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Aufbruch

Der alte Küstenpfad war lang, schmiegte sich in das Auf und Ab der Landschaft. Marc war am frühen Nachmittag aufgebrochen, dem ersten Ziel seiner Wanderung entgegen, die ihn zwei Wochen lang weit forttragen sollte von der Geschäftigkeit seines Lebens in der Stadt.

"Wetten, du bist in ein paar Tagen wieder hier?" Die Zweifel seiner Freunde klangen ihm noch im Ohr.

 

Irgendwann musste der Leuchtturm kommen. Vier Stunden bis dorthin. Mehr als fünf war er schon unterwegs. Hatte er einen Abzweig übersehen? Die entscheidende Bucht verpasst, als der Pfad sich eine Weile landeinwärts zog? Marc suchte die Karte aus dem Rucksack und fuhr mit dem Finger die Strecke ab, die er glaubte, zurückgelegt zu haben.  

 

Eine Meile über die Klippen, dann abwärts durch kleine Buchten, wieder die Hügel hinauf, das Fischerdorf linker Hand hatte er vor zwei Stunden hinter sich gelassen. Der Pfad verlief dann durch ein Waldstück, kreuzte mehrfach einen Bach und erreichte wieder die Küste. Nach der Karte musste der Leuchtturm zu sehen sein, doch Marc konnte ihn selbst mit seinem Fernglas nicht entdecken.

 

Was nun? Inzwischen brach die Dämmerung an. "Ich frage besser nach dem Weg", beschloss er und lief querfeldein auf ein Licht zu, das in einiger Entfernung Hilfe versprach. 

Bilderwelt

Alice wunderte sich, als sie das Klopfen an der Tür hörte. Nur selten fand jemand den Weg ins alte Cottage, nie am frühen Abend. Sie überlegte einen kurzen Moment, ob sie vorsichtshalber Joseph aus dem Atelier holen und ihn bitten sollte, zu öffnen, doch dann entschied sie sich, es selbst zu tun.
“Entschuldigen Sie, ich bin auf dem Weg zum Leuchtturm und habe mich wohl verlaufen.”
Der junge Mann machte einen hilflosen Eindruck. “Jetzt kommen sie erst einmal herein, ich koche Ihnen einen Tee.”
Dankbar nahm er das Angebot an, folgte ihr in die Küche und setzte sich an den Tisch, der sechs Personen Platz bot.
“Mein Name ist Marc, vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.”

Alice lächelte nachsichtig. Diese jungen Leute sprachen sich alle nur noch mit Vornamen an.
“Ich bin Alice”, reichte sie ihm ihre Hand. Lebensspuren hatten sich in sie gezeichnet, wie in ihr Gesicht, aus dem schelmische Augen blitzten.
„Sie wollen jetzt aber nicht wieder in die Nacht hinaus?“, hörte Marc sie fragen. Er hatte nicht vorgehabt, hier zu übernachten, doch ein Blick ins Dunkel ließ ihn rasch das angebotene Zimmer annehmen.
„Nun trinken Sie erst einmal in Ruhe ihren Tee und ich mache Ihnen alles zurecht.“ Mit diesen Worten ließ ihn Alice in der Küche zurück.

Marc sah sich um. Der Raum war nicht groß, doch er hatte sich gleich darin wohl gefühlt. Gegenüber der Eckbank reihten sich Herd, Spüle und Schränke, auf der anderen Seite prasselte ein Feuer im Kamin. Er erhob sich, ging zum Fenster und zerrieb ein Blatt der Küchenkräuter zwischen seinen Fingern. Der Duft erinnerte an Kindertage und an sie.

Als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf die Bilder an der Wand. Große, kleine, vielfältig bunt, ein dutzendfacher Reigen, der sein Erstaunen weckte.

Leben

Als Alice wieder in die Küche trat, stand Marc immer noch vor der Eckbank und sah sich die darüber hängenden Bilder an. Jedes von Ihnen schien eine ganze Geschichte zu erzählen, selbst die, auf denen nur wenig zu sehen war. Dabei hatten sie einen sehr unterschiedlichen Stil, die einen wirkten sachlich, die anderen eher phantasievoll verträumt. In vielen waren Gegenstände integriert, Urlaubssouvenirs oder Strandgut, und jedes für sich weckte Marcs Wunsch, etwas darüber zu erfahren.
Alice lächelte, als sie sah, mit welcher Offenheit und Neugier Marc die Bilder betrachtete.
„Diese Bilder sind … Ich finde kein Wort dafür“, stotterte er.
„Jedes dieser Bilder erzählt ein Leben“, antwortete sie.
„Ihres?“
„Wer weiß?“ Wieder blitzten Alices Augen schelmisch und Marc wusste: Was immer sie ihm über die Malereien offenbaren würde, es würde doch immer auch ein Geheimnis bleiben.

In diesem Moment trat Joseph in die Küche. „Mein Leben lang male ich Gras, mein Leben lang“, brummelte er, „aber diesmal will es mir nicht … Oh, wir haben einen Gast!“
„Das ist Marc“, stellte Alice den Besucher vor, „er hat sich verlaufen.“
„Ein Wirrkopf also?“ Der Unterton in Josephs Stimme ließ Marc lachen und er nahm gern die angebotene Hand zur Begrüßung.
„Ein Städter“, antwortete er, „der dem Landleben nicht gewachsen ist.“
„So, so“, zwinkerte Joseph ihm zu und sie setzten sich, während Alice damit begann, das Abendessen zuzubereiten.
„Ich habe gerade Ihre Bilder bewundert“, setzte Marc das Gespräch fort.
„Es sind keine Bilder, es sind Leben“, erwiderte Joseph.
Marc stutzte. Joseph hatte es mit noch größerer Ernsthaftigkeit gesagt als zuvor Alice und so wiederholte er seine Frage.
„Ihres?“
„Wer weiß?“ Als hätten sie sich abgesprochen, gab Joseph die gleiche Antwort wie sie.
‚Vielleicht ist es besser, nicht so neugierig zu sein‘, überlegte Marc und schwieg eine Weile.
„Es könnte auch Ihres dabei sein“, riss ihn Alice aus seinen Gedanken.
„Meins?“, blickte Marc sie erstaunt an.
„Lassen Sie uns suchen, ob wir Sie finden“, nickte sie ihm ermunternd zu.
Marc erhob sich, stellte sich wieder ans Fenster, um die Bilder genauer betrachten zu können, und versuchte, aus dem Dutzend seines herauszufinden. Doch so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht.

Die Strandfrau

Als Marc die Bilder betrachtete, kehrte sein Blick immer wieder zu einem zurück. Es schien ganz aus Sand zu bestehen, unterbrochen von Muschen und kleinen Hölzern. Er trat näher heran.

„Darf ich?“, fragte er und wartete Josephs Nicken ab, bevor er mit der Hand über die Körner fuhr. „Ich habe noch nie solchen Sand gesehen“, stellte er nachdenklich fest.

„Die Strandfrau brachte ihn hierher“, bemerkte Alice und zwinkerte Joseph zu.

„Erzählen Sie mir von ihr?“

„Nach dem Essen bei einem Glas Wein.“

Marc konnte es kaum erwarten und war froh, als endlich der Tisch abgeräumt war. Alice nahm das Bild von der Wand, legte es in die Mitte und es schien, als wiege sie sich in der Geschichte:

 

„In den Höhen geboren,

mit dem Strand verschworen

trug sie der Wind

zwischen Hügel und Meer.

 

Den alten Kirschbaum mochte Liz am liebsten. Dort saß sie als Kind stundenlang und blickte auf die Felder jenseits des Tals, wo das Getreide reifte und sich golden in der Sonne spiegelte. Gleich daneben begann der Wald. Bald würden sie dort Beeren pflücken gehen und Marmelade daraus kochen, die gute dunkelblaue, an die keine andere heranreichte. Sie sog den Wind ein, der über die Hügel strich. Er trug das Plätschern des Baches zu ihr. Sie sprang auf, folgte dem Klang und gelangte kurz darauf an das kühle Nass. Es fühlte sich wohl an in ihrer Hand und sie rieb es sich durchs Gesicht und trank ein wenig davon. Dann setzte sie sich nieder, zupfte hier und da einen Grashalm aus und gab ihn der Strömung mit.

„Fließ“, dachte sie, „fließ.“

 

Sie hörte ihre Mutter rufen und beeilte sich, ins Haus zu kommen. „Schau, wir haben eine Postkarte von Onkel Franz.“

Staunend betrachtete Liz das Bild von New York. Diese riesige Stadt! Und das noch riesigere Meer, an dem sie lag!

„Franz hat geheiratet, schreibt er. Das ist ja schön. Er lädt uns wieder mal ein, ihn zu besuchen.“

Liz schwieg. Die weiteste Reise, die ihre Mutter je unternommen hatte, war ein Ausflug der Landfrauen gewesen, das Ziel keine fünfzig Kilometer entfernt. Und so sagte sie auch heute wieder: „Was soll ich denn da? Es ist besser, der Franz kommt heim, wenn er uns sehen will.“

Es hatte keinen Sinn, es zu diskutieren. Doch träumen … ja, träumen konnte sie.

 

Als Liz erwachsen wurde, fand sie eine gute Anstellung. Sie gab nicht viel Geld für sich aus, sondern legte alles für ihre erste Reise beiseite. Es war ein frischer, klarer Junitag, als sie von der Spitze einer Düne aus das Meer sah. Zuerst ging sie zögernd darauf zu, dann sicheren Schrittes, schließlich lief sie lachend hinein und es machte ihr nichts aus, dass ihre Schuhe nass wurden und das Kleid, das sie trug, und schließlich sie selbst, als sie begeistert unter eine Woge tauchte.

Sie lachte und jauchzte und ihr waren die Menschen egal, die am Strand entlang spazierten und sie sicher für ein wenig verrückt hielten. Nach einer Weile setzte sie sich auf einen Felsen und sah dem Kommen und Gehen der Wellen zu, wobei sie das Wasser ihre Füße umspielen ließ.

„Wie du zu mir kommst und gehst, werde ich kommen und gehen, bis zu dem Tag, an dem ich bei dir meine Ruhe finde“, versprach sie. Und als sie zurück in ihrer Herberge war, rieb sie den Sand von ihren Füßen in ein Marmeladenglas, schraubte den Deckel zu und verstaute es sorgfältig für ihre Heimreise.“

 

 

Alice machte eine kurze Pause und lächelte, als Marc sie ungeduldig anblickte.

„Wissen Sie, wie es ist, am Meer zu stehen und hineinspringen zu wollen? Sich ihm hinzugeben, sich treiben zu lassen, ihm zuzuhören? Schwerelos zu sein, in ihm? Gedankenverloren auszuruhen?“

„Nein“, schüttelte Marc den Kopf, „ich bin zwar schon im Meer geschwommen, aber ich habe mich noch nicht von ihm treiben lassen.“

„Kopfmensch“, brummelte Joseph.

„Wir werden sehen“, zwinkerte Alice ihm zu und setzte die Geschichte fort:

 

„Nun hatte Liz das Meer gesehen und doch nur eines von ihnen. ‚Nordsee‘, dachte sie, während Namen wie Verheißung in ihr klangen. Atlantik, Pazifik, Indischer Ozean. Sie sparte all ihr Geld und reiste von Meer zu Meer, von Strand zu Strand, immer auf der Suche nach dem einen, an dem sie ihre Ruhe finden würde. ‚Fernweh‘, nannte sie es, ohne zu sehen, dass es ein Nahweh war. Und an jedem Strand rieb sie den Sand von ihren Füßen in das Glas.“

 

Marc hatte bei „Nahweh“ die Augenbrauen gehoben, doch Alice erzählte unbeirrt weiter:

 

„Eines Tages kam Liz an einen Ort, der sie an ihre Kindheit erinnerte. Es war ein kleines Haus, von dem aus man über Hügel sehen konnte. Das Getreide stand goldgelb auf den Feldern und in der Nähe war ein Wald, in dem sie sich Beeren pflücken sah. Vom Haus aus führte ein Weg hinab zum Meer, dessen Gesang der Wind zu ihr trug. Liz stellte den Rucksack ab, der sie auf all ihren Reisen begleitet hatte, nahm das Glas heraus und ging zum Strand hinunter. Zum ersten Mal sprang sie nicht gleich ins Wasser, sondern spazierte am Wellensaum auf und ab, sog die salzige Luft ein, hörte hier und da den vereinzelten Ruf einer Möwe und wusste hinter dem Horizont keinen schöneren Platz als diesen.

 

Als sie das Glas aufschraubte und den Sand von ihren Füßen hinein rieb, tat sie es zum letzten Mal.“

 

Alice schwieg, trank einen Schluck Wein und sah Marc erwartungsvoll an, während er sanft über den Sand des Bildes strich. „Liz ist die Abkürzung von Alice, nicht wahr?“

„Wer weiß?“, zwinkerte sie ihm zu.

„Wenn es nicht so ist, was wurde dann aus ihr?“

„In den Höhen geboren,

mit dem Strand verschworen

trug sie der Wind

zwischen Hügel und Meer.

Das ist alles, was wichtig ist.“

Und mit diesen Worten stand sie auf, küsste Joseph und zog sich zurück.

 

Marc traute sich nicht, noch einmal nachzufragen.

„Kopfmensch“, hätte Joseph mit Sicherheit gesagt, wenn er es versucht hätte.

Die Geschichte im Kopf, ging auch er zu Bett und fiel in einen entspannten Schlaf.

Amy

 

 

Als Marc am nächsten Morgen aus dem Zimmer trat, fiel sein Blick auf eine Zeichnung an der Wand. Sorgsam nahm er sie mit in die Küche, wo Alice bereits das Frühstück vorbereitete. Sie lachte, als sie ihn hereinkommen sah: „Guten Morgen Marc, ich sehe, Sie sind schon wieder einem der Bilder verfallen.“

„Ja“, lächelte er verlegen, es ist so ausdrucksstark in seiner Einfachheit.“

„Finden Sie sich darin wieder?“

„Nein, das heißt, ein wenig. Es hat etwas Suchendes, das kann ich nachvollziehen.“

„Dann lassen Sie mich nach dem Frühstück die Geschichte dazu erzählen“, nickte sie verständnisvoll.

 

„Möchten Sie ihr einen Namen geben?“, fragte Alice, als der Tisch abgeräumt und das Bild in seiner Mittel platziert war.

„Der Person auf dem Bild?“, wunderte sich Marc.

„Ja.“

„Mit einem Namen ist die Geschichte persönlicher, nicht wahr?“

„Mit einem Namen bekommt die Gestalt Gesicht. Eines, das wir mit dem Klang des Namens verbinden. Ein hartes oder ein weiches, ein modernes oder eines aus vergangener Zeit.“

„Also lenkt der Name die Fantasie?“

„In gewisser Weise, ja.“

Marc überlegte einen Augenblick. Er hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht, aber nun, da er mit Alice darüber sprach, sah er in dem Bild völlig unterschiedliche Geschichten. Ylvie wäre ein fröhliches norwegisches Mädchen, das sich für einen Moment schmollend von einem Streit mit seinen Eltern zurückgezogen hätte, Lara ein ruhiges Kind im russischen Schnee, vielleicht auf dem Weg zur Schule, Conny … nein. Eine Conny konnte es nicht sein.

Alice lächelte ihn aufmunternd an.

„Es ist seltsam“, sagte er, „ich dachte, das Bild an sich würde die Geschichte schon erzählen, aber es ist, als würde es meine, sobald ich mir darüber Gedanken mache.“

„Also nennen wir die Gestalt ‚Marc‘?“

„Nein, sie ist ein Mädchen.“

„Ein fröhliches oder ein trauriges?“

Marc dachte an Amy, die er bei seiner Abreise zurückgelassen hatte. Vielleicht fühlte sie sich gerade wie das Mädchen auf dem Bild. „Amy“, sagte er. „Sie soll Amy heißen.“

„Nun gut“, sagte Alice, „dann können wir beginnen.“

 

„Es war ein anstrengender Weg zum Haus der Collins, das außerhalb des Dorfes lag. Besonders jetzt im Winter machte Ben der Weg zu schaffen. Bei Schnee ging er ihn nur noch einmal die Woche, anstatt sonst jeden zweiten Tag. Er brachte die Post und die Zeitungen der vergangenen Tage. Als junger Mann hatte er seinen Beruf geliebt. Mit den Briefen und Paketen verbreitete er auch die Nachrichten von Haus zu Haus und war immer froh, wenn er nach getaner Arbeit auf einen Tee eingeladen wurde. Aber inzwischen glaubte er jeden Knochen zu spüren. Nun gut. Bis zur Pensionierung würde nicht mehr lange dauern.

 

Als er den schmalen Pfad zum Haus einschlug, sah er Amy am Hügel stehen. Im Frühjahr winkte sie ihm meist vom Garten aus zu, im Sommer kam sie ihm über die Wiese entgegen gelaufen, auch wenn nie ein Brief für sie dabei war, und im Herbst teilte sie ihren Apfel mit ihm. Wann immer sie nicht in der Schule war, wechselten sie ein paar Worte. Doch heute drehte sie sich nicht um. Ben gab die Sendung im Haus ab und ging zu ihr.

„Hallo Amy, was machst du denn so allein hier draußen?“

„Drinnen ist es so laut.“

Ben hatte ihre Brüder durchs Haus toben hören. „Aber hier ist es kalt, gib Acht, dass du dich nicht erkältest.“

Sie drehte sich zu ihm um. „Draußen kann es nie so kalt sein wie drinnen.“

„Aber ihr habt doch …“, begann Ben, bevor ihm bewusst wurde, dass sie nicht das Haus meinte.

„Hast du Kummer?“, fragte er.

„Ja.“

„Was ist los?“

„Sie hören mir nicht zu. Sie sind so laut und hören mir nicht zu. Wenn ich schreie, übertönen sie mich, wenn ich weine, lachen sie mich aus, wenn ich schweige, ist es ihnen sowieso egal.“

„Wen meinst du, deine Brüder?“

„Ja.“

 

Puh. Das war schwierig. Ben hatte selbst eine jüngere Schwester und erinnerte sich nur allzu gut daran, dass auch er sie nie wirklich ernst genommen hatte, bis sie eines Nachts in sein Zimmer geschlichen kam. „Ben“, hatte sie geflüstert, „bist du wach?“

„Oh Kelly, was ist los?“

Und dann hatte sie ihm leise die ganze Geschichte vom Einbruch bei den Maldons erzählt, zwei alten Damen, die kurz zuvor ausgeraubt worden waren, und warum sie der Meinung war, dass der junge Carlton was damit zu tun hatte.

„Ich war total erstaunt, wie klug sie war. Ich erkannte es erst in dieser Nacht, als sie so leise erzählte.“ Ben hatte gar nicht gemerkt, dass er seine Gedanken mit Amy geteilt hatte, ebenso flüsternd wie damals seine Schwester.

Amy stand staunend vor ihm. „Du meinst, sie hören mir zu, wenn ich flüstere?“

Ben schrak auf und es dauerte eine Weile, bis er ihr antworten konnte. „Ich meine, sie hören dir zu, wenn du ruhig mit jedem einzeln sprichst. Je leiser, desto aufmerksamer werden sie sein, um dir zuzuhören.“

Amy sah ihn noch eine Weile zweifelnd an, doch dann hüpfte sie lächelnd aufs Haus zu. „Ich werde es versuchen!“, rief sie Ben zu, der nachdenklich den Heimweg antrat.“

 

„Und, hat sie es geschafft?“, fragte Marc.

„Würden Sie es sich wünschen?“, zwinkerte Alice ihm zu.

„Ja. Ich wünsche es ihr sehr.“

„Dann soll es so sein“, antwortete Alice und trug das Bild zurück an seinen Platz.

Abschied

„Ich könnte Ihnen noch stundenlang zuhören“, bedankte sich Marc für die Geschichte von Alice.

„Und zugleich möchten sie aufbrechen“, sah sie ihm an.

„Ja. Wissen Sie, dieses Haus, die Wärme, die Sie und ihr Mann ihm geben, die Bilder mit ihren unzähligen Geschichten: Wenn ich bliebe, würde ich mir wünschen, es könnte für immer sein.“

„Ja, so ging es uns damals auch.“ Alice blickte versonnen hinaus und sah Marc nach, als Joseph das Zimmer betrat und sie umarmte.

 

„Er ist aufgebrochen“, flüsterte sie, „und nahm ein Bild mit, das es nie gab.“

Impressum

Texte: Autorin
Bildmaterialien: Autorin, Zeichnung: Hazefeather
Tag der Veröffentlichung: 11.04.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ingo und unseren Träumen

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