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Korax saß auf dem Stuhl neben Honores Bett, und betrachtete die schlafende Gestalt. Doch mit seinen Gedanken war er bei seinem Freund Rodian. Ob es ihm gelingen würde die Frau zu finden, und wie würde sie ihnen helfen können? Immerhin war sie nur ein Mensch, und hatte keine Ausbildung zur Hohepriesterin genossen.
Doch die Zeit drängte. Man konnte zusehen, wie sich jeden Tag die Landschaft veränderte, und Darken immer mehr an Macht erlangte. Aus einst blühenden Landstrichen wurden verdorrte Böden. Über allem lag ein feiner Rauch, und ließ die Luft immer stickiger werden. Und dass Sodan zu ihm übergelaufen war, machte die Sache auch nicht besser. Schon gar nicht, weil nun der Chronometer der Realen Zeit sich in den Händen von Darken befand. Dadurch schritten die Veränderungen noch schneller voran. Wo war Melinde, und was zum Teufel trieb sie? Was für eine Rolle spielte sie in der ganzen Angelegenheit?
Er sah zu der großen Standuhr in der hinteren Ecke des Zimmers. Es war bereits früher Vormittag. Langsam müsste Nardon mit den Magiern eintreffen. Vor allem wurde es Zeit das Aganon eintraf, um Honore eine Medizin zu brauen. Honore wurde von Stunde zu Stunde schwächer, und erlangte immer seltener das Bewusstsein. Bei diesem Gedanken legten sich Sorgenvolle Falten über seine Stirn. Korax hielt es nicht mehr aus, so untätig dazusitzen und nur abzuwarten. Er stand auf, und ging unruhig im Zimmer auf und ab.
Plötzlich drangen aus dem Hof Geräusche zu ihm hinauf. Eilig lief er zum Fenster, und schob den dicken Vorhang beiseite. Als er in den Hof blickte, sah er das Nardon und Aganon angekommen waren. Sie banden gerade ihre Pferde fest, und luden ihr Gepäck vom Rücken des Packpferdes.
Korax wunderte sich immer wieder darüber, wie fit und gesund der Alte Magier war. Trotz seines hohen Alters, wirkte er wie ein Mann in den besten Jahren. Sein schulterlanges, graues, Haar wehte im Wind, und stand im scharfen Kontrast zu der Faltenlosen braunen Haut. Der Körper bestand nur aus Muskeln und Sehnen. Das Gesicht des Alten wurde von einer großen Hakennase dominiert, und sein Blick aus stahlblauen Augen schweifte scharf über den Hof. Ihm entging nichts. Nachdem er die Umgebung sondiert hatte, warf er sich einen schwer aussehenden Sack über die Schulter, und kam mit Nardon, der sich ebenfalls einen Sack über die Schulter geworfen hatte, zum Eingang gelaufen.
„Endlich! Ein Glück“, entfuhr es Korax.
Dann ging er leise zur Tür, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Am Treppenabsatz blieb er stehen, und wartete dass die beiden die Treppe heraufkamen.
„Seid Willkommen“, begrüßte er den Obermagier, und verbeugte sich.
Dann wandte er sich an Nardon, der einige Schritte hinter dem Alten Magier ging.
„Ist alles wie besprochen erledigt“?
Nardon nickte.
„Gut“. Korax war erleichtert.
„Dann kommt mit“.
Gefolgt von den beiden Männern, ging er zurück in das Zimmer von Honore. Dort klärte er die beiden Männer über den neuesten Stand der Dinge auf.
Zur selben Zeit, schlich sich Melinde gerade ins Haus zurück. Sie blieb kurz stehen, und lauschte, ob jemand in der Nähe war. Dann eilte sie geradewegs auf ihr Zimmer, und schloss sich dort ein.
Erleichtert dass ihr niemand begegnet war, griff sie in die Tasche ihres Kleides, und holte die kleine Giftflasche hervor. Während sie das Fläschchen gegen das Licht hielt, um es verträumt von allen Seiten zu betrachten, legte sich ein dämonisches Grinsen auf ihre Lippen.
„Das ist also die Lösung“, flüsterte sie.
„So einfach“.
Am liebsten hätte sie noch einen Luftsprung vor Freude gemacht. Ließ es dann aber doch lieber bleiben. Denn für eine zukünftige Herrscherin ziemte es sich nicht, wie ein Kind umher zu springen. Auch wenn es keiner sah. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, ging sie an ihren Frisiertisch, und zog die unterste Schublade, dort wo sie ihren Schmuck aufbewahrte, auf. Schnell fand sie das kleine Medaillon, dass sie gesucht hatte, und ging damit zu ihrem Schreibtisch hinüber.
Dort stellte sie behutsam die Giftflasche hin, und öffnete das Medaillon. Dann schüttete sie vorsichtig etwas von dem weißen Pulver in ihr Medaillon. Sorgfältig verschloss sie die beiden Gegenstände. Anschließend band sie sich das Medaillon um den Hals, und versteckte die Flasche in dem Geheimfach ihres Schreibtisches. Sie ging zu ihr Bett hinüber, und legte sich darauf, um ein wenig auszuruhen, und über ihre nächsten Schritte nachzudenken. Jetzt muss ich nur noch einen Weg finden das Gift in Honores Essen zu tun,
und dann …. Doch da schlief sie schon ein.


Aganon stand in Honores Zimmer, und baute die verschiedensten Apparaturen auf, die er aus den mitgebrachten Säcken hervor kramte. Dabei murmelte er irgendetwas unverständliches vor sich hin. Korax und Nardon saßen in der anderen Ecke des Zimmers, und unterhielten sich leise, wobei sie ab und zu einen Blick zu Honore, und dann zu Aganon warfen. „Die anderen Magier treffen im Laufe des Tages ein. Sie werden sich dann im Tempel versammeln, und darüber beraten wie sie am besten vorgehen“, erklärte Nardon gerade.
„Das ist gut. Ich möchte, dass Du das Kommando führst, solange ich auf Honore aufpasse. Die Magier sollen die Stadtgrenzen beschützen. Wir müssen Zeit schinden, und vor allem sollen Sie auf alles gefasst sein, und alles tun was in Ihrer Macht steht, um Ravenwood zu beschützen“.
„Ich werde mein Bestes tun. Du kannst dich auf mich verlassen“, entgegnete Nardon.
„Achte auf alles Ungewöhnliche, und auch auf Melinde. Ich habe ein merkwürdiges Gefühl was Sie betrifft“, fuhr Korax nachdenklich fort.
„Ist Sie noch immer nicht zurück, und was ist mit Rodian“?
„Nein, ich weiß nicht wo Sie ist, und das beunruhigt mich. Rodian hat mit Ligdana gesprochen, und ist dann in Richtung Beazin aufgebrochen, um diese Maureen zu suchen“.
„Und was hältst du von Ihr“?
„Ich weiß es nicht. Ich habe Sie ja noch nicht einmal gesehen. Ich hoffe die Legende bewahrheitet sich. Sonst sind wir alle verloren“.
Die beiden sahen sich an, und jeder wusste um die Gedanken des anderen.
Korax räusperte sich und sagte: „Geh jetzt und bereite alles für das Treffen vor“.
Die Freunde umarmten sich noch einmal.
„Ja Bruder“.
Eilig verließ Nardon das Zimmer, und machte sich auf den Weg zum Tempel.
„Aganon“!
Der Magier drehte sich zu Korax um, und sah ihn aus seinen stahlblauen Augen an.
Dann brummte er, „Was ist“?
„Wie weit bist Du“? fragte Korax.
„Statt mich aufzuhalten, solltest du lieber mit anpacken. Dann geht es schneller. Komm her, und baue diese Sachen dort auf“, antwortete Aganon mit seiner tiefen, rauen Stimme, und deutete auf den zweiten Sack, der noch ungeöffnet in der Ecke stand.
Dann wand er sich wieder um, und widmete sich weiter seinen Gerätschaften. Missmutig machte Korax sich daran den Sack zu öffnen, und die darin enthaltenen Gegenstände auszupacken. Er kam den Magiern nicht gerne so nah, und schon gar nicht ihren sonderbaren Zutaten. Genau wie er befürchtet hatte, holte er die seltsamsten Sachen aus dem Sack hervor, und legte sie vorsichtig in dem Regal ab, in dem sonst Honores Bücher standen. Diese hatte Aganon zuvor heraus genommen, und neben dem Regal aufgestapelt, um Platz für seine Sachen zu schaffen.
Nachdem Korax alles eingeräumt hatte, trat er ein paar Schritte zurück, um einen Abstand zwischen sich und dem Regal zu schaffen. Sein Blick glitt über die eigenartigen Zutaten. In dem Regal befanden sich nun fein säuberlich aufgereiht, ein Totenkopf, Eidechsenschwänze, Froschaugen, Drachenblut, Alraunwurzeln, die verschiedensten Pülverchen und allerlei Gläser, in denen die widerlichsten Tiere, in einer durchsichtigen Flüssigkeit schwammen. Angeekelt drehte er sich um, und ging zurück zu Honores Bett. Dort setzte er sich wieder auf den Stuhl, und nahm seine Wache auf. Dabei versuchte er Aganon zu ignorieren, und auch den Geruch der sich von dort langsam durch das Zimmer verbreitete.


Rodian griff nach einer der brennenden Fackeln, die an der Wand befestigt waren. Eine Zweite reichte er Maureen. Maureen nahm sie entgegen, und drehte sich um, damit sie die Stelle, durch die sie eben gekommen waren, beleuchten konnte. Doch dort gab es nichts weiter als den nackten Felsen. Sie streckte ihre Hand aus, und befühlte die kalte Felswand. Nichts deutete mehr darauf hin, dass sich dort noch vor wenigen Augenblicken ein Durchgang befunden hatte. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und sah Rodian an.
„Was ist da gerade passiert“?
Rodian betrachtete ihr Gesicht im Schein der Fackel. Das flackernde Licht warf kleine Schatten über ihren sanft geschwungenen Mund, und ließ kleine Lichtpunkte in ihren blauen Augen tanzen. So dass es aussah als würden kleine Sterne darin funkeln. Rodian fühlte einen Kloß in seinem Hals, und den heftigen Drang, ihre zarten rosafarbenen Lippen zu küssen. Er schluckte heftig, um den Kloß in seiner Kehle herunter zu schlucken, und räusperte sich.
Mit noch etwas rauer Stimme sagte er: „Es muss mit Deinem Amulett zusammen hängen. Irgendwie hast Du es geschafft einen geheimen Durchlass zu öffnen. Nun müssen wir schnell weiter, und sehen wie wir hier wieder heraus kommen“.
Er drehte sich schnell um, und lief weiter in den Tunnel hinein. Verdammt, diese Frau hatte etwas an sich, dass ihn ganz nervös machte. Maureen beeilte sich hinter ihm her zu kommen. Dabei verhedderte sie sich mit den Füßen in ihrem Kleid, und stolperte.
„Mist, hätte ich bloß meine Jeans an“.
„Wo bleibst Du denn“?
„Ja, ja ich komme ja schon. Ich kann auch nichts dafür das ich dieses blöde Ding anhabe“.
Rodian blieb einen Moment stehen, sah sich zu ihr um, und runzelte die Stirn. Dann fing er an zu lachen.
„Was lachst Du so blöde“? Fauchte sie ihn an.
„Hast Du noch nie ein Kleid getragen, oder warum stellst du dich so an“?, entgegnete er noch immer lachend.
Wenn Blicke töten könnten. Maureen warf ihm einen wütenden Blick aus ihren blitzenden Augen zu. Dann raffte sie den Saum ihres Kleides, und folgte ihm. Als sie ihn eingeholt hatte, gingen sie eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Nach einiger Zeit hielt es Maureen nicht mehr aus.
„Was meinst Du, wohin führt dieser Tunnel, und führt er überhaupt irgendwohin“?
„Ich glaube schon. Hast Du nicht bemerkt, dass sich die Felswände und der Boden langsam verändern“?
Maureen blieb stehen, und trat näher zu der Wand an ihrer rechten Seite. Sie fuhr mit der Hand über das Gestein, und stellte dabei fest, dass es nicht mehr der roh behauene Fels war, sondern dass die Wand von jemanden bearbeitet worden war. Sie war viel glatter, und wirkte fast als wäre sie geschliffen worden. Auch der Boden bestand nicht mehr aus gestampftem Lehm, sondern aus glattem Naturstein.
„Du hast Recht, das ist mir gar nicht aufgefallen“.
Als er zu ihr sprach, sah er sie mit einem merkwürdigen Blick an.
„Wenn Du nicht alles im Auge behältst, und auf die kleinste Veränderung achtest, könnte es dich dein Leben kosten“.
Ihr entging nicht dieser seltsame Blick mit dem er sie musterte, und auch nicht die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Sie schaute zu ihm hinauf, und ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. Aber da war noch ein anderes Gefühl, das langsam in ihr empor stieg. Sie fühlte sich von diesem starken und gut gebauten Krieger angezogen.
Diese ungewöhnlichen blauen Augen, überhaupt dieser magische Blick, aus dem markant geschnittenen Gesicht, das von fast blauschwarzem Haar umrahmt wurde, war einfach umwerfend. Sie begann sich vorzustellen wie es wäre, wenn er sie mit seinen starken Armen umfangen, und seine sinnlichen Lippen, auf die ihren Pressen würde. Dabei spürte sie Erregung in sich aufsteigen, und ihr Atem ging schneller. Auch Rodian bemerkte die Veränderung, die mit ihr vor sich ging. Er spürte ihre wachsende Erregung, und wie sich die Luft zwischen ihnen elektrisch auflud. Sah ihre Rosa Lippen, die leicht zu beben anfingen, und wie sie mit ihrer feuchten Zunge darüber fuhr. Er näherte sich langsam ihren Mund, mit den nun leicht geöffneten Lippen, die ihm feucht entgegen schimmerten. Sah wie sich das Spiel des Feuers, von der Fackel, in ihren dunklen Augen spiegelte. Immer näher beugte er sein Gesicht zu ihr hinunter. Kam sein Mund den ihren näher. Als ihre Lippen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren, hielt er es nicht mehr aus, und riss sie an sich. Sein Kuss war drängend, und von solcher Leidenschaft, dass es ihn selbst überraschte. Maureen schloss die Augen, und gab sich ganz seinem harten wilden Kuss hin. Sie drängte sich an seinen harten Körper, und spürte jeden einzelnen Muskel an ihm. Sie sog tief seinen männlichen Geruch ein, und vergaß alles um sich herum. Sie wollte sich nur dem Gefühl hingeben, dass dieser Mann in ihr auslöste. Da stieß er sie auf einmal von sich, räusperte sich, und drehte sich brüsk von ihr ab.
„Komm wir müssen weiter“.
Für Maureen kam diese plötzliche Zurückweisung so unerwartet, dass sie ins Taumeln geriet, und sich an der Wand festhalten musste. Ihr Atem ging stoßweise. Zitternd lehnte sie an der Wand, und versuchte ihre Kontrolle wiederzuerlangen. Sie tat einen tiefen Atemzug, strich sich über ihr Haar, und ging dann hinter ihm her. Es war ihr recht, dass er einige Schritte vor ihr herlief. Sie brauchte noch ein wenig Abstand zu ihm, um sich zu beruhigen.
So liefen sie eine ganze Weile den Tunnel entlang, als Rodian plötzlich abrupt stehen blieb. Maureen wäre fast in ihn hineingelaufen, und konnte in letzter Sekunde einen Zusammenstoß mit ihm vermeiden.
„Was ist“, fuhr sie ihn an.
Denn sie war noch immer wütend. Jetzt mehr auf sich selbst, als auf ihn. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können, dass sie sich gleich bei der ersten Gelegenheit in seine Arme warf?
„Schau da vorne“.
Rodian riss sie aus ihren Gedanken, und wies mit seinem ausgestreckten Arm auf ein helles Licht, das entfernt am Ende des Tunnels aufleuchtete. Erstaunt riss sie die Augen auf.
„Was ist das“?
Schnell hielt er ihr den Mund zu.
„Scht! Sprich leise! Was es auch ist, du bleibst hinter mir“, flüsterte er.
Dann zog er sein Schwert aus der Scheide, und bedeutete ihr ruhig zu sein. Vorsichtig und jederzeit zum Kampf bereit, ging er auf das Licht zu. Maureen folgte ihm, mit einiger Distanz. Während sie so auf das Licht zugingen, sahen sie, dass sich die Farbe des Lichtes in regelmäßigen Abständen veränderte. Als sie sich bis auf zehn Metern dem Licht genähert hatten, blieben sie stehen, und beobachteten fasziniert das Schauspiel, das sich ihnen bot. Rhythmisch wechselte das Licht seine Farbe, zu allen nur erdenklichen Farbtönen. Von einem strahlenden Weiß, über ein tiefes Rot, zu einem klaren Blauton. Hinter dem Vorhang aus Licht, sahen sie schemenhaft eine große Grotte.
„Fantastisch. Sieh nur Rodian, es ist einzigartig. So etwas habe ich noch nie gesehen“.
Maureen war überwältigt von dem Anblick.
„Hmm, trotzdem müssen wir sehen, ob wir dadurch können“, brummte Rodian.
Doch auch er war tief beeindruckt von der Erscheinung. Aber er wollte sich in Maureens Gegenwart nichts davon anmerken lassen. Angestrengt starrte er auf die Barriere aus Licht, und überlegte, ob es gefährlich wäre, wenn sie einfach hindurch gehen würden. Gerade hatte er einen Entschluss gefasst, als ihn Maureen rief.
„Rodian, hier“!
Er sah zu Maureen hinüber, die ein paar Schritte weiter gegangen war, und nun vor der Felswand stand, und aufgeregt auf etwas deutete. Schnell ging er zu ihr. Als er nahe genug heran war, konnte auch er es sehen. In der Felswand war eine goldene, quadratische Platte eingelassen, die nochmals in neun Quadrate unterteilt war, und auf jeden dieser Quadrate war ein Symbol eingraviert. Maureen wollte gerade die Platte berühren, als Rodians Hand nach ihrer griff, und sie von der Platte wegzog.
„Nicht anfassen! Lass uns erst nachsehen, ob es noch mehr davon gibt.“
„Du meinst, das hier ist nicht die einzige“?
Er zuckte mit den Schultern.
„Wer weiß“?
Er ließ seinen Blick weiter über die Felswand gleiten. Doch er konnte nichts weiter entdecken. Also ging er zur anderen Seite des Tunnels, um sich die Wand dort anzusehen. Nach ein paar Sekunden, fand er was er suchte. Auch hier befand sich eine Platte. Sie sah genauso aus, wie die auf der anderen Seite.
„Hier“!
Maureen die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, lief zu ihm hinüber.
„Noch eine, und wieder mit den gleichen merkwürdigen Symbolen darauf. Was bedeutet das“?
„Diese Symbole hier kenne ich. Schau her“.
Rodian zeigte ihr den Ring, den er trug. Maureen griff nach seiner Hand, und drehte den Ring an seinem Finger, um die Symbole zu vergleichen. Wirklich, sie sah darauf die gleichen Symbole, wie auf der Platte. Dann fiel es ihr, wie Schuppen von den Augen. Sie ließ seine Hand los, und rannte zu der anderen Platte zurück. Nun folgte ihr Rodian.
„Was hast Du“?
„Hier, ich habe auch so einen Ring.“
Sie zeigte ihm ihre Hand.
„Und die Symbole stimmen mit denen von der Platte überein.“
„Woher hast Du den Ring“?
Er sah sie verwundert an.
„Ich habe ihn zusammen mit der Rose der Erinnerung von Ligdana bekommen“.
„Wann war das“?
„Bevor ich zu der Ruine kam. Aber willst Du jetzt Wurzeln schlagen und Geschichten erzählen, oder wollen wir versuchen in die Grotte zu kommen“?
Vor Aufregung hatten sich ihre Wangen leicht gerötet.
„Ich glaube Du musst mir noch eine Menge erzählen. Aber Du hast Recht, nicht jetzt“.
Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu, und fragte: „Du etwa nicht“?
Rodian schluckte eine scharfe Antwort hinunter, und fragte stattdessen:
„Kannst Du irgendetwas mit den Symbolen auf deinem Ring anfangen“?
„Nein, ich habe keinen blassen Schimmer. Aber Du müsstest doch etwas über die Zeichen auf deinem Ring wissen“.
„Ja, sie werden bei einem bestimmten Ritual zur Anrufung der Uralten Kräfte benutzt. Sie müssen exakt in der richtigen Reihenfolge benutzt werden“.
„Ahach, und kennst du auch die Reihenfolge für meine Symbole“?
„Nein, aber lass mich deinen Ring noch einmal genau anschauen“.
Dabei hielt er ihr seine offene Hand hin.
„Nun gut“!
Sie streifte den Ring von ihrem Finger, und legte ihn in Rodians Hand. Dann streifte auch er seinen Ring ab, und begann die beiden Ringe neben einander zu halten, und die Symbole zu vergleichen. Rodian war eine ganze Weile damit beschäftigt, während Maureen ihm schweigend dabei zusah. Schließlich ging er noch einmal zu der Platte, und betrachtete sie ganz genau. Er fuhr leicht mit seinen Fingern an den Kanten der neun Quadrate entlang. Dabei nickte er zustimmend.
„Ich glaub ich habs! Siehst Du hier das Schwert“?
Maureen kam näher und nickte.
„Das ist das Schwert der Dunkelheit, und steht für den Hohepriester von Ravenien. Es ist das erste Symbol. Dann kommt das Symbol rechts davon, und immer so weiter, bis wir wieder beim Schwert angelangt sind. Bei deinem Ring ist es so ähnlich. Bei dir ist das erste Symbol der Kelch des Lichts ...“
„Und lass mich raten, steht für die Hohepriesterin von Ravenien“, unterbrach ihn Maureen.
Auf Rodians Stirn trat eine kleine Zornesfalte, und er warf ihr einen stechenden Blick zu.
„Hörst Du jetzt zu, oder weißt du schon alles“?
Sie schlug verlegen den Blick nieder, und antwortete kleinlaut: „Nein, entschuldige“.
„Wenn ich also richtig liege, müssen wir uns beide an die jeweilige Platte stellen, und ich muss anfangen meine Symbole der Reihenfolge nach zu drücken. Nachdem ich das letzte Symbol gedrückt habe, musst Du auf Deiner Seite, mit dem Kelch anfangen, und das müsste es gewesen sein“.
„Wie sicher bist Du dir“?
Sie schaute ihn fragend an. Rodian versuchte zuversichtlich drein zu schauen.
„Ziemlich sicher“.
Maureen zog nur ihre Augenbraue hoch, unterließ es aber einen Kommentar abzugeben.
„Nun bist Du soweit“?
Sie nickte zaghaft.
„Dann geh rüber und warte auf mein Zeichen.“
Langsam, um noch ein wenig Zeit zu schinden, ging sie zu der anderen Platte, und stellte sich davor. Ihr war immer noch nicht ganz wohl bei dem was sie jetzt vorhatten. Hoffentlich ging alles gut.
„Alles klar? Ich fange gleich an, und wenn ich jetzt sage, dann fängst Du an das erste Symbol zu drücken. Hast Du mich verstanden“?
„Ja“.
Rodian drückte auf das Quadrat mit dem Schwert. Er zögerte einen Moment ehe er das nächste Symbol drückte. Doch als nichts geschah, machte er schnell weiter. Als er beim letzten Symbol angelangt war, drehte er sich halb zu Maureen um, um zu sehen, ob sie bereit war.
Dann drückte er darauf, und rief: „Jetzt“!
Sofort begann Maureen auf ihre Symbole zu drücken. Als sie das letzte berührt hatte, ließ sie ihre Hand sinken und wartete, dass etwas passieren würde. Kein Laut war zu hören, und das Licht war nach wie vor da.
„Es passiert nichts, sagte sie enttäuscht, und ging auf Rodian zu.
Als sie bei ihm war, griff sie nach seiner Hand. In diesem Moment erfüllte ein zarter Gesang den Tunnel, und das Licht vor ihnen wurde immer transparenter, bis es sich ganz auflöste.
„Sieh nur es hat geklappt. Nun komm schon, schnell ehe es sich wieder schließt“.
Schon rannte sie los, und Rodian folgte ihr schnell. Nachdem sie den Durchgang passiert hatten, blieben sie erstaunt stehen. Vor ihnen lag eine großartige Landschaft.


Nardon stand am Eingang des prächtigen Gebäudes aus geschliffenem Chalcedon, und wartete auf die Ankunft der Magier. Gut die Hälfte war schon eingetroffen, und befand sich im inneren des Tempels. Er hörte ihre aufgeregten Stimmen aus dem Versammlungssaal, der sich vor dem Allerheiligsten befand. Sein Blick schweifte über das flache Land nach Westen, bis zum Rand des Waldes. Dort wo sich die Alte Ruine befand. Der Alte Tempel.
Doch nach der Zerstörung im großen Krieg, hatte man sich in Absprache mit Ligdana, dazu entschieden, einen neuen Tempel zwischen Ravenwood und der Stadt Raven zu bauen. Sowohl als Mahnmal, wie auch zum Triumph, über den Sieg gegen Darken. Durch seinen Vater, der Historiker ist, hatte er viel über die Geschichte gelernt. Seit er ein kleiner Junge war liebte er es, wenn sein Vater ihm die Geschichten der Alten Welt erzählte. So wie es früher vor dem Krieg war. Später, als er ein junger Bursche war, las er alles über den großen Krieg, was er in die Hände bekam. Das stärkte später seinen Entschluss, sich den Kriegern von Ravenien anzuschließen. Er wollte dazu beitragen, dass das Dunkle nicht noch einmal zu solcher Macht gelangte. Er hatte gehofft, dass es niemals wieder zu so einer ernsten Lage kommen würde.
Aber jetzt war es soweit. Er konnte die Zeichen überall sehen. Die grüne Grasfläche, die vor ihm lag, war zwar immer noch grün, aber sie verlor immer mehr an Kraft. Es schien als würde sie ausgewaschen werden, und immer mehr verblassen. Auch ein eigenartiger grauer Nebel legte sich zusehends über die einst so satte und blühende Landschaft. Je weiter sein Auge zum Rande des Waldes blickte, desto mehr versank das Areal in ein schmutziges Grau. Er wusste, wenn es ihnen nicht schnell gelang Darken aufzuhalten, würde bald alles in Dunkelheit versinken. Er kannte seine Aufgabe die er zu erfüllen hatte. Vor wenigen Stunden, in Honores Zimmer, hatten Korax und er alles besprochen. Sobald alle zwölf Magier, vom inneren Kreis, eingetroffen waren, würde er als Stellvertreter zu ihnen sprechen, und ihnen die Situation erklären. Dann würde er sie im Namen von Rodian bitten einen magischen Schutzwall um Ravenwood, der Stadt, und dem Tempel zu ziehen.
Es sollen nur vier Durchgänge offen bleiben, nach Norden, Süden, Osten und Westen. Dort würde er dann seine Krieger postieren, um diese Durchlässe zu kontrollieren. Denn Ravenien bot schon immer jeden seinen Schutz an, der ihn brauchte, und das sollte auch in Zeiten wie diesen so bleiben. Wenn er seine Bitte vorgetragen hätte, würde er sich zurückziehen, damit sich die Magier beraten können. Zum Glück hatte ihnen Aganon, der alte Druide und ihr Obermagier, schon seine Hilfe zugesagt. Es würde also nur noch um die richtige Durchführung des Schutzzaubers gehen.
Eine Gruppe von vier Magiern, die auf den Eingang des Tempels zukamen, riss ihn aus seinen Gedanken. Sie waren in ein ernstes Gespräch vertieft, und gingen, ohne auf ihn zu achten, in den Versammlungsraum. Jetzt fehlten nur noch zwei, der zum inneren Kreis gehörenden. Aganon und sein Schüler Xeron, der eines Tages die Nachfolge Aganons antreten würde. Es wurde Zeit, dass er seine sechs besten Leute rief, die für die Sicherheit der Magier sorgen sollten.
Er sammelte seine Gedanken, und konzentrierte sich, um Sie mittels Gedankenübertragung herbei zu rufen. Es dauerte nicht sehr lange, und er sah wie sechs Raben aus südlicher Richtung, dort wo ihr Lager lag, heran flogen. Die Armee der Raben, die seit Urzeiten die Verbündeten der Ravener waren, und zu deren Armee er gehörte, und es sogar bis an ihre Spitze geschafft hatte. Er war ihr Befehlshaber. Nur Korax, als Oberbefehlshaber, stand über ihn, und natürlich Rodian, als Herrscher. Bei ihrem Anblick überkam ihm immer wieder ein Gefühl des Stolzes.
Einen Augenblick später landeten die sechs vor ihm, und nahmen augenblicklich ihre menschliche Gestalt an. Die Männer stellten sich in einer Reihe auf, und salutierten.
„Befehlshaber“, kam es wie aus einem Mund.
„Rührt Euch“.
Nardon gab in knappen Ton seine Anweisungen, und die Männer nahmen ihre Positionen ein. In dem Moment tippte ihn jemand auf die Schulter. Nardon fuhr herum, und sah Aganon und Xeron vor sich.
„Ich habe Euch gar nicht kommen hören“.
„Nein, das konntest Du auch nicht. Du weißt wir haben andere Möglichkeiten von einem Ort zum anderen zu reisen“, sprach Aganon.
„Ja natürlich, ich vergesse es nur manchmal“.
Der Alte sah ihn mit einem freundlichen Lächeln an.
„Seid Ihr soweit“?
„Ja, wenn Ihr auch soweit seid“?
Aganon nickte, und drehte sich um, und ging gefolgt von Xeron in den Versammlungsraum. Nardon holte noch einmal tief Luft, und machte sich auf, den beiden zu folgen. Gut, bringen wir es also hinter uns, dachte er. Nach der Versammlung würde er noch schnell in die Stadt gehen, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Denn für Mitternacht hatte er eine Lagerbesprechung angesetzt, um seinen Leuten die letzten Instruktionen zu geben. Außerdem brauchten sie auch noch ein wenig Schlaf, bevor sie am nächsten Morgen aufbrechen würden. Er wusste, dass ihnen eine harte Zeit bevorstand.


Korax stand am Fenster, und blickte nach Norden, wo der Tempel lag. Er wusste dass die Versammlung gerade begann. Denn Aganon war vor wenigen Minuten aufgebrochen, um daran teilzunehmen. Aufgebrochen war gut, er hatte sich einfach dematerialisiert. Korax hasste diese Art und Weise, wie der Alte kam und ging. Er wusste gar nicht genau warum, aber es war ihm irgendwie unheimlich. Aber immerhin hatte er eine Medizin für Honore gebraut. Eine widerlich, stinkende, braune Flüssigkeit, die er ihm alle zwei Stunden einflößen sollte.
Er warf einen Blick zu dem im Bett schlafenden. Es schien so als wirke Aganons Medizin. Honore sah schon etwas besser aus, obwohl er noch immer nicht zu Bewusstsein gekommen war. Neben dem Bett stand noch das leere Tablett, auf dem einer seiner Männer das Essen, für ihn und Honore, vorbei gebracht hatte. Er hatte gar nicht bemerkt wie hungrig er war. Erst als ihm der Duft von gebratenem Huhn und Kartoffeln in die Nase stieg, merkte er das laute Grummeln in seinem Magen. Er stopfte sich gierig die Mahlzeit hinein, und fütterte danach Honore. Er flößte ihm die extra von seinem besten Koch zubereitete Hühnerbrühe ein, nachdem er ihm einen Löffel von der ekelhaften Medizin gegeben hatte.
Das Blubbern in den merkwürdigen Gerätschaften, die Aganon aufgebaut hatte, machte ihn fast verrückt. Genauso wie das untätige herum sitzen. Er war ein Krieger, und nicht gewohnt einfach nur zu warten und nichts zu tun. Doch er hatte seinem Freund Rodian geschworen, sein Leben dafür zu geben, damit Honore nichts geschah. Als Ehrenmann würde er seinen Schwur halten, auch wenn es ihm noch so schwer fiel. Also war er zum Nichtstun verdammt.
Unruhig lief er im Zimmer umher. Er dachte darüber nach, wo Melinde stecken könnte. Einige seiner Männer suchten noch immer nach ihr. Doch bis jetzt ohne Erfolg. Er konnte ja auch nicht wissen, dass Melinde sich schon vor Stunden in ihr Zimmer geschlichen hatte, und nun in ihrem Bett lag, und schlief. Sie träumte gerade davon, wie ihre Regentschaft als Herrscherin von Ravenien aussehen würde.

Impressum

Texte: Text und Cover: Alle Rechte beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 07.08.2011

Alle Rechte vorbehalten

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