper.

»Du hast dich an die Abmachung gehalten und meine Erwartungen bei weitem übertroffen«, mischte sich Lina nun ein, die inzwischen wieder gelandet war.

Sie stieß Flo von sich, der scheinbar immer noch etwas benebelt war, aber nun wenigstens nicht mehr als Geißel gehalten wurde.

Elsa wischte sich schluchzend die Tränen aus dem Gesicht. »Warum?! Warum tust du nur so etwas?!«

»Hihi. Was denkst du …?«

Lina vollführte mit ihrer Hand eine theatralisch heraufbeschwörende Geste.

Elsa sah wie die Tätowierung ihres Vaters wieder zutage kam.

Der hohngrinsende Teufelskopf – das Zeichen für die Macht der roten Teufelsbestie – war seit jeher verschwunden gewesen. Es war angeblich mit der Bestie gestorben.

Nun begann die Tätowierung zu brennen und sich in Form einer flammenden Kugel vom toten Körper ihres Vaters zu lösen, nur um dann in Linas Hand zu wandern.

»Ich bin das Gute. Niemand kann und soll durch meine Hand sterben.

Aber vor langer Zeit erkannte ich, dass die Dämonen töten konnten wen sie wollten. Egal ob gut oder böse. Es machte keinen Unterschied.

Wenn sie aber nur gezielt andere Übel attackieren würden …, dachte ich mir...

So plante ich die Macht der Teufelsbestien zu nutzen, um die Schöpfung vom Bösen zu befreien. Durch die Macht des Bösen. Feuer gegen Feuer.

Ich habe die beiden Bestien sogar gegeneinander aufgehetzt. Es war viel einfacher, als ich anfangs erwartet hatte. Eine kleine Halbwahrheit hier und dort und schon begann der Krieg.

Ich folgte ihnen über jedes Schlachtfeld, bis hierher auf diese Welt. Bis zu ihrem Ende.«

Jetzt verstand Elsa auch, was Devil beim Schauplatz seines letzten Gefechtes gesucht hatte.

»Also hast du dir im Krater die tote Knochenbestie zuerst vorgenommen.«

»Du warst schon immer klüger, als die meisten dachten, meine kleine Schwester.

Ja, die knöcherne Teufelsbestie war das leichtere Ziel und unser Vater hat seine Aufgabe bestens erledigt. Aber es war die zweite Bestie die mir von Anfang an mehr Sorge bereitet hat.

Brendan hat sie vor Jahren selbst vernichtet. Aber ihre Essenz schlummerte immer noch in ihm. Jederzeit hätte er sie abrufen können. Trotzdem war er immer noch ein Mensch und somit nicht Angreifbar für mich und ein gefährlicher Gegner dazu.

Ich sah es als praktischer an, ihn für mich zu gewinnen, um in meinem Auftrag erst einmal zu töten.

Eine Marionette ist jedoch kein Ersatz für Eigeninitiative. Es gibt nicht umsonst das Sprichwort: „Wenn du etwas erledigt haben willst…“ nun, den Rest kennt man ja.

Außerdem wollte ich selbst an vorderster Front kämpfen.

Also wartete ich jahrelang tief verborgen in diesem kleinen unscheinbaren Körper, wo mich niemand sah und überlegte wie ich es anstellen sollte.«

»Dauert das hier noch lange? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit«, unterbrach Elsa ihre Schwester ungeduldig.

Inzwischen hatte die Kopfgeldjägerin den Moment genutzt, um ihre Bewaffnung vom Boden aufzuklauben und sich innerlich zusammenzureißen. Von ihr aus konnte es jederzeit los gehen, sobald ihre Neugierde befriedigt war oder ihre Schwester eine Schwäche offenbarte.

»Gemach, gemach. Ich habe mir so viel Mühe mit diesem Plan gegeben, dass ich ihn wenigstens einmal zum Besten geben kann. Also hab Geduld und hör mir zu!

Ich brauchte jemanden der stark genug war, um Vater zu töten, damit ich in aller Ruhe an seine Essenz konnte. Aber dieser jemand sollte auch nicht so erfahren sein, wie er. Die stählerne Teufelsbestie hatte diesen Fehler begangen und ihn teuer bezahlt, wie wir wissen.

Schließlich aber hörte ich durch die Geschichten des Kopfgeldjägers Devil – wie unser Vater einst genannt worden war – vom Höllenvorboten. Einer Waffe die zu einer Zeit gefertigt wurde, als unsereins noch jung war. Es war die Lösung!

Mächtig genug um Brendan zu töten und gleichzeitig konnte man den Schützen leicht aus dem Verkehr räumen. Also-«

»Also hast du das Feuer gelegt in dem Mutter umkam. Du selbst konntest ja nicht handanlegen. Aber was macht es schon, wenn sie zufällig durch ein Feuer – also indirekt durch deine Hand – starb? Damit hatte ich einen Grund dich zu töten und den Höllenvorboten hast du auch so versteckt, dass ich ihn finden musste. Ich begann meinen Rachefeldzug. Blah, blah, blah. Lass uns endlich kämpfen!«

»Oh, Eine Sache noch, bevor wir mit dem letzten Akt beginnen.

Ich möchte nur sagen, wie viel Spaß es doch gemacht hat, dir bei der Jagd zuzusehen. Es gibt nichts amüsanteres, als ein wildes Raubtier, das verzweifelt seiner Beute hinterherjagt, obwohl sich diese direkt vor seiner Nase befindet und ihn beobachtet.«

»Du kleine …«

»Ich sah dir dabei zu, wie du stärker wurdest. Du hättest Vater ohne Vorbereitung niemals in einem Zweikampf besiegt. Du brauchtest genug Hass und Wut, die dich antreiben würden. Von der Kampferfahrung ganz zu schweigen.

Aber eines muss man ihm lassen, er hat niemals aufgehört zu kämpfen. Selbst als ich ihn gegen dich in den Kampf führte, hat er sich mit aller ihm verbliebender Kraft gewehrt.« Lina lachte laut auf. »Es hat sogar Momente während eures Kampfes gegeben, in dem wir beide auf gleicher Höhe waren. Aber letztlich hat das Gute immer gesiegt.«

»Ich mach dich kalt, du verrücktes Miststück!«, schrie Elsa und preschte vor, um ihrer Schwester oder was auch immer es war, einen Schlag ins Gesicht zu verpassen.

Plötzlich war Lina in gleißendes Licht getaucht und blendete Elsa. Eine Schockwelle ging von ihr aus, die die Kopfgeldjägerin wie eine Stoffpuppe herumschleudern ließ.

Die Welle erfasste sogar Eleonores Grabstein. Krachend fiel er zu Boden und zerbrach in zwei Teile.

Ein Scherbenhaufen, wie es nun die Familie der beerdigten Mutter war.

Als Elsa wieder aufschaute, sah sie ihre verwandelte Schwester an.

Ihre Hände waren nun ein stählernes Flammenschwert und eine in lilablitze getauchte Knochenklinge. Sie trug eine blütenweiße Toga mit einer goldenen Feder als Stecknadel. Die acht Flügel mit dem Heiligenschein und dem von windenumspieltem Haar ließen sie wie einen Engel aussehen. Einen despotischen Engel des Lichts.

»Wir sind Tyrannis«, sprach das Wesen mit der Stimme von Lina in der eine zweite unmenschliche Stimme lag. »Wir werden die Schöpfung von sämtlichen Schandflecken säubern. Die Bosheit der Menschen und Dämonen findet heute ihr Ende.«

Elsa biss wütend die Zähne zusammen.

Dieses Ding war auf keinen Fall mehr ein Mensch.

Ihr Vater hatte unrecht gehabt.

Selbst wenn Lina noch zu retten gewesen wäre, niemals hätte dieses Wesen ihre kleine Schwester aus seinen Klauen frei gegeben.

Es gab nur einen Weg: Elsa musste Lina töten.

Eine andere Alternative gab es nicht.

Die Kopfgeldjägerin zog ihre Zwillingspistolen und schoss auf Tyrannis.

Diese flog mit einem emsigen Tempo auf sie zu und wehrte die Kugel in der Luft mit ihren beiden Schwerterhänden ab.

Elsa duckte sich unter den Klingen weg und verpasste dem Engel einen kräftigen Tritt in die Magengrube.

Ächzend fiel sie in sich zusammen. Mit einem Mal kam ihr Flug zum Erliegen.

Elsa zog den Höllenvorboten.

Nur noch zwei Schüsse, dachte sie sich.

Knallend und Fauchend raste das Feuer auf Tyrannis zu.

Der Engel sprang unerwartet nach oben und der Schuss ging ins Leere.

»Mist!«, fluchte Elsa. Es bleibt somit nur noch ein einziger Schuss, um Lina zur Strecke zu bringen.

Tyrannis grinste ihre Schwester überheblich an.

Doch unerwarteter weise folgte der Schuss ihr – Gierig auf Vernichtung – griffen die Flammen sie von hinten an. Angezogen von Tyrannis Reinheit, die es zu zerstören galt.

Gerade noch rechtzeitig konnte der Engel sich noch umdrehen und die Klingen vor sich kreuzen, um die überraschende Attacke abzuwehren.

Durch die Wucht der brennenden Geschosse wurde Tyrannis durch die Luft geschleudert. Die mächtigen Klingen zerbrachen leise klirrend in tausend Stücke.

Rauchend fiel der Engel zu Boden.

Die Flügel waren verbrannt und verkümmert, während die Toga zerrissen war. Ihr Heiligenschein war erloschen. Die Schwerter –aus den Energien der Teufelsbestien geschmiedet – waren zerstört.

Elsa ging mit dem Höllenvorboten im Anschlag auf das gefallene Geschöpf zu.

Sie wollte ihre Feindin gerade hinrichten, als plötzlich die Zwillingspistolen ihres Vaters durch die Luft flogen und in Tyrannis Händen landeten.

Brüllend warf sich der Engel auf die Verdammte.

»Du! Du hast alles zunichte gemacht!«, schrie sie hysterisch. »Dafür wirst du bezahlen!«

»Dann wirst du aber auch zur Hölle fahren«, erwiderte Elsa grinsend.

»Nur wenn ich einen Sterblichen töte. Du hast deine Seele dem Höllenvorboten geopfert. Ohne Seele bist du kein Mensch mehr. Nur ein armer, seelenloser Verdammter! Dich kann ich ohne Probleme beseitigen.«

Jetzt wird es enden, dachte Devil-Daughter.

Eine seltsame Ruhe erfasste die Kopfgeldjägerin und ließ sie ihre Situation aus allen Blickwinkeln betrachten.

Lina zielte mit den Zwillingspistolen auf Elsa, die wiederum mit dem Höllenvorboten auf die jüngere Schwester zielte.

Eine Pattsituation.

Der erste Schuss würde entscheiden.

Selbst wenn Elsa schneller wäre und den Kampf für sich entscheiden würde, fuhr ihre Seele unweigerlich zur Hölle.

Zusammen mit der des Engels und wahrscheinlich auch mit Linas Seele.

Es würde kein glückliches Ende geben, wie im Märchen.

Jede von uns ist es wert, als Devil-Daughter bezeichnet zu werden, dachte Elsa noch, bevor sich die Ereignisse überschlugen …

 

 

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Das Rächer-Ende

»Elsa?«, Flo war wieder zu sich gekommen. »Wo bist-«, er drehte sich um und sah die beiden Schwestern bei ihrem Unentschieden.

Elsas Grinsen erstarb. Sie wünschte sich so sehr, dass Flo dieser Anblick erspart geblieben wär.

»Elsa!«, schrie Flo.

Tyrannis blickte für einen kurzen Moment auf.

Elsa verschoss ihre allerletzte Kugel.

Der Knall zerfetzte Tyrannis.

Staub wirbelte sich durch die freigesetzte Schockwelle zu einer gigantischen Wolke auf.

Flo hob die Arme schützend vors Gesicht.

Brennend und kreischend ging der Engel in die Hölle ein.

Danach herrschte eine gespenstische Stille.

Elsa stand auf und grinste friedlich.

Der Schlachtennebel lichtete sich und gab den Blick auf Flo frei, der mit ausgestreckter Hand auf Elsa zu rannte.

Die Kopfgeldjägerin breitete die Arme aus, dabei entglitt ihr unwillkürlich der Höllenvorbote aus der Hand.

»Es ist vollbracht«, hauchte sie.

Die Flammen der Unterwelt brachen aus ihrem Körper aus.

Endloser Schmerz tobte in Körper und Seele. Doch nichts davon nahm Elsa den triumphfahlen Moment des Sieges, der mächtiger als alles andere war.

Unter ihr bröckelte die Erde weg und die Hölle nahm sich, was von vornherein ihr war.

Der kleine Junge rannte schneller.

Wollte seine einzige Familie retten, doch was der Hölle gehörte würde ihr kein Mensch mehr aus den Klauen reißen können.

Ein letztes Mal öffnete Elsa die Augen und sah, wie der kleine Flo nach ihr griff und sie aus dem Abgrund zu retten versuchte.

Eine unmögliche Tat, deren Sinnlosigkeit die Kopfgeldjägerin nur allzu gut kannte.

Als Elsa ihre Augen für immer schloss, ging sie in einem Meer ewiger Agonie unter.

Ohne jammern oder klagen.

Sie hatte ihre Rache vollendet.

Mehr wollte sie nicht.

Sie bedauerte nichts.

Die einzige Reue in ihrem Herzen war der kleine Flo, der zurückgelassen wurde und ihre tote Familie, die sie nicht hatte retten können.

Aber Reue war nur ein Schmerz.

Ein Schmerz der nichts an vollendeten Tatsachen rütteln konnte und in der Pein des Infernos unterging.

So war die gesamte Familie im Tode wieder vereint und einzig die mystischen Waffen die zurückblieben sind Zeugen dieser Legende.

 

The End

Das Familien-Ende

Tyrannis feuerte.

Elsa hatte nicht den Hauch einer Chance.

Doch plötzlich tauchte ein grelles Licht auf, welches Devil-Daughter so stark blendete, dass sie die Augen ganz fest zukneifen musste.

Als die Kopfgeldjägerin sie wieder öffnete, sah sie vor sich die Kugel, auf der ihr Name stand. Sie schwebte einfach so in der Luft und fiel nach einem endlos langen Moment der Verwunderung zu Boden.

Elsa sah hinter Tyrannis diese wunderschöne Frau, die fast so aussah wie sie selbst, nur etwas älter.

»Das reicht, Tyrannis! Du hast wahrlich genug angerichtet! Ich kann nicht dabei zusehen, wie sich meine Töchter gegenseitig töten.«

Elsa hatte Eleonore noch nie mit einer so strengen Miene gesehen.

Tyrannis zitterte vor ihr. »Wie … wie kann es sein, dass du …?«

»Ich habe das Leben meiner Tochter über mein eigenes gestellt, mehr brauchst du nicht zu wissen!«

»N-natürlich …«, widerstrebend setzte der Engel noch ein: »Herrin«, hinzu.

»Den Schaden, den du in deiner wahnwitzigen Idee angerichtet hast ist so immens, dass keine Beschreibung dem gerecht wird.«

»A-aber«, wollte Tyrannis einwenden, bekam jedoch keine Chance dazu.

»Still jetzt! Ich beschließe hiermit, dass du verbannt wirst. Die ewige Leere wird sich deiner annehmen. Fernab wirst du das sterbliche Leben, welches du für dich beanspruchst freigeben. Geh jetzt und sei dankbar für meine Gnade.«

Tyrannis brummte wütend. Kreischend wollte sie sich auf Eleonore stürzen, doch diese hob einfach nur ihre Hand und der zeternde Engel zersetzte sich mit einem mal.

Zurück blieb nur eine ohnmächtige Lina. Ihr Körper war wieder normal und es schien ihr auch gut zu gehen.

Die Kopfgeldjägerin eilte zu ihrer fallenden Schwester, um sie aufzufangen.

Eleonore wandte sich um zum Gehen.

Elsa streckte die Hand nach ihr aus. »Warte!«

Es gab noch so viel, was sie ihrer Mutter noch sagen wollte.

So vieles was ihr leid tat und noch so viel ungesagtes, was sie los werden wollte.

Aber Eleonore drehte sich nur zu ihr um, lächelte sie glücklich an und meinte: »Pass auf dich auf … und auf deine neue Familie natürlich auch.«

Mit diesen Worten verschwand sie genauso schnell, wie sie gekommen war.

Elsa saß ungezählte Augenblicke einfach nur kniend da und dachte über die Worte ihrer Mutter nach.

Linas Kopf lag auf ihrem Schoß.

Wie würde sie wohl reagieren, wenn sie aufwachte? Würde sie sich überhaupt noch an etwas erinnern?

Flo kam nach einiger Zeit ebenfalls zu sich.

Als der kleine Junge seine selbsternannte große Schwester sah, rannte er auf sie zu, fiel ihr um den Hals und vergoss Tränen der Freude.

Elsa schaute jedoch nur in den Himmel, mit der Erkenntnis eine neue Familie gefunden zu haben und wem sie es verdankte.

 

The End

Das einsame Ende

»Ich kann das nicht zulassen«, meinte Monty, der plötzlich aufgetaucht war.

Der Geist hielt den Lauf des Höllenvorboten festumklammert.

Elsa ruckelte wütend, um der Erscheinung die Waffe zu entreißen, aber sie bewegte sich nicht.

»Lass los, Monty! Sofort!«

»Nein! Ich kann nicht zulassen, dass meine einzige und beste Freundin ihr Leben einfach so wegwirft!«

Tyrannis nutzte ihre Chance und schoss.

Gleichzeitig löste sich ein kleinerer Schuss vom Höllenvorboten, der die Kugeln zu Asche verbrannte. Ansonsten jedoch zu schwach war, um weiteren Schaden anzurichten.

Elsas letzter Schuss war somit vergeudet.

Ihre Augen weiteten sich, in der Erkenntnis ihr Leben gegeben zu haben, ohne all das Leid und die Tragik zu vergelten, welche dieses Wesen angerichtet hatte.

»Ich habe versagt«, hauchte sie mit einer Stimme, so leise dass sie hätte zerbrechen können.

Tyrannis lächelte im Angesicht ihres Sieges.

»Oh, du Wesenheit die im Inneren des Höllenvorboten ruht! Ich beschwöre dich! Gib einem armen Mädchen zurück, was von Rechts wegen ihres ist. Dafür gebe ich dir meine Seele und die eines Engels. Ohne Wehklagen oder Jammern werden wir das Inferno mit all seiner Agonie willkommen heißen.«

Montys Hand löste sich in Luft auf und wurde von der magischen Waffe aufgesogen.

»Nein!«, schrie Tyrannis.

Der Höllenvorbote begann rot zu glühen. Es schien, als wenn die Waffe besessen sei.

Die Höllenfeuer leuchteten in den ansonsten schwarzen Läufen. Ihr Jammern und Wehklagen wurde immer lauter und entlud sich als zwei Feuerstrahlen, die das heilige Geschöpf im Bruchteil einer Sekunde zu Asche verbrannten.

Elsa sah zu Monty der sich langsam in Nichts auflöste.

Die Kopfgeldjägerin wollte nach ihrem Freund greifen, doch ihre Hand ging wie sonst auch durch ihn hindurch.

Ihr fehlte die Sprache, um dieses Opfer zu würdigen.

Sie konnte somit weder mit Worten noch mit Gesten ausdrücken, was in ihr vorging.

Monty lächelte sie an, wie es damals Eleonore getan hatte, als sie starb.

»Es ist gut«, meinte er. »Ich habe schreckliche Dinge getan. Nun zahle ich den Preis dafür.«

Elsa brach in Tränen aus.

Der Geist löste sich immer mehr auf und keine Macht der Welt konnte etwas dagegen unternehmen.

»Es ist tröstlich für mich … dass ich wenigstens meine einzige Freundin retten konnte, obwohl ich immer ein so großer Feigling war. Für mich ist es schön, dass meine erste mutige und zudem noch letzte Tat, dass beschützte was mir wichtig ist … Dich.«

Die Kopfgeldjägerin ergab sich ihrem Heulkrampf und umarmte den sterbenden Geist, nur um durch ihn hindurch zufallen.

»Pass auf dich auf«, waren seine letzten Worte, bevor er in die Leere einging.

Elsa lag mit dem Gesicht im Dreck und weinte bitterlich.

Wütend schlug sie mit der Faust auf die Erde, um ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen.

Schließlich erhob sie sich schniefend und schluchzend, wobei ihr Blick auf Flo fiel, der immer noch sichtlich benebelt in der Gegend herumstand und in die Weite starrte.

Sie überlegte, ob sie sich des Jungen annehmen sollte.

Dann traf sie ihre Entscheidung.

 

Als Flo wieder zu sich kam, sah er sich um.

Er war allein.

Elsa und alle anderen waren verschwunden.

Nur ein frisch geschaufeltes Grab neben einer zweiten älteren Ruhestätte, über der sich ein umgekippter Grabstein befand, waren da.

Was vorgefallen war, konnte sich der Junge nicht erklären.

»Elsa?!«, rief Flo so laut er konnte.

Doch die Kopfgeldjägerin war längst fort.

Das Mädchen hatte noch jedem den Untergang gebracht, dem es begegnet war.

Selbst der Tod war dagegen machtlos.

Deshalb entschloss sich Elsa bis an ihr Lebensende von einem Ort zum anderen zu ziehen und ein Leben in Einsamkeit zu führen.

Sie würde mit niemanden sprechen.

Ihr Leben würde im Schatten stattfinden, wo niemand sie sehen konnte.

Niemals mehr sollte sie in Erscheinung treten.

All dies beschloss sie, damit nie wieder irgendjemanden in ihrem Umfeld verletzt wurde.

Sie ging in Richtung der Sonne. Immer weiter und weiter.

Als diese im Begriff war unterzugehen und Elsas Beine sie nicht mehr tragen konnten, fiel die ehemalige Kopfgeldjägerin auf die Knie und fing erneut an bitterlich zu weinen, während die Gesichter der Toten in ihrem Geist an ihr vorübergingen.

»Papa. Mama. Lina. Monty.«

Sie holte tief Luft und schrie all ihren Kummer in die Welt: »Es tut mir leid!«

Niemand hörte ihre letzten gewisperten Worte, bevor sie für immer verschwand.

»Ich vermisse euch.«

 

The End

Das Höllen-Ende

Blitzartig schnellte Elsas rechtes Knie nach oben, traf den Arm von Tyrannis die ihn überrascht nach oben zog, wodurch die Kopfgeldjägerin aus einer der Schusslinien war.

Fast gleichzeitig löste sich knallend ein Schuss aus der nach oben schnellenden Pistole.

Tyrannis erstarrte. »Nein!«

Elsa folgte ihrem Blick und sah, wie Flo bluttriefend zu Boden sank.

Tyrannis hatte einen Menschen getötet.

So wie sie indirekt Eleonore umbrachte, so tötete Elsa unwissentlich den kleinen Flo.

Vollkommen entsetzt distanzierte sie sich von Devil-Daughter.

»Nein, nein, nein!«

Das Licht brach sich seltsam hinter Tyrannis. Als wäre die Realität eine glatte Wasseroberfläche in die jemand einen Finger reingesteckt hatte, wodurch die Wirklichkeit Wellen schlug die immer größere Kreise zogen.

Schließlich kehrten die Wellen zu ihrem Ursprung zurück und brachen sich krachend zu einem tosenden Inferno zusammen. Die Hölle hatte für Tyrannis ihre Tore geöffnet.

»NEIN!«, schrie sie noch, als sie brennend in das Inferno gesogen wurde und im Klagen der Verdammten verschwand.

Elsa konnte diesen Moment des Sieges jedoch nicht voll auskosten, denn Flo war tot.

Die Kopfgeldjägerin ging vor dem kleinen Körper in die Knie. Sie hob ihn auf und drückte ihn ganz fest an sich.

Tränen liefen ihr Gesicht hinab.

Für sie war der Sieg kein Trost, hatte sie doch wieder einmal jemanden nicht retten können.

Drei gute Menschen waren wegen ihrer Unfähigkeit tot. Vier, wenn man Lina mitzählte.

Der Moment der Trauer war jedoch nur von kurzer Dauer.

An seiner Stelle brandete Zorn und Hass in nie gekanntem Maße auf.

Die Hölle war noch zu gut für diesen Engel.

Elsa würde ihm wahre Qualen zeigen, gegen die alles verblassen würde.

In einem Anfall vollkommenen Wahnsinns nahm sie den Höllenvorboten, steckte sich den Lauf in den Mund und…

 

Die Jagd ging weiter …

 

The End

Das für immer vereint-Ende

Ein leises Stöhnen drang an Elsas Ohren.

Sie wollte nachsehen, um seinen Ursprung zu ergründen, doch dann hätte Tyrannis ihre Unaufmerksamkeit ausgenutzt und alles wäre umsonst gewesen.

Der Engel musste sterben! Hier und für alle Zeit!

Ein stummer Kampfschrei ließ ihr Herz in seinen Grundfesten erbeben und fegte jegliche Schwäche hinweg.

Mit einem Mal veränderte sich die Welt. Sie war gleich und doch vollkommen anders, als noch vor einem Augenblick.

Die Positionen der beiden Kontrahentinnen waren vertauscht.

Lina richtete den Höllenvorboten nun auf Elsa, die wiederum auf einmal mit den schwarzen Pistolen auf ihre jüngere Schwester zielte.

Verdutzt blickte die Kopfgeldjägerin in das Gesicht ihrer jüngeren Schwester, das plötzlich wieder normal aussah.

Mit braunem Haar, braunen Augen und der blässlichen Gesichtsfarbe, war sie wie zu jener Zeit, bevor die Tragödie sich ereignete.

»Was ist los, Tyrannis?«, fragte Lina provokant. »Hast du plötzlich schiss?«

»W-was?«, fragte Elsa verwirrt.

»Jetzt wirst du für all das Leid büßen, das du verursacht hast!«

»A-aber … ich … Lina? Du-du bist ja doch noch da!« Elsa kamen die Tränen. »Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren.«

»Welcher Trick soll das jetzt wieder sein?!«, fragte Lina misstrauisch.

»Ich binʼs! Elsa! Erinnerst du dich nicht mehr an mich?«

Mit einem unerbittlichen Blick zielte Lina mit dem Höllenvorboten auf das Gesicht ihrer Schwester.

»Die Elsa, die ich einmal kannte, ist tot. Sie starb, als sie unsere Mutter tötete.«

»Was?! A-aber du warst es doch, die sie getötet hat!«

Lina lachte bitter auf. »Ja, klar. Das glaubst du doch wohl selber nicht!«

Jetzt verstand Elsa gar nichts mehr.

Alles was sie jemals gedacht hatte, sollte jetzt andersherum sein?

Aber wie…? Wenn das alles allerdings ein Traum gewesen war, in dem sie von Tyrannis gefangen gehalten worden war… Dann wäre alles was sie erlebt hatte… die ganzen Jahre über… nichts weiter als ein perfektes Gefängnis gewesen.

»Zeit zu sterben!«, sagte Lina grimmig.

»Nein! Warte!«

Aber es war zu spät.

Wie in Zeitlupe sah Elsa das brennende Geschoss auf sich zukommen.

Plötzlich ging eine Gestalt dazwischen.

Das nackte Fleisch von Brendan verbrannte unter der Hitze der Höllenfeuer. Devil schrie seine Pein in die Welt hinaus.

»Vater!«, schrien die beiden Schwestern im selben Moment.

Aber der ehemalige Kopfgeldjäger hielt der Gewalt des Vorboten stand. Schließlich verließ auch ihn die Kraft und Brendan sackte zu Boden.

Keuchend kniete er auf dem Boden.

Beide Schwestern eilten zu ihm hin und knieten sich vor ihm nieder.

»Vater! Geht es dir gut?!«

»Ich bin ja so froh, dass ich dich nicht erschossen habe.«

Brendan schaute auf. Mit Tränen in den Augen nahm er seine beiden Töchter in die Arme.

»Ich bin ja so glücklich, euch wiederzuhaben!«, sagte er voller Freude.

Er schaute Elsa ins weiße Gesicht. »Wie ich sehe, hast du Tyrannis in die Schranken gewiesen.«

Das engelsgleiche Mädchen nickte freudig, dann wandte sie sich an Lina. »Wieso bist du nicht zur Hölle gefahren, als du den Schuss abgefeuert hast?«

Lina lächelte von einem Ohr zum anderen. Sie schien nun ihre ältere Schwester wiederzuerkennen. »Ich habe noch einem Schuss in Reserve. Solange ich den nicht vergeude, passiert mir nichts.«

Es freute den Engel, dass die Kopfgeldjägerin doch nicht zur Hölle fahren musste.

Jetzt waren sie alle wieder vereint.

Bis auf…

Elsa schaute sich suchend um. »Wo ist Flo?«

»Wer ist Flo?«, fragten beiden verdutzt.

Der ehemalige Engel hielt sich verschmitzt den Kopf. »Ach … Niemand!«

Also war er auch nur ein Traum, dachte sie sich.

»Was sollen wir nun machen?«, fragte Lina

Brendan sah die beiden eindringlich an. »Wir verlassen diese Welt.«

»Was?!«

»Warum?!«

»Sollten wir hierbleiben«, erklärte Brendan, »wird es immer Unglücke wie dieses hier geben. Wir verlassen diese Welt, weil wir nicht mehr hierher gehören. Versteht ihr das? Solange die Macht, die man uns verliehen hat, in dieser Dimension existiert, werden die Tragödien niemals enden. Also lasst uns diese Welt verlassen!«

Die Töchter nickten zustimmend.

Brendan hatte vermutlich recht.

Elsa wollte gar nicht darüber nachdenken wie viele Leben durch diese Mächte zerstört worden waren.

Allein die Hetzjagd von Skaru, welche sie als kleines Mädchen am eigenen Leib erfahren hatte, waren unzählige Familien – teilweise mit Kindern – umgekommen. So etwas sollte niemand erleben.

Die Familie stand auf, hielt sich bei den Händen und sie gingen alle frohlockend in den Sonnenuntergang.

 

Niemand weiß wohin genau sie gingen. Wir werden es auch nie wirklich erfahren. Angeblich soll die wiedervereinigte Familie in das Reich der Legenden und Mythen eingegangen sein.

Aber eines wissen wir mit Sicherheit. Sie sind nun für immer glücklich vereint. Als Familie.

 

The End

Der Kreis beginnt vom Neuem-Ende

Tyrannis schoss Elsa direkt zwischen die Augen.

Die, die sie in ihrem früheren Leben einst als Schwester bezeichnet hatte, fiel tot zu Boden.

Blut floss wie ein kleiner Bach aus dem Loch in ihrem Kopf.

Der Gerechtigkeit war genüge getan.

Die Verdammte war tot.

Stöhnend erhob sich der Engel und schaute nachdenklich zum Himmel.

Was sollte sie nun machen?

Die Waffen waren zerstört und es gab kein anderes Übel im Universum das groß genug wäre um das Böse ein für alle Mal zu vernichten.

All die Mühe war vergeblich gewesen.

All die Pläne, all die Dämonen die sie auf Elsa gehetzt hatte, um sie zu trainieren und zu stärken.

Alles umsonst.

Jetzt gab es keine Hoffnung mehr auf Erlösung. Das Böse würde niemals ausgerottet werden.

Plötzlich fiel Tyrannis etwas ins Auge.

Es war ein kleiner roter Funke, der mit dem Auge kaum erkennbar war. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung.

Der Engel streckte seine Hand danach aus, um ihn zu fangen.

Fasziniert betrachtete Tyrannis ihren Fund. Der Funke besaß Macht, das war nicht zu verleugnen. Ebenso wenig wie seine dämonisch-stählerne Quelle.

Nun erkannte der Engel, was passiert war.

Der Höllenvorbote hatte die Waffen nicht zerstört, sondern zerschmettert. Die Zerstörungskraft dieser Höllenwaffe hatte die Macht der Teufelsbestien nur in alle Winde zerstreut.

Tyrannis schwor sich, sämtliche Teile der beiden Mächte wiederzufinden und ihren Plan doch noch in die Tat umzusetzen.

Die Zwillingspistolen von Brendan würden hilfreich sein.

So machte der Engel sich auf eine neue Suche auf.

Sie ignorierte den immer noch benebelten Jungen und den am Boden liegenden Höllenvorboten. Die beiden waren es nicht wert beachtet zu werden, da sie nutzlos waren.

Wichtiger waren die Funken der Teufelsbestien.

Wer wusste schon an welchen Orten sie sich versteckten. Sicher würden schnell Gerüchte über ihre Macht die Runde machen und allerhand Gestalten anlocken, die sich ebenfalls auf die Suche nach den Funken begeben würden.

Eile war geboten und Tyrannis nutzte sie sofort um zu verschwinden.

 

Als Flo wieder zu sich kam, wollte er zuerst nicht glauben, was er da sah.

Seine Schwester tot.

Während er den bluttriefenden Kopf mit den Händen hielt und sich die Augen ausweinte, fiel sein Blick auf das Gewehr mit den seltsamen Verzierungen, das einst Elsas gehörte.

Wut und Hass brannten sich in Flos Seele ein und durchzogen jeden Funken Licht in seinem Herzen mit unerträglichem Schmerz.

Flo schwor Rache an jenen, die seine Familie getötet hatten. Diese Waffe würde ihr wohlverdienter Scharfrichter sein.

Der Junge griff entschlossen nach dem Gewehr und begann damit seine Reise.

Dass der Sog der Waffe ihm seine Seele raubte und somit zu einem Verdammten machte, merkte der kleine Junge in all dem Gefühlschaos nicht.

Es zählte bloß noch der Blutdurst.

 

The End

Impressum

Texte: EINsamer wANDERER
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2014

Alle Rechte vorbehalten

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