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Traurig sitzt sie in ihrem kleinen dunklen Zimmer, eine Träne rollt über ihr Gesicht. Sie versucht schon gar nicht mehr sie zu stoppen. Es tut weh, egal ob sie weint, oder ob sie es nicht tut, es tut einfach so weh. Diese Gefühle lassen sie nicht los. Sie weiß nicht wie sie ihnen Ausdruck verleihen soll. Sie nehmen die überhand, sind tief in ihr drin, geben ihr keinen Raum zum Leben, geschweige denn um glücklich zu sein. Sie will sie los werden, doch wie soll sie das schaffen? Sie hat eine innere Wut in sich, die sie einfach nicht mehr kontrollieren kann. Diese Wut, diese Enttäuschung, diese Traurigkeit, alle wollen sie raus in die Freiheit, aber wie? Schmerzen sind ihre einzigen Freunde die ihr noch ansatzweise helfen in ihrem Inneren Luft zu machen. Aber auch das ist eigentlich keine Lösung, dass weiß sie selbst. Was soll sie bloß tun. Sie kann mit sich selbst einfach nicht mehr umgehen. Wenn sie alleine ist hat sie das Gefühl zu explodieren. Wobei eine Explosion in ihrem Fall jedoch durchaus etwas Positives hätte. Immerhin wären diese Gefühle dann aus ihrem Inneren befreit und würden sie nicht mehr quälen. Doch wahrscheinlich ist genau das mit ein Grund, warum es letztendlich bei ihr nie zu einer solchen Art der Gefühlsausschüttung kommt. Wieso auch, wenn es etwas Positives sein sollte? Etwas Positives ist bei ihr noch nie passiert. Ok, das war wohl nicht so ganz die Wahrheit. Jeder Mensch hatte wahrscheinlich früher oder später schon einmal etwas mehr oder eben weniger schönes erlebt, aber all das verlor einfach an Glanz in ihrem Leben. Es verwischt, genau wie ihre Schminke im Regen. Oder Bleistiftlinien auf einem Blatt Papier. Diese kann man so einfach ausradieren wie man sie geschrieben hat. Und am Ende gibt es kaum noch Anzeichen was auf dem Blatt einmal gestanden haben könnte. Es würden sich vielleicht höchstens noch ein Paar schwache Druckstellen erahnen lassen, woraus man schließen könnte, dass dieses Blatt überhaupt schon einmal mit etwas schönem beschrieben war. Einfach ausradiert und mit einem schrecklichen Text neubeschrieben, so sieht sie ihr Leben. Doch, das musste sie schon sagen, es war ein recht guter Vergleich.

Die schönen Zeiten in ihrem Leben gab es wahrscheinlich durchaus, damals als sie noch lachen konnte, einfach so lachen, von Herzen, als sie noch nicht wusste was dieses Lachen überhaupt für einen Wert hat. Doch nach und nach haben immer mehr Menschen an ihrem Leben „radiert“ und ihr Leben neu beschrieben. Aber dieses Mal nicht mit unbeschwertem Lachen, sondern mit Schmerz und Traurigkeit. Sie fragt sich, wie viel sie nicht sogar selber dabei mit geholfen hat. Oder kann man immer den anderen Menschen die Schuld geben? Es ist ja schließlich nach wie vor ihr Leben, mit dem sie zurechtkommen muss, für das sie selbst die Verantwortung hat. Aber soll sie alles so wie es jetzt ist stehen lassen? Kann man ihr Leben nicht einfach noch einmal neu beschreiben, Stück für Stück, Zeile für Zeile die schlechten Erfahrungen ausradieren und mit neuen und glücklichen wieder beschriften? Ist das nicht auch eine Möglichkeit? Aber alleine kann sie es unmöglich schaffen. Und jetzt ist sie wieder an diesem Punkt angekommen. Sie ist alleine, zumindest fühlt sie sich so. Wie soll sie das bloß schaffen? Sie dreht sich ständig im Kreis und somit ist auch das alles keine Alternative für sie.

Noch immer sitzt sie in ihrem Zimmer und denkt über sich und ihr Leben nach. Ihre Wut und ihre Enttäuschung legen sich so langsam. Aber nein, auch jetzt geht es ihr nicht besser. Denn es ist nach wie vor in ihr, dieses Gefühl. Es fühl sich lediglich an, als hätte jemand die Bombe in ihr, die jede Sekunde drohte in die Luft zu gehen, vorerst entschärft. Aber sie ist nach wie vor in ihr drin, gehört zu ihrem Leben dazu, wie die Luft zum Atmen und früher oder später wird sie wieder an der Stelle stehen, wo die Bombe droht zu explodieren, es aber letzten Endes nicht tut.
Sie fühlt sich hilflos und erschöpft. Ihr fehlt der Wille zu leben, aber auch das Verlangen zu sterben ist nicht groß genug. Ihre Kraft ist komplett verschwunden und auch sie fühlt sich, als würde sie sich jeden Moment in Luft auflösen. Sie ist nun nicht mehr von dieser tiefen Traurigkeit und dieser unheimlichen Wut gepackt, die sie dazu bringt Dinge zu tun, die sie eigentlich gar nicht tun will.
Nein, jetzt fühlt es sich anders an. Für den Moment ist sie erleichtert, weil sie nicht mehr den Drang dazu hat, zu explodieren, mit sich und der Welt abzuschließen. Doch schon im nächsten Augenblick sammelt sich wieder Wasser in ihren Augen und eine Träne rollt sanft über ihre rechte Wange. Es brennt, jede Stelle die diese Träne berührt brennt wie Feuer auf ihrer Haut. War so etwas etwa normal? Vor einer Stunde hätte man auch nur ein falsches Wort zu ihr sagen müssen und sie hätte am liebsten auf der Stelle sich und diese Person gleich mit dazu erschossen. Die Menschen einfach ihrem Schicksal überlassen, so wie man es mit ihr macht.
Aber jetzt sitzt sie verzweifelt am Boden und kann nicht einmal mehr die Kraft dazu aufbringen ihre Augen zu öffnen, geschweige denn auf jemanden böse zu sein. Es fühlt sich leer an, aber irgendwie auch nicht. Sie kann es nicht beschreiben. Sagen wir eher ausgelaugt an Stelle von leer, zerrissen und innerlich zerfetzt. Sie fängt an zu schluchzen doch im nächsten Moment klingelt das Telefon.

„Hey Joy wie geht’s dir? Wollen gleich in die Stadt. Hast du Lust mit zu kommen?“
„ Ja klar bin dabei, mach mich nur eben fertig. Ich sehe grad aus wie drei Tage Regenwetter.“
„Du übertreibst mal wieder, so schlimm wird’s nicht sein. Aber cool, ich freu mich. Dann bis nachher.“

Und wieder ringt sie nach Luft, wischt sich ihre Tränen ab und geht an ihrem Spiegel vorbei in Richtung Badezimmer. Alles ist ok und ihr geht es gut, hatte Yenna ihr das wirklich abgekauft? Warum nahm sie denn keiner ernst? Hatte sie ihr nicht gesagt, sie sehe aus wie drei Tage Regenwetter? Und das war durchaus die Wahrheit gewesen. Ihr Gesicht war aufgequollen vom vielen Weinen, ihre Haare standen in sämtlich Himmelsrichtungen ab und ihr ganzer Körper schmerzte. Das musste ja einen Grund haben, aber soweit dachte man natürlich nicht. Nein, der lieben guten Joy ging es ja gut. Also nahm sie noch einmal all ihre Kraft, (falls man das was sie dazu brachte sich in Bewegung zu setzen Kraft nennen kann) zusammen, wusch ihr Gesicht, machte sich ihre Haare, zog schöne Klamotten an und legte eine Schicht Make-up auf. Sie ging aus dem Bad und betrachte sich erneut in ihrem riesengroßen Ganzkörper-Spiegel. Perfekt dachte sie. Ein schönes schlankes Mädchen, top gestylt und mit einem schönen natürlichen Make-up. So sehen sie die Menschen, so sieht sie sich im Spiegel. Ein Lächeln konnte sie auch noch auf ihre Lippen zaubern, das rundet das komplett Packet ab. Das einzige was fehlte war der Glanz in ihren Augen, der dem ganzen das „Wahrheitssiegel“ hätte aufgesetzt.

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Tag der Veröffentlichung: 01.04.2010

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