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nuancetten ff.

I

dass ich kopflos aufwache ist nicht weiter wundernswert, dass ich beim blick in den spiegel mein gesicht am oberen rand des spiegels trudelnd zu sehen bekomme, hingegen schon.
mein kopf schwebt – einem ballon gleich – an einem faden über dem rumpf & versucht in mimischer höchstleistung ein lächeln über die lippen zu legen.
vielleicht schlaf ich noch?
ich fliehe auf’s klo.
erleichternd.
hernach: mein forscher blick in den spiegel ebenso.
mein rumpf hat sich wieder behauptet.
nur das rechte auge goutiert diese allianz nicht, quillt aus der höhle, das lid zur wulst deformiert.
mein bett ruft mich zur ruhe.
der traum scheint die harmlosere variante.


II

manchmal fokussieren sich meine sinne, verstärken sich zugunsten eines einzigem.
ist es das hören, zeichnen stimmen körperlose storyboards, töne formieren sich zu ständig wechselnden projektionen. eine unruhige diashow der objekte.
überdimensioniert sich das raumempfinden, löst sich alles mir entgegen.
ist es das sehen, so verliert es sich nicht an der oberfläche. filigrane bewegungen, augen zeugen regung.
ist es der geschmack, verharre ich hungernd.
all dieses „mehr“ führt zu nichts. ein zustand, der durch zunahme zu nichts, nichts mitteilsamen wuchert.
das erfinden von adjektiven – keine erlösung – so solipsistisch wie meine sinneswelt daselbst.
ich sollte in das schweigen meiner kindheit zurück fallen, aber meine hände, meine energien wären den augen behilflich.
ich sollte an wolken vorbeiziehen & dem himmel eins schnäuzen. er würde sich rein regnen & alles wäre wieder sonnenglatt.
trotzdem – oder deshalb – habe ich mich weit von mir verirrt.
wenn schatten & projektionen den raum zersprengen, kann der spiegel den körper nur zu belegexemplaren zerlegen. zersprengtes sein. die zunge wird zum stammler & über allem liegt grenzenloser hunger.

III

das aufstehen dieses mal kopflastig. die imagination inkompetent. ideen veräuszert zu worten. ich gehe kreuzwortartig, ecke an diesem, an jenem an; aber immer im begriff das weiter zu wissen. ich halte mich gegenwärtig. worte sind antworten. fraglos nicht, doch wie & warum harren stumm. alles ist mit etiketten versehen.

IV

meine augen besiedeln verirrt den boden, vögel schrecken mich aus der hecke auf. ich schlurfe über pflaster. schilder verweisen auf beispielloses. eine stimme ringt mir ein „hallo“ ab. das gesicht spricht mir vergessenes. meine hand verkürzt im grusz das tete-a-tete . weiter auf pflastern. tauben turteln mich trübe. gleißendes licht nimmt mir die sicht & die suche bis es dämmert, auch mir.

V

eine nackte frau mit strohhut, umgeben von lauter vergiss-mein-nicht, isst rote herzkirschen.
der saft zeichnet ihre lippen nach.
bäume neigen sich windumwoben ihr entgegen.
sie nagt unentwegt den kern vom fleisch.
ihre muskeln mahlen, ihre augen strahlen ferne aus.
weit führt die süsze des saftes sie, weit zurück, als dem glück keine erinnerung anhaftete.

VI

geschäftige geräusche. gesprächsfetzen gehweit entfernt. gerempel. gutes benehmen geht in den massen verloren. kinder kichern, mütter meckern.
die klimaanlage kippt kalte luft in den angestauten raum.
„ruhe ist die abwesenheit von leben“ tönt es aus den lautsprechern. ich nicke & sehne mich nach stille ohne gesten & lidschlag.

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Texte: noel
Tag der Veröffentlichung: 29.06.2010

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