Mit einer Mischung aus Wehmut, aber auch Vorfreude und Erleichterung, starrte ich gedankenverloren aus dem winzigen Flugzeugfenster.
Wehmut, da der Urlaub vorbei war, Vorfreude und Erleichterung, weil ich endlich einen Weg gefunden hatte, die Schmähung zu verarbeiten, die mir vor so langer Zeit widerfahren war.
Zunächst war ich von der Idee eines Urlaubs überhaupt nicht begeistert. Zum einen hatte ich kein Geld für solchen Luxus, zum anderen keine Zeit. Als Studentin war man eben immer schwer beschäftigt und chronisch pleite.
Zumindest war das meine Standardausrede, wenn meine beste Freundin Anja mir mal wieder von einem „traumhaften Strandurlaub im fünf Sterne Hotel mit Meerblick“ vorschwärmte. Sie war -wie ich - seit einer Ewigkeit Single, arbeitete passenderweise in einem Reisebüro und liebte es offenbar, mir vorzuhalten, wie sehr ich sie durch meine Urlaubsweigerung leiden ließ.
„Also die Meiers haben heute einen Traaaaaaumurlaub bei mir gebucht. Das kannst du dir nicht vorstellen! Vierzehn Tage Malediven, alles inklusive. Weiße Sandstrände, kristallklares, blaues Wasser, Palmen überall …“
An der Stelle schaltete ich meistens ab, setzte mein „Ach, ist ja unglaublich interessant“-Gesicht auf und nickte bedächtig.
Dummerweise kannten wir uns schon so lange, dass sie das sofort durchschaute und mindestens fünf Minuten lang schmollte. Ich brauchte nun mal keinen Strand und keine Palmen, um mich zu erholen, und betrachtete es als Geldverschwendung, mich von anderen Leuten den ganzen Tag bedienen zu lassen.
Meine Prioritäten lagen darin, für mein Germanistikstudium zu lernen und mein ganz persönliches Desaster zu verarbeiten.
Jahrelang hatte diese Ausrede funktioniert, aber dann kam der Tag, an dem mein Studium zu Ende war. Bei der Abschlussfeier flossen mächtig viele Tränen (vor allem bei meinen Eltern), es wurde jeder umarmt, der nicht schnell genug fliehen konnte (vor allem von meinen Eltern), und beim anschließenden gemeinsamen Abendessen wurde mir feierlich ein Umschlag überreicht (von meinen Eltern), der einen Gutschein für eine Erholungsreise enthielt. Verdammt!
Natürlich sprang Anja direkt mit einem kleinen Quieken von ihrem Platz auf, riss mir den Umschlag aus den Händen, hüpfte auf und ab und bedankte sich überschwänglich bei meinen Erzeugern, gerade so, als hätte sie die Reise geschenkt bekommen.
Ich wusste, dass meine Eltern sich jahrelang selbst keinen Urlaub gegönnt hatten und sich auch eigentlich keinen leisten konnten, wollte aber nicht vor allen Leuten ihr Geschenk ausschlagen. Ich war wahrscheinlich der einzige Mensch auf diesem Planeten, der sich über diese Art von Aufmerksamkeit nicht freute.
Sie waren so stolz auf mich, strahlten mich mit großen Augen an, und ich bekam nichts als ein heiseres „Vielen Dank“ heraus.
Zu Hause einigten wir uns nach einer hitzigen Diskussion darauf, zumindest das günstigste Last-Minute-Angebot zu nehmen, das wir finden konnten.
Mit Anja hatten wir ja einen Profi der Reisebranche in unseren Reihen. Sie rannte förmlich zurück ins Büro und stand gerade mal eine Stunde später, freudig mit den Tickets wedelnd, wieder bei meinen Eltern im Wohnzimmer.
„Stellt euch vor, ich bin sogar noch unter eurem Budget geblieben. Und das für eine Fünf-Sterne-Anlage!“
Sie sah aus, als ob sie gerade ein Heilmittel gegen Krebs erfunden hätte.
„Und wo ist der Haken?“, fragte ich misstrauisch.
„Ich würde es nicht als Haken betrachten, sondern eher als … Bonus.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen bohrte ich weiter nach: „Lass mich raten ... Ich werde nicht alleine fliegen?“
Und schon kreischte Anja wieder los und fiel mir um den Hals.
„Das wird sooooo super!“, quietschte sie mir ins Ohr.
Gequält lächelnd erwiderte ich die Umarmung.
„Ja, ganz bestimmt wird das super …“, sagte ich mehr zu mir selbst, um mich aufzubauen.
Ich liebte Anja wirklich, aber eine Woche auf engstem Raum mit ihr verbringen? Das hatte schon so manche Freundschaft zerstört.
Wir packten unsere Koffer und einen Tag später saßen wir auch schon im Flieger in Richtung Türkei.
Nach der Landung schaltete ich erstmal den Dauermecker-Modus ein - zu warm, zu laut, zu lange Fahrt über zu holprige Straßen, und so weiter und so fort.
Anja zeigte sich völlig unbeeindruckt davon und genau diese Gleichgültigkeit brachte mich dazu, endlich die Klappe zu halten und anzufangen, den Urlaub zu genießen.
Das Hotel, die Gegend, die ganze Hotelanlage – alles war einfach nur ein Traum! Während wir also am ersten Abend einträchtig und schweigend nebeneinander an der Hotelbar saßen und unseren All-Inclusive-Cocktail schlürften, beobachtete ich einen Mann am hinteren Tisch, der tief über seinen Laptop gebeugt dasaß und wild herumtippte. Genau so sah ich mich in ein paar Jahren - die erfolgreiche Autorin, die am Strand ihren nächsten Bestseller schrieb.
Da kam mir die Idee! Drei Jahre lang hatte ich mein Tagebuch mit Hasstiraden gefüllt, aber niemand, außer Anja und mir, kannte die ganze Wahrheit. Das musste ich schnellstmöglich ändern!
Mein Tagebuch hatte ich immer dabei, allein deswegen, um mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass ich keinem Mann trauen durfte. Jetzt brauchte ich nur noch einen PC, am besten einen Laptop.
Mit wenig Hoffnung schlenderte ich zur Rezeption, wurde aber freudig überrascht. Das Hotel verlieh tatsächlich Laptops, da dort auch manchmal Tagungen stattfanden.
Also saß ich den größten Teil des Urlaubs über meinen geliehenen Laptop gebeugt auf der Liege und tippte mir die Fingerkuppen blutig.
Mit jedem Satz fiel mir ein Stückchen Ballast von der Seele. Ich war so besessen vom Schreiben, dass ich mich nur unter Androhung von Gewalt von dem Computer entfernen ließ. Jeden Morgen schlug mir Anja neue Ausflugsziele vor, die ich jedes Mal aufs Neue ablehnte.
Am ersten Morgen war sie zwar beleidigt (verständlicherweise), aber schon am selben Abend erzählte sie mir, dass sie eine Gruppe netter „Schwedenhappen“ kennengelernt hatte, und ihr Groll auf mich war verflogen.
Besonders Erik – 1,92 m, durchtrainiert und Star der Volleyballmannschaft – hatte es ihr angetan. So war Anja eben – fünf Minuten irgendwo alleine und sie hatte schon zehn neue Bekanntschaften geschlossen, wobei acht davon Männer waren, die ihr sofort hoffnungslos verfielen.
Sie war eine Meisterin im Flirten und ihr Aussehen ließ sofort den Beschützerinstinkt in jedem männlichen Wesen erwachen. Eben das genaue Gegenteil von mir.
Ich war es gewohnt, für mich alleine zu sorgen, und hatte diese natürliche Abwehrhaltung, die durch jahrelange Hänseleien entstanden war und Menschen automatisch Abstand halten ließ.
Oberflächliche Bekanntschaften waren nicht mein Ding und ich wollte niemanden näher an mich heranlassen. Schon gar nicht nach dem, was ich noch immer verarbeiten musste.
Kurzum, es war für uns beide ein sehr erfolgreicher Urlaub. Ich hatte ein fertiges Manuskript im Gepäck und Anja jede Menge neue Telefonnummern und Facebookfreunde, die uns einen Gratisurlaub in Schweden sichern würden.
So saß ich also vor mich hin grinsend im Flugzeug und beobachtete die Regentropfen, die immer stärker gegen das Fenster prasselten. Bald würde es soweit sein – die Rache war mein!
Bei dem Gedanken daran wurde ich ganz aufgeregt und begann, mit dem rechten Bein zu zappeln. Ein genervtes Schnauben und eine Hand, die versuchte, mein Bein festzuhalten, holten mich wieder in die Gegenwart zurück.
„Mensch, Lee, du machst mich ganz wahnsinnig mit deinem Gezappel! Könntest du dich wenigstens noch kurz zusammenreißen? Wir landen nämlich gleich und du weißt genau, dass mich das schon nervös genug macht.“
Streng genommen wusste ich das nicht ganz genau, da wir ja zum ersten Mal zusammen flogen und mir auf dem Hinflug nichts dergleichen aufgefallen war, aber ich beschloss, eine gute beste Freundin zu sein und meine Zappeleien ohne Gegenwehr einzustellen.
„Jetzt, wo ich die dicken Regentropfen sehe, werde ich die Sonne doch ganz schön vermissen.“, meinte ich versonnen, woraufhin Anja direkt entgegnete: „Und ich werde Erik vermissen. Ein Prachtkerl war das! So einen findest du hier nicht so schnell, das sage ich dir. Aber du hast ja überhaupt keine Anstalten gemacht, die Jungs mal näher kennenzulernen. Den lieben langen Tag hast du nur in den blöden Laptop gestarrt.“
Gerade, als ich Luft zum Protestieren holen wollte, hatte sie ein Einsehen.
„Jaja, ich weiß ... das sollte kein Vorwurf sein. Ich möchte doch nur, dass du irgendwann aus deinem Käfig ausbrichst.“
„Dafür danke ich dir auch, aber ich bin noch lange nicht so weit. Und wenn ich dieses Pärchen dort drüben sehe, vergeht mir auch direkt die Lust darauf.“
Schon länger beobachtete ich die beiden. Viele würden auf den ersten Blick sagen, dass sie ein Traumpaar waren. Der Typ ein durchtrainierter Sportler, mit der Modelfreundin an seiner Seite - Klischee ließ grüßen. Super idyllisch, wie sie da so verliebt nebeneinandersaßen, aber mir wäre vor lauter Schmalz fast übel geworden.
Doch ich hatte die Szene von vorhin in der Abflughalle noch gut in Erinnerung! Das Model war meiner Meinung nach eine Schauspielerin, die mit ihrem Freund machen konnte, was sie wollte.
Und als die Stewardess mit dem Getränkewagen vorbeikam, zeigte sich ihr wahres Gesicht.
„Passen Sie mal auf, das ist doch ein Flugzeug, oder? Sehr schön. In einem Flugzeug trinkt man was? Genau, TOMATENSAFT! Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie keinen haben?“
„Tut mir sehr leid, aber wie Sie bereits bemerkt haben, wollten noch andere Gäste Tomatensaft, und daher habe ich leider gerade den Letzten ausgeschenkt.“, versuchte die Stewardess, sie zu beschwichtigen.
Das gefiel ihr natürlich gar nicht.
„Wollen Sie jetzt etwa frech werden? Schatz, sag doch auch was! Ich wusste doch, wir hätten die erste Klasse buchen sollen. Du immer mit deinen Sparplänen! Es gibt bei manchen Dingen einfach keinen Grund, seine elitäre Herkunft zu verleugnen!“
Wow, diesen Wortschatz hätte ich ihr gar nicht zugetraut! Schatz schien, seinem Blick nach zu urteilen, genauso überrascht zu sein wie ich.
Während sie wutschnaubend in Richtung Toilette eilte - wahrscheinlich, um sich den Gestank des Pöbels abzuwaschen - starrte er ihr einfach nur mit offenem Mund hinterher.
Tja, Schönheit war eben nicht alles, aber das würden Männer nie kapieren. Hauptsache, sie konnten vor ihren Kumpels mit ihrer neuesten Eroberung angeben, der Rest war Nebensache.
Ich dachte gerade darüber nach, dass Schatz bestimmt auch nichts anderes verdient hatte, als diese eingebildete Zicke an der Backe zu haben, als er sich wieder umdrehte und unsere Blicke sich kreuzten.
Schatz sah wirklich verdammt gut aus … heiliger Kuhmist!
Ein Gesicht mit ebenmäßigen Konturen, hohen Wangenknochen, durchdringenden, blauen Augen und leichtem Dreitagebart.
Ich konnte nicht anders, ich musste ihn weiter anstarren und wollte nie wieder wegsehen.
Er schien wohl nicht dasselbe über mich sagen zu können, da er nur die Augen zusammenkniff und mich anschnauzte: „Was? Keifende Emanzenweiber dürften doch nichts Neues für dich sein, du Öko.“
„Oh, wie originell! Ist dir das ganz spontan eingefallen?“, giftete ich nicht weniger unfreundlich zurück, nachdem ich den ersten Schreck überwunden hatte. Gut, ich hatte die beiden angestarrt, aber man musste ja nicht gleich beleidigend werden!
Es war ja auch nicht so, als ob ich in Jogginghose und Batikshirt herumlaufen würde. Ich war einfach nur nicht so versessen darauf, dauernd den neuesten Modetrends hinterherzujagen. Mir reichten Jeans, Turnschuhe und T-Shirt, um mich wohlzufühlen.
Sein perfektes Aussehen hatte mich kurz geblendet, aber die Realität ließ sich nicht ignorieren.
Ich war nun mal eine Mittzwanzigerin ohne Modelmaße, die sagte, was sie dachte, und sich nicht hinter tonnenweisem Makeup versteckte. Mir machte man solche Komplimente wie: „Du hast echt ein hübsches Gesicht …“, was im Grunde genommen nichts anderes hieß als: „ … aber den Rest kann man vergessen.“
Ich hasste den Kerl! Und seine blöde, perfekte Modelfreundin gleich mit!
Bevor wir uns noch mehr Gemeinheiten an den Kopf werfen konnten, wurden mit einem Bling die Anschnallzeichen eingeschaltet und die Stimme der Stewardess plärrte uns aus den Lautsprechern entgegen: „Meine Damen und Herren, wir möchten Sie darum bitten, zu Ihren Plätzen zurückzukehren, die Tische einzuklappen und die Sitze in eine aufrechte Position zu bringen. Wir beginnen in Kürze mit dem Landeanflug auf Frankfurt am Main.“
Schatz und ich starrten uns noch kurz an und versuchten uns gegenseitig mit Blicken zu töten, aber als Mrs. Model ihren Toilettengang beendet hatte und zum Sitz zurückkehrte, war ich ganz schnell wieder abgeschrieben.
Trotz meiner Abneigung gegen ihn gefiel mir das nicht - und das machte mich wiederum sauer auf mich selbst. Warum wollten Frauen bloß immer den Mann unbedingt haben, der sie wie Dreck behandelte?
Irgendwie waren diese Typen immer am interessantesten und machten den Reiz aus. Jede Frau wünschte sich doch, dass sie die Eine wäre, die ihn verändern und zu einem besseren Mensch machen könnte.
Erfahrungsgemäß passierte sowas aber nur im Film, die Realität war viel hässlicher und ernüchternder. Der Film endete meistens dann, wenn die beiden frisch verliebt waren und gerade zueinander gefunden hatten.
Es hatte schon seinen Grund, warum kaum Fortsetzungen von romantischen Komödien existierten. Keiner wollte sehen, was danach geschah: Aus Prince Charming wurde innerhalb kürzester Zeit eine Rülps- und Pupsmaschine, die vergessen hatte, wie man die Toilettentür hinter sich zumachte. Sein Moschusgeruch, gepaart mit Käsefüßen, breitete sich durch deine ganze Wohnung aus, überall lagen Barthaare (bitte lieber Gott, lass es nur Barthaare sein!) und falls er sich jemals in die Küche verirren sollte, fändest du nach zwei Minuten ein einziges Chaos aus Töpfen, Pfannen, Besteck und Essensresten vor.
NEIN DANKE! Und während ich die Frankfurter Skyline aus dem kleinen Flugzeugfenster heraus bewunderte, schwor ich mir einmal mehr: „Veröffentliche dein Buch und dann schwör den Männern ab!“
Ich war doch echt ein Glückspilz!
Ich war sportlich, erfolgreich, sah gar nicht mal so übel aus, brauchte mir um Geld keine Gedanken zu machen und hatte mir die schärfste Schnitte der Gegend geangelt.
Als ich Jenni zum ersten Mal begegnet war, hatte ich sie einfach nur abschleppen wollen. Eine weitere Kerbe in meinem Bettpfosten, mehr nicht. Doch sie hatte den Spieß umgedreht und mich zappeln lassen. Mich!
Ich war der Kapitän und Star unserer Eishockeymannschaft, meine Eltern hatten Kohle ohne Ende und ich war es gewohnt, zu bekommen, was ich wollte. Niemand ließ mich zappeln!
Am Ende unseres zweimonatigen Katz- und Mausspiels hatte sie mich doch tatsächlich soweit gehabt, dass ich an niemand anderen hatte denken können. Ihre schlanke Figur, die festen Brüste, das atemberaubende Gesicht und die lange Wallemähne – ich hatte sie haben müssen!
Gratisdauerkarten für sie und ihre Freundinnen mit den besten Plätzen für unsere Spiele, romantische Picknicks im Kurpark, Einladungen ins Kino, zum Essen, zu Theaterbesuchen, zu Konzerten – nichts hatte geholfen!
Und die Frau hatte mich - oder besser gesagt meine Eltern - bis dahin schon ein kleines Vermögen gekostet!
Erst, als ich alle Register gezogen und sie zum Luxus-Wellnessurlaub eingeladen hatte, hatte sie Erbarmen gezeigt und mich rangelassen. Es war gar nicht so gut gewesen, wie ich gedacht hätte, aber sie hatte ihre Wirkung auf mich trotzdem beibehalten und kurz darauf hatte ich sie offiziell meinen Eltern vorgestellt.
Jenni hatte sich von ihrer besten Seite gezeigt und im Handumdrehen auch meine Eltern um den kleinen Finger gewickelt.
Sie hatte die beiden sogar dazu gebracht, ihr einen Hund zu kaufen! Einen gottverdammten Hund, der mich genauso hasste wie ich ihn!
Jennis Überredungskünsten hatten wir auch unseren aktuellen Urlaub zu verdanken. Zwei Jahre wohnten wir nun schon in unserer gemeinsamen Wohnung. Naja, strenggenommen gehörte die Wohnung meinen Eltern und wir wohnten gratis dort. Ach ja, die Möbel, sowie eigentlich sämtliches anderes Inventar, gehörten auch ihnen. Sie rissen sich förmlich darum, mich zu unterstützen, solange ich erfolgreich blieb und meine Vorzeigefreundin zu offiziellen Anlässen mitbrachte.
Mein Vater war nämlich der Bürgermeister meiner Heimatstadt und Vorsitzender meines Eishockeyvereins. Die Bilder von Jenni und mir zusammen mit meinen Eltern bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes hatten ihm wohl die Wiederwahl gerettet. Ein Hoch auf das perfekte Paar!
Zum Dank dafür – und weil Jenni dauernd einfließen gelassen hatte, wie gestresst wir doch wären und dass wir kaum noch Zeit füreinander hätten – hatten uns meine Eltern die Reise in die Türkei geschenkt. Eigentlich hingen wir in jeder freien Minute aufeinander und ‘gestresst‚ bedeutete für Jenni nur, dass sie den Maniküre- und Friseurtermin am selben Tag hatte.
Ab und zu erhielt sie Anfragen unserer Tageszeitung, um für kleine Werbeanzeigen zu modeln, aber selbst das lehnte sie meistens ab, weil es ihr einfach ‘zu viel Stress‚ wäre. Und wozu arbeiten, wenn man den Goldesel am Haken hatte?
Aber ich war nicht sauer - ich machte es doch nicht anders. Während der Saison hatte ich dreimal pro Woche Training mit der Mannschaft, die restlichen Tage Krafttraining im Fitnessstudio, zweimal pro Woche abends ein Spiel - den Rest meiner Zeit konnte ich mir so einteilen, wie ich es wollte.
Gerade war keine Saison, also hatte ich jede Menge Freizeit.
Mir war die Decke auf den Kopf gefallen und auch Jenni hatte langsam aber sicher wirklich angefangen, mich zu nerven. Aber sie war immer noch meine wunderhübsche Freundin und wir würden zusammen einen Traumurlaub verbringen.
Das würde bestimmt wieder neuen Schwung in unsere Beziehung und unser Sexleben bringen, welches merklich abgeflaut war. Zwei Wochen Sommer, Sonne, Strand und eine heiße Frau an meiner Seite. Hatte ich schon gesagt, dass ich ein Glückspilz war? Nun, das sollte sich bald ändern …
Die ersten Tage waren noch sensationell gut gewesen. Alles war so gewesen, wie ich es mir erhofft hatte. Jenni war entspannt gewesen, wir waren shoppen und essen gegangen, hatten uns gemeinsam gesonnt und zur Abkühlung im Meer herumgealbert.
Abends waren wir die Promenade entlangspaziert und jeder Kerl in der Nähe hatte mich um die Frau an meiner Seite beneidet. Auch die Nächte waren sehr intensiv gewesen.
Genau so hatte ich mir eine Beziehung für die Ewigkeit vorgestellt.
Aber am vierten Tag begann meine atemberaubende Freundin damit, sich in ein ständig nörgelndes Monster zu verwandeln.
Es fing damit an, dass sie beim Frühstück stumm neben mir saß und wütend mit dem Löffel auf ihre Grapefruit einhackte.
„Alles okay, Schatz?“, fragte ich vorsichtig.
„Sehe ich verdammt nochmal so aus, als ob alles okay wäre? Man sollte annehmen, dass die Grapefruit in den südlichen Ländern nicht ganz so sauer wäre. Aber nein, die ist so sauer, dass ich eigentlich jede Menge Zucker drüberstreuen müsste, um sie irgendwie herunterwürgen zu können!“
Ein kluger Mann hätte hier wahrscheinlich gar nichts mehr gesagt oder ihr zugestimmt.
Ich aber beging den Fehler, Folgendes zu sagen: „Und warum streust du dir dann nicht ein wenig Zucker darüber?“
Der Blick, den sie mir daraufhin zuwarf, hätte jeden im Umkreis sofort zu Staub zerfallen lassen.
„Ich soll Zucker drüberstreuen? ZUCKER?!?! In diesem Urlaub habe ich bisher drei Kilo zugenommen! Was glaubst du denn, woher das wohl kommt? Genau, du Genie – vom ZUCKER! Willst du, dass ich fett werde? Gott, manchmal wünschte ich mir, du würdest erst nachdenken, bevor du solche Äußerungen von dir gibst! Ich ertrage dich gerade nicht. Falls du mich suchst, ich bin im Fitnessstudio“, kreischte sie und rauschte davon.
Mit völlig verdattertem Gesichtsausdruck blieb ich fassungslos und einsam an unserem Tisch zurück.
Ein älterer Herr am Nachbartisch blickte mich mitleidig an, drehte sich zu seiner Frau um und meinte: „Das war ja wie eine Szene aus Der Exorzist.“
Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Das traf den Nagel so ziemlich genau auf den Kopf.
Mir blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zu machen und wenigstens meinen Kaffee mit einem letzten Rest an Würde auszutrinken.
Danach ging ich aufs Zimmer, packte meine Badesachen zusammen und verkrümelte mich an den Strand. Sollte die Alte sich doch auf dem Laufband abstrampeln. Ich ließ es mir gutgehen und vor allem ließ ich mir nicht den Urlaub verderben durch ihren Wahn.
Diesen Vorsatz hielt ich auch sehr gut durch, trotz der Entgleisungen, die noch folgen sollten. Sie beschwerte sich mit größtem Vergnügen und immer sehr lautstark über die Kinder am Nachbartisch, den miesen Kaffee, den zu kalten Pool, den zu heißen Sand, das zu salzige Meer, das ihr die Kleidung ruinieren würde.
Der einzige Ort, der ihr zusagte, war anscheinend das hoteleigene Fitnessstudio. Dort hielt sie sich tagsüber und manchmal sogar nachts auf und trainierte.
Alles, was ich sagte, um sie davon abzubringen, machte die Sache nur noch schlimmer. Eines Abends hatte sie mich soweit, dass ich einfach alleine durch die Stadt zog und sie beleidigt und zeternd im Hotelzimmer zurückließ. Ich brauchte dringend Spaß und dank des guten Angebots an Clubs und Bars in der direkten Umgebung hatte ich den auch.
Ich schloss mich einer Gruppe Handballer aus dem Ruhrgebiet an, die ihren Saisonabschluss feierten. Der Alkohol floss in Strömen und an die Hälfte des Abends konnte ich mich am nächsten Tag kaum noch erinnern. Etliche Telefonnummern wurden mir zugesteckt, die ich jedoch ignorierte. Jennifer war trotz des albtraumhaften Verhaltens noch immer meine Traumfrau und ich hatte nicht vor, sie zu betrügen.
Als ich gegen vier Uhr morgens in unser Hotelzimmer gestolpert kam, machte ich mich schon auf das Schlimmste gefasst. Aber zu meiner Überraschung war das Zimmer leer. Ich hätte es wissen müssen, Jenni war keine Frau, die einsam zu Hause blieb und auf ihren Mann wartete.
Die Erkenntnis traf mich schwerer, als ich erwartet hätte. Schnaufend rollte ich mich, noch komplett angezogen, auf dem Bett zusammen und schlief innerhalb von Sekunden ein.
Am nächsten Morgen wachte ich mit dröhnendem Schädel auf. Geweckt hatte mich nicht nur die hell am Himmel stehende Sonne, sondern auch ein äußerst penetrantes Piepen. Benommen blinzelte ich gegen die Helligkeit an und versuchte mich aufzusetzen, ohne mich direkt ins Bett zu übergeben.
Jenni stand fröhlich pfeifend vor dem offenen Schrank und packte ihre Sachen in den Koffer, der aufgeklappt auf ihrer Bettseite lag.
„Guten Morgen, mein Schatz. Hast du gut geschlafen? Ich freu mich wahnsinnig, dass wir heute endlich wieder nach Hause fahren, dann kann ich diesen unsäglichen Ort endlich hinter mir lassen. Nichts ist so schön wie unser Zuhause, oder?“
Ich konnte nicht anders, als sie anzustrahlen. Da war sie endlich wieder, meine wunderschöne, bezaubernde, sexy Freundin, um die mich jeder Mann beneidete. Vor lauter Glück über diesen Stimmungswechsel vergaß ich völlig, sie zu fragen, wo sie eigentlich die Nacht verbracht hatte.
Und es war mir letztlich auch egal, Hauptsache, ich hatte meine Jenni wieder. So packten wir gemeinsam unsere Koffer und alberten herum, genau wie früher.
Alles schien wieder normal zu sein. Die Fahrt zum Flughafen verbrachten wir aneinander gekuschelt und knutschend wie frisch Verliebte auf dem Rücksitz des Taxis. Aber die Ruhe und Beschaulichkeit sollte nicht lange anhalten.
Gerade als wir am Check-In-Schalter ankamen, klingelte Jennis Handy. Sie starrte nur auf das Display und ich konnte förmlich sehen, wie ihre Kiefermuskeln sich dabei verkrampften.
Über ihre Schulter warf ich einen kurzen Blick auf das Display und runzelte die Stirn. Es war mein bester Freund Max! Als Jenni bemerkte, dass ich den Anrufer erkannt hatte, drehte sie sich um und fuhr mich an: „Ist etwa dein Handy aus? Der will doch bestimmt dich sprechen.“
Ich atmete erleichtert aus. Na klar, das war eine logische Erklärung! Mein Handy schlummerte mit leerem Akku tief in meiner Hosentasche, da ich heute Morgen noch zu benebelt gewesen war, um es aufzuladen.
„Das kann sein. Lass es klingeln, ich rufe ihn später zurück.“
Liebevoll lächelte ich Jenni an und wollte sie wieder in den Arm nehmen, als sie mich auf einmal wegschubste.
„Schatz, lass das! Meine Bluse verknittert total. Sei doch stattdessen lieber ein Gentleman und nimm meinen Koffer, ich muss mir nochmal kurz das Näschen pudern. Wir treffen uns am Gate. Bis gleich.“
Dann drückte sie mir einen kurzen Schmatzer auf die Wange und verschwand in Richtung Toiletten. Also schleppte ich mich mit zwei gefühlt fünfzig Kilo schweren Koffern und noch immer dröhnendem Schädel in Richtung Abflughalle, um einzuchecken, und ging danach wie verabredet zum Gate.
Eine geschlagene halbe Stunde später gesellte sich dann auch endlich wieder Jenni zu mir. Ich fragte mich, warum Frauen immer so unglaublich lange im Bad brauchten – sie sah kein bisschen anders aus als vorher.
„Weißt du, Schatz, die Hygiene in diesem Land lässt absolut zu wünschen übrig! Ich musste durch den ganzen Flughafen laufen, um eine halbwegs anständige Toilette zu finden! Es war ein Alptraum!“
Niemals hätte sich Jenni dazu herabgelassen, flache Schuhe anzuziehen. Sie stöckelte lieber den ganzen Tag auf ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen durch die Gegend. Kein Wunder also, dass ihr jetzt bestimmt die Füße wehtaten.
Als Gentleman wollte ich ihr daher etwas Gutes tun und sagte: „Zieh doch einfach deine Schuhe aus und …“ … ich massiere deine Füße, wollte ich eigentlich sagen, kam aber gar nicht erst soweit, denn ihr Kopf schoss herum und sie keifte mich an.
„Gefallen dir meine Schuhe etwa nicht? Was soll ich denn noch machen, um für dich hübsch zu sein? Ständig hast du irgendetwas an mir auszusetzen. Erst bin ich dir zu dick und dann beschwerst du dich, dass ich zu viel Sport mache und zu wenig esse. Bestimmt hast du gestern Nacht eine flachgelegt, als du mich alleine im Zimmer zurückgelassen hast! AN UNSEREM LETZTEN ABEND!“
Heulend schnappte sie sich ihre Tasche, rannte zur Dame am Schalter und redete unter Tränen auf sie ein.
Wieder einmal blieb mir nichts anderes übrig, als verdattert zurückzubleiben. Aus den Augenwinkeln nahm ich die geschockten Blicke der anderen wartenden Gäste wahr. Da der Flug nach Deutschland ging, hatte natürlich der Großteil der Anwesenden verstanden, was Jenni mir an den Kopf geworfen hatte. Vor allem die Blicke der Frauen durchbohrten mich.
Diesmal hatte sie es geschafft, dass ich als der Buhmann dastand. Im hinteren Eck des Raumes hörte ich, wie die Schalterdame zu Jenni sagte: „Aber natürlich lasse ich Sie zuerst einsteigen! Das Flugzeug ist gerade eben zum Boarding freigegeben worden. Gehen Sie ruhig schon die Treppe runter, dort steht ein Steward, der Sie zum Flugzeug begleiten wird. Die Maschine ist leider ausgebucht, sonst hätte ich Ihnen auch noch einen anderen Platz raussuchen können.“
„Danke, das ist so unglaublich nett von Ihnen!“, bedankte sich Jenni bei ihr, warf mir noch einen vernichtenden Blick über die Schulter zu und verschwand dann durch die Tür.
Seufzend nahm ich meine Jacke und den Rucksack und wollte mich auch zur Abfertigung begeben, als mich die Dame aufhielt und mit einem zuckersüßen Lächeln meinte: „Bitte warten Sie doch, bis Sie aufgerufen werden. Das Boarding erfolgt immer nach Sitzreihen. Und Sie...“, sie warf einen Blick auf mein Ticket, „ … kommen ganz zuletzt dran.“
Die zweite Frau, die mich an diesem Tag sprachlos stehen ließ. Blöde Weiber!
Warum hatte ich bloß das Rauchen aufgegeben? Genau jetzt könnte ich eine Zigarette gebrauchen - oder einen Schnaps.
Da ich beides aber gerade nicht zur Hand hatte, verzog ich mich auf die hinterste Bank und wartete, bis auch der Letzte die Kontrolle passiert hatte.
Dann endlich winkte mich die nette Dame gnädig heran und ließ mich an Bord gehen. Dort wartete eine wieder gutgelaunte Jenni mit einem ‘Versöhnungsdrink‚ in der Hand auf mich. Diese Frau trieb mich noch in den Wahnsinn!
„Schatz, entschuldige bitte. Ich habe wohl vorhin etwas überreagiert. Ich verspreche dir, ich mach es wieder gut, wenn wir zu Hause sind.“
Während sie das sagte, schmiegte sie sich so eng an mich, dass ihre Brust meinen Arm streifte, und knabberte mir dabei leicht am Hals. Wie zur Hölle sollte ich da noch sauer sein?
Jenni hatte mehr Sexappeal im kleinen Zeh als Andere in ihrem Leben je haben würden, und sie wusste ganz genau, welche Wirkung sie auf mich hatte. Den restlichen Flug hatte ich wieder meine liebreizende Jenni an meiner Seite, das genaue Gegenteil von der Furie in der Abflughalle.
Es war wie bei Dr. Jekyll & Mr. Hyde. Oder Bruce Banner und Hulk. Es gab offenbar meine Jennifer und dann noch dieses Ding – nennen wir es Hulkifer.
Der Albtraum namens Jenni hatte aber noch lange nicht seinen Höhepunkt erreicht. Als die Stewardess mit dem Getränkewagen vorbeikam, zeigte sich Hulkifer mal wieder.
„Ich nehme bitte einen Tomatensaft.“
„Leider haben wir keinen Tomatensaft mehr. Darf ich Ihnen auch etwas anderes servieren?“
In diesem Moment sah ich die Verwandlung – ihre Augen wurden zu Schlitzen, ihre Halsschlagader fing an zu pulsieren und ich hätte schwören können, dass auch ihre Fingernägel gewachsen waren!
„Passen Sie mal auf, das ist doch ein Flugzeug, oder? Sehr schön. In einem Flugzeug trinkt man was? Genau, TOMATENSAFT! Und Sie wollen mir erzählen, dass Sie keinen haben?“
„Tut mir sehr leid, aber wie Sie bereits bemerkt haben, wollten noch andere Gäste Tomatensaft, und daher habe ich leider gerade den Letzten ausgeschenkt“, versuchte die Stewardess, sie zu beschwichtigen.
Das gefiel Hulkifer natürlich gar nicht.
„Wollen Sie jetzt etwa frech werden?“
Und dann riss sie ihren Kopf zu mir herum und brüllte wieder: „Schatz, sag doch auch mal was! Wusste ich doch, wir hätten die erste Klasse buchen sollen. Du immer mit deinen Sparplänen! Es gibt bei manchen Dingen einfach keinen Grund, seine elitäre Herkunft zu verleugnen!“
Wow! Ich konnte förmlich hören, wie das ganze Flugzeug den Atem anhielt. Während sie wutschnaubend in Richtung Toilette eilte, war ich sprachlos und konnte ihr nur mit offenem Mund hinterherstarren.
Zum allerersten Mal stellte ich mir die Frage, ob ich tatsächlich den Rest meines Lebens mit dieser Frau verbringen wollte. Erstaunt über diesen Gedanken, wurde ich wieder ins Hier und Jetzt zurückgeholt, und hörte auf, die Toilettentür anzustarren.
Als ich mich wieder umdrehte, kreuzte sich mein Blick mit dem der Frau, die schräg hinter mir saß. Absolut nicht mein Typ, das sah ich mit meinem Kennerblick sofort.
Lange, rötlich gefärbte Haare, Jeans, Turnschuhe und ein weiter Pulli, der wohl ihre üppigen Kurven verdecken sollte. Ich hatte mir meine Meinung sofort gebildet und hakte sie als unbrauchbare Emanze und Ökotussi ab.
Trotzdem blieb mein Blick an ihrem Gesicht hängen.
Vor allem ihre intensiv leuchtenden, grünen Augen fesselten mich. Was war nur mit mir los?
Solche rundlichen Batikweiber interessierten mich doch sonst nicht! Da ich Jenni nicht anschnauzen konnte, musste leider sie dran glauben, und bekam meinen Zorn ab.
„Was? Keifende Emanzenweiber dürften doch nichts Neues für dich sein, du Öko.“
„Oh, wie originell! Ist dir das ganz spontan eingefallen?“, giftete sie nicht weniger unfreundlich zurück. Na super, die nächste Hulkine, die mich nervte.
Ich schien diesen Typ Frau zurzeit magisch anzuziehen. Bevor auch die Lage mit ihr eskalieren konnte, leuchteten jedoch die Anschnallzeichen auf und Jenni kehrte von ihrem Ausflug zur Toilette zurück.
Gott sei Dank hatte sie sich wieder beruhigt und schenkte mir ihr bezauberndes Lächeln, das ich so sehr liebte.
Okay Tim, tief durchatmen. Wenn wir zu Hause sind, wird sie wieder ganz die Alte sein.
Ich zwang mich dazu, zurückzulächeln. Egal, wie sehr mich diese andere Seite und ihr Verhalten im Urlaub geschockt hatten – ich durfte mich nicht trennen. Mein Vater würde mir den Kopf abreißen und mich enterben, und ich wusste nicht, welches dieser Szenarien mir lieber war.
Angsterfüllt krallte ich die Hände in meine Armlehne und sah mein Leben an mir vorüberziehen.
Anja hatte mir den ganzen Landeanflug über im Detail erläutert, was alles bei einer Landung schiefgehen konnte.
„Hast du gewusst, dass es, laut einer Statistik über tödliche Flugzeugunfälle, in einem Viertel der Fälle während der Landung zu einem Unglück kommt? Nimmt man den Sinkflug, den frühen und den finalen Landeanflug hinzu, geschieht jeder zweite Unfall ab dem Zeitpunkt, in dem das Flugzeug die Reiseflughöhe verlässt. Beängstigend, oder?“
Hätte ich meine Hände von der Lehne lösen können, hätte ich sie erwürgt!
War doch super, wenn man seine beste Freundin trösten wollte und am Ende selbst Flugangst entwickelte! Zu den unheimlichen Geräuschen der Landeklappen kamen auch noch die Durchsagen hinzu, die ich absolut nicht verstand.
Es hörte sich immer so an, als hätte der Kapitän das Mikro direkt im Mund. In meinem Kopf wurde aus einer wahrscheinlich harmlosen Durchsage dann: „Wir haben Probleme mit den Triebwerken … und die Räder klemmen … aber sagt bloß den Passagieren nichts …“
Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte das Flugzeug dann endlich auf der Landebahn auf und rollte langsam in Richtung Terminal. Ich ließ die angehaltene Luft aus meinen Lungen entweichen und fing an, mich zu entspannen.
„Na, war doch gar nicht so schlimm! Da habe ich mir wohl mal wieder zu viele Sorgen gemacht“, meinte Anja grinsend zu mir, während sie ihr Gepäck
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Tag der Veröffentlichung: 20.02.2015
ISBN: 978-3-7368-8249-2
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