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Die Bruchlandung

Lautlos schwebte das Raumschiff in der Schwerelosigkeit. Während der Mann am Steuer auf Autopilot schaltete, sah sich der Copilot den Film Alien an und verschlang dabei chinesischen Nudeln aus der Pappschachtel. Undeutliche Laute, die sich wie Worte anhörten, drangen aus seinem vollen Mund. Halbgekaute Nudeln fliegen auf die Anzeigen. „Was?!“, fragte der Pilot. Der Copilot schluckte hörbar. „Ich sagte, man ist der Film trashig. Sieh dir das an! Da sieht doch jeder, dass das ein Pappkopf ist. Und dieses weiße Zeugs! Sieht aus wie Kotze! Und die Hälfte des Films passiert gar nichts!“ „Trotzdem ist der Film Kult. Du kannst ihn nicht mit den Filmen von heute gleichsetzen.“ „Trotzdem ist der Film totale Kacke!“ Zischend öffnete sich die Tür zum Cockpit und herein trat die Ärztin des Schiffes. Seufzend ließ sie sich in einen der leerstehenden Sessel fallen. „Und Doc, wie geht es ihm?“ Die Ärztin machte eine wegwerfende Bewegung. „Dem geht´s gut. Verdammter Bastard.“ Sie steckte sich eine Zigarette an. „Haben sie ihn analysiert?“, fragte der Copilot, bevor er versuchte sich einen weiteren viel zu großen Happen in den Mund zu stopfen. „Ja, habe ich, aber …“, sie machte eine Pause und stieß den Rauch aus. „Was aber? Jetzt sagen sie bloß nicht, dass es länger dauern wird, seine Technik zu knacken.“, versuchte der Pilot sie zum Reden zu bringen. „Es ist nicht die Technik, verdammt!“, sie seufzte und rieb sich resigniert die Augen. „Er hat keine Technik.“ Beide Piloten waren wie versteinert. „Wie meinen sie das?“ „Er ist der echteste Mensch, den ich je gesehen habe. Solche wie ihn, kennt man nur aus Geschichtsbüchern.“ Der Copilot verschluckte sich bei diesen Worten und begann wild zu husten. Er klopfte sich mehrfach gegen das Brustbein, bevor er die Essensreste ausspie. „Wie meinen sie das?“, krächzte er unter Tränen. „Er hat noch nicht mal einen Registrierungschip?“ Die Ärztin schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete sie. „Er ist nicht registriert, obwohl jeder Säugling gleich nach seiner Geburt diesen Chip in den Kopf gepflanzt bekommt.“ „Aber wie erklären sie sich das?! Er hat doch Sachen abgezogen, die … Fuck! Ich kann es noch nicht einmal beschreiben, was er da getan hat!“ „Ich weiß es doch auch nicht“, schrie die Ärztin verzweifelt. Nach ein paar Atemzügen sagte sie etwas ruhiger: „Es gibt schon seit langer Zeit eine Theorie, die besagt …“, sie legte eine Pause ein und nahm noch einen Zug. „Geist über Materie“, während dieser Worte drang ihr Rauch aus dem Mund.

 

Es gibt nichts in der Welt, was ich mehr hasse, als Kopfgeldjäger. Die meisten von ihnen sind leichte Beute. Ahnungslos, hilflos und ängstlich. Es geschieht nur selten, dass man mich fängt. Sie nennen mich Bestie – Monster. Einen Outlaw. Hehe. Wenn die bloß wüssten, was monströs ist. Ich hänge hier – gefesselt und fixiert - an einer eisernen Wand. Mein Mund - geknebelt. Meine Hände – in Ketten gelegt und an die Wand fixiert. Genau wie meine Füße. Der Rest meines Körpers wird mit starken Gurten aus Leder festgehalten. Na wenigstens habe ich etwas Spielraum. Wenn sie aus Stahl wären, könnte ich mich gar nicht bewegen. Ihr erster Fehler. Es sind eindeutig keine Anfänger, die mich am Arsch des Universums in einer heißen Wüste – in einer Schlucht aus roten Felsen – geschnappt haben. Zum Glück waren sie aber nicht schlau genug gewesen mir die Sinne zu rauben. Fehler Nummer zwei. So konnte ich durch die Lüftungsschächte hören, wie sie redeten. Sie dachten, ich hätte geheime Technologien im meinem Körper. Technologien mit denen sie besser wären, als all der andere Abschaum. Aber sie wurden enttäuscht. Ich habe nichts dergleichen. Nur einen Körper aus Fleisch und Blut. Nicht das geringste Mechanische ist in mir. Sie glauben, es würde sie stärker machen– die Technologie der Menschen. Falsch Gedacht. Sie macht euch nur bedingt stärker. Aber die Stärken des Geistes sind grenzenlos. Aber das geht euch nicht in den Schädel. Ihr werdet es nie begreifen. Ihr werdet alle sterben. Bloß das Wie weiß ich noch nicht. Ich habe genau auf die Geräusche eures Schiffes geachtet. Eure Triebwerke klingen nicht allzu gut. Tropfen und dann ein Zischen – ihr verliert heiße Kühlflüssigkeit. Und eure Rohre zittern unter dem enormen Druck der Strapazen. Sogar jetzt höre ich den entweichenden Dampf noch. Euer Schiff ist ein einziger Schrotthaufen. Wahrscheinlich hattet ihr kein Geld, um euer Schiff zu reparieren. Aber nun habt ihr meinen Kopf und damit mehr Asche als ihr in eurem erbärmlichen Leben je sehen werdet. Und deswegen sucht ihr so schnell wie möglich eine Raumstation auf, um euer Schiff auf Kredit reparieren zu lassen. Letzter Fehler Nummer drei. Mal sehen. In diesem Teil der Galaxie gibt es davon siebzehn Stück. Ich war auf Terra X. Es gibt in der Nähe insgesamt drei Stationen die in Frage kämen. Einen auf einen benachbarten Planeten. Der zweite ist in der Nähe der Sonne von Terra X. Und die Letzte ist auf dem vierten Mond desselben Planeten. Normalerweise würde jeder die Station auf dem benachbarten Planeten nehmen, aber euer Schiff ist zu beschädigt und würde den Weg dahin nicht überstehen. Dann bleiben nur noch die Sonne und der vierte Mond. Ihr werdet letzteres nehmen, da die andere Station zu nahe an der Sonne ist. Die enorme Hitze würde euer Schiff nicht aushalten. Also werdet ihr den Mond nehmen und mich von da aus in den nächsten Hochsicherheitstrakt stecken, der am anderen Ende des Systems sein wird. Viel Zeit für eine Panne. Viel Zeit in der Panik ausbrechen könnte. Viel Zeit zum Ausbrechen. Fortuna, bist du mir heute wohlgesonnen?

 

Hier SexyBunny, erbitten um Landeerlaubnis, Over!“, sendete der Pilot einen Funkspruch an die Raumstation. Die Antwort war Rauschen. „Hier SexyBunny, bitte kommen.“ Es blieb beim Rauschen. „Vielleicht machen die mal ´ne Kaffeepause“, meinte der Copilot achselzuckend. „Ach was soll´s. Ich geh da jetzt rein“, meinte der Pilot noch, bevor er zum Landeanflug setzte. Ruckelnd raste das Raumschiff auf die Landebahn zu. Die Anzeigen rebellierten. Das Schiff war nur noch ein einziger Schrotthaufen. Ein großer Knall. Eines der Triebwerke hatte sich verabschiedet und trieb nun als Weltraummüll umher. „Scheiße, wir haben eines der Triebwerke verloren!“ Sofort war der Copilot am Steuer. Alles wurde in ein rotes Blinklicht getaucht. Eine Sirene heulte. Die Ärztin hatte sich schon längst angeschnallt und ihre Zigarette fallen gelassen. Sie rollte über den Boden und verteilte ihre glühende Asche darüber. Alle Anzeigen blinkten in bedrohlichen Farben. Die Frontscheibe bekam einen Knacks. Sicherheitshalber schottete der Pilot sie ab und verließ sich nur noch auf die Bildschirme.

 

Habe ich da etwa gehört, wie eines der Triebwerke davonflog? So. Bald beginnt der Spaß. Es wird lange dauern, bis das Schiff repariert sein wird. Wochen, vielleicht Monate. Und diese Zeit werde ich nutzen. Vorausgesetzt natürlich wir überleben die Landung. Und mit „wir“, meine ich vor allem mich selbst. Ich kann nicht anders, als zu lächeln, auch wenn es durch das Beißgummi nur schwer zu sehen ist.

 

Scheiße, man! Du wirst uns noch alle umbringen!“ „Na hoffentlich“, meinte der Pilot grinsend. Das Ruckeln wurde stärker. Der Pilot versuchte mit all seiner Kraft die Schnauze nach oben zu heben. Die Steuerung reagierte kaum. Und so konnte der Pilot nur eine Bruchlandung hinlegen. Das Schiff kratzte kreischend über die Landebahn. Noch 200 Meter bis zum Hangar. Einer der Flügel brach ab und überschlug sich auf der Landebahn. Noch 150 Meter. „Scheiße, man! Wir sind tot!“, schrie der Copilot. Der Pilot biss unterdessen die Zähne zusammen. Er gab all sein Können. Setzte alles auf eine Karte. Das Flugzeug wurde langsamer. Noch 100 Meter. „Komm schon, Baby! Lass mich jetzt bitte nicht im Stich!“ Langsam und kreischend schaffte es die SexyBunny gerade noch in den Hangar. Gerade weit genug hinein, so dass die Tore noch schließen konnten.

 

Ich höre wie das Flugzeug kreischend wie ein Baby zum Stehen kommt. Also Leben. Das fängt ja schon mal gut an. Danke, Fortuna und ein Hoch auf den Piloten, der diese Dreckslandung vollbracht hat. Aber etwas lässt mich in meiner Vorfreude inne halten. Es wird über das Lüftungssystem hereingeweht. Für mich ein unverkennbarer Geruch. Er erinnert an Heimat – an Wohlbefinden. Es ist der Geruch von Tod und Angst. Höllischer Angst und qualvollem Tod. Der Geruch ist noch ganz frisch. Wahrscheinlich ist der Verursacher noch in der Nähe. Mir wird klar, dass ich so schnell wie möglich verschwinden sollte. Gefesselt bin ich viel zu leichte Beute. Und was auch immer den Geruch verursacht hatte, es würde zu mir kommen – schon sehr bald. Ich höre Schritte. Jemand nähert sich meiner Zelle. Ein Wachmann. Armer Kerl. Er wird gleich tot sein und weiß es noch nicht einmal. Großspurig betritt er den Raum. Obwohl er mich anbrüllt und beschimpft, achte ich nicht darauf. Gut so, Junge. Brüll mich ruhig weiter an. Auch wenn meine Augen verbunden sind, weiß ich, dass er nicht auf meine Beine achtet. Durch die Landung ist einiges zu Bruch gegangen. Zum Beispiel haben sich die Schrauben in der Wand, an die man mich gekettet hat, gelockert. Vorsichtig löse ich die Schrauben mit rhythmischen Bewegungen meiner Beine. Ja, brüll weiter. Höre nicht, wie die Schrauben zu Boden fallen. Er spukt auf mich. Wer hat dem denn ins Müsli gepisst? Ich spüre, wie er sich von mir abwendet. Er lacht dreckig. Jetzt muss es schnell gehen. Ich reiße die Platten aus der Wand. Krachend fallen sie zu Boden. Ich rieche den Angstschweiß des Wachmannes. Fühle wie er inne hält und sein Blut in den Adern gefriert. Die Schrauben meiner Fuß- und Beinfesseln haben sich jetzt ebenfalls verabschiedet. Schnell packe ich den Wachmann mit meinen Beinen an den Schultern. Ich zerre ihn zurück und stoße ihn hart gegen die Wand oder was davon noch übrig ist. Dann lasse ich meine Ferse mit voller Wucht auf seinen Kopf niedersausen. Knirschend zerbricht sein Schädel. Er ist sofort tot. Einer weniger, der mich verfolgen kann. Hatte er die Tür geschlossen bevor er reinkam? Ich weiß es nicht und hoffe, dass es niemand gehört hat. Mit aller Kraft Bäume ich mich gegen meine Fesseln auf. Sie lösen sich langsam und was sich nicht löst reiße ich aus der Wand. Ich bin frei. Bleiben nur noch der Knebel und die Augenbinde. Ich nehme sie ab und lasse meine Augen sich erst einmal an das schummrige Licht der Deckenlampe gewöhnen. Weitere Schritte nähern sich mir. Ich blicke zum Lüftungsschacht hoch. Wenn ich springe, könnte ich ihn erreichen. Ich sehe mir die Größe der Lucke an und lächle. Es passt. Schnell springe ich an die Decke, halte mich mit einer Hand am Gitter fest. Ich schaukle hin und her. Das Gitter gibt nach, als ich nach vorne schaukle. Perfekt. Mit der freien Hand kann ich mich noch gerade an der Kante des nun entstanden Loches festhalten. Langsam schaukle ich ein Stückchen nach hinten und lasse meinen Körper rückwärts in den Schacht gleiten. Das Loch versiegle ich wieder mit dem Gitter. Gerade noch rechtzeitig. Meine Gastgeber betreten den Raum. „Wo ist er?!“, höre ich einen schreien. „Oh, Scheiße“, meint ein Zweiter. „Alarmstufe Rot! Durchsucht das gesamte Schiff! Ich will diesen Outlaw wieder haben! Tod oder lebendig, ist mir egal!“ Ich muss innerlich lachen. Der Typ hätte sich meinen Steckbrief mal besser durchlesen sollen. Dort stand nicht umsonst: Wanted Dead! Lebend bin ich zu gefährlich. Aber niemand hält sich dran. Ich weise sogar immer wieder darauf hin, dass ich tot leichter zu transportieren bin. Aber Lebend bring ich mehr ein. Ein berühmter Killer ist eine Zierde für jeden Sicherheitstrakt - auch wenn der Killer ein Ausbrecherkönig ist. Ich bin eine Trophäe. Ein Stück Fleisch. Ware auf dem Schwarzmarkt. Ich warte noch einige Zeit, bis ich der frischen Luft nach draußen folge. Als ich aus dem Rücken des Schiffes wieder rauskomme, bietet sich mir ein Anblick, wie ich ihn erwartet hatte. Überall liegen Leichen. Sie sind zerfetzt, erschossen, zerfressen, entstellt und sonst noch alles. Überall klebt getrocknetes Blut. Teilweise kann man noch sehen, wie jemand mit blutigen Händen sich an die Wand gepresst hatte und dann zu Boden gezerrt worden sein muss. Hier hatte sich jemand richtig ausgetobt. Wieder taucht der Begriff Heimat in meinem Geiste auf. Langsam mache ich mich auf, die Raumstation zu erkunden. Es verspricht Spannend zu werden. Hoffentlich sind die Typen auf dem Schiff nicht solche Weicheier, wie Kopfgeldjäger. Nur die Wenigsten von ihnen sind abgebrüht genug für mich. Aber diese Typen in ihrem Schrottschiff waren schon mal ein guter Anfang.

 

Die Crew stieg aus. Schockiert sahen sie in was für einen Albtraum sie da gelandet waren. Ihr Gefangener hatte sich in Luft aufgelöst. Sie konnten mit ihrem kaputten Schiff nicht weg. Und irgendetwas ging auf der Station um und tötete alles. Und dabei hatten sie gehofft, dass ihre Pechsträhne nun endlich zu Ende sei. Aber darin hatten sie sich geirrt. Und sie sollten sich noch weitere Male irren.

 

Fortsetzung folgt…

Zweimal die Nummer Eins

Sucht in allen Ecken nach ihm“, brüllt der Oberarsch der Kopfgeldjäger. Ich bleibe weiterhin schön im Schatten und beobachte von dort aus das Geschehen. Erst einmal will ich wissen, wer hier auf der Station alles tötet was sich bewegt. Im meinen Kopf rattern sämtliche Möglichkeiten und Szenarien durch. Wenn ich den Killer selbst suchen würde, wüsste er wer ich bin. Aber wozu sich zur Zielscheibe machen, wenn man laute Kopfgeldjäger als Köder hat. Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich wüsste, mit wem ich es zu tun habe und bin noch gleich ein paar Verfolger los. Die Gruppe trennt sich. Während der Rest beim Schiff bleibt und versucht den Schrotthaufen wieder zum Laufen zu bringen, werden zwei losgeschickt um mich zu suchen. Die Armen. Sie sind schon so gut wie tot und wissen es noch nicht einmal. Lautlos folge ich ihnen. Immer im Schatten. Immer direkt in ihren Rücken. Wenn sie sich gehetzt umdrehen, befinde ich mich in der Ecke, in der sie nicht nachsehen. Ich rieche den süßlichen Geruch ihrer Furcht gemischt mit dem schweren kupfernen Metallduft des Blutes mit dem diese stählernen engen Gänge getränkt sind. Aber ihre Angst kann ich ihnen nicht verübeln. Überall liegen entstellte Leichen. Die Wände sind aufgerissen und literweise mit dem Blut einfachen Fleisches verschmiert. Die Luft ist mit erbarmungsloser Aggression aufgeladen. Selbst in den übelsten Sicherheitstracks bekam ich so etwas nur selten geboten. „Ach du scheiße. Die Leichen nehmen ja gar kein Ende. Der Kerl ist gerade mal seit ein paar Minuten draußen und richtet so ein Blutbad an?! Dieses Schwein! Wo verkriechst du dich, du feige Sau?!“, brüllt er und ballert sinnlos in der Gegend umher. Die Geräusche prallen als Echo von den Wänden ab. Ich muss gegen den Drang ankämpfen, mich hinter dem Schreihals zu schleichen, ihn leise „Hier“, ins Ohr zu flüstern und ihm dann das Genick zu brechen, ohne dass der andere Kopfgeldjäger es merken würde. Für derlei Spielchen habe ich aber keine Zeit. Wenigstens macht er mit seinem Geschrei das andere Raubtier auf sich aufmerksam. „Guck mal“, der Zweite deutet mit seinem Gewehr auf eine Gestalt die im Schatten steht. Sie trägt die Kleidung einer Krankenschwester. Ihre Hände verkrampfen sich um ein Skalpell in der rechten Hand von dem Blut abperlt. „Keine Bewegung.“ Sogar von meinem Beobachtungsposten sehe ich, dass die Knie des Kopfgeldjägers vor Angst schlottern. Der rote Punkt auf der Brust der zwielichtigen Person zittert leicht. Wenigstens ist der hintere von beiden clever genug, die Umgebung nach weiteren Feinden zu sondieren. Die Person tretet ins Licht. Es ist keine Krankenschwester sondern ein Kerl und jetzt wo er im Licht steht sehe ich auch das ganze Blut an der Kleidung. Aber das war nicht das Grauenvolle. Er hatte sich die Haut einer Frau angezogen. Wahrscheinlich hatte ihr auch die Kleidung gehört. Die Haut ist für den Kerl viel zu klein, sonst würde sie nicht an einigen Stellen aufgeplatzt sein. Unter dem falschen Antlitz leuchtet die blutverschmierte Haut des Irren im Schein der Deckenlampen. Seine Augen sprühen über vor Wahnsinn. Die Körperhaltung ist nach vorne gebeugt. Langsam und vor sich hin kichernd macht er einen unbeholfenen Schritt auf die beiden Kopfgeldjäger zu. Dabei reißt die übergezogene Haut mit einem widerlichen Reißen weiter auf. Der Typ hatte etwas von einer Hyäne. Lachend und sabbernd, wirkt er dennoch nicht harmlos. Er faselt irgendetwas vor sich hin, ohne dass seine Stimme in der Lage ist die Tonlage zu halten. Sie wird schrill, rau, quietschend, wispernd, als wenn er sich nicht entscheiden könnte, welche Stimme seine ist. „Noch nicht genug? … Immer noch nicht … Aber wie …? Wie? … Wie nur? … Wie nur? … Wie nur? …“, der Typ hört nicht auf diese beiden Wörter zu wiederholen, während der vordere Kopfgeldjäger seinen hinteren Kollegen fragt: “Scheiße. Ist der Kerl auf Droge?“, der Vordere dreht sich zu seinen Kumpel um, der immer noch den Gang nach Feinden absucht, ohne mich zu entdecken. Für einen kurzen Moment lässt er seine Umgebung außeracht. „Ich … äh … Keine Ahnung.“ Dieser Moment der Unachtsamkeit reicht vollkommen. Der Verrückte im Kleid geht schreiend mit dem Skalpell auf die beiden los. Sofort springen dutzende Menschen aus den Schatten und reißen die Kopfgeldjäger bei lebendigen Leibe in Stücke. Diese Station gefällt mir immer besser und besser. Es ist nicht so langweilig, wie im Knast, wo man dich nur zusammenschlägt oder vielleicht mit dem Messer auf dich los geht, bloß weil du den Obermacker der Innensassen einen blasen sollst. Leise schleiche ich mich innerlich grinsend davon. Ich will die Raubtiere bei ihrer Fütterung nicht stören.

 

Auf meinem Rückweg fällt mir die Leiche eines Mechanikers auf. Seine Augen sind ausgestochen. Den Mund speerangelweitoffen. Vor dem Tod sind ihm etliche Zähne gezogen worden. Die Gliedmaßen lagen unnatürlich verdreht da. Neben der Leiche lag auf dem Boden ein Schraubenzieher. Erste Regel eines wahren Killers: Alles kann zu einer Waffe werden. Wenn man weiß wie. Ich habe viele Leute kennengelernt und die meisten von ihnen getötet. Dabei lernte ich schnell, dass ich Regeln befolgen musste, um zu überleben. Um ein wahrer Killer zu werden. Seit ich mich zurückerinnern kann, bin ich entweder im Gefängnis oder auf der Flucht vor Kopfgeldjägern gewesen. Warum ich so heiß begehrt bin, weiß ich selber nicht. Aber es ist im Moment auch egal. Ruhig bücke ich mich nach dem Werkzeug und wiege es abschätzend in der Hand. Der Schraubenzieher ist schlecht ausbalanciert. Das vordere Ende ist mehr stumpf als spitz, aber es würde fürs erste reichen. Hoffentlich finde ich schnell ein Messer oder etwas Ähnliches. Erst einmal will ich aber zurück zu den Kopfgeldjägern. Hoffentlich habe ich nichts Wichtiges verpasst.

 

Zurück am Schrotthaufen, der noch vor wenigen Stunden mein Ticket ins Kittchen gewesen war, stellte ich mich unauffällig in die dunkelste Ecke der Halle. Zweite Regel: Sei unsichtbar. Verstecke dich im Schatten, dann sieht dich niemand. Ein wahrer Killer wird nicht gesehen, selbst wenn sein Verfolger direkt vor ihm steht. Wieder eine Regel. Inzwischen haben sie sich regelrecht in mein Hirn eingebrannt. Ich schaue wieder auf das Schiff. Es ist nicht zu retten. Damit waren die Kopfgeldjäger und ich auf dieser Station gefangen. „Irgendetwas neues?“, fragt ihr Anführer jemanden der an einem Funkgerät steht. Erst jetzt, wo ich mehr Respekt für den Anführer verspüre, nehme ich mir Zeit ihn genauer zu betrachten. Seine braunen Haare sind kurz gehalten. Das Kinn stoppelig. Die verwaschene Kleidung ist voller Schmutz und Schweiß. Dadurch dass er so abgewrackt aussieht, stechen seine stahlgrauen Augen umso mehr hervor. Er versprüht eine Art Autorität, die es nur selten unter den Kopfgeldjägern gibt. Seine Crew strahlt ihm gegenüber eine starke Loyalität, ja sogar Vertrauen aus. Die meisten Kopfgeldjäger sind Abschaum. Schlimmer als die Verbrecher, die sie jagen. Wahrscheinlich rührt daher der plötzliche Respekt für diesen Jäger her. Es wird mich aber nicht daran hindern, ihn falls nötig zu töten. „Wo sind Rick und Charlie“, bellt er. „Gefressen“, wispere ich. Als wenn er mich hören könnte. Bei diesem Gedanken muss sogar ich lächeln. „Achtung! Achtung!“, hallt es knisternd durch die Halle. „Wir haben Gäste.“ Ein unterdrücktes Lachen dringt aus den Lautsprechern der Hallen. „Was zum …?“ Sofort ziehen alle Kopfgeldjäger ihre Waffen und stellen sich Rücken an Rücken. Ich verhalte mich ganz still und schaue mich nochmal genau um. Jemand muss sich ins System der Station gehackt haben. Die Stimme konnte von überall herkommen. Gerade ist es wieder interessanter geworden. „Seid doch nicht so schüchtern, meine Lieben“, sagt der Kerl mit gespielter Freundlichkeit. „Ich weiß, ihr seht es nicht, aber ich habe meine Arme von mir gespreizt, um euch alle zu umarmen und willkommen zu heißen. Hihihihihi.“ Ich weiß zwar nicht, wer der Kerl ist, aber er geht mir jetzt schon tierisch auf den Sack. Hoffentlich ist er dumm genug, sich mir in den Weg zu stellen. „Wenn ich mich vorstellen dürfte, Cron. James Cron.“ Cron? Hat er da gerade Cron gesagt? Cron und ich sind die meistgesuchtesten Verbrecher des Universums. Wir sind zwar vollkommen unterschiedlich, haben aber unsere jeweiligen Fähigkeiten perfektioniert. Am Ende weiß niemand, wer von uns die größere Bedrohung ist. Ich frage mich, wie viele Wetten laufen würden, wenn das bekannt würde. Niemand ist flinker und einfallsreicher, als ich. Aber Cron ist ein sehr raffinierter Wahnsinniger und besitzt den besten Tech-Plunder von allen verdorbenen Kreaturen. „Also. Wie ich in der Datenbank eures verschrotteten Schiffes sehe, seid ihr mittellose Kopfgeldjäger. Verzeiht mein Eindringen in eure Privatsphäre, aber ich konnte einfach nicht wiederstehen, eure lausige Software zu hacken.“ Wieder ein Lachanfall. Er schien sich bestens über die schlechte Ausrüstung meiner Jäger zu amüsieren. „Also. Werdet ihr an unserem Spiel teilnehmen? Es heißt, findet-die-versteckten-Rettungskapseln-bevor-ihr-getötet-werdet. Hihihihi. Und so wird gespielt: Alle haben die gleiche Chance … Naja. Vielleicht nicht ganz. Hehe. Sämtliche Rettungskapseln sind von mir an verschiedenen Stellen auf der Station versteckt worden. Jeder Sträfling und Irre sucht sie. Dabei ist es erwünscht, nein sogar Pflicht seine Mitbewerber auszuschalten, sobald man sie sieht. Hehehehehe. Und wer es schafft eine Kapsel zu finden, kommt in die vogelfreie Freiheit. Aber Vorsicht! Das Angebot ist streng limitiert. Hahahahaha. Also. Macht euch ans Werk, bevor alle Kapseln weg sind. Habt noch einen schönen Tag in der Cron-Space-Station. Oh! Bevor ich es vergesse. Es werden einige Überraschungen auf euch warten. Zwinker, zwinker. Hahahahahaha.“ Mit wahnsinnigem Gelächter endet die Durchsage von Cron. Wütend steckt der Anführer seine Waffe weg. „Mist! Wir müssen los.“ Leise mache ich mich aus dem Staub. Die Kopfgeldjäger sind nun nebensächlich. Jetzt geht es darum eine der versteckten Rettungskapseln zu suchen. Ein reiner Mensch gegen eine wahnsinnige Killermaschine. Es wird sich also nun entscheiden, wer von uns beiden der Größere ist. Ich freu mich schon auf das Katz- und Mausspiel. Schließlich kann es nur eine Nummer Eins geben.

 

Fortsetzung folgt…

Zu spät

Warnung!“, tönt eine künstliche Stimme durch die versteckten Lautsprecher der Station. „Ausfall der Schwerelosigkeit.“

Das hat mir gerade noch gefehlt. Welcher Idiot hat denn die Schwerkraft ausgeschaltet?

Mit typischen Schwimmbewegungen gleite ich durch den Raum. Über mir befindet sich irgend so ein Irrer der fröhlich vor sich hin lacht. Die manische Lache – die für andere wohl unheimlich wäre – raubt mir eher den letzten Nerv, als dass sie mir Angst einjagen würde.

Eine Erschütterung bringt den ganzen Raum zum Beben. Die Stahlträger krachen mit mehrfacher Anziehungskraft auf den Boden. Einer davon zerquetscht den Irren zu einer blutigen Pampe. Es reißen sich mehrere Löcher in der Hülle und zeigen den kalten Weltraum der mit dem gleichgültigen Funkeln der Sterne dekoriert ist.

„Warnung! Druckausfall! Warnung!“

Irgendjemand hatte wohl die Schwerkraft wieder einschalten wollen, aber es dabei irgendwie geschafft, dass die Schwerkraft sich nur auf einige Stellen begrenzte. Aber die Konzentration war viel zu stark eingestellt, wodurch die Konstruktion die Belastung einfach nicht mehr halten konnte. So stürzte es ein. Und nun befanden sich einige große Löcher in der Hülle. Wenn ich nicht schnell mache, erfriere ich, ersticke oder werde von meinem eigenen Körpergewicht zerquetscht.

Wie ein Schwimmer bei den olympischen Spielen bewege ich mich zielstrebig auf die Tür zu. Immer das Ziel im Auge behaltend.

Dort angekommen, ziehe an der Tür die sich zischend und dampfablassend öffnet.

Ich erkenne sofort die Rettungskapseln. Während ich mich eilig daran mache die Kapsel startklar zu machen, ertönt Crons Stimme erneut auf der Station.

„Wisst ihr was? Ich habe es mir anders überlegt. Ihr Typen seid für meinen Geschmack einfach viel zu langsam. Ich mache es mal interessanter. Wir befinden uns in der Umlaufbahn von Y-7. Ich weiß, nicht gerade ein toller Name für einen unbewohnten Planeten, ohne besondere Ressourcen. Wie dem auch sei … Ich habe nun beschlossen, diese Station in den Gravitationsbereich des Planeten zu steuern und sie dort abstürzen zu lassen.“

Alles vibriert und ruckelt. Mit jedem Moment wird es schlimmer. Zum Glück muss ich diese Scheiße hier nicht mitmachen, denke ich mir.

Rasch schnalle ich mich an. Es geht hier nur noch um Sekunden. Dann wäre es zu spät und die Kapsel würde samt der Station in den Tod gerissen werden.

Es wäre vermutlich ein interessanter Kampf zwischen Cron und mir geworden, aber ich hänge zu sehr an meinem Leben um bei diesem Spiel mitzuspielen.

Ich drücke den roten Knopf, der an der Decke ist und lasse die Kapsel in den Weltraum schießen.

Von der kleinen Luke aus, sehe ich wie die Station zu einem rotglühenden Feuerball wird, der auf den schlammbraunen Planeten krachen wird.

Ich wähne mich in Sicherheit.

Leider ist das ein Irrtum.

Ein piependes Geräusch, das ständig schneller und eindringlicher wird, lässt mich meinen Fehler erkennen. Es gehört zu einer Sprengkapsel die dieser Bastard montiert hat. Sobald ich mich zu weit von der Station entferne, detoniert sie.

Ich sehe mein Leben noch einmal an mir vorbeiziehen. Die Aufzucht im Labor. Das harte Training. Eine anschließende Flucht mit dreizehn Jahren die heute ihr Ende findet. Ich fühle mich seltsam ruhig. Eine geradezu unheimliche Ruhe ergreift von mir Besitz.

Ich denke nach, suche einen Ausweg. Wenn ich nur …

Die Kapsel explodiert. Es gibt keinen Knall. Einzig ein paar der verkohlten Überreste zeugen noch vom Feuer, das sofort in der Leere erstickt. Unterdessen verglüht die Station in der Atmosphäre.

 

The End

Schlusswort:

Ja ich weiß, dass ich das Ende dieses Mal wieder ziemlich hingeschmiert habe. Es ist einfach so. Si-Fi ist einfach ein schwieriges Metier für mich. Es gehört mit zum Schreiben, dass man Dinge vermasselt, um so seine Grenzen kennenzulernen und um sie dann später ausloten zu können. Und wenn ich ein Projekt aufgebe, ziehe ich es trotzdem durch. Das Endergebnis ist zwar nicht so schön, aber es hinterlässt nicht einmal im Ansatz den faden Nachgeschmack einer unvollendeten Arbeit. Also mache ich lieber weiter.

Ich hoffe, ihr hattet trotzdem Spaß damit und wünsche euch noch einen schönen Tag.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.01.2019

Alle Rechte vorbehalten

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