Du warst du und ich war ich. Wir haben gelebt ohne uns zu kennen. Aber mit einem Hey wurden aus einem du und einem ich ein wir.
"Wie kannst du eigentlich mit ihm befreundet sein?“ fragt mich Alina und ich schaue von meinem Buch auf, in dem ich meine Nase gesteckt habe und gucke sie fragend an. „Er ist echt unmöglich!“
„Meinst du Oliver?“ frage ich und sie nickt und seufzt, während sie den Stuhl nach hinten schiebt und sich hinsetzt. Den Kopf legt sie auf den Tisch. Ich grinse und suche die Zeile, in der ich stehen geblieben bin und lese konzentriert weiter. Aus den Augenwinkel sehe ich, dass sie sich gerade hinsetzt und mich anschaut. Deswegen schaue ich wieder in ihre Richtung und bleibe bei meinem fragenden Gesichtsausdruck
„Mehr hast du nicht zu sagen, oder weißt du schon was er wieder angestellt hat?“ fragt sie und ich zucke mit den Schultern. Es ist mir irgendwie egal. Meistens ist es eben nur eine Kleinigkeit und nichts worüber sie sich aufregen muss. Ich frage mich manchmal, wie die beiden zurecht kommen, aber mir wird immer sofort klar, dass Alina ihn mag.
„Ich kann mir denken, dass es wieder nur eine Kleinigkeit ist und alles was ich dir sagen kann ist, dass du dich beruhigen solltest. Er meint es nicht Ernst, wenn er dich aufzieht“, sage ich, denn egal was Oliver zu ihr sagt, sie nimmt alles falsch auf und ärgert sich dann wieder. Alina versteht sofort was ich sage und schmollt.
„Du bist immer nur auf seiner Seite“; meckert sie und verdreht dann die Augen, als eine Gestalt neben ihr auftaucht, obwohl sie ihn nicht gesehen hat, weiß sie das er es ist. Sie hat ein Oliver Radar im Blut. Sicherlich, weil sie ihn mag und ich glaube, dass er es auch tut.
„Du hast eben deine Klappe wieder zu weit aufgerissen und das tue ich eben auch“, meint er, während er sich extra neben ihr setzt und ihr in die Seite pikst. Das kann sie auf den Tod nicht ausstehen, weswegen sie gleich zur Rache wechselt und ihn auch pikst. Da er kitzeliger ist als jeder andere Mensch den ich kenne, wölbt er seinen Körper zur Seite und kichert wie ein Mädchen.
Ich belächle das Benehmen meiner zwei besten Freunde und wende mich wieder meinem Buch zu, dass weniger dramatisch als die Freundschaft zwischen meinen besten Freunden ist. Aber so kompliziert ist es dann doch nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn trotz, dass sie andauernd aneinander geraten, haben sie sich lieb. Immerhin sind wir schon seit Jahren befreundet.
Gerade als ich die letzte Zeile vom Kapitel lese klingelt es zur nächsten Stunde. Ich packe mein Buch ein und wir stehen alle zeitgleich auf, um zu unserem Klassenraum zu gehen. Da wir nicht in einer Klasse sind, trennt sich unser Weg von Oliver, der zu den Treppen joggt und zwei Stunden gleichzeitig nimmt um pünktlich zum Unterricht in der zweiten Etage zu kommen.
Der größte Teil der Klasse ist schon vor dem Klassenraum versammelt und warten auf den Lehrer, mit dem wir nun Vertretung haben. Die anderen kommen auch langsam an und mit dem letzten kommt sogar der Lehrer. In seiner linken Hand hält er seine Tasche und in der anderen den Schlüssel für die Tür, die er damit aufschließt.
Langsam füllt sich der Raum mit Schülern und jeder setzt sich auf einen Platz. Da wir Vertretung haben, setzte ich mich mit zu Alina, weil wir sonst eigentlich eine Sitzordnung haben, die gerade mal keine Rolle spielt.
„Guten Morgen“, sagt der Lehrer, als die Klasse ruhig wird und die meisten wünschen ihn einen guten Morgen zurück. Alle sind zwar froh, dass wir heute kein Deutsch haben, aber trotzdem werden wir Aufgaben bekommen. Deshalb sind die meisten eher schlechter gelaunt. "Ich habe zwar Aufgaben von eurer Lehrerin bekommen, aber ich zeige euch jetzt eine Dokumentation.“
„Echt“, fragt Saskia und hat ein breites Grinsen auf den Lippen. Die anderen schauen auch überrascht zum Lehrer, den wir so noch nie gehabt haben und warten auf eine Antwort auf ihre Frage. Er nickt und zieht die DVD aus seiner Tasche. Trotz, dass es nur eine Dokumentation ist, ist alles besser als Deutschaufgaben zu machen.
„Ja, es hat nur einen Haken“, sagt der Lehrer und jeder weiß schon was er sagen will „Ihr müsst die Aufgaben als Hausaufgabe erledigen.“
Die zwei Vertretungsstunden sind die letzten für den Tag was heißt, dass jetzt Wochenende ist. Denn heute ist zum Glück Freitag. Dass bedeutet, dass wir bis Dienstag Zeit haben die Hausaufgaben, die wir bekommen haben zu erledigen. Es ist nicht schlecht die Dokumentation geschaut zu haben, denn sie ist langweilig gewesen. Deswegen habe ich bereits mit den Hausaufgaben angefangen. Und ich bin nicht die Einzige aus der Klasse gewesen, die sie schon angefangen hat. Aus dem Grund, muss ich zuhause nur noch eine Aufgabe erledigen.
„Also hast du Bock am Wochenende was zu unternehmen?“ fragt Alina, als wir den Schulhof in Richtung der Fahrradständer verlassen. Ich krame meinen Schlüssel auf der vordersten Tasche und habe ihre Frage deshalb nur halb mitbekommen.
„Das fragst du noch?“ frage ich sie, weil ich trotzdem ein paar der Worte aufschnappen und zu einer Frage zusammengefügt. In dem Moment, als sie mir darauf antworten will finde ich meinen Schlüssel und schließe den Reißverschluss bevor ich sie wieder auf meinen Rücken packe.
„Bei dir oder bei mir?“ fragt sie einen Moment später und ich überlege kurz. Wenn sie zu mir kommt ist es doof mit dem Essen, wenn ich bei ihr bin nicht. Ihre Mutter hat immer mehr als genug Essen im Haus, dass sie uns jede fünf Minuten anbietet. Aber die letzten Male sind wir immer bei ihr gewesen.
„Kommt drauf an, was dir lieber ist?“ frage ich sie, als wir gerade vor meinem Fahrrad ankommen. Ich runzel die Stirn, weil dort drei Jungs stehen und den Weg versperren. Sie zuckt nur mit den Schultern und bemerkt sie dann auch.
Die Jungs sind im Jahr über unserem Jahrgang und, dass war alles was ich von ihnen weiß. Was schon verwunderlich ist, weil ich sie nur ein paar Mal gesehen habe. Aber auf einer kleinen Schule wie dieser ist das auch nicht schwierig.
Ich räuspere mich und die Jungs schauen uns an. „Sorry, aber könnt ihr vielleicht Platz machen? Ihr steht vor meinem Fahrrad“, frage ich freundlich und sie starren mich für ein paar Sekunden an.
„Klar,“ sagt einer und schon bewegen sie sich ein paar Schritte zur Seite. Sie lächeln und ich lächel ihnen dankend zurück.
„Dankeschön“; bedanke ich mich darauf und trete dann an mein Fahrrad und hocke mich hin um das Fahrradschloss zu öffnen. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn um, weswegen es sich öffnet. Dann stehe ich langsam wieder auf, nur um mir den Kopf am Lenker des Fahrrads neben meinem zu stoßen. Dabei fällt mir das Schloss aus der Hand und landet auf den Boden. Gequält hebe ich es auf und stehe auf. Alina schaut mich belustigt an und auch die Jungs haben ihr Gespräch gestoppt und gucke mich an.
„Alles gut? Mein Fahrrad hat nicht die Absicht gehabt, dass es dir wehtut“, sagt der rechte. Ich kenne ihn zwar nicht und habe noch nie ein Wort mit ihm gewechselt, aber er sprach mich an.
„Es ist alles gut, dass passiert ihr öfter“, sagt Alina und lacht dann kurz ihr komisches Lachen, wonach sie sich an mich wendet „Bist du fertig? Ich habe nämlich gehört, dass wir zu dir gehen.“
„Also willst du zu mir das Wochenende?“ frage ich sie und sie nickt.
„Aber ich kann nur bis Morgen Abend bleiben“, sagt sie und ich packe erst das Schloss und dann meine Tasche in den Fahrradkorb und ziehe dann mein Fahrrad aus dem Ständer. Ich nicke nur, denn gerade ging mir etwas anderes durch den Kopf. Zum einen Teil sind es Kopfschmerzen wegen dem Lenker.
„Warum, hast du noch etwas vor?“ frage ich sie und sie fängt an über beide Ohren an zu lächeln bevor sie nickt. Irgendwie versetzt mir das ein Stich, denn ich glaube ich wusste worum es geht. „Hast du eine Verabredung mit Oliver?“
„Das hast du so schnell erraten?“ fragt sie überrascht, doch es überrascht mich nicht groß, denn was sich neckt, dass liebt sich. Das Sprichwort passt perfekt zu Alina und Oliver. Deswegen nicke ich. „Findest du es schlimm?“
Ich antworte ihr nicht, weil wir immer noch hier stehen und die drei Jungs auch und es ist kein Thema was den drei etwas angeht. Doch Alina schaut mich erwartungsvoll an.
„Wieso sollte ich es schlimm finden?“ frage ich.
„Naja, weil wir Frende sind.“
„Und? Zu seinen Gefühlen sollte man stehen. Es ist offensichtlich zwischen euch beiden.“
„Aber es ist Oliver. Bist du dir sicher?“ fragt sie und ich schaue sie für ein paar Sekunden zu lange an, ohne ihr eine Antwort zu geben. Denn die lag schwer auf meinem Herz. Deshalb sage ich auch nichts mehr dazu. Ich wende mich nur von ihr ab, um ihr ein Zeichen zu geben. Weil es braucht keine Worte um zu verstehen, was ich ihr sagen möchte.
Nervös schaue ich zu den Jungs herüber, weil ich nicht gehört habe, dass ihr Gespräch weitergegangen ist, nachdem Alina und ich angefangen haben uns über ein eher unangenehmes Thema zu unterhalten. Dabei treffen sich die Blicke von dem linken Typen und mir. Die anderen beiden reden noch. Er lächelt kurz als sich unsere Blicke kreuzen, weswegen ich mich sofort wieder abwende und gefolgt von Alina losgehe.
In meinem Magen zog sich alles zusammen, wenn ich an die beiden und den Typen denke, doch ich unterdrücke das komische Gefühl und schlage sie mir aus dem Kopf.
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2018
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