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Karl Josef und die Forensik

Karl Josef, ein rüstiger 68jähriger Rentner und seit drei Wochen ein vehementer Vertreter der modernen Wissenschaft. Speziell der modernen Forensik. Das war früher nicht so gewesen, im Gegenteil. Karl Josef ließ bei jeder Gelegenheit die sich ihm bot, kein gutes Haar an den Wissenschaften.
Was das doch für dumme neumodische Methoden seien. Wozu müsse man diese ganzen teuren Geräte anschaffen? Früher ginge es doch auch anders. Wem interessiere es denn, ob irgendjemand an diesem oder jenem Glas gesabbert hätte? Ach und dann das Ganze mit der DNA! Da machen die doch nur einen Vaterschaftstests nach dem anderen. Und überhaupt ist das alles viel zu kostspielig. So ging es Stundenlang weiter, wenn man den Fehler machte, und Karl Josef zu diesem Thema ansprach.
Aber vor drei Wochen begann alles anders zu werden. Jetzt hörte man Karl Josef nur noch in den höchsten Tönen, die Wissenschaft und vor allem die Forensik zu loben. Ja, er schwelgte förmlich in Lobeshymnen.

Der Auslöser für diesen Sinneswandel war eigentlich recht banaler Natur. Es begann mit einem harmlosen Besuch eines Kaufhauses. Karl Josef hatte nämlich am Morgen festgestellt, dass er neuer Unterhosen bedürfe. Also machte er sich auf dem Weg zu einem großen Warenhaus. Dort angekommen suchte er die Wäscheabteilung auf, und schaute sich nach Preiswerten Unterhosen um. Nach einigem Suchen, fand er seine Lieblingsmarke W&L. Das W&L stand für Weit und Luftig. Da diese gerade im Angebot waren, ein dreier Pack zu sagenhaften 5,95 ¤, griff sich Karl Josef zwei Packungen und ging zu den Umkleidekabinen.
Dort öffnete er eine der beiden Packungen und streifte sich die neue Unterhose über. Ein Blick in den Spiegel genügte um die Unterhose für gut zu befinden. Sie war haargenau das gleiche Modell, wie er es die letzten zwanzig Jahre trug. Also raus aus der neuen Buchse und wieder rein in die alte. Auf den Weg zur Kasse, überlegte er es sich jedoch anders. Drei neue Unterhosen wären doch erst einmal genug. So brachte er eine Packung zurück und mit der anderen ging er zur Kasse. Nachdem er bezahlt hatte wollte er nur schnell aus dem Warenhaus. Denn er hasste diese Einkaufsläden. Zu teuer, zu viele Menschen und überhaupt zu viel Kommerz.
Fast am Ausgang angelangt, traten zwei freundliche Herren zu ihm, und zeigten ihren Ausweis vor. „Guten Tag, Warenhausdetektive! Würden sie uns bitte begleiten!“ „Warum? Was wollen sie von mir? Ich habe alles bezahlt. Hier ist der Bon.“ Doch die Herren ließen nicht mit sich reden, und so musste Karl Josef den beiden in ihr Büro folgen. Dort angekommen, musste er seinen Ausweis und den Bon vorlegen.
„So Herr Baumgarten, wir haben hier ein Video, in dem sie mit zwei Packungen Unterhosen in die Umkleidekabine gehen. Dann sehen wir, wie sie eine der Packungen zurücklegen und die andere bezahlen.“

„Ja genau, also sehen sie, was soll ich hier?“
„Nun ich war noch nicht fertig“, erwiderte der Kaufhausdetektiv. „Als eine unserer Verkäuferinnen in besagter Packung schaute, stellte sie fest, dass sich nur zwei Paar Unterhosen darin befanden.“
„Was kann ich denn dafür, dass sie ihre Kunden betrügen wollen“, ereiferte sich Karl Josef.
„Wir möchten sie einfach bitten, einer Leibesvisitation zu zustimmen.“
„Nein, wie komme ich dazu.“
Langsam wurde Karl Josef wütend und das bedeutete auch stur.
„Dann muss ich jetzt die Polizei einschalten.“
„Tun Sie, was sie nicht lassen können. Sie werden schon sehen.“
Es dauerte gar nicht lange und die Polizei traf ein. Es blieb Karl Josef nichts anderes übrig als sich auszuziehen. Dabei stellten die Beamten fest, dass er eine Unterhose besagter Marke trug, und diese, dazu auch noch sehr neu aussah. Die Polizisten sicherten die Unterhose als Beweisstück und nahmen die Anzeige des Warenhauses gegen Karl Josef Baumgarten auf.
Karl Josef verstand die Welt nicht mehr und ging unverrichteter Dinge zu seinem Anwalt. Dieser erledigte alle Notwendigen Schritte und erklärte seinem Mandanten, dass es nun abwarten hieß. Und das tat Karl Josef. Über vier Monate.
Dann kam vor drei Wochen ein Brief von seinem Anwalt.

Sehr geehrter Herr Baumgarten!
Soeben ist bei mir ein Schreiben der Polizei eingegangen, indem besagte Anzeige wegen Diebstahls gegen Sie, aus folgendem Grund fallen gelassen wird.
Nach den Forensischen Untersuchungen des Beweisstückes, das mit einem 13-Watt-Modell einer Dünnschicht-Chromatografie-Lampe von Cooper Laser Sonics erfolgte, brachte bei einer Wellenlänge von 510 und 578 Nanometer mithilfe von Plancks E = h n Urin- und Samenflecken zum Vorschein, die nicht bei kurzem Tragen entstanden sein konnten. Zudem zeigten die Fasern unter dem Binokular Abnutzungsspuren. Das Beweisstück wurde zu 99,9% über einen längeren Zeitraum getragen.

Von da an war Karl Josef also ein begeisterter Anhänger der Forensik geworden.

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Texte: Bild und Text: Copyright by M.Köhler
Tag der Veröffentlichung: 08.06.2011

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