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Gestern, als ich meinen Sonntags-Klatsch gucken wollte, fiel ganz zufällig ein Rechnung aus meiner Fernseh-Zeitschrift, die ich wohl (so was kommt ja mal vor) vergessen hatte. Oder wollte. Ja, ja. Ich will Rechnungen immer gerne vergessen und wer will mir das verdenken.
Doch bis letzte Woche plagte mich dann immer so ein unangenehmes Schuld-Gefühl. Muss an meiner Erziehung liegen, denn ich kann ja nicht ernsthaft geglaubt haben, dieser doch recht große Kosmetik-Konzern müsste nunmehr wegen 47,53 Euro Minus möglicherweise Mitarbeiter entlassen. Oder einer der Vorstände würde schluchzend den Kitt einer viertel Kachel seines fünften Außen-Klo’s entbehren müssen.
Dann kam die Finanz-Krise.

Il Pause – ich muss mal was anmerken: Finanz-Krise ist doch ein schönes Wort. Oder? Man muss den Polit-Ganoven richtig Respekt zollen. Beim überwiegenden Teil der vorhandenen Menschheit hieße das ganz nach den jeweiligen Gesetzes-Texten entweder: schwerer Betrug in Tateinheit mit Diebstahl, Veruntreuung und Vorteilsnahme.


Oder auch schlicht gesagt: Plünderei fremden Eigentums in unvorstellbar großem Stil.


Ja, und ich bekam diesen Tick.
Immer wenn ich eben dieses Wort hörte, zuckt mein rechtes Auge. Von ganz allein.
Klar, den Anfang kann ich mir noch erklären. Ich glaube, mein Gehirn, das in den letzten Jahren grollend zusehen musste, wie mit ewig demselben Billig-Geschwafel: „Die Arbeitsplätze sind gefährdet!“ jeder empörte Widerspruch gegen all diese Mo’Money-Gesetze für die obere Schleim-Schicht der Gesellschaft weg-gelallt wurde – praktisch ohne erwähnenswerte Gegenwehr der restlichen Gesellschaft – hatte endgültig genug.
Ja. Man muss sich das mal vorstellen. So richtig bildlich.
Erst waren da Schröder und seine Gesellen, die schon zu Regierungszeiten prima Posten bei den widerwärtigsten Konzernen in der Tasche hatten und - ganz klar – deren Angestellte wie Staub-Flocken in den Ministerien verteilten, damit im Wortlaut der „Gesetze“ auch ja jede Eventualität gegen den Bürger berücksichtig wurde.


Hier mal ein paar dieser „Gesetze zur Sicherung der Arbeitsplätze“ - ein bisschen gerafft, zugegeben:

Da wäre mal das mit den Bürgschaften. Ja, ja. Der Bürger garantiert mit seinen Steuern die Ausfälle jener Konzerne, die ihre Arbeitsplätze in fremde und oft unsichere Lande verlagern. Ok. Da sind hier die Arbeitsplätze eben futsch. Aber dafür bezahlt der nunmehr arbeitslose Bürger mit seinen Steuern die Ausfälle, die so ein Konzern hat, wenn in China mal wieder anstelle der teuren Original-Teile giftiger Schrott verarbeitet wurde.
Denn wer will das schon?
Auch schön ist das mit den Steuern. Danach müssen nicht etwa dort Steuern, bzw. Zinsen auf die Gewinne bezahlt werden, wo der Gewinn mit Hilfe der Steuerzahler erwirtschaftet wird. Nein. Ist er erst einmal erwirtschaftet, gern auch mit Subventionen, der nötigen Infrastruktur zum Null-Tarif und seit ein paar Jahren sogar mit Hilfe von arbeitenden Bürgen bezahlten Arbeits-Kräften (1-Euro-Jobs), darf der Gewinn gern in ein Land geschafft werden, dem Steuern eher fremd sind.


Noch besser gefällt mir das Gesetz, das unsere Volks-Vertreter – sofern ihnen nicht Vorsatz nachgewiesen werden kann – für nichts aber auch schon gar nichts verantwortlich sind. Egal ob es sich um die vorsätzliche Zerstörung ganzer Landstriche handelt, oder die Vernichtung so riesiger Summen, dass ich nicht mal weiß, wie viele Nullen so ein Ding hat. Unsere Regierungs-Mitglieder brauchen sich nicht zu grämen. Ihnen passiert nix. Und ihre Pensionen sind so sicher, dass es (wie mir gerade klar wird) keine passenden Worte in unserer Sprache für diese Art Sicherheit gibt.
Ach ja. Die Sache mit dem Vorsatz. Die ist wirklich genial. Doch, doch.
Einen Vorsatz nachzuweisen, ist ja immer eine Ermessensfrage. Haha. Ja, wirklich. So heißt das. Es liegt also im Ermessen der Volks-Vertreter zu entscheiden, ob einer der ihren (der schon morgen über sie ermessen könnte) aus Vorsatz so oder so gehandelt hat.
Ich könnte endlos so weiter machen.
Aber wen interessieren schon Gesetze.


Ok. Diese sollten alle interessieren, aber natürlich ist es langweilig und anstrengend sich mit so was zu beschäftigen. Herr Schröder, der dank seiner eigenen Gesetze jetzt im Vorstand von Putins Gas-Prom sitzt, oder Herr Clement, der bei RWE einen feinen Millionen-Posten hat und all die anderen sind auch ganz sicher froh über das immer gleiche Desinteresse des Bürgers an derlei Angelegenheiten.
Und dass der Bürger nunmehr alle Schulden der eh schon Super-Reichen bezahlen darf – ohne gefragt zu werden – weil das ja in seinem Sinne ist (?) ist dann ja eigentlich nur noch das Sahne-Häubchen auf der Voll-Verar…. des geschätzten Bürgers.
Und falls sich irgendwer jetzt fragt, wieso steht hier andauernd „Bürger“?
Na, weil das momentan das absolute Lieblings-Wort allen Diebes-Gesindels ist, das sich weltweit so Politiker nennt. Ja. Die alle haben plötzlich den Bürger entdeckt.
Ich bin auch ein Bürger.
Das behauptet jedenfalls mein Sonntags-Fernseh-Mann.


Recht schleimig nennt er mich (und alle anderen) fortwährend „den Bürger“.
Der Bürger weißt natürlich, dass das alles zu seinem Besten ist.
Der Bürger wird niemals wegen so eines Billiönchens hier oder da zornig werden oder gar noch Schlimmeres tun wollen, wie ganz böse Leute wählen.
Der Bürger versteht das schon, denn der Bürger… blablabla
Ja, doch. Ich bin auch ein Bürger.
Einer der muffig auf eine unbezahlte Rechnung in Höhe von 47,53 Euro guckt und sich fragt, wieso meine unbezahlte Rechnung nicht genauso würdig ist wie die der Banker, Regierungs-Mitglieder, Investoren und was weiß ich, wie sich das Pack noch so nennt.

Was mein Sonntags-Fernseh-Mann lieber verschwieg und der interessierte Bürger nur aus dem Internet erfahren konnte:

Gestern hat ein Kerl, nein: DER Kerl, der sich von den dahingeschwundenen Billionen einen ziemlich großen Teil in die Tasche gesteckt hat, einen Hohn-Brief an alle Politiker und Bürger geschrieben.


Da bedankt er sich für die Gesetze, die es Spaßvögeln wie ihm so leicht gemacht haben, die Spar-Einlagen fast aller Normal-Bürger mal eben so abzugreifen. Und dass er dafür garantiert straffrei ausgeht. Und dass diese ganzen um ihr Geld geprellten Normal-Bürger nun auch noch die Rechnung bezahlen dürfen.
Wieso dann eigentlich nicht auch meine??



Was ein Haufen bier-ernster Sonntags-Mittags-Fernseh-Schwätzer dem unwilligen Bürger als ganz normalen Vorgang verkaufen wollten:

Da hat doch die EU dem bankrotten Island angeboten, im Schnellverfahren beizutreten. Weil die das jetzt richtig gerne möchten, die Isländer. Ja, gut. Vorher haben die das vehement abgelehnt. Blöde EU. Wollten ihre Gewinne lieber selber behalten. Aber nun wo sie pleite sind, hätten sie doch ganz gerne das Geld.
Von uns.
Und darüber soll sich der Bürger freuen.
Denn dann sind wir ja alle endlich ein vereinigtes Europa.


Na gut. Eigentlich wollen die bankrotten Staaten nur recht hurtig EU-Geld-Bezieher werden. Mit der Gemeinschaft und so klappt's ja doch noch nicht so richtig. Sagen ihre Bürger vorsichtshalber schon jetzt. Das sind die Bürger, die erst nicht und jetzt so temporär mal Mitglieder sein möchten. Aber wenn's ihnen besser geht, dank den zeitweiligen Mit-EU-Bürgern, dann wollen sie lieber wieder keine EU-Bürger sein.
Nachher müssten sie noch was zahlen.
Gott behüte!
Ich möchte auch einem Verein beitreten, der meine Schulden bezahlt.
Jawohl!

Und jetzt ist mein Kaffee kalt.


Impressum

Texte: Jede Verwendung des Textes oder der Grafiken bedarf der Genehmigung der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Auch diese Geschichte aus der Reihe Sonntags-Klatsch widme ich dem: Tierschutzverein Samtpfote e.V. in 46459 Rees in der Emmericher Landstr. 102, der um sein Überleben kämpft.

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