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Schuld war nur der alte DEFA Film

Viele werden ihn noch kennen, den guten alten DEFA Film.
Die Deutsche Film AG, kurz DEFA, war das volkseigene Filmstudio der DDR mit Sitz in Potsdam-Babelsberg. Mit dem Aufbau des Fernsehens in der DDR eröffnete sich für die DEFA ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld. Die DEFA drehte etwa 700 Spielfilme, 750 Animationsfilme sowie 2.250 Dokumentar- und Kurzfilme. Etwa 8.000 Filme wurden synchronisiert.



Damals, als ich mich im zarten Alter von acht oder neun Jahren befand, gab es gerade einmal fünf Fernsehprogramme. ARD, ZDF, das dritte Programm und das erste und zweite Ostfernsehen. Also nicht gerade viel Auswahl, und so war es ganz normal, dass auch wir West Berliner gerne die beiden Ostprogramme einschalteten. Dort liefen also die besagten DEFA Spielfilme und einer dieser Filme sollte mir ein Leben lang im Gedächtnis bleiben. Natürlich nicht der ganze Film, von dem erinnere ich mich nur noch grob an die Handlung. Aber es gab da ein, zwei entscheidende Szenen, die mich noch heute verfolgen.
Es ging um einen Volkspolizisten, der als Hundeführer zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt war. Zuerst wurde einem gezeigt, wie besagter Volkspolizist den kleinen Schäferhund Welpen bei sich zu Hause aufnahm. Man erlebte die zarte Entwicklung einer großen Mensch Tier Freundschaft mit. Die beiden wurden ein super Team. Der Hund wurde der beste Schutzhund der Polizei. Es lief alles wunderbar, die beiden erledigten ihre Arbeit hervorragend, bekamen Auszeichnungen, und sorgten dafür, dass die Verbrecher verhaftet wurden. Dies ging einige Jahre gut, bis zu dem Moment, als das Schicksal zuschlug.
Es geschah bei einem Einsatz, in dem der Hundeführer und mit seinem Hund, in einen Hinterhalt gelockt wurden. Plötzlich bedrohte der Verbrecher den Polizisten mit seiner Pistole. Um sein Herrchen zu beschützen, griff das treue Tier den Spitzbuben an. Dieser schoss auf den Hund und verletzte ihn schwer. Er blieb laut winselnd am Boden liegen. Schon diese Szene entlockte mir die ersten Tränen.
Warum musste dieser arme Hund eine Kugel abbekommen?
Der Polizist nutzte jedenfalls die Ablenkung und erschoss den Verbrecher.
Na wenigstens hatte er seine Strafe gleich bekommen.
Doch dieser hatte noch einen Kumpel, der aus seinem Versteck heraus mit einer Pistole auf den Polizisten anlegte, und gerade abdrücken wollte. Dann kam noch eine schreckliche Szene.
Der schwer verletzte Hund rappelte sich mühselig auf, und mobilisiert seine letzten Kräfte. Er setzte zum Sprung auf den Verbrecher an, und während er sprang, drehte sich der Verbrecher zu ihm um und schoss. Der Hund fiel leblos zu Boden. Dann traf augenblicklich die Verstärkung durch weitere Polizisten ein, und nahm den Verbrecher fest.
Warum nicht ein paar Minuten früher?
Sie kümmerten sich um den Hundeführer der weinend neben seinem Hund hockte und ihn in den Armen hielt. Doch für den Hund bestanden wenig Chancen, dass er überlebte.
Dann kam die große Blende.
Einige Monate später, führten der Hundeführer und sein Vorgesetzter ein Gespräch. Sie standen vor dem Hundezwinger, in dem der Hund lag. Er teilte dem Hundeführer mit, wenn sein Hund nicht den heutigen Test auf dem Übungsgelände bestehen würde, müsste er ihn einschläfern lassen und einen neuen Welpen ausbilden. Traurig holte er seinen Hund aus dem Zwinger und sie machten sich auf den Weg zum Übungsplatz.
Der Zustand des Hundes war noch immer erbärmlich. Er trottete mit hängendem Kopf und hinkend neben seinem Herrchen her. Am Platz angekommen, begannen sie mit den Übungen. Um sich zu beweisen, musste der Hund über einen Steg laufen und anschließend über eine Hürde springen. Er zögerte und sein Herrchen sprach ihm Mut zu. Dann schleppte er sich langsam über den Steg und versuchte die Hürde zu erklimmen. Nach dem dritten Anlauf schaffte er es mit knapper Not. Doch er musste sich noch weiter beweisen. Er sollte einen Mann mit einer Pistole stellen, um zu zeigen dass er noch immer Verbrecher jagen konnte. Auch dies gelang ihm mit der nötigen Dramatik, und dann war zum Glück der Film zu Ende. Frei nach dem Motto Ende gut alles gut. Doch bei mir war es damit nicht getan. Ich heulte Rotz und Wasser. Mich hatte dieser Film so aufgewühlt. Ich war von der Treue und Selbstaufgabe des Hundes so ergriffen, das ich mich nur schwer beruhigen konnte. Mich verfolgten diese Bilder des schwer verletzten Schäferhundes, der nur aus Liebe zu seinem Herrchen, sich selbst opferte, noch Tagelang. Vor allem verstand ich nicht die Grausamkeit der Menschen, den Hund, nachdem er sich nun einigermaßen erholt hatte, auch noch einschläfern zu lassen. Nur weil er für den Dienst nicht mehr taugte.
Jedenfalls schwor ich mir, nie wieder traurige Filme anzusehen, oder solche Bücher zu lesen. Weder Filme von Walt Disney, der ja auch ein Meister in diesem Genre war, noch sonst irgendwelche Grandiosen Meisterverfilmungen in dieser Richtung, habe ich mir je wieder angesehen. Nur einmal bin ich meinem Vorsatz untreu geworden, und sah mir ICE Age an. Da alle so begeistert von dem lustigen Film waren. Doch selbst bei Ice Age, entdeckte ich äußerst traurige Szenen.
Es kann natürlich auch an mir liegen. Vielleicht bin ich einfach nur zu zart besaitet für diese Welt? Bin empfänglicher für das Leid. Da wo andere lachen oder teilnahmslos sind. Wie auch immer. Ich halte mich jedenfalls seit damals an meinen Schwur. Und eines steht fest:
Schuld war nur der alte DEFA Film.

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Texte: Bild und Text: Copyright: by M.Köhler
Tag der Veröffentlichung: 03.06.2011

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