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Kapitel 1 - Ein magischer Moment

Hallo, mein Name ist Mystery Rose Thalia McLovely. Ich weiß, es ist ein langer und außergewöhnlicher Name und ich wurde sogar in meiner früheren Schule deswegen gemobbt, aber letzte Woche war ich mit meinen Eltern nach Elk City umgezogen. Ich hoffte, dass dort alles besser werden würde und ich auf dem Land Freunde fand, denn irgendwie hatte ich mich in der Stadt nie besonders wohl gefühlt...

Tja, aber nun war ich hier, stand  vor meinem großen, gestern erst fertig montierten Wandspiegel und betrachtete mein Spiegelbild. Ich fand mich nie besonders hübsch, obwohl meine Mom immer sagt, dass ich so wundervolle ozeanblaue Augen habe, die mir bestimmt viele Verehrer einbringen.

Ich stand eine Weile bewegungslos da und betrachtete meine langen geschwungenen Wimpern und meine vollen blutroten Lippen, die kleine Stupsnase und die hohen Wangenknochen. Meine hüftlangen Haare fielen mir wie ein Strom aus flüssiger Schokolade über den Rücken. Mein Körperbau war schlank und ich war nicht sehr groß für mein Alter. Mit meinen 16 Jahren brachte ich es auf gerade mal 1, 60 Meter, auch deswegen hatten sich die Jungs in meiner alten Schule lustig über mich gemacht. Aber das gehörte ja jetzt hoffentlich der Vergangenheit an!

Mein Blick streifte weiter über meinen zierlichen Körper. An diesem Tag trug ich ein knall-pinkes Top mit einem Herzchenaufdruck, der im Licht glitzerte und funkelte wie tausend Diamanten. Dazu hatte ich violette Leggins an, die meine weiblichen Rundungen nett betonten. Flache, schwarze Chucks, rundeten mein Outfit ab. Schmuck trug ich eigentlich nicht, damit konnte ich noch nie so richtig etwas anfangen.

Schnell schminkte ich mich noch dezent mit etwas Mascara und rotem Lippenstift, warf meinem Spiegelbild einen Kuss zu und verschwand nach unten, wo Mom schon das Frühstück zubereitete.

Eigentlich war ich gar nicht so ein Mädchen, das sich so furchtbar in Schale wirft, aber heute war schließlich mein erster Tag an der neuen Schule und ich wollte – anders als an meiner letzten - einen guten Eindruck machen.

„Guten Morgen Mystery Rose! Na bist du schon aufgeregt?“, hörte ich meine Mom mit heiterer Stimme durch die Küche rufen, während sie mir Pancakes machte.

„Ja, ein bisschen…“, log ich. In Wirklichkeit war ich so aufgeregt, dass ich dachte, ich müsste explodieren. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als einfach nur einen guten ersten Eindruck zu machen und…

„Huch!“ In meiner Zerstreutheit hatte ich meine Kakaotasse umgeworfen und der Tasseninhalt breitete sich langsam über den Frühstückstisch aus.

„Ach Mom, das tut mir leid“, entschuldigte ich mich wehleidig.

„Ist nicht schlimm, Kleines. Ich mach das schon. Ich weiß doch, dass du etwas tollpatschig bist. Und dann noch diese Aufregung…“ Ja, die Tollpatschigkeit war quasi mein 4. Vorname und wie ihr vielleicht bemerkt habt, konnte ich auch nicht besonders überzeugend lügen.

 

Nach einem knappen Frühstück machte ich mich mit meiner Schultasche auf den Weg. Ich hatte mir die Route bereits gestern Abend im Internet angeschaut und wusste also wohin ich gehen sollte. Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich einen furchtbar schlechten Orientierungssinn habe?

Da war ich zuerst noch so zuversichtlich aus dem Haus geschlendert  und irgendwie hatte ich mich dann total verlaufen.

„Mist“, seufzte ich als ich mich plötzlich auf einem von Unkraut gesäumten Feldweg wiederfand, der ins Nichts zu führen schien. In der Nähe befand sich ein kleiner Wald und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass mich etwas wie magisch dahin zog. Aber ich musste doch zur Schule!

„Na klasse! Ganz toll Mystery! Du machst bestimmt einen tollen Eindruck, wenn du am ersten Tag zu spät kommst!“, tadelte ich mich selbst und warf vor Ärger meine Tasche zu Boden. Mit verzweifeltem Gesichtsausdruck schaute ich in die Gegend und entdeckte plötzlich, nahe am Waldrand einen dunklen Schatten, der sich von den übrigen Bäumen abhob. Zuerst dachte ich, es handelte sich um einen grasenden Wapiti, aber dafür schien das Wesen zu groß zu sein. Ich war neugierig und auf einmal wusste ich, dass nicht der Wald mich wie magisch angezogen hatte, nein, es war dieses seltsame Wesen.

Da ich es sowieso nicht mehr rechtzeitig zur Schule schaffen würde, beschloss ich meiner Neugier zu folgen und mir das Tier von der Nähe aus anzusehen. Es hatte mich wohl noch nicht bemerkt, denn es stand noch immer an derselben Stelle im Schatten der hohen Bäume.

Vorsichtig machte ich ein paar Schritte und erkannte plötzlich, dass dieses Wesen ein Pferd sein musste. Die schwarzen Borsten glänzten voll Schweiß im blassen Morgenlicht und seine wallende Mähne tanzte wie in einem wilden Takt hin und her.

„Wow, ein echtes Wildpferd“, dachte ich und blieb stehen um es noch weiter beobachten zu können. Das Pferd aber musste mich bemerkt haben, es fuhr zu mir herum und ich bekam den Schreck meines Lebens. Das war gar kein Pferd, sondern etwas ganz anderes! Da wo der Kopf eines jungen Hengstes gesessen hätte, befand sich ein menschlicher Oberkörper!!! Der muskulöse Oberkörper eines äußerst gut aussehenden jungen Mannes! Ich war geschockt und mir entwich ein spitzer Schrei.

„Ah! Ein Monster!“, kreischte ich und wollte weglaufen, doch ich konnte nicht, die Angst lähmte mich. Ich musste Träumen! Ja genau, das alles war nur ein Traum! Wach auf, Mystery! Leider war es kein Traum.

Der Pferdemann mit den langen schwarzen Haaren, die ihm über seine kräftigen Schulterblätter fielen, wie ein Umhang aus dunklem Samt, sah mich ebenso verwirrt an, wie ich ihn wohl angeglotzt haben musste.

„Was macht ein Mensch in dieser Gegend?“, fragte er mit einer tiefen männlichen aber auch zugleich so sanften Stimme. Ich war noch immer wie gelähmt, irgendwie konnte ich meine Augen nicht von dem prächtigen, vor Schweiß glitzernden Brustmuskeln des Mannes lösen.

„I… Ich bin Mystery und ich suche die Elk City School“, brachte ich mit trockener Stimme hervor, „und was machen Sie hier? W… was sind Sie überhaupt…?“ Mir wurde auf einmal ganz komisch.  Ich war hin und hergerissen zwischen Faszination und Furcht. Einerseits wirkte dieses Wesen ungeheuer anziehend und total schön, andererseits war es auch ein bisschen unheimlich und vor allem: Unnatürlich!

„Ich bin Caleb Ke Vín Saerynmar! Und ich wäre eigentlich gar nicht mehr hier, aber wie du siehst, habe ich hier ein kleines Problem.“

Er deutete auf seinen linken Vorderhuf. Als ich daraufhin an Calebs kräftigen Vorderläufen herunter schaute,  erkannte ich plötzlich, was er damit meinte:  Sein Bein war knapp über dem Huf in eine Bärenfalle geraten. Der Ärmste musste wohl da hineingetreten sein und jetzt kam er nicht mehr vom Fleck. 

„Ich kann dir helfen!“, schlug ich vor und beugte mich zu Calebs mächtigen Hufen herunter. Mit etwas Kraftaufwand schaffte ich es, die Bärenfalle auseinanderzuziehen und seinen Vorderlauf zu befreien. Dort wo die Falle sich um sein Bein geschlossen hatte, zierte eine Wunde seine makellosen tiefschwarzen Borsten.

„Aua, das sieht böse aus!“, sagte ich, schaute Caleb traurig an und zugleich blieb mir die Luft weg. Dieser Mann oder was auch immer er war, sah einfach so verdammt gut aus, dass mir jedes Mal der Atem stockte, wenn ich in seine undurchdringlichen smaragdgrünen Augen sah…

„Das ist nichts“, erwiderte Caleb mit fester Stimme und schüttelte noch einmal sein glänzendes Haar. „Du hast mir geholfen Mystery, dafür danke ich dir. Wenn du möchtest, kann ich dich zu deiner Schule bringen!“  

„Echt!?“ Ich war ein wenig erstaunt über dieses Angebot, aber ich war auch neugierig und habe ich schon erwähnt, dass dieser mysteriöse Caleb einfach zum Knutschen gut aussah?

„Natürlich, so ein hübsches Mädchen wie du es bist, sollte nicht allein über einsame Wege wandern. Komm, sitz auf, ich bringe dich zur Schule!“ Ich schluckte schwer. Ich sollte aufsteigen? Und hatte er mich grade hübsch genannt? Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg und zauderte ein wenig. Ein nervöses Kichern entwich mir und ich musste mir die Hand vor dem Mund halten. Caleb knickte unterdessen mit seinen Vorderläufen ein, sodass ich bequem auf seinem Rücken Platz nehmen konnte. Er schenkte mir einen auffordernden Blick und lächelte mich frech an.

„Traust du dich etwa nicht, mit einem Centauren zu reiten?“

„D… Doch…. Schon“, trotzte ich mit zittriger Stimme. Wie er mich so ansah, verspürte ich plötzlich das Gefühl geborgen und in Sicherheit zu sein. Ja, irgendwie war er es, der mich wie magisch anzog und in dessen Gegenwart ich mich sonderbar gut und wohl fühlte.

Ich fasste mir ein Herz und stieg auf den kräftigen Rücken des Centauren. Meine Hände legte ich etwas verlegen an Calebs Hüften und dann begann der tollste Ausritt meines Lebens!

Kapitel 2 - Die neue Welt

Ich kannte das Gefühl auf einem Pferd zu sitzen gut, da ich in meiner alten Stadt oft und gerne zum Voltigieren gegangen war. Aber auf Caleb zu reiten, war irgendwie anders. Sein samtiges Haar wurde vom Wind nach hinten gewirbelt und um schmiegte meinen zierlichen  Körper, es kitzelte mich im Gesicht aber irgendwie war es ein angenehmes Gefühl. Ich spürte Calebs harte Bauchmuskeln unter meinen Fingern und die Frage, ob dies nun ein Traum war oder nicht, rückte immer mehr in den Hintergrund. Ich wollte einfach nur nahe bei diesem wundervollen Wesen sein, welches so geschmeidig über die Felder galoppierte, dass es fast aussah als würde er auf Wolken dahingleiten. Er mochte zwar den Körper eines wilden Hengstes haben, aber sein Geruch war durch und durch menschlich, er roch nach Moschus und frischem Schweiß. Wie hypnotisiert inhalierte ich Calebs Duft, welcher wie ein Aphrodisiakum für mich war. Er roch männlich, nicht so wie die albernen Jungs aus meiner alten Schule, die allesamt gerochen hatten als wären sie ein Becken mit Deodorant gefallen… Ja, Caleb war ein Mann; und was für einer! Ich spürte wie sich eine angenehme Hitze in meinem Unterleib ausbreitete.

So glitten wir dahin und ich vergaß fast, warum Caleb mich auf seinem Rücken trug, bis die Elk City School in Sichtweite kam. Na klar, ich musste immer noch zur Schule!

Caleb stoppte und ich wäre in Gedanken versunken fast von ihm heruntergefallen. Im letzten Moment klammerte ich mich fest an seinen harten Körper um das Gleichgewicht zu halten.

„Weiter kann ich dich nicht bringen. Dort neben den Reihenhäusern ist deine Schule!“, erklärte er mit seiner rauen Stimme und deutete nach vorn.

„Danke“, sagte ich knapp und versuchte einigermaßen elegant abzusteigen, was mir natürlich nicht gelang. Caleb verkniff sich ein leises Lachen.

„Ich danke, dir hübsche Mystery!“, erwiderte er und nickte mir freundlich zu. Ich wollte noch etwas sagen, dieses Wesen konnte mich doch nicht ohne eine Antwort hier stehen lassen, aber ich brachte kein weiteres Wort mehr heraus. Was war nur mit mir los? Mir wurde das Herz schwer, als ich spürte, dass Caleb jetzt wieder für immer aus meinem Leben verschwinden würde. Da hatte er sich auch schon umgewandt und galoppierte schnell wie der Wind davon.

Ein paar Sekunden stand ich noch da und schaute ihm traurig hinterher, dann aber schüttelte ich meinen Kopf und machte mich wieder auf den Weg zu meinem ursprünglichen Ziel. Die Uhr zeigte erst halb 10, also kam ich erst eine Stunde zu spät. Vielleicht zeigte der Lehrer ja Erbarmen mit mir, weil ich neu war.

 

Nachdem ich mich beim Sekretariat nach der Raumnummer erkundigt hatte, fand ich schnell den Weg zu meiner zukünftigen Geschichtskurs. Vorsichtig klopfte ich und trat peinlich berührt ein.

„Du musst Mystery sein“, ertönte eine helle Stimme die zu der Dame am Lehrerpult gehörte, „wir haben schon auf dich gewartet. Du kommst ein bisschen spät…“

„Hallo… Ja das stimmt. I…ich habe die Schule nicht direkt gefunden“, stammelte ich. Einige Mädchen, dessen weibliche Reize einem direkt ins Gesicht zu springen schienen, kicherten leise und ich spürte, wie ich rot wurde. Diese Situation war mir furchtbar unangenehm und ich wollte mich bloß so schnell wie es ging, irgendwohin setzen und in der Masse untertauchen. Dass in diesem Moment alle Augen auf mich gerichtet waren, war einfach furchtbar. Dabei wollte ich doch einen GUTEN Eindruck machen…

„Ist schon in Ordnung, Liebes. Ich bin Miss Nike und ich bin für den Geschichtsunterricht zuständig“, stellte sich die Dame mit beruhigender Stimme vor, „nimm doch erst einmal Platz und versuche dem Unterricht zu folgen. Ich habe deinen Mitschülern schon erzählt, dass du neu bei uns bist.“

Dankend kam ich der Bitte von Miss Nike entgegen und setzte mich neben einen rothaarigen Jungen in der zweiten Reihe.

„Hi“, zischte dieser mir zu und ich erwiderte seine verlegene Begrüßung halbherzig. Ich war noch immer etwas durch den Wind, was die Geschehnisse heute Morgen betraf. War das wirklich passiert? War ich auf einem Centauren zur Schule geritten?

 Je mehr ich daran dachte, desto verschwommener wurde die Erinnerung daran. Langsam bekam ich schon Kopfschmerzen vom Grübeln und ich konnte kaum dem Unterricht folgen.

Als sich plötzlich die Klassentür öffnete und jemand keuchend eintrat, hätte ich fast einen Herzinfarkt bekommen, so sehr war ich in meine Gedankenwelt versunken.

„Ah Kevin! Wo warst du denn schon wieder?!“, tadelte Miss Nike den eingetretenen Jungen, welcher mich mit seinem schwarzen Haar und den grün leuchtenden Augen total an Caleb erinnerte. Sein Blick traf den meinen und er musste unwillkürlich lächeln. Er war völlig in schwarz gekleidet, von seinem dunklen Shirt bis über seine kurzen Shorts bis zu seinen Chucks, das war wohl seine Lieblingsfarbe…

„Es tut mir leid, Miss Nike, ich habe verschlafen“, verteidigte er sich mit einem verschmitzten Lächeln und sah nun wieder mich an.

„Na gut… Setz dich einfach. Das ist übrigens unsere Neue. Ihr Name ist Mystery“, erklärte Miss Nike und wies geradewegs auf mich.

„Hallo!“, sagte Kevin an mich gewandt und die Mädchen, die eben noch so über mich gekichert hatten, schmolzen bei seiner süßen Stimme dahin. Kevin machte  sich zu seinem Sitzplatz in der letzten Reihe auf. Irgendwie hatte ich das Gefühl diesem Jungen schon einmal begegnet zu sein, er wirkte so vertraut und mich durchfuhr schon wieder ein ganz warmes Gefühl, ähnlich wie es bei Caleb gewesen war. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Das konnte nicht sein… Doch als Kevin mit großen Schritten an mir vorbeiging, bemerkte ich die frische Wunde an seinem linken Bein!

 

„Hey, Mystery, träumst du?“ vernahm ich eine Stimme neben mir. Benebelt drehte ich mich um und blickte auf eine Hand, die vor meinem Gesicht auf und ab wedelte. Sie gehörte zu dem rothaarigen Jungen, der neben mir saß.

„Ach, Entschuldigung“, gab ich aus meinen Überlegungen gerissen, leise von mir, „was war?“

Er wirkte amüsiert über meine Abwesenheit und grinste breit.

„Ich habe gesagt: Ich bin übrigens Gary und dass du einen echt netten Eindruck machst!“

„Äh ja.. Tue ich das?“ Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Mit den Gedanken war ich immer noch bei Caleb  am Waldrand. Gary musste wohl gemerkt haben, dass mir im Moment nicht nach einer Unterhaltung war und Miss Nike warf uns auch schon einen kritischen Blick zu, also beendeten wir unser Gespräch und ich versuchte mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

 

Als es zur Pause läutete,  ging ich als eine der Ersten hinaus. Ich brauchte dringend frische Luft.

„Mystery!“, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir herrufen, es war Gary. Innerlich seufzte ich, drehte mich aber mit einem Lächeln um.

„Ich hab gedacht, wir könnten uns vielleicht nach der Schule treffen und ich könnte dir ein bisschen die Stadt zeigen, da du ja neu bist.“ Als er mit mir sprach trat er nervös von einem Fuß auf den anderen, doch in diesem Moment  rauschte Kevin an mir vorbei und rannte mich dabei fast um.

„Hey!“, beschwerte ich mich aufgebracht und rieb mir die zurückgeschleuderte Schulter, „Pass doch auf!“

„Pass selber auf!“, kam es bissig zurück und Kevin verschwand um eine Ecke.

„Mann, der Kerl hat echt keine Manieren!“, zischte Gary, der sich inzwischen neben mich gestellt hatte.

„Ist der immer so schlecht drauf?“, erkundigte ich mich missmutig, da ich zunächst davon ausgegangen war, dass Kevin ein netter Kerl sei.

„Ja, ein richtiger Miesepeter! Gibt sich nur mit den ganz coolen Leuten ab, alle anderen behandelt er wie Dreck.“ Gary stieß vor Empörung die Luft aus und schnitt eine Grimasse, die seinen Unmut zeigte.

„Verstehe…“ Plötzlich erinnerte mich Kevin überhaupt nicht mehr an Caleb. Um ehrlich zu sein, war ich mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr sicher, ob es Caleb überhaupt gegeben hatte. Vielleicht hatte mein Gehirn mich auch einfach nur an der Nase herumgeführt. Aber wie war ich dann zur Schule gekommen? Mir war als könnte ich die schwarzen Borsten noch immer unter meinen Fingern spüren. Ein Schaudern durchlief mich und ich schüttelte mich unwillkürlich.

„Alles in Ordnung?“ fragte Gary und ich nickte schnell. Diese seltsame Begegnung würde ich auf jeden Fall für mich behalten, sonst würde ich am Ende noch für verrückt erklärt werden.

„Treffen wir uns in der Mensa? Ich muss nur noch kurz ein paar Unterlagen kopieren…“, fragte er. Ich nickte ihm abwesend zu und folgte dem Strom an Schülern.

Kapitel 3 - Freund und Feind

Wenig später irrte ich mit meinem Tablett in der großen Mensa umher und war etwas unschlüssig. Ich hoffte noch darauf, einem bekannten Gesicht zu begegnen. Dieser Gary schien ganz nett zu sein, aber ich konnte ihn nirgends entdecken.

Meine Augen schweiften durch die große Halle. Es war direkt klar, wo die Beliebten saßen und wo man sich lieber nicht hinsetzen sollte, wenn man dazugehören wollte. Ich schwankte in meiner Entscheidung. Bei den Cheerleadern war noch ein Platz frei, aber die Mädchen an dem Tisch sahen auch alle ganz schön oberflächlich aus. Und so war ich nun mal nicht. Aber wäre es nicht unklug, sich gleich an seinem ersten Tag ins Aus zu schießen? 

Meine ozeanblauen Augen erheischten den schwarzen Schopf von Kevin. Er erinnerte mich immer noch an den Pferdemensch von heute Morgen. Nachdenklich starrte ich ihn an. Umso mehr Zeit zu der Begegnung mit Caleb verging, umso sicherer wurde ich mir, dass mein kreatives Gehirn mir einen Streich gespielt haben musste. So etwas gab es einfach nicht und selbst wenn, wieso sollte sich so ein Wesen dann ausgerechnet mir gegenüber zeigen? Ich war schließlich niemand besonderes. Nur ein ganz einfaches Mädchen. Eins, das nicht mal wusste, wo es sich in der Cafeteria hinsetzen sollte. 

Eines der anderen Mädchen ging so dicht an mir vorbei, dass es mich am Arm streifte. Ich stolperte vor mich hin und versuchte mein Gleichgewicht zu finden. Ich muss zugeben, ich hatte auch ziemlich ungünstig im Weg rumgestanden. Das Tablett in meinen Händen geriet furchtbar ins Wanken und ich befürchtete schon die Suppe und den Wackelpudding über mich zu verschütten. Warum hatte ich mich auch nur dafür entschieden? Ich kannte doch meine Schusseligkeit zur Genüge! Doch für diesmal gelang es mir, bald wieder zu einem sicheren Stand zurückzukehren. Es war zwar etwas von der Suppe verschüttet worden, aber es war weder auf mir noch – was fast noch schlimmer gewesen wäre an meinem ersten Tag! – auf dem anderen Mädchen gelandet.

Jenes hatte sich nun vor mir aufgebaut. Drei andere standen wie zu ihrer Unterstützung leicht versetzt hinter ihr. Ich schaute etwas ängstlich von der einen zur anderen. Sie alle sahen mich alles andere als freundlich an und mir wurde angst und bange. Was sie wohl von mir wollten? Noch hatte ich doch gar nichts getan!!! Ich war ja gerade erst mal ein paar Stunden an dieser Schule, also konnte ich mir kaum schon was zu Schulden gekommen haben lassen.

Die drei hinter der platinblonden Anführerin hatten die Arme verschränkt, sie selbst hatte sie in ihre schmale Hüfte gestemmt. Sie sah wirklich aus wie ein blonder Männertraum, erst recht, weil sie in einer hautengen Cheerleader-Uniform steckte, in den Schulfarben gelb, violett und weiß. Sie hatte wirklich eine fantastische Figur, obwohl ich mir den Gedanken nicht erwehren konnte, dass sie auch ein wenig künstlich aussah. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass alles an ihr echt war. Viel wahrscheinlicher war es, dass ihr Dad ein gut verdienender Schönheitschirurg war, der es auch seiner Tochter erlaubte, sich unter das Messer zu legen.

Ihr glattes, helles Haar umrahmte ihr puppenartiges Gesicht. Natürlich hatte sie ihrer Haarfarbe einer Tube Chemie zu verdanken. Ihre Nase wirkte viel zu gerade, als dass sie so gewachsen sein könnte, ihre Lippen einen Tick zu voll, aber das konnte auch an dem halben Fläschchen rosa Lipgloss liegen, welches sie darauf verteilt hatte. Ihre Haut wirkte makellos, aber wenn man ganz genau hinsah, dann merkte man, dass ganz schön viel Make-Up darauf gespachtelt worden war. Der Hautton passte auch nicht eins zu eins zu ihrem Solarium gebräuntem Körper. Ihre blass-blauen Augen waren von Unmengen Mascara und Lidschatten umrandet und funkelten mich böse an.

Ohne zu wissen, was ich getan haben sollte, senkte ich beschämt den Blick. Dabei glitten meine Augen an dem Grund vorbei, welcher sie wohl bei allen Männern gut ankommen ließ, künstlich hin oder her: Ihre übergroßen Brüste sprangen schon fast aus dem Oberteil. Ihr Dekolletee wölbte sich großzügig und eine Modeschmuckkette verschwand darin, deren Anhänger wohl so mancher Mann gerne gesucht hätte. Wenn nicht gar alle. Ich selbst war mit meinem guten C-Körbchen, das auch ohne BH ganz passabel aussah immer recht stolz gewesen, aber gegen diese Doppel-D konnte ich einpacken!

„Ich bin Mandy“, stellte sich das Püppchen vor, aber sie sah nicht so aus, als sei sie auch an meinem Namen interessiert, „Das sind Tracy, Trish und Tina.“ Mit dem Daumen nach hinten zeigte sie auf ihre Begleiterinnen, die ihre Lippen schürzten und mich ziemlich abschätzig von oben bis unten musterten. Sie kannten mich nicht mal wirklich und machten sich bereits ein Bild von mir. Mein Kopf blieb gesenkt. Meine schokoladenbraunen Wellen fielen mir etwas vors Gesicht und ich hoffte darauf, dass sie mich ein wenig vor ihren giftigen Blicken schützen konnten.

„Und wen du da gerade so angestarrt und mit deinen Augen verschlungen hast, das ist mein Mann! Verstanden?!“ Sie unterstrich ihre Worte mit einer schnippischen Handbewegung.

„Ich … ich …“, stammelte ich ein wenig und wusste gar nicht richtig, was ich sagen sollte. Ich wusste ja noch nicht einmal genau, von wem Mandy genau sprach.

„‘Ich … ich …‘ kannst du nicht mal richtig sprechen oder was?“, fragte sie mit einem gehässigen Grinsen im Gesicht und ihre Freundinnen – ebenfalls alle im Cheerleader-Outfit – gackerten los. Ich lief rot an und wollte mich am liebsten in Luft auflösen. Womit hatte ich das alles verdient?

„Also, lass deine Griffel von Kevin, capice? Wobei … wenn ich mir dich so ansehe … du hättest eh keine Chance.“ Mandy schenkte mir ein überhebliches Lächeln.

„Nicht die Bohne!“

„So ein Mauerblümchen!“, pflichteten die anderen ihr nickend bei. Ich wusste auch so, dass ich eher unscheinbar war, das mussten sie mir bei weitem nicht noch einmal auf die Nase binden. Mein ohnehin schon geschundenes Selbstbewusstsein erhielt abermals einen Knacks.

„Ich wusste nicht, dass Kevin dein Freund ist …“, begann ich zaghaft. Vielleicht konnte ich die Situation doch noch irgendwie retten. Schließlich wirkte Kevin in der Tat etwas rüde, ich hatte ihn mir ja nur wegen seiner vermeintlichen Ähnlichkeit zu meinem wundersamen Erlebnis heute Morgen genauer angeschaut. Und ich war nun wirklich kein Mädchen, dass einer anderen den Freund ausspannte, selbst wenn ich es überhaupt könnte.

„NOCH ist er nicht mein Freund. Aber das wird sich bald ändern. Also ein guter Rat: Steh mir nicht im Weg herum. Du möchtest nicht wissen, was sonst passiert.“ Die letzten Worte zischte sie mehr, als dass sie diese aussprach. Ein letztes Mal funkelte ihre hellen Augen mich an, ehe sie ihr dünnes, blondes Haar nach hinten warf und mit ihren Freundinnen von dannen zog. Sie setzten sich auf die letzten freien Plätze an dem Cheerleader-Tisch. Damit fiel diese Platzwahl für mich wohl eindeutig weg.

Deprimiert setzte ich mich an den ersten Tisch, der frei war. Meine Beine waren noch etwas wackelig und ich befürchtete, doch noch mein Tablett umschmeißen zu können. Ein dickliches Mädchen, das mir gegenüber saß, lächelte mich freundlich an. Ich erwiderte es etwas gequält. Mandys Drohung lag mir immer noch auf dem Gemüt. Wie konnte man nur so hasserfüllt sein?

„Hi, ich bin Cynthialette“, stellte sie sich vor.

„Mystery Rose“, sagte ich.

„Wow! Das ist doch mal ein toller Name!“, brachte sie erstaunt hervor. Ich lief leicht rot an.

„Ach was, ich mag ihn eigentlich gar nicht“, winkte ich ab.

„Solltest du aber!“, grinste sie mich freundlich an. Durch Cynthialettes nette Worte wurde meine Laune schon etwas besser. Vielleicht fand ich hier ja doch noch Freunde. Und da ich ja auch nicht vorhatte, mich Mandy in den Weg zu stellen, würde es diesbezüglich auch keine Probleme geben.

Cynthialette und ich kamen schnell ins Gespräch. Sie erzählte mir, dass Mandy eigentlich zu allen so richtig fies war, oft auch zu ihren eigenen Freundinnen. Aber wie ich bereits vermutet hatte, so waren ihre Eltern richtig reich und damit konnte sie sich so gut wie alles erkaufen, eben auch Aussehen und Ansehen. So verging die große Pause wirklich wie innerhalb eines Wimpernschlages und wie sich herausstellte, hatte ich sogar meinen nächsten Kurs mit Cynthialette. Das war wirklich ein Glück, denn ich kannte mich mit den Raumzahlen noch nicht wirklich aus und hätte mich so gewiss verlaufen.

Kapitel 4 - Cain Problem

Es stellte sich heraus, dass der nächste Kurs ein Sportkurs war, dummerweise hatte ich meine Sporttasche nicht mitgenommen. Mister Rowland – unser Sportlehrer - nahm es mir zum Glück nicht übel und schickte mich auf die Bank neben Cynthialette. Meine neue Bekanntschaft und zukünftige beste Freundin, konnte ebenfalls nur Zuschauen da sie gestern ihre Periode bekommen hatte und sie an Unterleibsschmerzen litt.

Also verbrachten wir die Zeit damit, uns ein bisschen näher kennen zu lernen und Cynthialette erzählte mir leise kichernd von ihrem heimlichen Schwarm Cain, der in einem abgetrennten Bereich der Turnhalle grade mit seinen Kumpels das Ringertraining absolvierte.

Meine neu gewonnene Freundin erklärte mir, dass er der heißeste Typ der ganzen Schule war, und dass er genauso viele Vornamen hatte wie ich. Wahrscheinlich war das Schicksal. Auf jeden Fall war er für mich immer nur Cain. Er war so beliebt, dass ihn einfach alle Mädchen anhimmelten und auf jeder Party wurde er förmlich von ihnen über den Haufen gerannt. Kein Wunder, bei seinem sexy Lächeln und seinen perfekten braunen Haaren mit den unergründlichen tiefbraunen Augen. Was ihn aber so besonders machte, war die Tatsache, dass er jede haben konnte, aber angeblich seine Jungfräulichkeit für die Eine aufsparen wollte, seine große Liebe. Er war einfach unfassbar, unglaublich. Noch nie hatte er sich eine Freundin genommen, und er beachtete die vielen angemalten Möchtegern-Models nicht einmal.  Aber heute war etwas anders.  Heute würde sich das Leben, so wie ich es gekannt hatte, für immer und ewig verändern.  Denn Cain kam plötzlich direkt auf mich zu.

„Oh Gott? Warum kommt er ausgerechnet auf mich zu?“ Ich lief sofort rot an. Er sah so unerträglich heiß aus!

„Hey, Kleine,“, rief er zu mir hinüber, „ich glaube, du sitzt auf meinem Shirt.“ Oh Gott. Erst jetzt checkte ich so richtig, dass er nur mit seiner hautengen Ringerhose bekleidet war. Seinen Oberkörper hatte er wie immer vor dem Training mehrfach eingeölt, damit seine makellose Haut die wichtigen Nährstoffe aufnehmen konnte und keinen Schaden nahm.  Ich ließ meinen Blick über seinen glühend heißen Body schweifen. Seine Brustmuskeln waren gewaltig, und seine Schultern so breit, dass sein winziges Becken nur noch durch seine perfekten Bauchmuskeln eingerahmt wurde. Oh mein Gott! Hatte er etwa ein… dass konnte doch unmöglich wahr sein. Er hatte kein Sixpack, sondern ein Eightpack, der helle Wahnsinn!

Meine Wangen glühten, und ich konnte einfach nicht mehr still sitzen bleiben. Am liebsten hätte ich mich hinter Cynthialette verstecken. Mit ihrem leichten Übergewicht  war sie wie dafür gemacht. Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis alle sagen würden, ich hätte sie nur als Freundin um neben ihr gut auszusehen, aber die waren einfach alle nur neidisch. Ich wandte mich schließlich zu Cain um, konnte aber kein Wort herauskriegen. Neben seinen wie gemalt wirkenden Tattoos auf seiner linken Hand stand der Satz „Vegan for life“, was ihn für mich als naturverbundenen Menschen einfach schon unverschämt anziehend machte. 

„Brblbl“, konnte ich nur sagen. Mehr brachte ich nicht heraus. Ich musste einfach sein Eightpack anstarren. Oh mein Gott, wie peinlich! Cain grinste so sexy, dass ich beinahe geschmolzen wäre. 

„Willst du es mal anfassen?“ Das konnte einfach nur ein Traum sein.  Wie von alleine, bewegte sich meine zitternde Hand in seine Nähe. Dann griff er sie einfach und etwas in mir zuckte so sehr zusammen, dass ich beinahe ohnmächtig geworden wäre.  Seine Haut war der Wahnsinn. Unfassbar weich, und so glänzend, dass es mich beinahe blendete. Langsam fuhren meine Fingerspitzen über jeden Muskel und ich bemerkte, dass ich die ganze Zeit den Mund offen gelassen hatte.  Cynthialette stieß mich von der Seite an.

„Du sabberst“, flüsterte sie. 

„Tja, dann sehen wir uns wohl in den nächsten Tagen öfter, was Kleine?“, lachte Cain und ging einfach wieder weg. Sein Shirt lag immer noch unter meinem Hintern und ich dachte daran, es einfach mitzunehmen, wenn niemand hinsah. Oh mein Gott. 

„Von allen Mädchen dieser Schule spricht er ausgerechnet dich an?“, beschwerte sich Cynthialette. Ich glaube sie war neidisch!

„Ich kann es selbst nicht glauben. Er hat noch nie ein Mädchen angelächelt, oder?“, fragte ich.

„Nie!“, bestätigte Cynthialette.

„Wow“, entfuhr es mir nur, „ich… ich glaube das war kein Zufall, Cynthialette. Es war…“ Ich fand kein richtiges Wort dafür.

„Schicksal?“, schlug Cynthialette vor.

„Ja“, flüsterte ich, „Schicksal.“ Was für ein Schlamassel! Ich hatte mich gerade in den heißesten Typen der ganzen Schule verknallt, als ob ich nicht ohnehin schon genügend Probleme hätte! Caleb, Kevin und jetzt auch noch Cain. Was hatte Mom mir nur heute Morgen in den Kakao getan, dass meine Hormone so verrückt spielten? Ich brauchte frische Luft! Ganz klar, frische Luft!

 

Nach der Schule sagte ich Gary, dass ich zu müde sei, um mir die Stadt von ihm zeigen zu lassen und schob es auf einen anderen Tag. Ich wollte bloß nach Hause und meine Gedanken ordnen. Cain war absolute heiß gewesen, ja, zum Verknallen heiß! Aber irgendwie schien es mir so als hätte ich mein Herz schon längst vergeben.

Als ich erschöpft die Haustür hinter mir zuschlug und meine schwere Tasche mit allerhand neuen Büchern in die Ecke meines Zimmers warf, war es, als würde ein schwerer Stein von meinen Schultern fallen. Endlich Zuhause! Endlich Allein mit meinen wirren Gedanken und Gefühlen! Ich legte mich auf mein Bett und dachte noch einmal nüchtern an die Sache von heute Morgen. Für einen Tagtraum war es zu real gewesen aber diese ganze Centaurensache war doch irgendwie unmöglich.

Schließlich schaltete ich meinen Computer an und machte mich ein wenig schlau: Centauren waren Wesen der griechischen Mythologie, halb Mann und halb Pferd. Die antiken Wandbilder auf Google zeigten genau jenes Wesen, welches mir heute Morgen begegnet war. Sie wurden als sehr stolze, intelligente und auch wilde Geschöpfe beschrieben. Ich seufzte und schüttelte den Kopf, wobei mir meine langen braunen Haare bis über die Brust fielen. Nein, nein nein, ich musste mich davon überzeugen, dass Caleb echt gewesen war!

In Eile schrieb ich Mom einen Zettel, auf dem stand, dass ich mir die Gegend ein wenig anschauen wollte, dann verließ ich stürmisch das Haus und versuchte jenen Feldweg wiederzufinden auf den ich mich heute Morgen verirrt hatte.

Kapitel 5 - Tiefes Feuer

POV Caleb

„Was ist, du siehst so verträumt aus?“, fragte Cendrik mich. Sein ebenmäßiges Gesicht sah mich skeptisch an.

„Es war nur … heute Morgen … ach vergiss es.“ Cendrik sah mich durchdringlich an, nickte dann jedoch kurz und zog sich wieder zwischen die Bäume zurück, um mich allein mit meinen Gedanken zu lassen. Die dichten Wälder verbargen uns immer gut vor menschlichen Augen. Nur heute Morgen war mir ein gravierender Fehler unterlaufen. Eigentlich machte ich solche Fehler nicht, ich war schließlich lange schon kein Fohlen mehr. Aber diese Begegnung hatte auch viel mehr von Schicksal gehabt, als von einem Fehler, denn ich fühlte keinerlei Reue. Stattdessen ging mir das Gesicht der jungen Frau, die mir zur Hilfe geeilt war nicht mehr aus dem Kopf.

Ihre großen Augen, die so blau waren, wie ich es noch nie gesehen hatte. Sie hatten regelrecht meine Seele ergriffen und sie mit sich in die Tiefe gezogen, denn ich konnte an nichts anderes mehr denken als an sie. Ihre Haare hatten in sanften Wellen ihr absolut makelloses und süßes Gesicht umrandet und obwohl sie so unschuldig und gar ein wenig verschreckt ausgesehen hatte, so war sie doch zweifelsohne eine Frau gewesen. Ich hatte mich nicht erwehren können meine Augen auch für einen kurzen Moment über ihren Körper gleiten zu lassen, obwohl ich mich von sexuellen Gelüsten normalerweise fern hielt. Vor allem bei Menschenfrauen. Menschen verstanden unsere Welt einfach nicht und die Mädchen an der Schule waren oberflächlich und dumm und hatten mich nie die Bohne interessiert, selbst wenn sie einem ihre Reize schon regelrecht ins Gesicht drückten. Aber diese hier war anders gewesen. Gar, als sei da eine Verbindung zwischen uns gewesen, die ich nicht näher bezeichnen konnte. Obwohl ich sie heute den ganzen Tag ignoriert hatte, hatte ich Mysterys Gesicht noch in allen Einzelheiten vor mir. War das nicht verrückt?  Ebenso leichtsinnig war es von mir gewesen sie zur Schule zu reiten. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht?! Unsere Tarnung durfte nie auffliegen. Und sie hatte mich erkannt, das hatte ich an ihrem Gesichtsausdruck gesehen, als ich den Kursraum betreten hatte. Doch ich glaubte es doch ganz gut überspielt zu haben. Zumindest hatte sie mich nicht darauf angesprochen. 

Ich schloss die Augen und hing dem Gefühl nach, als Mystery sich auf meinem Rücken geschwungen hatte. Wir Centauren mochten es nicht, als Gaul angesehen zu werden, denn wir waren so viel mehr, aber Mysterys  Körperwärme auf meinem Rücken hatte sich richtig angefühlt. Genau wie, als sie die Arme um mich geschlungen hatte und Haut auf Haut gekommen war. Ein Gefühl, das ich gerne noch ein wenig länger gehabt und auch intensiviert hätte…

Ich schüttelte meinen Kopf, um ihn wieder frei zu kriegen. Meine schwarzen Haare flogen hin und her. Ich musste mich zusammenreißen. Cendrik würde sonst noch einmal nachhaken, denn eigentlich erzählten wir uns alles. Das hier war nur ein dummer Tagtraum, nichts weiter. Ich konnte mich trotzdem dem Gefühl nicht erwehren, dass ich mich danach verzerrte sie wiederzusehen. Doch das würde Cendrik niemals erlauben.

Kapitel 6 - Unerwünscht

Den einsamen Feldweg zu finden, gelang mir auf Anhieb und nahe am Waldrand begann ich meine Suche nach dem Beweis, dass Caleb real war. Ich muss zugeben, ich wünschte es mir. Denn irgendwie wollte ich diesen Mann unbedingt wiedersehen. Anders als Kevin oder Cain, hatte er etwas tief in meinem Herzen berührt.

„Ich wusste es!“, entfuhr mir plötzlich als meine Füße gegen die auseinander gehebelte Bärenfalle stießen an der noch immer etwas Blut klebte. Das war der Beweis! Ich war nicht verrückt. Die Begegnung mit Caleb war real gewesen. Ein Glücksgefühl breitete sich in meinem Körper aus und vor Freude rief ich seinen Namen. Ich wusste selbst nicht genau, warum ich es tat, ich glaube ich wollte ihn einfach nur wiedersehen.

„Caleb! Caleb! Bist du hier? Ich bin es Mystery!“, schrie ich in den nahen Wald hinein, aber niemand antwortete mir. Und dann war sie plötzlich wieder da! Diese magische Anziehungskraft! Etwas in meinem Herzen sagte mir, dass Caleb sich in diesem Wald befand. Wenn ich ihn wiedersehen wollte, würde ich ihn wohl oder übel selbst suchen müssen. Da es erst früh am Abend war und die Sonne im Sommer ja erst spät unterging, beschloss ich tatsächlich ihn zu suchen. Er war mir schließlich noch ein paar Antworten schuldig! Zwar hatte ich Cynthialette versprochen, sie heute noch anzurufen, doch das war jetzt unwichtig!

Schon nach ein paar Minuten im Wald, hatte ich feststellen müssen, dass meine Halbschuhe gänzlich ungeeignet für das Durchstöbern dieses Forstes waren, dennoch blieb ich hartnäckig und gab meine Suche nicht auf. Das Wäldchen, von dem ich zuerst gedacht hätte, es wäre klein, entpuppte sich als eine doch sehr große und unübersichtliche Fläche von wilden Bäumen und krautigem Unterholz.

Ihr könnt es vielleicht schon erraten, aber ich hatte mich blöde, wie ich war, total in meine Suche hineingesteigert und irgendwann hatte ich die Orientierung verloren.

„Oh  nein, nicht schon wieder“, murmelte ich als ich meinen Fehler erkannt hatte. Mein Handy hatte ich Zuhause auf dem Schreibtisch liegen lassen und jetzt war ich mittendrin in diesem riesigen Waldstück und fand nicht mehr heraus. Dazu kam noch, dass in wenigen Stunden die Sonne untergehen würde!

„Ich bin so blöd!“, schrie ich mich selbst an und schlug meine flache Hand gegen die Stirn. Mir traten bereits Tränen der Verzweiflung in die Augen, doch dann hörte ich eine Stimme hinter mir:

„Na hast du dich verlaufen, Mensch?“ Zuerst dachte ich, die raue Stimme würde zu Caleb gehören, doch diese hier klang irgendwie böse und gemein. Ich fuhr herum und erblickte einen Mann mit Pferdekörper, doch es war nicht Caleb!

„H…Hallo“, stotterte ich hervor und versuchte meine Stimme überzeugend klingen zu lassen.

„Was willst du hier?“, brüllte mir der offenbar äußerst schlecht gelaunte Centaur entgegen und ich fuhr zusammen.

„Ich suche Caleb…“, gab ich kleinlaut zu. Dieser große rot-borstige Pferdemann war irgendwie ganz anders als meine Begegnung heute Morgen. Er machte mir mit seiner lauten Stimme wirklich Angst! Plötzlich kam er einen großen Schritt auf mich zu, ich wollte zurückweichen, aber stolperte mit meinen Schuhen über eine Baumwurzel und fiel auf meinen Po.

„Aua!“, murrte ich und rieb mir das Steißbein.

„Woher kennst du Caleb!?“ brüllte der Centaur auf einmal und streckte eine seiner großen Hände nach mir aus. Er fasste meinen Arm, zerquetschte ihn fast und zog mich grob daran hoch.

„Hey! Loslassen!“, protestierte ich und versuchte mich aus seinem eisernen Griff zu wenden, doch der Centaur war viel zu kräftig und er zog mich mit glühenden Augen zu sich. Panik stieg in mir auf. Dieses Exemplar schien mir Böses zu wollen und ich spürte, wie mir der Angstschweiß den Nacken hinabrann. Schreien würde mir nichts bringen, ich war so tief im Wald, dass kein Mensch mich hören würde. Aber was sollte ich tun? Tränen stiegen mir in die Augen und mit einem verzweifelten „Nein!“ riss ich mich schließlich los und nahm die Beine in die Hand.

Ich rannte einfach blind drauf los, ich wusste zwar nicht wohin, aber ich wollte weg von diesem bösen Centauren! Keuchend hetzte ich an Bäumen vorbei, meine Kleidung verfing sich ein ums andere Mal in tiefhängenden Ästen und rissen mein Shirt in Fetzen, aber ich dachte nicht daran, langsamer zu laufen! Immer weiter rannte ich, sprang über abgebrochene Äste, stürzte ins weiche Moos und schlug mich durch Brennnesselfelder. So eine Angst hatte ich noch nie gespürt!

Erst als mein Körper mir unmissverständlich signalisierte, dass er nicht mehr weiter konnte, blieb ich nach Luft ringend stehen und schaute mich hektisch um. Niemand zu sehen! Vermutlich hatte ich den kräftigen Pferdemann zwischen den dichten Bäumen abgehängt.

„Puh!“ Ich atmete kräftig aus und sank kraftlos an einem nahen Baumstamm herab.

Kapitel 7 - Abschied

Ich musste vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, blinkten mir die Sterne entgegen. Au weia! Mom und Dad machten sich bestimmt schon Sorgen um mich! Mit der hereinbrechenden Nacht war auch die Kälte über mich gekommen. Ich fröstelte und schlang mir die Arme um den Oberkörper. Mein Top war knapp unter meiner Brust zerrissen und gab den Blick auf meinen flachen Bauch frei auf dem sich gerade eine Gänsehaut bildete.

„Wie soll ich hier nur wieder wegkommen?“ Ich wollte vor Wut auf mich selbst gegen den nächsten Baumstamm treten, da hörte ich auf einmal ein seltsames Geräusch. Es war weniger ein einzelner Laut, sondern viel mehr eine zusammenhängende Melodie. Doch woher kam sie? Und wer spielte sie? Ich hatte solche lieblichen Töne schon einmal gehört, doch kam einfach nicht drauf, welchem Instrument sie zuzuordnen waren…

Wie gebannt von diesen schönen Tönen, stand ich auf und versuchte zu bestimmen, aus welcher Richtung mir die sanfte Melodie entgegenwehte. Gefühlt, kam sie direkt aus dem dichten Gebüsch vor mir. Neugierig ging ich darauf zu um ihren Ursprung zu entdecken. Ich steckte zunächst meinen Kopf durch die grünen Blätter und versuchte etwas zu erkennen, doch das war alles andere als leicht, da es bereits Dunkel geworden war und nur die Sterne Licht spendeten.

„Ach Mystery, was hast du noch zu verlieren?“, sagte ich mir selbst und quetschte mich schließlich durch den Busch auf die andere Seite, dort sah ich ihn:

Direkt vor mir befand sich eine Waldlichtung mit einem kleinen See in der Mitte, am Ufer hatte sich ein schwarzer Centaur niedergelassen und spielte einsam auf einer goldenen Harfe. Das Mondlicht brach durch die Wolken und fiel genau auf sein schönes Gesicht und betonte nur noch mehr seine ohnehin schon ansehnlichen Brustmuskeln. Sanft, wie von tiefen Gefühlen mitgerissen, neigte er den Kopf zur Melodie und schien ganz versunken in die herrlichen Harfenklänge.

„Caleb!“ , brachte ich überglücklich heraus und stürzte aus dem Busch heraus.

„Mystery?“ Der adonisgleiche Centaur drehte sich verwundert nach mir um und erspähte mich, wie ich ungeschickt versuchte, das Dornengestrüpp von meiner Leggins zu lösen.

„Ich bin so froh, dich zu sehen. Ich habe dich gesucht!“, klagte ich schon wieder den Tränen nahe und umarmte Caleb, dem ich bloß bis zum Bauchnabel reichte, stürmisch. Er erwiderte meine liebevolle Geste und tätschelte mir den Kopf, dann aber drückte er sich vorsichtig von mir weg und sah mich eindringlich an.

„Was ist mit dir passiert, Mystery? Deine Kleidung ist ja ganz zerrissen…“, fragte er und bemühte sich sichtbar, mir nicht den Brustausschnitt zu gucken, der meinen verrutschten BH zeigte. Hastig, versuchte ich alles zu richten, scheiterte aber kläglich. Meine Knie waren von meinem Spurt noch immer weich wie Butter und ich fürchtete, einzuknicken.

„Da war… da war jemand wie du, er hat mich angegriffen, ich glaube er wollte mir etwas antun“, meine Stimme zitterte so sehr bei dem Gedanken an den roten Centaur, dass Caleb kein Wort verstehen konnte. Fragend sah er mich an und legte mir beruhigend seine große Hand an die kalte Wange.

„Caleb!“ durchfuhr plötzlich eine kalte Stimme die Nacht und Caleb und ich wendeten uns gleichzeitig zu dem Sprecher um, der noch im Schatten einer großen Linde stand.

„Cendrik…“, begrüßte mein schwarzbostiger Beschützer den Fremden mit seinem Namen. Ja, ab diesem Moment nannte ich Caleb meinen Beschützer, denn bei ihm fühlte ich mich aus irgendeinem Grund immer sicher und geborgen. An seiner Seite würde mir nichts geschehen können, da war ich mir sicher!

„Was hast du mit der Menschenfrau zu schaffen?“, erkundigte sich der Fremde und trat nun mit klappernden Hufen aus dem Schatten der Bäume. Zu meinem Entsetzen handelte es sich bei dem Sprecher um  den roten Centauren, der mich eben noch durch den ganzen Wald gehetzt hatte. Wie fremdgesteuert schob ich mich an Calebs Seite. Nein, hier konnte mir nichts geschehen.

„Sie hat mir heute Morgen einen Freundschaftsdienst erwiesen, nun steht sie unter meinem Schutz.“ Wieder wurden mir die Knie weich… Unter seinem Schutz? Wie meinte er das?

„Sei nicht albern Caleb. Der Clan duldet so etwas nicht!“

Mit einem Schnauben trabte Caleb vor mich und baute sich vor Cendrik auf.

„Hör zu Cendrik… Sie ist uns nicht feindlich gesinnt“, brachte er hervor. Ich merkte sofort, dass die beiden sich kennen mussten, Caleb schien großen Respekt vor dem anderen Centauren zu haben, seine Worte glichen mehr einer Bitte als einer Feststellung. Einen kurzen Augenblick lang starrten mich die dunklen Augen von Cendrik feindselig an, er schien zu überlegen, wie er mich am besten beseitigen könnte.

„Sie wird ein Problem sein, Caleb. Kennt sie dein Geheimnis?“, der fuchsfarbene  Centaur zog fragend eine seiner dichten Augenbrauen hoch.

„Natürlich nicht, Cendrik! Sie weiß nichts…“

Verwirrt sah ich zwischen Calebs smaragdgrünen Augen und den kalten stechenden von Cendrik hin und her. Ich hatte das Gefühl, er wollte mich mit seinem Blick erdolchen.  Aber worum ging es hier überhaupt? Was war Calebs Geheimnis?

Mein Beschützer schenkte mir einen langen und intensiven Blick. Das helle Mondlicht spiegelte sich auf seinem schwarzen Haar und ich musste vor Faszination laut schlucken. Er war einfach so wunderschön. Doch plötzlich verzerrten sich seine Züge zu einer Maske des Leidens.

„Du musst gehen, Mystery. Du musst gehen und mich vergessen. Ich werde dich nach Hause bringen und dann musst du mich vergessen. Versprich es!“, Calebs harten Worte trafen mich wie Pfeile ins Herz.

„Aber Caleb, ich…“, setzte ich an, doch Cendriks grollende Stimme fuhr dazwischen und brachte mich sofort zum Schweigen.

„Bring sie fort von hier, Caleb! Und dann werden wir uns unterhalten!“

Caleb schluckte schwer und ich sah an seinen Augen, dass Cendriks Worte scheinbar nichts Gutes bedeuten konnten. Er nickte dem großen Centauren zu und berührte mich an der Schulter.

„Komm, Mystery, wir sollten gehen…“

Ich starrte die beiden Centauren noch  immer  ängstlich an, Cendrik war irgendwie so anders als mein Caleb. Irgendwie ging etwas Bedrohliches, wenn nicht gar etwas Herrisches von ihm aus. Müde schwang ich mich nach einer weiteren Aufforderung auf Calebs starken Rücken und hielt mich an seiner, trotz der nächtlichen Kälte, heißen Taille fest.

Er schenkte Cendrik noch einen letzten unterwürfigen Blick, dann galoppierte er wiehernd los und preschte durch die Dunkelheit des Waldes. Er trabte so schnell voran, dass ich kaum ein Wort mit ihm wechseln konnte. Der Wind riss mir meine Worte vom Mund und so schwiegen wir uns gegenseitig an, bis wir den Waldrand erreichten.

Wortlos stieg ich ab, ich hatte das erdrückende Gefühl, dass ich den wunderschönen schwarzen Centauren vor mir, nie wieder sehen würde.

„Caleb…“ setzte ich  noch einmal an und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte ihm sagen, dass ich nicht wollte, dass er geht. Ich wollte ihm meine Gefühle offenbaren, aber er legte mir einen seiner Finger auf die Lippen und schüttelte nur traurig den Kopf.

„Nein, Mystery. Ich weiß was du fragen willst, aber es geht nicht. Ich muss Cendriks beziehungsweise Duncans Worten Folge leisten. Er ist der Clanführer und…“, seine Worte brachen ab, traurig wendete er sein hübsches Gesicht von mir und starrte in die Dunkelheit, „Ich muss gehen, liebste Mystery. Ich muss gehen!“

Als er mir einen letzten Blick zuwarf, sah ich Tränen in seinen Augen glitzern. Dann wandte er sich um und verschwand in die Finsternis der nahen Bäume.

Ich blieb noch stehen, bis seine Hufschläge nach ein paar Sekunden im Dickicht verklangen, dann gaben meine Beine nach und ich brach schluchzend zusammen. In diesem Moment fühlte ich etwas in meinem Herz zerbrechen.

 

Kapitel 8 - Cain Date

Von Mittwoch bis Freitag hatte ich mich nur in meinem Zimmer verkrochen und geweint. Und ich hatte auch nicht vor, es jemals wieder zu verlassen. Meiner Mom hatte ich gesagt, ich wäre total erkältet und so bemerkte sie nicht, dass die geschwollenen Augen und die gerötete Nase von meinem nie enden wollenden Liebesschmerz herrührten.

Wie konnte er mir das nur antun!? Bereits nach so wenigen Tagen hatte ich mich Hals über Kopf verliebt. In einen Centauren! Wir gehörten verschiedenen Spezies an! Es durfte nicht sein... Auch wenn es mir mein junges Herz brach, ich musste mich von ihm fernhalten.

Als hätte man meine Gedankengänge verfolgt, klingelte mein Handy.

„Unbekannt ... Wer das wohl ist?“, fragte ich mich und schniefte noch einmal laut auf, ehe ich auf den grünen Hörer drückte.

„Ja ...?“, meldete ich mich und versuchte, möglichst lässig und normal zu klingen.

„Hallo, Mystery ...“, schnurrte Cain in den Hörer und ich hätte beinahe hyperventiliert. Angespannt setzte ich mich auf und versuchte, meine Gedanken voll und ganz auf meinen Gesprächspartner – und zwar auf sein Gesicht und auf keine anderen Körperteile – zu konzentrieren. Das gelang mir mehr schlecht als recht, denn kaum begann er zu sprechen, erinnerte ich mich wieder an die heiße Szene während des Sportunterrichts...

„Nun, ich habe mich gefragt, ob du am Samstag Lust hast, mit mir Eislaufen zu gehen. Wir können danach auch etwas essen, falls du -“

„JA!“, brüllte ich schon fast in den Hörer. Endlich konnte ich mich von Caleb ablenken. Und vielleicht konnte ich ihn durch Cain auch ganz vergessen ...

„Ähm ... Okay... Wir treffen uns morgen um 16:00 Uhr vor der Eislaufbahn. Weißt du, wo die ist?“ Begeistert nickte ich, ehe ich merkte, dass ich ja ein Telefon in der Hand hielt.

„Na klar. Bis dann, Cal ... Cain!“ Kaum hatte ich aufgelegt, sprang ich von meinem Bett auf und riss die Schranktüren auf, während ich Cynthialette anrief. Meine Traurigkeit war auf einmal wie weggewischt!

„Du musst sofort zu mir kommen!“, blaffte ich in mein Handy, als meine Freundin abnahm, „Ich brauche deine Hilfe mit Klamotten! Morgen bin ich mit Cain verabredet! Pass auf, ich habe an Blau gedacht, wir gehen ja eislaufen und ...“

*

Aufgeregt trat ich von einem Bein auf das andere und starrte immer wieder nervös auf meine rosafarbene Armbanduhr. Dank Cynthialettes Hilfe trug ich nun das perfekte Outfit! Und zwar eine flauschige weiße Jacke über einem knielangen, hellblauen Kleid und ebenfalls weiße Stiefeletten. Passend zu meiner Kleidung hatte ich das Gefühl, ich würde schweben! Eislaufen hatte ich schon immer geliebt und wer wusste schon, was heute noch alles passieren würde? Gerade, als ich mich schon fragen wollte, ob Cain heute überhaupt noch auftauchen würde - immerhin stand ich hier bereits eine halbe Stunde - kam er um die Ecke gerannt.

„Hey, Cain!“, rief ich, „Warum hast du so lange gebraucht?“ Kaum stand er vor mir, verlor ich mein ganzes Selbstbewusstsein. Mein Gott, ich starrte ihn an, als sei ich ein kleines Schulmädchen!

„Mir ... kam etwas dazwischen ...“, murmelte er nur und grinste dann, „Du siehst toll aus!“ Er legte mir seine große Hand auf den Rücken, um mich in die Eishalle zu schieben.

„Äh ... Danke ...“, flüsterte ich und wurde prompt rot. Er lachte leise und nachdem wir uns die Schlittschuhe angezogen hatten, sprang Cain sofort auf die Bahn. Offenbar war er schon oft hier gewesen. Das konnte ich von mir nicht behaupten ... Bisher war ich vielleicht ein- oder zweimal Eislaufen gewesen. Zwar machte es mir großen Spaß, aber das letzte Mal hatte es mit einem Beinbruch im Krankenhaus geendet ...

„Na komm schon!“ Ungeduldig zog mich Cain ebenfalls auf die Eisfläche. Mit aller Kraft versuchte ich, mich auf den Beinen zu halten, doch kaum hatte Cain meine Hand losgelassen, wankte ich bedrohlich und klammerte mich an seine Schultern. Sein wohliger Körpergeruch drang mir in die Nase und ich musste an mich halten, meine Hände nicht auf Wanderschaft zu schicken. Was zur Hölle war nur mit mir los!? Ich kicherte nervös und löste mich schnell von ihm. Er lächelte aufmunternd und legte seine Hände auf meine Hüften.

„Ich führe dich ...“, flüsterte er und ich hätte beinahe laut geseufzt. Einige Minuten schlitterten wir einfach nur eng umschlungen über die Bahn, bis mich jemand anstieß und Cain mich unbeabsichtigt losließ. Natürlich fiel ich sofort hin, worauf hinter mir ein gehässiges Lachen ertönte.

„Meine Güte, die Standhaftigkeit eines Strohhalms!“, rief Mandy und drehte sich elegant zu ihrer Begleitung um.

„Kevin?“, schoss es mir durch den Kopf als ich die grünen Augen und das pechschwarze Haar widererkannte. Er starrte mich etwas merkwürdig an. Ich meinte, eine gewisse ... Traurigkeit in seinen Augen zu erkennen. Traurigkeit? Was dachte ich da? Ich schüttelte den Kopf und stand schwerfällig auf. Diese Mandy war echt eine blöde Ziege und die Lust am Eislaufen war mir vergangen. Plötzlich fühlte es sich unglaublich falsch an, alles was ich hier tat. Ich konnte meinen Kummer wegen Caleb doch nicht einfach mit dem heißen Schulschwarm ersticken. Nein, so war ich nicht!

Mit wirren Gedanken verabschiedete ich mich von Cain und machte mich auf den Weg nach Hause. Aus irgendwelchen Gründen, wollten die Tränen nicht aufhören, über meine Wangen zu rollen …

 

POV Kevin

Mein Herz zerriss als ich ihr nachsah. Sie hatte verstört ausgesehen. Zutiefst verstört. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Aber Mandy hatte immer und immer wieder nach einem Date gefragt und ich hatte gedacht, wenn sie aufs Eis fällt, dann kann mich das zumindest eine Sekunde lang aufheitern. Ich hatte ja nicht ahnen können, dass sie auch hier war. Ich wusste, dass Cendrik Recht hatte. Ich hatte sie gehen lassen müssen, es ging nicht anders. Von daher durfte es mir an sich auch nichts ausmachen, dass sie sich mit anderen Männern traf. Das Leben ging weiter und schließlich wollte ich ja, dass sie glücklich wird. Und dennoch … unbändige Wut schäumte in mir auf. Wenn sie schon mit einem anderen Mann außer mir glücklich werden sollte, dann sollte ich den lieber nicht zu Gesicht bekommen.

Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als diesen Cain beim Kragen seiner Jacke zu packen und mit ihm gegen die nächste Bande zu krachen. Er hatte seine dreckigen Finger an ihr gehabt! Cain war sogar noch ein paar Zentimeter größer als ich und ebenso kräftig, dennoch hatte ich ihn mit meiner Aktion so überrascht, dass er ein wenig das Gleichgewicht auf seinen Schlittschuhen verlor und sich mir nicht entgegen stellen konnte.

Verwirrt hing er in seinen Sachen an meinen Fäusten. Meine Augen funkelten ihn bedrohlich an. Mandy schrie kurz auf, aber das nahm ich gar nicht mehr richtig wahr. Meine ganze Konzentration galt meinem Konkurrenten, denn das war er. Nie zuvor hatte ich Feindschaft einem Menschen gegenüber empfunden, so wie jetzt. Die einzelnen Centauren-Clans – seit vor Jahren die Herrschaftsspitze zerfallen war und es keinen König mehr gab – leisteten sich teilweise blutige Kriege und Schlachten abseits von wachsamen Menschenaugen. Dagegen schienen einem ihre Probleme als geradezu lächerlich und banal. Bis auf jetzt. Doch Cain schien, nun, da er sich von dem ersten Schreck erholt hatte, keineswegs eingeschüchtert von meinem Gebaren. Was ich nicht verstand, denn normalerweise waren Centauren immer kräftiger als Menschen, auch wenn es nicht so aussah.

Er hatte sein Gleichgewicht wieder gefunden und richtete sich nun in seiner vollen, beeindruckenden Größe auf. Seine braunen Augen taxierten mich, auf seinem Mund lag ein belustigtes Lächeln. Was gab es denn da zu grinsen?! Das machte mich fast noch wütender, wenn das überhaupt noch möglich war. „Was ist, ist da jemand eifersüchtig?“, fragte er mich süffisant. Ich ballte die Faust. Ich war so kurz davor ihm ins Gesicht zu schlagen. Und zwar mit der Kraft eines Hufes. Möglich, dass ihm das den Schädel zertrümmerte, weil ich gerade kaum noch in der Lage war, mich zu kontrollieren, deswegen konnte ich mich gerade noch so zurückhalten es nicht zu tun. Wenn ich als Kevin wegen eines Mordes angezeigt werden sollte, dann musste ich von hier verschwinden. Was hieß, dass ich Mystery endgültig nie wieder sehen konnte. Ein Umstand, der inakzeptabel war.

„Lass … die Finger … von ihr“, quetschte ich mühsam durch meine Zähne hervor, die beinahe schon schmerzlich fest aufeinandergepresst waren. Meine Hände hatte ich von ihm genommen, ich hielt es für das Beste, ehe hier ein echtes Unglück geschah. Aber Cain dachte nicht einmal daran, höflich zu nicken und sich dankbar zu verziehen.

„Und was wenn nicht?“, herausfordernd hob er das Kinn. Irgendwas an der Geste kam mir seltsam vertraut vor, aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Cain und ich hatten bis auf den heutigen Tag nicht viel miteinander zu tun gehabt. Wir waren beide beliebt bei den Mädchen, gaben aber nicht viel darauf, das war dann aber auch schon unsere einzige Gemeinsamkeit.

„Glaub mir, du willst mich nicht kennenlernen, wenn ich …“, drohte ich ihm und unterdrückte in letzter Sekunde den Drang, mit den Kufen meiner Schuhe auf dem Eis zu scharren. Cain wich nicht zurück. Er baute sich vor mir auf. Ich fragte mich, warum ausgerechnet Mystery. Warum ausgerechnet das eine Mädchen, für das mein Herz unerklärliche Weise so heftig schlug. Ob ihn das gleiche an ihr anzog wie bei mir? Spürte er auch dieses starke Band zwischen ihnen? Ich konnte es mir kaum vorstellen. So etwas gab es doch nur einmal. Vielleicht interessierte er sich auch gar nicht so sehr für sie und wollte mich einfach nur ärgern.

„Denkst du, ich scheue vor dir, nur weil du einen auf großen Macker machst?“, fragte Cain mich.

„Der bessere möge gewinnen. Ich werde Freitag eine Party schmeißen und sie dazu einladen“, er kam ganz dicht an mein Gesicht heran, „Wir werden dann ja sehen, ob sie meiner Einladung folgt, oder nicht“, flüsterte er mir zu, stieß sich kraftvoll von der Bande ab und verschwand in der Menge. Ich sah ihm nach. Mandy war schon längst nicht mehr da und das war mir auch ganz recht so. Sie konnte mir so was von gestohlen bleiben, vielleicht ließ sie mich jetzt endlich in Ruhe. Ich durfte nicht zulassen, dass Mystery auf diese Party ging und sich weiterhin von Cain angraben ließ. Ich wollte nicht, dass er noch mehr in ihre Nähe kam, als er es ohnehin schon war. Und offenbar war für ihn das Ganze nicht mehr als ein Spiel. Das hatte sie erst recht nicht verdient. Irgendwie musste ich das zu verhindern wissen.

Kapitel 9 - Auf der Party

Am darauffolgenden Freitag lud Cain mich zu einer seiner berühmten Partys ein. Natürlich würden Mandy, Trish und Tracy auch da sein und das senkte meine Lust, die Einladung anzunehmen. Aber irgendwie fühlte ich mich Cain gegenüber schuldig. Schließlich war ich letzte Woche von jetzt auf gleich von unserer Verabredung geflohen. Seufzend entschied ich mich dazu, einfach mal dort vorbeizuschauen. Vielleicht würde mich die gute Stimmung mitreißen und aus meiner Depression holen können.

Ich saß schon seit einer halben Ewigkeit auf dieser winzigen Couch, zumindest erschien es mir so. Vor mir auf dem Tisch stand meine volle Tasse, die ich nicht anzurühren wagte, seit ich einen ersten und einzigen Schluck daraus getrunken hatte. Das war nicht Cola mit einem Schuss Whiskey, sondern Whiskey mit einem Schuss Cola! Ich kannte mich, was Alkohol anging, zwar nicht so gut aus, da ich sowieso nie welchen trank, aber ich ließ lieber doch die Finger von diesem Gemisch. Sonst landete ich am Ende noch betrunken in irgendeinem Gebüsch.

Vom Gastgeber war keine Spur zu sehen und ich beschloss, die Party zu verlassen, obwohl sie noch in vollem Gange war. Aber ich war ohnehin nie der Typ Mädchen gewesen, der gern auf Partys ging, zu viel Gedränge und zu laute Musik für meinen Geschmack. Ich war nur Cain zuliebe hier, schließlich sollte ich es ausnutzen, dass einer der begehrtesten Typen der Schule Interesse an mir zeigte und mich auf seine Party einlud. Andererseits … So behandelte man doch nicht seine Gäste, oder? Seit er mir die Tür geöffnet hatte, hatte ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen und ich hatte keine Lust mehr, zwischen betrunkenen, schwitzenden Jugendlichen zu sitzen und mich maßlos zu langweilen. Wenn Cynthialette hier gewesen wäre, hätten wir uns sicher gemeinsam die Zeit vertreiben können, aber anscheinend war sie für Cain unerwünscht.

Also erhob ich mich und bahnte mir einen Weg zur Terasse. Beim Rausgehen erhaschte ich noch einen Blick auf Mandy, die einem Jungen auf der Tanzfläche gerade die Zunge in den Hals steckte, ihre übergroßen Silikonbrüste an seinen Oberkörper gepresst. So viel dazu, dass sie Kevins zukünftige Freundin wäre …

Endlich im Freien atmete ich erst einmal tief durch, die kühle Luft war eine willkommene Abwechslung zu der drückenden Hitze im Hausinnern. Leider war ich nicht allein, was ich jedoch nicht bemerkte, da es schon ziemlich dunkel war.

„Hey, Mystery“, hörte ich eine bekannte Stimme lallen. Ich drehte mich um und entdeckte Gary, dessen rotes Haar im schwachen Schein des Lichts glänzte.

„Hey, Gary“, erwiderte ich und lief zur Treppe, die mit wenigen Stufen auf den Rasen führte, „ich wollte gerade gehen.“

„Schon? Bleib doch noch ein Bisschen, es wird erst jetzt richtig, lustig!“ Er kam näher und legte mir seinen schweren Arm auf die Schultern. Während er sprach, hatte er sich mir zugewandt, sodass mir seine ekelhafte Fahne direkt ins Gesicht wehte. Er hatte ganz klar zu viel getrunken.

„Kann sein, aber ich würde trotzdem gerne gehen“, sagte ich und versuchte, seinen Arm von meiner Schultern zu heben. Vergeblich, Gary ließ sich nicht abwimmeln. Wieso war er eigentlich hier? Er gehörte ja wohl definitiv nicht zu den Schülern, mit denen sich Cain abgab.

„Weißt du, ich wollte das schon immer mal machen.“ Mit diesen Worten drehte er mich zu sich um und drückte prompt seine Lippen auf meine, und zwar so schnell, dass ich nicht den Hauch einer Chance hatte, es zu verhindern. Das hieß aber noch lange nicht, dass ich mir das gefallen lassen musste. Ich stieß ihn von mir und sah ihn wütend an.

„Was sollte das denn?!“ Er starrte ungeniert in meinen Ausschnitt, seine Augen waren glasig und seine Wangen gerötet.

„Das wollte ich schon immer mal machen“, wiederholte er undeutlich.

Ich versuchte mich aus seinem festen Griff zu winden, aber er war zu stark.

„Lass mich los!“, rief ich. Er grinste nur.

„Ach komm schon, Süße, ich weiß doch, dass du es auch willst.“ Süße? Seit wann nannte er mich so? Und seit wann benutzte er solche schlechten Standardsprüche? Ich versuchte erneut, mich loszureißen, aber seine Hand umschloss meinen Arm wie ein Schraubstock. Als er sein Gesicht wieder näher an meines brachte, wären mir vor Verzweiflung beinahe die Tränen gekommen, denn die Musik im Haus war zu laut, als dass irgendjemand mir zur Hilfe hätte eilen können.

„Lass sie sofort los!“, erklang plötzlich eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit jenseits der Terasse. Eine seltsam vertraute Stimme …

„Wer war das?“ Gary schreckte zur Seite, „Wer bist du?“

„Das kommt ganz darauf an, ob du sie jetzt loslässt, oder nicht“, lautete die Antwort und für einen Moment hätte ich schwören können, dass ich ein Augenpaar in der Schwärze des Abends funkeln sah, doch als ich blinzelte und erneut hinsah, war es verschwunden.

„Wenn du sie sofort loslässt, ist hier jemand, der dich mit einem blauen Auge davonkommen lässt. Buchstäblich. Wenn nicht ...“ Ein raues Lachen war zu hören und dieses Lachen sagte genug. Aber der Alkohol schien Gary mutiger gemacht zu haben.

„Komm und zeig dich“, verlangte er.

Es trat tatsächlich jemand aus dem Schatten der Bäume: Kevin! Noch nie hatte ich mich mehr gefreut, ihn zu sehen. Er erklomm die Stufen und stellte sich dicht vor Gary.

„Was sagst du nun?“, fragte er provozierend und ließ seine beachtlichen Muskeln unter dem schwarzen T-Shirt spielen.

„Ich … äh ...“, stammelte Gary und stolperte einen Schritt nach hinten, wobei er mich mitzog. Von seinem angetrunkenem Mut war nichts mehr zu sehen.

„Du sollst sie loslassen“, sagte Kevin, seine grünen Augen blitzten bedrohlich.

Fast sofort gehorchte Gary und schaute ängstlich zu Kevin empor, der ihn um Längen überragte.

„Und jetzt verschwinde!“

Wieder tat er, wie befohlen, eilte schnell ins Hausinnere und ließ mich somit mit Kevin allein.

„Danke“, murmelte ich, weil ich das für angebracht hielt, vermied es dabei jedoch, meinen Retter in der Not anzusehen, sondern heftete meinen Blick auf den Boden.

„Keine Ursache. Man lässt eine Maid in Not doch nicht im Stich“, zwinkerte er.

Ich wurde feuerrot und krallte meine Hände in den Stoff meines Kleides. Was sollte ich sagen? Was sollte ich tun? Am liebsten hätte ich mich in seine Arme geworfen, um seine Muskeln ertasten zu können, die mich so sehr entzückten. Aber wäre das wirklich klug gewesen? Immerhin war er in der Schule nicht gerade nett zu mir gewesen, sollte ich ihm das verzeihen, nur weil er mir dieses eine Mal den betrunkenen Gary vom Hals gehalten hatte? Als ich den Kopf hob und sein atemberaubendes Lächeln sah, wurde mir sofort klar: Ja, ich sollte und ich würde.

„Was hast du hier draußen gemacht?“, wollte ich wissen, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

„Ich bin nur kurz rausgegangen, weil es mir drinnen zu stickig wurde“, antwortete er, hörte jedoch nicht auf zu lächeln.

„Aha.“ Etwas Besseres fiel mir dazu nicht ein, ich war schrecklich im Small Talk.

Glücklicherweise rettete Kevin die Situation, ehe sich ein peinliches Schweigen über uns legen konnte.

„Wie wär's mit einem Spaziergang im Wald?“

War das eine gute Idee? Immerhin war es dunkel und ich würde mit ihm allein sein, weitab von anderen Leuten, wo er mir, wer weiß, was antun könnte. Aber ein Blick in seine strahlenden Augen genügte, um meine Zweifel zu zerstreuen. Bei ihm fühlte ich mich geborgen und sicher. Intuitiv wusste ich, dass ich ihm vertrauen konnte, also sagte ich zu.

 

Wenig später befanden wir uns auf einer Lichtung, die von Bäumen umgeben war. Und da konnte ich meine Neugier nicht länger zügeln. Denn eine Frage pochte wie wild in meinem Kopf:

„Wieso machst du das?“, platzte es aus mir heraus.

„Wieso mache ich was?“

„Na das! Wieso behandelst du mich in der Schule wie Dreck und rettest mich jetzt vor Gary, um dann mit mir Spazieren zu gehen? Wieso bist du auf einmal so?“, fragte ich lauter als geplant.

„Ich ...“, Kevin stockte und starrte auf die Bäume, ehe er den Mund öffnete, „weil ich es nicht mehr kann. Ich kann mich nicht mehr von dir fernhalten.“ Bevor der Sinn seiner Worte mein Gehirn erreicht hatte, war er schon bei mir und umfasste mein Gesicht mit den Händen, um sich im nächsten Augenblick zu mir hinunter zu beugen. Zu einem ungestümen Kuss voller entfesselter Leidenschaft und Sehnsucht.

Ich erstarrte, entspannte mich aber, als seine Lippen sich auf meinen zu zu bewegen begannen. Dann schlang ich die Arme um seinen Hals und streckte mich ihm entgegen, um noch näher bei ihm zu sein. Eine gefühlte Ewigkeit lang, die am besten niemals enden sollte, standen wir nur da und küssten uns. Aber irgendwann lösten wir uns voneinander, weil wir Luft zum Atmen benötigten und Kevin lehnte seine Stirn an meine.

„Ich liebe dich“, flüsterte er, „ich liebe dich, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“

Kapitel 10 - Stunden zu zweit

Wir gingen noch etwas weiter in den Wald, scheinbar suchte Kevin nach einem besonders schönen Plätzchen für uns.

Erst als wir auf einer vom Mond beschienenen Lichtung standen, schien er zu merken, was er gerade getan hatte. Er fuhr sich durch die Haare und drehte sich von mir weg. Ich spürte, wie ich langsam begann zu schwitzen. Er hatte sich für mich entschieden ... Er liebte mich wirklich. Und ich wollte ihn. Jetzt! Mehr als alles andere auf dieser Welt.

Ich beschloss, ihm zu zeigen, wie sehr ich ihn begehrte. Auch wenn ich diesen Entschluss, vermutlich schon seitdem sich unsere Blicke das erste Mal getroffen hatten, gefasst hatte, zitterte ich, als ich aus meinem Kleid schlüpfte. Plötzlich lag pure Erotik in der frischen Waldluft.

Lautlos ließ ich mein Kleid zu Boden gleiten und starrte schüchtern an mir hinab. Ob ich Kevin gefallen würde?

Als er sich zu mir umdrehte, erkannte ich eine Mischung aus Verwirrung, Angst, Hoffnung und ... flammender Begierde in seinen Augen. Sein Blick schweifte über meinen nur noch in einen durchsichtigen BH und einen pinken Slip gehüllten Körper und ich sah, wie er mit sich und seinem Verlangen kämpfte. Langsam trat ich auf ihn zu, doch er schüttelte den Kopf, sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht.

„Nein, wir dürfen das nicht ...“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und machte einen Schritt rückwärts. Ich musste mir ein zufriedenes Lächeln verkneifen. Man konnte deutlich sehen, wie sein Widerstand von Sekunde zu Sekunde schwand. Ja, er fand mich anziehend und ich genoss das Gefühl, auch von ihm begehrt zu werden. Als ich ihm so dicht gegenüber stand, dass sein schwer gehender Atem mein Gesicht traf, griff ich ihm in sein pechschwarzes Haar und zog ihn zu mir hinunter, bis meine Lippen fast sein Ohr berührten.

„Ich will dich aber tief in mir spüren ...“, säuselte ich ihm zu. Er erschauderte und machte noch einen Schritt rückwärts.

„Bitte“, flüsterte ich, nahm seine Hand und führte sie langsam von meinem Schlüsselbein hinab zu meinen Brüsten, über meinen Bauchnabel zu dem Punkt meines Körpers, der solch eine glühende Hitze aussandte, die mich auch in der kühlen Luft nicht frieren ließ ... Wir beide stöhnten leise auf und Kevin entzog mir seine Hand und packte mich an den Hüften.

„Du hast mich verzaubert ...“, wisperte er und presste seine Lippen verlangend auf meine. Unsere Zungen spielten miteinander, verflochten sich und ich hatte das Gefühl, sie wären nur füreinander geschaffen. Bereits jetzt presste Kevins pulsierende Härte gegen meinen Unterleib. Oh ja, er wollte mich und ich würde nicht länger warten können!

Eine seiner Hände fuhr durch mein schokoladenbraunes Haar und ich seufzte wohlig. Er fühlte sich so gut, so... richtig an! Meine Finger schoben sich über seine Brust hinunter zu seiner Hose, die ich langsam öffnete, bis sie sich zu meinem Kleid gesellte. Meine Lippen folgten meinen Fingern bis zum Saum seiner Shorts, die ich ihm nun ebenfalls hinunterzog. Eine heiße Begierde ergriff Besitz von mir und mir wurde wärmer und wärmer. Mein Unterleib sandte eine Hitze aus, die mir den Schweiß aus allen Poren trieb. Kevins männlicher Duft betäubte mich regelrecht und versetzte mich bereits jetzt in Ekstase.

Ich kniete mich vor ihn. Für einen Moment sahen wir uns einfach nur in die Augen. Ohne meinen Blick von seinem Gesicht abzuwenden, streichelte ich vorsichtig über jenen wohlgeformten Muskel, der sich mir bereits entgegenstreckte und beobachtete gespannt Kevins Gesichtszüge. Ich hatte mal in einem Mädchenmagazin gelesen, dass es die Männer verrückt machte, wenn man sie ansah, während man an ihrem besten Stück spielte. Und genau das wollte ich jetzt erproben.

„Schließ die Augen“, murmelte ich sanft und sah ihn erwartungsvoll an. Er nickte einfach nur, schloss die Augen und legte seinen Kopf in den Nacken. Seine Beine schienen leicht zu schwanken, doch er stand tapfer. Ich lächelte und übersäte das pulsierende Fleisch in meinen Händen mit zärtlichen Küssen. Kevin keuchte laut auf und riss die Augen auf.

„Mystery ...“, stöhnte er und packte wieder meinen Schopf. Ich stand, ebenfalls mit wackeligen Beinen auf und wir ließen uns am Ufer eines wie ein Diamant funkelnden Sees nieder. War dies nicht Calebs See, wo er auf seiner Harfe so liebliche Töne gespielt hatte? Ich war mir nicht sicher … Außerdem zählte jetzt etwas ganz anderes.

Mit flinken Fingern öffnete Kevin meinen BH und warf ihn achtlos zur Seite, ehe sein Mund meine Brustwarze umschloss. Leidenschaftlich saugte er abwechselnd an ihnen, umspielte und verwöhnte sie mit seinen Lippen und seiner Zunge, während seine Hände unaufhörlich an meinen Lenden hinauf und hinab strichen. Ich stöhnte unaufhörlich, zu mehr war ich im Moment einfach nicht fähig. Seine Hände auf meiner heißen Haut zu spüren, war als würde ein winziger Strom über mich fahren. Es war atemberaubend! So ein Gefühl hatte ich noch nie erleben dürfen!

„Nimm mich ...“, verlangte ich voll Lust, als er mir langsam mein nasses Höschen auszog. Ich spürte etwas Hartes an meinem Eingang entlangstreichen und konnte es fast nicht mehr aushalten.

„Oh, bitte ...“, schrie ich schon fast. Einen Moment lang zögerte Kevin, sah mir tief in die Augen und holte sich von jenen die Erlaubnis meine innere Barriere durchbrechen zu dürfen. Und mit einem kraftvollen Stoß drang sein Liebesknochen in meine tropfende Liebesgrotte. Für einen Moment durchzuckte mich ein leichter Schmerz, doch das Gefühl meinen geliebten Kevin in mir zu spüren, war bombastisch. Er begann sich zuerst zögerlich in mir zu bewegen, doch nach einiger Zeit wurden seine Stöße ungestümer, wilder und schließlich fand unsere Lust mit einem lauten Aufschrei ihren plötzlichen Höhepunkt.

Kapitel 11 - Die Wahrheit

Wohlig seufzend kuschelte ich mich an seine breite Brust.

„Ich liebe dich ...“, flüsterte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Ich dich auch“, antwortete ich und ließ meinen Blick schweifen. Der Mond neigte sich dem Horizont entgegen. Erschrocken setzte ich mich auf.

„Was ist ..?“, murmelte Kevin und strich verträumt meine Wirbelsäule entlang.

„Ich muss nach Hause, bevor die Sonne aufgeht! Mom und Dad werden ausflippen ...“, hektisch sprang ich auf und sammelte meine wild verstreute Kleidung ein, um mich schnell wieder anzuziehen.

„Warte!“, Kevin hielt mich an meinem Arm fest und zwang mich, ihm ins Gesicht zusehen.

„Es gibt da Dinge, die du wissen musst.“ Verwirrt sah ich in seine smaragdgrünen Augen.

„Was ...?“, fragte ich und mir wurde fast schon wieder schwindelig. Als wäre sein Duft ein Aphrodisiakum...

„Ich ... bin nicht wie du ...“ Er ließ meinen Arm los und trat einen Schritt zurück.

„Wie meinst du das?“ Ich wollte ihm wieder näher kommen, allein schon, wegen seines unbeschreiblichen Duftes, doch ein grelles Licht, das offenbar von seinem makellosen nackten Körper ausging, ließ mich meinen Blick von ihm abwenden. Was war das jetzt schon wieder?

Als ich merkte, dass das Licht schwächer wurde, wandte ich mich ihm wieder zu und erstarrte. „C ... Caleb..?“, wisperte ich als ich plötzlich den schwarzen Centauren vor mir stehen sah und strich wie in Trance über seine Bauchmuskeln. Als er merkte, dass mir die Worte fehlten, begann er, unruhig hin und her zu tänzeln.

„Bitte, verachte mich nicht für das, was ich bin ...“, seine wunderschönen Augen füllten sich mit Tränen, die ich ihm nur aus dem Gesicht streichen konnte, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte.

„Du warst es also die ganze Zeit … Ich habe es irgendwie gespürt …Und ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen!“, brachte ich erstaunt hervor, „Wie könnte ich dich je verachten? Ich liebe dich doch!“

Bei diesen Worten hellte sich sein Gesicht auf und er küsste mich stürmisch.

„Es tut mir so leid, Mystery. Ich wollte dich damals nicht einfach so stehenlassen. Doch Cendrik hat mir verboten, dich wiederzusehen. Aber ich musste. Wenigstens als Kevin wollte ich immer bei dir sein. Du durftest nur nie erfahren, wer ich wirklich bin. Doch als ich dich heute Abend sah, da … da musste ich mich dir einfach nähern!“ Erneut küssten wir uns leidenschaftlich. Ich war so froh, dass Caleb mir nun endlich die Wahrheit gesagt hatte. Doch auch wenn ich es nicht wollte, musste ich mich schließlich von seinen seidenweichen Lippe lösen.

„Ich muss wirklich nach Hause!“ Er nickte, fügte jedoch hinzu: „Ich möchte dich nach Hause bringen!“ Schnell schüttelte ich den Kopf und zupfte mein Kleid zurecht.

„Mein Dad wird ausflippen, wenn ein Mann mich nach Hause bringt!“ Er stimmte mir widerwillig zu, ließ es sich jedoch nicht nehmen, mich bis zum Waldrand zu bringen. Vermutlich, weil er um meinen miserablen Orientierungssinn wusste ...

 

Immer noch etwas wackelig auf meinen Beinen machte ich mich auf den Nachhauseweg. Eigentlich hatte ich mich gar nicht von Caleb trennen wollen. Undzwar nie mehr. Das, was da zwischen uns abgelaufen war, das konnte man als nichts Anderes als pure Magie bezeichnen. Unsere Körper hatten sich ineinandergefügt und ein Ganzes gebildet, so wie es von der Natur wohl vorhergesehen war. Aber es war eine der ersten Partys, auf der ich gewesen war und sicherlich würden meine Eltern ein Auge darauf haben, wann und mit wem ich wiederkam. Nichtsahnend, dass zu ihnen nicht ihr kleines Mädchen zurückkehrte, sondern eine vollwertige Frau.

Mein erstes Mal hatte wohl schneller stattgefunden, als ich es hätte vorausahnen können, aber gegen diesen Sog zwischen uns hätte ich mich nicht wehren können, selbst wenn ich gewollt hätte. Und ich bereute keine Sekunde davon!

Noch immer fühlte ich Kevins Körper noch ganz nah bei mir und noch immer nahm ich seinen Geruch an mir wahr. Am liebsten wollte ich mich nicht mehr waschen, um ihn so ewig bei mir tragen zu können. Aber ich würde ihn ja ohnehin bald wiedersehen. Gleich Montag in der Schule. Und dann würden wir endlich über alles reden können!

Schon bei dem Gedanken daran erhellte ein Lächeln mein Gesicht. Er hatte mich eigentlich noch bis vor die Haustür bringen wollen, aber auch hier hielt ich es für besser, dass meine Eltern erst mal nichts davon mitbekamen. Ich, als ihre einzige Tochter, würde ihnen schonend beibringen müssen, dass ich nun erwachsen wurde und bereits einen Freund hatte. Denn das hatte ich. Kevin und ich waren ab heute ein Paar. Wir hatten das nicht aussprechen müssen, um das zu wissen.

Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Meine Augen zuckten durch die Dunkelheit, konnten aber nichts erspähen, außer einer leeren Straße, die an ein paar Bäume grenzte, und ein paar Straßenlaternen, die ihr gelbliches Neonlicht mehr schlecht als recht ausstrahlten. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas in den schattigen Partien zu erkennen. Nichts. Es musste nur ein Tier gewesen sein, vielleicht hatte ich es mir aber auch nur vollkommen eingebildet. Nichtsahnend drehte ich mich wieder um.

Meine Gedanken schnellten sofort wieder zu Kevin. Deswegen dachte ich mir auch nichts dabei, als ich Hufe hinter mir klackern hörte. Doch als ich stehen blieb und abermals lauschte, hörte ich es immer noch. Es klang wie ein Pferd, das auf Asphalt lief. Aber natürlich war es kein Pferd. Mein ohnehin schon wie festgetackertes Lächeln wurde nochmals breiter. Selbstverständlich hatte Kevin – beziehungsweise Caleb, wie ich ja inzwischen wusste – es sich nicht nehmen lassen, auf meinem Weg nach Hause trotzdem ein schützendes Auge auf mich zu werfen, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass dies nicht nötig war. Grade, als ich mich umdrehen und mich in seine starken Arme werfen wollte, um ihn mit dankbaren Küssen zu übersäen, spürte ich einen dumpfen Schlag auf meinen Kopf. Augenblicklich wurde mir schwarz vor Augen. Ich merkte nicht einmal mehr, wie mein Körper auf dem Boden aufschlug.

Kapitel 12 - Gefangen

Ich stöhnte leise und setzte mich auf. Was war nur passiert? Eben noch war ich auf dem Heimweg von der Party, auf der mir mein Schwarm Kevin seine Liebe gestand und nun? Verwirrt sah ich mich um. War dies hier eine Art... Keller? Wie kam ich hierher? Ich wollte aufstehen doch Ketten hielten mich zurück. Erschöpft ließ ich mich zurück auf den kalten, feuchten Steinboden fallen.

Tränen stiegen mir in die Augen. Würde ich diesen Raum jemals verlassen können? Mom... Dad... Cynthialette... Kevin... Würde ich sie jemals wieder sehen? Oh, Kevin... Während ich noch in Gedanken bei meinem Geliebten war, öffnete sich eine schwere Holztür am anderen Ende des Raumes.

„Duncan!“, schrie ich, als ich den roten Centauren im schwachen Licht erkannte und nun weinte ich wirklich, „Gott sei Dank, du hast mich gefunden! Wie? Und... Warum bin ich überhaupt hier..!?“  Er verdrehte die Augen als er merkte, dass ich die Situation falsch interpretiert hatte und kam gefährlich langsam auf mich zu. 

„Das fragst du noch, du kleine, dreckige Hure!?“, brüllte er und schlug mir ins Gesicht. Geschockt starrte ich ihn an. Was hatte das zu bedeuten? 

„W-Was..?“, flüsterte ich und ignorierte den Schmerz, der sich in meiner Wange breit machte.  „Sieh dich nur an! Du bist ein NICHTS! Caleb braucht jemanden, der ihn beschützt, nicht jemanden, der von ihm beschützt werden muss!“ Sein Blick richtete sich in die Ferne und wurde leicht glasig. 

„Ich liebe ihn, weißt du, Mystery...?“ Mit offenem Mund war ich zu nichts anderem fähig, außer ihm gespannt zuzuhören. „Und wenn du nicht mehr bist, wird er jemanden brauchen, der ihn tröstet...“, sinnierte er vor sich hin und lief vor mir auf und ab. 

„Du bist wahnsinnig, Duncan!“, rief ich und zerrte an meinen Ketten. „Er liebt nur mich! Du wirst daran nichts ändern können!“ „Wahnsinnig … vor Liebe zu meinem Wildfang Caleb, dies ist wahr, kleine Mystery. Ich werde ihn nicht aufgeben. Aber du hast noch die Chance dazu. Schwöre, dass du die Finger von ihm lässt!“

„Niemals!“, flüsterte ich zitternd. „Dann...“, er beugte sich zu mir hinunter und packte mich grob am Kinn, „fürchte ich, haben wir ein Problem.“

Da war er wieder, dieser furchtbar schmerzende und alles durchdringende Blick von Duncan. Ich konnte ihm nicht lange standhalten und wandte mich ab so gut es mir möglich war. Was redete er da bloß? Wieso war Caleb SEIN Wildfang? Er hatte doch mir die Liebe geschworen. Das war noch keine Stunde her!

„Ach was…“, zischte Duncan plötzlich abschätzig und holte mich aus meinen Gedanken heraus, „an dir brauche ich mir nicht die Hände schmutzig zu machen. Ich werde dich einfach hier verrecken lassen!“ Er brach in ein schier wahnsinniges Gelächter aus und warf den Kopf in den Nacken. Dann wurde seine Miene wieder ganz ernst und er schenkte mir ein sanftes aber durch und durch böses Lächeln.

„Mach‘s gut, Mystery. Jetzt gehört Caleb mir! Ich werde ihm einfach sagen, dass du dich von ihm abgewandt hast und ihn nie mehr wiedersehen willst.“ Mit diesen süß dahin gehauchten Worten fuhr er sich durch das fuchsfarbene Haar und machte sich zu der schweren Kellertür auf, aus der er eben zu mir gekommen war. Meine tränenverschwommene Sicht reichte nicht mehr so weit um es sehen zu können, doch ich hörte, wie er die massive Tür hinter sich ins Schloss zog und mich im Halbdunkeln allein ließ.

Nein, nein nein, das durfte nicht sein! Ich liebte Caleb doch! Ich musste zu ihm und verhindern, dass Duncan ihm diese falsche Nachricht von mir brachte!

Ich war dem Wahnsinn nah, zerrte unentwegt an meinen Ketten und stellte fest, dass ich mich mit etwas Fingerspitzengefühl und eingezogenem Bauch daraus entwirren konnte!

„Ja, geschafft!“, freute ich mich leise als die klirrenden Ketten sich von mir gelöst hatten und nun auf den kalten Boden fielen. Aber wie ging es jetzt weiter? Ich beschloss mich erst einmal genau umzusehen und mir ein Bild von der Lage zu machen.

Ein mittelgroßes Fenster, durch welches das spärliche Licht einer Straßenlaterne von draußen fiel, ragte über mir auf. Doch es befand sich außerhalb meiner Greifhöhe! Ach, was musste ich auch so ein Winzling sein!? Ich ließ meinen Blick weiter schweifen, doch außer einer mittelgroßen Kiste, die direkt neben mir stand, und der Tür mir gegenüber, fand ich nichts. Kahle, schimmlige Wände grinsten mich an, eine Gänsehaut überkam mich. Tränen der Angst und der Verzweiflung flossen erneut. Gerade hatte ich noch Zärtlichkeiten mit meiner Liebe getauscht… und nun? 

„Caleb! Ich muss zu ihm!“ Von neuer Energie durchströmt, sprang ich auf. Dummerweise verhedderte sich mein Fuß in einer der Ketten, ich knickste um und fiel schreiend wieder zurück auf den harten Boden. Ein heftiger Schmerz durchzuckte mich, in diesem Moment dachte ich, ich hätte mir jeden Knochen meines Körpers gebrochen.

„So ein Mist! So ein verdammter Mist!“, heulte ich, umschlang meinen Fuß und sah hoffend zur Tür.

„Hilfe!'', schrie ich, bis meine Stimme versagte.  Meine Unterlippe begann zu zittern, da dachte ich plötzlich wieder an Kevin.  An meinen liebevollen Kevin mit dem tiefschwarzen Haar und dem makellosen Gesicht... Ich würde ihn wohl nie wieder sehen.

„Nein!“  Ein Geistesblitz durchfuhr mich. Voller Tatendrang stand ich auf, darauf bedacht nicht den verletzen Fuß zu belasten und schob die Kiste zum Fenster, wobei ich mich fragte, wieso ich nicht vorher daran gedacht hatte. Ich stieg hinauf und versuchte mit all meiner Kraft das Fenster zu öffnen. Mir trat vor Anstrengung der Schweiß aus allen Poren und meine Hände wurden schwitzig. Schließlich kam, was kommen musste: Ich rutschte vom Fenstergriff ab und schlug erneut auf den steinigen Kellerboden. Meine Schulter schmerzte und ich konnte einen leichten Aufschrei nicht unterdrücken. Doch das schmerzhafte Ziehen in meinem Fuß und das drückende Pochen an meiner Schulter musste ich jetzt ignorieren.

Ich musste um jeden Preis zu Caleb und ihm die Wahrheit erzählen! Dass ich ihn abgöttisch liebte und nicht an diesen Duncan abgeben würde! Nein Caleb gehörte zu mir!

Erneut richtete ich mich auf und versuchte mein Glück an der Kellertür. Vielleicht würde es mir gelingen, mit einer meiner Haarnadeln das Schloss zu öffnen, doch zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass die Tür gar nicht richtig verschlossen sondern lediglich ins Schloss gezogen war.

 

Vorsichtig schob ich die Tür auf und lugte in den dunklen Gang vor mir. Nichts zusehen… Kein Duncan und - Gott sei Dank - auch keine Spinnen! Ich versuchte meinen verletzten Fuß zu belasten und merkte, dass dieser eigentlich wieder ganz gut funktionierte. Ich schluckte meine Angst herunter und dachte an meinen Liebsten. Mich an Calebs Gesicht zu erinnern, gab mir Kraft und ich tastete mich vorsichtig durch die Dunkelheit des Ganges, bis meine Fingerspitzen gegen hartes Holz stießen!

„Eine weitere Tür!“, erzählte ich mir selbst und öffnete sie mit einem leisen Klicken. Was war das? Es musste so eine Art Heizungskeller gewesen sein, denn in der Ecke stand ein großer Brenner. Doch irgendwie hatte jemand diesen Raum sonderbar um dekoriert.

Die kahlen Wände waren mit pinken Tüchern verhangen und der Duft von Weihrauch zog durch die Luft. Im flackernden Kerzenschein erkannte ich eine Art selbstgebastelten Schrein aus alten Obstkisten. Neugierig trat ich näher heran und stieß einen angsterfüllten Schrei aus.

„Was ist das denn?“ entfuhr es mir entsetzt. Auf dem Obstkistenaltar waren Fotos aufgestellt und mit roten Rosen umrahmt worden. Sie zeigten immer die gleiche Person: Mich!

Ein eisiger Schauer fuhr mir den Rücken hinunter. Was war das hier? Eine Art Liebestempel? Auf dem Altar lag außerdem ein längliches Stück Seide.

„Oh Gott, das ist doch mein verschwundener Schal!“, dachte ich und schlug vor Bestürzung die Hände vor den Mund. Ich suchte die Fotos, nach einem Hinweis auf den Fotografen ab und erkannte schließlich, wer für dies hier verantwortlich sein musste. Ein Foto zeigte mich und Cynthialette, wie wir beide im Sportkurs auf der Bank saßen und ich Cains Eightpack anfassen durfte. Doch über Cains Gesicht war ein anderes Foto geklebt: Eine Nahaufnahme von Gary!

Erschrocken stolperte ich zurück, warf dabei eine der Kerzen auf dem Altar um und verfiel in Panik. Dieser Gary war in Wirklichkeit ein verrückter Stalker! Aber das musste wohl bedeuten, dass Duncan mich in das Haus von Garys Eltern eingesperrt haben musste… Vielleicht wollte er so die Schuld auf meinen betrunkenen Verehrer schieben, falls ich irgendwann in diesem Keller gefunden worden wäre.

„So ein Widerling!“, schimpfte ich gleichzeitig auf Gary und auch auf Duncan. Jetzt wollte ich nur noch mehr in Calebs starke Arme zurückkehren. Zum Glück lag Garys Haus direkt am Waldrand. Von hier aus war der Weg nicht weit zu meinem Liebsten!

Trotz meines furchtbaren  Orientierungssinnes fand ich aus dem Keller und stellte fest, dass es bereits Morgen war. Ich musste anscheinend die ganze Nacht versucht haben, mich aus meinem Gefängnis zu befreien.

Leise um niemanden zu wecken und weil ich auf keinen Fall meinem Stalker Gary über den Weg laufen wollte, schlich ich mich aus der Haustür und stürmte direkt in den Wald hinein.

Kapitel 13 - Sinnliche Momente

Ich hoffte einfach nur Caleb zu finden und ihm zu erklären, dass Duncan ihm Lügen erzählte.

Seinen Namen brüllend kämpfte ich mich durch das Geäst und fand mich schließlich nach qualvollen Minuten, in denen ich gegen das taube Gefühl in meinen Beinen angekämpft hatte, an dem wundervollen Waldsee wieder an dem ich in der Nacht zuvor noch so wunderschöne Stunden mit Kevin verbracht hatte. Calebs engelsgleiche Harfenmelodie war auch zu hören. Er musste hier irgendwo sein.

„Caleb!“, schrie ich in den Wind und zu meiner Freude hob der schwarze Centaur seinen Kopf aus den dichten hohen Farnen, die den See umwucherten.

„Mystery?“ Voll Freude trabte er auf mich zu und schloss mich in seine kräftigen Arme, „Oh Mystery. Ich dachte du hättest dich für jemand anderen entschieden. Duncan sagte mir…“

„Duncan belügt dich, Caleb!“, fuhr ich zwischen seine traurigen Worte.

„Aber…“

„Er hat mich nach der Party entführt und mich bei Gary im Keller eingesperrt. Er… er sagte, er wollte dich für sich allein. Wie… Wie meint er das?“ Meine Stimme zitterte vor Anstrengung, Freude und auch Angst so sehr, dass ich fürchtete noch einen Weinkrampf zu bekommen. Es war einfach alles so schrecklich gewesen! Caleb sah mich mit seinen Smaragdaugen fest an und stieß dann schnaubend die Luft aus.

„Nein, so etwas würde Duncan nicht tun…“ Ich hörte an seinen zaghaften Worten, dass er selbst nicht ganz wusste, was er glauben sollte. Sein Blick streifte nervös umher und kam schließlich auf meinem tränen- und mascaraverschmiertem Gesicht zur Ruhe.

„Wir müssen das klären“, entschloss er plötzlich, griff mich an den Schultern und warf mich so sanft wie er konnte auf seinen warmen Rücken.

Blitzschnell und ohne dass ich einen Widerspruch einlegen konnte, galoppierte er zum Centaurenlager.

Das sogenannte Lager bestand nur aus ein paar Zelten, die aus Decken und Tierhäuten zusammengenäht waren, einem kleinen Brunnen in der Mitte und einer Feuerstelle. Calebs Hufe  wirbelte eine Menge Staub auf als er vor Anstrengung schwitzend zum Stehen kam und keuchend Duncans Namen brüllte.

„Warum bist du so aufgebracht, Caleb?“, drang nach ein paar Sekunden Cendriks grollende Stimme aus einem der Zelte und sogleich hob sich der stolze Körper des großen Centauren aus dem Eingang. Caleb musste erst einmal durchatmen, er war schließlich so schnell gelaufen, dass es mich fast von seinem Rücken geweht hätte. Nach ein paar Atemzügen, fand er die Worte:

„Cendrik, stimmt es, was Mystery sagt?“

Erst jetzt sah Cendrik, dass ich auf Calebs Rücken saß und vergeblich versuchte mich hinter dessen breiten Schulterblättern zu verstecken. Der fuchsfarbene Centaur sah wohl ein, dass es keinen Sinn mehr machen würde, zu lügen, also seufzte er tief und machte reinen Tisch:

„Caleb! Ich liebe dich! Seit so vielen Jahren schon sind wir zusammen. Unsere heißen Körper vereint in gar wundervollen Ausritten, Nacht für Nacht. Willst du dich wirklich von mir abwenden, wegen dieser Frau?“ Seine Stimme hatte einen poetischen Klang erhalten und sowohl tiefer Schmerz als auch brennende Leidenschaft schwang darin mit.

„Aber ich liebe auch sie!“, verteidigte sich Caleb und schüttelte nervös die langen schwarzen Haare. Er schien sehr verwirrt zu sein. Ich war inzwischen von ihm abgestiegen und sah Tränen in seinen grünen Augen glitzern.

„Aber ich bin dein Clanführer, Caleb! Du bist mir zu Gehorsam verpflichtet. Du musst dich für den besseren Hengst entscheiden! Und das bin ich!“

Langsam stieg ich gar nicht mehr durch.

Fassungslos stand ich vor Cendrik und Caleb, der weinend zwischen uns stand. 

„Ich kann nicht“, jammerte er, „ich fühle mich so hin und hergerissen.“ Sehnsüchtig starrte er zu Cendrik  hinüber, der seine prächtigen Nackenmuskeln spielen ließ.

„Aber ich dachte, du liebst mich?“, warf ich ihm vor.

„Ja, natürlich, aber…“, stotterte er, „aber ich fühle mehr als nur Verpflichtung Cendrik gegenüber…“ Cendrik starrte sehnsüchtig zurück. Der Schweiß auf seiner Brust ließ mich verstehen, dass Caleb ihn wirklich anziehend fand. So war das also. Ich begriff endlich, dass es hier um so viel mehr ging als bloßen Gehorsam dem Clanführer gegenüber. Cendrik liebte Caleb und dieser liebte ihn. Deswegen war er mir gegenüber auch stets so feindselig gewesen.

„Was sollen wir nur tun?“, weinte nun auch Cendrik. 

„Ich weiß es nicht…“, schluchzte Caleb.  Ich war vollkommen verzweifelt. Die Liebe meines Lebens liebte mich, aber auch einen anderen Centauren. Und das Schlimmste war, ich konnte Caleb sogar verstehen. Cendrik war zwar nicht unbedingt nett aber er war wunderschön und hatte ein prachtvolles Fell, welches in der Morgensonne magisch glänzte.  Dann hatte ich die rettende Idee.

„Es gibt nur eine Möglichkeit, herauszufinden, wen du wirklich liebst, Caleb“, flüsterte ich dramatisch.

„Ein Kampf auf Leben und Tod?“, fragte Cendrik und baute sich vor mir auf. Sein herber Geruch wehte mir entgegen und ließ zu meinem Schrecken meine Beine weich werden. 

„Nein“, flüsterte ich und dann sprach ich es aus „Caleb, du musst mit uns beiden schlafen.“

„Was?“, stotterte Caleb und seine Brustmuskeln zuckten, „Das kannst du nicht von mir verlangen!“ Cendrik fing an, nervös mit den Hufen zu scharren. 

„Doch“, sagte er ruhig, „Sie hat Recht. Du musst mit uns beiden schlafen, hier und jetzt in diesem Zelt. Erst dann wissen wir, wen du wirklich liebst.“ Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und ließ mein Herz erbeben. Ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf stieg. Ich sah zitternd zwischen Cendrik und Caleb hin und her… 

„In Ordnung, ihr habt mich überredet“, meinte Caleb, „Ich weiß, dass es das Richtige ist, aber… es fühlt sich so komisch an…“ Cendrik trabte an ihn heran und hielt zärtlich eine Hand an Calebs Gesicht. Erst wich Caleb zurück, doch dann sah ich, wie er unter dieser sanften Berührung dahinschmolz. Auch ich trat an ihn heran und begann, seinen Bauchnabel zu küssen. „Was…“, stotterte Caleb, „Was macht ihr da… mit mir…“

Cendriks freie Hand fuhr durch meine Haare und ließ mich erschaudern, und als wäre das noch nicht genug gewesen, spürte ich auch nun Calebs heißen Körper an den meinen gleiten. Sein Schweiß war glühend heiß.  Cendrik stöhnte auf, als er Calebs Kuss erwiderte, und ich erschauerte. So schnell ich konnte, schwang ich mich auf Calebs Rücken und begann damit, mich von hinten an ihn zu schmiegen und biss ihm zärtlich in den Nacken. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als Cendrik ihn mit seiner unzähmbaren Begierde an sich zog und so fest hielt, dass es ihm beinahe den Atem geraubt hätte.

„Was tut ihr mit mir…“, stöhne Caleb abermals.

„Wehre dich nicht dagegen“, flüsterte Cendrik und seine tiefe, vibrierende Stimme räsonierte in meinem Brustkorb. Ich begann damit, mir mein Kleid hinab zu reißen und griff in Calebs Haare, um ihn zu mir herumzudrehen. Ich biss ihm so fest ich konnte in die Unterlippe und ungezügelt erwiderte er meinen Kuss. Unsere Zungen suchten und fanden sich wie zwei Liebende, die sich seit hunderten von Jahren nicht mehr gesehen hatten. Als ich kurz die Augen öffnete, bemerkte ich, wie Cendrik den Schweiß von Calebs stahlharten Bauchmuskeln leckte. Meine Fingernägel krallten sich in Cendriks Unterarme, damit ich ihn weiter nach oben ziehen konnte, aber er war einfach zu stark. Langsam spürte ich Calebs Widerstand schwinden, seine Hinterläufe begannen immer mehr, nachzulassen.

„Dreh dich um.“, dröhnte Cendrik in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. 

„Aber…“, stöhnte Caleb. Anstatt zu warten, ritt Cendrik um uns herum und begann damit, das majestätische Becken Calebs zu Boden zu drücken, der mich langsam mit seinen Armen umschloss und mir Dinge ins Ohr flüsterte, die etwas in mir explodieren ließen. Dann geschah es. Cendrik stieg auf Caleb auf, der keine Chance hatte, sich zu wehren. Laut stöhnte er auf und ich fühlte Cendriks gewaltige, schwitzende Pranken, die in meine Haare griffen, da er nicht weit genug fassen konnte, um Calebs Oberkörper zu erreichen. Mein Gott. Er war so stark!

„Cendrik, was…ah!“, schrie Caleb lustvoll auf. Mit unbezähmbarer Leidenschaft griff mich Cendrik am Becken und schob mich auf Calebs Rücken so kraftvoll vor und zurück, dass ich dachte, ich müsste schreien. Kraftvolle Stöße der Begierde ließen Calebs Körper immer und immer wieder erbeben und ich konnte kaum anders als mich meinerseits ebenfalls in Calebs Haaren festzukrallen. Es war so unfassbar leidenschaftlich und erotisch.  Ich spürte meine Beine nicht mehr, meine Oberschenkel konnten nur noch zittern, so wie sie es auch nach dem Liebesspiel mit Kevin getan hatten. Aber dass hier war so anders, es war viel urgewaltiger, ungezähmt, einfach wilde, entfesselte Flamme der Leidenschaft. Als Cendrik seinen Griff lockerte und er immer lauter begann zu stöhnen, und seine Stöße immer schneller und wütender wurden, drehte ich mich auf Calebs Rücken herum, ließ mich auf den Bauch fallen, schmiegte mein Gesicht an Cendriks gewaltige Bauchmuskeln und griff über die Flanken Calebs hinweg nach unten. Bereitwillig erwartete er mich bereits und ich ließ ihm Zärtlichkeiten zukommen, die ich vor einigen Tagen noch nicht einmal imstande gewesen wäre, mir vorzustellen. Caleb stöhnte immer lauter, und Cendriks duftender Schweiß lief mir in Strömen über das Gesicht, als auch ich kaum noch an mich halten konnte. Alles wurde immer schneller, immer intensiver, Cendriks Stöße, Calebs lusterfüllte Schreie, das Gefühl tief in mir, seinen bebenden Liebeskrieger in meinen Händen.

„Liebe mich! Liebe mich!“, schrie Cendrik, und seine Stöße fanden ein fulminantes Finale, welches Caleb auch mit seinen Vorderläufen zusammenbrechen ließ, als ich fühlte, wie er gemeinsam mit Cendrik und mir einen Höhepunkt erreichte, der mit Worten, Poesie, dem Universum nicht mehr beschrieben werden konnte.  „Ich liebe dich“, flüsterten Cendrik und ich gleichzeitig. Dann brach die Hölle los.

„Die McIvehls greifen an! Wir sind in der Unterzahl!“, schrie eine panische Stimme von draußen.

Kapitel 14 - Erinnerungen

Plötzlich ging alles ganz schnell: Eben noch auf den Wolken der Ekstase schwebend und in Glückseligkeit vereint, war es so, als wäre ich in kaltes Wasser gefallen. Caleb richtete sich schnaubend auf, kalter Schweiß rann ihm von der Stirn und auch Cendrik schüttelte verwirrt seine prächtige Mähne. Noch immer zitterte mein Körper vor Erregung, doch die Stimme von draußen hatte meine wilde Lust sofort in blanke Panik verwandelt. Die McIvehls? Wer war das nun wieder? Cendriks schweißnassem Gesicht war anzusehen, dass es kein freundlicher Besuch war, der lärmend in das Lager stürmte. Keuchend löste er sich von Caleb und mir und riss die Decke, die den Eingang unseres Zeltes verhüllte, zur Seite.

„Verflucht!“, japste er nach Luft ringend, dieser fantastische Ritt ins Glück schien ihn sehr erschöpft zu haben. Draußen flogen Pfeile umher und Schwerter klirrten aufeinander.

„Was hat das zu bedeuten?“, kreischte ich angsterfüllt und wickelte mir schnell eine der Decken um meinen bebenden Körper. Meine Gedanken waren von Cendriks kräftigen Stößen in alle Richtungen geworfen worden, ich konnte sie einfach nicht ordnen!

„Die McIvehls sind unsere Feinde! Sie versuchen ständig, Cendrik sein Revier streitig zu machen“, erklärte Caleb und kämmte sich das vom wildem Ritt zerzauste Haar zurück, „Wir müssen den Clan verteidigen!“

Cendrik hatte sich bereits sein Schwert gegriffen und war aus unserem Liebeszelt herausgestürmt. Mutig schwang er seine Waffe gegen die Feinde und brachte mit einem grollenden Kampfschrei einen nach dem anderen zu Fall.

Auch Caleb stürmte nun hinaus und zerrte mich am Arm mit sich.

„Schnell Mystery, ich bringe dich in Sicherheit!“, zischte er mir zu.

Direkt vor uns brach ein brauner Centaur zusammen und blieb reglos am Boden liegen, ein Pfeil steckte in seiner Brust und Blut lief ihm aus Mund und Nase.

„Ahh!“ Ich quiekte vor Schreck auf und ließ die Decke fallen, mit der ich meine Blöße zu verdecken versucht hatte. Jetzt fühlte ich mich noch schutzloser als zuvor und tänzelte schockiert von diesen grausamen Taten zwischen toten Centauren umher. Wo war nur Caleb geblieben? Verzweifelt schaute ich mich um und fand ihn einige Meter vor mir mit wirrem Blick auf das Massaker starren.

 

POV Caleb:

„Oh nein, das darf nicht wahr sein! Nicht schon wieder!“ Mit wildem Blick suchte ich in der Menge nach meiner Mystery, doch konnte sie nicht finden. Überall um mich herum starben Freunde und Feinde, brachen geräuschvoll auf dem blutbefleckten Boden zusammen und mit einem Mal fühlte ich mich an ein schreckliches Ereignis in meiner Fohlenzeit erinnert. Damals war es nicht anders gewesen:

 

Flashback    

Ich fühlte mich als würden mich tausende von Bienen stechen. Sie trafen mich unentwegt, auf der Brust, am ganzen Körper. Sie drangen durch, bis zu meinem Herzen, welches sich nun verschlossen hatte. Messerartige Stiche zerfleischten alles rund um mein Herz, ich war wie gelähmt vor Schmerz.  Noch nie war es mir so ergangen, als flöge dieser sich nun verfärbende Himmel auf mich zu und würde mich mit der Erde unter mir vereinen!  Nein, dass hier war viel schlimmer. Der Schlund der Hölle hatte sich aufgetan und mich erbarmungslos hinein geschlungen. Ohne Bitte, ohne Punkt und Komma. 

Wo waren sie nur gelandet, die Seelen meiner Geschwister?  Ich wusste nur, sie entwichen ihren geschundenen Körpern, welche in dieser roten Flüssigkeit zu verschwimmen begannen. Und damals hatte ich nichts dagegen tun können!  Eine, nein, tausende von Tränen waren meinen Augen entflohen und flossen immer noch erbarmungslos hinab, einem Sturzbach ähnelnd, und vereinten sich am Ende meines Gesichtes, am Kinn. Meine eigene, quälend laute Stimme dröhnte in meinen Ohren, der verzweifelte Schrei bekam keinen Rückruf, welcher mir Sicherheit und Geborgenheit ins Herzen getropft hätte.  Nein, mein Herz war mir entwichen, gebrochen, in Stücke zerteilt.

Jetzt konnte ich mich wieder erinnern: Als ich noch ein junges Fohlen gewesen war, hatte ich so etwas Schreckliches schon einmal erlebt. Ich hatte es verdrängt…

Mein gesamter Clan war ausgelöscht worden. Alle die ich gekannt hatte waren mit einem Schlag aus meinem Leben gerissen worden. Blut… überall Blut und Tod und dann war da ein gütiges Gesicht, welches mich von diesem Friedhof mitgenommen hatte um mir ein erfülltes Leben in seinem Clan geben zu können: Cendrik!

Kapitel 15 - Am Abgrund

Caleb blickte in den Schlund der Hölle. Die McIvehls waren jetzt seit Generationen ihre Todfeinde, ihre Unterdrücker und ihre gnadenlosen Jäger gewesen. Glücklicherweise hatten seine Clanbrüder bereits Vorbereitungen getroffen und mehrere Speerhalterungen im Lager angebracht, von denen sich ein jeder eine Waffe nehmen konnte. Da stürmte auch schon die zweite Welle von Angreifern auf sie zu, sie brachen wie ein Schwarm hungriger, schwarzer Heuschrecken über sie herein und Calebs Hand wanderte über die Waffen neben ihm. Er entschied sich für das Katana für seine linke, und den blitzenden, dreigliedrigen Morgenstern für seine rechte Hand. Aus den Augenwinkeln hatte er gesehen, wie Mystery sich hinter einem umgestürzten Centauren in Sicherheit gebracht hatte. Jetzt konnte er sich um seine Gegner kümmern.

„Ahouuu!“, brüllte er dem wolkenverhangenen Himmel entgegen und bäumte sich zu seiner vollen, imposanten Größe auf, während um ihn herum bereits die ersten Feuer brannten. Überall im Lager erwiderten seine Brüder seinen Kriegsschrei. Es begann mit einem Mal zu regnen, jeder Tropfen härter als ein Stein, zu tausenden füllten sie nun den Himmel, der vom ersten Blitz, vom ersten Donner entjungfert wurde.  Caleb spannte jeden Muskel seines majestätischen Körpers bis zum Zerreißen hin an, und jede Faser seines Antlitzes brodelte im Licht der niederstürzenden Blitze.  Einer der McIvehls preschte aus der Dunkelheit hervor, doch noch bevor seine Vorderhufe den Boden erreichten, grüßte ihn Caleb mit dem Morgenstern, fuhr noch in derselben Bewegung herum, durchtrennte den Oberkörper des Feindes mit dem Katana in der anderen Hand, sprang auf seine Hinterhufe und trat den blutenden Körper des schwarzen Centauren auseinander. Noch bevor die Teile auseinander stoben, tauchten erneut dunkle Centauren auf. Sie waren zu dritt, doch der größte und furchterregendste ritt voran. Er hatte eine Shytarra’larea-Rüstung auf den menschlichen und den tierischen Körper gespannt, so dass es so gut wie unmöglich sein würde, ihn zu verletzen.  Der Blick des dunklen Centauren fiel auf etwas hinter Caleb.

„Sei vorsichtig! Sie sehen gefährlich aus!“, schrie Mystery, die sich noch immer hinter den toten Centaurenkörper duckte. 

„Tötet sie!“, schrie der unheimliche, dunkle Centaur.  Ohne zu zögern preschte Caleb vor, nahm einen unfassbar starken Anlauf und sprintete beinahe zu schnell für das menschliche Auge auf den Gruppenanführer zu. Dann sprang er ab, gewann an Höhe, wirbelte über den verblüfften Centauren hinweg und durchtrennte seinen Hals mit dem Katana in der Luft. Erschrocken schrien die drei verbliebenen dunklen Centauren auf, doch konnten nur noch dabei zusehen, wie das Unvermeidliche geschah. Der Morgenstern fuhr durch all ihre Körper gleichzeitig und ließ ihre sterblichen Überreste mit einem schmatzenden Geräusch in alle Himmelsrichtungen explodieren.

Überall im Lager prallten beide Gruppen aufeinander, doch niemand war so schnell und stark wie Caleb. Immer und immer wieder fuhren seine Waffen in die Reihen der dunklen Centauren, trafen ihre Hufen, stießen ihre definierten Arme. Als er gerade einen weiteren dunklen Centauren tötete, in dem er die drei Ketten des Morgensternes rhythmisch um eine Vorder- und eine Hinterhufe kreisen ließ, sprang ihn ein Schatten von der Seite an. 

„Caleb! Vorsicht, er will dich zu Boden reißen!“, schrie Mystery, noch immer hinter ihm. 

„Bruder!“, schrie eine Stimme, „Warte!“ War das… nein!? Caleb fror in seiner Bewegung ein. Sein einziger Bruder, war doch vor Jahren bei dem Gemetzel an seinem Clan umgekommen. Er drehte sich zum Sprecher um und erkannte Cain in seiner Centaurengestalt

„Warum nennst du mich Bruder?“, schrie Caleb zurück. 

„Weil es …“, flüsterte Cain und schaute zu Boden.

„Weil es die Wahrheit ist, nicht wahr?“, flüsterte Mystery, „Ich habe es irgendwie gespürt.“ Calebs Augen wurden groß.  „Was?!“, schrie er wiederholt.

„Ist das wahr?“ „Es ist wahr“, flüsterte Cain, „Ich dachte immer, ich sei der Einzige, der das schreckliche Vergehen an unserer Familie überlebt hat, aber dann kamst du mir auf der Eisbahn so vertraut vor! … Doch… da ist noch etwas!“

„Neeeein!“, brüllte es hinter ihnen und Cendrik katapultierte sich, noch immer Schweiß durchnässt, auf Cain hinauf, dessen Angst ihn ebenfalls schweißnass hatte werden lassen. Die dunklen Wolken tauchte die ganze Szenerie zusammen mit den Blitzen in ein Bild aus einem schillernden Albtraum voller Muskeln, Sehnen und den Schreien der Centauren aus allen Himmelsrichtungen. 

„Lass ihn in Ruhe!“, schrie Caleb und warf sich auf die Kämpfer.  „Hört auf!“, kreischte Mystery noch, aber es war zu spät. Jeder versuchte, den anderen zu greifen, zu packen, zu kontrollieren, während der wütende Regen auf sie hinab prasselte und der Donner alles zum Vibrieren brachte.

Die McIvehls wüteten noch immer im Lager, steckten alles in Brand, was sie nicht vernichten konnten. 

„Argh!“, stöhnte Cendrik unter dem Gewicht der mächtigen Pferdekörper über ihm. 

„Du Verräter!“, brüllte Cain, „Du hast deinen König verraten! Du hast MICH verraten, du ehrloser Hund!“

„Nein!“, rief Cendrik, „Hör nicht auf ihn, Caleb! Ich habe dich immer geliebt, hörst du? Nur dich!“ Caleb war nicht mehr dazu in der Lage, sich zu bewegen. Cain der König? Sein Bruder? Unfassbar! Seine Welt zerbrach in abertausende, unendlich kleine, zerstörte Bruchteile, die nicht einmal der alles überflutende Regen fortspülen konnte.  Mystery schrie plötzlich auf und starrte auf ihre Beine. Caleb konnte nicht genau sehen, was geschah, aber es sah in den Schatten beinahe aus, als… nein, unmöglich! Ein gewaltiger Donner, gewaltiger als alles, was Caleb jemals vorher in seinem Leben miterlebt hatte, brachte die Erde zum Erbeben und zerstörte mit einem Blitz der absoluten und totalen Vernichtung den steinernen Berglauf unter allen Hufen und Füßen, auf denen das Lager errichtet worden war. Nach einer gewaltigen Explosion, die einen Großteil der McIvehls vernichtete, gab es ein Erdbeben. Ein urgewaltiger, unendlich tiefschwarzer Krater im Boden zog eine mehrere Kilometer lange Schneise durch den Körper des Berges und ließ alles, Bäume, Klippenteile, Wildtiere in seinen Schlund stürzen. Die Blitze waren jetzt so regelmäßig, dass Caleb alles mit ansehen konnte, auch das grauenhafte, schreckliche Bild vor seinen Augen.

Cain hatte es geschafft, Cendrik zu Boden zu ringen, doch Shadowhorse, der Anführer der McIvehls, leicht zu erkennen an seinem prägnanten Kopfschmuck, hatte sich auf ihn gestürzt.

„Ich werde dich diese Klippe hinunterstürzen!“, schrie Shadowhorse wütend und packte mit seinen prächtigen Unterarmen die drahtigen, bebenden Hinterläufe Cains, dessen Bauchmuskeln unter der Anstrengung, den Angriff abzuwehren, nahezu hervorsprangen.  Caleb tat alles instinktiv. Er rannte, rannte so schnell er konnte, Blitze um ihn herum schlugen ein, der Regen brannte in seinen Augen, überall waren Flammen, die die McIvehls im Lager hinterlassen hatten. Doch so schnell er sich auch bewegte, irgendwie schien alles in Zeitlupe zu geschehen. Die übrigen dunklen Centauren flüchteten, Mystery rannte an ihm vorbei und schrie etwas, aber er konnte es nicht verstehen. Unendlich langsam musste er mit ansehen, wie die Welt um ihn herum viel schneller ablief als er es verfolgen konnte, als sei er in Wachs gegossen und müsste sich nun in Treibsand fortbewegen. Er hatte keine Chance.

„Feigling!“, schrie Cain als er sah, wie Shadowhorse seinen Bogen hob und auf Caleb zielte, „Ich werde nicht zulassen, dass du meinem Bruder etwas antust!“ Mit einem gellenden Aufschrei, klammerte sich Cain mit allen sechs Gliedmaßen an Shadowhorse und stürzte sich mit ihm in die Tiefe. Ein letzter Blitz erhellte den Nachthimmel und Caleb würde den Anblick niemals vergessen.  Seine Augen. Seine hellen, leuchtenden Augen. Voller Vorwürfe.  Voll von Schuld, seiner Schuld! Tief sog Caleb die Luft ein und fühlte, wie sich ein Schrei in seinem tiefsten Innersten bildete. 

„Neeeeeeein!“, hörte er sich nur brüllen, „Neeeeeeeeeeein!“ Dann, so schnell alles geschehen war, so schnell war es auch vorbei. Der Regen legte sich, löschte die Brände der McIvehls, spülte ihre Leichen fort, reinigte das Lager vom Blut.  Mystery trat an Caleb heran, aber dieses Mal war etwas anders. Sie war anders. 

„Du bist wunderschön“, flüsterte Caleb und wandte sich zu ihr herum. Sie war so wundervoll, so perfekt. Sie war es vorher schon gewesen, aber jetzt… sie war Poesie. Ein Lied auf seinen Lippen. Ein Gedicht aus purer Lyrik im Schattenhauch der Ewigkeit.  Caleb sah sich um. So viel Tod. So viel Leid. Aber das war jetzt vorbei. Er war frei. Er wusste jetzt, wer er wirklich war: Er war nun der rechtmäßige Thronfolger und Cendrik nicht länger zur Treue verpflichtet. Endlich konnte er mit dem Menschen zusammen sein, den er sich immer für sich gewünscht hatte. Für immer. Und ewig.

Kapitel 16 - In den Sonnenuntergang

„Wie... wie ist das möglich?“, fragte ich, sprachlos. Ich spürte meine kräftigen neuen Beine und ließ sie mit den Hufen scharren. Es war atemberaubend schön. So frei. So ungezähmt. Wie ich es mir immer gewünscht hatte. Caleb sah mich verträumt an.

„Deine Liebe,“, sagte er, „du hattest die Macht der Liebe die ganze Zeit in deinem Herzen, und nur die Macht der Liebe kann dich in einen wahren Centauren verwandeln.“

„Ich habe es irgendwie immer gespürt, weißt du“, antwortete ich und weinte. 

„Du bist etwas ganz Besonderes“, flüsterte Caleb und holte seine goldene Harfe hervor. Die ersten Akkorde erklangen, und ich weinte noch mehr. Er war einfach so perfekt. 

„Caleb?“, flüsterte ich.

„Ja?“, flüsterte er zurück.

„Wir werden für immer und ewig zusammen sein, oder?“

„Für immer und…“, begann er. Dann spielte er eine Melodie, die so herzzerreißend schön war, dass alle meine neuen Beine sofort zu flüssigem Wachs wurden. Er war einfach der beste Harfenspieler. Seine muskulösen, im Sonnenuntergang glitzernden Unterarme ließen seine wilde Kraft erkennen, die mich sofort wieder zum Zittern brachte, als ich an unsere gemeinsame erste Nacht dachte. 

„…ewig“, flüsterte er, „nimm meine Hand.“ Ich nahm seine Hand. Ein elektrisierendes Gefühl durchströmte mich, und ich wurde beinahe ohnmächtig, weil ich so überwältigt von seinem Geruch und seiner weichen Haut war. 

„Siehst du, dort hinten?“, flüsterte er. Da war der Sonnenuntergang.

„Dort hinten wartet die Ewigkeit auf uns. Eine Ewigkeit, in der wir uns für immer lieben werden.“ Ich schluchzte laut. Seine unergründlichen Augen schauten direkt durch meine Seele in mein Herz und entzündeten ein Feuer, dass mit so viel Leidenschaft und Liebe brannte, dass ich bis ans Ende der Zeit mit ihm teilen würde.  Majestätisch wieherte Caleb und erhob sich auf seine mächtigen, muskulösen Hinterläufe, während seine Vorderläufe zum Himmel ragten und mächtige Stoßbewegungen vollführten.

„Die Ewigkeit“, flüsterte er.

„Für immer“, flüsterte ich. Dann ritten wir gemeinsam in die untergehende Sonne hinein, die wie das geschmolzene Herzblut von eintausend verglühten Sternschnuppen leuchtete und unsere Seelen erfüllte.

ENDE

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 16.12.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meinem kützlich verstorbenen Ehemann, der meine Leidenschaft zu Pferden und zum Schreiben teilte.

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