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Es war Sonntagvormittag und Dennis von Rothenhuber stand unschlüssig am Eingang des Flohmarktes. Sein Blick schweifte über die bunt zusammengewürfelten Stände der Händler. Jeden Sonntag das gleiche Spiel. Nur seiner Frau Larissa zuliebe, ließ er sich jeden Sonntag von neuem darauf ein hierher zu kommen. Mein Gott wie er es hasste, durch diesen billigen Ramsch zu laufen und dabei die entzückten Rufe seiner Frau zu ertragen. Aber er liebte sie nun mal, und ihr bereitete es Freude. Am Anfang war er noch gemeinsam mit ihr durch die schier endlosen Reihen der Tapeziertische gelaufen. Doch seit einigen Wochen hatten sie sich darauf geeinigt, dass jeder alleine über den Markt schlenderte und sie sich nach drei Stunden wieder am Eingang trafen.
Er schaute auf seine goldene Rolex. Er hatte noch eine dreiviertel Stunde Zeit, ehe seine Frau hier auftauchen würde. Also beschloss er sich doch einige dieser Stände anzuschauen, um die Zeit totzuschlagen. Er schlenderte gemächlich auf dem ersten Tisch zu, und schaute sich den darauf liegenden Ramsch an.
Auf einem blauen Samt Tuch waren unzählige kleine angelaufene Anhänger, ebenso angelaufene Besteckteile, unterschiedliche Münzen, Feuerzeuge die nicht mehr funktionierten und allerlei anderer Krimskrams ausgebreitet. Doch plötzlich erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Ein altes Rasiermesser. Der Schein der Sonne fiel in dem Moment darauf, als er davorstand, und ließ den Griff aus Perlmutt erstrahlen. Dadurch wirkte es so deplatziert zwischen all den angelaufen Ramsch, dass es sich ihm förmlich aufdrängte. Fasziniert beobachtete er einen Moment das Spiel der Sonne darauf. Vorsichtig, fast aus einem Zwang heraus streckte er seine Hand danach aus, und berührte es sanft. Dabei spürte er ein leichtes kribbeln in den Fingern dass sich langsam über seine Hand bis in den ganzen Arm ausbreitetet. Eine merkwürdige Erregung machte sich in ihm breit. Er öffnete das Messer um sich die Klinge anzusehen. Sie war aus wunderschönem Damast Stahl gearbeitet. Die Erregung wuchs immer mehr in ihm. Er musste dieses Messer haben, um jeden Preis. Er wusste dass es auf ihn gewartet hatte. Schnell sah er sich nach dem Verkäufer um und fragte nach dem Preis. Der Mann warf nur einen flüchtigen Blick darauf und nannte ihm die Summe. Ohne auch nur den Versuch des Feilschens zu unternehmen bezahlte Dennis von Rothenhuber den Betrag.
Gerade als er das Messer einstecken wollte trat Larissa zu ihm. „Na mein Schatz, hast du auch endlich etwas gefunden, was dir gefällt. Lass doch mal sehen“, fragte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Widerwillig, als hätte sie ihm bei etwas verbotenem erwischt, drehte er sich zu ihr um und zeigte ihr das Messer. Larissa warf einen kurzen enttäuschten Blick darauf.
„Oh, so ein altes angelaufenes Ding. Was hast du dafür bezahlt“?
Dabei sah sie ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„20¤, und wieso angelaufen? Es sieht fast aus wie neu“.
„Ja ist ja gut, ich freue mich ja auch dass du endlich mal etwas für dich gefunden hast. Komm lass uns nach Hause fahren“.
Das war ihm nur allzu Recht. Ohne ein Wort zu sagen steckte er das Messer in seine Hosentasche, und sie machten sich auf den Weg zum Auto. Während der ganzen halbstündigen Fahrt nach Hause plauderte Larissa munter über ihre Erlebnisse auf dem Flohmarkt, und dass sie zum ersten Mal nichts gefunden hatte. Er hörte ihr nur mit halbem Ohr zu und gab ab und zu ein zustimmendes Gemurmel von sich. Denn seine Gedanken kreisten nur darum, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, um sich in Ruhe mit dem Messer beschäftigen zu können.
Als sie das Haus betraten ging er schnurstracks in sein Arbeitszimmer.
„Ich will die nächste Zeit nicht gestört werden“, rief er Larissa zu und schloss die Tür hinter sich und drehte vorsichtshalber den Schlüssel im Schloss herum. Endlich war er alleine und konnte sich voll auf seine Neuerwerbung konzentrieren. Er holte ein rotes Seidentuch aus der Schublade seines Schreibtisches heraus und breitete es sorgfältig aus. Dann platzierte er das Messer darauf und betrachtete es von allen Seiten.
Es war wunderschön. Fast ehrfürchtig strich er über die Klinge. Was Larissa nur hatte. Es sah doch wie neu aus. Wieder spürte er die eigenartige Anziehung, die es auf ihn ausübte. Nach einer Weile musste er sich gewaltsam davon losreißen. Er wickelte es in das rote Tuch ein, stand auf und ging zu dem Regal hinüber in dem er die Holzkiste mit seiner Wertvollen Münzsammlung aufbewahrte. Achtlos warf er die Münzen in das Regal und legte vorsichtig das Messer hinein. Dann verschloss er behutsam die Kiste und stellte sie in das Regal zurück.


Er sah sich selbst, durch eine dunkle Gasse laufen und nach jemand suchen. Es war unheimlich wichtig diesen jemanden zu finden. Keuchend blieb er stehen und horchte in die Dunkelheit.
Da! Er hörte Schritte. Gleich müsste er es geschafft haben und die Person eingeholt haben. Er stand an einer Kreuzung und schaute nach rechts in eine Sackgasse. Bis auf einer jungen Frau die unter einer Laterne stand, deren schwacher Schein nur wenige Meter der Gasse beleuchtete, war niemand zu sehen. Langsam ging er auf die junge Frau zu, die ihn erschrocken anschaute. Jeder seiner Schritte verursachte ein Klack auf dem Kopfsteinpflaster. Die Frau sah sich gehetzt um, ihre Angst wuchs immer mehr.
Klack, Klack, langsam näherte er sich weiter der Frau, die jetzt starr vor Angst und mit weit geöffneten Augen auf seine rechte Hand starrte. Ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet.
Erst jetzt bemerkte er, dass das Klacken nicht von seinen Schritten stammte, sondern von dem öffnen und schließen des Rasiermessers, das in seiner Hand lag. Als er direkt vor der Frau Halt machte, schoss seine Hand mit dem Messer hoch, und mit einem schnellen Schnitt fuhr er über die Kehle der jungen Frau. Sie fuhr sich mit den Händen an ihren Hals und sank, mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck auf ihre Blutverschmierten Hände, in die Knie. Fasziniert blickte er auf die blutige Klinge und dann zu seinem Opfer. Wie in Trance hob er erneut das Messer und schnitt immer und immer wieder auf die Frau ein, bis ihr Oberkörper nur noch aus einer einzigen blutenden Wunde zu bestehen schien.
Laut schreiend fuhr er aus seinem Traum hoch.
„Was hast du denn. Geht es Dir gut“, hörte er Larissas Stimme neben sich.
Sie rutsche näher an ihm heran und nahm ihn in den Arm.
„Pscht, ist ja alles gut. Du hast nur schlecht geträumt“, beruhigte sie ihn.
Dennis war schweißgebadet und aufgewühlt. Der Traum kam ihm so lebendig, so echt vor, dass er sich nur schwer beruhigen konnte. Nach einem kurzen Augenblick stieß er Larissa beiseite und stand auf um ins Bad zu gehen.
„Es ist alles Ok. Du kannst ruhig weiter schlafen. Ich muss nur noch mal ins Bad“.
„Gut“, murmelte Larissa und kuschelte sich wieder in die Kissen.
Als er nach einer Viertelstunde zurückkam schlief Larissa schon wieder. Er legte sich neben sie und kuschelte sich an ihren Körper. Dann schlief auch er ein. Der Rest der Nacht verlief ruhig.



Es war schon Mittag und Dennis hatte noch immer nicht mit seiner Arbeit begonnen. Stattdessen drehten sich seine Gedanken nur um seinen Traum und das Rasiermesser. Er saß in seinem Arbeitszimmer und starrte auf die Holzkiste mit dem Messer, die vor ihm auf seinen Schreibtisch stand. Er versuchte gegen den Drang anzukämpfen es herauszuholen. Er hatte Angst vor dem, was er vielleicht zu sehen bekam. Dann fasste er endlich seinen ganzen Mut zusammen und öffnete die Kiste, holte sachte das Tuch mit dem Messer heraus und legte es vorsichtig auf den Schreibtisch.
Langsam begann er das Tuch aufzuschlagen und hielt dabei unwillkürlich den Atem an. Nun lag das Messer vor ihm und er atmete erleichtert auf. Es war kein Blut daran zu erkennen. Vorsichtshalber öffnete er die Klinge. Aber auch daran war kein einziger Blutstropfen auszumachen. Er fuhr langsam mit seinem Daumen über die Klinge und sah wie sich ein scharfer Schnitt auf seinen Daumen bildete, der sich schnell mit Blut füllte, das auf die Klinge des Messers tropfte. Doch statt von der Klinge zu perlen, sah es aus als würde das Blut in das Messer einsickern. Als würde es Blut trinken. Sein Blut! Hastig wickelte er das Messer wieder ein, und legte es zurück in die Kiste und stellte sie in seine Schreibtischschublade, die er sorgfältig abschloss. Den Rest des Tages verbrachte er damit dumpf vor sich hin zu brüten.

So vergingen die nächsten Tage und Nächte. In der Nacht verfolgte ihn dieser Albtraum, und am Tage saß er in seinem Arbeitszimmer und brütete stumpfsinnig vor sich hin, nachdem er das Messer mit seinem Blut gefüttert hatte. Er kümmerte sich nicht mehr um sein Äußeres, ob er etwas aß oder um seine Frau. Nur noch um das Messer. Larissa fing langsam an sich Sorgen um ihn zu machen. Am Abend des fünften Tages, wartete sie im Schlafzimmer auf Dennis. Sie wollte ihn dazu überreden sich helfen zu lassen. Doch das Gespräch führte zu nichts. Dennis ließ nicht mit sich reden und es endete in einen fürchterlichen Streit, bei dem sie sich beide bis zur Erschöpfung anschrien. Danach zog sich jeder von ihnen unter seine Bettdecke zurück und fiel in einen unruhigen Schlaf.


Kommissar Kaltenmeier betrat das hell erleuchtete Schlafzimmer der Familie Rothenhuber. Die Nachbarn der Rothenhubers hatten vor einer halben Stunde die Polizei verständigt, nachdem sie ein lautes Klirren und einen dumpfen Aufprall gehört hatten, der vom Haus ihrer Nachbarn kam. Als sie nachschauten was los sei, sahen sie zuerst das hell erleuchtete Schlafzimmer mit der kaputten Fensterscheibe im ersten Stock. Danach erst entdeckten sie ihren Nachbarn, der merkwürdig verrenkt auf den Platten der Garageneinfahrt ein Stockwerk tiefer lag, und sie riefen sofort die Polizei.
„Nun“, fragte Kommissar Kaltenmeier die Leute von der Spusi.
„Was habt ihr herausgefunden“?
Klaus Hagen, seit zwanzig Jahren bei der Spusi trat vor. Man sah ihm an, dass ihm auch nach so vielen Jahren noch besonders grausame Verbrechen an die Nieren gingen.
„Beide Leichen sind weniger als eine Stunde tot. Es gibt keine Spuren von einem Einbruch. Ich sehe das so. Es gab einen Ehestreit bei dem der Ehemann seine Kontrolle verlor, und mit einem scharfen Messer, ich würde sagen einem Rasiermesser, auf seine Ehefrau losging. Er muss so in Rage gewesen sein dass er ihr erst die Kehle durchschnitten hatte und danach, mit etwas spitzem fünfundzwanzig Mal auf sie einstach. Außerdem weist ihr Körper noch verschiedene, sehr tiefe Schnittwunden auf. Ihr Oberkörper sieht aus wie eine einzige blutende Wunde. Nachdem dem Ehemann wieder bewusst geworden war was er gerade angerichtet hatte, muss er sich wohl aus lauter Verzweiflung darüber, durch das geschlossene Fenster gestürzt haben. Bis jetzt haben wir noch keine Tatwaffe die in Frage kommen würde gefunden. Mehr gibt es erst einmal nicht“.
„Gut, dann stellt das Haus auf den Kopf. Ich will die Mordwaffe“!
Doch trotz mehrmaliger Durchsuchung des Hauses Rothenhuber, wurde nirgends eine in Frage kommende Tatwaffe gefunden. Es blieb Kommissar Kaltenmeier nichts anderes übrig als die Akte als Mord mit anschließendem Selbstmord zu schließen.
Wobei er mit der Tatwaffe etwas trickste.


Es war ein schöner Sonntagvormittag. Kommissar Kaltenmeier stand am Eingang des Flohmarktes und wartete auf seine Tochter, mit der er sich zu einem Bummel über den Markt verabredet hatte. Eigentlich hasste er Flohmärkte. Aber seiner Tochter zuliebe, hatte er sich darauf eingelassen. Sie hatten sich für zehn Uhr am Eingang verabredet, um dann gemeinsam den Markt zu erobern, wie sie es nannte. Kaltenmeier sah auf seine Uhr. Er war wieder einmal zu früh da. Nun würde er noch eine dreiviertel Stunde auf Marianna warten müssen.
Um sich die Zeit zu verkürzen schlenderte er gelangweilt auf den ersten Stand am Eingang zu, und schaute sich den darauf liegenden Ramsch an. Auf einem blauen Samt Tuch waren unzählige kleine angelaufene Anhänger, ebenso angelaufene Besteckteile, unterschiedliche Münzen, Feuerzeuge die nicht mehr funktionierten und allerlei anderer Krimskrams ausgebreitet. Doch plötzlich erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Ein altes Rasiermesser. Der Schein der Sonne fiel in dem Moment darauf, als er davorstand, und ließ den Griff aus Perlmutt erstrahlen...

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Texte: Text und Cover: Alle Rechte liegen beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 09.07.2011

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