Cover

Kapitel 1

 

„Was soll diese schamvolle Überschrift bedeuten? „Kopf der Multi Group kidnappt 4 jähriges Mädchen“, hatte ich dir nicht ausdrücklich gesagt, dafür zu sorgen, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gerät?“ Richard Schneider sah seinen Sekretär wütend an. Bis jetzt hatte es Simon Kleintke immer geschafft seine Aufgaben perfekt zu erfüllen, wie konnte ihm also in so einer wichtigen Sache ein solcher Fehler unterlaufen. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Jemand bei der Polizei hat die Berichte an die Medien weitergeleitet. Bis ich davon erfuhr waren die Zeitungen schon gedruckt.“ Er verbeugte sich tief vor seinem Chef um seinem tiefsten Bedauern mehr Ausdruck zu verleihen. „Wir können jetzt nichts mehr daran ändern, aber damit wäre unser Plan aufgedeckt. Wir müssen uns etwas Neues überlegen. Aber es darf keinen Schatten auf das Ansehen der Multi Group werfen. Wir müssen unseren sauberen Ruf mit allen Mitteln erhalten. Der Schutz und das Leben meiner Enkelin hängt davon ab. Wir können uns keine Fehler mehr leisten.“ Simon verstand das nur zu gut. Sie brauchten einen Plan, der sie vor dem Unvermeidlichen bewahrte. „Ich werde mich um alles kümmern. Sie brauchen sich um Nichts Sorgen zu machen.“ Der Sekretär hatte sich schon einen Neuen Plan überlegt. Und dieses Mal sollte nichts schief gehen, da war er sich sicher. Mit einem Abschiedsgruß verließ er das Büro seines Chefs, dem er so viel zu verdanken hatte, und begann seine Pläne in die Tat umzusetzen.

 

 

Kapitel 2


Es war später Nachmittag in Leipzig. Die Straßenbahnen waren voll, die Meisten waren auf dem Nachhauseweg von der Arbeit. Unter ihnen befanden sich zwei dreckige und zerlumpte Kinder. Keine Seltenheit im Jahr 2054. Das Land hatte sich in den letzen Jahrzehnten drastisch verändert. Die Reichen wurden immer reicher und die Armen immer ärmer. Das Resultat daraus war eine Gesteigerte Kriminalität. Es bildeten sich Gangs, die so mächtig und einflussreich waren, dass der Staat hilflos bei ihren Machenschaften zusehen musste. Es war eine raue Zeit, in der fast Jeder nur an sich selbst dachte. Es gab kaum noch öffentliche Waisenhäuser. Viele Kinder, deren Eltern nicht das Geld hatten sie großzuziehen landeten auf der Straße. Kinder deren Eltern verstorben waren, konnten sich nur selten auf ihre Verwanden verlassen und landeten ebenfalls auf den Straßen. Sie waren ein gefundenes Fressen für Menschen, die sich nicht selbst die Hände mit Arbeit schmutzig machen wollten.

Die Straßenbahn ratterte auf dem Weg Richtung Mitte. Die beiden Kinder Locke und Eye liefen von Person zu Person: „Wir sind hungrig, bitte kaufen sie einen Bonbon.“ Dabei hielt Eye eine Schachtel gefüllt mit Bonbons einer Frau entgegen, während Locke sich hinter ihm versteckte. Die Frau sah die beiden mitleidig an. „Wie viel kostet denn eins?“

„50 Cent pro Bonbon.“, antwortete Eye und hoffte inständig, dass sie eins kaufen würde. Die Frau griff nach ihrer Tasche und gab ihnen 2 Euro. Die beiden Kinder strahlten übers ganze Gesicht und zogen zum Nächsten weiter. So machten sie bis spät in die Nacht weiter. Als sie gegen halb zwölf am Hauptbahnhof ausstiegen gingen sie direkt zur Westseite. In dieser Richtung lag ihr „zu Hause“. Doch bevor sie dort ankommen konnten wurden sie schon von einem ihrer „Retter“, wie sie sich selbst gern bezeichneten, aufgehalten. „Und wie viel habt ihr heute gemacht“ Locke versteckte sich instinktiv sofort hinter Eye. Dieser versuchte ruhig zu bleiben, was in anbetracht der Tatsache, dass Mad Dog mal wieder vollkommen betrunken war nicht einfach war. Er hatte seinen Namen nicht ohne Grund erhalten. Wenn er getrunken hatte griff er alles und jeden an, der ihm nicht passte. Eye leerte seine Taschen und überreichte Mad Dog das Geld, das sie an diesem Tag eingenommen hatten. Es war etwas über 50 Euro. Mad Dog schien zufrieden zu sein, denn er winkte ihnen zu und lief weiter. Schnell nahm Eye seinen kleinen Bruder bei der Hand und zog ihn in eine dunkle Ecke. Locke sah ihn mit traurigen Augen an. „Eye ich habe Hunger.“ Das war nichts Neues. Locke hatte immer Hunger. „Bleib kurz hier, ich besorge uns etwas zu essen.“ Eye hatte sich heimlich 10 Euro ihres Verdienstes abgezweigt. Er lief schnell in den Bahnhof und kaufte belegte Brötchen. Für mehr reichte das Geld leider nicht. Aber es war alle Mal besser als wieder einmal hungrig schlafen gehen zu müssen. Er ging zurück zu seinem kleinen Bruder, der zusammen gekauert in einer Ecke saß. Er zitterte am ganzen Leib. Die Temperaturen sanken in der Nacht mittlerweile unter die 0 Grad. Sie konnten nur schnell essen um dann rein ins Haus zu gehen. Leider konnte Eye seinen Bruder sich nicht im Bahnhof aufwärmen lassen während sie aßen. Die Gefahr, dass einer der Erwachsenen sie sah war einfach zu groß. Er setzte sich ganz dicht zu seinem Kleinen und nahm ihn in den Arm währen er ihm sein Brötchen reichte. Locke lächelte über das ganze Gesicht. Eye wünschte sich, dass er seinem kleinen Bruder ein besseres Leben ermöglichen könnte. Locke war so ein sensibles und schwaches Kind. Eye tat natürlich sein möglichstes um Locke zu beschützen, aber das war nicht immer möglich. Wenigstens hatte er es bis jetzt geschafft die größte Prügel immer selbst einzustecken. Doch er wusste auch, dass sie keine Woche überleben würden, sollten sie das Haus verlassen. Mal ganz davon abgesehen, dass die „Aufseher“ sie nie gehen lassen würden. Locke begann zu husten und auch sein Gesicht nahm eine rötliche Färbung an. Eye war besorgt, sollte Locke jetzt eine Erkältung bekommen könnte er ihm nicht helfen. Er aß schnell auf und legte auch seinen anderen Arm um seinen Bruder, in der Hoffnung ihn besser wärmen zu können. Als auch sein kleiner Bruder sein Brötchen fertig gegessen hatte beeilten sie sich zum Haus zu gehen. Die anderen Kinder waren auch schon alle versammelt, als die Beiden ankamen. Alpha war gerade dabei das Geld des heutigen Tages zu zählen, als die beiden eintraten. „Ihr Beiden, gebt mir euer Geld.“ Hinter ihm stand Mad Dog und sah sie warnend an. Locke fing hinter seinem Bruder noch heftiger zu zittern an. Mad Dog hatte das Geld wohl für sich behalten und warnte sie nun den Mund zu halten. In Eye´s Kopf überschlugen sich die Möglichkeiten die sie nun hatten. Locke war krank und schwach, er würde die Prügel nicht überleben die sie bekommen sollten, falls sie Mad Dog verrieten. Doch wenn sie kein Geld hatten würden sie Prügel von Alpha beziehen. „Andere Kinder haben uns das Geld geklaut.“ Etwas anderes fiel Eye in diesem Moment nicht ein. Er wusste, dass es eine sinnlose Ausrede war. Sie würden trotzdem bestraft werden. Aber mit etwas Glück konnte er die Aggressoren auf sich lenken und weg von Locke. Alpha stand mit einem Ruck auf und warf dabei den Stuhl auf dem er saß um. Er ging wie ein wütender Stier auf die Beiden zu. Eye stellte sich sofort schützend vor seinen kleinen Bruder. Ehe er es realisieren konnte hatte er schon eine Faust im Gesicht. Er flog durch den Raum und ladete hart gegen den Schrank. Locke eilte sofort an seine Seite. „Ihr seid wirklich zu gar nichts zu gebrauchen. Ihr werdet heute draußen schlafen. Und sollte das noch einmal vorkommen werde ich euch beide eigenhändig im Auwald begraben, habt ihr mich verstanden?“ Noch bevor die beiden irgendetwas hätten sagen können wurden sie auch schon vor die Tür geworfen. Was sollten sie jetzt tun? Es waren minus Grade und Locke hatte Fieber. Doch Eye wusste auch, dass niemand ihnen helfen würde. Er nahm seinen Bruder bei der Hand und ging mit ihm ums Haus herum, so waren sie wenigstens vor dem Wind geschützt. Sie setzten sich hin und Eye nahm Locke wieder in die Arme um ihn so gut es ging zu wärmen. „Eye kannst du mir ein Gute-Nacht-Lied singen?“ Es war kaum noch Kraft in seiner Stimme. Eye weinte still aus Verzweiflung. Wie konnte er seinem Bruder nur helfen? „Ja kann ich machen.“ Und er begann zu singen.

You are my sunshine, my only sunshine

You make me happy when skies are gray

You´ll never know dear, how much I love you

Please don´t take my sunshine away.


The other night dear, as I lay sleeping

I dreamed I held you in my arms

But when I awoke dear, I was mistaken

So I hung my head and I cried.


You are my sunshine, my only sunshine

You make me happy when skies are gray

You´ll never know dear, how much I love you

Please don´t take my sunshine away.


You are my sunshine, my only sunshine

You make me happy, when skies are gray

You never know dear, how much I love you

Please don´t take my sunshine away.

Please don´t take my sunshine away.

Please don´t take my sunshine away.


Dieses Lied war eine der Erinnerungen, die Eye noch an seine Mutter hatte. Sie hatte ihm und seinem kleinen Bruder immer dieses Lied vor dem einschlafen vorgesungen. Eye war 4 Jahre alt gewesen als die Geschwister von Männern abgeholt wurden und zu Alpha geschafft wurden, weil ihre Mutter bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Während er sang merkte er wie sein kleiner geliebter Bruder aufhörte zu zittern und immer kälter wurde. Er konnte ihm nicht helfen, konnte ihn nicht retten. Er würde die Nacht nicht überleben. Alles was er tun konnte war ihn in seinen Armen zu halten und ihm sein geliebtes Lied zu singen. Und das tat er, er presste seinen Bruder an sich und sang die ganze Nacht während ihm unaufhörlich Tränen über die Wangen liefen. Der Schmerz über den Verlust war beinahe unerträglich.



Am Morgen kam Mad Dog zu ihnen, er schien die Situation auf den ersten Blick erkannt zu haben und riss Locke aus Eyes Armen. Er war zu schwach um sich dagegen zu wehren. Auch wenn er seinen Bruder nicht hergeben wollte, wusste er doch, dass er nichts dagegen tun konnte. Er hasste sich für seine Hilflosigkeit, für seine Schwäche. Aber noch mehr hasste er diese herzlosen Bastarde, die Locke mit ihrer Entscheidung das Leben gekostet hatte. Als Alpha aus der Tür kam nahm er seine Gefühle an die Leine. Er war noch nie ein gefühlsbetontes Kind gewesen, zumindest nach Außen hin. Er hatte schnell gelernt, dass man in dieser Welt seine Gefühle nicht ausdrücken durfte. Man musste sich zu beherrschen wissen um zu überleben. Er ging also zu Alpha holte sich seine Bonbons ab und machte sich auf den Weg zum Bahnhof. Der Weg kam ihm an diesem Morgen doppelt so lang vor, seine Füße fühlten sich bleischwer an. Doch er musste überleben, für Locke. Er würde sein Leben für seinen kleinen Bruder leben. Ich verspreche dir Locke, ich werde es schaffen ein erfülltes Leben zu haben. Ich werde glücklich werden, auch für dich. Und wenn er alt genug war würde er ihn rächen. Doch erstmal musste er überleben, um später irgendwann leben zu können.



Kapitel 3


Es war gegen Mittag, als zwei Männer in schwarzen Anzügen in die Straßenbahn stiegen. Eye beachtete sie nicht weiter, denn Männer mit so feinen Klamotten interessierten sich nicht für das Leben der armen Bevölkerung. Doch die beiden Männer schienen ein Auge auf ihn geworfen zu haben, ohne das er es bemerkte. „Ich denke er passt. Er hat ungefähr das Selbe Alter und man sieht ihm an, dass er kein zu Hause hat.“ Der andere nickte ihm bestätigend zu. „Ja, er könnte passen. Ich hoffe der Chef ist mit diesem hier zufrieden. Mir gefällt dieser Auftrag nicht, ich möchte ihn einfach nur schnell hinter mich bringen. Lass uns warten bis er aussteigt und ihn dann überreden.“ Beide schienen sich damit einig zu sein und warteten nur noch darauf das Eye die Bahn verließ. Als es Nacht wurde verließ Eye die Straßenbahn wie immer am Hauptbahnhof. Er war erschöpft, sowohl physisch als auch psychisch. Er hatte den ganzen Tag damit verbracht in seinem Kopf Möglichkeiten durchzugehen, wie er Locke vor seinem Schicksal hätte bewahren können. Wie aus dem Nichts stellten sich ihm die zwei Männer mit den Anzügen aus der Bahn in den Weg. Er versuchte sie nicht weiter zu beachten und an ihnen vorbei zu gehen. Solche Leute bedeuteten nur Ärger und wenn Mad Dog, Alpha oder Speed Dog (sie schienen sich wohl für ein Wolfsrudel zu halten) ihn mit Fremden reden sahen würde er es vermutlich auch nicht mehr lange machen. „Hey warte mal Kleiner. Wir würden dir gerne ein Angebot machen. Unser Chef sucht gerade einen Spielkamerad für seine Enkeltochter. Sie dürfte in deinem Alter sein. Wenn du mitkommst, könntest du aufhören hier auf der Straße zu leben. Du müsstest nicht mehr um Geld betteln, hättest ein Dach über dem Kopf und alles was du zum Leben brauchst. Alles was du dafür tun müsstest wäre dich um unser kleines Fräulein zu kümmern.“ Eye setzte sich nach dieser Ansprache wieder in Bewegung. Er glaubte ihnen kein Wort. In dieser dreckigen Welt gab es nichts umsonst, irgendwo musste es einen Hacken geben. Andererseits, er blieb erneut stehen, selbst wenn es einen Hacken gab, konnte es wirklich schlimmer werden als sein Leben derzeit? Er drehte sich zu den Beiden um und bemerkte wie Mad Dog angerannt kam. Er wusste was nun kam. Er durfte nicht mit Fremden sprechen, außer es ging um seine „Arbeit“. „Hey ihr Beiden lasst meinen Jungen in Ruhe.“ Die Zwei sahen unbeeindruckt aus und wendeten sich Eye wieder komplett zu. „Also was sagst du? Willst du mit uns kommen?“ Bevor Eye hätte antworten können holte Mad Dog zum Schlag aus. Doch beide wichen mit Leichtigkeit aus. Und binnen einer Sekunde hatte einer der Beiden ihn im Polizeigriff. „Keiner redet mit dir Abschaum. Ich möchte mir an dir nun wirklich nicht die Hände schmutzig machen. Aber wenn du unserem Geschäft noch mal in die Quere kommst breche ich dir den Arm.“ Er stieß ihn von sich und Mad Dog rannte davon. Jetzt hatte Eye keine andere Wahl mehr als mitzugehen. Sollte er jetzt zurückkehren würde Mad Dog ihn umbringen. Er ließ die Schultern hängen und folgte den Beiden.

Sie fuhren eine ganze Weile, als der Wagen endlich anhielt standen sie vor einer riesigen Villa, wie Eye sie noch nie gesehen hatte. Er stieg mit den beiden Anzugträgern aus und betrat das Haus. Eye sah sich um, während die Beiden mit einem weitern Mann sprachen. Es sah alles sehr teuer aus. Nicht das er irgendeine Ahnung von Luxusgegenständen hatte. Aber er realisierte den Unterschied. Die beiden Männer verabschiedeten sich gerade, als der Neue auf Eye zukam. „Hallo. Ich heiße Simon Kleintke. Ich bin ab sofort für dich verantwortlich. Ich werde dir sagen was du zu tun hast und welche Aufgaben anstehen. Du wirst mir deine Berichte erstatten und bei Fragen zu mir kommen. Verstanden?“ Eye nickte nur als Zeichen das er verstand. „Gut. Ich werde dir jetzt unseren Chef vorstellen. Sei höflich und rede nur wenn du etwas gefragt wirst.“ Nach dieser Aussage drehte er sich einfach um und Eye blieb nichts anderes übrig als ihm zu folgen. Sie betraten ein großes Büro. Genau gegenüber von der Tür stand ein riesiger Schriebtisch aus dunklem Holz hinter dem ein älterer Mann saß. „Ist er das?“, fragte er seinen Sekretär. „Ja. Die Männer haben ihn aus der Straßenbahn, wo er Bonbons an die Passanten verkaufte. Sie hatten eine kurze Auseinandersetzung mit seinem Aufseher, was sich aber schnell klären ließ.“ Richard Schneider sah sich den Junger der in sein Büro gebracht wurde und der für seine Pläne so wichtig war genauer an. Das Alter sollte passen. Doch desto länger er den Jungen ansah, umso mehr störte ihn etwas. Er konnte nur nicht den Finger darauf legen was es sein könnte. Doch plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Simon, das ist ein Mädchen und kein Junge.“ Der Sekretär drehte sich zu Eye um und sah ihn sich genau an. „Bis du ein Mädchen?“ Eye hatte sich immer vor dieser Frage gefürchtet und blieb still. „Nun sag schon bist du ein Mädchen. Wenn du nichts sagst zieh ich dir hier und jetzt die Kleidung aus.“ Eye erstarrte und sah ihn erschrocken an. „Ja ich bin ein Mädchen.“ Simon drehte sich zu seinem Chef. „Es tut mir unendlich leid. Ich werde dieses Kind zurück bringen und nach einem andern schauen.“ Eye blieb beinahe das Herz stehen. Sie konnte nicht zurück gehen. Mad Dog würde sie umbringen, dafür dass sie mit den Männern die ihn verletzt hatten mitgegangen war. Sie warf sich auf den Boden und flehte darum, dass sie sie nicht wieder wegschicken sollten. „In Ordnung. Warte draußen vor der Tür. Ich bespreche das Thema mit Simon und dann sehen wir weiter.“ Eye verließ den Raum und hoffte, dass sie sich dafür entschieden sie zu behalten. Sie begann zu beten.

Hinter der verschlossenen Tür berieten sich die beiden Männer wie es nun weiter gehen sollte. „Was sagst du Simon, können wie sie gebrauchen?“ Simon überlegte eine ganze Weile. „Ich denke sie ist eine gute Wahl. Sie hat einen starken Willen zum überleben. Sie hat in ihren jungen Jahren schon erfolgreich geschafft ihr Geschlecht zu verheimlichen. Wenn wir sie als Mann zu ihm schicken, könnte sie nach der Zeit ganz einfach wieder zur Frau werden und untertauchen, ohne entdeckt zu werden.“ Diese Argumente ergaben auch für den Chef Sinn. „Aber kann sie, wenn sie älter wird immer noch verheimlichen, dass sie eine Frau ist?“ Simon sah seinen Chef ernst an. „Wenn wir jetzt mit dem Training anfangen, dann denke ich nicht, dass irgendwelche Komplikationen auftreten dürften. Wie ein Hund wird sie darauf abgerichtet ein Junge zu sein.“ Der Chef überlegte und dann erschien ein verschlagenes Lächeln auf seinem Gesicht. „In Ordnung. Sie klingt brauchbar. Ich gebe dir ein Jahr um sie so zu erziehen wie wir sie brauchen. Dann stell sie mir noch mal vor, dann werde ich endgültig entscheiden ob wir sie nehmen.“

Draußen wurde Eye immer nervöser. Was sollte sie nur tun, wenn sie ihr sagten, dass sie gehen müsste? Sie wollte doch für Locke weiterleben. All das erleben, was ihrem kleinen Bruder nie vergönnt gewesen war. Dann öffnete sich die Tür und der Mann der sich als Simon Kleintke vorgestellt hatte kam heraus. „Komm mit mir mit.“ Eye folge ihm zu einem Auto. Sie fuhren eine kurze Strecke und hielten vor einem gewöhnlichen Einfamilienhaus. „Das hier ist mein Haus. Du wirst ab jetzt bei mir wohnen. Komm mit rein.“ Sie gingen hinein und steuerten das Wohnzimmer an. „Setz dich.“ Eye kam auch dieser Aufforderung nach. „Wie heißt du? Wie alt bist du?“ Eye dachte kurz nach. „Ich heiße Eye. Und ich bin mir nicht sicher wie alt ich bin. Alpha meinte ich wäre 7 Jahre alt.“ Der Mann ihm gegenüber sah ihn Stirn runzelnd an. „Wer ist Alpha?“ Eye war nicht sicher wie viel sie sagen konnte. Beschloss dann aber einfach die Wahrheit zu sagen. „Er ist der Mann bei dem ich und mein Bruder seitdem ich 4 Jahre alt war lebten.“ Trauer überkam Eye als sie an ihren kleinen Bruder dachte. „Du hast also noch einen Bruder?“ Schnell schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich habe keinen Bruder mehr, er ist letzte Nacht gestorben.“ Tränen wollten wieder zu fließen beginnen, aber Eye brachte genug Selbstbeherrschung zusammen um ihnen Einhalt zu gebieten. Sie konnte es sich nicht leisten vor diesem Mann Schwäche zu zeigen. Und Simon war beeindruckt. Er hatte das ansteigen der Tränen gesehen und hatte schon damit gerechnet ein heulendes Kind zurechtweisen zu müssen. Aber keine Träne rollte. „In Ordnung. Dann verrate mir doch mal wieso du dich bis jetzt als Junge ausgegeben hast.“ Eye verscheuchte die traurigen Gedanken an ihren Bruder, nur um bei den Nächsten zu landen. „Sunny hat mir gesagt ich solle nie jemanden merken lass, dass ich ein Mädchen bin. Ich müsse dies unter alles Umständen verheimlichen, damit es mir nicht so ergehen muss wie ihr.“ Simon hörte aufmerksam zu. „Und was ist aus dieser Sunny geworden?“ Er konnte es sich zwar schon vorstellen, aber er musste sicher gehen. „Sie wurde von Alpha an ein Bordell verkauft.“ Er hatte es geahnt. Aber für ihn war es gut. Der Bruder war tot und die andere Bezugsperson war auch weg. Niemand würde sie vermissen oder suchen. Und auch nicht erkennen. „Von nun an wirst du hier leben, das hatte ich dir ja schon gesagt. Ich werde dein Onkel sein und du mein Neffe. Merk es dir gut, du bist ein Junge. Achte darauf mich immer mit Onkel Simon anzusprechen.“ Eye nickte. „Dein Name wird Chris Kleintke sein. Sag es.“ Eye sah ihm direkt in die Augen. „Mein Name ist Chris Kleintke, Onkel Simon.“ Der Sekretär lächelte zufrieden und nickte einmal zur Bestätigung mit seinem Kopf. Von diesem Moment an begann Chris´ Training.



Kapitel 4


Ein Jahr ist seit diesem Tag vergangen und Chris kehrte zusammen mit Onkel Simon zum Chef zurück. Sie wusste, dass nun entschieden wurde was in Zukunft aus ihr werden würde. Sie hatte das harte Training über sich ergehen lassen. Die Blessuren und gebrochenen Knochen in kauf genommen. Alles um zu überleben. Sie betraten das Büro des Chefs und Chris stellte sich gerade neben ihren „Onkel“. „Ist das das Kind von letztem Jahr?“ Chris wusste, dass sie den Mund zu halten hatte. „Ja. Wir haben sie ein Jahr lang trainiert. Sie sollte nun wissen was sie ist und was sie zu tun hatte.“ So ganz stimmte das nicht. Ihr wurde gesagt, dass sie weiterhin ein Junge sein sollte. Aber niemand hatte ihr gesagt wieso oder was ihre Aufgabe sein sollte, dass sie der Spielkamerad für die Enkelin des Chefs sein sollte war wohl nur eine Lüge gewesen um sie zum mitgehen zu bewegen. „Welches Training hat sie schon hinter sich?“ Simon dachte kurz nach. „Wir haben sie erstmal physisch in Form gebracht. Danach begann das Kampftraining. Sie beherrscht Aikido, Karate, Judo, Krav Maga, Jiu Jitsu, einige Kung Fu Arten, Kenjutsu, Kickboxen, Kuntao und Taekwondo. Alle sind auf dem Level eines Meisters, niemand ihrer Altersklasse könnte sie besiegen. Sie ist ein Genie wenn es um Kampfkünste geht. Um genauer zu sein, nicht nur darin. Sie hat einen IQ von 215 und eine außergewöhnliche Auffassungsgabe. Sie hat den Lehrstoff bis zum Abitur schon gelernt. Nun müssen wir darauf achten, dass wir mit dem Muskelaufbau nicht nachlässig werden, sonst könnte sie später gegen ausgebildete Männer durch ihren Mangel an Kraft verlieren. Zusätzlich hat sie ein Training zur Emotionskontrolle durchlaufen, auch dieses hat sie mit Bestnoten bestanden. Ich denke das liegt auch mit an ihrer Vergangenheit. Sie war es sich schon von klein auf gewohnt ihre Emotionen im Griff haben zu müssen um zu überleben. Die Benimmschule hat sie auch hinter sich und ohne Probleme bestanden. Jetzt beginnen wir damit sie erwachsener zu machen. Sie soll kindliche Emotionen vollkommen ablegen, denn nur weil sie sie verbirgt heißt es nicht, dass sie sie nicht hat. Nicht wahr Chris?“ Er hatte Recht. Chris dachte und fühlte noch immer wie ein Kind und wenn sie allein war weinte sie oft. „Ja Onkel Simon.“ Der Chef sah zufrieden aus. „Was ist mit ihrer Stimme und ihren Augen?“ Zuerst sah Simon verwirrt aus, doch dann verstand er. „Die ersten drei Monate hat Chris damit verbracht immer wieder so lange zu schreien bis sie Blut spuckte, sobald ihre Stimmbänder verheilt waren fingen wir von vorne an. Nun hat sie eine rauchig kratzige Stimme, die man nie mit einer Frau in Verbindung bringen würde. Und sie trägt Kontaktlinsen. Ihre Augen sind zu ungewöhnlich, als dass sie nicht auffallen würden. Sie würde mit diesen Augen jedem in Erinnerung bleiben und wäre immer wiederzuerkennen. Nun hat sie normale grüne Augen die nicht weiter auffallen.“ Er hatte Recht, Chris wurde damals nicht grundlos Eye genannt. Sie hatte wunderschöne und außergewöhnliche Augen. Sie sahen aus wie flüssiges Silber. „Verstanden. Ab heute wird Chris anfangen der Bodyguard für Lisa zu sein.“ Das sollte also ihre Aufgabe sein. Sie sollte auf die Enkelin des Chefs acht geben und sie beschützen. Sie wusste nicht viel über das kleine Mädchen, nur das sie wohl knapp ein Jahr jünger was als sie selbst. „Chris ich möchte, dass du gut auf meine Enkelin aufpasst. Beschütze sie mit allem was du hast, selbst mit deinem Leben wenn es sein muss.“ Sie sah ihn ausdruckslos an, wie sie es gelernt hatte, aber innerlich hatte sie ein wenig Angst vor dieser Aufgabe, wenn er schon sagte mit ihrem Leben. „Verstanden Sir.“ Er gab ihr mit der Hand ein Zeichen, dass sie gehen solle und sie verließ den Raum. Sie würde wohl von nun an in dieser Villa Leben müssen. Im Grunde genommen war es ihr gleich wo sie wohnte, solange sie ein Dach über dem Kopf hatte und Essen bekam. Sie würde überleben, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie frei war und leben konnte. Sie hatte es Locke versprochen. Kurze Zeit später kam Simon zu ihr hinaus und führte sie die Treppe hinauf. Er öffnete die erste Tür zur Rechten Seite. „Dieses Zimmer gehört Miss Lisa. Du wirst dich um sie kümmern wann immer sie etwas braucht. Du bist in diesem Haus ihr Untergebener und wirst alles tun, was sie von dir verlangt. Wenn ihr aus dem Haus geht, wirst du ein einfacher Bodyguard sein. Du wirst sie wie andere Gleichaltrige behandeln, aber alle Bedrohungen oder Anfeindung abwehren. Verstanden?“ Ja das hatte sie. In diesem Haus war sie der Sklave eines kleinen Mädchens, während die Umwelt, wenn sie das Haus verließen nichts davon erfahren sollte. „Ja ich habe verstanden, Onkel Simon.“ Er nickte als Zeichen, dass er mit ihrer Antwort zufrieden war und schloss die Tür wieder. Simon ging eine Tür weiter und öffnete auch diese. „Dieses hier wird dein Zimmer sein. Du hast alles was du brauchst in den Schränken. Hier neben der Tür ist eine Klingel angebracht, Lisa kann sie von ihrem Zimmer aus läuten. Wenn sie klingelt begibst du dich sofort auf den Weg in ihr Zimmer, egal welche Tages- oder Nachtzeit es ist. Du wirst ab morgen zusammen mit Miss Lisa zur Schule gehen. Ich weiß, dass der Lernstoff weit unter deinem Niveau ist, aber pass dich in der Schule den Anderen an. Unten im Keller ist ein voll eingerichteter Trainingsraum. Du solltest täglich nach der Schule trainieren, vernachlässige das nicht. Am Abend wirst du mir Bericht erstatten, was während des Tages alles vorgefallen ist.“ Sie nickte als Zeichen das sie verstand, nicht das sie eine Alternative gehabt hätte. „Komm jetzt mit runter ich stelle dir das kleine Fräulein vor.“ Sie gingen die Treppe abwärts, doch noch auf dem Weg nach unten kam ihnen ein kleines Mädchen entgegen gerannt. „Simon ist das der Junge, der von nun an bei uns leben wird?“ Simon setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Ja Miss Lisa, das hier ist Chris. Er wird von nun an dein Beschützer sein und dich überall hin begleiten.“ Lisa begann zu strahlen. „Hallo, ich bin Lisa. Wie alt bist du?“ Chris dachte nach ob er zurück lächeln sollte oder wie es ihm beigebracht wurde sein stoisches Gesicht beizubehalten. Er entschied sich gegen ein Lächeln. „Guten Tag Miss. Mein Name ist Chris. Ich bin 8 Jahre alt und werde von heute an gut auf Sie acht geben.“ Sie sah ihn enttäuscht und wütend an. „Wieso redest du so förmlich mit mir? Du bist älter als ich. Bist du nicht hier her gekommen um mein Freund zu werden?“ Chris wusste nicht was sie antworten sollte, aber das musste sie auch gar nicht. Simon schritt sofort ein. „Miss Lisa, Chris ist her gekommen um Sie zu beschützen. Er ist Ihr Untergebener und nicht Ihr Freund. Ihr Großvater würde es gar nicht gern sehen sollten Sie sich mit Leuten niedrigerer Herkunft anfreunden wollen.“ Mit dieser Ansprache zeigte er auch gleich noch mal wo Chris Platz war, egal was das junge Fräulein gern wollte. „Das ist doof, ich mag euch gar nicht gern.“ Mit diesem Satz drehte sie sich um und verschwand hinter einer anderen Tür. „In Ordnung, du kann wieder in dein Zimmer gehen. Ab morgen früh fängt deine Arbeit an.“ Sie ging zurück in das Zimmer, dass von nun an ihres sein sollte. Da es schon spät war ging sie ins Bad putzte sich die Zähne und wusch sich schnell, dann ging sie zurück und zog einen der Pyjamas an, die sie in einem der Schränke gefunden hatte. Sie lag schon im Bett und dachte über den heutigen Tag nach als sich ihre Tür öffnete. Sie setzte sich auf und blickte Richtung Ausgang. Schüchtern blickte Miss Lisa sie an. „Ich kann nicht schlafen, kann ich zu dir kommen? Ich habe Angst allein und du bist da um mich zu beschützen.“ Sie war wirklich das genaue Gegenteil von ihr selbst, aber sie erinnerte Chris stark an ihren kleinen Bruder, der war auch immer ein kleiner Angsthase gewesen. „Ich komme mit zu Ihnen rüber und bleibe bis Sie eingeschlafen sind.“ Ihr ganzes Gesicht hellte sich auf als sie diese Antwort hörte. „Würdest du mich Huckepack tragen? Ich schlafe immer ein, wenn mich jemand Huckepack nimmt.“ Sie war Locke wirklich ähnlich. „Na dann kommen Sie mal her auf meinen Rücken. Ich trage Sie rüber.“ Sie kam sofort angelaufen und kletterte auf Chris´ Rücken. „Würdest du bitte aufhören so formell mit mir zu reden?“ Chris versteifte sich kurz. „Es tut mir leid Miss, aber das kann ich nicht.“ Lisa sah nach dieser Antwort traurig aus und als würde sie jeden Moment zu weinen anfangen. Chris konnte es nicht ertragen. Das Gefühl, welches sie hatte als Lisa bei ihr auf dem Rücken saß, war dem Gefühl von Locke so ähnlich. „In Ordnung ich werde normal mit dir reden, aber nur wenn niemand dabei ist.“ Sie lächelte ihn an. „Das ist schön. Chris ist mein erster Freund. Im Kindergarten hatte ich immer diese großen furchterregenden Männer dabei, deswegen wollte niemand mit mir spielen.“ Sie hatte es wohl auf eine ganz andere Art und Weise nicht leicht im Leben. „Singst du mir ein Schlaflied?“ Sie war ihrem Bruder wirklich ähnlich und in diesem Moment beschloss sie, dass Lisa wie eine kleine Schwester sein würde und sie sie in allen unterstützen und vor allem beschützen würde. Und sie begann zu singen. Ihr Gute-Nacht-Lied, das sie schon immer ihrem kleinen Bruder vorgesungen hatte. You are my sunshine, my only sunshine, you make me happy, when …



Kapitel 5


Seit ihrem ersten Treffen sind nun schon 8 Jahre vergangen. Sie haben gerade erst die Schule gewechselt, weil Lisas Großvater der Meinung war, das es für Lisa besser wäre, da auf diese mehr Schüler aus hoch angesehenen Familien gingen. Aus Lisa ist eine wahre Schönheit geworden und Chris ist zu ihrem Bedauern weiblicher geworden. Mit ihrer ersten Regelblutung hat Simon beschlossen eine Hormonbehandlung zu begingen. Im Endeffekt waren es die Selben Hormone wie in einer Antibabypille, nur das Chris sie monatlich gespritzt bekam, so blieb ihre Blutung aus. Dies hatte jedoch zur Folge, dass ihre Brüste schneller wuchsen. Sie musste nun eine spezielle Weste unter ihrer Kleidung tragen. Sie war so gemacht, dass man keinen unterschied zu einer Männerbrust fühlen konnte, wenn man sie direkt abtastete. Es war jedoch trotzdem unangenehm ein C-Körpchen in eine Weste zu quetschen. Sie war auch für einen „Jungen“ recht klein mit ihren 1,72m und schmal gebaut. Was wohl verständlich war. Egal wie hart sie trainierte und wie perfekt ihre Muskeln auch sein mochten, sie könnte nie so breit wie ein Mann werden, zumindest nicht, wenn sie nicht ihre Geschwindigkeit und Agilität im Kampf verlieren wollte. Nun war der erste Schultag an einer neuen Schule und der Junge, der hinter Lisa saß zog an ihren Haaren. „Hey Schabracke.“ Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn ernst an. „Würdest du das bitte sein lassen?“ Er grinste sie nur dreist an und zog noch mal an ihren Haare. Plötzlich ladete eine Hand auf seiner Schulter. „Entschuldige dich bei Lisa.“ Der Typ drehte sich sauer zu Chris um. „Was willst du halbe Portion von mir?“ Ohne Vorwarnung holte er aus um Chris zu schlagen, doch für Chris war so ein Angriff keine Gefahr. Sie wich dem Schlag aus, griff nach seinem Handgelenk und hebelte ihn aus. Mit nur ein wenig mehr Druck könnte sie ihm nun die Schulter auskugeln. „Ich sage es noch einmal. Entschuldige dich bei Lisa.“ Lisa sah zufrieden aus. „Ist schon gut Chris. Lass ihn los, ich denke er hat jetzt verstanden.“ Sofort gab Chris den Arm frei und der Junge flüchtete aus dem Zimmer. Lisa sprang in Chris´ Arme und drückte ihn. „Du bist einfach der Beste.“ Kurz darauf flog die Tür auf und ein neuer Typ kam in den Raum. Er war groß und breit gebaut. „Wer ist Chris Kleintke?“ Alle im Klassenzimmer begannen sofort zu tuscheln. Chris trat vor. „Ich bin Chris Kleintke.“ Ohne weiter zu frage kam der Riesentyp auf ihn zu und wollte ihm ins Gesicht boxen. Chris wich wieder ohne Probleme aus. An dieser Schule konnte es niemand mit ihr aufnehmen. Doch damit Lisa ihre Ruhe hatte und Chris sich um sie kümmern konnte musste sie ein Zeichen setzen. Sie trat ihm gegen den Brustkopf und er landete hart auf dem Boden. Er hatte Probleme zu atmen und zu allem Überfluss stellte Chris einen Fuß auf seiner Brust ab. „Ich habe absolut kein Interesse an euch Typen. Alles was ich will ist, dass ihr Lisa in Ruhe lasst. Wenn ihr das macht, mache ich euch keine Probleme. Verstanden?“ Der am Boden Liegende nickte panisch. „Gut.“ Danach nahm Chris ihren Fuß von ihm und der Junge verschwand schneller als er gekommen war. „Ich sag doch es gibt niemand besseren als meinen Chris.“ Mit diesen Worten hackte sich Lisa bei Chris ein und lies sich von ihr zur Cafeteria begleiten. Der Rest des Tages verlief ereignislos, bis sie auf dem Weg zum Wagen waren, der sie nach Hause bringen würde. Kurz vor dem Tor wurden die Beiden von 8 Jungen umstellt. Lisa griff nach Chris Hand und hielt sich panisch an ihr fest. Chris beugte sich zu ihrem Ohr, ohne die Angreifer aus den Augen zu lassen und flüsterte ihr zu. „Wenn ich es dir sage rennst du so schnell du kannst zum Auto. Ich muss das heute klären, damit sie uns in Zukunft in Frieden lassen.“ Sie sah Chris panisch an. Hatte Chris etwa vor gegen alle 8 gleichzeitig zu kämpfen? Und sie solle im Auto warten? Nun sie war auch wirklich keine Hilfe, sondern eher eine Ablenkung, aber wieso konnte er nicht einfach mit ihr fliehen? Chris trat dem Typen der den Weg zum Tor versperrte die Beine weg sodass der Weg zum Wagen frei war und rannte mit Lisa an der Hand los. Am Wagen angekommen setzte sie die Miss rein und sagte dem Fahrer er solle los fahren. Sie blieb allein zurück und egal wie sehr Lisa ihren Fahrer anbrüllte er solle umkehren tat dieser es nicht. Chris drehte sich zu ihren Angreifern. Nun da sie Lisa in Sicherheit wusste konnte sie ohne Probleme kämpfen. „Heute ist dein letzter Tag auf Erden. Ich hoffe du bist vorbereitet.“ Chris konnte nur Lächeln. Sie wäre selbst mit Hunderten dieser unausgebildeten Möchtegernen fertig geworden. Und dieses Mal hielt sie sich nicht zurück. Die Typen sollten verstehen, dass sie ihnen überlegen war und, dass sie sie besser einfach in Frieden ließen. Als sie fertig war, lagen alle acht auf dem Boden und jeder von ihnen hatte mindestens einen gebrochenen Knochen. Sie würde dies am Abend Simon erklären müssen, aber in einer Welt in der der Stärkste regiert, wird dieser wohl kein Problem mit ihrem Vorgehen haben. Und sie sollte Recht behalten, nachdem sie Lisa die in Tränen aufgelöst auf sie wartete, beruhigt hatte, ging sie direkt runter in ihren Trainingsraum, wo Simon sie schon erwartete. „Was war heute los in der Schule?“ Sie erzählte ihm genau was passiert war und er schien zufrieden mit ihr zu sein. Dann reichte er ihr eine Versicherungskarte. „Das hier ist deine Versicherungskarte. Solltest du mal so verletzt sein, dass du in ein anderes Krankhaus musst, benutz bitte diese Karte. Sie ist auf den Namen Sarah Schreiber registriert. Im Krankenhaus wirst du eine Frau sein, also sorge dafür, dass dich niemand sieht, sonst könnte deine Tarnung auffliegen. Ich muss dir nicht noch mal erklären was passieren würde, wenn jemand herausfinden würde, dass du eine Frau bist?“ Er sah sie ernst an. Aber sie brauchte die Drohung nicht noch mal ausgesprochen zu bekommen. Sie wurde von klein auf darauf erzogen dieses Geheimnis zu wahren. Es hatte sie bei jedem kleinen Fehler gebrochene Knochen gekostet. „Nein Onkel Simon, ich weiß was passieren würde.“ Er nickte zufrieden. „Sehr gut. Dann nimm jetzt die Karte und pack sie zu deinen anderen Unterlagen. Danach kannst du in Ruhe trainieren.“ Und das tat sie. Sie trainierte jeden Tag eine andere Kampfsportart, um in keiner Nachzulassen.

Am Wochenende nahm Lisa an einem Klavier Concours teil. Chris begleitete sie bis zur Aufnahme und verabschiedete sich dann von ihr. „Ich werde im Publikum sitzen und dich anfeuern. Wenn alles zu Ende ist hole ich dich hier wieder ab. Bitte geh nirgendwo ohne mich hin. In Ordnung?“ Sie lächelte ihn an und nickte. Dann ging sie davon. Es dauerte noch über eine Stunde bis die Veranstaltung begann, also beschloss Chris in den nahe gelegenen Park zu gehen. Sie könnte dort einige ihrer Meditationsübungen machen die zu ihrer Kung Fu Ausbildung gehörten. Sie stellte sich noch einen Wecker, damit sie auch nicht zu spät kam und setzte sich im Schneidersitz ins Gras. Es war weich und die Sonne schien ihr ins Gesicht. Sie liebte diese Momente. Es waren kurze Episoden in denen sie sie selbst sein konnte. Wo sie sich nur auf sich selbst konzentrieren konnte. In denen sie sich auch wie ein Mädchen fühlen konnte, auch wenn davon nach Außen hin nichts zu sehen war. Es kam ihr vor wie 5 Minuten als ihr Telefon das Signal gab, dass es Zeit für sie war zurück zu ihrem derzeitigen Leben zu gehen. Doch sie beschloss vorher noch schnell die öffentliche Toilette aufzusuchen, denn sie hatte das Gefühl, als würde ihre Weste nicht richtig sitzen. Also steuerte sie die öffentlichen Sanitäranlagen im Park an, doch noch bevor sie rein gehen konnte entdeckte sie Blut auf dem Boden. Wenn sie Glück hatte wäre der jenige der so blutete schon weg. Und wenn sie sehr viel Pech hatte, war er da drin gestorben. Es wäre nicht der erste Leichnam, den Christ in ihrem Leben sehen würde, aber es würde bedeuten, dass sie die Polizei rufen müsste. Aber ihr blieb nichts anderes übrig als hinein zu gehen um das zu erfahren. Also trat sie ein und dort saß ein Mann am Boden an die Wand gelehnt. Es sah ganz danach aus als hätte er eine Stichwunde im Bauch, aber er lebte noch.



Chris wollte sich gerade umdrehen um wieder zu gehen, als er sie ansprach. „Hey. Steh da nicht so rum und hilf mir.“ Chris sah den Mann am Boden ausdruckslos an. „Wieso sollte ich?“ Sie würde ihm gern helfen. Sie hatte sich schon immer gern um andere gekümmert. Sie war eben der Beschützertyp, aber das konnte sie niemandem zeigen und selbst wenn sie diesen Mann in ihrem Leben wohl nie wieder sehen würde musste sie ihr perfektes Schauspiel beibehalten. „Weil du menschlich bist. Kein normaler Mensch würde einfach gehen, wenn er einem anderen der schwer verwundet ist helfen könnte.“ Chris ging auf ihn zu, zog ihm sein Hemd aus und begutachtete die Wunde. Sie hatte das Medizinstudium schon hinter sich, um sich selbst verarzten zu können. Auch das wusste nur wenige, aber immerhin war das kein Geheimnis. Lisa wusste, dass sie eine ausgebildete Ärztin war. Sie zerriss sein Hemd und machte daraus einen Druckverband. „Die Wund ist nicht tief genug um wirklichen Schaden anrichten zu können. Lass es nähen und du solltest in ein bis zwei Wochen wieder fit sein.“ Mit diesen Worten stand sie auf und wollte wieder gehen, als seine Stimme sie noch mal aufhielt. „Mein Name ist Michael Remus. Ich schulde dir etwas.“ Ohne sich noch mal umzudrehen ging Chris zurück zum Konzertsaal in dem der Wettbewerb stattfinden sollte. Sie würde dort auf den Toiletten ihre Weste richten müssen. Sie freute sich auf den Wettkampf, denn sie liebte klassische Musik.

Der Mann der auf der Toilette zurück gelassen wurde konnte sich trotz der Schmerzen ein lachen nicht verkneifen. „Er hätte mir ruhig seinen Namen nennen können. Und auch wenn er meinte, dass alles in Ordnung sei, würde ein normaler Mensch nicht wenigstens anbieten einen Krankenwagen zu rufen? Was für ein komischer Kerl.“

Keiner der Beiden wusste zu diesem Zeitpunkt, dass das Schicksal sie in Zukunft noch oft zusammen bringen würde.



Kapitel 6


Ein Jahr später.

Chris hatte gerade eine Trainingseinheit bei ihrem Meister in Aikido hinter sich und war auf dem Weg nach Hause, als sie an ein paar Jungs vorbei musste, die sich ihre Zeit damit vertrieben einen schwächlichen Jungen zu drangsalieren. Sie würde ihm gern helfen, doch dafür hatte sie keine Zeit und keine Berechtigung. Also lief sie an den Typen vorbei ohne sie weiter zu beachten. Chris hatte wirklich gehofft, dass sie damit davon kommen würde, aber sie wurde von einem der Typen aufgehalten. Er schien der „Chef“ dieser kleinen Zusammenkunft aus möchte gern Schlägern zu sein. „Was willst du hier?“ Diese Frage war so sinnlos, dass Chris sich beherrschen musste nicht zu lachen. „Ich bin nur jemand der hier vorbei muss.“ Der Junge vor ihr begann zu lachen. „Du scheinst ja ein richtiger Scherzkeks zu sein.“ Er stellte sich ihr wieder in den Weg. „Geh zur Seite.“ Sie hatte wirklich keine Lust sich mit Simon auseinander setzen zu müssen, weil sie diese Halbstarken auseinandergenommen hat. „Und was wenn nicht?“ Aber ihr schien nichts anderes übrig zu bleiben. Doch mit etwas Glück, wenn sie ihm zeigte, dass sie stärker war als er, würde er sie vielleicht in Ruhe lassen. Also schnappte sie sich blitzschnell seinen Arm und drehte ihn im Polizeigriff auf seinen Rücken. So hielt sie ihn für paar Sekunden um ihm klar zu machen, dass sie die Oberhand hatte, dann ließ sie ihn wieder los. „Sehr schön und was ist mit einem richtigen Kampf?“ Er wollte sich für einen Kampf bereitmachen, als ein Motorrad neben ihnen hielt. „Konrad hör auf damit. Du weißt wie sehr ich es hasse wenn du so einen Lärm veranstaltest.“ Er gab den Weg frei und Chris ging unbeeindruckt seinen Weg weiter. „Denk nicht, dass es damit schon vorbei wäre.“ Chris interessierte sich nicht wirklich für das Geschwätz und ging einfach weiter. „Der Typ scheint echt nicht normal zu sein. Das alles schien ihn völlig kalt zu lassen.“

Am nächsten Tag war Lisas und Chris´ erster Schultag an der Oberschule. 2020 wurde das Schulsystem in Gesamtschulen geändert. Von der ersten bis zur sechsten Klasse ging man zur Grundschule. Von der Siebten bis zur Neunten auf die Mittelschule und von der zehnten zur zwölften auf die Oberschule. Es war eine gute Idee und das erste Jahrzehnt zeigte es auch deutliche Verbesserungen im deutschen Bildungssystem und einen Anstieg der Abiturienten, aber mit dem beginn der aufblühenden Privatschulen, war es normalen Schülern nur noch selten möglich das Abitur zu erreichen. Aber um Geld brauchten sich Lisa und Chris nun wirklich keine Sorgen zu machen. Es war ein schöner Apriltag und Chris hoffte, dass das Wetter so schön blieb, sie hatte keinen Schirm eingepackt. Sie hatten bereits die Einführung aller Zehntklässler hinter sich gebracht und waren auf ihrem Weg in ihr Klassenzimmer. „Du Chris. Bei der Einführung waren eine Menge gutaussehender Jungs.“ Chris lief einfach weiter ohne darauf näher einzugehen. Was sollte sie auch sagen. Alle hielten sie für einen Jungen, selbst Lisa. Richtig nicht einmal Lisa wusste über ihr Geheimnis bescheid. „Fühlst du dich bedroht? Du hast jede Menge Konkurrenz bekommen. Natürlich ist niemand so schön wie du, aber Schönheit ist nicht das Wichtigste für einen jungen Mann.“ Sie ignorierte auch diese Aussage. Sie konnte auch nichts an ihrem Aussehen ändern. Sie würde nie maskulin aussehen, aber das kam ihr nur zugute. Immerhin hatte sie kein Interesse an Frauen und ihr war es nur recht, wenn sie sie in Ruhe ließen. „Chris, es macht echt keinen Spaß mit dir zu reden. Könntest du bitte mal antworten? Wie soll man denn so ein vernünftiges Gespräch führen?“ Genau das war der Punkt, Chris wollte kein Gespräch führen und über ein solches Thema schon mal gar nicht. „Lisa ich bin dein Bodyguard. Ich folge dir überall hin, ich beschütze dich vor jeder Gefahr, aber bitte, ich möchte mich nicht über die Vorzüge anderer Männer unterhalten oder darüber, dass die Mädchen mich nicht wollen könnten.“ Sie hofft, dass sie nicht zu hart in ihrer Aussage war. Chris wusste, dass Lisa es nur gut meinte und sie hatte keine Freunde außer ihr. Sie hoffte nur, dass sich das an der neuen Schule schnell ändern würde. Und wie es aussah hatte sie Glück. Nachdem sie sich auf den ihnen zugewiesenen Platz gesetzt hatten begann Lisa ein Gespräch mit dem Mädchen welches vor ihr saß.

„Hey. Mein Name ist Sandra. Du bist Lisa Schneider von der 4. Mittelschule, hab ich Recht?“

„Ja du hast Recht, aber woher weißt du das?“

„Dachte ich es mir doch. Und der Junge, der unentwegt in unsere Richtung starrt muss dann wohl Chris sein. Ihr beide seid berühmt. Ich bewundere Chris, wie er dich so sehr liebt, dass er gegen alles und jeden kämpft um dich zu beschützen.“

„Oh, okay. Ja Chris ist wirklich klasse, aber wir haben nicht diese Art der Beziehung. Er ist nur ein Freund und passt eben auf mich auf.“

„Kann ich ihn dann haben?“

„Ah, ich denke nicht, dass das was wird. Tut mir leid.“

„Nein das ist nur verständlich, wenn er jeden Tag mit einer Schönheit wie dir verbringt.“

„Nein nein, so habe ich das nicht gemeint. Er hat nur bis jetzt einfach kein Interesse gezeigt.“

„Entspann dich. Ich habe dich nur auf den Arm genommen. Du bist ziemlich naiv. Übrigens wusstest du, dass Anna Rühl und Konrad Vogel bei uns in der Klasse sind?“

„Muss ich wissen wer die beiden sind?“

„Du machst Witze oder? Anna Rühl, die Tochter des Chefs der Wohngesellschaft Deutschland, ist als Schlägerbraut bekannt. Und Konrad Vogel, der einzige Erbe von Vogel-Tech, prügelt jeden windelweich der ihm nicht passt. Ihr zwei solltet euch vor den beiden in acht nehmen, ihr könntet leicht Opfer ihrer Aufmerksamkeit werden.“ Ab diesem Moment war Chris ganz Ohr. Davor hatte sie die Beiden einfach nur beobachtet, dass nichts geschah und mit einem Ohr zugehört, aber wenn es potentielle Gefahren für Lisa in dieser Klasse gab, war es besser gleich darüber Bescheid zu wissen. „Ich denke ich bin sicher, egal was das für Typen sind. Niemand ist besser als Chris.“ Dabei lächelte sie ihre hoffentlich neue Freundin an. „Du musst aufpassen. Die beiden sind nicht nur zu zweit. Die gehören zu den Black Wolves.“ Lisa sah Sandra nur Stirn runzelnd an. „Du weißt auch nichts über die. Wie konntest du an diese Schule kommen wenn du keine Ahnung hast? Die Black Wolves ist die Gang dieser Schule. Du weißt ja, dass es die an jeder Schule gibt, aber sie sind wirklich viele und stark. Der Anführer ist Ricardo Dettke, er ist eine Klasse über uns.“ Chris kannte den Namen, aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern woher. „Meinst du den zweiten Sohn vom Erben der Dettke Gruppe?“ Jetzt fiel es auch Chris wieder ein. Sie waren vor ungefähr einem Jahr zu seinem Geburtstag gegangen, weil der Chef der Meinung war, Lisa müsse mehr Menschen ihrer Gesellschaftsschicht in ihrem Alter kennen lernen und schon mal schauen ob dort ein Junge dabei wäre, der für eine spätere Zusammenschließung in Frage käme. Lisa hatte sich damals Hals über Kopf in diesen Ricardo verliebt. Aber seitdem hatte er an keiner offiziellen Veranstaltung teilgenommen. „Ja genau den meine ich. Er ist der Kopf dieser Gruppe aus Schlägern und Erpressern. Seine rechte Hand ist Konrad Vogel, der Typ, der bei uns in der Klasse ist. Wenn du dich also mit denen anlegst, legst du dich mit allen von den Black Wolves an.“ Lisa strahlte sie immer noch nur an. „Wir werden trotzdem in Ordnung sein.“

„Sie sind da.“ Chris sah zur Tür und dort stand ausgerechnet der Typ, der sie am Tag zuvor nicht hatte vorbei lassen wollen. Das fing ja gut an. Sie wusste zwar, dass sie es mit jedem dieser Typen aufnehmen konnte, aber wenn es zu viele wurden, konnte sie Lisa nicht mehr beschützen. Sie musste also einen Weg finden, dass die Beiden sie in Ruhe ließen. Aber so einfach würde es wohl nicht werden, denn Konrad lief direkt auf Lisa zu und setzte sich neben sie. „Hey. Ich werde ab jetzt dein Partner sein. Merk dir das gut, denn ich werde es nicht dulden, wenn du zu jemand anderem wechseln solltest.“ Sie sah gelangweilt zu ihm rüber. „Der Lehrer entscheidet den Sitzplan“ Er schlug auf den Tisch und sah sie wütend an. „Ich sage, dass du neben mir sitzen wirst. Und wag es nie wieder mir zu widersprechen.“ Chris ist schon aufgestanden und machte sich bereit einzugreifen, sollte die Lage es erfordern. Auch Anna war in der Zwischenzeit näher gekommen und stand nun neben Konrad. „Du hast dir wohl schon ein Mädchen ausgesucht? Das ging aber schnell dieses Mal.“ Sie sah zu Lisa und erstarrte. Dann holte sie aus um sie zu schlagen und genau das war der Moment für Chris einzugreifen. Er schnappte sich ihr Handgelenk und verdrehte es so, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte, ohne sich selbst wehzutun. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du es unterlassen würdest Lisa anzugreifen.“ Mit einem Schubs gab er ihren Arm frei und diese Anna landete auf ihrem Hintern. „Na sieh mal einer an. Wenn das nicht der Witzbold von gestern ist. Ich freue mich dich so schnell wieder zu treffen. Dann können wir das von gestern jetzt gleich klären.“ Chris drehte sich ohne Antwort zu Lisa. Sie saß noch immer geschockt auf ihrem Stuhl. Sie hatte noch nie direkt solche Anfeindungen erlebt. Noch nie wollte sie jemand schlagen. Und sie hatte sich wohl schon auf den Schlag gefasst gemacht, bevor Chris eingegriffen hat. Auch Chris verstand nicht, wieso dieses Mädchen ohne Grund einfach zuschlagen wollte. Aber was wusste sie schon was im Kopf dieser Tussi vor sich ging. „Hey Kleines. Bist du in Ordnung. Fehlt dir was oder war es nur der Schock?“ Sie kniete sich vor sie und nahm Lisas Hände in ihre um sie zu beruhigen. Lisa lächelte sie schief an. „Ich bin in Ordnung. War wohl wirklich nur der Schreck.“ Chris stand auf und zog Lisa mit sich. „Lass uns kurz an die frische Luft gehen, danach geht es dir bestimmt wieder besser.“ Doch noch bevor sie aus der Tür gehen konnten wurde sie an der Schulter festgehalten und umgedreht. „Ich bin noch nicht fertig mit dir.“ Chris sah Konrad nur ausdruckslos an. „Solange ihr Lisa in Ruhe lasst habe ich mit euch absolut nichts zu schaffen.“ Sie befreite sich mit einem Ruck von seiner Hand und ging mit Lisa hinaus. „Okay. Wieso machen wir es nicht so. Wenn du gewinnst, werde ich die Schönheit da in deinen Armen nie wieder belästigen. Aber wenn ich gewinne gehst du vor mir auf die Knie und entschuldigst dich für dein fehlerhaftes Verhalten und zeigst mir Respekt.“ Chris brauchte darüber nicht lange nachzudenken. Wenn ein Kampf dafür sorgte, dass Lisa ab da vor diesem Typen in Sicherheit war, war die Entscheidung eindeutig. „Okay. Lass uns raus gehen.“ Sie drehte sich wieder zu Lisa um. „Du kommst mit mir. Ich vertraue dieser Bitch nicht.“ Lisa sah sie traurig an. „Das ist alles nur meine Schuld. Wegen mir musst du kämpfen. Bitte sei vorsichtig, ich ertrag es nicht, wenn du verletzt wirst.“ Chris konnte sich ein lächeln nicht verkneifen, aber das war in Ordnung, immerhin waren sie in der Schule und sie sollte sich dort wie ein normaler Schüler verhalten. Aber es war wirklich zu süß wie viele Sorgen sich Lisa immer um sie machte. Sie gingen hinter das Schulgebäude. „Lisa geh bitte ein Stück zu Seite. In einer Minute können wir wieder zurück.“ Konrad sah jetzt noch wütender aus als davor. „Na los fang an.“ Das gab der Selbstbeherrschung des jungen Mannes wohl den Rest. Er schlug nach Chris, welche ihm mit Leichtigkeit auswich. Er war nicht besonders schnell. Aber sie konnte sehen, dass viel Kraft in diesem Schlag steckte. Sollte er sie durch Zufall doch erwischen, würde es schmerzhaft für sie werden. Also holte sie zum Gegenschlag aus. Einen Schlag in den Magen und ein Tritt gegen sein Brustbein, mehr brauchte es nicht um ihn zu Boden gehen zu lassen. „Ich gebe auf.“ Sofort drehte sich Chris zu Lisa und nahm sie in den Arm und ging mit ihr zurück ins Klassenzimmer. „Ich wusste dass du es schaffst.“ Nein, das wusste sie nicht. Lisa hatte keine Ahnung welche Fähigkeiten Chris wirklich hatte. Zu den ganzen Kampfsportarten, konnte sie sogar mit einem Schwert umgehen, auch auf diesem Gebiet hatte sie den Level eines Meisters in 8 Monaten erreicht. Auch mit Schusswaffen konnte sie problemlos umgehen. Doch sie hoffte inständig, dass sie von dieser Fähigkeit niemals gebrauch machen müsste. Lisa dachte, sie wäre ein normaler Junge, der im laufe der Jahre, die er ihr Bodyguard war Karate und Judo gelernt hätte um besser auf sie Acht geben zu können. Eine Lüge mehr die sie waren musste.



Kapitel 7


Sie hatten gerade Sportunterricht. Die Jungs spielten Volleyball. Die Mädchen sollten sich eigentlich beteiligen, aber sie standen nur am Rand und sahen den Jungs beim Sport zu. Einige von ihnen himmelten Chris an.

„Ist er nicht toll. Trotz seiner Größe hat er gerade den perfekten Ball geschmettert. Er ist einfach in allem gut. Im Kämpfen, im Sport, ich habe sogar gehört, dass er den besten Abschluss an der 4. Mittelschule gemacht hat. Und er hat ein hübschen Gesicht und wenn er mit seiner rauchigen Stimme spricht könnte ich nur so dahin schmelzen.“

„Ich weiß genau wovon du redest. Auch die Art und Weise wie er Lisa vor allem und jedem beschützt ist super sexy. Ich wünschte er würde sich für mich so interessieren.“

„Ich verstehe zwar was ihr beide meint, aber er ist zu hübsch, fast schon wie ein Mädchen. Ich möchte lieber einen ganzen Mann so jemanden wie Konrad.“

„Konrad sieht zwar super gut aus, aber er ist viel zu gewalttätig.“

„Ihr habt einen schlechten Geschmack. Schau mal rüber zum Fußballfeld. Die elfte Klasse hat zusammen mit uns Sport. Sehr ihr Ricardo? Er ist der Anführer der Black Wolves. Man sagt ihm zwar nach das er jeden zusammen schlägt, den er nicht ausstehen kann, aber schaut ihn euch doch mal genau an. Er ist bestimmt an die 1,90m groß. Mit seinen dunklen Haaren und türkisen Augen ist er unglaublich Attraktiv. Von den ganzen Muskeln ganz zu schweigen.“

„Aber man sagt, dass er ziemlich kalt zu Mädchen ist, da seine erste große Liebe eine zu große Narbe auf seinem Herzen hinterlassen haben soll.“

Und so ging es zwischen den Mädchen wohl noch eine ganze Weile weiter. Chris konnte nicht mehr zuhören, da in diesem Moment ein Fußball in Lisas Gesicht landete.

Ricardo ging los um ihn zu holen. „Gib mir den Ball.“ Lisa sah ihn geschockt an. „Solltest du dich nicht erst einmal entschuldigen?“ Er sah sie nur genervt an. Er hatte keine Lust sich mit irgendwelchen Mädchen zu unterhalten. Doch als er sie genauer ansah, war er kurz geschockt. Sie sah Isabelle zum verwechseln ähnlich, seiner ersten Liebe. Sie war letztes Jahr bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er hatte sie umgebracht. Er dreht sich von ihr weg und ging zurück. Sie mochte Isa vielleicht ähnlich sehen, mehr aber auch nicht. „Gut wenn du dich nicht entschuldigen willst, bitte. Aber nimm wenigstens den Ball wieder mit.“ Der Ball landete vor seinen Füßen. Er hob ihn auf und als er wieder hoch sah stand dort eine halbe Portion von Kerl vor ihm. „Aus dem Weg.“ Er sah ihn unbeeindruckt an. Der Kleine hatte Schneid, das musste er ihm lassen. „Sobald du dich bei Lisa entschuldigt hast, werde ich mit Freuden den Weg freigeben.“ Er schien wirklich keine Angst vor ihm zu haben. Also war er entweder einfach nur dumm oder er hatte keine Ahnung mit wem er da gerade sprach. „Geh mir aus dem Weg Kind, bevor ich mich vergesse.“ Nun sah Ricardo etwas, womit er nicht gerechnet hatte, der Junge vor ihm Grinste ihn frech an. Als wäre er ihm überlegen. „Tu dir keinen Zwang an, wenn du damit Leben kannst von diesem Kind eine Lektion erteilt zu bekommen.“ Nun konnte auch Ricardo sein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Der Wicht war wirklich komisch. „Chris hör auf. Mir geht es gut, lass ihn einfach gehen und spiel weiter.“ Kaum hatte das Mädchen dies gesagt drehte er Ricardo den Rücken zu und ging zurück zum Spielfeld. Was war er? Ein Hund, der gekommen war um sein Herrchen zu verteidigen und kaum sagt das Herrchen er solle spielen gehen, tut es das? Der Typ war interessant und Ricardo beschloss, ihn zu seinem neuen Spielzeug zu machen. Aber ob das so einfach ging? Er schien recht abhängig von seiner Freundin zu sein. Zumindest ging er nach dieser Aktion davon aus, dass sie ein Paar waren.

Nach ihrem Spiel ging Chris sofort zu Lisa. „Geht es dir wirklich gut? Der Ball hat dich Mitten im Gesicht getroffen.“ Lisa lächelte sie beruhigend an. „Mir geht es gut. Du musst nicht wegen allem so ein Theater machen. Und du hättest dich auch nicht mit Ricardo anlegen müssen.“ Chris sah etwas in den Augen von Lisa während sie diesen Ricardo beobachtete, das ihr gar nicht gefiel. „Hör auf ihn so anzusehen. Er ist nicht gut für dich und wird dich nur verletzen.“ Lisa sah Chris ertappt an. „Aber jedes Mal wenn ich ihn ansehe fängt mein Herz an zu rasen. Erinnerst du dich an die Party vor einem Jahr? Da war es genau das Selbe gewesen.“ Sie erinnerte sich. Aber vor einem Jahr hatte ihn noch eine ganz andere Aura umgeben als jetzt. Damals war sie freundlich, jetzt war sie nur noch kalt und irgendwie leer.

Nachdem er bei seinem Spiel so viel geschwitzt hatte stand Ricardo draußen an den Waschbecken um sich ein wenig frisch zu machen. Als ihm wieder der kleine Junge ins Auge fiel. Er stand mit dem Mädchen zusammen, das Isa so unglaublich ähnlich sah. Anna und Konrad gesellten sich gerade zu ihm. Normalerweise war er lieber allein, aber die Beiden kamen gerade Recht. „Wer ist der Typ der dort hinten mit dem Mädchen bei der Bank steht?“ Beide folgten seinem Blick. „Das ist Chris Kleintke zusammen mit Lisa Schneider. Er ist der Typ, der vor ein paar Tagen Konrad eine Abreibung verpasst hat.“ Ricardo sah seine rechte Hand geschockt an. „Sieh mich nicht so an. Er kämpft wie eine Raubkatze und Schlange in einem. Er hat die Kraft eines Tigers und die Agilität einer Schlange.“ Ricardo musste wieder lächeln. Das wurde ja immer besser. Mit diesem Spielzeug würde er bestimmt eine Menge Spaß haben. „Okay, lad ihn zu den Black Wolves ein.“ Konrad schien zu einer Widerrede ansetzen zu wollen, doch auf Gequatsche hatte Ricardo im Moment keine Lust. „Erspar mir deine Rede. Ich sagte hol ihn zu den Black Wolves.“ Mit diesen Worten ließ er die Beiden allein zurück und ging sich umziehen.

Seit dem Sportunterricht hatte Chris ein ungutes Gefühl. Irgendetwas hatte sich verändert, aber sie konnte nicht den Finger darauf legen was es war. Vielleicht war es wirklich keine gute Idee gewesen sich mit dem Leader der Black Wolves anzulegen. Sie hatte so gehandelt, wie sie es immer in den letzten Jahren getan hatte, aber sie waren auch noch nie an einer Schule gewesen, deren Gang so stark gewesen war. Sie machte sich um sich selbst keine Gedanken, aber wenn sie von zu vielen Gegnern umzingelt würden, dann könnte sie die Sicherheit von Lisa nicht mehr garantieren. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie Konrad der sich zu ihr gesellt hatte nicht bemerkt hatte. „Tritt den Black Wolves bei!“ Damit hatte sie nicht gerechnet. „Lass mich darüber nachdenken. Und wenn ich zusagen sollte, dann nur wenn Lisa mit dabei ist“ Sie musste darüber mit Simon reden. Es hätte Vorteile ihnen beizutreten, so würde von dieser Seite keine Gefahr mehr für Lisa bestehen. Aber sie müssten sich deren System unterordnen und es könnte passieren, dass sie nicht auf Lisa achtgeben könne. „Verstanden. Denk aber nicht zu lange nach, wir sind nicht für unsere Geduld bekannt.“ Nach diesem Satz verschwand er wieder. Was sollte sie nun tun? Was war das Beste für Lisa? Lisa selbst würde wohl beitreten wollen um Ricardo näher zu kommen, aber war das wirklich gut für sie? Sie konnte die Entscheidung im Endeffekt eh nicht selbst treffen, also beschloss sie das Grübeln aufzugeben und sich wieder voll auf die Schule zu konzentrieren.

Am Abend wartete Chris nach ihrem Training auf Simon um ihm wie jeden Tag Bericht zu erstatten. Da ging auch schon die Tür auf und Simon kam herein. „Also was gibt es heute zu berichten?“ Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass er eine gute Entscheidung treffen würde. „Ich wurde heute zu den Black Wolves eingeladen, dass ist die Gang an unserer Schule.“ Er sah sie irritiert an. Es stand außer Frage das Chris und Lisa sich einer Bande von Schlägern anschlossen. „Die Entscheidung sollte klar sein.“ Simon schien wohl auch nicht genau Bescheid zu wissen, sie musste wohl ins Detail gehen. „Die Black Wolves sind die Gang unserer Schule. Ihr Leader ist Ricardo Dettke, der zweite Sohn des Erben der Dettke Gruppe. Außerdem sind sie eine große Gruppe, die von keiner Gruppe in Leipzig geschlagen werden kann. Ich habe jetzt schon ihre Aufmerksamkeit, ich bin mir nicht sicher was sie alles versuchen werden, um mich in ihre Reihen zu bekommen.“ Simon dachte eine ganze Weile nach. „Du bist also der Meinung, es wäre besser sich ihnen zu beugen und so die Sicherheit von Miss Lisa zu garantieren?“ Das war der springende Punkt, sie wusste es selbst nicht mit Sicherheit. „Ich bin mir da nicht so sicher. Aber sollten sie mich in der Überzahl angreifen, kann ich ihre komplette Unversehrtheit nicht garantieren, erst recht nicht, da ich mich in meiner Kraft einschränken muss. Andererseits, sollten wir beitreten müssten wir uns ihren Regeln unterordnen. Es könnte also passieren, dass Miss Lisa in Gefahr gerät während ich nicht bei ihr sein kann, weil ich etwas anderes für die Gang machen muss. Ich weiß nicht was wirklich sinnvoller ist. Aber sicher ist, dass sollte ich ablehnen, Miss Lisa verletzt werden könnte. Außerdem glaube ich, dass sie selbst gerne dabei wäre.“ Chris war zwar gegen eine Beziehung von Lisa und Ricardo, aber sie hatte den ganzen Tag nachgedacht und für Lisa wäre es wohl das sicherste in der Gang zu sein. Mit etwas Glück könnte Chris den Leader überzeugen, dass er bei Lisa bleiben müsse. „Wieso denkst du, dass unser Fräulein Interesse daran haben könnte in einer Gang zu sein. Das passt so gar nicht zu dem Charakter unserer Miss.“ Da hatte er wohl recht, aber der Spruch hieß nicht umsonst Liebe macht blind. Und Lisa sah nichts anderes als diesen gutaussehenden Jungen. „Miss Lisa hat ein Interesse an Ricardo Dettke entwickelt. Ich denke sie würde auf diese Weise versuchen ihm näher zu kommen.“ So jetzt hatte sie alle ihre Karten auf den Tisch gelegt, solle der Sekretär entscheiden. „Verstanden. Das ist gar nicht mal so schlecht. Okay ihr beide tretet denen zusammen bei. Versuch Ricardo zu überzeugen, dass Miss Lisa zu dir gehört und bei dir in der Nähe bleiben sollte. Vergiss nicht vorsichtig zu sein, dass niemand heraus findet, dass du ein Mädchen bist. Und es ist dir immer noch untersagt deine volle Stärke einzusetzen, wenn Leute die du kennst dabei sind. Vor allem bei Miss Lisa.“ Sie nickte nur als Zeichen das sie verstand und Simon verließ den Raum wieder. Chris ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Nun würde sie also einer Schülergang beitreten. Sie hoffte inständig, dass sie so etwas Ruhe vom Kämpfen bekommen würde. Egal wie talentiert sie war, sie hatte es noch nie gemocht andere zu verletzen. Aber ihr Leben stand auf dem Spiel, sie konnte es sich nicht leisten für Andere Mitleid zu empfinden, weil sie den Fehler machten sie zu unterschätzen. Sie stand auf und ging in ihr Zimmer. Sie war erschöpft vom vielen Nachdenken. Sobald ihr Kopf das Kissen berührte war sie auch schon eingeschlafen.



Kapitel 8


Am nächsten Morgen hatte Chris immer noch ein ungutes Gefühl. Als ob irgendetwas Schlimmes passieren würde. Sie hatte dieses Gefühl schon häufiger gehabt und immer war Lisa in Gefahr gewesen. Sie musste heute auf jeden Fall besonders aufmerksam sein. Von den Black Wolves sollte nach ihrer Zusage keine Gefahr mehr ausgehen. War es also etwas außerhalb der Schule? „Nico? Könntest du heute bitte eine andere Strecke zur Schule nehmen? Ich habe ein ungutes Gefühl.“ Nico sah über den Rückspiegel in Chris´ Augen. „Verstanden. Deine Intuition hat uns schon einige Male gerettet. Ruf aber bitte im Haus an und sag ihnen sie sollen einen Wagen auf unserem normalen Weg schicken.“ Das war gut. So konnten sie sehen ob etwas passierte oder nicht, ohne Lisa in Gefahr zu bringen. Chris erledigte den Anruf und sie kamen unversehrt bei der Schule an. Doch das nagende Gefühl ließ einfach nicht nach. War es doch etwas in der Schule? Sie sollte sich beeilen und Konrad ihre Entscheidung mitteilen. In ihrer Eile machte sie einen entscheidenden Fehler, wie ihr in der nächsten Sekunde klar wurde. Sie war so darauf konzentriert zu Konrad zu kommen um ihm ihre Entscheidung mitzuteilen, dass sie Lisa für zwei Minuten aus den Augen ließ. Als sie im Klassenraum ankam wartete Konrad schon auf sie, doch Lisa war nicht mehr bei ihr. Wie konnte ihr nur so ein Fehler unterlaufen? Sollte Lisa etwas zustoßen könnte sie sich auch gleich selbst die Kugel verpassen. „Wo ist Lisa?“ Konrad grinste sie nur dreist an. Sie musste ruhig bleiben, doch sie würde gerade nichts lieber machen als diesem Typen vor ihr ein paar Knochen zu brechen, damit er verstand, dass das Leben kein Spiel ist. Diese Typen denken vielleicht dass dies alles nur Spaß ist, doch für sie ging es um ihr überleben. „Was habt ihr mit Lisa gemacht?“ Sie durfte nicht in Panik geraten. „Sie ist bei Ricardo. Sie ist unversehrt, zumindest noch. Es kommt alles ganz auf deine Antwort an.“ Also war Lisa nur ein Druckmittel? Nun das war gut, sie wollte ihnen eh zusagen und Lisa schien in Sicherheit zu sein. „Dann lass sie wieder her bringen, ich habe mich schon entscheiden das Angebot anzunehmen.“ Konrad sah ehrlich überrascht aus. Er schien damit gerechnet zu haben, dass sie ablehnen würde. Und wenn sie ehrlich war, wäre es ihr, wenn es nur um sie gehen würde auch lieber gewesen nichts mit diesen Typen zu tun zu haben. Aber sie hatte kein Recht ihr Leben selbst zu bestimmen. „Gut dann folge mir. Ich bringe dich zu Ricardo er möchte deine Stärke testen. Je nach dem wie du abschneidest wird entschieden was du in Zukunft machen wirst.“ Verdammt, dass war nicht gut. Sie war sich zwar sicher, dass sie ihn unverletzt besiegen könnte. Aber dass wäre nicht klug, denn dann wäre sie automatisch plötzlich der Kopf der Black Wolves und das wollte sie nicht und würde ihrem Auftrag nicht zuträglich sein. Wenn sie aber einfach verlor würde sie vielleicht nicht das Recht bekommen bei Lisa zu bleiben. Sie musste es also schaffen einen guten Kampf zu liefern ohne zu gewinnen. Noch dazu hatte sie nicht die leiseste Ahnung was für ein Kämpfer Ricardo war. Er war mit Sicherheit auch nicht zu unterschätzen, wenn er es allein schaffte so viele Leute unter sich zu führen. Und sie selbst durfte nur mit eingeschränkter Kraft kämpfen. Sie realisierte das sie wohl mit ein paar gebrochenen Knochen rechten musste. Sie ergab sich ihrem Schicksal, sie konnte es sowieso nicht mehr ändern. Konrad ging zu seinem Motorrad und Chris setzte sich hinten drauf. Nun musste sie auch noch die Schule schwänzen. Die Fahrt dauerte nur um die zehn Minuten. Sie fuhren in ein altes verlassenes Lagerhaus. Wie es schien hatten die Black Wolves hier ihren Stützpunkt aufgebaut. Als Chris Lisa entdeckte sprang sie vom noch fahrenden Motorrad und rannt zu ihr. „Hey Kleines. Geht es dir gut?“ Sie sah panisch aus. „Du hättest nicht herkommen sollen. Sie wollen nichts von mir, sie waren nur hinter dir her. Ich war nur der Lockvogel.“ Sie machte sich mal wieder zu große Sorgen um sie. Sie verstand einfach nicht, dass es Chris Aufgabe war für sie zu sorgen. „Jetzt beruhig dich. Sie wollten mich dazu zwingen ihnen beizutreten, aber diese ganze Aktion war sinnlos, denn Simon hat schon beschlossen, dass ich mich ihnen anschließen sollte. Du wirst mit dabei sein, auf diesem Weg kann ich am besten für deine Sicherheit garantieren.“ Sie verstand, auch wenn es ihr nicht gefiel, dass Chris gegen ihren Willen einer Gang beitreten musste. Andererseits freute sie sich auch, dass sie so die Möglichkeit hatte Ricardo näher zu kommen. Chris konnte Lisas Gefühle genau in ihren Augen lesen. „Okay ich habe verstanden. Aber bitte sei vorsichtig. Ich habe gehört wie sie darüber geredet haben, dass du gegen ihren Leader kämpfen sollst.“ Das hatte sie auch schon gehört. „Ist in Ordnung. Und jetzt lass mich das alles klären.“ Sie drehte sich zu Ricardo um, der mit Konrad und Anna dastand und sich mit ihnen unterhielt. Es war also Anna gewesen, die Lisa entführt hatte. Sie musste sich wirklich vor dieser Schlange in Acht nehmen. Chris wusste zwar nicht, was sie für ein Problem mit Lisa hatte, aber ihre Anfeindungen waren eindeutig.

Ricardo stand bei Konrad und Anna und was er hörte gefiel ihm nicht wirklich. Er hatte gehofft, dass es interessanter werden würde Chris zu überzeugen. Das er sich so einfach entschloss sich ihnen anzuschließen war langweilig. Aber wie er von dem fahrenden Motorrad gesprungen war sobald er seine Kleine gesehen hatte war beeindruckend gewesen. Jetzt musste er nur noch Chris´ Kampffähigkeiten testen und dann würde er sich überlegen wie er weiter vorgehen würde. „Chris ich möchte, dass du gegen mich kämpfst. Ich muss einschätzen können wie gut du bist.“ Chris sah unbeeindruckt aus. „Ist für mich kein Problem, aber ich würde darum bitten, dass jemand Lisa unversehrt zurück zur Schule bringt und auf sie Acht gibt solange ich nicht da bin.“ Ihm schien seine eigene Gesundheit nicht wichtig zu sein, doch wenn es um Lisa ging war er überbehütend. „In Ordnung. Anna, Konrad ihr beide begleitet Lisa zurück zur Schule. Sorgt dafür, dass ihr nichts passiert. Ihr beide seid für sie verantwortlich, enttäuscht mich nicht. Ihr wisst was euch blüht, wenn ihr versagt.“ Beide nickten als Zeichen des Verstehens und gingen auf Lisa zu um sie hinauszubegleiten. „Chris ich möchte bei dir bleiben.“ Lisa sah Chris flehend an. „Nein, geh bitte mit den Beiden zurück zur Schule. Ich wüsste nicht wie ich dein Fehlen erklären sollte. Außerdem möchte ich nicht, dass du dir das was gleich kommt mit ansehen musst.“ Sie schien zu einer Erwiderung ansetzen zu wollen, doch der flehende Blick aus Chris Augen schien sie aufzuhalten. Sie ließ die Schultern hängen und ging mit Konrad zu seinem Motorrad. Als alle weg waren zog Ricardo seine Jacke aus, so konnte er sich freier bewegen und wenn er Konrad glauben schenken konnte, dann musste er aufs Ganze gehen. „Ich hätte eine Bitte. Wenn ich gewinnen sollte, würdest du dann bitte davon absehen mich und Lisa zu trennen?“ Diese Lisa schien ihm wirklich unglaublich wichtig zu sein. „Nun, wenn du gewinnst kannst du machen was du willst, da du damit automatisch zum Chef wirst. Aber solltest du verlieren wirst du alles tun was ich dir sage. Egal ob deine Lisa nun dabei ist oder nicht.“ Und so begann der Kampf. Ricardo war erstaunt. Er musste wirklich Alles geben was er hatte und er schaffte es trotzdem nicht Chris niederzuschlagen. Er hatte schon viele Treffer gelandet, doch Chris schaffte es immer so auszuweichen, dass es zwar schmerzhaft, aber nicht fatal war. Ricardo selbst musste auch schon einiges einstecken und er glaubte, dass ein paar seiner Finger gebrochen waren. Doch Chris hatte eindeutig den größeren Schaden erlitten. Er atmete abgehackt, sehr wahrscheinlich war eine seiner Rippen gebrochen. Doch er gab nicht auf. Ricardo setzte zu einem Tritt an und traf sein Brustkorb, damit sollte es entschieden sein. Doch er irrte sich. Chris hustete, doch er stand wieder auf. „Wieso stehst du auf. Du kannst mich nicht besiegen. Wieso lässt du das Alles über dich ergehen nur wegen einem Mädchen?“ Christ sah ihm in die Augen und der Blick der auf ihn gerichtet war rührte etwas in seinem Herzen. Chris war genau so verloren wie er, da war er sich sicher. „Ich habe „hust“ nicht das Recht „hust“ hier aufzuhören“ Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. „Was meinst du mit nicht das Recht dazu. Ist sie dir so wichtig, dass du dein Leben für sie aufs Spiel setzen willst?“ Er verstand ihn einfach nicht. Und Chris gab ihm auch keine Antwort mehr, sondern machte sich für einen weiteren Kampf bereit. „Okay, okay du hast gewonnen. Ich habe nicht das Recht euch zu trennen, wenn du bereit bist dein Leben für sie zu geben.“ Kaum hatte er das gesagt ging Chris in die Knie und begann Blut zu husten. Ricardo eilte an seine Seite. „Hey ist auch alles in Ordnung mit dir? Soll ich dich ins Krankenhaus bringen?“ Und wieder überraschte Chris ihn, denn er begann zu lachen, zumindest so gut er es mit seinen Verletzungen konnte. „Erst schlägst du mich so übel zusammen und jetzt machst du dir Sorgen um mich? Brauchst du aber nicht, mit mir ist alles in Ordnung du hast mich nie an gefährlichen Punkten getroffen und das Blut kam nicht aus meinen Lungen sondern aus meinem Mund. Ich glaube du hast mir einen Zahn ausgeschlagen.“ Der Typ war wirklich der Kracher. Ricardo setzte sich zu ihm auf den Boden und zwang Chris sich hinzulegen. „Du bist wirklich nicht normal. Aber willkommen bei den Black Wolves. Du und Lisa seit ab heute mit dabei. Am Wochenende finden Mutproben statt, die werden immer durchgeführt wenn wir neue Mitglieder aufnehmen, mit denen wird euer Rang festgelegt. Und wie versprochen egal welchen unterschiedlichen Rang ihr beide auch haben werdet, ihr bleibt zusammen.“ Chris sah erleichtert aus. So als hätte die Last der ganzen Welt auf seinen Schultern geruht und wäre mit einem Mal verschwunden. „Ich danke dir. Und als Zeichen meines Dankes gib mir deine linke Hand.“ Er reichte sie ihm und ohne zu zögern griff Chris nach seinen Fingern und renkte sie wieder ein. Ricardo konnte nur mit größter Mühe ein Aufschrei verhindern. „Du solltest sie schienen lassen. Sonst ist nichts gebrochen.“ Da bemerkte Ricardo es, Chris wusste ganz genau über seine Verletzungen bescheid und anscheinend auch über die von Ricardo. In einem Kampf hat mal normalerweise keine Konzentration übrig für solche Informationen. Hatte Chris vielleicht bessere Fähigkeiten als er heute gezeigt hatte und hatte mit Absicht verloren? Aber das war absurd, niemand würde sich so zurichten lass wenn er es verhindert könnte. „Du bist wirklich ein interessanter Kerl. Hast du irgendeine erste Hilfe Ausbildung gemacht, dass du dir da so sicher sein kannst?“ Er sah ihn nachdenklich an und schien dann zu einer Entscheidung zu kommen. „Ich verrate dir ein Geheimnis. Ich bin ausgebildeter Arzt. Ich hatte mein Abitur schon mit 9 Jahren in der Tasche und mein Medizinstudium mit zwölf. Meine Assistenzarztzeit habe ich mit vierzehn bei einem bekannten Arzt von Lisas Großvater in der Chirurgie abgeschlossen. Du kannst mir also glauben wenn ich dir sage, dass du keine weiteren Verletzungen als diese gebrochenen Finger hast.“ War das sein ernst? Er war so ein verdammtest Genie über die man immer mal in irgendwelchen Zeitschriften las. Aber Ricardo hatte noch nie von so einem jungen Arzt gehört. „Wieso ist dann ein Genie wie du bei uns auf der Oberschule?“

Ja das war eine gute Frage. Sie konnte schlecht die Wahrheit sagen, dass sie kein Recht hatte selbst über ihr Leben zu bestimmen egal wie talentiert sie war. „Um bei Lisa zu sein.“ Ja das war eine gute Antwort und sie war nicht mal gelogen. „Ich würde dich bitte, dass alles für dich zu behalten. Ich möchte nicht das das eine große Sache wird.“ Er sah sie eine Weile schweigend an. Er schien wohl noch zu überlegen, ob er ihr wirklich glauben sollte oder nicht. Sich so normal mit ihm zu Unterhalten, gab Chris ein ganz neues Bild von Ricardo. Er schien gar kein ganz so übler Kerl zu sein. „Okay, ich werde niemandem etwas sagen. Aber jetzt da ich Bescheid weiß, werde ich dich um Hilfe bitten, wenn wir Verletzungen haben.“ Damit hätte sie rechnen müssen. „In Ordnung, aber ich gebe dir morgen Tabletten, die wirst du immer bei dir haben und sollte jemand anderes als du verletzt sein, schickst du alle weg wenn du mich rufst und gibst der verletzten Person eine dieser Tabletten. Sie werden ihn bewusstlos machen, so hat er zum einen keine Schmerzen mehr und er wird nicht wissen, dass ich ihn behandelt habe. Ist das ein Deal?“ Er sah zufrieden aus. Er reichte ihr die Hand und sie schlug ein. „Deal. So Herr Doktor, Ich bringe Sie jetzt mal zum Arzt“ Das stand außer Frage. „Bring mich zurück zur Schule, aber dann solltest du zum Arzt und deine Finger schienen lassen.“ Eigentlich wusste sie sehr gut, dass sie alles andere als unverletzt war. Ihre Rippen waren geprellt und ein paar sogar angeknackst. Genau genommen war ihr gesamter Oberkörper nicht in Ordnung. Auch ihre Beine und Arme hatten einiges abbekommen, aber sie konnte unmöglich zusammen mit Ricardo ins Krankenhaus. Außerdem hatte sie schon Schlimmeres erlebt und sollte sie nicht zurück zur Schule gehen um auf Lisa aufzupassen würde sie noch am selben Abend dieses Schlimmere erleben. „Du machst wohl Witze, du bist wesentlich schwerer verletzt als ich.“ Das spielte keine Rolle. Sie konnte nicht zulassen, dass er sie zum Arzt brachte. „Fahr mich einfach zurück zur Schule und dann lass mich allein.“ Ricardo schien wütend zu werden. „Wieso sollte ich auf dich hören? Ich kann dich auch einfach hier liegen lassen und allein zum Arzt fahren.“ Sie würde es allein nie bis zur Schule schaffen, nicht in ihrem jetzigen Zustand. „Weil du menschlich bist. Kein normaler Mensch würde jemanden der verwundet ist einfach so liegen lassen.“ Sie hatte diese Worte schon einmal gehört, damals von dem verwundeten Mann in der Parktoilette. Komisch, dass ihr dieser Satz gerade in diesem Moment wieder einfiel. „Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr menschlich. Ich bin nur noch eine Hülle ohne Seele.“ Er schien wohl seine eigenen Probleme zu haben, aber mal ehrlich war das nicht etwas zu theatralisch? „Sorry aber ich habe im Moment keinen Nerv mir die Tragik deines Lebens anzuhören, ich muss zurück.“ Chris versuchte aufzustehen und sich gerade hinzustellen, doch das war gar nicht mal so einfach. Ricardo stützte sie, sodass sie nicht gleich wieder auf dem Boden landete. „Bringst du mich bitte zurück zur Schule?“

Und da waren sie wieder, diese Augen die ihm ans Herz gingen. Er konnte ihm seine Bitte einfach nicht abschlagen. Also setzte er ihn auf sein Motorrad und brachte ihn zurück zur Schule. Zumindest hatte er das vor, aber Chris hatte kaum die Kraft sich bei ihm festzuhalten. Also hielt Ricardo am nahe gelegenen Park und stieg ab. Er sackte sich auch gegen seine Proteste Chris und setzte ihn dort auf eine Bank. „Bleib hier sitzen. Ich bin gleich wieder da.“ Dann ging er. Er fuhr ein paar Straßen weiter und besorgte ein paar Schmerztabletten für Chris. Vielleicht würde er sich so besser bewegen können. Allerdings verstand er einfach nicht wieso sich Chris so vehement dagegen weigerte sich zum Arzt bringen zu lassen. Er hatte wirklich viel einstecken müssen und auch wenn er sich vielleicht nichts gebrochen hatte, so brauchte sein Körper jetzt doch dringend Ruhe. Er fuhr zurück und als er an der Bank ankam saß Chris zusammengesackt immer noch an der Stelle an der er ihn zurück gelassen hatte. Er rannte zu ihm und richtete ihn auf. „Du solltest wirklich ins Krankenhaus. Aber ich sehe dir schon an, dass du deine Meinung nicht ändern wirst. Dann nimm wenigstens die Tabletten gegen die Schmerzen die ich gerade besorgt habe.“ Chris nahm die Medikamente ohne weitere Diskussion zu sich. Was gut war, denn er hatte auch eine Schlaftablette mit dazu getan, innerhalb von 5 Minuten war Chris eingeschlafen und Ricardo setzte sich neben ihn und legte ihn auf seinen Schoß.



Er sah sich Chris nun genauer an. Er war wirklich schmächtig für einen Jungen und auch sein Gesicht sah eher wie das eines Mädchens aus. Umso erstaunlicher wenn man bedachte was für eine Kraft seine Schläge hatten. Aber er hatte ein wirklich hübsches und feminines Gesicht. Sogar seine Wimpern waren lang und geschwungen, auch seine Lippen waren voll und rot und seine Nase war klein und gerade. Wäre er als Mädchen geboren worden würden ihm die Männer wohl haufenweise zu Füßen liegen. Doch Ricardo war froh, dass Chris ein Junge war, denn er glaubt in ihm einen echten Freund zu finden. Er mochte den Kleinen und er fühlte sich mit ihm verbunden, denn er sah in seinen Augen die Selben Schmerzen und die Leere die auch er fühlte. Während er ihn so beobachtete merkte er gar nicht wie die Zeit verging bis Chris anfing sich zu bewegen. Dann öffnete Chris schlagartig seine Augen und setzte sich ruckartig auf, doch kein Schmerzlaut kam über seine Lippen, er verzog nicht mal das Gesicht. Wenn Ricardo jetzt so darüber nachdachte, hatte er sich seine Schmerzen auch vorher nicht anmerken lassen. „Wie spät ist es und wieso bin ich hier und nicht bei Lisa?“ Jetzt wo er es sagte, er meinte er müsse bei Lisa sein und wollte deswegen zurück in die Schule. Aber in seiner Verfassung wäre das unmöglich gewesen. „Ich bringe dich jetzt nach Hause.“ Chris sah ihn nur wütend an. „Ach und noch etwas, ich möchte, dass du mich ab jetzt Ric nennst.“ Er erlaubte sonst niemanden ihn bei seinem Spitznamen zu nennen, denn niemand war ihm dafür nah genug. Nur Anna nannte ihn noch Ric, weil sie es von klein auf so gewöhnt war. „Ich werde dich Ricardo nennen, so wie alle anderen auch.“ Er drehte sich schon in Richtung Ausgang des Parks und schien gehen zu wollen. „Hey, das ist eine große Ehre für dich. Ich lasse mich sonst von niemandem bei meinem Spitznamen rufen.“ Chris drehte sich wieder zu ihm und hob arrogant eine Augenbraue, eigentlich eine Geste die er eher von Frauen kannte. „Ich habe schon gehört wie dieses Miststück Anna dich Ric genannt hat. Also kann es keine so große Ehre sein. Außerdem will ich keine Freundschaften schließen.“ Was war nur sein Problem? Ric lief ihm nach und nahm ihn in den Schwitzkasten. „Nenn mich gefälligst beim Spitznamen oder ich fahre dich nicht nach Hause.“ Chris versuchte sich zu wehren, aber mit diesen Verletzungen hatte er keine Chance. „Gibst du auf? Wenn du mich nicht nennen willst wie Anna, dann denk dir selbst einen aus, aber ich will nicht, dass wir beide uns zu förmlich ansprechen.“ Es war komisch, denn jemanden bei seinem Vornamen zu nennen war schon nicht mehr förmlich. Aber Ricardo hatte das Gefühl er müsse eine engere Bindung zu Chris aufbauen als diese. „In Ordnung. Ich werde dich Rico nennen. Zufrieden?“ Rico? So hatte ihn noch niemand genannt und es gefiel ihm. Er ließ Chris wieder los, stützte ihn zurück zu seinem Motorrad und fuhr ihn nach Hause. „Das ist also dein zu Hause?“ Chris hatte ihn zu einer riesigen Villa fahren lassen. Sie müsste wohl so groß sein wie die in der er wohnte. „Nein nicht wirklich, aber ich wohne hier. Es ist etwas kompliziert. Auf jeden Fall danke das du mich her gefahren hast Rico.“ Er betonte das Rico extra. Chris schien es ihm wohl übel zu nehmen ihn gezwungen zu haben ihn so zu nennen. „Immer wieder gerne. Ich fahr jetzt ins Krankenhaus. Wir sehen uns morgen.“ Mit diesen Worten stieg er zurück auf sein Bike und fuhr davon.

Chris stand noch eine Weile vor dem Eingang und sah Rico nach. Sie fühlte sich komisch. Obwohl sie überall Schmerzen hatte und diese Schmerzen ganz klar Ricos Schuld waren, mochte sie ihn. Auch wenn er sie gestützt hatte, empfand sie seine Berührungen als angenehm. Was war nur falsch mit ihr? Sie sollte sich nicht so fühlen. Sie war ein Junge. Aber immerhin konnte sie mit ihm befreundet sein. Sie klingelte und man ließ sie eintreten. An der Haustür wartete Simon schon auf sie. Ohne sie etwas zu Fragen holte er aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Sie hätte trotz der Schmerzen ausweichen können, aber die Schläge die auf so eine Aktion gefolgt wären waren schlimmer als dieser eine Schlag. Also ertrug sie es. „Komm rein und erklär mir mal bitte wieso Lisa den heutigen Schultag allein verbracht hat und du erst jetzt nach Hause gekommen bist.“ Noch bevor sie antworten konnte kam Lisa die Treppe herunter gerannt. „Simon was machst du denn da? Lass Chris gefälligst in Ruhe. Siehst du nicht, dass er schwer verletzt ist? Er musste gegen den Anführer der Black Wolves kämpfen, damit er und ich aufgenommen werden.“ Sie würde gerne etwas dazu sagen, aber es war ihr nicht gestattet sich in ein Gespräch von Simon und der Miss einzumischen. „Ist das so? Und wie ist es ausgegangen?“ Nun erst konnte sie Bericht erstatten. „Miss Lisa würden sie schon mal hoch in ihr Zimmer gehen? Ich berichte Onkel Simon schnell was alles passiert ist und komme dann zu Ihnen um zu erzählen was passiert ist.“ Lisa sah zwar enttäuscht aus, aber sie folgte der Bitte und ging auf ihr Zimmer. „Ich sollte gegen Ricardo Dettke kämpfen. Er schickte seine Leute zusammen mit Miss Lisa zurück zur Schule und befahl ihnen auf sie aufzupassen. Ich hätte ihn besiegen können, aber dann wäre ich automatisch der Leader der Black Wolves geworden und das war nicht der Plan. Allerdings sagte er zu mir wenn ich verliere müsse ich unabhängig von Miss Lisa alles tun was er von mir verlange. Also beschloss ich auf ein Unentschieden zu kämpfen und das hat auch funktioniert. Ich musste zwar wesentlich mehr einstecken als er, aber am Ende versicherte er mir, dass ich mit Miss Lisa zusammen bleiben könne, wenn mir diese Sache wichtig genug sei meine Gesundheit so stark zu gefährden. Danach bin ich zusammengebrochen. Als ich aufwachte war Ricardo noch da und er bot mir an mich nach Hause zu fahren.“ Simon sah wieder zufrieden aus. Was ein Glück für Chris war, denn sie wusste nicht wie viel ihr Körper an diesem Tag noch würde verkraften können. „In Ordnung unser Fräulein war also abgesichert und du hast alles bekommen was du solltest. Dann verzeihe ich dir diesen Fehler noch einmal. Aber bitte denke daran, dass so etwas nicht noch einmal vorkommen sollte. Du bist für sie verantwortlich.“ Die Warnung war deutlich. Aber sie brauchte sich keine Sorgen mehr darum zu machen. Rico hatte ihr versichert, dass sie bei Lisa bleiben dürfe und da sie nun Mitglieder der Black Wolves waren, drohte ihr innerhalb der Schule keine Gefahr mehr. Chris ging hinauf und direkt in Lisas Zimmer. Sofort war sie bei ihm und musterte ihn kritisch. „Wie geht es dir? Du siehst wirklich übel aus.“ Chris schob sie zur Seite, denn jede Berührung war unglaublich schmerzhaft. „Mir geht es gut, nur ein paar Prellungen. Aber wir haben was wir wollten. Wir sind Mitglieder der Black Wolves und ich habe die Zusicherung von Ricardo, dass er uns beide nicht trennt, dass sind die Schmerzen wert.“ Sie sah Chris geschockt an. „Du hast all die Schläge in Kauf genommen nur um das zu erreichen?“ Lisa hatte wirklich keine Ahnung. Sie wusste nicht, dass Chris´ Leben von der Erfüllung ihrer Aufträge abhing. „Nun ja. Onkel Simon und ich waren der Meinung, dass es eine gute Sache wäre, wenn wir zusammen der Gang beitreten. Sieh es mal so, jetzt sind wir innerhalb der Schule vor Anfeindungen sicher. Und als Zusatz kannst du so Ricardo näher kommen. Das Problem war, dass wir uns ihren Regeln beugen müssen. Damit hätte ich an sich kein Problem, aber dann könnte ich vielleicht nicht immer bei dir sein. Und wie soll ich dich beschützen, wenn du nicht da bist? Also machte ich mit dem Leader einen Deal, wenn ich gewinne würde er uns nicht trennen. Da ich nicht gewinnen wollte, habe ich so gekämpft, dass es ein Unentschieden wurde. Dabei musste ich zwar ziemlich viel einstecken, aber jetzt hat jeder was er will.“ Lisa hörte ihr aufmerksam zu und schien wohl zu dem Entschluss zu kommen, dass es okay war. „Verstanden, aber bist du wirklich in Ordnung? Sollten wir dich nicht doch lieber in ein Krankenhaus bringen lassen?“ Chris legte ihre Hand sanft an Lisas Wange um sie zu beruhigen. „Mir geht es gut. Wie gesagt nur ein paar Prellungen, mit einer Mütze Schlaf wird es mir wieder gut gehen. Ich verabschiede mich dann jetzt für die Nacht. Wir sehen uns morgen Früh. Schlaf gut.“ Mit diesen Worten verließ Chris das Zimmer. Kaum hatte sie die Tür geschlossen konnte sie sich ein Seufzen nicht mehr verkneifen. Sie musste jetzt dringend ihre Wunden behandeln und dann schlafen.



Kapitel 9


Endlich war es Donnerstag. Ricardo hatte gute Laune, es war schon über ein Jahr her, dass er sich das letzte Mal auf etwas gefreut hatte. Er verstand sich selbst nicht mehr. Aber heute war der Tag an dem die Neulinge, also Chris und Lisa initiiert würden. Er war schon gespannt wie Chris auf seine Überraschung reagieren würde. Ric hatte beschlossen die Beiden gleich die A-Rang Probe machen zu lassen. Chris würde diese ohne Probleme schaffen, aber für das kleine Prinzesschen, dass er immer bei sich hatte würde es wohl definitiv zu viel sein. Was sich Chris wohl heute überlegen würde, um Lisa aus der Schusslinie zu halten? Aber er war auch selbst dran schuld. Er hatte darauf bestanden, dass die Beiden zusammen bleiben wollten. Ric wusste, dass er gemein war, aber er mochte keine Mädchen und es gefiel ihm nicht, was Chris alles über sich ergehen lassen hatte nur um sie beschützen zu können. Und für sie schien das alles selbstverständlich zu sein. Konrad kam zu ihm ins Lagerhaus. „Die Beiden sind jetzt da. Welche Probe willst du sie machen lassen?“ Er musste sich ein gemeines Grinsen verkneifen, niemand sollte ihm ansehen wie viel Spaß ihm die ganze Sache machte. „Bau den A-Rang Kurs auf.“ Seine rechte Hand sah ihn geschockt an. „Der Rang A Kurs ist normalerweise nur für Mitglieder die schon länger dabei sind.“ Das wusste er auch Selbst, dafür brauchte er keinen der ihm das sagte. Er hatte die Regel immerhin selbst aufgestellt. „Ich möchte mich nicht wiederholen müssen. Geh jetzt raus und bau den Kurs auf. Und schick die Beiden zu mir rein.“ Konrad tat was ihm gesagt wurde und verschwand wieder. Kurze Zeit später kamen Chris und Lisa zu ihm. Lisa hatte sich an Chris´ Arm gehängt und schien sich fast hinter ihm verstecken zu wollen. „Ihr werdet gleich auf die Probe gestellt, ob ihr auch wirklich das Zeug dazu habt, bei uns dabei zu sein. Es ist eigentlich ganz einfach. Ihr werdet euch draußen auf die Rampe legen und nacheinander werden unsere Mitglieder mit ihren Motorrädern über euch drüber springen. Bewegt ihr euch von eurem Platz seid ihr raus. Es ist eine recht einfache Mutprobe, mehr nicht.“ Chris schien von dem Gesagten unbeeindruckt. Doch das Mädchen, das sich jetzt noch verzweifelter an seinen Arm klammerte war eine ganz andere Baustelle. „Ich werde Lisa keiner Gefahr aussetzen. Du kannst mich machen lassen was du willst, aber ich werde Lisa nichts machen lassen was sie verletzen könnte.“ Damit hatte Ric schon gerechnet, womit er nicht gerechnet hatte war, dass Lisa selbst es machen wollte. „Chris ich werde es machen. Du hast schon genug meinetwegen eingesteckt, ich werde diese Aufgabe selbst machen. Können Chris und ich es wenigstens zusammen machen?“ Damit hatte Ric kein Problem, auf der Rampe war genug Platz für zwei Personen. „Lisa ich kann dich das nicht machen lassen. Wie sollte ich es erklären, wenn dir etwas passiert?“ Doch Lisa schien sich entscheiden zu haben, denn sie setzte nur eine sture Mine auf. „Ist ja gut, ich habe verstanden. Ich lasse es dich machen solange ich bei dir sein kann.“ Er sah fragend in Ricardos Richtung. „Kein Problem, ihr könnt die Probe zusammen machen. Dafür werdet ihr beide auch zusammen durchfallen, wenn sich einer von euch Beiden regt.“ Da dies entschieden war ging er mit ihnen nach draußen, wo schon alle Mitglieder der Black Wolves auf sie warteten. „Wir initiieren heute zwei neue Mitglieder. Sie werden den A-Rang Kurs machen. Da sie Beide neu sind habe ich beschlossen es ihnen einfacher zu machen. Sie dürfen den Test zusammen machen. Also ihr Beide legt euch dort auf die Rampe.“ Und das taten sie. Lisa war ganz blass geworden, man sah ihr an das sie große Angst hatte. Chris sah aus wie immer, ihn schien nichts aus der Fassung bringen zu können. Er schien auch mitzubekommen, dass Lisa Angst hatte, denn kaum das sie lagen nahm er ihre Hand in seine. Das schien sie etwas zu beruhigen. „Alles klar. Fahrer fangt an.“ Sie hatten 8 Fahrer die Cross Motorräder fuhren und sie mussten alle einmal über sie springen, damit Chris und Lisa den Test bestanden. Der Erste fuhr an und sprang ohne Probleme über die Beiden und keiner der Beiden hatte sich auch nur einen Millimeter bewegt. Und so ging es weiter bis zum siebten Sprung. Ricardo sah schon als er in die Luft sprang, dass der Fahrer es nicht über Beide drüber schaffen würde. Und Chris schient es auch bemerkt zu haben, denn er zog Lisa mit einem Ruck zu ihm auf die Seite und legte sich schützend über sie. Lisa war damit einer ernsten Verletzung entkommen, aber so wie Ric es gesehen hatte, hat das Motorrad Chris erwischt. Doch es war kein Schmerzschrei oder ähnliches zu hören, was man eigentlich erwarten würde, wenn ein Motorrad auf einem landete. War er ohnmächtig? Doch das letzte Motorrad setzte schon zum Sprung an und schaffte es zum Glück ohne Probleme über sie. Erst dann bewegten sich die Beiden wieder. „Chris bis du in Ordnung? Hast du dich verletzt?“ Es war Lisa die dort panisch schrie. Ric lief zu ihnen um nach zu sehen was passiert war. „Es tut mir leid Rico, aber ich konnte nicht still liegen bleiben.“ Meinte der Kerl das ernst? Er hat ohne zu zögern Lisa beschützt, ohne auch nur einen Gedanken an sich selbst zu verschwenden. Er hätte sterben können. „Ist schon in Ordnung, ich denke keiner wird Einwende haben, wenn ich euch bestehen lasse?“ Diese Frage stellte er an die umstehenden Mitglieder und alle schüttelten nur den Kopf. „Siehst du. Also ihr habt bestanden. Aber jetzt sag mir wo du dich verletzt hast. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber ich bilde mir ein gesehen zu haben, dass dich das Motorrad erwischt hat.“ Und obwohl er das sagte war er sich nicht mehr ganz sicher ob er es wirklich gesehen hatte, denn Chris verzog noch immer keine Mine. „Er ist auf meiner Hand gelandet. Sie ist gequetscht und ein paar Knochen sind hin. Ich werde später ins Krankenhaus gehen und sie richten lassen.“ Also Chris war wirklich nicht ganz richtig im Kopf. „Du wolltest das ich nach dieser, noch eine Prüfung mache, also was ist die Nächste? Jetzt wo ich mir keine Sorgen mehr um Lisa machen muss sollte ich es hinter mich bringen. Dir geht es doch gut oder Lisa? Hast du dich irgendwo verletzt?“ Sie strahlte ihn über das ganze Gesicht an. „Nein mir geht es gut ich bin unverletzt.“ Chris sah erleichtert aus. Er sprang von der Rampe und hob Lisa trotz seiner verletzten Hand runter. Wenn er es denn so haben wollte, dann konnte er es so haben. „Konrad komm her. Bring Chris zur S-Rang Strecke. Du wirst sein Partner sein. Niemand konnte dich bis jetzt schlagen, wollen wir mal sehen ob Mister Ausdruckslos dazu in der Lage ist. Aber vorher bring ihm einen Erste-Hilfe-Kasten. Chris kümmere dich zuerst behilfsmäßig um deine Hand, dann kann es auch schon los gehen.“ Ricardo wusste nicht wieso, aber er war wütend. Chris hätte sterben können und er ist der jenige der sich verletzt hatte, also wieso kümmert er sich weiterhin um Lisa und wieso nimmt sie es einfach so hin? Er konnte deren Beziehung nicht verstehen und wollte es auch gar nicht. Aber er hatte das Bedürfnis diesem ignoranten Mädchen eine Ohrfeige zu verpassen, aber so wie er Chris einschätzte würde er das nicht zulassen und am Ende würde er wohl Chris noch mehr verletzen. Konrad kam gerade mit dem Verbandszeug zurück. Ric nahm es ihm gleich aus der Hand. „Chris, komm mit rein, wir kümmern uns kurz um deine Hand und dann geht es wie von dir gewünscht weiter.“ Chris folgte ihm ohne Widerworte. Immerhin etwas was sein Gemüt ein wenig beruhigte. „Rico kannst du mir bitte meinen Rucksack geben den ich vorhin dort hinten in die Ecke gestellt habe? Ich habe ein paar Sachen dabei mit denen ich meine Hand schnell wieder hinbekommen sollte.“ Er hatte also schon damit gerechnet verletzt zu werden? „Schleppst du das Zeug immer mit dir rum oder warst du darauf gefasst noch mal von mir weich geprügelt zu werden?“ Das sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. Chris mochte zwar wirklich nicht normal sein, aber in seiner Gegenwart fühlte sich Rico entspannt und ausgelassen. „Ehrlich gesagt habe ich immer die wichtigsten Sachen in meinem Rucksack. Leider hatte ich ihn nach unserer ersten Auseinandersetzung nicht dabei. Verrätst du mir schon mal was die zweite Prüfung ist um mich von den Schmerzen abzulenken während ich meine Knochen richte? Ich bin ja schon froh, dass es sich nicht so anfühlt als wären sie gesplittert.“ Er fühlte also doch Schmerz auch wenn er so aussah als hätte er keinen. „Wieso zeigst du es nicht wenn du Schmerzen hast? Du siehst aus wie immer und das obwohl du dir Knochen gebrochen hast.“ Während sie sich unterhielten begann Chris seine Fingerknochen zu richten. Es war schon schmerzhaft für Ric nur dabei zuzusehen und Chris verzog nicht mal sein Gesicht. „Lisa würde sich nur unnötig Sorgen um mich machen, wenn sie wüsste wie stark meine Schmerzen sind.“ Rico merkte wie seine Wut zurück kehrte. Es war als ob Chris´ gesamtes Leben, alles was er tat, nur auf Lisa ausgerichtet wäre. Aber wieso störte es ihn so sehr? Sonst kümmerte es ihn doch auch nicht was mit anderen passierte oder was sie taten. „Fein wenn du meinst, dass das richtig ist mach was du willst. Deine zweite Prüfung ist eigentlich ganz einfach. Du stellst dich zusammen mit Konrad auf die Gleisen und wartest auf einen Zug, derjenige von euch der als erster zur Seite springt hat verloren. Du musst gegen Konrad gewinnen um zu bestehen.“ Chris sah immer noch unbeeindruckt aus. Ob Ric wohl jemals sehen wird wie auf diesem Gesicht Emotionen zu lesen sind? „Verstanden.“ Mehr sagte er nicht. Er war darauf konzentriert seinen Verband umzulegen.

Sie hoffte, sie könnte die letzte Prüfung schnell hinter sich bringen. Ihre Hand schmerzte wie Hölle. Außerdem wollte sie so schnell es ging von Rico weg. Er ging ihr zu nahe. Sie waren mittlerweile bei den Gleisen. Ohne weiter nachzufragen stellte sie sich darauf und wartete auf Konrad. Sie musste nur noch diese Prüfung schaffen, dann konnte sie mit Lisa wieder nach Hause gehen. Ihre Wunden von ihrem Kampf mit Rico waren noch nicht verheilt, sodass allein dastehen schon weh tat. Und jetzt kam auch noch ihre Hand dazu. Konrad kam endlich zu ihr. „Also es ist eigentlich ganz einfach. Du musst wenn der Zug näher kommt einfach nur länger stehen bleiben als ich. Wenn du das schaffst hast du bestanden.“ Sie hatte bessere Reflexe als er, diese Prüfung sollte also kein Problem für sie werden. Sie würde einfach auf ihn und nicht den Zug achten und erst nach ihm von den Gleisen springen. „Er kommt.“ Chris wusste zwar nicht wer das schrie, aber nun spannte sie ihre Muskeln an um schneller reagieren zu können. Und wie sie es sich zuvor vorgenommen hatte, sah sie nicht wie Konrad in Richtung des Zugs sondern nur auf ihn. Sie hörte jedoch wie er immer näher kam und dann passierte es Konrad sprang zur Seite. Sie selbst blieb noch eine Sekunde länger stehen und sprang dann nach hinten weg. Sie war schon immer besser darin sich nach hinten abrollen zu lassen als nach vorn. Doch das war wohl ein Fehler, denn sie hörte Schreie von der anderen Seite. Die Anderen hatten wohl nicht mitbekommen wie sie von den Gleisen gesprungen war. Aber sie konnte die Anderen und vor allem Lisa erst beruhigen, wenn der Zug durch war. Als es soweit war beeilte sie sich zu Lisa zu kommen. Diese war völlig aufgelöst und saß auf der Erde und weinte. Schnell ging sie zu ihr. „Hey Kleines. Beruhig dich mir geht es gut. Ich bin nur zur anderen Seite gesprungen.“ Lisa sah sie an und als sie Chris wohl zu erkennen schien schmiss sie sich in ihre Arme. „Ich dachte du wärst gestorben. Tut mir das nie wieder an. Scheiß auf irgendwelche Mutproben ich würde sterben wenn dir etwas passieren würde.“ Die arme Maus, sie war ja völlig fertig. Ricardo trat neben sie. „Du hast eindeutig bestanden. Aber ich muss sagen du bist der Erste der Konrad schlagen konnte und du hast nicht mal auf den Zug geachtet.“ Sie half Lisa aufzustehen und drehte sich völlig zu Rico um. „Naja ich dachte es wäre einfacher darauf zu warten das Konrad springt und dann einfach nach ihm zu spring um zu bestehen. Wenn man nicht auf den Zug achtet hat man auch keine Angst davor.“ Rico lachte nur und schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich nicht normal, aber das mag ich an dir. Also alle her gehört. Wir nehmen ab heute Lisa als normales Mitglied bei den Black Wolves auf. Chris hat die Prüfungen alle bestanden und wird zum A-Rang. Er erhält somit den gleichen Rang wie Konrad.“ Alle Anwesenden schienen nicht wirklich damit zufrieden zu sein. „Wenn jemand ein Problem damit hat, kann er gerne vortreten und die Prüfungen ablegen. Ich muss dazu aber noch sagen, dass Chris letztens mit mir gekämpft hat und wir in einem Unentschieden auseinander gegangen sind. Wenn also jemand von euch der Meinung ist, dass er das Gleiche machen kann wie er an diesem Tag und heute, dann soll er jetzt vortreten.“ Keiner der Anwesenden bewegte sich. „Gut damit wäre das geklärt. Ich will später keine Beschwerden hören. Höre ich sie doch werde ich euer Gegner sein. Ihr könnt jetzt alle gehen. Für heute sind wir fertig.“ Dann drehte er sich wieder zu Lisa und Chris um. „Lisa ich möchte, dass du jetzt nach Hause gehst. Chris und ich haben noch etwas zu erledigen was nur uns Männer etwas angeht. Es wird ein letzter Test sein.“ Sie sah ihn schockiert an. „Noch ein Test. Chris ist verletzt. Das gerade hätte ihn umbringen können. Und du bist immer noch nicht zufrieden?“ Rico sah jetzt wirklich wütend aus. Sie musste Lisa schnell aus der Schusslinie bringen. „Lisa bitte geh für heute nach Hause. Ich komme später nach. Onkel Simon wartet bestimmt schon auf uns. Du muss ihm erklären was heute gewesen ist und wieso ich noch nicht kommen konnte.“ Chris hofft wirklich, dass Lisa verstand und einfach nachgeben würde. „Okay ich habe verstanden. Aber bitte geh noch ins Krankenhaus wenn ihr hier fertig seid. Und wenn du nach Hause kommst, komm zu mir ins Zimmer und sag mir was der Arzt gesagt hat.“ Zum Glück hatte sie nachgegeben, denn Rico sah alles andere als glücklich über ihre Worte aus. „Verstanden. Ich komme dann noch mal zu dir rein bevor ich ins Bett gehe.“ Chris brachte sie noch bis zu ihrem Fahrer und verabschiedete sich. „Also Ricardo was ist jetzt diese letzte Prüfung nur für Männer?“ Sie wollte wirklich nach Hause sich duschen und ins Bett. Sie war von oben bis unten mit Schlamm beschmiert, weil sie natürlich das Pech hatte genau in eine Pfütze zu springen. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mich Rico nennen sollst. Du selbst hast mir diesen Namen gegeben.“ War das sein Ernst? Für so einen Kindergarten hatte sie jetzt keinen Nerv. „Ja ja ist ja schon gut Rico. Also was ist jetzt die letzte Prüfung?“ Ohne Vorwarnung schmiss er sie sich über die Schulter und ging mit ihr in die Lagerhalle. Drinnen angekommen legte er sie auf der Matratze die darin lag ab und verschwand kurz, als er zurück kehrte hatte er ein nasses Handtuch in der Hand. „Hier damit kannst du dich etwas sauber machen. Hast du dich noch irgendwo verletzt als du von den Gleisen gesprungen bist?“ Er kümmerte sich wirklich rührend um sie. Und schon wieder war da dieses komische Gefühl in ihrer Brust. „Mir geht es gut, ich habe mich nicht weiter verletzt. Ich hatte einfach nur das Pech genau in eine Pfütze zu springen.“ Sie wischte sich das Gesicht mit dem Handtuch sauber, zumindest versuchte sie es, was gar nicht so leicht war, wenn man sich selbst nicht sehen konnte und nur eine Hand benutzen konnte. „Gib mir das Handtuch, du hast immer noch Dreck im Gesicht.“ Und schon nahm er es ihr aus der Hand und kniete sich direkt vor sie. Er war ihr so nahe während er ihr Gesicht abwischte, dass sie seinen Atme auf ihrer Haut spürte. Ihr Magen wurde flau und ihr Herz begann zu rasen. „Gut jetzt bist du wieder sauber.“ Er setzte sich neben sie und stellte eine Flasche Bier vor ihr ab. „Das ist deine letzte Prüfung. Männer müssen sich mindestens einmal zusammen betrunken haben um sich vertrauen zu können.“ Er nahm die Flasche, öffnete sie und reichte sie an Chris weiter. Sie hatte noch nie in ihrem Leben getrunken, aber ihm schien es ernst zu sein, also blieb ihr nichts anderes übrig als sich seinem Willen zu beugen. Sie konnte nur hoffen, dass sie nicht die Kontrolle verlor. Chris nahm also die Flasche entgegen und trank. Rico tat es ihr nach.

So ging es nun schon zwei Stunde. Beide hatten zusammen fast einen Kasten geleert. Und Chris musste feststellen, dass sie sich komisch leicht im Kopf fühlte. Ob sie wohl schon betrunken war? Sie wusste es nicht. Es war als wären all ihr Sorgen ganz weit weg. Das war gefährlich, es konnte dafür Sorgen, dass sie ihre Vorsicht fallen ließ. Sie versuchte sich gegen dieses Gefühl zu wehren, doch ihr Kopf schien anderer Meinung zu sein. Plötzlich legte Ricardo ihr seinen Arm um die Schulter. „Sag mal Chris hast du jemals einen Menschen den du geliebt hast begraben müssen?“ Sofort wanderten Chris Gedanken an diesen schrecklichen Tag als sie Locke an die Kälte verloren hatte. „Wieso fragst du mich das jetzt?“ Sie wollte nicht in Tränen ausbrechen. „Ich habe schon zwei geliebte Menschen verloren. Ich habe sie umgebracht. Wenn ich nicht gewesen wäre würden sie noch leben. Sie hätten noch eine Zukunft vor sich.“ Er schien verzweifelt, was Chris gut nachvollziehen konnte. Auch sie hatte jemanden verloren und die Schuld die sie darüber empfand, dass sie es nicht verhindert konnte, lastet noch heute schwer auf ihr. „Trägst du deswegen immer Schwarz?“ Es war ihr schon aufgefallen, dass er immer Schwarz trug. „Ja. Weißt du wie es ist, wenn du um Vergebung bitten willst, aber niemand da ist der sie dir erteilen könnte? Egal wie laut du schreist: „Es tut mir leid.“ Niemand ist da der es hören könnte. Weißt du wie sich das anfühlt? Es fühlt sich dunkel an. Als wärst du in einem Loch gefangen und nichts als Dunkelheit um dich herum.“

„Nein, weiß ich nicht. Aber weißt du wie es sich anfühlt, wenn man Tag für Tag um sein überleben kämpfen muss? Wie es sich anfühlt kein Heim zu haben, keine Familie. Wie es sich anfühlt ein Leben leben zu müssen, dass Andere für dich bestimmen. In einer Welt leben zu müssen in dem die einzige Antwort die du geben darfst „Ja“ lautet. Du Rico könntest dir so ein Leben wohl nie vorstellen.“

„Was bist du ein Roboter oder so?“ Chris begann zu kichern. Rico schien schon ganz schön betrunken zu sein. Plötzlich begann er sie abzutasten, alles was Chris tun konnte war die Luft anzuhalten. Was tat er da? „Verzeih Chris. Ich habe versucht deinen Knopf für Freiheit zu drücken, aber ich kann ihn einfach nicht finden. Ich hätte gern deine Einstellungen komplett geändert und dir deine Freiheit geschenkt. Tut mir leid, dass ich das nicht konnte.“

„Freiheit? Darüber habe ich nie so genau nachgedacht. Aber wenn ich dir so zuhöre denke ich du hast recht. Ich bin ein Roboter ohne Freiheit. Alles woran ich immer gedacht habe war: Wie kann ich in dieser Welt überleben.“, deswegen wurde ich wohl zu einem Roboter, der nichts anderes konnte als „Ja“ zu sagen.“

„Und so sitzen wir nun hier. Ein Mörder und ein Roboter. Sind wir nicht ein tolles Paar?“ Chris musste schon wieder kichern. „Du hast kein Wort von dem verstanden was ich gesagt habe, oder Rico?“

„Natürlich weiß ich wovon du gesprochen hast. Ich wiederhole es gern noch mal für dich. Zum einen haben wir mich. Der Mann, der zwei geliebte Menschen umgebracht hat und deswegen sein Herz und seine Seele verlor. Und zum anderen haben wir dich. Ein Mann, der nur ans überleben dachte und zum Roboter wurde und so seine Freiheit fürs Überleben aufgab. Wir sind ein gutes Paar. Es ist also kein Wunder, dass ich vom ersten Moment an ein gutes Gefühl bei dir hatte.“ Auch Chris hatte ein gutes Gefühl und sie war sich sicher, auch wenn sie sich am nächsten Tag wohl an kein Wort das sie gesagt hatten erinnern würde, sie würde nie dieses wohlige und heimelige Gefühl vergessen könne, dass sie gerade spürte. Doch nun war sie schläfrig, ihr Körper wurde immer schwerer und ihr fielen die Augen zu.

In den frühen Morgen Stunden erwachte Chris im Lagerhaus, zuerst war sie verwirrt, was sie an so einem Ort zu suchen hatte, doch dann erinnerte sie sich wie Rico sie gezwungen hatte sich zusammen mit ihm zu betrinken. Nun tat ihr der Kopf weh und ihr war übel. Das war es wohl was man unter Kater verstand. Sie stand auf, legte ihre Jacke über Ricardos schlafenden Körper und machte sich auf den Heimweg. Kaum in ihrem Zimmer angekommen öffnete sich auch wieder ihre Tür und Lisa kam herein. „Oh mein Gott, du stinkst nach Alkohol.“ Chris hatte im Moment keinen Kopf für ein Gespräch. „Ich wollte sowieso gleich duschen gehen.“ Sie ging an der Miss vorbei in Richtung Bad, doch Lisa hatte wohl nicht vor sie so einfach entkommen zu lassen. „Warte noch kurz. Erzähl mir erst was gestern noch passiert ist.“ Chris würde wohl nichts anderes übrig bleiben, wenn sie ihre Ruhe haben wolle. „Ricardo meinte, dass sich Männer erst gegenseitig restlos vertrauen können, wenn sie sich zusammen betrunken haben. Also haben wir die ganze Nacht damit verbracht Bier zu trinken.“ Lisa schien das gesagte zu gefallen, denn ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Wenn Männer sich betrinken werden sie redselig. Zumindest habe ich das mal gehört. Also worüber hast du dich mit dem Leader unterhalten?“ Das war eine gute Frage auf die sie keine Antwort hatte. „Ich weiß es nicht.“ Lisa sah sie nur verständnislos an. „Sieh mich nicht so an. Ich habe wirklich keine Ahnung was letzte Nacht passiert ist oder was ich oder Rico gesagt haben.“ Sie sah enttäuscht aus. Sie hätte wohl gern mehr über ihren Schwarm erfahren, aber so leid es ihr auch tat, da konnte Chris ihr nicht helfen. „Aber es ist schön, dass du dich so gut mit ihm verstehst. Ihr seid euch ziemlich nahe.“ Waren sie das? Chris hatte keine Ahnung. Sie hatte noch nie einen Freund oder ähnliches, also hatte sie keine Vergleichsmöglichkeiten. „Ich weiß nicht was du meinst. Ich denke nicht, dass ich ihm näher bin als der Rest von den Black Wolves.“ Sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Ricardo lässt sich von niemandem beim Spitznamen nennen und niemand würde es sich wagen. Nicht einmal Konrad und der ist seine rechte Hand. Aber du nennst ihn Rico und er scheint damit kein Problem zu haben. Es scheint eher so als würde es ihm gefallen so von dir genant zu werden.“ War es wirklich so etwas Besonderes? Ricardo hatte zwar gesagt Chris solle sich geehrt fühlen ihn Rico nennen zu dürfen, aber Chris dachte das wäre nur so dahin gesagt. „Lisa ich brauche jetzt wirklich eine Dusche. Ich komme dann gleich runter und wir können zusammen zur Schule.“ Sie wollte nicht weiter mit Lisa über Ricardo reden. Immer wenn sie es tat, hatte sie so ein komisches Ziehen in der Brust. „Du solltest erstmal ins Krankenhaus wenn du geduscht hast. Ich gehe nämlich davon aus, dass du noch nicht warst wenn du die ganze Nacht getrunken hast.“ Sie hatte recht. Sie sollte ihre Hand röntgen lassen, nur um sicher zu gehen. „Verstanden. Dann lass du dich zur Schule fahren, jetzt wo wir Mitglieder sind, werden dich die anderen Schüler in Frieden lassen. Ich werde ins Krankenhaus gehen und dann später nachkommen.“



Kapitel 10


Ricardo wachte am Morgen mit einem schrecklichen Kater in der Lagerhalle auf. Wieso war er hier? Doch dann erinnerte er sich. Aber wieso war er allein? Hatte dieser Scheißer ihn allen ernstes allein hier liegen lassen? Er richtete sich etwas auf, doch dabei konnte er sich ein angestrengtes, schmerzhaftes Stöhnen nicht unterdrücken. Er fasste sich an den Kopf, da er angst hatte er könne ihn ohne diese zusätzliche Stütze nicht halten. Er versuchte sich an den letzten Abend zu erinnern, aber alles war weg. Worüber hatte er sich mit Chris unterhalten? Er hatte das Gefühl etwas Wichtiges erfahren, aber nun wieder vergessen zu haben. Aber hatte dieser Mistkerl ihn hier wirklich einfach so liegen gelassen und war gegangen? Ric sah auf die Uhr, es war noch früh, er hatte also noch genügend Zeit nach Hause zu fahren sich zu duschen und dann in die Schule zu fahren. Als er sich vollkommen aufrichtete fiel etwas von ihm herab auf den Boden. Als er es aufhob, erkannte er Chris´ Jacke. Er war also nicht einfach so verschwunden, sondern hatte Ric seine Jacke gegeben, damit er es schön warm hatte. Ein Lächeln erschien in seinem Gesicht.

Als er in der Schule ankam bemerkte er gleich einen Aufruhr. Da in über 90 Prozent der Fälle seine Jungs beteiligt waren, machte er einen Umweg und sah wie Konrad mit ein paar Leuten auf einen Jungen am Boden eintraten, während Lisa sie anschrie, dass sie damit aufhören sollen und was sie für Feiglinge wären. Ric ging zu Konrad. „Was ist hier schon wieder los am frühen Morgen. Ich habe einen Kater von letzter Nacht, also hoffe ich für euch alle, dass dieser Aufstand hier Sinn hat.“ Doch zu seinem erstaunen kam Konrad gar nicht dazu sich zu äußern, denn Lisa war es die ihm antwortete. „Sag ihnen gefälligst, dass sie damit aufhören sollen. Der Junge ist doch schon am Boden und dann auch noch 4 gegen 1?“ Rico konnte wirklich nicht gut mit Frauen, aber mit dieser hier kam er wirklich gar nicht zurecht. Er sah sie eiskalt an. „Halt den Mund. Niemand hat mit dir geredet oder nach deiner Meinung gefragt. Also sei still.“ Er drehte sich zu Konrad und sah ihn auffordern an. „Sebastian hat dem Rektor gesteckt, dass es Marcus war, der unser Black Wolves Graffiti an der Schulmauer gemacht hat. Marcus wurde deswegen für 2 Wochen suspendiert.“ Nach dieser Erklärung drehte sich Ricardo weg und setzte seinen Weg zu seinem Klassenraum fort. Zumindest versuchte er es, doch wieder einmal musste sich Lisa in seine Angelegenheiten einmischen. Sie stellte sich ihm in den Weg und begann mit ihrer Schimpftirade. „Das kann doch nicht dein Ernst sein? Du kannst doch nicht zulassen, dass ein wehrloser Kerl einfach so von deinen Leuten verprügelt wird. So ein Mensch bist du nicht. Du bist warmherzig und freundlich. Niemals würdest du zulassen, dass ein Schwächerer so niedergemacht wird.“ Er hatte wirklich genug gehört. Sein Arm schoss vor und seine Hand legte sich um ihre Kehle, er drückte nicht genug zu um ihr wirklich zu schaden, aber genug, dass sie merkte, wie ernst es ihm ist. Kalt sah er sie an als er erwiderte: „Du weißt nicht das geringste über mich. Mir ist es vollkommen egal was mit diesem Typen dort auf dem Boden passiert. Er hat sich gegen die Black Wolves gestellt und das ist jetzt seine Strafe.“ Aus den Augenwinkeln sah er wie Anna zu ihnen kam. „Und Anna wird dir jetzt zeigen, was mit Leuten passiert die sich nicht an unsere Regeln halten. Du magst vielleicht ein Mitglied von uns sein, aber wir müssen dir wohl jetzt erst mal beibringen, dass du nicht mit mir zu reden hast. Und sogar noch vor dem hast du keine Kritik an mir zu üben.“ Doch noch bevor seine Worte in die Tat hätten umgesetzt werden können, landete eine Hand auf seinem Handgelenk. Der Druck war so enorm kraftvoll, dass er Lisas Kehle freigeben musste. Als er sich zum Besitzer der Hand umdrehte wunderte er sich nicht wirklich Chris vor sich zu haben. Er ließ sein Handgelenk los und zog in einer fließenden Bewegung Lisa schützend hinter sich. „Was ist hier los?“ Und zum ersten Mal seit er Chris kannte, sah er Emotionen. Trotz dass sein Gesicht so ausdruckslos wie immer war, konnte Ricardo ganz klar die Wut in Chris Augen erkennen. „Lisa hat sich in Dinge eingemischt die sie nichts angingen und als wäre das nicht schon schlimm genug war sie der Meinung mich belehren zu müssen. Sie scheint die Regeln unserer Gruppe noch nicht verstanden zu haben, deswegen wird sie sie jetzt lernen und zwar auf die harte Tour, denn ich habe sie mehrmals verbal gewarnt. Jetzt wird das kleine Prinzesschen lernen wo ihr Platz ist.“

Chris wusste nicht recht was sie machen sollte. Die Situation war nicht einfach. Sie waren der Gang beigetreten damit Lisa in Sicherheit war. Sie hatte nicht geahnt, dass Lisa etwas so unüberlegtes machen würde. Andererseits hätte sie damit rechnen müssen. Lisa hatte schon immer Chris bei sich gehabt, sie musste sich nie Gedanken darüber machen, was sie sagte oder tat, denn Chris war ja da um jeden in seine Schranken zu weisen der Lisa Böses wollte. Aber hier an dieser Schule war es nicht mehr so einfach. Sie hatten sich den Black Wolves angeschlossen, damit Lisa vor Anfeindungen sicher war, doch jetzt drohte ihr genau aus dieser Richtung Gefahr. Und Chris konnte Lisas Verhalten sogar nachvollziehen. Allerdings zu ihrer Bestürzung konnte sie auch Ricos Begründung verstehen. Er konnte nicht zulassen, dass irgendjemand seine Autorität anzweifelte. Doch was sollte Chris nun tun um aus dieser Lage raus zu kommen? Simon würde sie schlimm bestrafen sollte Lisa irgendetwas passieren. Ihr blieb eigentlich nichts anderes übrig als zu versuchen Lisa aus der Schussbahn zu nehmen. „Ich nehme ihre Strafe auf mich und ich rede mit ihr und mache ihr verständlich was sie falsch gemacht hat.“

In Ric brodelte es vor Wut. Wieder einmal sprang er für dieses Mädchen in die Bresche. Aber wenn er es denn so haben wollte, sollte er es bekommen. „In Ordnung. Geh in eine Liegestütz Haltung.“ Er wusste, dass er gemein war. Chris hatte eine gebrochene Hand und musste sich jetzt in dieser Position mit nur einer Hand halten, aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Er zog sich den Gürtel von der Hose und nahm nicht das Ende mit der Schnalle in die Hand sondern das wo die Löcher drin waren. Mal sehen wie lange er es aushält der Ersatz für Lisa zu sein. Als Chris in Position war holte Ric auch schon aus und schlug mit voller Kraft zu. Die Schnalle landete hart auf dem unteren Rücken von Chris und wie immer war auch dieses Mal kein Schmerzlaut von ihm zu vernehmen. Als Ricardo zum zweiten Schlag ausholte, klammerte sich Lisa an seinen Arm mit Tränen in den Augen flehte sie ihn an aufzuhören. Aber ihr Ausbruch besänftigte ihn kein Stück. Das Gegenteil war der Fall, er wurde noch wütender. Verstand sie nicht, dass diese Situation nur ihrer Schuld war? „Lass mich los. Du scheinst nicht zu verstehen, dass alles was gerade passiert deinem Verhalten zu schulden ist. Chris nimmt diese Strafe wegen dir auf sich und das obwohl ER absolut nichts falsch gemacht hat. Und du bist immer noch egoistisch genug nicht den Mund zu halten, damit er weniger Schläge bekommt? Wenn du ihm wirklich vor Schaden bewahren willst, dann solltest du an deinem Verhalten arbeiten und lernen den Mund zu halten wenn du nichts gefragt wurdest. Und jetzt Konrad nimm sie von meinem Arm weg bevor ich mich vergesse.“ Er holte zum zweiten Schlag aus und dieser traf Chris Schulterblatt. Es musste höllisch weh tun aber er zuckte nicht mal. Und so machte Rico weiter, aber mit jemand Schlag den er Chris verpasste, hatte er das Gefühl sich selbst auch zu schlagen. Es war kein körperlicher Schmerz den er empfand, aber tief in seiner Seele tat es ihm weh Chris schlagen zu müssen. Nach dem fünfzehnten Schlag hörte er auf. Er schickte alle weg und gab Lisa in die Obhut von Konrad.

Chris war immer noch in ihrer Liegestütz Position. Ihr Rücken schmerzte und sie merkte wie sie ihre Kräfte verlor, aber sie konnte nicht zu Boden gehen. Innerlich weinte sie um sich selbst. Sie hatte diese Schläge nicht verdient, sie hatte nichts Falsches getan. Aber sie wusste auch, dass sie mit diesen Schlägen besser weggekommen war, als mit der Strafe die sie erhalten hätte, wenn Lisa auch nur einen Kratzer bekommen hätte. Trotzdem war es nicht fair, dass sie all dies erdulden musste. Als alle weg waren kam Rico zu ihr, fasste sie an der Hüfte und zog sie auf die Beine. „Lass uns in die Bibliothek gehen, da kannst du dich ein bisschen ausruhen.“ Welch Ironie, erst verpasst er ihr die Krankheit und dann die Heilung. Aber so war es auch schon nach ihrem ersten Kampf gewesen. Leider hatte sie keine Zeit sich auszuruhen. Sie musste zurück zu Lisa. Sie hatte den Schlag nicht vergessen den ihr Simon verpasst hatte nachdem sie Lisa allein in der Schule gelassen hatte. „Schon okay. Ich gehe zurück zur Klasse. Lisa wartet sicher auch schon auf mich.“

Und wieder dachte er nicht an sich sondern an dieses Weib. Rico verstand einfach nicht wieso Chris all das für sie hatte über sich ergehen lassen und wie er trotz der Schmerzen die er ihretwegen hatte, zu ihr wollte. Ihm wäre es das liebst wenn Chris sich von dieser Göre fernhalten würde, aber das konnte er wohl nicht, immerhin hatte er Chris sein Wort gegeben die Beiden nicht zu trennen. Aber das hieß noch lange nicht, dass er zuließ, dass Chris sich in seiner Verfassung um Lisa kümmerte. Also warf er ihn sich wieder einfach über die Schulter und lief Richtung Bibliothek.

Chris war im ersten Moment geschockt und sie hatte zu kämpfen wegen der Schmerzen nicht zu schreien. Doch sie hatte sich schnell wieder gefangen, immerhin hatte sie jahrelanges Training hinter sich. „Lässt du mich bitte wieder runter und in meine Klasse gehen?“ Doch er ignorierte sie einfach und setzte seinen Weg fort. Ihr würde wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich seinem Willen vorerst zu beugen. Er ging geradewegs zur Leseecke und setzte sie auf einem dieser Sitzsäcke ab und ließ sich in dem neben ihr fallen. „Ruh dich für die erste Unterrichtsstunde hier aus und dann kannst du immer noch zu Lisa gehen. Hier in der Schule ist sie sicher, zumindest wenn sie mir aus dem Weg geht und ich bin ja gerade hier bei dir. Konrad wird auch dafür sorgen, dass niemand sonst ihr zu nahe kommt. Also entspann dich und gönn dir eine Pause.“ Er würde sie so oder so nicht gehen lass, also konnte sie sich auch ausruhen und nach den 90 Minuten zurück zu Lisa. „Okay. Aber nach der ersten Stunde gehe ich sofort zurück. Ich muss wissen wie es Lisa geht.“ Rico sah sie missbilligend an, aber das war ihr egal. „Wieso lässt du all dies für Lisa über dich ergehen? Würde sie denn das Selbe auch für dich machen? Ich denke nicht.“ Und damit hatte er Recht, aber das musste sie auch nicht. Es war Chris Aufgabe auf Lisa Acht zu geben. Sie würde jedes Unheil von ihr fern halten, zum einen weil das ihre einzige Berechtigung zum Leben war und außerdem bedeutete Lisa ihr viel. Sie hatte über die Hälfte ihres Lebens mit ihr verbracht, war immer mit ihr zusammen. Sie war wie sie es schon am ersten Abend gedacht hatte zu ihrer kleinen Schwester geworden. Und das sagte sie Rico auch. „Lisa ist wie eine kleine Schwester für mich. Niemals würde ich es zulassen, dass ihr auch nur ein Haar gekrümmt wird. So ist es einfach und nichts wird das jemals ändern können.“

So war das also? Sie war eine kleine Schwester für ihn? Nun verstand er zwar wieso Chris so einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, aber wieso er ausgerechnet so eine Egoistin dazu ausgewählt hatte seine kleine Schwester zu sein verstand er nicht. Andererseits war Anna leider auch irgendwie wie eine kleine Schwester für ihn, da sie durch den engen Kontakt ihrer Familien von klein auf zusammen waren. Aber er würde nie all das ertragen was Chris hatte über sich ergehen lassen. Natürlich würde er sie beschützen und für sie einstehen wenn sie Probleme hatte, aber alles was Chris tat war wirklich nicht mehr normal. „Gut ich verstehe. Aber wenn sie wie deine kleine Schwester ist, dann bring ihr Benehmen bei und sorg dafür, dass sie sich von mir fernhält. Ich kann sie nicht leiden. Ich akzeptiere sie dir zu liebe, aber sollte sie sich noch mal so was wie heute rausnehmen werde ich dich nicht für sie einspringen lassen und ihr selbst klar machen wie die Dinge hier laufen.“

Chris sah ihm an wie ernst es ihm damit war. Aber er verstand nicht, dass sie es nie zulassen würde, dass Lisa irgendeinen Schaden davon trug. Eher noch würde sie sich die ganze Schule zum Feind machen und somit auch Rico. „Mach das bitte nicht. Ich verspreche, dass ich mit ihr reden werde. Aber zwing mich nicht dazu mir euch alle zum Feind zu machen.“ Sie sah ihn flehend an und hoffte, dass er einlenken würde.

Rico hatte mal wieder bei einem Blick in Chris Augen verloren. Was machte dieser Typ nur mit ihm? Wieso ging er ihm so nahe? Aber Ric wusste, dass er geschlagen war. Er konnte Chris nichts abschlagen, wenn dieser ihn ansah als würde er alles verlieren sollte Rico nicht nachgeben. Er schloss die Augen und antwortete Chris. „Verstanden. Keiner der Black Wolves wird sie jemals anfassen, aber um dies durchzusetzen wirst du wie heute jede ihrer Strafen auf dich nehmen müssen. Anders könnte ich es nicht rechtfertigen.“ Es gefiel ihm nicht, dass er eventuell wieder Chris für das Unvermögen dieser Tussi bestrafen musste. Er hatte das Gefühl Chris beschützen zu müssen, was vollkommen irrational war wenn er bedachte wie stark er war. „Das ist vollkommen in Ordnung für mich. Ich danke dir. Wirklich.“

Sie entspannte sich nun da sie auch noch diese Zusicherung von Rico bekommen hatte. Nun drohte Lisa innerhalb der Schule egal was passierte keine Gefahr mehr. „Passt schon. Naja eigentlich nicht, aber ich werde dir dieses Zugeständnis machen. Und jetzt zieh dein Hemd mal für mich aus und zeig mir deinen Rücken.“ Für knapp eine Sekunde war Chris geschockt, aber dann hatte sie sich schon wieder im Griff. Doch es kam absolut nicht in Frage, dass sie ihr Hemd auszog. Wie sollte sie auch die Weste die sie darunter trug erklären, ganz davon abgesehen, dass Chris diese auch ausziehen müsste damit Rico ihren Rücken sehen könnte. „Ich werde mit Sicherheit nicht mein Hemd ausziehen. Meinem Rücken geht es soweit ganz gut. Die Stellen die du getroffen hast werden blau sein, mehr wird dort nicht zu sehen sein.“

Was stellte sich Chris denn so an? Rico wollte doch nur sehen wie es ihm ging und er hatte gehofft, dass es nicht so schlimm aussehen würde damit er sein Gewissen beruhigen konnte. Aber so fest wie er zugeschlagen hatte wäre das wohl ein Wunschtraum. „Stell dich nicht an wie ein Mädchen und zeig mir deinen Rücken. Wie ich dich kenne hast du eine passende Salbe in deinem Rucksack.“

Damit hatte er recht aber sie würde den Teufel tun und nur deswegen nachgeben. Es ging um ihr Leben. Sollte jemand bemerken das sie ein Mädchen ist und es gäbe wohl keinen besserem Beweis dafür als ihre Brüste, würde man sie umbringen. „Ich sage es noch mal, ich werde mein Hemd nicht ausziehen. Alles was ich brauche ist ein wenig Ruhe damit meine Muskeln sich entspannen können. Ich werde also jetzt deinen Rat befolgen und schlafen.“ Sie machte es sich auf dem Sack so gemütlich wie es ging und schloss ihre Augen und versuchte sich zu entspannen, was gar nicht so einfach war, denn sie spürte den Blick von Rico der unaufhörlich auf ihr lag. Sie hörte wie er sich bewegte und plötzlich zog er sie an ihren Schultern zu sich, sodass ihr Kopf auf seiner Schulter ruhte. „So müsste es bequemer für dich sein. Und jetzt schlaf. Ich wecke dich wenn die erste Stunde rum ist.“ Wie sollte sie sich so entspannen und schlafen? Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie hörte es in ihren Ohren rauschen. Sie konnte nur hoffen, dass Rico davon nichts mitbekam.

Doch der hatte mit sich selbst genug zu tun, denn ihm ging es ganz ähnlich wie Chris. Rico verstand nicht wieso sein Herz einen Satz machte, als Chris seinen Kopf an seiner Schulter bettete. Aber er fühlte sich wohl dabei ihn so nah bei sich zu haben. Als er auf ihn herab sah fielen ihm wieder diese unglaublich langen und geschwungenen Wimpern ins Auge. Chris wäre wirklich eine Ausnahmeschönheit geworden wäre er eine Frau. Aber Ricardo war froh, dass er ein Mann war, so konnte er sich in seiner Gegenwart entspannen. Und er entspannte sich wirklich so sehr, dass er mit Chris in seinen Armen einschlief.

Chris war die Erste die erwachte. Sie hatte ihren Kopf noch immer an Ricos Schulter, aber sie hatte ihren Arm über seinen Bauch gelegt und Rico seinen über ihre Schulter. Zum Glück war noch Unterricht. Chris wollte sich nicht ausmalen was es in der Schule für ein Gerede geben würde, wenn jemand sie Beide hier so finden würde. Sie wollte sich etwas von ihm zurück ziehen, aber er zog sie noch näher zu sich und hielt ihre Hand fest. Was sollte sie denn jetzt machen? Sollte sie ihn wecken? Oder abwarten bis er wach wurde und so tun als würde sie noch schlafen? Sie merkte wie ihr Gesicht ganz heiß wurde. Wurde sie jetzt etwas rot? Auch ihr Herz war der Meinung mal wieder tanzen zu müssen. Sie beschloss ihn zu wecken und dann so schnell es ging von ihm weg zu gehen. „Rico. Du bist eingeschlafen. Wach auf. Wir müssen zum Unterricht und die erste Stunde ist fast vorbei.“ Langsam begann er sich zu rühren und sie hielt die Luft an. Wie würde er reagieren wenn er bemerkte wie sie hier in der Bibliothek hockten?

Rico wurde langsam wach und bemerkte sofort in welcher Position er sich gerade befand. Und zu seinem Erstaunen fühlte es sich gut an Chris so in seinen Armen zu haben. So musste es sich anfühlen einen kleinen Bruder zu haben, da war er sich sicher. Doch sobald er die Augen öffnete zog Chris seinen Arm weg und erst da bemerkte er, dass er seine Hand festhielt. Er ließ sie los und Chris ging sofort auf Abstand. Fühlte sich Chris in seiner Gegenwart unwohl? „Guten Morgen. Hast du gut geschlafen? Und geht es dir jetzt ein wenig besser?“

Chris entspannte sich etwas, da Rico einfach gar nicht auf die eigenartige Schlafsituation einging, konnte sie einfach so tun als wäre nichts gewesen und das stimmte ja auch. Sie war ein Junge und somit war diese Pose nicht peinlich sondern einfach ein Versehen im Schlaf. „Guten Morgen. Ja mir geht es besser. Ich werde mich jetzt zu Lisa machen.“ Chris versuchte aufzustehen, aber es schien wohl, dass seine Muskeln noch nicht so wollten wie sie.

Rico stand auf und fasste Chris bei den Hüften um ihm aufzuhelfen, immerhin war es zu 100 Prozent seine Schuld, dass er all diese Verletzungen hatte. Es wäre eigentlich kein Wunder, wenn Chris ihn auf den Tod nicht abkönnte. Aber er schien ihm all die Schmerzen nicht übel zu nehmen. „Ich helfe dir noch bis ins Klassenzimmer. Und wenn du den heutigen Tag hinter dir hast kannst du dich das ganze Wochenende ausruhen.“

Chris stand schon wieder in Ricos Armen, sie war ihm so nah und er roch so gut. Ihr Herz machte einen Satz und begann wieder zu galoppieren. Sie versuchte etwas Abstand zwischen sich und Ricardo zu bringen, aber er legte sich ihren Arm um die Schulter faste sie an der Hüfte und stützte sie so beim laufen. Sie war ihm zwar dankbar für diese Hilfe, aber er war einfach zu nah und ihr Körper spielte verrückt. Am Klassenraum angekommen legte Rico ihr eine Jacke über die Schulter und bedankte sich für sie, dann drehte er sich um und ging weg ehe sie etwas hätte erwidern können. Sie öffnete die Tür zu ihrem Unterrichtsraum und lief so direkt Konrad in die Arme. „Geht es dir gut? Wenn die Schmerzen zu schlimm werden solltest du dich einfach ohnmächtig stellen, so würdest du dir einige Schläge ersparen.“ Er schien es gut zu meinen, aber Chris ignorierte ihn trotzdem. Immerhin hatte all der Ärger mit seinem Verhalten angefangen. Sie ging direkt zu Lisa, diese sprang sofort auf als sie Chris sah und sprang ihr in die Arme. Chris hatte wirklich zu kämpfen nicht laut aufzuschreien vor Schmerz und ihr Gesicht unter Kontrolle zu halten. Aber sie schloss ihre Arme trotz alle dem um Lisa und hob sie hoch, um ihr so stumm zu vermitteln, dass es ihr gut ginge. Sie bemerkte wie ihre Schulter nass wurde und hörte wie Lisa schluchzte. Sie ging mit ihr zu ihrem Tisch und setzte sich mit Lisa auf ihrem Schoss hin. Sie streichelte ihren Kopf und versuchte Lisa zu beruhigen. So aufgelöst hatte Chris sie noch nie gesehen. Sie schien sich wohl selbst die Schuld an alldem zu geben. Als sie sich endlich etwas beruhigt hatte erklärte Chris ihr, dass es ihr gut ging. „Mach dir keine Sorgen um mich, mir geht es gut und wie du sehen kannst bin ich noch immer fit.“ Sie lächelte Lisa beruhigend an. Aber Lisa liefen nur wieder Tränen die Wangen hinunter. „Er hasst mich. Er hält mich für eine reiche verwöhnte Prinzessin, die sich nur für sich selbst interessiert und der die Gefühle ihrer Mitmenschen egal sind.“ Es ging bei ihrem Heulkrampf um Ricardo? Sie machte sich also Sorgen darum was er nun von ihr hielt. Und obwohl Chris wusste, dass sie nur ein Angestellter von Lisa ist und kein Familienmitglied oder Freund, so verpasste ihr diese Aussage doch ein Stich ins Herz. Bis jetzt hatte sich Lisa immer Sorgen um Chris gemacht wenn sie verletzt war. Sie gab ihr das Gefühl doch nicht ganz allein und einsam in diesem Haus zu sein. „Mach dir nicht so viele Gedanken. Er wird mit der Zeit schon merken was für ein toller und besonderer Mensch du wirklich bist.“ Erst jetzt realisierte Chris wirklich wie viel Rico Lisa bedeuten musste, wenn es sie so mitnahm was er zu ihr gesagt hatte. „Chris du musst mir helfen. Mach ihm klar was ich wirklich für ein Mensch bin. Ihr versteht euch gut also mach, dass wir uns auch näher kommen.“ Das klang ganz nach einem Befehl und Lisa hatte ihr bis jetzt noch nie einen gegeben, sie hatte immer gebeten, aber Liebe schien alles zu ändern. „In Ordnung ich habe verstanden. Ich werde wie immer alles was in meiner Macht steht tun um deinen Auftrag zu deiner Zufriedenheit zu erfüllen.“ Mit dieser Aussage zog sie die Grenze zwischen sich und Lisa die sie zu ihrem Angestellten machte erneut. Lisa schien das gar nicht zu bemerken, sie lächelte sie übers ganze Gesicht an. „Danke Chris ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Mit diesen Worten ging sie von ihrem Schoss und zurück auf ihren Platz. Es war gut, dass es ihr nun wieder besser ging, aber Chris fühlte sich noch einsamer als sonst, dabei dachte sie, dass dies nicht möglich wäre.

Ohne, dass Chris oder Lisa es bemerkt hätten, war Konrad ihrer Unterhaltung gefolgt. Und für ihn stand nun fest, Lisa war eine falsche Schlange und was ihm nun bewusst wurde war, dass Chris wohl nicht Lisas Geliebter war wie er die ganze Zeit gedacht hatte. Er schien nicht mal ein Freund zu sein, auch wenn sie es nach Außen hin so aussehen ließen. Er war ein Angestellter oder Ähnliches. Nun ergaben auch viele Situationen mehr Sinn. Aber ihm gefiel es nicht wie kaltschnäuzig Lisa hinnahm, dass Chris für sie Leiden musste. Ob sie Chris wohl irgendwie helfen konnten? Sie mussten auf jeden Fall erstmal dafür sorgen, dass Chris nicht mehr andauernd wegen dieser Schnepfe verletzt wurde. Wieso interessierte ihn das eigentlich? Egal wieso, er hatte das Gefühl ihm helfen zu müssen, mehr musste er nicht wissen. Konrad beschloss sich in der Mittagspause mit Ricardo über die neuen Erkenntnisse die er gesammelt hat zu unterhalten.

In der Mittagspause fing ihn Konrad, seine rechte Hand, ab noch bevor er seinen Klassenraum richtig verlassen konnte. Ricardo hatte eigentlich keine Lust seine Zeit mit Konrad zu verschwenden, er wollte zu Chris und sehen wie es ihm ging. „Was willst du von mir? Ich habe gerade keine Lust mich mit Sinnlosigkeiten zu beschäftigen, wenn es irgendwas mit den Black Wolves zu tun hat dann vertraue ich dir genug um dich das regeln zu lassen, wenn es irgendwelche Probleme gibt.“ Er sah ihm direkt in die Augen und versuchte ihm mit seinem Blick zu vermittelt wie ernst es ihm war jetzt keine Lust auf so was zu haben. Doch Konrad blickte nur unbeeindruckt zurück. „Es geht um Chris. Ich habe nachdem er zurück ins Klassenzimmer gekommen ist ein paar Sachen mitbekommen, die du bestimmt wissen willst.“ Rico nickte und ging Richtung Sporttribüne, dort würden sie ihre Ruhe haben und keiner würde mitbekommen worüber sie sich unterhielten. Doch was konnte Konrad in Erfahrung gebracht haben, dass er es für nötig hielt sofort mit ihm darüber reden zu müssen? Als sie ankamen setzten sie sich. Doch anders als gedacht begann Konrad nicht gleich zu erzählen, sondern sah stur geradeaus und schien sich zu sammeln. War es wirklich so ernst? Und was konnte so ernst sein, dass Konrad sich Sorgen machte? Er konnte Chris nicht wirklich leiden, das hatte Ric schon mitbekommen. „Nun erzähl schon. Du machst mich ganz nervös mit der Stille.“ Konrad sah ihn entschuldigend an. „Tut mir leid. Ich weiß nur nicht so ganz wo ich anfangen soll.“ Ric runzelte die Stirn. „Fang einfach an zu erzählen was passiert ist, als Chris zurück in die Klasse kam.“ Konrad nickte und begann zu erzählen. „Chris kam zurück und ging wie nicht anders zu erwarten war direkt zu Lisa. Als sie ihn sah sprang sie sofort auf und sprang ihm in die Arme und drückte sich an ihn. Auch er nahm sie hoch und drückte sie an sich. Eigentlich ein typisches Bild, dass man von einem liebenden Pärchen haben würde. Aber Chris muss unheimliche Schmerzen gehabt haben. Ich meine er hatte noch die Verletzungen die du ihm am Anfang der Woche verpasst hattest, dann die gebrochene Hand von gestern und nun kamen auch noch die Schläge von heute Morgen dazu. Sein Körper muss schon im liegen oder stehen verdammt große Schmerzen verursachen und sie springt ihm in die Arme als hätte er keine Schmerzen? Und er tat auch noch so als hätte er keine? Die Beiden kamen mir in diesem Moment so unnatürlich vor, dass ich mich unauffällig hinter sie gesetzt habe, als Chris sie zu seinem Platz getragen hatte. Ich habe alle im Klassenraum mit meinem Blick klargemacht, dass sie sich verpissen sollten und alle sind gegangen. Lisa klammerte sich noch immer an Chris und er war vollkommen auf sie fixiert, deswegen denke ich, dass sie das gar nicht mitbekommen haben. Auf jeden Fall heulte die Alte Chris die Schulter voll. Es war schon nervig das nur mit anzusehen, keine Ahnung wie Chris das aushält. Egal, als sie sich beruhigt hatte versuchte Chris sie zu beruhigen indem er sie anlog und meinte ihm ginge es gut. Ich meine es kann nur gelogen sein. Wir waren dabei als du ihm mit dem Gürtel geschlagen hast. Ich war auf 180 als ich das hörte. Ich meine, dass ist alles nur ihre Schuld. Er sollte das nicht so runterspielen und sie ruhig ein schlechtes Gewissen haben lassen damit sie so etwas nicht noch mal macht. Doch nun kommt es. Sie schien sich gar nicht für sein Befinden zu interessieren. Sie heulte ihm nur wieder die Ohren voll und nun kommt es. Sie jammerte darüber was du doch für ein schlechtes Bild von ihr hättest. Ich habe Chris zwar nur im Profil gesehen, aber das hat gereicht um eine Sekunde hinter seine eiserne Fassade zu blicken. Es hat ihn verletzt, dass sie sich nicht für ihn, sondern nur dafür interessierte was du von ihr denken könntest. Aber es war wirklich nur ganz kurz, dann hatte er wieder seinen normalen stoischen Ausdruck. Chris versuchte sie wieder zu beruhigen und meinte, dass du bestimmt erkennst was für ein toller Mensch sie doch sei, wenn du sie erst kennenlernen würdest. Ich dachte ehrlich gesagt, dass Chris da eine gute Aussage gemacht hatte. So konnte er sie beruhigen und da alle wissen, dass du allen Mädchen fern bleibst würde sich die Sache einfach erledigen und gut ist. Jetzt kommt der spannende Teil.“ Erst jetzt? Rico fand es bis jetzt schon interessant genug. Und er war froh, dass er diese Geschichte hörte, so hatte sich sein Bild von Lisa nur noch einmal bestätigt. Egal ob Chris sie für seine kleine Schwester hielt oder nicht, solange sie ihn nicht auch wie einen Bruder behandelte, konnte sie ihm gestohlen bleiben. Er würde sein Versprechen halten und dafür sorgen, dass ihr kein Haar gekrümmt wird, aber mehr nicht. „Sie befahl ihm dafür zu sorgen, dass du und sie sich näher kommen können. Im ersten Moment wollte ich ihr für diese Aussage eine Ohrfeige verpassen, aber Chris Antwort hielt mich davon ab. Er meinte er hätte verstanden und würde wie immer alles tun um ihren Auftrag zu ihrer Zufriedenheit zu erfüllen. Und schon waren ihre Tränen weg und sie lachte wieder. Bedankte sich und meinte nur sie konnte sich schon immer auf Chris verlassen.“ Er sah ihn an und schien auf eine Erwiderung auf diese Geschichte zu erwarten. Aber was sollte er dazu sagen? Sein Kopf schwirrte. Meinte Chris nicht sie wäre sein „kleine Schwester“? „Ich weiß grad nicht wirklich was ich von all dem halten soll.“ Konrad nickte. „Ich war auch ziemlich geschockt in diesem Moment. Aber umso mehr ich darüber nachdenke, denke ich, dass Chris auf irgendeine Art bei Lisa angestellt ist oder seine Familie riesige Schulden bei Lisas gemacht hat und Chris so dafür aufkommen muss. Das würde auch erklären wieso er soviel für sie auf sich genommen hatte, er konnte einfach nicht anders. Wer weiß was mit ihm oder seiner Familie passieren würde, wenn Lisa etwas passiert.“ Daran hatte Ricardo noch nie gedacht. Sicher fand er es eigenartig wie Chris sich selbst so sehr für Lisa aufopferte, aber nach der Erklärung in der Bibliothek hatte er es mit einem Schwesterkomplex abgetan. Aber konnte es wirklich sein, dass Chris keine andere Möglichkeit hatte? „Das sind bis jetzt alles nur Vermutungen, auch wenn sie leider sehr vernünftig klingen. Nehmen wir jetzt mal an, was du denkst stimmt, was sollten wir dann tun? Wir können daran nichts ändern. Alles was wir machen können wäre Chris so gut es geht aus der Schusslinie zu nehmen ohne, dass es zu sehr auffällt. Ansprechen können wir ihn auch nicht darauf, ich wage zu bezweifeln, dass er es zugeben würde. Vielleicht stimmt es aber auch gar nicht und sie ist einfach nur ein schrecklicher Mensch den Chris seit seiner Kindheit kennt und der deswegen ihren ganzen Scheiß mitmacht.“ Konrad sah ihn ungläubig an und er selbst glaubte auch nicht daran. Es ergab Alles Sinn wenn man es aus der Sicht betrachtete, die Konrad gerade erklärt hatte. Aber was hatte Chris dann bis jetzt für ein Leben geführt? „Ich denke wir sollten sie so gut es uns möglich ist trennen. Ich weiß, dass du Chris versprochen hast, dass er immer bei Lisa bleiben könne, aber Chris ist ein Rang A Mitglied und Lisa nur ein Gewöhnliches. Wir könnten Lisa also nach Hause schicken unter dem Vorwand, dass bestimmte Themen nur die Oberen etwas anginge. Und wenn er sie nach Hause gebracht hat, kann er mit uns vielleicht etwas Freiheit genießen.“ Bei dem Wort Freiheit läutete irgendetwas in seinem Kopf. Er versuchte sich zu erinnern. Ich bin ein Roboter ohne Freiheit. Alles woran ich immer gedacht habe war: Wie kann ich in dieser Welt überleben. Diese Worte hallten in seinem Kopf nach. „Verdammter Scheißdreck.“ Er erinnerte sich wieder worüber sie letzte Nacht geredet hatten. Konrad sah ihn komisch und etwas besorgt an. „Ich erinnere mich gerade wieder worüber ich mich letzte Nacht mit Chris unterhalten habe. Wir waren ziemlich besoffen und als ich heute Morgen aufgewacht bin wusste ich nichts mehr von letzter Nacht und ich denke Chris weiß auch nichts mehr. Aber jetzt ist es mir wieder eingefallen. Er hat davon geredet, dass er ein Roboter ohne Freiheit wäre, der immer nur daran gedacht hat sein Möglichstes zu tun um zu überleben. Ihm wäre es nur gestattet mit ja zu antworten. Er erzählte auch, dass er kein Heim oder eine Familie hätte. Vielleicht hat er sich deshalb in die Vorstellung geflüchtet Lisa als seine kleine Schwester zu sehen.“ Konrad sah ihn geschockt an. „Das was du gerade beschreibst klingt eher so als wäre Chris Lisas Sklave und nicht einfach nur ein Angestellter.“ Kon hatte Recht, genau so hörte es sich an was Chris letzte Nacht beschrieben hatte. Ric würde sich noch heute Abend ausführlich über Lisas Familie informieren. Natürlich wusste jeder in ihren Kreisen das die Familie Schneider der Kopf der Multi Group ist, aber er würde sehen was er außer dem Offensichtlichen herausfinden könnte. „Ich werde versuchen alles was es gibt über Lisas Familie herauszufinden. Du solltest das Selbe machen, du hast andere Quellen als ich. Wenn sie zu einflussreich sind werden wir nichts machen können. Wenn wir Glück haben können wir mit etwas Druck unserer beider Familien Chris zu uns holen. Mit Pech werden wir nichts an Chris Lebensumständen ändern können und dann können wir nur versuchen ihm sein Leben so angenehm wie möglich zu machen. Ahhh ist das abgefuckt. Ich weiß schon, dass wir Pech haben werden. Chris könnte anders sein Geld verdienen wenn es nur darum ginge.“ Chris war ein verdammtest Genie, wenn er nur des Geldes wegen bei ihnen wäre, hätte er sich schon längst etwas anderes gesucht. Was bedeutete sie hatten etwas gegen ihn in der Hand oder so was. „Ich denke auch nicht, dass wir Glück haben werden, aber ich werde alle meine Kontakte spielen lassen um in Erfahrung zu bringen was los ist.“ Eine Sache interessierte Ric noch. „Wieso interessiert dich die ganze Sache mit Chris so sehr? Ich hatte bis jetzt eigentlich den Eindruck du könntest ihn nicht leiden.“ Kon sah etwas beschämt aus. „Konnte ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich meine er hatte mich mit gerade mal mit 2 Schlägen zur Aufgabe gebracht, dass hat ganz schön an meinem Ego gekratzt. Aber desto mehr ich ihn beobachtet haben, umso mehr Respekt hatte ich für ihn. Und das Wichtigste, du bist in seiner Gegenwart wieder du selbst. Ich meine so wie du früher warst. Es ist so als ob du in seiner Nähe all den Scheiß der dir passiert ist hinter dir lassen könntest. Als ob du in seiner Gegenwart freier Atmen könntest.“ Die Klingel die das Ende der Mittagspause ankündigte, läutete und Beide gingen zurück in ihre Klassen. Rico war glücklich darüber, wusste er doch nicht was er auf diese Aussage hätte antworten sollte. Es war ihm selbst auch schon aufgefallen, dass er sich mit Chris so wohl fühlte wie schon lange nicht mehr, aber, dass es auch für andere so offensichtlich ist, war ihm unangenehm.



Kapitel 11


Am Abend wartete Chris wie immer unten im Trainingsraum auf Simon. Alles tat ihr weh, doch sie trainierte trotzdem. Sie musste ihre Gefühle wieder in den Griff bekommen. Ich darf keine Gefühle zeigen. Tritt. Ich muss mich besser unter Kontrolle haben. Puntch. Ricardo interessiert mich nicht. Tritt. Ich fühle mich ihm nicht verbunden. Tritt. Ich habe keine besonderen Gefühle für ihn. Schlag. Es interessiert mich nicht was er macht. Rechts links Schlag, Tritt. Ich werde mich so gut es geht von ihm fernhalten. Sprung und Tritt. Niemals werde ich erlauben, dass ich verdächtig wirke. Tritt und Tritt. Ich gehöre Lisa und werde alles tun was sie von mir verlangt. Schlag, Schlag, Schlag. Ich bin tot wenn ich keinen Nutzen mehr habe. Schlag, Schlag, Tritt, Schlag. Ich bin ein Junge und darf all diese Empfindungen gar nicht haben. Schlag.



Doch im letzten Schlag steckte schon gar keine Kraft mehr. Ihr Kopf sank herab. Sie lehnte ihn gegen den Boxsack an den sie gerade noch trainiert hatte. Es war als hätte sie sich mit jedem Gedanken all die Schläge und Tritte die sie gerade verteilt hatte, selbst verpasst. In diesem Moment öffnete sich die Tür und Simon trat ein. „Wie lautet dein Bericht?“ Kein Guten Abend oder sonstige Höflichkeiten, die wären an ihr wohl auch verschwendet, sie war nur ein einfacher Bodyguard, die nur leben durfte solange sie ihre Aufgaben perfekt erfüllte. „Guten Abend Onkel Simon. Gestern wurden wir initiiert. Ich bin ein Rang A Mitglied geworden, somit stehe ich direkt unter Ricardo, außer mir hat nur noch ein Anderer diese Position. Es könnte also passieren, dass ich als zweiter Mann öfter mal Aufgaben für die Black Wolves erfüllen muss. Lisa ist ein ganz normales Mitglied geworden und steht unter meiner Verantwortung. Was genau genommen bedeutet, dass sie nie irgendwelche Gangtätigkeiten erledigen muss. Ich musste die ganze Nacht mit Ricardo verbringen und mich mit ihm betrinken. Ich weiß nicht mehr was passiert ist, aber all meine Geheimnisse sind immer noch geheim. Miss Lisa ist heute Morgen mit Ricardo aneinander geraten und er wollte sie bestrafen, aber ich konnte die Bestrafung auf mich nehmen, sodass Lisa keinen Schaden davon getragen hat. Ich habe auch die Zusicherung von Ricardo bekommen, dass Lisa nie bestraft wird. Sollte sie doch mal einen Fehler machen würde ich wieder die Strafe auf mich nehmen dürfen.“ Simon sah zufrieden aus. „Wie hast du ihn dazu bekommen dir so entgegen zu kommen?“ Sie hatte gehofft, dass er es einfach so hinnehmen würde ohne genauer nachzufragen. „Ich habe ihm gesagt, dass Miss Lisa wie eine kleine Schwester für mich ist und das es doch nur ganz natürlich für einen Bruder ist seine Schwester beschützen zu wollen. Ich machte ihm auch klar, dass ich mich mit ihnen allen anlegen würde sollte Lisa zu Schaden kommen. Er hat dann eingelenkt und mir das Versprechen gegeben, dass Lisa sicher ist.“ Simon nickte. „Gut gemacht. Versuch ein gutes Verhältnis zwischen Ricardo und unserer Miss aufzubauen. Sie sollten so schnell es geht zusammen finden.“ Lisa hatte ihr das auch schon befohlen, aber dieser Befehl verpasste ihr wieder einen Stich im Herzen. Sie nickte nur als Antwort und Simon verließ ohne Abschiedsgruß den Raum. Chris sank auf den Boden sobald sie das Klicken des Türschlosses hörte. Noch nie hatte sie ihr Leben so sehr verflucht wie in diesem Moment. Sie wollte weinen, aber das konnte sie nicht hier unten. Sie stand unter größter Anstrengung auf, zog sich eine weite Jacke über und ging auf ihr Zimmer. Sie duschte, zog sich an und schmiss sich ins Bett. Erst dann ließ sie ihren Tränen freien lauf. Sie würde nun all den Schmerz rausweinen und morgen Alles hinter sich lassen und wieder ganz die Alte sein.

Das Wochenende war viel zu schnell vergangen. Lisa war mit ihrem Großvater auf irgendwelchen Events gewesen, sodass sie glücklicherweise frei hatte. Ihr Körper dankte ihr diese zwei Tage des Nichtstuns. Sie hatte auch ihre Gefühle wieder an die Leine genommen. Sie stieg gerade mit Lisa aus dem Auto und lief jetzt schräg hinter ihr und nicht mehr neben ihr wie in der Vergangenheit. Sie war nur ein Angestellter mehr nicht, dass hatte Lisa am Freitag mehr als deutlich gemacht. Plötzlich gesellte sich ein ihr unbekannter Junge zu ihr. „Hey. Ich heiße Sebastian Hantsch ich bin in deiner Parallelklasse.“ Was wollte dieser Typ von ihr? Einfach ignorieren, dass hatte bis jetzt noch immer geklappt. „Ich wollte dir für Freitag danken. Du hast mir da wirklich das Leben gerettet.“ Freitag? Sie hatte nicht den leisesten Schimmer wovon dieser Sebastian redete. „Aber wirklich es war so cool wie du dich für dein Mädchen eingesetzt hast.“ War er da gewesen als er die Schläge für Lisa übernommen hatte? Sie sah ihn fragend an. Vielleicht würde er es ja etwas genauer erklären. „Achso ich war der Typ, der von Konrad und den Jungs zusammengeschlagen wurde. Sie hätten mich wohl halb tot geprügelt, wenn ihr nicht dazwischen gegangen wärt.“ Jetzt wusste sie zwar wer er in diesem ganzen Szenario war, aber noch immer nicht was er ausgerechnet von ihr wollte. „Schön, dass du da einigermaßen heil raus bist, aber ich hatte damit nichts zu tun. Wenn du jemandem danken willst, dann mach das bei Lisa, wäre sie nicht da gewesen wäre ich einfach an dir vorbei gegangen und hätte dich deinem Schicksal überlassen.“ Damit sollte er sie in Ruhe lassen. „Das spielt keine Rolle. Ich wäre gerne mit dir befreundet. Nicht weil du mich gerettet hast, sondern weil du so anders und cool bist und für die einstehst die dir wichtig sind unbeachtet der Konsequenzen.“ Diesen Typen wurde sie wohl nicht so schnell wieder los. „Okay hör mir jetzt ganz genau zu. Ich habe absolut kein Interesse daran mit dir befreundet zu sein. Das hat nichts mit dir zu tun. Ich möchte einfach keine Freundschaften schließen. Ich habe Lisa mehr brauche ich nicht. Und ehrlich gesagt lenkst du mich nur davon ab auf Lisa Acht zu geben.“ Lisa hatte noch kein Wort gesagt seit dieser Typ aufgetaucht war, doch nun drehte sie sich zu ihnen um. „Chris jetzt sei doch kein Spielverderber. Du brauchst deine eigenen Freunde. Was machst du denn sonst wenn ich einen Freund habe? Willst du dann ganz allein sein? Du brauchst Freunde mit denen du dann etwas unternehmen kannst.“ Wollte sie ihr gerade klar machen, dass sie sich Freunde suchen sollte, damit sie ihr und Rico nicht im Weg war? Ein Blick in ihre stechenden Augen waren Bestätigung genug. „In Ordnung wir können befreundet sein, aber nur wenn Lisa mit anderen Sachen beschäftigt ist.“ Sie erwähnte mit Absicht nicht das Wort Freund, denn sie brachte es nicht fertig sich auch nur in ihren Gedanken vorzustellen wie es wäre wenn Lisa und Ricardo zusammen kommen würden. „Das ist vollkommen in Ordnung für mich. Gibst du mir noch schnell deine Telefonnummer, dann schick ich dir eine Nachricht mit meiner und wir können so in Kontakt bleiben.“ Sie tauschten schnell Nummern und dann ging Chris mit Lisa ins Klassenzimmer.

Den ganzen Tag schon dachte Chris darüber nach wie sie es schaffte Lisa Rico näher zu bringen, aber ihr fiel einfach nichts ein. Wie brachte man einen Mann der keine Frau in seiner Nähe haben wollte dazu Zeit mit einer zu verbringen? Sollte Chris ihn zwingen und hoffen, wenn sie erst einmal Zeit allein verbrachten, dass er auftaut und sie gern hat. Doch da kam ihr ein Gedanke. Es war nicht wirklich fair Rico gegenüber, aber sie musste die Aufgabe die Simon ihr erteilt hatte erfüllen, ob sie nun wollte oder nicht. Als der Unterricht vorbei war begleitete sie Lisa zum Auto, dass sie abholt. „Lisa ich würde dich bitten heute alleine nach Hause zu fahren. Ich werde auf Rico warten etwas Zeit mit ihm verbringen und ihn dann dazu bringen dich mit anderen Augen zu sehen.“ Sie strahlte ihn an. „Verstanden. Ich werde zu Hause Bescheid geben, dass du etwas für mich zu erledigen hast und deswegen erst spät am Abend nach Hause kommen wirst.“ Sie drückte sich noch kurz an Chris und stieg dann in das Fahrzeug, welches sie nach Hause bringen würde. Chris ging zurück auf das Schulgelände und ging zu den Parkplätzen, dort wartete sie vor seinem Motorrad auf Rico. Sie war etwas aufgeregt, aber sie hatte sich einen Plan zurecht gelegt und musste diesen nur noch umsetzen. Rico verließ gerade das Schulgebäude und schon begann ihr Herz zu rasen. Vergessen waren all ihre Vorsetze, vergessen war der Befehl von Simon, vergessen war was sie gerade eben erst Lisa versprochen hatte. In ihrem Kopf war nur noch Platz für diesen einen Menschen. Sie sah ihm entgegen und wünschte sich nichts mehr als jemand anderes sein zu können. Mit diesem Gedanken wachte sie auch wieder aus ihrer Blase auf. Sie konnte diese Gedanken und Gefühle nicht zulassen. Sie musste sie ganz tief in ihrem Inneren begraben, an einem Ort wo sie nie entdeckt würden.

Ric lief auf Chris zu, dass hätte er auch getan, wenn er nicht direkt vor seinem Motorrad gestanden hätte. Er war gespannt darauf was Chris von ihm wollte. „Hey. Wartest du auf mich?“ Eigentlich eine überflüssige Frage, aber was sollte er auch anderes sagen? Ihm ging immer noch ziemlich viel im Kopf rum nachdem er sich in der Mittagspause wieder mit Konrad besprochen hatte. Es sah wirklich nicht gut aus. Lisas Großvater war der Kopf der Multi Group und da seine Tochter bei einem Unfall ums Leben gekommen war, war Lisa als einzige Enkelin die nächste Erbin dieses Milliarden Euro Konzerns. Die Dettke Gruppe konnte mit deren Einfluss locker mithalten, aber Kons Recherchen hatten ergeben, dass bei den Schneiders nicht alles sauber ablief. Sie waren wohl auch weitreichend mit der „Unterwelt“ verbunden. Selbst wenn sich Kons und seine Familie zusammen tun würden um Chris da raus zu holen würden sie Chris dort nicht unbeschadet raus bekommen. Und das wäre nur eine wenn-Hypothese, Ric glaubte nicht, dass seine oder Konrads Familie sich für Chris einsetzen würden, er war ein Niemand zumindest in den Augen solcher Firmenbosse. Und selbst wenn sie ihn dort rausholen würden, würden sie wohl nicht für seine Sicherheit garantieren können, ohne ihn außer Landes zu schaffen und dieser Gedanke widerstrebte Ric. Konrad und er hatten also beschlossen erstmal die Füße stillzuhalten und abzuwarten. Sie gingen alle noch zur Schule und sie würden alles dafür tun um ihm das Leben so angenehm wie möglich zu machen in dieser Zeit. Da sie wussten, dass Lisa hinter ihm her war, konnten sie es wohl auch so einrichten, dass sie die gleiche Uni besuchten. Nach ihrem Abschluss werden sie beide hohe Positionen in ihren Familien einnehmen und Chris „abwerben“. Dazu mussten sie in dieser Zeit natürlich noch Lisa dementsprechend bearbeiten aber Ricardo hatte keine Skrupel ihre Gefühle für ihn auszunutzen. Nicht bei dem was ihre Familie und sie Chris antaten. Es würde ein langer Weg werden aber Konrad und Ricardo waren sich sicher, dass dies der beste und sicherste Weg für Chris wäre. „Ja ich habe auf dich gewartet. Was hältst du davon deinen Abend mit mir zu verbringen? Du hast mich mittlerweile so oft fertig gemacht, du solltest mir die Chance geben es dir heimzuzahlen.“ Dabei lächelte Chris Rico bittend an. Und Rics Herz machte einen Satz. Noch nie hatte er Chris lächeln sehen. Sonst trug er immer das gleiche ausdruckslose Gesicht egal was passierte. Und hier stand er und lächelte ihn ganz offen an. „Okay. Was schwebt dir vor. Ich hoffe doch nicht noch ein Kampf.“

Sie lachte. Als sie es bemerkte hörte sie sofort auf und sammelte sich. Was war nur los mit ihr? In der Gegenwart von Rico vergaß sie all ihr Training und wurde zu einem normalen Jugendlichen. Und was noch schlimmer war, sie fühlte sich wie ein Mädchen. Das konnte sie einfach nicht zulassen. Sie musste sich zusammen reißen.

Ricardo freute sich gerade darüber, dass es den Anschein hatte, dass Chris in seiner Gegenwart offener wurde. Und plötzlich brach er sein Lachen ab und setzte wieder diese Maske auf. Es war zum verzweifeln, aber am besten ging er darauf erstmal nicht ein. Rico war sich sicher, dass er Chris schon weichgeklopft bekäme. „Nein kein Kampf. Ich wollte mit dir Klettern gehen. Was hältst du davon?“ Ric lächelte Chris als antwort nur an und stieg auf sein Motorrad und reichte ihm seinen Ersatzhelm. „Na dann steig mal auf.“

Sie waren jetzt schon zwei Mal die Wand hoch und trotz all der Schmerzen die Chris noch hatte, konnte Ric ihn nicht schlagen. „Was meinst du? Wollen wir eine Wette abschließen wer als nächstes gewinnt?“ In der Zeit seit sie in der Kletterhalle sind ist Chris immer mehr aufgetaut. Er redet ganz offen mit Ric und lächelt ihn auch immer wieder an. Ricardo ärgert sich zwar ein bisschen darüber schon zweimal gegen Chris verloren zu haben, aber wenn diese Umgebung und die Siege Chris genug entspannten um von seiner Maske abzulassen, dann konnte Ric mit diesen Niederlagen leben. „Abgemacht. Was ist der Wetteinsatz?“ Er dachte, dass Chris darüber erst nachdenken müsse aber die Antwort kam schon zu schnell. „Der Verlierer muss alles machen was der Gewinner von ihm verlangt.“ Da lag der Hund also begraben. Deswegen hatte Chris ihn mit zum Klettern genommen. „Einverstanden.“ Und wie es wohl beide schon gedacht hatten war es ein weiterer Sieg für Chris, obwohl es dieses Mal wesentlich knapper ausgegangen war als die ersten Male. Ricardo setzte sich erschöpft auf das Sofa zu Chris der dort schon auf ihn gewartet hatte. „Also was soll ich für dich tun?“ Chris musste schon etwas im Kopf haben, wenn er all das hier nur für eine Wette inszenierte. „Ich möchte, dass du am Wochenende Lisa ins Belantis einlädst.“ Er sah Rico etwas verschüchtert an. Er rechnete wohl mit heftiger Gegenwehr und wenn er ehrlich war brodelte es schon wieder ganz schön in ihm. Aber nun da er Chris´ Umstände etwas besser kannte, konnte er ihm deswegen nicht wirklich böse sein. Er musste seinen „Auftrag“ erfüllen und ihm ist wohl nichts Besseres als diese Wette eingefallen. Doch er musste sich etwas quer stellen, sonst würde Chris noch misstrauisch werden. Kon und er hatten auch beschlossen Chris nicht wissen zu lassen, dass sie wussten was bei denen zu Hause ab ging. „Wieso? Du weißt, dass ich nicht gut mit Mädchen kann und du weißt auch, dass ich nicht mit Lisa klar komme. Kleine Schwester hin oder her.“ Chris sah ihn traurig an. „Wette ist Wette. Du musst dich daran halten. Wie würde es denn aussehen, wenn der Leader der Black Wolves seine Wettschulden nicht einlöste. Außerdem möchte ich, dass du Lisa besser kennenlernst. Sie ist ein toller Mensch. Du hast einfach nur ein falsches Bild von ihr und ich möchte, dass du dir an diesem Tag ein neues Bild von ihr machst. Sie ist mir wirklich wichtig und ich möchte, dass ihr Beide euch gut versteht.“ Dagegen konnte er nichts sagen. Aber er fragte sich ob Lisa Chris wirklich so wichtig war oder ob er diese Aussage nur als Ausrede benutzte.

Chris beobachtete Rico ganz genau und hoffte, dass sie nicht weiter über dieses Thema reden mussten. Der Abend hatte ihr bis zu diesem Punkt so viel Spaß gemacht, aber nun schmerzte ihre Brust. „Du weißt doch ganz genau, dass ich mit Frauen nichts zu tun haben will. Ich fühle mich unwohl in ihrer Gegenwart und das wird sich nicht ändern selbst wenn ich sie näher kennenlernen sollte.“ Chris Herz machte einen Satz. „Du hast es versprochen.“ Rico sah ihr in die Augen und sie erkannte genau den Moment in dem er sich geschlagen gab. „Ist ja okay. Ich gehe mit ihr ins Belantis. Aber ich garantiere nicht dafür, dass ihr dieser Ausflug Spaß machen wird.“ Sie sah ihn strafend an. „Du musst schon nett zu ihr sein. Ich verlange nicht von dir, dass du überschwänglich freundlich bist, aber behandle sie mit Respekt wie es sich gehört, mehr verlange ich nicht von dir.“ Er nickte ergeben und sie packte ihre Sachen zusammen. Auf dem Weg zum Motorrad begegneten sie Schülern aus der 7. Oberschule.

Ricardo erkannte sie sofort, dass war Tim Weinberger der Leader deren Gang und so wie aussah war er auf Streit aus. „Die werden uns wohl nicht einfach vorbei lassen. Chris deck mir den Rücken, dann sind wir in ein paar Minuten mit diesen Kerlen fertig.“ Und es dauerte wirklich nicht lang. Nach dem Kampf fiel Ric auf wie bedingungslos er Chris vertraute. Es war nicht so, dass er seinen Jungs bei den Black Wolves und vor allem Konrad nicht vertraute, aber wenn sie gemeinsam kämpften und er ihnen seinen Rücken anvertraute, achtete er automatisch trotzdem weiterhin auf alles was sich in seinem Rücken abspielt. Doch bei diesem Kampf eben hatte er sich vollkommen auf seine Gegner vor ihm konzentriert. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass Chris sich um Alles und Jeden in seinem Rücken zuverlässig kümmern würde. Als ihm dies klar wurde, beschloss er noch einen Umweg zu machen ehe er Chris nach Hause fuhr. Er änderte die Fahrtrichtung und brachte sie innerhalb einer viertel Stunde zum Friedhof. Sollte Chris sich wundern was sie an diesem Ort taten so ließ er sich wieder nichts anmerken. Ric nahm Chris´ Hand in seine und sah ihn entschuldigend an. „Tut mir leid, aber ich brauche das jetzt, sonst kann ich das nicht durchziehen.“ Chris drückte kurz seine Hand um ihm wohl zu signalisieren, dass er keine Probleme damit hatte. Ricardo führte sie über den Friedhof bis zum Grab seiner Mutter. „Hier liegt meine Mutter begraben. Ich habe sie vor etwas mehr als einem Jahr umgebracht. Es war zu meinem Geburtstag. Ich war ziemlich betrunken und meine Mutter war gekommen um uns alle nach Hause zu fahren. Wir waren aber zu viele und so musste sie zwei Mal fahren. Im ersten Auto saßen mein großer Bruder, seine Freundin Isa, sie war Annas große Schwester, Anna selbst und noch ein Freund meines Bruders. Wie schon gesagt ich war wirklich betrunken und ich weiß selbst nicht wieso, aber ich ging aus dem Club raus und rannte direkt auf die Straße. Meine Mutter die gerade vorbei fuhr blieb nichts anderes übrig als auszuweichen wenn sie mich nicht überfahren wollte. Sie verzog das Steuer und fuhr in einen Baum. Sie und Isabelle, die auf den Vordersitzen saßen waren sofort tot. Die drei auf dem Rücksitz waren alle schwer verletzt, aber überlebten.“

Dann war Rico still, alles was Chris auf dem abendlichen Friedhof hörte war sein Schluchzen. Sie versuchte gar nicht erst ihn zu trösten. In einer solchen Situation brauchte man niemanden der einem sagte dass es nicht seine Schuld gewesen wäre. Denn das spielte keine Rolle. Es ging nur darum was man selbst glaubte. Und Rico war davon überzeugt das es seine Schuld war und auch wenn es ein Unfall war hatte er damit recht. Diese Schuldgefühle würde er seine ganzes Leben behalten. Chris wusste wovon sie sprach, sie selbst machte sich bis heute Vorwürfe, dass sie ihren kleinen Bruder nicht hatte retten können. Ihr Kopf verstand, dass sie noch zu jung war und keine Möglichkeiten hatte, aber ihr Herz sagt ihr, dass sie die große Schwester war, sie hätte einen Weg suchen und finden müssen, wie sie ihn hätte beschützen können. Langsam ebbte Ricos Weinen ab. Er stand langsam auf und hielt sich an Chris Hand fest. Sie wollte ihm all den Trost spenden den sie geben konnte. Aber sie verstand einfach nicht wieso er sie hier her gebracht hatte und ihr all das anvertraut hatte. Sie kannten sich nicht lange genug und standen sich dafür eigentlich auch nicht nah genug. Während dieser Überlegungen hatten sie den Friedhof wieder verlassen und waren bei Rics Bike angekommen. Er drückte noch mal ihre Hand und drehte sich zu ihr um. „Du fragst dich sicher wieso ich dir all das erzählt habe.“ Sie hatte ihre Stimme verloren so sehr berührte sie sein tränengetränktes Gesicht. Also nickte sie einmal kurz mit dem Kopf als Antwort. „Ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Es war Instinkt könnte man sagen. Seit unserer ersten Begegnung hast du mich beschäftigt. Und nach unserem ersten Kampf wurde es mir endgültig bewusst. Ich fühle mich mit dir verbunden, ich weiß einfach, dass ich dir vertrauen kann. Und deswegen habe ich dich hier her gebracht, ich wollte, dass du meine Vergangenheit kennst, egal wie dunkel sie auch sein mag.“ Und mit diesen Worten hatte Chris endgültig und unwiderruflich ihr Herz an Rico verloren. Es war ein Gefühl als hätte ein Pfeil ihre Brust durchbohrt. Es war schmerzhaft, ihre Brust zog sich zusammen und sie bekam kaum Luft. All ihre Gefühle spielten verrückt. Sie war in diesem Moment ganz Frau. Eine Frau die diesen besonderen Mann mit all den Narben von Herzen liebte. Als ihr Kopf diesen Gefühlsausbruch bemerkte verpasste sie ihnen sofort eine schallende Ohrfeige und Chris kam wieder zu sich. Sie nahm all ihre Gefühle und packte sie in eine Kiste mit unzähligen Schlössern und verfrachtete diese direkt unter ihrem Herzen. Sie würde sie hüten und auf sie acht geben, sie aber nie wieder öffnen. Der Moment in dem sie es doch täte wäre wohl der Moment ihres Todesurteils. Rico schien auf seine Ansprache keine Antwort zu erwarten, denn er stieg auf sein Motorrad und reichte ihr den Helm. Sie war ihm unendlich dankbar dafür. Die ganze Fahrt zu ihrem Heim klammerte sie sich an seinen Rücken und genoss die Nähe die sie in diesem Moment teilten. Sie hatte auch das Gefühl er brauchte diesen Kontakt um ins Hier und Jetzt zurück zu finden.

Ricardo hatte nach seiner Erklärung gesehen wie Chris mit seinen eigenen Gefühlen zu kämpfen hatte, deswegen beschloss er keine Erwiderung von ihm zu verlangen. Er hatte auch so bemerkt, dass seine Worte Chris viel bedeutet haben und dass er genau so empfand, aber dies nicht ausdrücken konnte. Ob er es wirklich nicht konnte oder nicht durfte war auch noch die Frage. Nachdem er ihn nach Hause gefahren hatte, hatte Rico seine Gefühle auch wieder unter Kontrolle, die Umarmung die Chris ihm während der Fahrt zukommen ließ war unheimlich tröstend gewesen. Ric war ihm dankbar, dass er nicht versucht hatte ihn mit abgedroschenen Phrasen zu trösten. Er hatte nichts gesagt, aber ganz unverfänglich, als er hinter ihm auf dem Bike saß sein Mitgefühl ausgedrückt und ihn so wieder geerdet und aus der schrecklichen Vergangenheit zurück in die Gegenwart geholt. Chris stieg von Ricardos Motorrad und bedankte sich für die Fahrt nach Hause. „Kein Problem. Ich danke dir für deinen Beistand heute.“ Chris lächelte ihn an. „Nicht der Rede wert. Wenn du dich wirklich bedanken willst, dann mach das indem du morgen Lisa einlädst und sie am Wochenende gut behandelst.“

Rico sah sie einen Moment verwundert an, nickte dann aber. „Ja mache ich. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen in der Schule.“ Chris setzte wieder ein lächeln auf, dass würde es sein was sie ab heute für Rico tun würde. Sie würde für ihn Lächeln und Lachen. Sie würde nie mit ihm als Frau zusammen sein können, aber sie würde ihm ein Freund sein und wenn alles gut ginge würde sie über ihn und Lisa wachen. Wenn ihr selbst schon kein Glück vergönnt sein soll, dann hoffte sie, dass die Beiden wichtigsten Menschen für sie zusammen ihr Glück fanden. Chris sah Rico hinterher bis er weg war und klingelte dann um eingelassen zu werden.



Kapitel 12


Das versprochene Wochenende war gekommen und Lisa war schon ganz aufgeregt. Seit über einer Stunde zog sie ein Outfit nach dem nächsten an und ließ Chris seine Meinung dazu äußern. Langsam wurde die Zeit knapp. „Ich fand das erste Outfit immer noch am Besten. Es war nicht zu auffällig, aber auch nicht zu schlicht. Und außerdem solltest du dich beeilen, wenn du nicht zu spät kommen willst. Rico kommt dich in einer halben Stunde abholen und ich muss auch langsam los.“ Lisa sah sie verwundert an. „Wo gehst du denn heute hin?“ Chris verstand die Frage nicht. „Ich treffe mich mit Sebastian. Du meintest doch es wäre besser wenn ich mich mit jemandem treffe wenn du mit Rico unterwegs bist.“ Lisa sah sie zufrieden an. „Ja da hast du recht. Das ist gut, so kann er auch nicht auf die Idee kommen, dass du mitkommen solltest. Oder das er das Date schnell hinter sich bringen will um dann noch Zeit mit dir zu verbringen, da du ja schon verabredet bist.“ Ihr war nie aufgefallen wie berechnend Lisa war. Sie tat all das nur damit Rico gezwungen war seine Zeit mit ihr zu verbringen? Ihr sollte es egal sein. Sie würde sich mit Sebastian treffen und versuchen die Bilder, die Lisa und Rico bei einem Date zeigten aus dem Kopf zu bekommen. „Verstanden. Ich geh mich dann jetzt auch noch schnell umziehen und bin dann schnell weg bevor Rico dich abholt. Ich wünsche dir einen schönen Tag im Belantis.“ Mit diesen Worten verließ sie Lisas Zimmer und machte sich fertig.

Rico war wie vereinbart vor Lisas Haus um sie für ihre Verabredung abzuholen. Er hasste den Gedanken einen ganzen Tag mit einer Frau zu verbringen immer noch, aber ihn mit dieser Schlange Lisa verbringen zu müssen war fast unerträglich. Immer wieder musste er sich in Erinnerung rufen, dass er all dies für Chris über sich ergehen ließ. Gerade als er klingeln wollte öffnete sich das Tor und Chris kam raus. Als er ihn sah, sah er erstaunt aus. „Hallo, was machst du denn schon hier? Lisa wird noch ein bisschen brauchen.“ Ric war extra etwas früher gekommen, da er noch kurz mit Chris hatte reden wollen. „Ich wollte dich kurz vorher sprechen. Wie lange muss ich mit Lisa im Belantis bleiben damit ich meine Wettschuld beglichen habe?“ Lachte Chris ihn gerade aus? „Mindestens 3 Stunden. Du schaffst das schon. Vergiss nicht freundlich zu sein. Ich muss jetzt auch los, ich habe selbst noch eine Verabredung.“ Ric runzelte die Stirn. Chris hatte eine Verabredung. Mit wem? Und wie konnte er seinen Spaß haben, während er ihn zwang seine persönliche Hölle zu erleben? „Du gehst also aus um dich zu amüsieren und mich zwingst du einen Tag voller Qualen durchzumachen.“ Chris sah ihn entschuldigend an, aber das besänftigte ihn nicht das kleinste Bisschen. „Sorry. Ich treffe mich mit Sebastian aus meiner Parallelklasse. Er hat mich Montag angesprochen, dass er gern mit mir befreundet wäre und mich besser kennenlernen wolle. Lisa hielt das auch für eine gute Idee. Und da ihr Beide heute anderweitig beschäftigt seid dachte ich es wäre gut wenn ich mich heute mit ihm treffen würde.“ Also übersetzt hieß das dann wohl, dass Lisa Chris aus dem Weg haben wollte und er deswegen heute beschäftigt ist. Er konnte sie immer weniger leiden. „Okay das ergibt Sinn. Dann wünsch ich dir heute einen schönen Tag. Ruf mich heute Abend aber an und sag mir wie es so gelaufen ist und was ihr so gemacht habt.“ Chris bestätigte ihm das und ging weg. Er klingelte nun doch und zwei Minuten später stand Lisa vor ihm. Ricardo war es immer noch unheimlich wie ähnlich sie Isa sah, doch desto mehr er über sie erfuhr, umso unähnlicher sahen sie sich auch. Sie begrüßte ihn überschwänglich, doch dieses ausgesetzte Gehabe ging ihm gehörig auf die Nerven. Warum machten Frauen das immer? Er reichte ihr einfach den Helm und wartete darauf, dass sie sich hinter ihn setzte. Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte sie sich endlich hinter ihn und er fuhr los. Es dauerte eine ganze Weile ehe sie ankamen und dann noch mal bestimmt eine dreiviertel Stunde bis sie endlich durch den Eingang vom Belantis gehen konnten. Die ganze Zeit über sagte Ric nicht ein Wort und auch sie hielt den Mund. Er konnte nur hoffen, dass sie das beibehielt und nach diesem „Date“ erkannte, dass er kein Interesse an ihr hat und sie ihn sich auch ganz anders vorgestellt hätte. Sie würde enttäuscht sein und von ihm ablassen. Zumindest hoffte er es, andererseits gab es noch die Kategorie Frau die es einfach nicht checkten. Und er hatte die Befürchtung, er hatte das Pech und Lisa wäre genau dieser Typ Frau. Zuzutrauen wäre es ihr. Sie hat in ihrem Leben wohl immer alles bekommen was sie wollte und hat dabei so wie es aussah auch nicht auf die Gefühle ihrer Mitmenschen geachtet. Wieso also sollte so eine Frau auf seine Rücksicht nehmen und ihn in Ruhe lassen, wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte ihn zu dem ihren zu machen? Er hatte wirklich kein Glück mit Frauen. Seine große Liebe hatte ihm nie gehört, da sie seinen Bruder liebte und mit ihm eine Beziehung führte und nun hatte er so eine Tussi an der Backe.

Sie waren jetzt ungefähr zwei Stunden unterwegs. Sie sind mit einigen der Fahrgeschäfte gefahren, sie hat sich besser gehalten, als er gedacht hätte. Leider, denn er hatte gehofft ihr würde schlecht werden und er könne ihre Übelkeit als Ausrede benutzen um sie wieder nach Hause fahren zu können. Er fühlte sich in ihrer Begleitung einfach unwohl und als wäre das nicht schon genug hatte er seit geschätzt einer Stunde so ein nagendes Gefühl, als ob was Schlimmes passiert wäre oder noch passieren würde.

Chris stand vor der Oper und wartete auf Sebastian, der sich diesen Platz als Treffpunkt ausgesucht hatte. Sie spürte wie sich ihr jemand von hinten näherte, aber dieser Jemand schien keine schlechten Absichten zu haben, für so etwas hatte sie ein Gespür, trotzdem spannte sie ihre Muskeln an, um sich im Notfall verteidigen zu können. Der Unbekannte trat hinter sie und legte ihr seine Hände über die Augen. „Rate wer.“ Das war ja lächerlich, immerhin hatte sie sich hier mit Sebastian verabredet. „Sebastian lass diesen Mist. Ich steh nicht auf solche Scherze. Und du solltest mit solchen Späßen auch vorsichtiger sein. Wenn ich dich nicht vorher bemerkt hätte würdest du jetzt mit gebrochenem Arm vor mir auf dem Boden liegen.“ Langsam verschwanden die Hände vor ihren Augen und Sebastian trat vor sie. „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“ Sie wischte mit der Hand durch die Luft als Zeichen, dass sich die Sache erledigt hat. „Also was willst du machen?“ Er lächelte sie so offen und freundlich an, dass Chris sich vorstellen konnte wirklich mit ihm befreundet zu sein wäre ihre Umstände anders. „Wir können alles machen worauf du Lust hast. Wir können ins Kino gehen. Oder in eine Spielhalle, oder Bowling, Billard? Wonach steht dir grad der Sinn?“ Sie wusste es nicht. Nichts davon hatte sie je gemacht. „Entscheide du, ich folge dir.“ Sebastian schien es nicht sonderlich recht zu sein entscheiden zu müssen, doch er widersprach ihr nicht. „Dann lass uns Billard spielen gehen ich war ewig nicht mehr.“ Sie nickte bloß und folgte ihm als er sich auf den Weg machte. Als sie in der Straßenbahn saßen fand Chris es für eine gute Gelegenheit Sebastian über ihre Spielerfahrung aufzuklären. „Ich sollte dich vorwarnen, ich habe noch nie gespielt, aber ich bin schnell im lernen. Wenn du mir also alles erklärst, sollte ich es hinbekommen.“ Wie schwer konnte es schon werden?

Auf der anderen Seite der Stadt in einem Gebäude von The Silent Sharks wurde Michael eine neue Aufgabe zugeteilt. Es war mal wieder eine, für die seine Fähigkeiten nicht gebraucht wurden. Sein direkter Vorgesetzter schien ihn nicht zu mögen und ihm deswegen immer wieder Arbeiten zu geben die jeder Affe machen könnte. Aber Michael war das egal, solange er diese Aufgaben machte bekam er Geld und mehr interessierte ihn nicht. Tief im Innern war er sogar froh darüber, so musste er niemanden verletzen und musste sein Gewissen nicht weiter belasten. Wenn Schröder, der Chef seiner, nennen wir es mal Abteilung, nach ihm verlangte waren diese Aufgaben immer schlecht für sein Seelenheil. Dieses Mal solle er einen Jugendlichen abpassen und ihm Haare für eine DNA Probe entnehmen. Einer der Mitglieder verfolgte den Jungen schon den ganzen Tag und meint er wäre in einer ihrer Billardhallen gegangen. Bessere Vorraussetzungen konnte es gar nicht geben. Also machte er sich ohne einen Abschiedsgruß auf den Weg zur Spielhalle um seiner Arbeit nachzukommen.

Chris war nicht entgangen, dass sie seit sie heute Morgen das Haus verlassen hatte von einem Typen verfolgt wurde. Was wollte er von ihr? Aber solange er sie nur beobachtete wäre es wohl besser ihn einfach machen zu lassen. Auch schien Sebastian es nicht bemerkt zu haben, aber diese Billardhalle in die sie gegangen waren gehörte definitiv zu einem Untergrundgeschäft. Er hatte wirklich kein Auge für seine Umwelt. Das erste Spiel hatten sie gerade hinter sich und Sebastian erregte mit seiner Niederlage ziemliche Aufmerksamkeit. Er hatte auch nur geschafft eine Kugel einzulochen, denn nach dem dritten Stoß hatte Chris das Gefühl für den Queue raus und dann hat sie alle nach einander eingelocht. „Sebastian würdest du dich bitte etwas beruhigen, die Leute schauen schon. Du ziehst eindeutig zu viel Aufmerksamkeit auf uns.“ Sie ging näher an ihn ran und flüsterte ihm ins Ohr. „Dieser Schuppen in den du uns geführt hast gehört zu irgendeiner Untergrundgang. Es wäre wirklich besser, wenn wir keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Solange wir einfach nur ruhig spielen werden sie uns nicht belästigen. Sie wollen immerhin den Anschein eines sauberen Geschäfts aufrecht erhalten. Also lass uns einfach in Ruhe unsere zwei Stunden für die wir bezahlt haben hinter uns bringen und dann verschwinden.“ Sebastian sah sie mit großen Augen an. Er hatte es wohl wirklich nicht gewusst. „Na dann wollen wir doch noch ein Spiel machen. Jetzt wo ich den Dreh raus habe werde ich dir ein bisschen helfen.“ Doch noch bevor sie ein neues Spiel beginnen konnten gesellte sich eine Gruppe Männer zu ihnen und wollten gegen sie spielen. „Ich spiele nicht um Geld. Ich bin Schüler und habe davon nicht wirklich viel und sollte ich gewinnen denke ich nicht, dass ihr mich heil hier raus lasst. Also wenn ihr nur zum Spaß gegen uns spielen wollt sind wir dabei.“ Sie hatte keine Angst vor diesen Typen. Durch ihr jahrelanges Training hatte sie gelernt ihr Gegenüber einschätzen zu können und in diesem Raum gab es nicht einen Menschen, der auch nur annähernd an ihr Können heran reichte. Aber sie könnte Sebastian nicht sich selbst überlassen. Warum war sie immer dazu verdammt wegen anderen in die Ecke gedrängt zu werden? „Okay lass uns eine Runde zum Spaß spielen und wenn du es schaffen solltest zu gewinnen, spielen wir bei der Nächsten mit Einsatz.“ Der Kerl schien sie nicht wirklich verstanden zu haben. „Na dann lasst uns spielen.“ Die nächsten fünf Minuten verbrachte Chris damit eine Kugel nach der nächsten einzulochen und dann war das Spiel auch schon vorbei. Sie hatte das Spiel in einem Zug gewonnen. „Danke für das Spiel. Jetzt würde ich gern wieder mit meinem Freund spielen. Ich hatte ihm versprochen ihm beizubringen wie ich es schaffe ohne einen Fehler einzulochen. Wenn Sie wollen können Sie gern mit dabei zuschauen.“ Sie sahen Chris zwar grimmig an, aber taten oder sagten nichts. Also drehte sich Chris einfach zu Sebastian um der sie ganz erstaunt ansah. „Na los komm her ich erkläre es dir. Der erste Stoß ist immer reine Glückssache, denn egal wie vorsichtig man das Dreieck von den Kugeln hebt, sie liegen nie perfekt da. Also sollte man beim ersten Stoß immer mit voller Kraft stoßen damit sich die Kugeln so gut wie möglich aufteilen. Wenn das erledigt ist, ist der Rest eigentlich ganz einfache Mathematik. Eintrittswinkel = Austrittswinkel. Am Besten versuchst du es einfach mal selbst. Versuch die volle Grüne einzulochen. Ich halte meinen Finger an die Bande, das ist der Punkt den du anspielen musst. Wichtig ist auch wie viel Kraft du in den Stoß packst, aber das ist reine Übungssache. Wenn du erstmal verstanden hast wie du spielen musst kommt der Stoß irgendwann von ganz allein.“ Sebastian versuchte es und lochte die Kugel beim ersten Versuch ein. So ging es eine ganze Weile weiter. Um ihren Tisch hatten sich immer mehr Leute versammelt, auch der Typ, der sie schon den ganzen Tag verfolgte. Er unterhielt sich mit den Männern, die Chris zu einem Spiel herausgefordert hatten. Er gehörte ganz klar zu ihnen. Hatte sie sich ohne es zu bemerken in die Höhle des Löwen gewagt? Aber sie hatte noch nie etwas mit irgendwelchen Untergrundgangs zu schaffen gehabt. Während sie weiter mit Sebastian spielte und ihm und auch dem Rest der Umstehenden erklärte wie man ein perfektes Spiel machte behielt sie die Männer ganz genau im Blick. Sollten sie sich auch nur etwas merkwürdig verhalten würde sie Sebastian aus der Schussbahn nehmen und dann schauen, dass sie das Weite suchte. Sie wusste nicht wie viele Männer hier im Gebäude waren und auch nicht ob sie noch bessere Kämpfer hatten, als diese Pfeifen die im Moment hier im Saal waren.

Michael betrat die Billardhalle und wunderte sich über den Menschenauflauf der sich um einen Tisch gesammelt hatte. Er ging weiter nach hinter, da er Stefan in der Menschentraube erkannte. Stefan war das Mitglied, das seine Zielperson im Auge behalten sollte. „Also wo ist der Junge um den ich mich kümmern soll?“ Stefan nickte in Richtung Mittelpunkt dieser Zusammenkunft. „Der schmächtige Typ mit den dunklen Haaren.“ Michael sah ihn sich genauer an. Konnte es wirklich solche Zufälle geben? Das war der kleine Scheißer, der ihm damals auf dieser Parktoilette geholfen hatte als er mit einem Messer erwischt wurde. Vielleicht wurde dieser Auftrag noch einfacher als erwartet? Oder schwieriger da er noch genau so unkooperativ wie damals sein könnte. Er sah ihnen eine Weile zu und überlegte wie er am besten vorging. Mit dieser ganzen Menschenmenge hatte er einen relativ sicheren Platz. Außerdem schien er schon bemerkt zu haben, dass irgendwas im Busch ist, denn er behielt Stefan und Co. ganz genau im Auge. Stefan hatte es also schon versaut, jetzt musste Michael direkt auf ihn zugehen. Er hatte gehofft in einer unverfänglichen Weise ein paar Haare von ihm nehmen zu können. Aber das hatte sich jetzt da er auf der Hut war erledigt. Michael dreht sich zu Stefan und gab ihm eine Kopfnuss. „Du bist schon längst aufgeflogen.“ Dann drehte er sich wieder um und sah direkt in die Augen des Kleinen. Zuerst stutzt dieser, doch dann schien er ihn wieder zu erkennen. Also ging Michael direkt auf ihn zu. „Hey. Wie ich sehe erinnerst du dich an mich.“ Ein ausdruckloses Gesicht sah ihn an als er antwortete. „Ja. Und ich gehe davon aus, dass der Dank den du mir zu Teil werden lässt nicht das sein wird was ich mir wünsche.“ Er drehte sich zu seinem Freund. „Sebastian könntest du für heute nach Hause gehen? Ich weiß wir hatten noch Anderes vor, aber dieser junge Mann hier ist ein alter Bekannter von mir und ich habe noch einiges mit ihm zu klären. Also geh bitte Heim. Wenn jemand nach mir fragen sollte, sag bitte wir hätten den ganzen Tag miteinander verbracht und gegen 20 Uhr bin ich allein nach Hause gegangen. Tu das bitte für mich. Ich will nicht, dass jemand meinetwegen hier einen Aufstand macht. Erinnere dich was ich dir vorhin gesagt habe.“ Chris sah Sebastian flehend an und er gab zum Glück nach, er nickte, drehte sich um und ging. Chris spürte wie Michael seine Hand Richtung ihres Nackens ausstreckte, sie hatte zwar keine Ahnung was er vorhatte und sie hatte keinerlei Feindseeligkeit ihr gegenüber gespürt, aber er war gefährlich, dass spürte sie. Er könnte ihr sogar fast ebenbürtig sein. Okay das war eindeutig übertrieben, aber er war definitiv der beste Kämpfer in diesem Raum. In einer schnellen Umdrehung bekam sie sein Handgelenk zu fassen. Sie drückte seinen Oberkörper auf den Billardtisch und hebelte seinen Arm aus. Er konnte sich jetzt nicht mehr rühren, außer er nahm ein gebrochenes Handgelenk und gerissene Sehnen in kauf. „Ich dachte wir reden erstmal. So bedankst du dich also bei Leuten die dich auf einer schmutzigen Parktoilette nicht einfach verbluten lassen?“ Er atmete angestrengt. Sie bekam aus den Augenwinkeln mit wie die Anderen sich ihnen Näherten. „Sag ihnen, dass sie wegbleiben sollen wenn dir etwas an der Unversehrtheit deines Armes liegt. Ich kann ihn so brechen, dass du ihn nie wieder benutzen kannst.“ Michael gab keinen Schmerzlaut von sich, aber seine angestrengte Atmung zeigte es deutlich. „Leute bleibt weg. Er wird mir nicht wirklich was tun und er will auch gar keinen Ärger machen. Er hat nur überreagiert weil Stefan unfähig ist und er nicht weiß was los ist.“ Er atmete noch einmal tief durch bevor er seine nächsten Worte an Chris wand. „So, würdest du mich jetzt bitte loslassen damit wir reden können?“ Chris gab seinen Arm frei, blieb aber Aufmerksam. Was wusste sie schon was diese Gangmitglieder für schmutzige Tricks anwenden würden und sie hatte ja auch noch immer keine Ahnung davon was sie eigentlich von ihr wollten. „Was hältst du davon, wenn wir einen Ausflug machen? Nur du und ich vielleicht kannst du dich dann etwas entspannen. Ich sage dir dann was das alles sollte.“ Chris willigte ein. Sie musste herausfinden was diese Typen mit ihr vor hatten, weshalb sie an ihr interessiert waren. Und heute wo Lisa mit Rico unterwegs war, war Lisa außer Reichweite für andere Menschen die Chris böses wollten. Doch sollte sich rausstellen, dass diese Gang hinter ihr her war musste sie das Problem so schnell es ging aus der Welt schaffen damit Lisa nicht zwischen dir Fronten geriet. „Dann lass uns los gehen.“ Und so verließen sie gemeinsam die Spielhalle.

Michael fuhr mit dem Kleinen zum Cospudener See und setzte sich, als sie endlich da waren, an den Strand. Sie hatten kein Wort gewechselt und Chris setzte sich einfach schweigend neben ihn. Michael tat noch immer der Arm weh. Er hatte gehofft, ihm in einem unaufmerksamen Moment einfach ein paar Haare rausziehen zu können. Nie hätte er damit gerechnet, dass er so schnell ist und vor allem so viel Kraft hatte. Er hatte auf den ersten Blick bemerkt, dass dieser junge Mann einiges drauf hatte, aber nie hätte er damit gerechnet, dass er selbst überwältigt werden könnte. „Hier ruht mein bester Freund. Ich habe ihm damals von dem Jungen erzählt, der mir mit meiner Stichverletzung nur widerwillig geholfen hatte. Er wollte dich unbedingt kennenlernen. Er hatte immer gemeint er wolle dir für meine Rettung danken und dir im Anschluss benehmen beibringen. Ich dachte wenn ich dich hier her bringe zu ihm, würde er sofort angerannt kommen. Aber ich denke das ist nur ein Wunschtraum, die Toten kommen nicht zurück zu einem.“

Chris sah ihn sich genauer an. Man sah ihm sein Leiden an. Es konnte noch nicht all zu lange her sein, dass sein Freund gestorben war, immerhin ist diese Geschichte noch keine eineinhalb Jahre her. Doch wieso brachte er sie hier her? Was hatte sie bloß an sich, dass die Menschen wohl der Meinung waren sie ihren verstorbenen Geliebten vorstellen zu müssen. „Es tut mir leid um deinen Freund, aber wieso hast du mich hier her gebracht? Und noch wichtiger was wollt ihr von mir? Ich hatte nie irgendetwas mit euren Geschäften zu tun.“

Der Kleine war schlau. Er schien sofort bemerkt zu haben, dass er beschattet wurde. Auch hegte Michael keinen Zweifel, dass Chris wusste, dass die Spielhalle nur Tarnung war und um ein bisschen mehr extra Geld zu verdienen. Auch wie er ihn außer Gefecht gesetzt hatte war beeindruckend gewesen. Michael war sich sicher, dieser Jugendliche der hier so normal und unschuldig aussehend vor ihm saß war ein Profi auf seinem Gebiet. Doch was war sein Gebiet? Und waren es seine Fähigkeiten die Chris für seinen Boss interessant machten oder ging es um etwas ganz anderes? Er wusste es nicht und würde es wohl auch mit Schweigen nie erfahren. „Ich weiß auch nicht was mein Boss für ein Interesse an dir hat. Ich habe nur den Auftrag bekommen dir ein paar Haare zu nehmen, damit sie irgendeinen DNA Test damit machen können. Mit wem sie deine DNA vergleichen oder was sie damit vor haben weiß ich nicht.“ Chris sah ihm bei seiner Erklärung die ganze Zeit in die Augen. Und er machte den Anschein nicht das Gefühl zu haben belogen zu werden. „Du kannst meine Haare haben, ich gebe sie dir. Dafür schuldest du mir einen Gefallen. Sollte ich jemals deine Hilfe benötigen hoffe ich du zeigst dich erkenntlich.“ So einfach sollte es sein? Aber so war er ihm schon zwei Gefallen schuldig. Und er hatte das Gefühl, dass er ihm noch öfter über den Weg laufen würde und dass der Kleine eine Menge Ärger bedeutete. Andererseits war er sich nicht mehr ganz sicher ob er ohne seine Kooperation an seine Haare heran kommen würde. „Wenn du darüber nachdenkst, ob es eine Möglichkeit gibt wie du an meine Haare kommen könntest ohne mir dafür etwas schuldig zu sein, spar dir die Gedanken.“ Er hatte Michael vollkommen durchschaut. „In Ordnung ich bin einverstanden.“

Chris war unendlich erleichtert, sie hatte kurz Angst gehabt, er würde nicht darauf eingehen und es einfach an einem anderen Tag versuchen oder mit einer anderen Möglichkeit. Er hätte sich einfach ein Druckmittel suchen können. Aber dieser Typ schien eine ziemlich ehrliche und anständige Haut zu sein. „Dann nimm dir die Haare die du brauchst und danach schlag mich bitte zusammen. Kugel mir die Schulter aus, verpass mir ein paar ordentliche Prellungen. Aber bitte keine gebrochenen Knochen.“

Hatte sich Michael gerade verhört oder hatte ihn dieser Junge gerade wirklich darum gebeten ihn zu verletzen? „Bist du irgendwie masochistisch veranlagt? Ich steh nicht auf so einen Scheiß. Mir macht es absolut keinen Spaß andere Menschen zu verletzen.“ Chris sah ihn Stirn runzelnd an. „Erklär mir mal bitte wie ich meinem Chef erklären soll, wie irgendeine Untergrundgang an meine Haare kommen konnte und dies ohne, dass ich auch nur einen Kratzer davon getragen habe?“ Und nur deswegen wollte er so viele Verletzungen haben? Andererseits nur so würde es nach einem Kampf aussehen. „Wieso gibst du sie mir dann, wenn du doch weißt, dass dein Chef etwas dagegen hat?“ Chris sah ihn schon wieder an als wäre er nicht gerade die hellste Kerze auf dem Kuchen. „Nehmen wir mal an ich gebe dir meine Haare jetzt nicht. Wir würden uns prügeln, ich in dem Versuch meine Haare zu schützen und du mit deinem Auftrag im Hinterkopf. Ich kann nur eingeschränkt kämpfen, was bedeutet mehrere Prellungen für mich und eine Niederlage für dich. Dann würdest du dir einen Plan überlegen wie du am ungefährlichsten das bekommst was du willst. Das einfachste? Entführ jemanden der mir wichtig ist und verlang im Austausch meine Haare. Also würde ich natürlich nachgeben, denn die einzige Person die für so ein Vorhaben in Frage käme wäre die Enkelin meines Bosses. So hätte ich die Verletzungen die du mir verpasst hättest zu ertragen und zusätzlich auch noch die Strafe dafür, dass Lisa meinetwegen einer Gefahr ausgesetzt war und dann noch eine dafür, dass ich sie nicht richtig beschützt habe. Du siehst also, da das Endergebnis das Selbe ist nur der Weg zu diesem verschieden, erspare ich so allen beteiligten das ganze Drama. Jetzt nimm die Haare die du brauchst und dann schlag mich zusammen, aber bitte nur so, dass keine Knochen brechen. Die Schulter kugle ich mir besser nachher selbst aus.“ Michael war erstaunt über seine Weitsicht. Er war gerade mal 16 Jahre wenn er sich nicht täuschte und hat sich alle Möglichen Szenarien die passieren könnten überlegt und dabei die wahrscheinlichste rausgepickt. Als er zu dem Entschluss kam, dass das Ergebnis immer das Selbe blieb wählte er die mit dem geringsten Schaden für sich aus und akzeptierte die Pein die er ertragen müsse. Michael trauerte um den kleinen Jungen der Chris wohl nie gewesen war. „Ich habe verstanden.“ Und Michael half dem Jungendlichen auf die Beine. Erst jetzt bemerkt er, dass er sich ein wenig eckig bewegte, er schien irgendwo verletzt zu sein. „Wo bist du verletzt? Ich werde diesen Part aussparen.“

Chris verwunderte diese Aussage. Noch nie hatte jemand ihr ansehen können, wenn sie Schmerzen hatte. Wurde sie nachlässig? Lag es in ihren Bewegungen? „Dann lass bitte meinen Rücken außen vor.“ Michael lächelte sie an und aus irgendeinem Grund beruhigte sie dieses Lächeln. Dann zog er an ihren Haaren und nahm sich ein paar welche er gleich in ein Glasröhrchen packte. „Jetzt kommt der wirklich unangenehme Teil. Ich entschuldige mich schon mal jetzt für die Schmerzen die du meinetwegen ertragen musst.“ Chris wollte das Alles einfach nur noch hinter sich haben. „Fang an und halt dich nicht zu sehr zurück. Ich werde auch ein paar deiner Schläge blocken damit ich Abwehrverletzungen habe, also nicht wundern.“ Und so begann es und Chris wünschte sich es wäre endlich vorbei, aber noch hatte sie nicht genügend Verletzungen. Dieser Typ hatte wirklich eine abnormale Power und trotz der Kraft die er einsetzte hatte sie noch nicht einen gebrochenen Knochen. Er schien genau zu wissen wo er zuschlagen musste und wie stark der Schlag sein musste um den gewünschten Effekt zu haben. „Gut das reicht. Noch ein paar Schläge mehr und mein Körper macht schlapp. Das sollte genügen. Würdest du mir vielleicht noch den Gefallen tun und mich bei meinem Krankenhaus rauswerfen?“ Michael lächelte sie nur wieder beruhigend an und nahm sie im Prinzessinnenstil auf den Arm und trug sie zu seinem Auto. „Dir ist schon bewusst wie wir beide aussehen? Ein erwachsener Mann der einen definitiv Minderjährigen erst zusammenschlägt und ihn nur wie eine Prinzessin zu seinem Auto trägt?“ Michael konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ja, sollte jemand die ganze Szene gesehen haben würde er wohl definitiv die Polizei rufen.“ Chris riss sich zusammen aber ihr ganzer Körper schmerzte und die Erschütterung durch sein Lachen war alles andere als angenehm. „Bitte hör auf zu lachen. Ich habe schon ohne die Erschütterungen genug Schmerzen.“ Er sah sie entschuldigend an. „Sorry, aber ich konnte mich nicht zusammenreißen. Keine Ahnung wieso, sonst habe ich eine eiserne Selbstbeherrschung, die den Chefs über mir den letzten Nerv raubt.“ Sie war ihm nicht böse deswegen. Sie war ja auch selbst daran schuld, sie hätte einfach den Mund halten sollen. Außerdem war sie ihm endlos dankbar, dass er auf ihre egoistische Bitte eingegangen war und sich nun sogar noch um sie kümmerte. „Passt schon. Aber das du sonst eine eiserne Selbstkontrolle hast kaufe ich dir nicht ab. Ich meine man kann dir jegliche Gefühle direkt vom Gesicht ablesen. Selbst wenn du dich unter Kontrolle hältst ändert das nichts daran, dass man deine wahren Gedanken an deinen Gefühlen ablesen kann.“

Michael sah sie entgeistert an, so was hatte ihm noch nie jemand gesagt. „Normalerweise habe ich mich besser unter Kontrolle und mein Gesicht ist emotionslos. So wie deins. Du verziehst auch keine Mine. Würde ich es nicht mit absoluter Gewissheit wissen dass du Schmerzen hast würde ich es nicht glauben.“ Das stimmte ihn traurig, denn was für eine Kindheit musste er gehabt haben um sich so einen Ausdruck aneignen zu können? „Zieh nicht so ein Gesicht. Ich möchte kein Mitleid und so schlimm ist mein Leben gar nicht, immerhin lebe ich, viele die unter meinen Umständen aufwachsen mussten hatten nicht so ein Glück.“ Chris hatte recht. Sie waren mittlerweile an seinem Auto angekommen und er setzte ihn vorsichtig auf seinen Beifahrersitz und schnallte ihn an. Dann stieg er selbst ein und fuhr los. Auf dem Weg zum Krankhaus sagte wieder keiner ein Wort. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach. Vor dem Krankenhaus bedankte sich Chris für die Fahrt und wollte aussteigen. „Nicht der Rede wert, du hast mir heute einen großen Gefallen getan und da ich für deine Verletzungen verantwortlich bin ist dies das Mindeste was ich machen kann. Übrigens mein Name ist Michael Remus.“ Chris sah ihn ausdruckslos an.

Jetzt wo er ihn nannte, erinnerte sie sich, dass er ihn ihr damals schon auf der Parktoilette genannt hatte. Sie hatte nicht damit gerechnet ihm noch einmal zu begegnen und ihn deswegen direkt wieder aus ihrem Gedächtnis entfernt. „Ich sehe schon du hattest ihn vergessen, dann merk ihn dir dieses Mal. Ich heiße Michael Remus.“

Chris nickte nur. Michael verstand auch ohne Antwort, oder besser gesagt das war Chris´ Antwort, er würde ihm seinen Namen nicht nennen. Er wusste ihn zwar schon, aber er hatte gehofft Chris würde sich selbst vorstellen. Und noch bevor er ausstieg tat er etwas womit Michael nicht gerechnet hatte. Er kugelte sich wirklich selbst dir Schulter aus und gleich im Anschluss auch wieder ein. „Noch mal Danke. Man sieht sich bestimmt wieder. Tschüss.“ Und so stieg er aus und ließ Michael allein im Auto zurück.

Chris ließ sich von den Ärzten durchchecken und bekam dann ein Zimmer im Hospital. Sie schnappte sich sofort das Telefon im Zimmer und rief Simon an. Dieser ging nach dem dritten Klingeln ran. „Hallo Onkel Simon hier spricht Chris…“ Und dann erzählt Chris Simon was an diesem Tag vorgefallen war. Dieser hörte aufmerksam zu und stellte nur kurze Verständnisfragen. „Ich bin mit deinem Vorgehen einverstanden. Aber wieso warst du überhaupt mit jemanden aus deiner Schule unterwegs?“ Hatte Lisa zu Hause nicht erzählt, dass sie heute ein Date hatte? „Miss Lisa war heute mit Ricardo verabredet und da er sich in der Anwesenheit von Frauen unwohl fühlt habe ich mich anderweitig verabredet, damit er mich nicht bitten konnte sie zu begleiten um sich wohler zu fühlen.“ Auf der anderen Seite der Leitung herrschte Stille. Hatte sie sich falsch entschieden? Hätte sie erwähnen sollen, dass dies ein „Vorschlag“ der Miss gewesen war? „Ich verstehe. Und das war für heute auch in Ordnung so. Aber wir müssen uns etwas überlegen um den beiden Zeit zu zweit zu geben ohne den Schutz der Miss zu vernachlässigen.“ Na dann sollte sich Simon mal seinen Kopf zerbrechen. Sie würde jetzt erstmal eine Woche im Krankenhaus verbringen. Nach einer Verabschiedung legte Chris das Telefon zur Seite. Sie fragte sich wie wohl das Date zwischen Lisa und Rico gelaufen war. Sie würde Ricardo gern anrufen und ihn fragen und ihm dann auch gleich Bescheid geben, dass es ihr gut ging, sie aber eine Woche nicht kommen würde. Er würde sie besuchen wollen und das ging nicht. Im Krankhaus war sie als Frau gemeldet und es gab einige Schwestern und Ärzte die sie noch nicht kannten und Chris deswegen nur aus der Akte benennen konnten. Die Gefahr, dass einer der Krankenhausmitarbeiter sie mit Sarah Schreiber ansprach während sie eventuellen Besuch hätte war zu groß und sie wollte kein Aufsehen im Hospital veranstalten nur damit sie Besuch empfangen konnte.



Kapitel 13


Ric hatte richtig miese Laune als er Montag zur Schule ging. Chris hatte sich das gesamte Wochenende nicht bei ihm gemeldet. Er hatte ein paar Mal versucht ihn zu erreichen, aber es ging immer sofort die Voicemail ran. Er würde ihn heute nach der Schule abpassen und sich von ihm erklären lassen was er das ganze Wochenende getrieben hat und wieso er sich nicht bei ihm gemeldet hat. Andererseits sollte er vielleicht nicht sofort zu gereizt auf ihn reagieren, es könnte ja auch sein, dass Chris irgendetwas für Lisa oder ihren Großvater zu erledigen hatte. Die Stunden zogen sich endlos lange hin. Er ließ seine Gedanken zum vergangenen Wochenende schweifen. Nachdem er Lisa nach diesem grauenvollen Date zu Hause abgeliefert hatte ist er sofort ins Bett gegangen. Der Tag war anstrengend gewesen. Und das nicht wegen der weiten Strecke die er an diesem Tag gelaufen war. Sondern wegen dem ganzen unangenehmen Schweigen. Er hatte nicht geahnt wie sehr es den Körper schlauchte die ganze Zeit mental angespannt zu sein. So fiel er nur noch tot müde ins Bett als er zu Hause ankam. Doch er schlief nicht sofort ein, nein, er versuchte erst noch Chris zu erreichen, da er noch nicht Heim war als er Lisa dort abgesetzt hatte. Aber sein Anruf ging nicht durch, sofort sprang die Mailbox an. Er hinterließ ihm eine Nachricht, dass er sich ungehend bei ihm melden solle, sobald er diese Nachricht abhörte. Aber er hatte das ganze Wochenende gewartet und es noch ein paar Mal versucht, doch das Ergebnis blieb das Gleiche. Er konnte Chris nicht erreichen und er rief ihn auch nicht zurück. So drehten sich all seine Gedanken die vergangenen zwei Tage ausschließlich um sein neustes Mitglied und seine zukünftige linke Hand. Ihm ist dadurch allerdings ein Fehler in seinem Plan aufgefallen, den er zusammen mit Konrad gemacht hat. Wenn sie Beide wirklich auf die Selbe Uni wie Chris wollten, müssten sie ihren Durchschnitt beträchtlich anheben. Sie müssten ihn auf das Niveau von Lisa bringen, er musste also mit Kon reden und dieser müsste herausfinden um wie viel sie sich steigern mussten. Ricardo war das Lernen noch nie schwer gefallen, aber im vergangenen Jahre hatte er es ziemlich schleifen lassen. Seine Gedanken wurden von der Klingel unterbrochen. Die Hälfte des Tages hatte er schon geschafft. Er würde sich am Getränkeautomaten eine Cola kaufen, dafür musste er an Chris´ Klassenraum vorbei. Vielleicht hatte er ja Glück und Chris würde ihm zufällig in die Arme laufen. Doch als er dem Raum immer näher kam, bemerkte er, dass ein Tumult im Klassenzimmer ausgebrochen war. Er hörte wie jemand lautstark schrie als er an der Tür ankam sah er das ein ihm unbekannter Junge Lisa anschrie. War Chris gerade auf Toilette oder wieso griff er nicht ein? Er wollte schon zu Lisas Rettung eilen, immerhin hatte er Chris versprochen, dass sie in der Schule vor Anfeindungen sicher wäre, doch da sah er schon dass Kon neben dem Jungen stand und ihn leicht am Arm packte, so als würde er ihm klar machen, dass er sich beruhigen solle. Dann hörte er genauer hin was er Lisa an den Kopf warf. „Was meinst du damit du weißt nicht wo Chris ist? Ihr wohnt im Selben Haus verdammt.“ Er sah verzweifelt aus wie er versuchte Antworten von Lisa zu bekommen. „Kannst du mir dann wenigstens sagen ob er am Wochenende irgendwann zu Hause war?“ Lisa sah ihn endlich an und antwortete. „Seit er Samstagmorgen das Haus verlassen hat um sich mit dir zu treffen habe ich ihn nicht mehr gesehen. Und jetzt würde ich gern mein Buch weiter lesen. Chris wird es schon gut gehen.“ Dann drehte sie sich wieder weg und steckte ihre Nase wieder in ihr Buch. Der junge Mann der wohl Sebastian war mit dem sich Chris am Samstag treffen wollte sah sie bitterböse an. Ric rechnete damit, dass er ihr eine verpassen würde aber er tat es nicht. Stattdessen sagte er nur eiskalt: „Chris tut mir wirklich leid, dass er sich mit so einer kaltherzigen Schlampe wie dir abgeben muss. Er könnte irgendwo halb tot in einem Graben liegen und ich wette all seine Gedanken würden sich nur um dein Wohlergehen drehen und du sitzt hier ganz gelassen und liest dein verficktes Buch. Wenn er dir auch nur ein bisschen was bedeuten würde würdest du alle Hebel in Bewegung setzen um ihn zu suchen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ das Zimmer. Auch Ricardo ging wieder raus, er wollte sich mit diesem Sebastian unterhalten. Konrad ging es wohl wie ihm, denn auch er hatte den Raum mit Sebastian verlassen. „Jetzt erzähl endlich was am Samstag passiert ist. Und jetzt sag nicht wieder nichts. Wenn nichts gewesen wäre würdest du hier nicht so einen Aufstand machen.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht, ich habe Chris versprochen nicht zu sagen was passiert ist und wo er hin ist. Aber ich konnte ihn danach nicht mehr erreichen und jetzt ist er auch nicht in der Schule und dann erzählt mir diese Bitch auch noch, dass er das gesamte Wochenende nicht zu Hause war. Natürlich ticke ich da aus. Aber auch wenn ich mir Sorgen mache hatte Chris seine Gründe wieso ich euch nichts erzählen sollte.“ Chris hat sich also selbst in irgendeine Gefahr gebracht und wollte sie alle da raus halten. Ric ging zu den beiden und versuchte sein Glück bei Sebastian. „Es mag ja sein, dass Chris uns alle aus seinem Ärger raushalten wollte. Aber er ist mittlerweile über 48 Stunden verschwunden. Meinst du nicht auch du solltest uns sagen was passiert ist, sodass wir ihm helfen können oder nach ihm suchen?“ Sebastian sah ihn nur mit großen Augen an doch dann schüttelte er nur wieder den Kopf. „Ich kann nicht, tut mir leid. Selbst wenn ihr es wissen würdet könntet ihr ihm nicht helfen, dass ist keine Geschichte in die wir Kinder unsere Nase stecken sollten. Aber ich wäre froh darüber und dir unendlich dankbar, wenn du für eine groß angelegte Suche sorgen würdest.“ Das war aber auch ein sturer Mistkerl. Und in was war Chris nur hineingeraten, wenn Sebastian von ihnen allen als Kinder sprach. „Ach und noch was. Chris kannte den Typen mit dem er mitgegangen war. Als es brenzlig wurde schickte er mich weg, aber ich habe sie noch kurz heimlich beobachtet. Dieser Mann war absolut kein Gegner für Chris. Ihr hättet es sehen sollen wie er ihn innerhalb einer Sekunde Bewegungsunfähig gemacht hatte, dann ließ er ihn wieder los und ging freiwillig mit ihm mit und stieg zu ihm ins Auto, ab da konnte ich nicht mehr sehen was dann passiert ist. Aber es steht außer Frage, dass er irgendwie mit Chris bekannt war.“ Das half nicht wirklich weiter. Sie alle kannten Chris erst eine kurze Zeit und er hatte auch keine Freunde die man fragen könnte. Niemanden außer Lisa, aber die hat ihren Standpunkt ja schon ausreichend klar gemacht. „Hattest du das Gefühl, als ob dieser Mann Chris etwas Böses wollte?“ Sebastian schien darüber nachdenken zu müssen und schüttelte dann seinen Kopf. „Nein ich denke nicht. Chris erwähnte auch irgendwas davon, dass dieser Typ ihm noch etwas schuldig wäre. Ich hatte auch nicht das Gefühl als ob auch nur einer dieser Männer Chris etwas Schlechtes wollte. Sie wollten irgendwas von ihm, aber es hatte nicht den Anschein als ob sie ihm feindlich gesinnt wären. Aber wer weiß schon was passiert ist, wenn Chris sich geweigert hat ihnen das Gewünschte zu geben.“ Alles was er hörte klang für ihn nach organisiertem Verbrechen. „Bitte sag mir nur, dass Chris keinen Ärger mit irgendeiner Untergrundgang hat.“ Sebastian wich seinem Blick aus. „So eine verdammte Scheiße.“ Er trat gegen die Tür neben der sie standen und sie fiel aus den Angeln. „Kon organisier eine Suche nach Chris. Jedes unserer Mitglieder wird ab heute Nachmittag draußen auf den Straßen sein und ihn suchen. Sebastian kommt mit mir. Du bringst mich jetzt dorthin wo ihr Samstag wart. Ich verspreche nichts Dummes zu tun. Ich will nur wissen mit wem sich Chris da eingelassen hat, so können wir unsere Suche etwas eingrenzen. Und wenn wir Glück haben und der Typ da ist der Chris mitgenommen hat können wir ihn ja ganz nett fragen, ob er eine Ahnung hat wo Chris hin ist.“ Sebastian sah ihn skeptisch an. „Sorry aber nein. Du bist alles andere als ruhig. Denk mal genau nach wieso Chris mir verboten hat euch etwas zu sagen. Es war zu eurem Schutz ich werde das nicht zunichte machen. Außerdem hatte Chris die Möglichkeit einfach von diesem Typen wegzukommen, doch er beschloss mit ihm zu gehen. Auch das ist wohl zu unserem und Lisas Schutz passiert, denn denk mal nach wo sie wohl als nächstes aufgetauscht wären, wäre er abgehauen. Sollte er bis Freitag nicht wieder da sein können wir uns Samstag treffen und ich bringe dich hin.“ Sturer Bastard. Das alles war Ric auch klar, aber wenn er nur daran dachte, dass Chris vielleicht irgendwo gegen seinen Willen festgehalten werden könnte oder er irgendwo verletzt in irgendeiner Gasse liegt. Plötzlich hatte er hundert verschiedene Horrorbilder in seinem Kopf was alles mit Chris passiert sein könnte. Eines war schlimmer als das Andere. „Macht was ihr wollt. Ich gehe da jetzt raus und suche ihn. Kon ich verlass mich auf dich, dass du dich um alles kümmerst.“ Er verließ die Beiden und ging zurück in sein Klassenzimmer. Er schnappte sich seinen Rücksack und verließ das Schulgebäude. Wo sollte er jetzt hin? Wo sollte er mit seiner Suche beginnen? Hatte er deswegen den ganzen Samstag über so ein ungutes Gefühl gehabt? War es der Beweis, dass Chris etwas Schreckliches passiert war? Diese und noch mehr Fragen schwirrten in seinem Kopf herum als er sich auf sein Motorrad setzte und Richtung Park fuhr. Er musste seinen Kopf frei bekommen um nachdenken zu können. Deswegen fuhr er in den Park zu der Bank auf der Chris nach ihrem ersten Kampf geschlafen hatte. Dort fühlte er sich ihm Nahe, vielleicht würde ihm so eine Idee kommen.

Es war mittlerweile Donnerstagnacht und Ricardo lag in seinem Bett und dachte an Chris wie schon die ganze letzte Woche. Ob es ihm wohl gut ging? Ob er genügend zu Essen hatte? War er verletzt? Wenn ja wie schwer? Konnte er sich deswegen nicht melden? Wann könne er ihn wieder sehen? Könne er ihn überhaupt wiedersehen? Es war zum verzweifeln. Doch plötzlich stutzten seine Gedanken. Noch vor ein paar Wochen hatte ihn kein anderer Mensch interessiert. Und nun lag er hier auf seinem Bett wie ein liebeskrankes Mädchen und dachte nur an Chris. Wann war dieser kleine Kerl ihm so wichtig geworden? Er konnte sich sein Leben schon nicht mehr ohne Chris vorstellen. Er brauchte ihn um sich vollständig zu fühlen, ohne ihn fehlte etwas. Ja genau, vor Chris hatte sein Leben keinen Sinn gehabt, doch Chris mit seinen Augen, die den gleichen Schmerz kannten wie die seinen, hatte ihm einen Neuen Sinn gegeben. Chris Existenz war essentiell wichtig für Ricardo.

Zur gleichen Zeit lag auch Chris in ihrem Bett im Krankenhaus und dachte über Rico nach. Was er wohl gerade tat? Sie hoffte er mache sich nicht zu große Sorgen um sie. Nur noch zwei Nächte. Am Samstag würde sie entlassen werden und könne ihm bescheid geben. Hoffentlich war er nicht zu sauer auf sie. Sie verfluchte die Tatsache, dass sie im Krankhaus als Frau angemeldet war. Sie konnte einfach nicht riskieren, dass jemand durch Zufall doch von ihrem Geschlecht erfuhr.

Als es endlich Freitag war ging Ricardo nach Unterrichtsschluss zu Lisa und fragte sie ob sie irgendwas von Chris gehört hatte. Zu seinem erstaunen antwortete sie ihm. „Ich habe meinen Großvater nach Chris gefragt und er meinte, Chris müsse diese Woche etwas Wichtiges für ihn erledigen und sei deshalb nicht in der Stadt. Ihm geht es gut und morgen kommt er wieder.“ Das war ganz klar eine Lüge. Er verließ einfach wieder der Klassenraum und ging direkt weiter zum Zimmer von Sebastian. „Sebastian heute ist Freitag. Schnapp dir deinen Rucksack wir fahren gleich los.“ Er war sich nach Lisas Aussage zwar sicher, dass Chris sich bei ihnen gemeldet hatte, sonst hätte sie nicht einen genauen Tag gewusst, an dem er wieder da wäre. Aber er glaubte ihr nicht, dass Chris einen Auftrag für ihren Opa zu erledigen hatte. Wäre es so gewesen, hätte er Ric zumindest eine Nachricht geschrieben. Auch wäre der Zufall zu groß nach allem was Sebastian gesehen hatte, war sich Ric sicher, dass Chris irgendein Problem hatte. Ob Lisa ihn mit Absicht anlog oder ob sie einfach nur den Schwachsinn abkaufte den ihr Großvater ihr erzählte wusste er nicht. Und wenn er ehrlich zu sich selbst war, war es ihm auch vollkommen egal. So oder so sorgte sie sich nicht so um Chris wie er es verdient hätte. Sebastian war ihm gefolgt und sie fuhren nun Richtung Stadtzentrum. Sie stellten sein Bike am Hauptbahnhof ab und verließen ihn Richtung Markt. Sie überquerten gerade die Straße, als Sebastian plötzlich nach seinem Arm griff. „Da drüber an dem Imbiss steht der Typ zu dem Chris ins Auto gestiegen ist.“ Ricardo sah sich genauer um. „Der Mann mit der Lederjacke und den dunkel blonden Haaren?“ Sebastian nickte und hielt noch immer seinen Arm fest. „Mach jetzt nichts Dummes. Lisa hat gesagt Chris komme morgen wieder, also muss es ihm so gut gegangen sein, dass er sich zumindest bei ihnen melden konnte. Wie wäre es wenn wir uns auch etwas zu Essen holen und ich ihn darauf anspreche ob er wisse was mit Chris passiert ist. Immerhin hat er mich zusammen mit ihm gesehen.“ Ricardo wollte zwar nichts lieber als losrennen und notfalls die Antworten aus ihm rausprügeln, aber vielleicht war Sebastians Vorschlag der Bessere. Sie gingen rüber und der Typ sah ihnen schon entgegen.

Michael wollte eigentlich nur in aller Ruhe essen. Doch dann spürte er geballte Aggression die gegen ihn gerichtet war. Er sah sich um und entdeckte den kleinen Jungen der letzten Samstag mit Chris Billard spielen war. So wütend wie der Halbstarke hinter ihm war, hatten sie wohl keine Ahnung was aus Chris geworden ist. Was bedeutete, dass er immer noch im Krankenhaus war und das bedeutete, dass er seine Aufgabe richtig gemacht hatte. Er lächelte ihnen entgegen und winkte sie zu sich, aber sein Verhalten schien den Knilch nur noch wütender zu machen. Nun ja Michael konnte es egal sein, dieser Junge stellte keine Herausforderung für ihn da. „Hallo auch, schön das wir uns wieder sehen. An dem Gesichtsausdruck deines Kumpanen hinter dir ist Chris bis jetzt nicht wieder aufgetaucht?“ Er richtete seine Worte an den Jungen den er schon letzte Woche gesehen hatte. „Nein Chris ist noch nicht wieder da. Kannst du uns vielleicht weiterhelfen?“ Das könnte er, aber sollte er? Wenn Chris wollte, dass sie es wüssten hätte er ihnen Bescheid gegeben. Andererseits vielleicht hatte er sich nicht bei ihnen gemeldet, damit sie nichts Dummes taten, wie der Große der zum Schlag gegen ihn ausholten. Michael hielt den Schlag mit Leichtigkeit auf und hielt seine Faust in seiner Hand gefangen. „Der arme Chris. Ich würde meinen er hat euch wohl nicht angerufen, damit ihr keine dummen Aktionen startet und nun zieht ihr allein los und macht so was? Chris ist im Krankenhaus. Er sollte morgen entlassen werden. Wir haben seine Verletzungen abgepasst, sodass er eine Woche im Krankenhaus bleiben kann. Er hat mir schon mein Leben gerettet und dieses Mal hat er mir wieder geholfen. Ich schulde ihm viel und nur deswegen lasse ich euch trotz dieser Aktion einfach ziehen. Aber überlegt ab sofort bevor ihr Handelt. Es mag zwar sein, dass ich kein Gegner für Chris bin aber,“ und bei seinen nächsten Worten sah er dem Großen direkt in die Augen. „hier könnten zehn von deinem Kaliber stehen und ich würde nicht mal ins schwitzen kommen. Wenn du das verstanden hast solltest du endlich deine Faust runter nehmen. Wie gesagt ich lass dich nur Chris zu liebe gehen. Ich sehe dir an wie wichtig er dir als Freund ist und ich gehe davon aus, dass es Chris ähnlich geht wie dir.“ Er ließ die Faust des Jungen los und hoffte, dass er so etwas unüberlegtes nicht noch einmal machen würde. Er musste lernen seine Gefühle in den Griff zu kriegen. Er beugte sich zu dem jungen Mann vor und flüsterte ihm den Namen des Krankenhauses ins Ohr. „Du solltest zu ihm gehen und dich so beruhigen. Aber lass mich dir bevor du gehst noch einen Tipp mit auf den Weg geben. Du musst ganz dringend lernen deine Gefühle zu kontrollieren. Du hast dich selbst und diesen jungen Herrn hier neben dir in Gefahr gebracht. Egal wie schlimm die Umstände sein mögen du musst immer dazu in der Lage sein deinen rationalen Verstand zu benutzen, wenn nicht wird dein Leben kürzer sein als deinen Freunden lieb ist. Chris kann dir bestimmt einige Tricks beibringen wie man trotz großem emotionalen Druck bei Verstand bleibt. Und jetzt geh zu deinem Freund und überzeug dich selbst, dass es ihm gut geht. Ach und noch etwas. Jetzt wo ich dich so sehe, denke ich, dass es eher deine Schuld ist das er im Krankenhaus liegt und nicht die des feinen Fräuleins. Ich denke er wollte dich Schützen.“ Nach diesen Worten drehte er sich um und ließ seinen Freund einfach bei Michael stehen. „Willst du gar nicht mit ihm mitgehen und dich selbst davon überzeugen, dass es deinem Freund wirklich gut geht?“ Er wog den Kopf hin und her als müsse er sich erst noch eine Antwort überlegen. „Ich habe das Gefühl die Beiden zu stören wenn ich mitfahren würde. Außerdem bin ich mir sicher, dass du die Wahrheit gesagt hast. Lisa meinte auch, dass Chris morgen wiederkommen würde, sie erzählte zwar irgendeinen Mist davon, das er für ihren Großvater geschäftlich unterwegs wäre, aber da ihr Beide sagt Chris wäre morgen wieder da vertraue ich einfach darauf und sehen morgen nach ihm, dann kann er mir seine Version der Geschichte erzählen, aber ich denke er wird für uns Alle eine komplett neue Geschichte erfinden.“ Michael dachte darüber nach. Hatte er vielleicht zu viel preisgegeben. Er war sich sicher, dass diese Beiden nur das Beste für Chris wollten. Aber er musste ab sofort vorsichtig sein wem er etwas erzählte. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was mit diesem zierlichen Körper passieren würde, sollte die Wahrheit über ihre kleine Abmachung rauskommen. „Dann solltest du dir anhören was er zu sagen hat und seine Schilderung der Ereignisse für wahr nehmen und alles was du von anderen Quellen gehört hast auch von mir, als Lüge abstempeln.“ Nach diesen Worten ging er weg um seinen täglichen Gewerbe nachzugehen.

Rico wusste nicht wohin mit seinen Gefühlen. Es waren so viele auf einmal. Er war froh, dass er endlich wusste wo er Chris finden konnte und es ihm gut ging. Er war wütend auf diesen Kerl, der so herablassend mit ihm geredet hatte, als wäre er ein kleines Kind. Noch wütender war er auf sich selbst, da er tief im Innern wusste, dass dieser Mann nur die Wahrheit ausgesprochen hatte. Er hatte sich vollkommen falsch verhalten und mit seinem Leben gespielt. Sein Verstand wusste, dass er sich nie mit jemandem aus einer Gang anlegen sollte, aber wie dieser Typ schon gesagt hatte, er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Auch hatten ihn einige seine Aussagen verwirrt. Was meinte er damit er wäre kein Gegner für Chris? Ric selbst hatte schon gegen ihn gekämpft und war ihm eindeutig überlegen auch wenn es auf ein unentschieden hinausgelaufen ist, aber hätte er ihn wirklich unter allen Umständen besiegen wollen, hätte er es gekonnt. Und wieso hätte Chris sich für ihn zusammenschlagen lassen sollen? Das ergab keinen Sinn. Jeder wusste, willst du an Chris rankommen ging dies am Besten über Lisa. Sie war sein Schwachpunkt und nicht er. Und das aller Wichtigste, was meinte der Typ als er sagte Chris und er hätten zusammen seine Verletzungen angepasst? Was war hier nur los? Er verstand gar nichts mehr. Aber er würde seine Antworten bekommen. Da er seinen Kopf so voll hatte nahm er sich ein Taxi und ließ sich ins Krankhaus fahren, das Letzte was er jetzt noch gebrauchen konnte war dass er selbst einen Unfall hatte. Am Krankhaus angekommen rannte er zur Anmeldung und fragte nach Chris Kleintke, doch die nette Dame am Schalter sagte ihm, dass niemand unter diesem Namen in diesem Krankenhaus lag. Er ging wieder nach draußen und setzte sich auf die Bank vorm Hospital. Hatte der Mann ihn angelogen und lachte sich gerade schlapp über den naiven Jungen der ihm seine Geschichte angekauft hatte?

Chris saß in ihrem Bett und fühlte sich unsagbar einsam. Sie war schon oft allein gewesen und hatte nie Probleme damit gehabt. Eigentlich hatte sie ihre Krankenhausaufenthalte immer genossen. Natürlich waren Schmerzen nicht schön, aber in diesen paar Tagen konnte sie sie selbst sein, sie konnte eine Frau sein. Sie brauchte nicht immer im Unterbewusstsein bangen, dass ihr doch jemand auf die Schliche kommt. Musste sich nicht bei jedem Blick der in ihre Richtung ging tagelang den Kopf darüber zerbrechen ob der Andere etwas ahnt. Aber in dieser Woche fühlte sie sich allein und einsam. Lag es an Rico? So vieles hatte sich für sie geändert seit sie ihn kennengelernt hat. Wünschte sie sich er wäre bei ihr? Sie dachte darüber nach und stellt fest, dass die Antwort ja lautet. Wirklich wundern tat sie sich nicht mehr darüber. Sie sah aus dem Fenster all die Menschen, die mit Blumensträußen zum Krankenhaus kamen um ihre Liebsten zu besuchen. Ein wenig war sie neidisch auf diese Leute, aber sie gönnte ihnen ihr Glück. Ihre Augen hefteten sich auf eine Gestalt die vor dem Krankenhaus auf einer Bank saß. Das war Rico, da war sie sich sicher. Was tat er hier? War er wegen ihr gekommen und saß jetzt da draußen, weil er sie nicht finden konnte? Nur logisch, hieß sie im Moment Sarah Schreiber. Sie stand auf und zog sich an. Sobald sie fertig war rannte sie nach draußen zu Rico. Er saß noch immer an der gleichen Stelle mit seinem hängendem Kopf und seinem Gesicht in den Händen. Sie setzte sich neben ihn und stupste ihn mit dem Ellenbogen in die Seite. „Hey. Was ist los? Kann ich dir vielleicht irgendwie weiter helfen?“ Er hob ruckartig den Kopf und sah sie mit großen Augen an. Ohne dass sie es hätte verhindern können schossen seine Arme nach vorn und zogen Chris in eine Umarmung. „Was machst du denn hier?“ Das fragte er sie? War er gar nicht gekommen um sie zu besuchen? „Nun ich liege hier im Krankenhaus und habe dich von meinem Zimmer aus hier auf der Bank sitzen sehen und dachte ich sage mal Hallo. Und was machst du hier ganz allein und verzweifelt?“ Rico traute seinen Ohren kaum. „Was ich hier mache? Ist das dein Ernst? Seit Montag sind alle Unterwegs um nach dir zu suchen. Ach ja ich sollte Kon schreiben, dass ich dich gefunden habe. Auf jeden Fall suchen alle nach dir und heute muss ich von so einem Gangster erfahren, dass du putzmunter bist und hier im Krankenhaus liegst. Und dann fahre ich extra sofort her um nach dir zu sehen und du fragst mich was ich hier mache?“ Das wollte sie nicht. Sie wollte nie, dass sich alle solche Sorgen um sie machten. Hätte sie es gewusst hätte sie Rico eine Nachricht geschickt, damit er sich keine Sorgen machen musste. „Das tut mir leid. Mein Telefon hatte keinen Akku mehr also konnte ich nur zu Hause anrufen. Ich hatte gedacht euch würde die Nachricht erreichen, dass es mir gut geht, wenn ihr Lisa nach mir fragt.“ Er sah sie nur grimmig an. Oh oh das war kein gutes Zeichen. „Was ist passiert?“ Er schüttelte den Kopf. „Wir haben eine Menge zu bereden, aber nicht jetzt. Wann kommst du aus dem Krankenhaus raus?“ Was sollte das heißen eine Menge? „Ich könnte mich auf Wunsch jetzt sofort selbst entlassen, wenn ich das nicht mache muss ich bis morgen nach der Visite bleiben und werde dann entlassen.“

Ric dachte darüber nach. Er wollte Chris´ Gesundheit nicht gefährden, aber ihm kam gerade eine tolle Idee. „Wenn du mir versicherst, dass es kein Problem ist, wenn du dich heute schon selbst entlässt, dann mach das. Ich hatte da nämlich einen Gedanken. Alle erwarten dich erst morgen Nachmittag zurück, was bedeutet, wenn du jetzt schon raus kommst, haben wir die komplette Zeit bis morgen frei zu unserer Verfügung. Wir können machen worauf auch immer du Lust hast.“ Das war zwar nur ein kleiner Geschmack von Freiheit, aber er wollte ihn Chris so gerne schenken. „Hört sich gut an. Dann warte hier draußen auf mich. Ich gehe rein und mache die Papiere fertig und hole meine Sachen.“ Und da stand Chris auf und verschwand auch schon durch die Krankenhaustür.

Sie war ganz aufgeregt. Morgen war der 27. Mai, das war ihr Geburtstag. Niemand wusste wann sie wirklich Geburtstag hatte. Als sie ins „Waisenhaus“ kam war sie zu jung um sich an ihren Geburtstag oder den von Locke zu erinnern. Aber sie trugen beide ein Medaillon um den Hals. Zu ihrem Glück waren diese Ketten unter ihren Shirts versteckt gewesen. In diesem Medaillon befand sich ihr Geburtstagsdatum, ihr Name und ein Bild von ihrer Mutter. Nach ein paar Wochen hatte Chris das System dieses Hauses verstanden also nahm sie Lockes und ihre Kette, legte sie in eine Metallkiste die sie im Müll gefunden hatte und vergrub sie hinter dem Haus. Als sie zehn Jahre alt war ist sie des Nachts dorthin zurück gekehrt und hat die Schachtel ausgegraben. Nun liegt sie unter der großen Eiche im Garten von ihrem jetzigen Heim. Sollte sie jemals diesem Ort entfliehen können würde sie die Kiste erneut ausbuddeln und sie wieder verstecken, bis zu dem Tag an dem sie als Tochter von Emma Steward und als große Schwester von Jonathan Steward würde leben könnte. Bis dieser Tag gekommen ist wird sie Chris bleiben und keine Mutter haben und ihr Bruder keinen Namen außer Locke. Nur einer einzigen Person hatte sie ihren wahren Geburtstag genannt und das war ihr Chefarzt während ihrer Assistenzarztzeit. Er wurde ihr Mentor und so etwas wie ihr Ersatzvater. Er war die eine Person auf die sie immer zählen konnte. Und nun da sie wusste, dass sie diesen Tag mit Ricardo würde verbringen können freute sie sich auf diesen. Sie würde sich diesen einen Tag nehmen und frei sein, bevor sie am Nachmittag zurück in ihr Leben musste und wieder einfach nur Chris sein müsste. Sie sagte an der Rezeption Bescheid, dass sie sich selbst entlassen wollte und die Schwester meinte sie würde die Papiere für sie fertig machen. Chris ging in der Zwischenzeit schon auf ihr Zimmer um all ihre Sachen zusammen zu packen. Das dauerte keine fünf Minuten, danach ging sie zurück zum Empfang um ihre Papiere auszufüllen. Doch sie hatte mal wieder vergessen, dass sie noch Minderjährig war. „Würden sie bitte Dr. Steigwitz rufen? Er wird mich entlassen.“ Sie sah Chris missbilligend an, griff aber nach dem Telefon und ließ Dr. Steigwitz ausrufen. Keine drei Minuten später kam er den Korridor entlang gelaufen. Als er Chris entdeckte verflüchtigte sich sein genervter Ausdruck und machte einem strahlenden Lächeln platz. Er breitete die Arme aus und Chris warf sich ihm in die Arme. „Hey Süße. Wie geht’s dir? Was machst du hier? Und wofür brauchst du mich?“ Dr. Steigwitz war ihr Mentor während ihrer Assistenzarztzeit gewesen, ihm gehörte dieses Krankenhaus und noch viele mehr in allen Großstädten Deutschlands. Er war ein Bekannter von Richard Schneider und ihm noch einen Gefallen schuldig und hatte sie nur deswegen als Assistenzärztin angenommen. Doch aus Zwang wurde Wollen. Er konnte Lisas Familie nie leiden, aber sie hatten ihm bei einem seiner Krankenhäuser geholfen, dass Dr. Steigwitz´ Vater verschuldet hatte. Der Kredit war schon längst wieder getilgt, aber die Schuld war erst beglichen als er Chris aufnahm. Er hatte es nie bereut und hatte Chris anvertraut, dass sie für ihn das Beste war was ihm hätte passieren können. Zum einen wurde er so seine Schulden bei den Schneiders los und zum Anderen hatte er das Gefühl eine Tochter bekommen zu haben. Oft hatte er versucht sie zu überzeugen zu ihm zu ziehen, aber sie hatte immer höflich abgelehnt. Er wusste nicht mal die Hälfte vom Dreck den die Multi Group unter ihrer sauberen Oberfläche versteckte. Sie konnte ihnen nicht entkommen und sie wollte ihren Mentor nicht mit in ihre Probleme reinziehen. Aber seit ihrer Zeit als seine Schülerin ging sie immer wenn sie verletzt war und einen Arzt brauchte in sein Krankenhaus. Sie fühlte sich in diesem Wohl, hatte sie hier doch so viele Gute Zeiten mit ihm verbracht. „Hey Paps. Mir geht es wieder gut. Allerdings war ich seit letztem Samstag hier und ich muss sagen ich war schon ein wenig enttäuscht, dass du mich nicht einmal besucht hast. Jetzt würde ich mich gern selbst entlassen, aber die nette Dame hier am Empfang scheint neu zu sein und nicht zu wissen wer ich bin und verlangt deswegen nach einem Erziehungsberechtigten.“ Er sah seine Pflegerin missbilligend an. „Sieh die junge Frau nicht mit deinem bösen Blick an. Sie kann auch nichts dafür, dass sie nicht weiß wer ich bin. Und du solltest froh sein, dass sie ihre Arbeit streng nach Vorschrift erledigt.“ Er sah sie liebevoll an. „In Ordnung. Dann gib mir mal die Papiere. Ich schaue sie mir an und mache alles für deine Entlassung fertig.“ Er sah sich die Papiere an und strafte nun Chris mit seinem Blick. „Du wunderst dich wieso ich dich nicht besucht habe, obwohl du hier warst? Hast du dir vielleicht mal überlegt, dass ich keine Sarah Schreiber kenne?“ Das hatte sie total vergessen. „Sorry. Hatte ich komplett vergessen. Aber jetzt da du es erwähnst. Sie werden in der Abrechnung sehen wann ich entlassen wurde, oder?“ Er nickte vorsichtig. „Dann mach die Entlassungspapiere doch erst für morgen fertig. Ich wollte heute den Tag mit einem Freund verbringen und das sollten sie nicht wissen. Wenn sie denken, dass ich im Krankenhaus bin werden sie keine Fragen stellen, bitte Paps.“ Plötzlich hörte sie ein Keuchen hinter sich. Sie brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass Rico hinter ihr stand. „Paps, das ist Ricardo Dettke, ein guter Freund aus der Schule wir wollen heute noch zusammen was unternehmen. Rico, dass hier ist mein Mentor. Ich hatte dir doch erzählt, dass ich Arzt bin. Paps ist nur mein Spitzname für ihn. Er hofft immer noch mich irgendwann in seine Familie einheiraten zu können, sodass ich wirklich sein Sohn werde.“ Sie sah ihren Paps flehend an und sie merkte, dass er verstand, dass sie nun wieder im Jungenmodus war. „Kleiner du brauchst uns nicht einander vorstellen, wir kennen uns schon. Genau genommen habe ich Ricardo sogar zur Welt gebracht. Deswegen war er wohl so entsetzt, als er dich Paps sagen hörte. Er dachte wohl du wärst mein uneheliches Kind.“ Darüber mussten ihr Paps und Chris lachen. Denn es gab wohl keinen Mann, der seine Frau mehr vergötterte, als dieser Arzt. „Hallo Dr. Steigwitz. Es ist mir zwar unangenehm, aber genau das dachte ich wirklich im ersten Moment. Tut mir leid. Und ich möchte bitte keine Geschichten mehr über mein Geburt hören.“ Plötzlich hellte sich Dr. Steigwitz´ Gesicht auf und er sah Chris freudestrahlend an. „Apropos Geburtstag, deswegen willst du also heute schon raus. Bevor du gehst komm noch schnell mit in mein Büro, dann kann ich dir dein Geschenk…“ mehr konnte er nicht sagen, denn Chris hielt ihm den Mund zu. „Paps.“ Mehr sagte sie nicht. Aber in diesem einen Wort lag soviel Enttäuschung. Sie weiß, ihr Paps hatte es nicht böse gemeint, aber wenn rauskommen sollte, dass sie sich noch an ihre Mutter erinnern konnte und sie ihren Geburtstag kannte und sie sogar einen richtigen Namen hatte würde Simon sie für ihre Lügen bestrafen. Sie wollte nicht, dass überhaupt jemand etwas über ihre Vergangenheit wusste. Ihr Mentor hatte bis heute nicht aus ihr rausbekommen wie sie wirklich hieß. Nur ihren Geburtstag hatte sie ihm in einem schwachen Moment als Kind verraten. Er leckte ihre Finger ab, dass tat er immer wenn sie ihm den Mund zuhielt und jedes Mal ärgerte sie sein kindisches Verhalten. „Du bist eklig und du benimmst dich schon wieder wie ein kleines Kind.“ Chris wischte sich ihre Hand an seinem Arztkittel ab. Er sah sie belustigt an. „So bin ich nur, wenn ich mit dir zusammen bin. Es tut mir leid, ich weiß ich habe gerade zu viel gesagt, aber ich kenne Ric sein ganzes Leben und ich bin mir sicher er wird das Geheimnis um deinen Geburtstag zur Not mit ins Grab nehmen. Mir jedoch wäre es lieber, wenn du endlich diesen Job aufgibst, zu mir kommen würdest, dich von mir verwöhnen lässt bis du dich verliebst und heiratest. Dann würdest du natürlich trotzdem immer noch in meinem Krankenhaus arbeiten, oder vielleicht auch schon dein Eigenes leiten. Auf jeden Fall wird Ric deinen Geburtstag niemandem verraten.“

Dr. Steigwitz sah ihn streng an. Aber das war gar nicht nötig. Nie würde er Informationen über Chris ohne sein Einverständnis weitergeben. „Ich weiß doch noch nicht mal wann Chris nun Geburtstag hat und wann er Geburtstag haben sollte.“ Der Arzt begann wieder zu lachen. „Da hat er Recht, soweit war ich ja nicht mal gekommen. Auf jeden Fall hol dir dein Geschenk bitte jetzt noch in meinem Büro ab. In den nächsten zwei Monaten wieder einen Termin für die jährliche Untersuchung zu finden wird schon schwer genug, dann auch noch einen Moment zu finden in dem Simon mal nicht aufpasst und ich dir endlich dein Geschenk geben kann ist die reinste Qual.“ Er sah Chris strafend an. Doch der lachte nur. „Du bist doch selbst daran schuld. Du könntest mir einfach ein Geschenk am 05. April geben, dann würde sich niemand wundern. Du wärst einfach nur ein Mentor, der seinem Schüler etwas zum Geburtstag bringt. Aber nein, der werte Herr will alles ganz korrekt machen. Und wenn du endlich dir und anderen gegenüber eingestehen würdest, dass ich schon mit meinen fast 17. Jahren dir als Arzt und Chirurg weit überlegen bin, dann würde ich die Jahresuntersuchung im Hause Schneider wohl übernehmen müssen.“ Ric war von diesem Schlagabtausch der Beiden fasziniert, er hatte Chris noch nie so offen erlebt, so losgelöst. Keine Maske, dieser Mensch den er gerade vor sich hatte, war der wahre Chris. Ric wünschte sich, dass er es irgendwann schaffen würde dafür zu sorgend, dass er auch bei ihm so offen und entspannt ist. „Es ist doch nur verständlich, dass ich dir ein Geschenk zu deinem Geburtstag überreichen möchte und nicht zu irgendeinem Datum den sich dieser Sekretär ausgedacht hatte.“ Er spie das Wort Sekretär benahe aus, als wäre es ein Schimpfwort und keine Berufsbezeichnung. „Und sobald du auch du sein kannst werde ich der ganzen Welt voll Stolz erklären zu was mein Goldstück in der Lage ist. Aber solange du dieser Typ bis werde ich den Teufel tun und dich hochpreisen.“ Ricardo sah wie Chris den Doktor warnend ansah. Er schien wohl ein weiteres Mal eine Grenze fast überschritten zu haben. „Ist ja in Ordnung. Wir kommen mit in dein Büro, dann kannst du mir dein Geschenk geben und die Papiere für meine Entlassung für morgen fertig machen. Und dann machen Rico und ich uns endlich los. Ich liebe dich und dieses Krankenhaus zwar, aber nachdem man hier wirklich nie raus kann ist alles was ich mir wünsche ein Tapetenwechsel.“ Sie waren schon auf dem Weg zum Büro als Chris plötzlich stehen blieb und den Gang runter sah. Er sah plötzlich traurig aus und schüttelte den Kopf. Rico legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte kurz zu. Ein stiller Ausdruck des Trostes. „Was ist denn los?“ Er schüttelte nur wieder den Kopf. „Schon seit ich hier als Kind angefangen habe, habe ich manchmal das Gefühl meine Mutter durch die Gänge laufen zu sehen. Es ist immer nur ganz kurz und auch nicht so oft, aber es ist jedes Mal wieder ein komisches Gefühl. Ich weiß natürlich, dass sie nicht hier ist. Sie ist gestorben als ich vier Jahre alt war.“ Noch einmal schüttelte er den Kopf, als wolle er die Erinnerungen verscheuchen die drohten ihn gefangen zu nehmen. „Das tut mir leid.“ Mehr konnte er nicht sagen. „Mach dir keinen Kopf darum. Es ist schon Ewig her. Es ist eben nur manchmal ein kurzer Stich und längst vergangene Erinnerungen. Dir muss ich ja nicht erzählen wie das ist.“ Chris hatte recht er konnte seine Situation gut nachempfinden. Mittlerweile waren sie im Büro des Chefarztes angekommen. „Okay dein Geschenk ist im Tresor hol es dir einfach raus ich mach deine Entlassung für morgen fertig so wird niemand je erfahren, dass du dir heute den Tag nur für dich frei genommen hast. Ric ich erwarte das du Chris einen schönes Geburtstag bereitest. Er ist morgen, ihr könnt also reinfeiern und die ganze Nacht durchmachen.“ Er zwinkerte ihm zu. Doch von Chris kam nur wieder ein verzweifeltes „Paps“ Und er lachte nur wieder aus vollem Herzen. „Stell dich nicht so an. Ric ist der erste Freund den du mir vorgestellt hast, da wird es wohl erlaubt sein meinen Kleinen ein wenig aufzuziehen. Und wenn du dich weiter so anstellst packe ich gleich unsere Halloweenfotos aus. Ric interessiert es bestimmt was für eine süße kleine Hexe du warst.“ Hatte er gerade Hexe gesagt. „Paps du hast mir versprochen, dass du diese Fotos keiner Menschenseele ohne meine Erlaubnis zeigen würdest.“ Es war wirklich amüsant diesen Beiden bei ihrer Unterhaltung zu folgen. „Dann hör auf dich anzustellen wie ein kleines Mädchen, dann werde ich aufhören dich wie eines zu behandeln.“ Sie sah ihn grimmig an. „Sorry sorry. Mein Fehler. Das war unter der Gürtellinie. Aber du musst zugeben, du warst die schönste und süßeste Hexe im ganzen Krankenhaus.“ Chris lächelt und schien sich daran zurück zu erinnern. „Lass uns jetzt nicht mehr davon reden. Sag mir lieber welches dieser sechs Geschenke meins ist.“ Er sah sie verwirrt an und Chris blickte nur entsetzt zurück. „Das hast du nicht getan. Ich sage es dir jedes Mal du sollst nicht so viel Geld für mich ausgeben und ein Geschenk reicht vollkommen. Also erklär mir jetzt mal wieso dort sechs Geschenke für mich sind und davon die Hälfte von Edeljuwelieren?“ Er sah sie zerknirscht an. „Ich habe die Sachen gesehen und an dich gedacht also habe ich sie gekauft. Mein Körper hatte sich da ganz von selbst bewegt.“ Er sah seinen Mentor immer noch streng an, wie eine Mutter die ihr Kind tadelte. Was war das denn für ein Gedanke? Müsste es nicht wie ein Vater und nicht wie eine Mutter heißen? „Du weißt genau, dass ich diese Geschenke nicht mit nach Hause nehmen kann. Was also heißt du wirst sie mit zu dir nehmen und in mein Geschenkezimmer packen wie schon fast alle Geschenke davor auch. Man sollte meinen mittlerweile hättest du es verstanden. Was bringt es denn mir etwas zu schenken an dem ich mich nicht erfreuen kann?“ Ein bisschen tat der Arzt Ric leid, doch Chris hatte natürlich auch Recht. „Verstanden, dann lass sie im Safe und mach sie auf wenn du das nächste Mal Zeit hast oder wenn du dich mal wieder verletzt. Aber nimm bitte die kleine Schachtel mit, die mit der grünen Verpackung.“ Er nahm es raus und steckte es in seine Tasche. Dann ging er zu seinem Mentor und umarmte ihn von hinten. „Danke für die Geschenke. Und danke dass du immer da bist wenn ich dich brauche. An meinem nächsten freien Tag schaue ich bei dir vorbei, dann können wir uns ganz in Ruhe darüber unterhalten was es bei uns Neues gibt. Ich denke ich habe Rico jetzt lange genug warten lassen.“ Dr. Steigwitz stand von seinem Stuhl auf und reichte Ricardo seine Hand. „Kümmere dich gut um mein Goldstück.“ Ric erwiderte den Händedruck. „Chris ist bei mir in den Besten Händen. Aber wo ich schon Mal hier bin frage ich gleich. Kommen Sie zum Sommerfest, dass mein Großvater jedes Jahr veranstaltet?“ Er schielte in Chris Richtung und der Arzt schien verstanden zu haben. „Ja ich komme. Ich freue mich schon darauf mich lange und ausführlich mit dir unterhalten zu können.“ Er hatte ihn also tatsächlich verstanden. Das war die perfekte Gelegenheit etwas über Chris Umstände aus erster Hand zu erfahren. Diese Gelegenheit musste er ergreifen. „Machs gut Paps und überarbeite dich nicht.“ Und so verließen sie das Krankenhaus. „Also was hast du mit mir geplant?“ Das war eine berechtigte Frage. Als er Chris dazu brachte sich einen Tag früher zu entlassen, hatte er nur den Gedanken so schnell wie möglich so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen zu wollen und die verlorene Zeit der letzten Woche nachzuholen. Aber jetzt wusste Ric, dass er morgen Geburtstag hatte. Also musste er sich etwas einfallen lassen. „Hast du denn auf etwas Bestimmtes Lust?“ Er wiegte seinen Kopf hin und her. „Ich würde gerne mit deinem Motorrad zu diesem Park in den du mich nach unserem ersten Kampf gebracht hast.“ Und ausgerechnet an diesem Tag kam er mit dem Taxi zum Krankenhaus. „Ich habe mein Bike am Hauptbahnhof abgestellt und als ich dann erfahren habe wo du dich aufhältst habe ich mir ein Taxi hergenommen, weil mein Kopf schwirrte. Lass uns also erstmal mit dem Taxi zu Bahnhof, dort holen wir mein Motorrad und ich fahr dich überall hin wo du auch hin möchtest.“ Er sah zufrieden aus und sie schwiegen die ganze Fahrt zum Hauptbahnhof, aber es war kein unangenehmes Schweigen, wie das das er mit Lisa hatte. Es war friedvoll und beruhigend. Sie genossen einfach die Gegenwart des Anderen und sagten in diesem Moment nichts, weil sie nichts zu sagen hatten.

Das Taxi ließ sie an der Westseite des Bahnhofes raus und noch immer fühlte sich Chris unwohl, wenn sie hier war und sich an ihre Zeit mit Locke zurück erinnerte. Sie ging schnell rein und durchquerte zusammen mit Rico einmal den kompletten Bahnhof und gingen direkt zum Parkhaus Ostseite. Doch bevor sie am Motorrad ankamen liefen sie direkt in Michael hinein, der anscheinend mit zwei Freunden unterwegs war. Er sah sie und setzte wieder sein lächelt auf. Und Chris sah ihm an, dass es echt war. Er ging zu ihr. „Hey. Wie ich sehe habt ihr Beide euch wiedergefunden.“ Was hatte das denn zu bedeuten? Sie drehte sich zu Rico um und sah ihn an, doch er wich ihrem Blick aus. „Du hast ihm gesagt wo er mich finden kann?“

„Ja, ich dachte er hätte dir die Geschichte schon erzählt.“

„Wir hatten dafür noch keine Zeit. Ich musste mich erstmal entlassen und dann sind wir einem Bekannten von mir begegnet, also konnten wir uns noch nicht unterhalten.“

„Okay. Dann wünsche ich euch noch einen schönen Tag.“ Er wollte gerade weiter gehen, als Chris ihn an Arm zurück hielt. „Danke, dass du ihn nicht verletzt hast.“ Michael sah sie eine ganze Weile an. „Du hast dich im übrigen in einer Sache geirrt, wenn du nicht nachgegeben hättest und ich hätte dich beobachtet und hätte ein Druckmittel gegen dich gesucht, dann bin ich mir zu 95 Prozent sicher, dass meine Wahl auf deinen Freund hier gefallen wäre und nicht auf das feine Fräulein. Auf allen Fotos die ich gesehen habe, hattest du das Selbe ausdruckslose Gesicht und da warst du immer bei ihr. Mir reichte schon ein Blick auf dein Gesicht, als du dich bei mir bedankt hast um zu wissen, dass er dir wichtiger ist als das Mädchen.“ Sie war geschockt. Das durfte nicht passieren. Lisa konnte sie beschützen, da sie immer in ihrer Nähe sein musste, aber auf Ricos Sicherheit hatte sie keinen Einfluss. „Na dann werde ich mal an meinem Ausdruck feilen und Rico wird mir dabei gleich Gesellschaft leisten. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Wenn du mich jetzt noch vorwarnen würdest, wenn bei der ganzen Sache irgendwas bei rumkommt, hättest du deine Schuld beglichen.“ Sie sah ihn hoffnungsvoll an. „Sorry damit kann ich nicht dienen. Ich habe schon die ganze Woche versucht zu erfahren wieso sie mir so einen Auftrag gegeben haben und was an dir so besonders ist. Aber alles was ich rausgefunden habe war, dass es nicht um deine Fähigkeiten geht warum sie Interesse an dir haben. Sie wollen irgendeine Verwandtschaft bestätigen, aber ich weiß nicht zu wem.“ Das war eigenartig. „Ich habe keine lebenden Verwandten mehr. Das kann es nicht sein. Die ganze Sache gefällt mir auf jeden Fall nicht. Wenn du doch noch was raus findest wäre ich dir dankbar, wenn du es mich wissen lassen würdest. Und noch mal danke, dass du Rico nicht angefasst hast.“ Er lachte sie an. „Ich wusste, dass er nur aus Sorge so irrational reagiert hat, deswegen habe ich es ihm durchgehen lassen. Außerdem sind wir doch mal ganz ehrlich, wie lange hätte ich wohl noch mein Leben normal führen können, wenn ich ihn verletzt hätte?“ Sie sah ihn unschuldig an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung was du meinst. Wie sollte ein kleiner, schmächtiger Kerl wie ich, es mit jemandem wie dir aufnehmen können?“
„Du kannst diese Tour bei den Leuten in deinem Alter abziehen, die kaufen dir dieses Theater vielleicht ab. Aber ich habe genau fünf Sekunden gebraucht um zu begreifen, dass du außerhalb meiner Liga spielst. In der ersten Sekunde hast du mich auf den Billardtisch gedrückt und die restlichen vier brauchte mein Gehirn um überhaupt zu verstehen was einen Moment vorher passiert war. Auch den Griff den du hattest, als du mich nach unter drücktest. Hättest du nur ein wenig mehr Druck ausgeübt und meinen Arm einen halben Zentimeter nach oben bewegt, hättest du meine Sehnen am Handgelenk reißen lassen und es zusätzlich noch zerschmettert.“

„Ich bin beeindruckt, aber die Art und Weise wie du kämpfst ist der meinen gar nicht mal so unähnlich. Auch du musst eine medizinische Ausbildung hinter dir haben um so präzise jemanden für eine Woche ins Krankenhaus zu schicken ohne etwas zu brechen oder ernsthaften Schaden anzurichten.“

„Ich habe mir solche Dinge selbst mit Lehrbüchern beigebracht. Ich weiß also was alles möglich ist, aber bin nicht so akkurat wie du.“

„Gut Schluss jetzt mit den gegenseitigen Komplimenten. Um auf deine Frage von vorhin zu antworten. Ich hätte mir Ricos Verletzungen angesehen und dann entschieden. Du hättest dann wohl ungefähr die gleichen Verletzungen wie er und noch ein paar gebrochene Finger mehr. Aber ich denke du hättest ihm auch nichts getan, selbst wenn du denken würdest, dass ich nur ein normaler Oberschüler bin. Das ist einfach nicht dein Stil. Du magst in einer Gang sein, aber du würdest nie sinnlos jemanden verletzen oder aus Spaß. Hätte er dich einfach ohne Grund auf der Straße angegriffen um sich selbst oder anderen etwas zu beweisen, dann hättest du ihn wohl in seine Schranken gewiesen. Aber unter den gegebenen Umständen hattest du keinen Grund dazu.“

„Du hast vollkommen recht. Und jetzt solltest du dich mit deinem Freund unterhalten. Ich denke unser Gespräch hat eine Menge Fragen aufgeworfen. Tut mir leid, wenn ich deine Geheimnisse aufgedeckt habe.“

„Schon in Ordnung, ich hatte ohnehin vor heute mit ihm über das Thema zu reden. Ich wünsch dir noch einen schönen Tag und so gern ich mich auch mit dir unterhalte hoffe ich doch, dass wir uns in nächster Zeit nicht wieder sehen, denn du bedeutest definitiv Ärger für mich.“ Er lachte wieder. „Ja da hast du wohl recht. Aber ich habe so das Gefühl, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Sollte ich etwas erfahren, dann komme ich zu dir an die Schule und gebe dir bescheid. Machs gut.“



Kapitel 14


Chris drehte sich zu Rico um und jetzt müsste sie wohl einiges erklären. Sie vertraute Rico vollkommen, deswegen hatte sie die letzte Woche schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt ihn in einen Teil ihrer Geheimnisse einzuweihen. Es wäre einfacher für sie wenn er wüsste zu was sie fähig war, so müsste er sich keine Sorgen um sie machen, wenn sie mal für ein paar Tage verschwinden sollte. „Lass uns zum Park fahren und dann erkläre ich dir alles. Versuch nicht zu viel darüber nachzudenken, sonst baust du noch einen Unfall. Du wirst gleich Antworten auf deine Fragen bekommen. Alles was du machen musst, ist dich noch eine viertel Stunde zu gedulden.“

Chris hatte Recht. Es nützte nichts wenn er sich über das Gesagte den Kopf zerbrach, er würde sich selbst keine Antworten geben können. Aber Chris konnte es und er meinte er würde sie ihm geben, wenn sie erstmal im Park waren. Also schaltete er seinen Kopf ab und brachte sie unversehrt dorthin. Sie liefen zu ihrer Bank und setzten sich. „Also soll ich einfach anfangen zu erzählen oder willst du lieber Fragen stellen und ich beantworte sie dir?“

„Fang einfach an zu erzählen und wenn ich am Ende noch Fragen habe stelle ich sie dann.“ Und so begann Chris zu erzählen, wie sie mit sieben Jahren von Lisas Familie aufgenommen wurde. Erzählte, von ihrem außergewöhnlichem Talent für Kampfsportarten und wie sie in kürzester Zeit so viele gemeistert hatte. Auch erzählte sie ihm, dass sie Lisas Bodyguard war und dass sie sie ausgewählt haben, damit Lisa Freundschaften schließen konnte. Sie sagte nichts davon wo sie war bevor sie zu den Schneiders kam. Natürlich erwähnte sie auch nicht, dass sie in Wirklichkeit eine Frau war. Auch all die Schmerzen, Verletzungen und gebrochenen Knochen, die sie für jeden Fehler verpasst bekam erwähnte sie mit keiner Silbe. „Und mit meinen medizinischen Kenntnissen habe ich meine Kampfkunst optimiert. Das war es wovon Michael vorhin gesprochen hatte. Ich könnte dich mit Hilfe eines Fingers von der Hüfte an abwärts Lähmen. Der Effekt hält nicht lange, vielleicht eine halbe Stunde, aber das ist mehr als genug Zeit um zur Not zu entkommen oder um der anderen Person gewaltige Angst einzujagen.“ Rico hatte ihm aufmerksam zugehört. Er wusste, dass Chris ihm nur die Fakten genannt hatte und auch, dass er alles was ein negatives Licht auf die Familie Schneider werfen könnte weggelassen hatte. Aber er hatte das Gefühl als wäre da noch etwas was Chris ihm verschwieg und das war irgendwas Gewaltiges. Doch er hatte sich ihm schon sehr geöffnet und Ric wollte Chris auch nicht weiter drängen. „Das heißt, bei unserem Kampf hast du so gekämpft, dass ich dich so schwer verletze? Wieso?“ Chris sah ihn voller Unverständnis an. „Du kennst jetzt meine Lebenssituation. Denkst du wirklich ich könnte es mir leisten zum Leader der Black Wolves zu werden? Ich bin ihnen nur beigetreten, weil ich dachte so Lisa besser schützen zu können. Außerdem habe ich eine Auflage von Simon bekommen. Ich darf nie meine volle Stärke zeigen. Auch Lisa weiß nichts davon. Die Kampfsportarten auf die ich im normalen Leben zurückgreifen kann sind Judo und Karate. So habe ich auch gegen dich gekämpft. Obwohl ich glaube, ich habe nur Karate benutzt. Ich gehe bei Entscheidungen immer im Kopf alle möglichen Endergebnisse durch und ich entscheide mich dann entweder für den, der am schmerzfreisten für mich ist oder für die Lösung mit der alle Beteiligten oder zumindest ein Großteil derer zufrieden sein wird. Und so war es bei unserem Kampf ich habe alle Möglichkeiten in meinem Kopf durchgespielt und habe danach meine Entscheidung gefällt und ich denke auch jetzt noch, dass es die Richtige war. Ich meine Jeder von uns hat bekommen war er wollte und niemand war ernsthaft verletzt.“ Chris war wirklich wie ein Roboter. „Das musst du mir beibringen. Ich meine wie man die beste und logischste Entscheidung trifft ohne sich von anderen Dingen wie Emotionen beeinflussen zu lassen.“ Ihm hing immer noch nach was dieser Michael gesagt hatte, denn er hatte ja auch vollkommen recht gehabt, Ric hatte sich und seine Emotionen absolut nicht unter Kontrolle. „Ich weiß nicht ob ich dir so was beibringen kann. Ich habe schon immer so meine Entscheidungen getroffen, dass war nichts was ich durch Training erworben habe. Es waren meine Lebensumstände die mir diese Fähigkeit verschafft haben. Aber ich kann mit dir Emotionskontrolle üben, es wird dir dabei helfen in besonders emotionalen Situationen nicht den Überblick zu verlieren,“ Er musste nur noch eine Sache wissen, dann hatte er für heute genug von diesem Thema, sie konnten dieses Gespräch ein anderes Mal fortsetzen. „Was wollte er nun von dir und wieso hast du dich von ihm schlagen lassen, wenn du doch scheinbar seiner Forderung nachgekommen bist?“ Chris erklärte ihm seine Gründe. Erzähle ihm von der DNA-Probe und von der Notwendigkeit für die Schläge die der Mann ihm verpassen musste. Ricardo gefiel es nicht in was Chris da drin hängen könnte, aber er konnte auch nichts daran ändern. Er sagte nichts mehr und lehnte sich entspannt an die Lehne. „Erzähl mir jetzt wie dein Date mit Lisa war und was in der Woche passiert ist in der ich im Bett lag.“

Chris wollte jetzt Antworten auf die Fragen die ihr auf dem Herzen lagen, dann könnten sie den Abend endlich genießen. „Wie soll es schon gewesen sein. Wir haben den ganzen Nachmittag miteinander verbracht und nicht ein Wort miteinander gewechselt. Wie du ja schon weißt fühle ich mich in der Gegenwart von Frauen unwohl, aber ganz ehrlich jetzt, mit Lisa Zeit verbringen zu müssen ist etwas, dass ich wirklich nie wieder möchte. Von allen Frauen dieser Welt komme ich mit ihr an schlechtesten klar. Bitte zwing mich nie wieder dazu mich mit ihr zu verabreden. Ansonsten gab es nur einen Aufstand in der Schule um deinen Verbleib. Sonst gibt es nichts Neues.“ Damit hatte sich dieses Thema auch für Chris erledigt. Ihr Herz war nach dieser Aussage beruhigt. Sie weiß sie sollte ihr Möglichstes tun um Lisa mit Rico zusammen zu bringen. Aber für heute würde sie in ihrem Glück schwelgen, dass Rico kein Interesse an ihr hatte oder an sonst einem Mädchen und lieber seine Zeit mit ihr verbrachte. „Lass uns für heute mit den ernsten Themen Schluss machen und einfach die Nacht genießen. Die Sonne geht gerade unter, wollen wir hier bleiben oder etwas Anderes machen?“ Sie sah sich Rico an. Er saß ganz entspannt auf der Bank und ließ sich die letzten Sonnenstrahlen des Tages ins Gesicht scheinen. Ein Lächeln erschien auf diesem. „Lass uns hier bleiben und den Sonnenuntergang anschauen. Danach könnten wir was essen gehen. Ich habe Riesenhunger und du möchtest nach einer Woche Krankenhausessen bestimmt auch etwas Ordentliches essen.“ Chris konnte das Lachen, dass ihre Kehle hinaufstieg nicht unterdrücken. Rico sah sie verwirrt an. Er hatte nichts Lustiges gesagt. „Tut mir leid. Aber Rico dir ist schon bewusst, dass ich ein Kerl bin? Sonnenuntergang anschauen und dann nett essen gehen? Das klingt, als würdest du ein Date mit einem Mädchen planen.“ Selbst während ihrer Erklärung konnte Chris nicht aufhören zu lachen. Rico kratzte sich verlegen die Stirn. „So habe ich es nicht gemeint und das weißt du auch, ich gehe auf keine Dates. Zumindest wenn mich nicht gerade ein gewisser Jemand dazu zwingt mit seinem Schützling auszugehen.“ Er sah sie strafend an. Chris hob die Hände als Zeichen der Aufgabe. „Ist ja okay. Ich werde versuchen so etwas nicht mehr zu machen. Aber wie willst du eine Frau finden, wenn du auf kein Date gehen willst? Du kannst nicht dein ganzes Leben allein bleiben.“ Mit diesem Satz hatte sie sich einen kleinen Stich versetzt. „Ich werde mit niemandem zusammen sein den ich nicht liebe. Und da ich mein Herz zusammen mit Isa begraben habe, werde ich allein bleiben.“

„Es gibt verschiedene Arten zu lieben und jeder Mensch liebt anders. Du hast auch deine Mutter geliebt, aber nach ihrem Tod hast du doch auch nicht aufgehört deinen Vater zu lieben. Ich möchte damit nicht sagen, dass du ein anderes Mädchen lieben sollst. Aber das unsere Gefühle von unserem Gegenüber abhängen. Nie wieder wirst du einen Menschen lieben wie du Isabelle geliebt hast, dass stelle ich nicht in Frage. Aber ich denke, dass du, wenn der Schmerz weniger geworden ist, wieder in der Lage sein wirst Gefühle für einen anderen Menschen aufzubauen. Ich meine sieh mich an. Bis vor ein paar Wochen war ein Tag für mich wie der Andere. Die einzigen emotionalen Bindungen die ich hatte, waren die zu Lisa und Paps. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass sich das jemals ändern könnte. Und dann kam ich an eine neue Schule und du hast mich einfach gepackt und aus dieser Muschel gerissen. Und nun habe ich Menschen denen ich wichtig bin und die auch mir wichtig sind. Dafür bin ich dir dankbar und dafür liebe ich dich.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wollte sie nur noch im Boden versinken. Sie haben einfach so ihren Mund verlassen, ohne dass sie Einfluss darauf hätte nehmen können. Rico sah sie erst ein wenig geschockt an, aber dann erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. „Ich liebe dich auch. Ich habe mir immer einen kleinen Bruder gewünscht. Und du hast recht wir lieben jede Person auf eine andere Art und Weise. Dich liebe ich wie einen kleinen Bruder und auch meinen Vater liebe ich noch genau so wie vor dem Unfall. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen jemals wieder ein anderes Mädchen auf eine romantische Art zu lieben, so wie Isa.“ Chris ging das Herz auf bei seinen Worten. Aber bevor sie antworten konnte sprach er weiter. „Außerdem werde ich nicht allein bleiben. Du wirst ja bei mir sein.“ Chris wurde traurig. Sie wünschte sich es wäre so einfach, aber dass war es nicht. Sie konnte nie wissen was der nächste Tag brachte. Rico hatte ihren Stimmungsumschwung wohl gleich mitbekommen. „Warum so traurig? Ist die Vorstellung immer Zeit mit mir zu verbringen so schlimm?“ Er versuchte sie aufzuheitern, aber besser sie war jetzt ehrlich zu ihm. Ab morgen würde sie wieder ganz die Alte sein. „Rico, ich hoffe du hast nicht vergessen, dass dieser Tag den wir uns heute gestohlen haben eine Ausnahme bleiben wird. Wenn ich morgen in dieses Haus zurück kehre, werde ich meine Maske wieder aufsetzen und sie nicht wieder abnehmen. Ich werde wieder zu dem perfekte Roboter, der alles tun wird was ihm gesagt wird und der nur Augen für Lisas Bedürfnisse und Sicherheit hat. Und ich weiß auch nicht wie lange diese Situation noch anhalten wird. Irgendetwas ist im Busch, aber ich schaffe es einfach nicht herauszufinden was. Es könnte also auch passieren, dass ich von heute auf morgen verschwinden werde weil ich eine neue Aufgabe bekommen habe. Ich möchte, dass du das immer im Hinterkopf behältst. Sollte ich die Möglichkeit haben, werde ich dir natürlich vorher Bescheid geben damit du dir keine Sorgen machen musst. Aber selbst wenn ich dazu nicht in der Lage sein sollte brauchst du keinen Gedanken an meine Sicherheit zu verschwenden.“

Ric fühlte sich, als wäre er mit Höchstgeschwindigkeit gegen eine Mauer gerannt. War der Plan den Kon und er sich ausgedacht hatten zu naiv gewesen? Er war sich sicher gewesen, dass sie noch Zeit hatten und Chris bei Lisa bleiben würde. „Verstanden ich werde versuchen mir keine all zu großen Sorgen zu machen, wenn du auf einmal weg bist. Aber denkst du wirklich, dass sie dich von Lisas Seite nehmen würden? Hattest du nicht gesagt sie haben dich zu ihrem Bodyguard gemacht, damit nicht immer ein Erwachsener bei ihr sein musste? Damit sie Freundschaften schließen kann? Wäre es da nicht am sinnvollsten dich bei ihr zu lassen, bis sie mit der Uni fertig ist?“ Er hoffte es so sehr. Wenn sie erst ihr Studium in der Tasche hatten, konnten sie aktiv werden und Chris von den Schneiders reißen. „Ich weiß nicht was die Zukunft für mich bereit hält. Ich sage nur, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass sie mich wo anders einsetzen. Und das du dir dann keine Sorgen um mich machen sollst. Von der Logik her gebe ich dir recht. Und Lisa würde mich auch an ihrer Seite haben wollen.“ Das war gut. Sie sollten ihre Pläne einfach weiter verfolgen. Es brachte ihnen nichts über alles nachzudenken was passieren könnte. „Okay. Aber heißt das, dass wir keine Freunde mehr sein werden sobald du zu Lisa zurück gehst?“ Chris lächelte ihn an und es beruhigte ihn augenblicklich. „Nein. Aber es bedeutet, dass ich zu meinem alten verhalten zurück kehren werde. Wenn wir allein sind kann ich so wie jetzt mit dir reden und lachen. Aber so werde ich nie vor den Augen Anderer sein. Und vor allem nicht vor Lisa. Stell dich also darauf ein, dass ich am Montag in der Schule wieder emotionslos erscheinen werde.“ Er nickte. „Verstanden. Dann lass uns die Nacht heute genießen. Wo wollen wir was essen gehen?“

Sie wusste es nicht. Sie war noch nie außerhalb essen gegangen. Wozu sie als Kind all diese Benimmregeln und Tischmanieren lernen musste war ihr bis heute ein Rätsel. Aber sie wollte schon immer mal eine dieser Straßenpizzas versuchen, diese wo man eine Minipizza in Pappe verpackt auf die Hand bekam und man sie so auch im laufen essen konnte. Das teilte sie auch Rico mit und er war mit ihrem Vorschlag einverstanden. „Dann lass uns zum Bahnhof gehen und unser Essen besorgen, danach können wir uns in eine Bar setzen.“ Chris blieb auf dem Weg zum Motorrad abrupt stehen. „Ich kann nicht zurück zum Bahnhof und auch nicht in eine Bar mitten in der Stadt. Mich könnte jemand sehen.“ Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Er war zwar eigentlich richtig richtig dumm, aber genau deswegen so sicher für sie. „Was hältst du davon mit mir Billard spielen zu gehen?“ Rico sah sie zweifelnd an. Er wusste worauf sie hinaus wollte, dass konnte sie ihm ansehen. „Bist du dir sicher, dass es sicher für dich ist in einen Laden zu gehen, wo es voll von Menschen ist, die hinter dir her sind?“ Für Chris stand ihre Unversehrtheit fest. „Sie haben schon bekommen was sie von mir wollten. Ich sollte für sie jetzt eine Weile uninteressant sein. Und in so einem Schuppen kann ich gewiss sein, dass niemand der Multi Group anwesend ist. Außerdem würde ich gerne raus finden welche Gang es eigentlich ist, die hinter mir her ist. Und sollte doch etwas Unerwartetes passieren werde ich mich einfach hinter dir verstecken. Egal welche Gang es auch war, sie würden nie riskieren dich zu verletzen.“ Sie sah den Moment, an dem er nachgab. „Dann bleib du im Parkhaus vom Bahnhof und ich besorge uns etwas zu essen und dann lass uns eben Billard spielen gehen.“ Sie nickte und stieg hinter ihn auf sein Bike.

Ric hatte schon die Pizzas besorgt und war auf dem Weg zurück zu Chris als ihm der Juwelier ins Auge stach. Er sah sich die Auslagen an und sah wunderschöne Partnerketten. Sie waren im Stil von den Erkennungsmarken der Armee. Auf der Einen war eine Baumkrone eingraviert und auf der Anderen ein Baumstamm mit seinen Wurzeln, wenn sie nebeneinander waren ergaben sie einen kompletten Baum. Die wären ein passendes Geburtstagsgeschenk für Chris. Noch hatte Rico ja nichts für ihn. Er ging in den Laden und ließ sie sich noch mal genauer zeigen. Sie waren wirklich schön und passend für einen Jungen. Er ließ sie noch gravieren und bezahlte dann mit seiner Kreditkarte. Sie kosteten immerhin ganze 2799 Euro. Aber das waren sie ihm wert. Es waren Einzelstücke, die vom Juwelier selbst entworfen und hergestellt wurden. Er packte das Geschenk in seinen Rucksack und ging zurück zu Chris. „Also wo willst du essen?“ Chris sah wieder einmal traurig aus. Oder war es wehmütig? „Lass uns zur Westseite fahren und dort essen.“ Hatte dieser Ort eine bestimmte Bedeutung? Er hätte gern nachgefragt, aber er wollte auch nicht zusätzlich bedrückende Erinnerungen wachrufen. Sollte Chris darüber reden wollen, würde er es tun. Sie fuhren schnell zur anderen Seite des Bahnhofs und Chris ging auf die Tür zu, hielt sich dann jedoch links und setzte sich an die Wand gelehnt auf den Boden. Ric tat es ihm nach und reichte ihm sein Essen. Chris packte sein Essen aus und nahm einen Bissen nach dem nächsten während er Löcher in die Luft starrte. „Als ich klein war habe ich immer hier mit meinem kleinen Bruder gesessen und gegessen wenn ich genügend Geld hatte um ihm etwas zu kaufen.“ Chris lächelte, als würde er sich an etwas schönes erinnern, doch gleichzeitig war es auch so traurig, dass Ricardo schlucken musste um den Knoten in seiner Kehle loszuwerden. „Einmal nachts im Dezember saßen wir wieder hier, kauten auf unserem Brötchen herum und lauschten der Weihnachtsmusik die wir aus der Ferne hören konnten. Wir haben uns eng aneinander gekuschelt um uns zu wärmen, als eine junge Familie den Bahnhof verließ. Die Frau entdeckte uns und verließ die Seite ihrer Familie um zu uns zu kommen. Sie wühlte in ihrer Handtasche und gab uns eine Papiertüte. Ich hatte in diesem Moment keine Ahnung was sie uns da gab, aber ich bedankte mich höflich. Als sie aufstand und zu ihrer Familie zurück wollte standen ihre beiden Kinder schon neben ihr und sahen uns an, dann rannten sie zurück zu ihrem Vater rissen ihm die Tüten aus der Hand und begannen darin herum zu wühlen. Als sie gefunden hatten was sie suchten kamen sie zu uns zurück gerannt und gaben jedem von uns ein Päckchen. Ihre Mutter bekam Tränen in den Augen und wünschte uns frohe Weihnachten, dann nahm sie ihre Kinder an die Hand und ging. Wir öffneten voller Spannung die Geschenke. Mein kleiner Bruder hatte an diesem Tag das erste Mal ein Geschenk ausgepackt, er sah so glücklich aus. Es waren diese kleinen Stofftierschlüsselanhänger, er hatte einen kleinen süßen Hasen bekommen und ich einen Fuchs. Die Beiden hatten uns wohl ihre Geschenke gegeben. Ich befestigte sie an unseren Gürtelschlaufen und steckte sie in die Hosentasche. Ich hatte gehofft, dass es so niemandem auffallen würde und ich hatte recht behalten. Als ich damit fertig war habe ich in die Papiertüte gesehen, die wir von der Frau bekommen haben. Heute weiß ich, dass es gebrannte Mandeln waren, aber als Kind hatte ich keine Idee was es sein könnte. Alles was ich wusste war das es sich um etwas zu Essen handelte. Ich werde niemals den Gesichtsausdruck meines Bruders vergessen, als er die Erste in den Mund nahm. Ich habe den Geschmack auch nie vergessen.“ Sie hatten Beide mittlerweile ihre Pizzas verspeist. „Wo ist dein Bruder jetzt?“ Ric sah wie sich aus Chris Auge eine Träne schlich, doch sofort wische er sie weg. „Er ist gestorben als ich sieben war. Wir konnten dem, nennen wir es Heimdirektor, nicht das Geld geben, dass er von uns haben wollte. Er hat uns zur Strafe aus dem Haus geschmissen und wir mussten draußen schlafen. Locke hatte davor schon leichtes Fieber gehabt. Er hat die Nacht nicht überlebt. Am nächsten Tag wurde ich von Angestellte der Multi Group aufgelesen.“ Ric stand auf und drückte dabei kurz Chris Schulter. Er konnte im Moment nichts zu ihm sagen, denn keine Worte der Welt könnten den Schmerz erträglicher machen. Sie stiegen auf sein Motorrad und fuhren zum Billardhalle.

Es war schon gegen 22 Uhr als sie bei der Spielhalle ankamen. „Bist du dir sicher, dass dieser Ort wirklich ungefährlich ist?“ Sie konnte ihn nur amüsiert ansehen. „Nun ja so ungefährlich wie ein Ort voller Gangmitglieder eben sein konnte. Solange wir uns ruhig verhalten und keine Aufmerksamkeit auf uns ziehen denke ich nicht dass wir Probleme bekommen.“ Sie ging hinein und Rico folgte ihr. Womit sie nicht gerechnet hatte war, dass Michael auch anwesend war. Doch sie ignorierte ihn und ging zur Bar um einen der Tische für zwei Stunden zu bestellen. Es war besser wenn keiner der anderen Gangmitglieder mitbekam, dass sie sich eigentlich ganz gut verstanden. Doch Michael schien dies anders zu sehen, denn er kam an ihren Tisch, den sie extra in der hintersten Ecke der Halle gewählt hatten. „Wieso seid ihr hier? Denkst du wirklich es ist weise an den Ort zurück zukehren von dem du das letzte Mal verschleppt wurdest?“ Rico stellte sich schräg hinter sie. Ob er so seine Unterstützung signalisieren wollte? „Ich denke nicht, dass im Moment irgendjemand in diesem Raum ein Problem mit mir hat. Ihr habt bekommen was ihr wolltet. Ich brauchte einfach einen Ort an dem mich niemand findet.“ Er sah von ihrer Erklärung nicht begeistert aus, aber das war nicht ihr Problem. Sie hatte keinen Grund auf seine Meinung Rücksicht zu nehmen. „Verstanden. Dann verursache aber keinen Auflauf wie das letzte Mal. Gerade ist die Nachtschicht da, von denen hat dich noch keiner gesehen. Aber sie sind auch ein anderes Kaliber als die kleinen Fische die bei deinem letzten Besuch anwesend waren. Ich will deinetwegen keinen Stress mit meinen Vorgesetzten bekommen, weil du hier einfach so wieder auftauchst.“ Daran hatte sie nicht gedacht, aber seine Probleme gingen sie auch nichts an. „Wir werden einfach nur in Ruhe hier spielen. Du solltest deinem Chef sagen wer ich bin und ihm erklären, dass ich dir meine Haare freiwillig gegeben habe und deswegen keine Angst habe hierher zurück zu kommen. Schau mich nicht so verwirrt an. Wir werden von einem Typen von der Hintertür aus beobachtet. In dem du zu uns gekommen bist hast du erst die Aufmerksamkeit auf uns und dich gelenkt.“

„Okay, aber wenn ich ihm sage wer du bist könnte es passieren, dass du gleich Stress bekommst, denk daran, wir haben keine Ahnung was sie mit dir vorhaben.“

„Sie werden mich in Ruhe lassen. Solange das Ergebnis des DNA Tests nicht da ist bin ich ein Niemand.“

Michael drehte sich nach diesen Worten um und ging zum Chef dieses Ladens und erklärte ihm wer Chris war und wieso er zu ihm gegangen war. „Er hat dir seine Haare einfach so überlassen?“ Michael nickte zur Bestätigung. „Hat er dir gesagt wieso er das gemacht hat?“

„Er meinte, wenn wir etwas von ihm haben wollten, dann würden wir es bekommen. Auf die leichte oder eben die schwere Art. Deswegen würde er uns einfach geben was wir haben wollen und sich so den Ärger ersparen.“

„Ich habe gehört, dass er der Bodyguard von der Enkelin des Chefs der Multi Group ist. Er sollte also eigentlich genügend Fähigkeiten und Selbstbewusstsein besitzen um nicht nachgeben zu müssen.“ Davon hörte Michael zum ersten Mal. Aber diese Position erklärte seine Fähigkeiten. „Er ist nicht dumm. Wenn wir nicht an ihn rankommen, dann nehmen wir einen seiner Liebsten und zwingen ihn dazu auf unsere Forderungen einzugehen. Ich denke er hat gut entschieden als er einfach nachgegeben hat.“

„Da hast du recht, aber die meisten Leute die gute Kämpfer sind fühlen sich unantastbar und er ist erst 17 Jahre alt. Mich würde brennend interessieren was der Boss von ihm will. Naja ist jetzt auch egal. Wir werden ihn beobachten ihn aber ansonsten in Ruhe lassen. Geh jetzt wieder raus und sorg dafür dass meine Männer die draußen sind Bescheid wissen.“ Michael nickte und ging wieder in die Halle zurück und informierte die Männer darüber, dass sie sich von den zwei Jugendlichen fern halten sollten. Dann ging er zurück zu seinen zwei Freunden die schon auf ihn warteten. Er kannte sie seit seiner Kindheit, sie waren durch dick und dünn gegangen, er vertraute ihnen Bedingungslos. Deswegen hatte er vorhin im Bahnhof auch keine Probleme gehabt sich mit Chris offen zu unterhalten. „Nun erzähl schon, wieso ist der Kleine mit seinem Freund hier? Und was hat Kreuzer gesagt?“ Sie sahen ihn gespannt an, wie alte Waschweiber die auf den neusten Tratsch warteten. „Er brauchte für heute Nacht einen Ort an dem ihn niemand finden würde und da die Ergebnisse des DNA Tests noch nicht da sind wäre er für die Leute hier uninteressant. Mein Gespräch mit Kreuzer hat seine Vermutung bestätigt. Wir sollen ihn in Ruhe lassen, aber ihn trotzdem im Auge behalten.“ Beide nickten, sahen aber noch nicht wirklich zufrieden aus. „Was wollte ihr noch wissen?“ Sie lächelten ihn an. „Wieso hilfst du ihm?“

„Erinnert ihr euch noch daran als ich vor fast zwei Jahren beim Kampf gegen die Leopards abgestochen wurde, wir uns aber alle trennen mussten um zu fliehen, weil plötzlich die Polizei auftauchte? Ich habe mich damals in den nahe gelegen Park geschleppt und auf der Toilette dort versteckt. Ein Typ kam rein und ich musste ihn quasi dazu zwingen mir zu helfen.“ Beide nickten und bekamen große Augen als sie ahnten auf was die Geschichte hinauslief. „Der Junge der meine Blutung stoppte und so mein Leben gerettet hat war der Kleine dort hinten. Ich bin ihm also noch etwas schuldig.“ Beide sahen ihn immer noch geschockt an. „Und auch bei dieser Aufgabe von letzter Woche hat er mir geholfen. Er hat mir freiwillig gegeben was ich brauchte um den Auftrag zu erledigen. Dabei hätte er mich auch einfach aus dem Weg räumen können, mit seinen Fähigkeiten wäre es ihm ein leichtes gewesen mich loszuwerden. Ich denke selbst wenn alle Männer in diesem Raum beschließen sollte ihn jetzt anzugreifen würde er immer noch als Sieger dieses Gebäude verlassen.“ Jetzt lachten ihn die Beiden aus. Sie schienen Chris wirklich zu unterschätzen, aber das zeigte nur dass man ein Buch eben nicht nach dem Einband beurteilen sollte. „Und wieso ist der Boss hinter ihm her?“ Das war die Preisfrage. „Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Auch Kreuzer weiß es nicht und er ist der Chef von all unseren Spielhallen. Er steht auf einer Stufe mit Schröder, Frisch und Vogel. Diese Vier sind die Säulen unserer Organisation. Über ihnen stehen nur der Boss und sein Sekretär. Wenn also nicht einmal Kreuzer Bescheid weiß, ist es entweder etwas Privates für den Boss oder es hat mit einem der anderen Drei zu tun. Aber sind wir mal ehrlich, ich glaube nicht das der Kleine etwas mit einem dieser Bereiche zu tun haben könnte. Also ich tippe darauf, dass der Boss privates Interesse an ihm hegt. Ob das gut für ihn ist oder schlecht kann ich jedoch nicht sagen.“ Seine zwei Freunde sahen ihn zweifelnd an. Ihr Boss war ein Mann zum fürchten, selbst Michael bekam jedes Mal Gänsehaut wenn er mit ihm in einem Raum war. „Hoffen wir einfach Mal das Beste für ihn. Ich kann auch nicht mehr machen als aufmerksam zu sein und ihn zu informieren wenn ich etwas in Erfahrung bringen kann. Helfen kann ich ihm nicht.“ Seine Freunde gaben ihm recht und er sah zu Chris und seiner Begleitung. Sie schienen sich zu amüsieren und sich an der Gesellschaft des Anderen zu erfreuen. Chris ging gerade zur Bar um Getränke zu bestellen. Er sah wirklich aus wie ein normaler Oberschüler. Er war nicht gerade der Größte aber auch nicht wirklich klein, war schmächtig und hatte ein viel zu schönes Gesicht für einen Mann. Aber von seinem Gesicht mal abgesehen war er Durchschnitt, keiner würde sich nach ihm umdrehen wenn er an ihm vorbei lief. Er stach in der Masse nicht hervor und würde niemandem in Erinnerung bleiben. Aber genau diese Merkmale machten ihn gleich doppelt so gefährlich, da niemand etwas von der Gefahr ahnte die sich unter dieser Oberfläche befand. Chris hatte seine Getränke bekommen und trug sie zu seinem Erstaunen nicht zu seinem Freund, sondern kam auf ihn und seine Freunde zu. Was war jetzt los? Er stellte die Getränke vor ihnen ab. „Ich werde zurück an meinen Tisch gehen. Ihr solltet nichts aus diesen Gläsern trinken, ich denke der Barkeeper wird gleich zu euch kommen und sie wieder mitnehmen.“ Dann drehte er sich um und ging zu seinem verwundert dreinblickenden Freund zurück. Michael wunderte sich auch nicht schlecht. Was war hier los? Aber genau wie Chris es vorausgesagt hatte kam der Barkeeper sofort zu ihnen. „Verzeihung, ich würde die Getränke wieder mitnehmen und euch Neue bringen.“ Er griff schon nach den Gläsern doch Dominik hielt ihn auf. „Was hast du in die Getränke reingemacht?“ Er sah sie verwirrt an. „Wir packen immer nur Liquid Ecstasy in unsere Getränke wenn wir jemanden gefunden haben bei dem es sich lohnt.“ Das wusste Michael schon, es war ein leichtes jemandem Geld aus der Tasche zu ziehen, der der Meinung war unbesiegbar zu sein und keine Hemmungen hatte. Der Verlust der Koordinationsfähigkeit tat sein übriges um für dessen Niederlage zu sorgen. „Ich hatte jedem bescheid gesagt, dass die Zwei in Ruhe gelassen werden sollen.“ Tino sah ihn komisch an. „Ich denke er war vorhin noch nicht dagewesen. Außerdem stellt der Freund von dem Kleinen ein wirklich lohnendes Ziel dar. Allein die Uhr die er trägt wird um die 25 Tausend wert sein.“ Michael sah zurück zum Tisch und sah sich den Großen genauer an. Sie hatten Recht, man sah ihm an das er reich war. „Okay jetzt weißt du bescheid, die Beiden sind Tabu. Tino, Dominik kommt mit. Wir besorgen den Schülern saubere Getränke und entschuldigen uns. Denn was keiner von euch Idioten bedacht hatte war, dass ein Oberschüler dem man so viel Geld ansieht jemanden mit noch mehr Geld hinter sich stehen hat. Wir hatten uns so auf den Kleinen konzentriert, dass ich gar nicht auf seine Begleitung geachtet habe. Ich muss das mit Kreuzer absprechen, denn sie haben bemerkt was wir vor hatten.“ Der Barkeeper wurde ganz bleich. Und er hatte allen Grund dazu. Michael ging mit ihnen zur Bar und beauftragte Tino und Dom für neue und saubere Getränke zu sorgen und begab sich für heute schon zum zweiten Mal zum Büro des Chefs. Er klopfte an und trat ein als er eine Antwort bekam. „Was willst du?“ Michael hasste es mit den Chefs zu reden. Sie hielten sich für besonders, doch Michael konnte es mit jedem von ihnen aufnehmen. Was ihm jedoch fehlte und das war entscheidend war ihre Loyalität zum Boss. Michael sah es nicht ein sein Leben für ihn wegzuwerfen. Er war nur in der Gang um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er hatte keinerlei Ambitionen in den Rängen aufzusteigen. „Ich glaube wir haben ein Problem. Der Barkeeper hat versucht den beiden Jungs etwas ins Getränk zu mischen. Er hielt die Begleitung von dem Jungen wohl für ein lohnendes Ziel, doch er hat es bemerkt und mir dir Getränke hingestellt.“ Sein Boss sah ihn abwartend an. „Und was ist jetzt das Problem?“ Kreuzer hatte sich Chris Freund wohl auch nicht genauer angesehen. „Ein Oberschüler der eine Uhr im Wert von über 25 Tausend so offen am Arm trägt während er sich voll bewusst ist was das hier für ein Schuppen ist muss sich ziemlich Sicher fühlen.“ Kreuzer tippte mit seinem Stift auf dem Tisch rum, dass tat er immer wenn er nachdachte. „Ich komme mit raus und schaue ihn mir genauer an. Wir bringen ihnen saubere Getränke und entschuldigen uns falls nötig.“ Dann stand er auf und ging mit Michael zurück in die Halle. Die Getränke standen schon bereit und sie gingen zu viert direkt auf den Tisch von Chris zu. Kurz bevor sie ankamen hörte Michael noch wie Kreuzer „Scheiße“ nuschelte bevor er auf die zwei Jungendlichen zutrat. Er entschuldigte sich für das Fehlverhalten seines Angestellten und gab ihnen die neuen Getränke mit dem Versprechen, dass sie den restlichen Abend aufs Haus tranken und solange spielen konnten wie sie wollten. Dann drehte er sich wieder zu Michael. „Sorg dafür, dass sie wirklich alles haben was sie brauchen und dass keiner der Jungs noch mal so eine Scheiße macht.“ Dann ging er. Die zwei Jungs sahen sich an und fingen zu lachen an. Als sie sich beruhigt hatten sahen die Zwei sie an. „Sie waren hinter mir her, habe ich Recht?“ Diese Frage stellte der Große, dessen Namen er immer noch nicht kannte. Michael antwortete. „Ja. Eigentlich hatte der Chef befohlen euch in Ruhe zu lassen. Aber der Barkeeper war zu dem Zeitpunkt als ich den Befehl an alle weiterleitete noch nicht da und war wohl der Meinung du wärst ein lohnendes Ziel. Auf jeden Fall seid ihr jetzt sicher und habt uns drei an der Backe und zu eurer freien Verfügung. Dabei haben wir heute eigentlich frei. Ich sagte ja der Kleine bedeutet Ärger.“ Chris sah ihn entschuldigend an. „Dann solltet ihr eine Runde mit uns spielen wir haben noch eine Stunde bevor unsere Zeit um ist und wir los müssen.“

„Ich heiße Tino und mein Freund neben mit heißt Dominik und Michael kennt ihr ja schon.“ Sie gaben sich die Hand und der Große stellte sie vor. „Ich heiße Ricardo und das hier ist Chris.“ Dann begannen sie zu spielen, obwohl man es nicht wirklich ein Spiel nennen konnte, denn sobald Chris an der Reihe war hatte er auch schon gewonnen. Deswegen setzte er sich nach dem Spiel und überlies dem Rest das Feld. Doch nach dem nächsten Spiel setzten sich alle zu ihm und machten eine Pause. „Also Chris bist du wirklich so ein guter Kämpfer wie Micha uns weismachen will oder übertreibt er?“ Michael würde Dom gern einen Schlag auf den Hinterkopf verpassen, aber da Chris nur lachte und nicht sauer aussah tat er es nicht. „Wenn du wissen willst ob ich stärker bin als ihr drei, dann ja.“ Dieses Mal war es Tino der sich anscheinend nicht zurück halten konnte. „Micha meinte du könntest es mit allen Männern hier im Raum aufnehmen, selbst wenn sie dich alle gleichzeitig anreifen würden.“ Jetzt sah Chris ihn strafend an, aber er antwortete. „Wenn ihr alle unbewaffnet seid, dann könnte ich euch wohl selbst mit zwei gebrochenen Armen noch fertig machen.“ Tino und Dom sahen ihn zweifelnd an, doch Michael könnte es sich vorstellen. „Woran machst du fest ob du einen Kampf gewinnen kannst?“ Dieses Mal waren geübte Kämpfer mit im Raum, wie konnte sich Chris also so sicher sein? „Weil ihr zusammen nur 48 Punkte ergebt.“ Das war seine Erklärung? „Was meinst du mit 48 Punkten?“ Ricardo schien dieses Gespräch auch zu interessieren. „Ich entscheide ob ich einen Kampf gewinnen kann noch bevor er begonnen hat, indem ich Punkte zähle. Ich selbst bin 100 Punkte wert. Und dann bewerte ich meine Gegner mit mir als Maßstab, ich habe ein gutes Auge dafür. Wenn es mehr als ein Gegner ist addierte ich ihre Punkte. Alles über 80 Punkten kann mir gefährlich werden, wenn es mehr als 3 Gegner sind. Wenn es nur ein Gegner ist habe ich noch eine Chance auf den Sieg selbst wenn mein Kontrahent 120 Punkte hat. Es kommt ja immer auch ein bisschen auf die Umstände an. Der Wert des Gegenspielers kann sich aufgrund von Waffen ändern, deswegen habe ich gesagt, dass mir der Sieg sicher wäre, wenn alle unbewaffnet sind.“ Wenn sie alle zusammen gerade Mal 48 Punkte wert waren zu was war dieser kleine Junge imstande? „Und wie viel Punkte haben wir?“ Diese Frage konnte nur von Tino kommen, er war schon immer ein Wettbewerbstyp gewesen. „Bist du dir sicher, dass du das wissen willst?“ Er sah Chris abwartend an. „Na schön. Michael ist in diesem Raum der Gefährlichste er kommt auf 20 Punkte, danach kommt euer Chef mit 15 Punkten. Ihr Beide seid 5 Punkte wert.“ Michael stutzte. „Dann wären nur noch 3 Punkte übrig und hier sind noch…“ Er drehte sich zur Bar, um zu zählen. „…8 Männer anwesend.“ Ricardo begann zu lachen. „Sie sind keine Punkte wert?“ Chris nickte. „Okay, dass ist lustig. Wollen wir raten welche keine Punkte bekommen haben?“ Tino und Dom schienen von der Idee angetan. Und so begann eine Diskussion darüber wer wohl die letzten Punkte ergattern konnte. Sie hatten viel Spaß dabei und lachten viel. Auch Chris sah den ganzen Abend schon wie ausgewechselt aus. Er hatte seine Maske abgelegt und lachte ganz frei mit ihnen mit. Das war gut, denn lachen war bekanntlich die beste Medizin, gerade für Leute wie sie, die ein beschissenes Leben hatten. Jeder hatte sich mittlerweile für seine Kandidaten entschieden und wartete gespannt auf die Auswertung. „Also vorweg, es ist ein Mann der die restlichen 3 Punkte bekommen hat.“ Nach dieser Aussage war Dom schon aus dem rennen, denn er hatte sich für zwei Männer entschieden. „Und ich enttäusche den Rest von euch nur ungern, aber ihr habt alle verloren. Der Typ mit den 3 Punkten ist der Typ der schon den ganzen Abend in der anderen Ecke alleine Billard spielt. Ich gehe davon aus, das wäre unser Gegner gewesen wenn der Barkeeper Erfolg gehabt hätte.“ Das war Thomas, den hatte Michael total vergessen. „Ja es waren noch 9 Männer übrig und nicht nur 8.“ Wie hatte Chris rausbekommen, dass Thomas zu ihnen gehörte? „Aber dass Thomas nur 2 Punkte schlechter sein soll als Dom und ich glaube ich nicht.“ Thomas war wirklich ein guter Kämpfer, aber eigentlich kein vergleich zu Tino und Dom. „Ist dir überhaupt bewusst wie viel Können ein Punkt voraussetzt?“ Tino stutzte und sah Chris dann fragend an. „Ich erkläre es. Du bist 5 Punkte wert und Michael 20, was mathematisch bedeutet du bist ein viertel von ihm. Jetzt denk gut nach und überleg wie groß der Unterschied zwischen eurem Können ist.“ Michael verstand was Chris versuchte auszudrücken. 15 Punkte hörten sich nicht wirklich viel an, aber der Unterschied zwischen Tino und ihn als Kämpfer war wie Tag und Nacht so viel besser war Michael. Auch Tino und Dom schienen verstanden zu haben. „Verstanden, dass erklärt auch wie es sein kann, dass die anderen keine Punkte bekommen haben, denn eigentlich müsste ihre bloße Anwesenheit schon einen Punkt wert sein. Aber egal. Was mich noch interessiert ist wie sich die Punkte verändern, wenn wir alle nicht unbewaffnet wären.“ Tino schien dieses Thema wirklich interessant zu finden. Aber Michael stand ihm darin in nichts nach, doch er würde es nie so offen zeigen und Fragen stellen. Er war eher der zurückhaltende Typ. „Das kommt auf die Person an. Euer Barkeeper nimmt andauernd ein Messer in die Hand um Zitronen für den Tequila zu schneiden, doch seine Punktezahl hat sich dadurch nicht verändert. Euer Chef jedoch hat seine Punktzahl mehr als verdoppelt. Unbewaffnet war er 15 Punkte wert, mit Messer jedoch 40, dass ist eine extreme Steigerung. Ich gehe davon aus, dass der Umgang mit Messern sein Steckenpferd ist.“ Damit hatte Chris wieder recht, es war erschreckend was er alles wusste ohne wirklich nachzuforschen. Plötzlich hörte Michael neben sich ein Klicken. Er kannte es, es war das Geräusch von einem Klappmesser das einrastete. Ricardo bekam große Augen und Chris lachte. „Okay, hier haben wir noch jemanden der mit dem Messer umgehen konnte. Dein Punkte sind jetzt bei 35.“ Er reichte es an Dom weiter und Chris bekam große Augen. „Ich weiß nicht ob ich Respekt haben sollte oder das erschreckend finden sollte. Ich meine von 5 Punkte auf 58, dass ist nicht normal. Habt ihr noch ein Messer das ihr mir geben könntet ich will schauen wie viele Punkte er dann noch hat.“ Michael griff in seine Tasche und reichte ihm seins. Es war ein Geschenk von Marco gewesen. Chris ließ es aufschnappen. „Gut das beruhigt mich wieder. Jetzt bist du nur noch 16 Punkte wert.“ Dom sah sie geschockt an. „Von 58 auf 16 Punkte und das nur weil du auch ein Messer in der Hand hast?“ Doch sie antwortete ihm nicht. Stattdessen richtete sie sich an Michael. „Du hast ihm beigebracht wo er zuzustechen hat, hab ich recht?“ Michael sah Dom an und nickte. „Das erklärt es. Messer sind mein Spezialgebiet. Ich habe noch nie jemanden getroffen der über 40 Punkte kam wenn ich ein Messer in der Hand hatte. 16 Punkte waren ein guter Wert. Und bevor Tino gleich zu weinen anfängt verrate ich dir etwas. Obwohl es nichts Neues für dich sein wird. Du bist für das Messer nicht geeignet, du bist eher der hau drauf Typ. Deswegen ist auch vorhin als du den Queue in der Hand hattest dein Wert extrem angestiegen. Aber ich denke deine Waffe ist der gute alte Baseballschläger. Also hör auf zu schmollen.“ Tino sah ertappt aus, aber auch wieder glücklich. Er war wirklich ein schlechter Verlierer. Chris gab Michael sein Messer zurück und nahm Dom seins aus der Hand. „Habe ich es mir doch gedacht. Was ist deine Waffe? Du bekommst mit Messer 32 Punkte, aber ich merke einfach, dass da noch Luft nach oben ist.“ Chris hatte mal wieder voll ins Schwarze getroffen. „Ich denke von allen Waffen kann ich am Besten mit dem Schwert umgehen. Nicht wirklich praktisch wenn man unvorbereitet angegriffen wird, aber für wichtige Kämpfe immer meine erste Wahl.“ Er hasste es Blut zu vergießen, aber wenn es hieß er oder sein Gegner dann stand seine Entscheidung fest. So war die Welt nun mal in der sie lebten. Ricardo schien geschockt zu sein nach seiner Enthüllung. Auch Chris schien das bemerkt zu haben. „Schau nicht so. Was denkst du denn wieso meine Gegner nie über 40 Punkte kommen wenn ich ein Messer in der Hand halte? Es liegt daran, dass ich so zustechen würde, dass mein Kontrahent innerhalb von wenigen Minuten ausbluten würde. Er hätte nicht mal die Chance für einen Gegenangriff. Aber nur weil ich das kann, heißt das nicht, dass ich schon mal einen Menschen so umgebracht habe. Und wenn du den Dreien die hier vor uns sitzen in die Augen siehst, dann kannst du sehen, dass auch sie noch nie so weit gegangen sind. Und zu deiner Info ich kann auch meisterlich mit dem Schwert umgehen.“ Ricardo schien seinen Schock überwunden zu haben und sah Michael jetzt entschuldigend an. „Kein Thema. Aber ich bin immer wieder erstaunt was Chris alles sehen kann was für den Rest unsichtbar ist.“ Chris starrte in die Luft als würde sie träumen, doch es schien kein schöner Traum zu sein. Doch er hatte sich schnell wieder in Griff. „Alles eine Sache des Trainings.“ Was er wohl alles bei diesem Training hatte durchmachen müssen um solche herausragenden Fähigkeiten zu besitzen. Doch plötzlich sprang Ricardo auf. „Das ist es Chris. Seit über einer Woche überlegen Kon und ich schon wie wir dich von den Schneiders wegbekommen können. Keine unserer Familien würde sich wegen eines kleinen Oberschülers, sei er nun der Freund ihrer Sprösslinge oder nicht, mit der Multi Group anlegen. Aber für einen Jungen mit deinen Fähigkeiten würde mein Großvater sicher alle Hebel in Bewegung setzen. Du wärst ein Klasse Ausbilder für unser Sicherheitspersonal.“ Chris sah ihn ausdruckslos an. Er schien Ricardo nicht antworten zu wollen, man sah ihm an, dass er gerade einen inneren Kampf ausfocht. „Denkst du wirklich jemand der so viel Zeit in Chris´ Ausbildung gesteckt hat, ihn einfach so gehen lassen wird?“ Ricardo wollte gerade etwas erwidern als Chris einschritt. „Rico setz dich wieder hin. Zum einen hat Michael recht. Zum andern wie soll dein Großvater von meinen Fähigkeiten erfahren wenn niemand darüber bescheid wissen darf? Nur Richard Schneider und Simon Kleintke sein Sekretär wissen über mein Können bescheid. Und wenn ich ganz ehrlich bin, nicht einmal sie. Sie wissen nur was meine Lehrer ihnen sagen und diese wissen nicht wie gut ich die verschiedenen Kampfkünste miteinander verbinde. Auch wissen sie nicht um wie viel besser ich wurde seit ich mein medizinisches Wissen mit einfließen lasse. Also was denkst du wird mit mir passieren wenn dein Großvater mich abwerben will?“ Sein Freund sah Chris geschockt und entschuldigend an. „Tut mir leid, ich hatte kurz vergessen, dass du in der Öffentlichkeit jemand ganz anderes bis, da wir hier so locker über solche Themen reden konnten.“ Chris sah ihn verstehend an. Tino mischte sich ein. „Soll das heißen, wenn ich dich morgen vor der Schule abpassen würde, könnte ich dich zusammenschlagen weil dir verboten wurde alles was du gelernt hast anzuwenden? Das ist doch bescheuert. Wieso dir etwas bebringen wenn du das Erlernte dann nicht anwenden darfst?“ Man sah Chris an, dass er auf diese Frage auch keine Antwort hatte. „Ich weiß es nicht, aber ich denke auch nicht, dass es von Anfang an geplant war mir eine so umfassende Ausbildung zukommen zu lassen. Klar sollte ich Kampfkünste lernen um als Lisas Bodyguard eingesetzt werden zu können. Aber niemand hatte damit gerechnet, dass ich ein Genie bin. Als sie es bemerkten, haben sie ihre Pläne angepasst. Dieser alte Fuchs macht nichts ohne Plan. Es wird also schon einen Grund haben wieso ich meine volle Kapazität nicht einsetzen darf und irgendwann werde ich ihn auch erfahren. Ich gehe allerdings davon aus, dass dieser Tag kein freudiger für mich sein wird. Und um noch mal auf Ricos Vorschlag zurück zu kommen. Mir wurde nicht nur von Lisa befohlen dafür zu sorgen, dass ihr euch näher kommt. Auch Simon hat mir die Aufgabe erteilt euch beide zusammen zu bringen. Was denkst du würde deinem Großvater mehr zusagen, ein Ausbilder der seine private Armee, die schon jetzt die stärkste in ganz Deutschland ist, verbesserte oder ein Eheversprechen mit dem nächsten Erben der Multi Group mit dir? Ich denke die Antwort liegt auf der Hand.“ Ricardo sah Chris empört an. „Nur über meine Leiche heirate ich diese Schlange.“ Chris nickte. „Deswegen sollten wir nichts machen was Richard Schneider dazu veranlassen könnte Kontakt zu deinem Großvater aufzunehmen.“ Michael konnte ihm nur zustimmen. Doch nun wusste er endlich wieso Kreuzer vorhin Scheiße sagte als er Ricardo erkannte. „Du bist der Erbe der Dettke Gruppe? Echt jetzt? Und ich fragte mich die ganze Zeit wieso der Chef von dem Laden hier so abnormal freundlich und zuvorkommend zu euch, oder besser gesagt zu dir Ricardo war.“ Rico sah etwas unangenehm berührt aus. „Ja den Effekt habe ich öfter. Aber ich bin nicht der Erbe der Dettke Gruppe sondern nur ein Erbe. Ich habe noch einen großen Bruder. Aber seit ich das Gesicht von eurem Chef gesehen habe weiß ich wenigstens wo ich euch hin stecken muss. Sollte Chris also noch einmal von zwielichtigen Typen entführt werde, dann gehen ich gleich zu The Silent Sharks.“ War der Typ verrückt geworden? „Kriegt euch alle wieder ein. Ich habe nur einen Witz gemacht. Ich weiß jetzt, dass Chris ganz gut auf sich selbst aufpassen kann. Ich werde schon nichts Dummes machen.“ Chris sah zufrieden aus und auch Michael hatte den Eindruck, dass Ricardo verstanden hatte. „Was für einen Plan haben du und Konrad euch denn ausgedacht? Und wieso habt ihr vor über einer Woche schon gewusst in welchen Verhältnissen ich lebe?“ Ricardo musste lachen. „Wir wussten an dem Tag bescheid als ich dich für Lisas Fehlverhalten mit dem Gürtel verprügelt habe. Kon hat deine Unterhaltung mit Lisa im Klassenzimmer mitbekommen und mir davon erzählt. Wir hatten es uns nicht mal halb so schlimm vorgestellt wie es deiner Beschreibung nach ist und ich gehe davon aus, dass du es schon schön geredet hast. Aber für uns stand fest, dass wir dich da rausholen müssten wenn du so oft wegen dieser verzogenen Göre verletzt wurdest. Wir haben schnell eingesehen, dass die Multi Group kein leichter Opponent war und wir für einen Mitschüler nicht mit der Hilfe unserer Familien rechnen konnten. Also beschlossen wir auf dich acht zu geben. Du solltest vor allem nicht noch mehr Strafen für Lisa auf dich nehmen müssen. Wir würden natürlich auch mit euch auf die Uni gehen und da du ein Genie bist würdest du den besten Abschluss machen und eine unserer Familien würde dich allein dafür schon abwerben und um dich kämpfen. Wenn sich die Dettke und Vogel Familie für dich interessierten, würdest du unweigerlich auch die Aufmerksamkeit der anderen hochangesehenen Familien auf dich ziehen und würdest so unbrauchbar für Lisas Großvater. Du hast im Moment den größten Nutzen für ihn, da du unbemerkt als Lisas Bodyguard agieren kannst. Sobald du all die Aufmerksamkeit hast kann er dich auch nicht mehr so einfach aus dem Weg räumen. Das Intelligenteste das er machen kann ist dich ziehen zu lassen.“ Er hatte sich einen Plan ausgedacht, der erst in 7 Jahren Früchte tragen würde. Aber 7 Jahre waren eine lange Zeit in der sehr viel passieren konnte. Die Variablen des Lebens veränderten sich ständig. Und auch Chris wusste das, denn er sah seinen Freund zweifelnd an. „Das wäre ein guter Plan. Aber ist dir bewusst wie lang 7 Jahre sind und was in so einer großen Zeitspanne alles passieren kann. Außerdem habe ich schon einen Uni Abschluss falls du dich erinnerst. Ich denke nicht, dass ich nach der Oberschule noch als Lisas Bodyguard eingesetzt werde. Es ist viel wahrscheinlicher, dass sie zwei ausgebildete Bodyguards zur Seite gestellt bekommt, sehr wahrscheinlich von deiner Familie ausgebildet. Ich werde eine neue Aufgabe zugeteilt bekommen. Wie gesagt der alte Fuchs hat einen Plan und eine unglaubliche Weitsicht. Ich denke er wird das Szenario, das du gerade beschrieben hast auch gesehen haben und wird dem vorbeugen. Ich werde erst frei sein, wenn er mich gehen lässt. Solange werde ich seine kleine Puppe sein, die er nach belieben bewegen kann.“ Ricardo sah traurig aus und auch Michaels Freunde schienen mit Chris mitzufühlen. Auch Michael lies das Gesagte nicht kalt. Doch auch er hatte keine Lösung für das Problem. Das Leben in dieser Zeit war nicht einfach und für Menschen wie ihn und Chris gab es nur selten einen Weg von unten nach oben. Chris hatte gute und einflussreiche Freunde die ihm beistanden, aber sie waren eben doch noch Kinder. Ricardo sah auf sein Telefon und plötzlich begannen seine Augen zu leuchten. Er blickte auf und sah sie an. „Würdet ihr uns bitte was Neues zu trinken besorgen.“ Michael stand auf und übernahm diese Aufgaben. Sie alle konnten nach dieser drückenden Unterhaltung einen Drink vertragen. Hinter der Bar stand Kreuzer und holte sich ein Wasser. „Wenn die Beiden gegangen sind komm zu mir ins Büro und erzähl mir was ihr die ganze Zeit besprochen habt.“ Michael ruckte mit dem Kopf als Zeichen, dass er verstanden hatte. Dann holte er für alle eine Flasche Bier und einen Vodka. Er stellte alles auf ein Tablett und ging zurück. Alle nahmen ihr Getränk und Rico stand auf. „So da es jetzt nach Mitternacht ist, bin ich dafür wir trinken auf Chris der heute 17 Jahre alt wird.“ Er sah ihn an. „Alles Gute zum Geburtstag.“ Dann stieß er mit ihm an und trank seinen Vodka. Michael und der Rest beglückwünschten Chris ebenfalls und tranken auch ihren Kurzen. „Mach das Geschenk auf. Ich will wissen was dieser Verrückte dir geschenkt hat.“ Chris sah alles andere als begeistert aus, aber er Griff in seine Jackentasche und holte ein kleines Päckchen hervor. Langsam öffnete er die Schleife die um der Schachtel war. Als er das Schächtelchen öffnete stutzte Chris erst und bekam dann Große Augen. Er nahm einen Zettel heraus und las ihn. „Dieser verdammte Mistkerl.“ Er reichte den Zettel an Ricardo weiter und der begann schallend zu lachen, dafür kassierte er einen bösen Blick von Chris. Dieser schien außer sich vor Wut zu sein. Nun wurde Michael neugierig was in der Schachtel war. Ricardo schien es mitzubekommen, nahm Chris das Geschenk aus der Hand und reichte es an ihn weiter. Tino und Dom lehnten sich zu ihm rüber um auch einen Blick auf das Objekt zu werfen, dass Chris´ Zorn geweckt hat. Doch Michael wusste nicht recht was er mit dem Gesehenen anfangen sollte. In der Schachtel befand sich ein Schlüssel. Doch wozu? „Chris beruhig dich. Er hat es nicht böse gemeint, dass weißt du.“ Chris Augen glühten beinahe. „Ach wirklich? Er hat mir ein beschissenes Haus geschenkt. Was soll ich bitte mit einem Haus?“ Ricardo schien das gesagte noch mehr zu amüsieren. „Ich glaube nicht, dass er dir ein Haus geschenkt hat. Hast du dir mal die Adresse angesehen in der dein Geschenk steht? In dieser Gegend gibt es keine Häuser. Nur eine Villa neben der Nächsten. Er hat dir also eine Villa geschenkt und kein Haus. Und ich denke er macht dir so abgefahrene Geschenk nicht um dich zu ärgern, sondern um dir zu zeigen, was für ein Leben du haben könntest wenn du dein jetziges Heim verlässt und zu ihm gehst.“ Jetzt sah Chris nicht mehr wütend aus, eher verzweifelt. Er lies sich wieder auf seinen Stuhl fallen und verbarg sein Gesicht in den Händen. „Das weiß ich, aber das macht es doch nur noch trauriger für mich. Damit zeigt er mir doch nur noch deutlicher was ich Alles nie haben werde. Er schenkt mir jetzt ein Haus, aber darin leben werde ich nie können. Von all dem Schmuck der bei ihm zu Hause in einem extra Zimmer verwart wird will ich gar nicht erst anfangen. Ich werde ihn nie tragen können. Willst etwas wirklich Witziges hören? Ich besitze 4 Autos. Ich bin 17 Jahre alt und habe dementsprechend keinen Führerschein, aber selbst wenn könnte ich diese Wagen nie fahren. Ich besitze sogar ein Pferd. Wer zum Henker braucht ein Pferd? Willst du wissen was er gesagt hat als ich ihn das fragte? Jedes kleine Mädchen wünscht sich ein Pferd. Er hielt sich wohl für sehr witzig. Mit all den Kunstwerken die er mir geschenkt hat könnte ich mein eigenes Museum eröffnen. Wieso tut er mir das jedes Jahr an. Ich freue mich dass er mich so sehr liebt, aber er soll mir seine Liebe zeigen indem er mir etwas gibt, das ich auch gebrauchen kann. Er könnte mir ein Buch über die Neusten OP-Techniken schenken, darüber würde ich mich freuen und ich könnte es behalten.“ Ricardo sah noch immer amüsiert aus und auch die drei Gangmitglieder konnten sich ihr Schmunzeln nicht verkneifen. „Du bist der erste Mensch den ich kennen lerne der sich über solche Geschenke aufregt. Okay das mit dem kleinen Mädchen war unter der Gürtellinie, aber ich bin mir sicher er meint es nicht böse. Ich denke die Geschenke sollen dir einen Anreiz geben und dir vermitteln, dass er fest daran glaubt, dass du es eines Tages schaffst aus deiner jetzigen Umgeben raus zu kommen. Er versucht dir ein Fundament zu errichten auf dem du eines Tages aufbauen kannst. Vielleicht versucht er dir auch unauffällig Geldmittel zukommen zu lassen in der Hoffnung dass du dich irgendwann freikaufen kannst.“ Chris hatte sich während seiner Erklärung wieder gerade hingesetzt und schien über das Gesagte nachzudenken. Michael wusste zwar nicht um wen es ging aber es stand außer Frage, dass Chris ihm wichtig ist. „Vielleicht hast du recht. Ich werde ihn morgen Vormittag besuchen und mich bedanken.“ Ricardo nickte ihm aufmuntern zu. „Was hältst du davon wenn wir gleich hinfahren und uns das Haus ansehen?“ Michael stand auf und klatschte einmal in die Hände. „Das ist eine gute Idee, Aber bevor ihr aufbrecht müsst ihr mir noch bei einer Sache helfen. Kreuzer will von mir wissen über was wir uns unterhalten haben, da es außer Frage steht ihm die Wahrheit über Chris zu sagen, brauche ich jetzt etwas von euch, dass ich ihm berichten kann.“ Er würde Chris nicht verraten, aber er brauchte wirklich etwas glaubhaftes was er dem Chef erzählen konnte. „Sag ihm doch einfach wir haben uns über die Ausbildung unseres Sicherheitspersonals unterhalten. Und damit er dir das glaubt wirfst und ihm noch einen Knochen hin und sagst, dass ich mich so gut mit euch verstanden habe, dass ich mit einem der Ausbilder sprechen werde, damit er euch unterrichtet. Ich würde das nur für euch drei machen und auch nur unter der Vorraussetzung, dass niemand erfährt, dass ihr zu einer Gang gehört. Wenn ihr wollt, kann ich das wirklich für euch in dir Wege leiten. Ich habe einen Ausbilder mit dem ich mich wirklich gut verstehe. Tachibana Mizuki ist ein Meister in Judo und Aikido.“ Chris war während der Nennung des Namens zusammengezuckt. Für eine Person die sich sonst so gut im Griff hatte wirklich ungewöhnlich. Lag es daran, dass Chris sich heute mal wirklich gehen ließ oder an dieser Person? Auch Ricardo schien dieses Verhalten bemerkt zu haben. „Er ist ein wirklich guter Lehrer und ihr werdet viel von ihm lernen können. So ein Angebot solltet ihr nicht ausschlagen.“ Michael war unsicher aber Chris hatte recht, so ein Angebot sollten sie annehmen. In ihrem Gewerbe konnten sie jeden Tag sterben. Umso besser ihre Fähigkeiten waren, desto größer waren ihre Überlebenschancen. „Danke wir nehmen das Angebot gerne an. Lass uns nächstes Wochenende wieder hier treffen, dann kannst du uns sagen ob er zusagt und wann und wo wir uns mit ihm treffen können.“ Chris hob die Hand um alle Aufmerksam auf sich zu ziehen. „Lass uns bei den Black Wolves treffen. Die Halle ist groß genug zum trainieren. Bevor ihr Tachibana Sensei trefft müsst ihr unbedingt ein paar Verhaltensweisen ablegen, sonst erkennt er auf den ersten Blick, dass ihr zu einer Gang gehört.“ Waren sie wirklich so leicht zu durchschauen? „Ja das seid ihr und Tachibana Sensei ist wirklich gut.“ Tino und Dom sahen Chris nur verwirrt an aber Michael hatte damit die Antwort auf seine Frage. „Okay dann müsste ihr uns nun noch die Adresse geben und wir kommen nächsten Samstag gegen 17 Uhr vorbei.“ Ricardo schrieb ihnen alles Wichtige auf eine Serviette und reichte sie Michael. Dann verabschiedeten sie sich für diese Nacht. Michael ging gleich zu Kreuzer ins Büro und berichtete ihm vom Angebot, dass Ricardo ihnen gemacht hatte und dass sie es angenommen haben. „Das war eine gute Entscheidung. Lasst euch unterrichten und wenn es lohnenswert für uns ist bringt ihr es einfach unseren Mitgliedern bei.“ Michael nickte und verabschiedete sich.



Kapitel 15


Rico und Chris gingen zu seinem Motorrad und fuhren zur Adresse die auf dem Zettel stand, der bei dem Schlüssel lag. Als sie vor dem Anwesen anhielten staunte Ric nicht schlecht. Die Villa war zwar um einiges kleiner als seine, aber diese war auch nur als Statussymbol so groß. Wer brauchte schon ein Haus so groß, dass man gefühlt eine Karte brauchte um sich zu Recht zu finden? Diese Villa hier hatte vielleicht 15 Schlafzimmer, was immer noch viel zu viel war für eine Person. Aber dieses Gebäude hatte Charme. Es gefiel ihm auf den ersten Blick und wenn er sich Chris´ Gesichtsausdruck so ansah ging es ihm nicht anders. „Gib mir mal den Schlüssel. Ich mache das Tor auf, damit wir uns umsehen können.“ Chris griff in seine Jacke und reichte ihm den Schlüssel. Der Schlüssel passte und sie fuhren bis vor die Haustür, natürlich erst nachdem sie das Tor wieder verschlossen hatten. Chris öffnete die Tür und trat ein. Ricardo betätigte den Lichtschalter, das Licht ging an obwohl er nicht damit gerechnet hatte. Dieses Haus vermittelte einem sofort das Gefühl von zu Hause. Es standen schon Möbel drin und selbst die Küche war komplett eingerichtet. „Lass uns nach Oben gehen und uns dort auch noch umsehen.“ Chris antwortete nicht, sondern ging Richtung Treppe. Ihm schienen die Worte zu fehlen. Als sie die erste Tür in der ersten Etage öffneten kam Ric gar nicht dazu sich umzusehen, denn Chris schlug diese sofort wieder zu. „Tut mir leid, aber das was sich hinter dieser Tür befindet willst du nicht sehen.“ Aber da hatte er Unrecht. Jetzt wollte er unbedingt wissen was sich dort befand. Doch Chris schloss die Tür zu, zog den Schlüssel ab und steckte ihn ein. Als sie weiter gingen hörte er wie Chris ein „Ich bring ihn um“ vor sich hinmurmelte. „Kannst du bitte kurz warten bis ich einen ersten Blick in die Zimmer geworfen habe? Paps scheint sich wohl für witzig zu halten und ich habe keine Lust dir jedes eigenartige Zimmer erklären zu müssen.“ Ric wusste, dass es noch irgendwas gravierendes in Chris Leben gab, das er ihm verschwieg und wenn seine Intuition ihn nicht täuschte würde er die Lösung hinter diesen Türen finden. Aber er wollte, dass Chris sich ihm freiwillig anvertraute. „Ist in Ordnung für mich.“ Er öffnete die nächste Tür nur eine Spalt und stieß sie nach einem kurzen Blick ganz auf. Ric ging nach ihm hinein und staunte nicht schlecht als er sich im Zimmer umsah und sich fühlte, als wäre er bei einem Juwelier gelandet. Im ganzen Zimmer waren Vitrinen aufgestellt in denen sich Schmuck befand. Der Raum war bestimmt 8x6 Meter groß und war voll mit Schmuck. Ketten, Ringe, Armbänder, Diademe, Uhren, Ohrringe. Es waren Stücke sowohl für Frauen als auch für Männer enthalten. Aber er musste feststellen, dass die der Frauen überwog. „Wieso schenkt er dir so viel Schmuck für Frauen?“ Chris lächelte ihn müde an. „Also eine Möglichkeit wäre, weil er immer noch möchte, dass ich die Braut seines Sohnes werde. Ihm ist es nämlich egal, dass ich ein Junge bin. Die Andere wäre, dass sollte ich jemals die eine Frau für mich finden, könnte ich ihr diesen Schmuck schenken und ihr so zeigen wie viel sie mir bedeutet. Zumindest war dies eine der Erklärungen als ich ihm mal die gleiche Frage gestellt habe. Vielleicht hast aber auch du recht und er schenkt mir all diese Wertsachen, damit ich mir damit was Eigenes aufbauen kann sollte ich irgendwann frei sein oder um mich freizukaufen. Ich bin mir nicht wirklich sicher was im Kopf von Paps so vor sich geht.“ Mit all diesem Schmuck hätte er mehr als genug Kapital um den Rest seines Lebens ausgesorgt zu haben. „Lass uns die nächsten Zimmer ansehen.“ Chris ging wieder vor und spähte in die Zimmer. Manche durfte Rico sehen, Andere wurden wie das Erste abgeschlossen. „Wollen wir auch noch die letzte Etage ansehen oder gehen wir wieder runter und setzen uns auf die Couch?“

„Lass uns runter gehen. Wer weiß was er sich noch alles ausgedacht hat um mich zu schocken. Wir sollten heute Nacht auch hier bleiben, hier können wir machen was wir wollen und keiner wird uns finden.“ Ricardo hatte schon das gleiche gedacht, wollte es aber nicht sagen um Chris nicht unbewusst dazu zu drängen in dem Haus zu bleiben falls er es nicht wollte. Sie gingen ins Wohnzimmer und schmissen sich aufs Sofa. Rico griff in seinen Rucksack und holte Chris´ Geschenk heraus. Er reichte ihm die Schachtel. „Happy Birthday. Ich habe auch noch ein Geschenk für dich. Es ist zwar nicht so ausgefallen wie ein Haus aber ich hoffe es gefällt dir trotzdem.“

Chris konnte Rico nur mit großen Augen ansehen. Wann hatte er ein Geschenk besorgt? Sie nahm es entgegen und öffnete die flache Schachtel. „Es sind Partnerketten. Eine für dich und die Andere für mich.“ Er setzte sich näher zu ihr. „Schau diese hier mit der Baumkrone ist für dich. Ich habe auf die Rückseite mein Geburtsdatum eingravieren lassen, so wirst du mich nicht vergessen wenn wir mal getrennt sind. Die Andere mit dem Baumstamm und den Wurzeln ist meine, sie hat dein Geburtsdatum auf der Rückseite. Sie werden uns immer daran erinnern, dass wir zusammen gehören. Und irgendwann werde ich der Stamm und die Wurzeln für dich sein können die dir die Kraft und Standhaftigkeit geben um aufzublühen.“



Chris Herz hatte sich schon bei seinem Geschenk und seiner Nähe beschleunigt, aber jetzt machte sie sich wirklich Gedanken ob ihr Herz noch lange mitmacht wenn es in so einer unnormalen Geschwindigkeit schlug. „Danke.“ Mehr konnte sie nicht sagen. Sie war zu überwältigt von dem Präsent dass er ihr gemacht hatte. Es würde ihr Andenken an die Zeit mit ihm sein. Egal wo sie sein würde, sie hätte immer ein Stück von ihm bei sich. Sie nahm die Kette und drehte sie um und las 19. September. Sie öffnete den Verschluss und legte sie an. Nie würde sie sie abnehmen. Wie es bei Erkennungsmarken üblich war, müsste man sie von ihrem toten Körper reißen um sie ihr zu nehmen. „So lass uns das Thema wechseln ich habe das Gefühl gerade etwas wirklich schwules gesagt zu haben.“ Chris nahm die zweite Kette aus dem Kästchen und reichte sie Ricardo. Er legte sie an und lies sie unter seinem Hemd verschwinden. „Also seit wann arbeitet Tachibana Sensei für euch?“ Stimmt das hatte Rico fast vergessen. Er wollte wissen woher Chris ihn kannte und wieso sie ihn Sensei nannte. „Er war schon bei uns angestellt, als ich noch ein Kind war. Er hat mir eine Menge beigebracht. Aber woher kennst du ihn und wieso nennst du ihn Sensei? Mizuki arbeitet ausschließlich für uns als Ausbilder und wir leihen ihn auch nicht an andere Firmen. Zusätzlich ist er auch der Bodyguard meines Großvaters.“ Das war gar nicht gut. „Du musst ihn von diesem Posten holen. Ich nenne ihn Sensei, weil er genau das ist. Er war mein Lehrer für Aikido und Judo. Und er ist ein sadistisches Arschloch, welcher seine Freude daran hatte ein sieben jähriges Kind zu quälen. Ich kann gar nicht mehr zählen wie oft er mir die Knochen gebrochen hatte. Mit zwölf habe ich es nicht mehr eingesehen mich verletzen zu lassen obwohl ich nichts falsch gemacht habe, also brach ich ihm die Hand und beide Arme. War wohl eine Trotzreaktion die man der Pubertät zuschreiben konnte. Danach habe ich einen Neuen Lehrer bekommen, allerdings erst nachdem die Verletzungen meiner Strafe für diese Tat verheilt waren. Ich habe ihn aber noch öfter gesehen. Er hat die Ausbildung der anderen Sicherheitsleuten übernommen.“ Rico war wie vor den Kopf geschlagen. Konnte es sein, dass der Mann dem seine ganze Familie vertraute sie hinterging? Was sollte er tun? Das Beste wäre ihn einfach rauszuschmeißen. „Wenn das was du sagst stimmt, dann muss ich es meiner Familie sagen und ihn aus der Firma entfernen.“ Chris hatte es geahnt, dass Rico zu diesem Schluss kommen würde. Es zeigte ihr mal wieder in was für einer heilen Welt er aufgewachsen ist. „Das wäre der denkbar dümmste Schachzug den du machen könntest. Denk weiter. Was würde passieren wenn er entlassen würde? Hätte das irgendwelche Vorteile für euch? Welche Nachteile hätte es für euch?“ Ricardo dachte nach, doch er wusste dass Chris schon einen perfekten Plan in seinem Kopf hatte. „Was würdest du tun?“ Chris würde ihm sagen was er tun sollte. „Ich würde meinen Großvater morgen zur Seite nehmen und ihm von meiner Entdeckung berichten. Ich würde ihm sagen, dass ich einen Plan habe der unserer Firma nur Vorteile brächte und er mich die Sache regeln lassen solle. Ich würde ihm sagen, dass er Neue Auszubildende anstellen solle und Tachibana Sensei die Auswahl überlassen sollte. So hat er die perfekte Ausrede wieso Tachibana Sensei für kurze Zeit nicht mehr sein Bodyguard sein könne. In dieser Zeit sollte er von allen Berichten die wichtig waren eine Fälschung anfertigen und die Originale irgendwo wegsperren. Ansonsten veränderte sich nichts für ihn. Er solle einfach weiter machen wie bisher. Ich würde mit Tachibana Sensei reden und ihm von meinen drei Freunden berichten die er bitte für mich unterrichten solle. Und weil wir so ein gutes Verhältnis haben wird er mir diese Bitte nicht abschlagen. Dann zum Training mit Michael und den Anderen würde ich meinen guten Freund Chris bitten seine Schuhe und Jacke zu verwanzen. Mehr würde ich gar nicht machen. Eigentlich simpel.“ Ja eigentlich, aber wie sollte er seinen Großvater dazu bringen nicht gleich durch die Decke zu gehen? „Hast du auch einen Plan wie ich den Chef des Hauses davon überzeugt bekomme, dass ich das regeln kann?“ Er kannte seinen Opa gut, er war ein wenig cholerisch. „Mach ihm klar, dass wenn der Plan funktionierte er an Informationen kam die er sonst nie bekommen hätte und wenn er schief ging würde er nichts verlieren. Er ist Geschäftsmann, er weiß wie wichtig Informationen sein können. Die Richtige kann einen ganzen Konzern zerstören.“ Chris sah ihn eindringlich an. Würde er es verstehen? Nie hatte sie gedacht eine Möglichkeit zu finden aus diesem Leben zu entkommen, doch wenn sie es schafften die Multi Group zu zerstören, hätte auch ein Richard Schneider keine Macht mehr über ihr Leben, ihm würden einfach die Ressourcen fehlen. „Wenn es die Multi Group nicht mehr gibt hat er dich nicht mehr in der Hand. Und wenn alles über Mizuki läuft kann es keiner zu dir zurück verfolgen und die Schneiders können dir auch nicht die Schuld daran geben. So wäre es sicher für dich. Das ist eine hervorragende Idee.“ Chris wagte jedoch nicht wirklich zu hoffen, dass sie so an richtig brauchbare Infos kamen. „Wir können nur hoffen, aber selbst wenn diese Aktion nicht den gewünschten Effekt bringt, wird es doch dazu führen dass dein Großvater nie mit der Multi Group eine Verbindung eingehen würde. So bist du zumindest vor einer Hochzeit mit Lisa sicher.“ War sie gemein weil sie sich tief im Herzen darüber freute? Sie liebte Lisa eigentlich. Sie war seit ihrem siebten Lebensjahr eine kleine Schwester für sie gewesen, aber ihr Verhalten in den letzten Wochen hatte irgendwie einen Keil zwischen sie getrieben. „Das wäre für mich ein wirklich guter Trostpreis. Aber selbst wenn bei der Überwachung von Mizuki nichts rauskommt hast du mich auf eine Gute Idee gebracht. Weißt du womit Konrads Familie ihr Geld verdient?“ Sie glaubte die Familie Vogel machte ihr Geld mit Technik. „Ich bin mir nicht wirklich sicher, aber ich glaube es war Technik?“ Rico nickte zustimmend. „Ja das ist korrekt. Ihre größten Firmen sind für Unterhaltungstechnik. Aber was nur wenige wissen ist, dass sie der Führer für Spionagetechnik sind. Sie bekommen jährlich Milliarden Entwicklungszuschüsse vom Staat. Und sie wären ja dumm wenn sie die Geräte die sie erfinden nicht vorher testen würden. Und wo denkst du tun sie das? Sie sind für die großen Firmen Informationsbroker. Natürlich haben sie offiziell nur Informationen ausländischer Konkurrenzfirmen. Sie würden mit keinem Bein mehr auf den Boden kommen, wenn alle großen Firmen des Landes gegen sie arbeiten würden. Deswegen halten sie sich bewusst aus deren Angelegenheiten heraus. Aber sind wir doch mal ehrlich, ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass sie jedes kleine schmutzige Geheimnis der großen Firmenbosse kennen. Konrad wird uns sicher Auskunft geben können.“ So leicht war das Leben nicht. „Es ist erstaunlich wie realitätsfern dein Denken ist. Konrad hat wirklich eine beeindruckende Familie, aber das wird uns von keinem Nutzen sein, zumindest nicht direkt. Du kannst keine Hinweise von Konrad erbitten. Er ist eine ehrliche Haut und vielleicht würde er sie dir deswegen geben, aber du kannst nicht für mein Wohl das Schicksal einer ganzen Familie aufs Spiel setzen. Verstehst du? Wenn wir die Multi Group mit solchen Informationen zu Fall bringen, was denkst du werden die anderen Bosse dann denken? Sie würde sofort Rückschlüsse ziehen und es mit den Vogels in Verbindung bringen. Und dann müssten sich alle fragen, bin ich der Nächste? Um Schaden vorzubeugen würden sie Konrads Familie einfach aus der Gleichung nehmen. Niemand ist unersetzlich.“ Soweit hatte Rico nicht gedacht, dabei hatte er es in seiner Erklärung sogar selbst gesagt wieso sie keine Informationen über inländische Firmen preis gaben. „Tut mir leid, aber ich will dir einfach nur helfen.“ Das war zu niedlich. „Ich brauche keine Hilfe. Wenn wir zufällig einen Weg finden würde wie wir mich dort raus bekommen, dann würde ich mich freuen. Aber wenn nicht dann kann ich auch damit leben. Ich habe es immer geschafft zu überleben und das werde ich auch weiterhin. Und irgendwann kommt meine Zeit in der ich frei sein kann, daran glaube ich fest. Und bis dahin werde ich einfach weiter machen wie bisher.“ Ric war darüber nicht wirklich glücklich, doch er wusste, dass er keine Macht hatte an der Situation etwas zu ändern. „Trotzdem werde ich Konrad um die Überwachungsgeräte für Mizuki bitten.“ Chris lehnte sich entspannt zurück. „Das ist eine gute Idee. Und jetzt lass uns mit diesem Thema aufhören und uns entspannen. Wir könnten einen Film sehen. Aber davor noch eine Frage, würdest du mich morgen Vormittag zurück ins Krankenhaus bringen? Zum einen möchte ich mich bei Paps bedanken und zum Anderen habe ich das Gefühl, ich sollte besser dort sein nur für den Fall das sie auf die Idee kommen sollten mich abzuholen.“ Die Frage war überflüssig. Chris konnte Ric um alles Bitten und er würde es ihm mit Freude geben. „Ja kann ich machen. Welchen Film willst du sehen? Ich hätte Lust auf etwas Altes.“ Chris hatte keine Ahnung von Filmen, aber sie hatte mal ein wirklich altes Kinoplakat vom Film Pearl Harbor gesehen und seitdem wollte sie diesen Film schauen. „Was hältst du von Pearl Harbor?“ Rico hatte die Fernbedienung schon in der Hand und suchte den Film raus. Beide machten es sich gemütlich und folgten gespannt dem Film.

Am nächsten Morgen war Chris schon früh wach, was wohl dran liegen könnte das sie in einer sehr unbequemen Position auf dem Sofa geschlafen hatte und die Weste trug die ihre Brüste wegdrückte. Rico schien noch im Reich der Träume und Chris ließ den vergangen Abend und Nacht Revue passieren. Sie war sehr glücklich gewesen, dass sie so viel Zeit mit Rico hatte verbringen können und dass es ihm genau so ging. Erstaunt hatte sie wie gut sie sich mit Michael und den andern Beiden verstand. Sie waren ihr sympathisch und wenn sie in keiner Gang wären und sie in anderen Umständen leben würde, würde sie gern mehr Zeit mit ihnen verbringen. Obwohl, dass sie in einer Gang waren war kein Problem für sie, mehr die Tatsache dass sie bei den The Silent Sharks waren, die Gruppe die aus einem ihr unerfindlichen Grund hinter ihr her waren. Es war schön mal einen Tag sie Selbst sein zu können und sie hatte viel Spaß mit ihnen gehabt. Sie fasste nach der Kette die um ihren Hals hing und musste einfach lächeln. Das Geschenk von Rico war eine wunderbare Überraschung gewesen. Sie blickte zu ihm und ohne es zu merken beugte sie sich über ihn. Genau diesen Moment suchte sich Rico aus um seine Augen zu öffnen. Chris erschrak so sehr, dass sie mit ihrer Hand von der Lehne rutschte und auf ihn fiel. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, landete sie mit ihrem Mund auf seinem. Sie wollte von ihm fort springen aber ihre Muskeln taten einfach nicht was sie von ihnen verlangte. Auch Rico bewegte sich nicht. Endlich hatte sie ihre Kraft wieder und konnte sich von ihm entfernen. Das waren ihre längsten fünf Sekunden im Leben gewesen. Sie nuschelte ein „Tut mir leid war ein Unfall“ und verschwand im Badezimmer. Ric setzte sich auf und fasste sich an die Lippen. Es war eigenartig, eigentlich sollte er sich angeekelt fühlen weil ein anderer Junge ihn geküsst hatte, auch wenn es ein Unfall war. Er hatte mitbekommen wie Chris von der Lehne abrutschte, es war absolut keine Absicht gewesen. Aber wieso fühlte es sich gut an Chris´ Lippen auf Seinen zu spüren? Er tat es mit einem Schulterzucken ab und mit der Begründung, dass er Chris wohl wirklich als kleinen Bruder betrachtete. Chris versuchte sich im Bad wieder in den Griff zu bekommen. Sie sah in den Spiegel und betrachtete sich. Wie ein Mantra sagte sie sich immer wieder, dass sie ein Junge war und ihre Maske wieder aussetzen müsse. Zwei Minuten später hatte sie es geschafft zu ihrem stoischen Selbst zurück zu finden. Ihre Gefühle hatte sie verbannt und ihre Gefühle für Rico zurück in ihre Kiste gestopft. Sie war gerade damit fertig sich die Zähne zu putzen als es an der Tür klopfte. Sie macht auf und Rico kam hinein. Er sah sich kurz in den Schränken um und nahm sich dann einfach Chris Zahnbürste und begann seine Zähne zu putzen. Chris wollte protestieren, aber sie war sich nicht sicher ob das eine zu weibliche Handlung gewesen wäre. Teilten Männer sich sogar ihre Zahnbürsten? Sie hatte nicht den blassesten Schimmer. Rico schien ihren zweifelnden Blick mitbekommen zu haben. „Wir haben uns gerade geküsst, da macht das teilen einer Zahnbürste auch keine Unterschied mehr.“ War das so? Sie hatte auf diesem Gebiet noch weniger Ahnung.



Kapitel 16


Seit ihrem Geburtstag war knapp ein Monat vergangen. Alles lief wieder wie immer für Chris. Sie hatte sich auch wieder Lisa angenähert. Aber ob Lisa dies tat um an Rico ranzukommen oder ob sie wirklich ihr Verhältnis zu Chris wieder verbessern wollte wusste sie nicht. Rico hatte ihre Gegenwart Chris zu liebe akzeptiert und war auch nicht mehr so abweisend zu ihr. Seit diesem Tag hatten sie sich öfter mit Michael, Tino und Dom getroffen. Das erste Treffen bei den Black Wolves war wieder lustig gewesen und Chris hatte es geschafft die kleinen Eigenheiten, die sie als Gangmitglieder verraten würden zu entfernen. Eine Woche später war ihr erstes Training mit Tachibana Sensei gewesen und Chris hatte wie vereinbart die Überwachungsgeräte angebracht. Nun verfolgten sie seine Aktivitäten schon über zwei Wochen waren aber immer noch nicht auf etwas gestoßen was sie gegen Richard Schneider verwenden könnten. Chris war sich sicher, dass es aussichtslos war über ihren alten Lehrer an brauchbare Infos zu kommen. Mit ihrem Paps hatte sie sich auch ausgesprochen und ihm noch mal klar gemacht wieso sie den Schneiders nicht entkommen konnte. Er war nicht glücklich darüber, aber sah es am Ende ein.

Sie hatten gerade alle zusammen Sportunterricht, doch die Lehrer waren auf einer Konferenz. Sie sollten sich selbst mit dem spielen von Teamsportarten beschäftigen. Sie beschlossen einen Klassenwettkampf daraus zu machen. Chris und Konrads Klasse gegen die von Ricardo. Sie hatten Lose gezogen um die Sportart zu entscheiden in der sie gegeneinander antreten würden. Chris war es eigentlich gleich. Aber sie freute sich als der Zettel auf dem Volleyball stand gezogen wurde. Sie mochte diesen Ballsport und war gut darin. Eigentlich war sie in Allem gut aber sie konnte im Basketball den Größenunterschied einfach nicht ändern, sie würde immer im Nachteil sein. Sie begaben sich auf den Platz und begannen das Spiel, die Mädchen saßen wieder am Rand und bewunderten die Jungs in ihrem Tun und feuerten ihr Team an. Auch Lisa war da keine Ausnahme, nur das sie das falsche Team unterstützte. Chris und Konrad waren gute Partner und holten die Punkte für ihr Team, wobei Chris ihrem Freund den Angriff überließ und für das perfekte Zuspiel sorgte. Richtig Konrad war in dem vergangenen Monat ein Freund für sie geworden. Ihre Gegenspieler hatten dem nicht viel entgegenzusetzen. Rico versuchte zwar sein Bestes, aber er war eben nur ein Spieler von sechs. Und so gewannen sie das Spiel in zwei Sätzen. Chris und Konrad klatschten ab und freuten sich über ihren Triumph. Rico hatte das Verhalten zwischen Konrad und Chris nun schon einige Zeit beobachtet. Ihm war aufgefallen, dass Chris sich langsam Kon gegenüber öffnete. Eigentlich war das eine gute Sache, aber aus irgendeinem Grund gefiel ihm nicht wie Konrad Chris ansah oder sollte er besser beobachten sagen? Auch Chris waren Konrads Blicke nicht entgangen, sie war nur nicht sicher wo sie sie einordnen sollte. Ahnte ihr Klassenkamerad, dass sie ein Mädchen war? Oder wusste er über ihre Fähigkeiten bescheid? Oder merkte er einfach nur, dass sie etwas geheim hielt und versuchte dem jetzt auf den Grund zu gehen? Egal was es war, es war nicht gut für sie. Sie musste besser aufpassen und sich vielleicht etwas männlicher geben. Chris ahnte nicht wie nah ihre Gedanken an der Wahrheit waren. Konrad hatte schon seit ungefähr zwei Wochen mit seinen Gefühlen zu kämpfen. Er fühlte sich zu Chris hingezogen. Jedes Mal wenn er ihn anlächelte machte sein Herz einen Satz. Jedes Mal wenn er sich mit ihm unterhielt hatte er ein Kribbeln im Bauch. Er hatte den verrückten Drang immer in Chris´ Nähe sein zu wollen. Ihn zu hüten und zu beschützen. Er zweifelte langsam an seiner geistigen Gesundheit. Noch nie hatte Kon Interesse am anderen Geschlecht gehabt. Er hatte zur Überprüfung sogar eine Woche damit verbracht andere Männer zu beobachten und auf seine Reaktion ihnen gegenüber zu achten. Aber wie er schon vermutet hatte interessierten ihn andere Männer nicht im Geringsten. Er war vollkommen normal. Also musste das Problem bei Chris liegen. Irgendetwas an ihm war nicht normal. Wenn man ihn sich genauer ansah, dann hatte er das schöne Gesicht einer Frau und nicht das eines Jungen. Auch sein Körperbau hatte mehr mit dem einer Frau gemein. Er hatte versucht herauszufinden ob Chris einen Adamsapfel hatte, aber er nahm sein Tuch, dass er um den Hals trug nie ab. Selbst im Sportunterricht nicht. Er hatte die Genehmigung der Schule, da er irgendein Problem mit seinem Hals hat, deswegen auch seine verrauchte Stimme. Aber ob das wirklich stimmte? Oder verbarg Chris so nur, dass er keinen Adamsapfel besaß? Die ganzen Fragen und seine Gefühle ließen ihn noch wahnsinnig werden. Er musste es überprüfen.

Ein paar Tage späten in der Mittagspause sah Kon wie Chris zu den Toiletten ging und folgte ihm. Kaum hatte Chris das Abteil betreten nagelte Konrad ihn an der Wand fest. Egal wie gut Chris auch im Kämpfen sein mochte, so festgepinnt, konnte selbst er sich nicht wehren. Chris versuchte sich aus dem Griff von Konrad zu befreien. Doch so wie er sie hielt hatte sie keine Chance die nötige Kraft aufzubringen. Er hielt ihre Handgelenke an ihren ausgestreckten Armen über dem Kopf fest. Und drückte sein Knie leicht aber bestimmt gegen ihren Magen. Sie saß in der Falle. Sie hatte sich in der Schule sicher gefühlt und deswegen ihre Vorsicht fallen lassen, ein großer Fehler wie sich jetzt herausstellte. „Es tut mir wirklich leid Chris. Aber ich werde noch verrückt wenn ich mir nicht endlich Klarheit verschaffe. Verzeih mir.“ Er sah dabei so verzweifelt aus, dass Chris fast Mitleid mit ihm hätte haben könnte. Doch dafür war jetzt nicht die Zeit. Konrads freie Hand glitt über ihre Brust weiter nach unten über ihren Bauch. „Hör sofort auf damit.“ Sie bekam Panik. Doch Kon machte trotz ihres Protestes einfach weiter. Er legte ihr seine Hand in den Schritt und befühlte ihren Geschlechtsbereich. Jetzt war alles aus. Bei einem so eindeutigen Beweis könnte selbst sie sich nicht heraus reden. Konrad nahm seine Hände von ihr, als hätte er sich verbrannt und sie stürmte ohne weiter darüber nachzudenken aus der Toilette. Sie musste hier weg. Doch wo sollte sie hingehen? Es gab keinen Ort an dem sie sich verstecken könnte. Konrad wusste dass sie eine Frau war und dies bedeutete ihren Tod. Sie rannte weiter bis zur Turnhalle und sah, dass sie frei war. Sie rannte hindurch und versteckte sich in einem der Geräteräume. Dann ließ sie sich fallen und weinte. So viel hatte sie ertragen um zu überleben und nun sollte alles umsonst gewesen sein?

Ric hatte den Sportunterricht beendet und war dabei die Fußbälle, die sie benutzt hatten zurück in den Geräteraum zu bringen als er verdutzt stehen blieb. Hörte er jemanden weinen? Ja, dass war ganz sicher ein Schluchzen gewesen. Er sah sich genauer um und entdeckte Chris in sich zusammen gesackt auf dem Boden sitzen. Sofort ließ er den Ballkorb stehen und ging zu Chris. Er setzte sich neben ihn und zog ihn an seine Brust. Beruhigend streichelte er seinen Kopf und wartete geduldig darauf, dass er seinen Heulkrampf beendete. Als Chris sich wieder beruhigt hatte sah er ihn an und rückte sofort ein Stück von ihm weg. „Tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du mich so siehst und dann habe ich auch noch deine Sachen nass geheult.“ Was interessierten ihn denn seine Klamotten? „Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen. Du hättest das Selbe für mich getan und du hast mich auch schon weinen sehen, dass ist nichts wofür wir uns schämen sollten. Es zeigt, dass wir wirklich Freunde sind. Was will ich mit einem Typen an meiner Seite mit dem ich nur meine schönen Erlebnisse teilen kann? Und jetzt sag mir was passiert ist. Ich hätte nie gedacht, dass du deine Maske an so einem Ort fallen lassen würdest. Es muss also etwas wirklich Schlimmes passiert sein um dich so in die Ecke zu drängen.“ Chris schüttelte nur den Kopf und die Tränen begannen erneut zu fließen. Ricardo rückte wieder näher an ihn heran und zog ihn wieder in seine Arme. Wenn er nicht darüber reden wollte, dann konnte er ihn nicht dazu zwingen, aber er konnte für ihn da sein und ihm als Stütze dienen. Als sie ungefähr fünf Minuten so dasaßen öffnete sich die Tür und Kon kam herein. Als er sie so sitzen sah, sah er für Rics Geschmack etwas zu schuldbewusst aus. „Was hast du Chris angetan?“ Kon zuckte bei seinen harschen Tonfall zusammen, aber darauf konnte Ric im Moment keine Rücksicht nehmen. Irgendetwas war zwischen seiner rechten und seiner linken Hand vorgefallen und er wollte erfahren was das war. „Es tut mir wirklich leid Ricardo, aber das kann ich dir nicht sagen. Das ist ein Thema, das ich mit Chris allein besprechen und aus der Welt schaffen muss.“ Chris sah auf und Ricardo sah die Hoffnung in seinen Augen. Widerwillig löste er sich von Chris und verließ den Raum, doch noch bevor er die Tür schloss musste er Kon noch warnen. „Solltest du Chris irgendetwas antun werde ich nicht mal dich mit Nachsicht behandeln.“ Dann schloss er die Tür und ging zur Umkleide.

„Es tut mir wirklich leid was ich vorhin gemacht habe. Ich werde niemandem erzählen, dass du ein Mädchen bist und ich werde dich auch nicht fragen wieso du vorgibst ein Junge zu sein. Ich werde dich nicht anders behandeln als zuvor, also bitte mach du das Selbe.“ Er sah verzweifelt aus. Chris legte all die Bestimmtheit die sie aufbringen konnte in ihre Stimme. „Du wirst niemanden etwas darüber sagen. Du wirst keine Andeutungen darüber machen und mir niemals Fragen zu meiner Vergangenheit stellen. Du wirst mich wie einen Jungen behandeln. Wenn du mir das Alles versprichst werde ich so tun als hätte es diese Szene auf der Toilette nie gegeben und du machst besser das Gleiche. Denn auch wenn du jetzt weißt, dass ich ein Mädchen bin hat sich nichts geändert. Du solltest mich als Junge sehen so wie zuvor auch.“ Wenn er es wirklich schaffte ihr Geheimnis zu wahren hatte sie noch eine Chance auf ein Leben. Er hatte sie somit in der Hand. Sie konnte nur beten, dass er dieses Wissen nie gegen sie verwenden würde. „Verstanden. Aber ich kann nicht einfach wieder vergessen, dass du weiblich bis. Seit über zwei Wochen habe ich das Gefühl verrückt zu werden weil ich mich in einen Jungen verliebt habe. Jetzt stellt sich raus, dass dieser Junge in Wahrheit ein Mädchen ist und meine Welt ist endlich wieder normal.“ Er sah wirklich erleichtert aus, aber das er sich in sie verliebt hatte war nicht richtig. Sie war ein Junge und würde es auch bleiben. „Auch wenn du jetzt weißt dass ich eine Frau bin, hat sich nichts geändert. Du kannst mit diesem Wissen dein Gewissen beruhigen, aber mehr auch nicht. Niemals werde ich eine Frau werden. Ich bin ein Mann und werde es auch bleiben. Du solltest deine Gefühle nicht an jemanden wie mich verschwenden und dir jemanden suchen mit dem du glücklich zusammen sein kannst.“ Kon ballte die Hände zu Fäusten. „Ich werde mir nicht von dir vorschreiben lassen wen ich lieben kann und wen nicht. Meine Gefühle gehören nur mir und ich kann mit ihnen machen was ich will. Ich werde sie dir nicht aufzwängen, aber ich werde auch nicht so tun als existieren sie nicht. Du kannst meinetwegen für immer ein Mann bleiben, doch ich kenne die Wahrheit und werde in dir immer die Frau sehen, die es verdient hat bemerkt zu werden. Mehr habe ich nicht zu sagen. Lass uns zurück ins Klassenzimmer gehen.“



Kapitel 17


Am nächsten Morgen entdeckte Chris eine Pralinenschachtel unter ihrem Tisch. Als sie sie öffnete entdeckte sie einen Zettel auf dem einfach nur stand: in Liebe Konrad. Sie entfernte den Zettel zerknüllte ihn vor Wut in ihrer Faust und schmiss ihn in den Müll. Die Schachtel mit der Schokolade gab sie Lisa mit der Begründung, dass jemand bestimmt ihren Tisch verwechselt hätte. Dann ging sie zurück zu ihrem Sitzplatz. Was dachte sich Konrad bloß was er da tat? Er hatte ihr versprochen nichts zu sagen oder zu tun, dass sie verraten würde. Und dann schenkte er ihr direkt am nächsten Tag Pralinen? Was kam als Nächstes? Blumen auf ihrem Tisch? Eine Haarklammer? Ein Kleid? Sie hatte schon ihren Paps der ihr immer solche weibischen Geschenke machte, aber diese fielen keinem auf. Aber hier in der Schule würde es auffallen. Sie musste dringend noch mal mit Kon reden und ihm den Ernst der Lage klar machen. Dieser betrat gerade das Klassenzimmer mit einem freudigen Lächeln im Gesicht, welches sich sofort verflüchtigte als er sein Geschenk auf Lisas Tisch sah. Er ballte wieder die Fäuste und kam wüten auf Chris zu. Diese wollte sich eine Szene im Zimmer sparen und zog ihn mit sich auf den Flur. „Bevor du auch nur daran denkst dich zu beschweren, denk einen Moment über dein Verhalten nach. Du hast mir versprochen nichts zu tun, dass mich auffliegen lassen könnte.“ Er sah sie verständnislos an. Er hatte anscheinend wirklich keine Ahnung was an seiner Aktion falsch was. „Kon hör mir jetzt genau zu. Ich bin ein Junge. Ein Junge schenkt einem anderen Jungen keine Pralinen. Das ist einfach nicht normal und alles was nicht normal ist fällt auf. Und ich kann es mir nicht leisten Verdacht zu erregen. Verstehst du das? Du kannst als ein Freund an meiner Seite bleiben, aber du musst meine Grenzen akzeptieren und auch respektiere. Okay?“ Konrad sah nicht begeistert aus. „Ich möchte dir aber zeigen können wie viel du mir bedeutest. Und da ich dein Geheimnis nicht aufdecken kann sind solche kleinen Gesten alles was mir bleibt.“ Er verstand nicht, dass selbst diese kleinen Gesten sie schon in Bedrängnis brachten. „Kon du scheinst den Ernst meiner Lage immer noch nicht verstanden zu haben. Sollte jemals heraus kommen, dass du mein Geheimnis kennst oder jemand anderes es aufdecken durch dein unüberlegtes Handel würde es meinen Tod bedeuten. Ich hätte keinen Nutzen mehr für sie und würde einfach entsorgt werden. Bitte versteh das du mein Leben in deinen Händen hältst und überleg dir ab sofort was angebracht ist und was nicht.“ Mit diesen Worten ließ sie den geschockten Konrad allein im Flur zurück und ging zurück in den Klassenraum. Konrad konnte nicht fassen was Chris ihm gerade gesagt hatte. Würde Lisas Großvater wirklich ihr Leben nehmen sollte dieses Geheimnis gelüftet werden? Wenn es stimmte was Chris sagte, und sie hatte keinen Grund ihn anzulügen, dann musste er wirklich aufpassen was er tat und wie er sich Chris gegenüber verhielt. Aber wo sollte er dann hin mit all den Gefühlen die in ihm tobten? Er wollte Chris nahe sein und ihr zeigen wie viel sie ihm bedeutete. Er wollte dass sie sich wenigstens kurze Momente ganz als Frau fühlen konnte, wenn er ihr solche Geschenke machte. Aber wenn es ihr Leben in Gefahr brachte war es dass nicht wert. Er würde sich etwas Neues überlegen womit er Chris eine Freude machen konnte ohne dass es auf ihr Geschlecht anspielte. Ihm kam auch schon ein Gedanke. Er hoffte er würde damit nicht wieder zu weit gehen, aber es war nichts was man mit einer Frau in Verbindung brachte, also sollte es für Chris in Ordnung sein. Ein Lächeln erschien wieder auf seinem Gesicht und er folgte Chris ins Zimmer und begab sich für den Unterricht auf seinen Platz.

Nach der Schule stand ein Treffen der Black Wolves an. Sie besprachen wie sie mit der 2. Oberschule verfahren sollten, da diese einige ihrer Mitglieder abgepasst hatte und sie krankenhausreif geschlagen hatten. Sie mussten auf eine so eindeutige Kriegserklärung reagieren. Chris interessierte sich nicht wirklich dafür was entschieden wurde. Was auch immer Rico entschied zu tun, sie würde ihm folgen. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, fand sie diese ganzen Schulgangs lächerlich. Es waren ein paar gelangweilte Kids die sich ihre Zeit damit vertrieben ihren Frust an Schwächeren auszulassen. Oder die einfach Spaß daran hatten sich zu Prügeln und so die perfekten Gegner fanden. Die wenigsten hatten irgendeine Art Ausbildung in Kampfkünsten genossen und die die eine hatten waren meist wie Rico Leader ihrer Schulgang. Chris machte sich nichts vor, auch Rico war nur Leader der Black Wolves geworden um seine Langeweile zu bekämpfen. Nach dem Tod seiner Mutter und ersten Liebe hatte das Leben keinen Reiz mehr für ihn dargestellt und er flüchtete sich in Kämpfe und all diese sinnlosen Mutproben und Aktionen die die Gang veranstaltete. Auch Konrad war wohl in der Gang weil er zum einen Ricos Freund war und ihm beistehen wollte. Und zum Anderen weil er sonst nirgendwo so recht hineinpassen wollte. Er war ein herzensguter Mensch, der alles für die Menschen tat die ihm wichtig waren. Aber er hatte ein hitziges Temperament und handelte oft bevor er über die Konsequenzen nachdachte. Diese Eigenschaft wurde Chris schon oft fast zum Verhängnis. Aber sie wusste dass er es nicht absichtlich tat oder weil er ihr Böses wollte, deswegen sah sie darüber hinweg. Sie hatte mittlerweile herausgefunden wie sie mit ihm umzugehen hatte. Wenn Konrad jemanden an seiner Seite hatte, der ihn zu beruhigen wusste, dann würde auch er seinen Platz finden können und ruhiger werden. Zu ihrem Bedauern war er der Meinung diesen Platz bei ihr gefunden zu haben. Doch sie konnte ihm nicht geben was er sich von ihr erhoffte. Und das lag nicht nur daran, dass sie verheimlichen musste eine Frau zu sein. Denn selbst wenn sie frei wäre und nicht länger an irgendwelche Auflagen gebunden wäre, würde ihr Herz immer noch Rico gehören. Daran konnte sie nichts ändern. Sie hatte noch oft versucht mit Konrad über dieses Thema zu reden um ihm verständlich zu machen, dass sie auch wenn sie ein Mädchen wäre, seine Gefühle nicht erwidern könnte. Aber er wollte nicht auf sie hören und war der Meinung, dass sie noch zu jung waren um das mit Bestimmtheit zu wissen. Doch Chris war sich sicher. Nichts könnte an ihren Gefühlen die sie für Rico hatte etwas ändern. Weder die Zeit noch eine Trennung. Sie würde ihn für den Rest ihres Lebens lieben und in ihrem Herzen behalten.

Als die Besprechung endlich vorbei war bat Chris Konrad sich etwas mit Lisa zu beschäftigen und auf sie aufzupassen. Sie musste dringend mit Rico reden, vielleicht hatte er einen guten Rat für sie. Sie ging zu ihm und bat ihn um ein Gespräch unter vier Augen. Rico lächelte sie freundlich an und ging vor in die Halle. Chris´ Knie sind bei seinem Strahlen ganz weich geworden und sie folgte ihm langsam und vorsichtig, da sie ihren Beinen im Moment nicht wirklich vertraute. Als sie in die Halle trat schloss Rico die Tür. Es war ein eindeutiges Zeichen für alle Mitglieder, dass sie die Halle nicht betreten durften bis Rico die Tür wieder öffnen würde. Chris setzte sich auf die Matte in der Ecke und wartete bis auch Rico Platz genommen hatte. „Ich bräuchte dringend deinen Rat bei einem wirklich privaten Problem.“ Sie wusste nicht ganz wie sie anfangen sollte. „Na los raus mit der Sprache. Dir fehlen doch sonst nicht die Worte. So schlimm kann es nicht sein.“ Augen zu und durch. Sie hoffte nur er würde sie nicht auslachen. „Es gibt da jemanden der Interesse an mir entwickelt hat. Ich weiß nicht wirklich wie ich mit der ganzen Situation umgehen soll.“ Ric konnte sich ein lachen nicht verkneifen. Das Chris sich wegen Frauenproblemen ausgerechnet an ihn wandte war zu komisch. Er wusste, dass es Chris bestimmt sehr schwer gefallen war ihm das zu sagen und dass sein Lachanfall unangebracht war, aber er konnte es nicht ändern. Als er sich wieder beruhigt hatte, konnte er endlich antworten. „Wenn du sie magst, dann sag es ihr und alles ist in Ordnung. Wenn du sie nicht magst, dann sag ihr eben das und auch so wäre alles in Ordnung. Aber mal ganz ehrlich, welches Mädchen auch immer sich in dich verliebt hat sie tut mir jetzt schon leid.“ Chris sah ihn beleidigt an. „Versteh mich nicht falsch, du bist ein Guter Fang aber du interessierst dich nicht wirklich besonders für andere, wenn es nicht gerade ich bin.“ Er zwinkerte Chris zu. „Wir sind der Typ Mann dem Frauen nicht wichtig sind. Wir wollen unsere Zeit mit unseren Freunden verbringen und nicht mit irgendeiner Henne auf ein Date gehen. Wenn ich genau darüber nachdenke, wieso fragst du mich überhaupt um Rat. In deiner Situation ist es doch egal wie man es betrachtet, unmöglich eine Freundin zu haben.“ Chris sah ihn abwartend an. Und als er nur zurück schaute antwortete er ihm. „Schön dass du mit deiner Analyse fertig bist. Und auch schön, dass du die ganze Situation lustig findest. Ich nämlich nicht. Es stand für mich nie zur Debatte jemanden auf diese Art zu mögen. Ich habe, der anderen Person auch schon gesagt, dass ich die Gefühle der Person nicht erwidern kann. Aber dieser Person scheint dass alles egal zu sein. Die Person macht sich immer noch Hoffnungen, dass sich meine Gefühle im laufe der Zeit ändern könnten. Und mir tut diese Person einfach nur leid. Also wie schaffe ich es, die Gefühle dieser Person nicht noch mehr zu verletzen und gleichzeitig davon zu überzeugen mich aufzugeben?“ Wer diese Person wohl war, dass würde Ricardo wirklich brennend interessieren. „Ich würde sie einfach in Ruhe lassen. Mit der Zeit würde sie verstehen, dass ich deine Nummer eins bin und aufgeben. Außerdem würde ihr mit der Zeit klar werden, dass du keine romantischen Gefühle für sie entwickelst und ihre deswegen immer ins leere laufen werden, dann wird sie dich von selbst aufgeben.“ Chris sah erleichtert aus, aber irgendwie auch betrübt. „Danke. Vielleicht hast du recht und es erledigt sich wirklich von selbst auf diese Weise. Dürfte ich dich noch um einen Gefallen bitten? Lisa wollte am Wochenende mit mir einkaufen. Ich weiß nicht wirklich wieso, denn normalerweise kommt ihr persönlicher Einkäufer einmal im Monat vorbei um sie mit den neusten Trends einzukleiden. Sie hat mich gebeten dich zu fragen ob du uns nicht begleiten möchtest.“ Ric hatte sich zwar mittlerweise an Lisas Anwesenheit gewöhnt, aber er wollte nicht mehr Zeit als nötig mit ihr verbringen. In einer Gruppe konnte er damit umgehen, denn er musste kein wirkliches Gespräch mit ihr führen. Aber wenn sie nur zu dritt unterwegs waren sah die Sache anders aus, denn Ric wusste, dass Chris versuchen würde, dass er und Lisa sich näher kamen. Ihm blieb auch nichts Anderes übrig. Chris hatte seinen Auftrag und konnte daran nichts ändern. Ric wusste, Chris tat dies nicht um ihn zu ärgern, sondern einfach weil er keine andere Wahl hatte. Und Ricardo wusste, wenn er Chris vor Schaden bewahren wollte, musste er dieses Spiel mitspielen und ihm helfen nach außen hin seinen Auftrag zu erfüllen. Doch sie konnten Chris nicht dafür bestrafen, dass er sich weigerte mit Lisa zusammen zu kommen, dass war immerhin ein kleiner Trost. „Verstanden, ich werde euch begleiten. Aber ich lasse das Alles nur deinetwegen über mich ergehen.“ Chris tat es leid ihn um so etwas bitten zu müssen, dass sah Ric ihm an und aus irgendeinem Grund stimmte ihn das milde. Er würde es einfach positiv sehen. So konnte er am Wochenende ein paar schönen Stunden mit Chris verbringen. Lisa war eben auch mit dabei, aber er würde es überleben.



Kapitel 18


Am Samstagnachmittag trafen Lisa und Chris sich mit Ricardo. Schon wieder hatte es über eine Stunde gedauert bis Lisa sich für ein Outfit entschieden hatte. Chris hatte eine hitzige Diskussion mit Lisa führen müssen, wieso ihr neuer Overall zusammen mit den Pumps kein gutes Outfit zum Shoppen war. Irgendwann hatte Lisa eingesehen, dass sie mit den Hacken nicht den ganzen Tag durch die Stadt würde laufen können und ihr ein Kleidungsstück fehlen würde, wenn sie etwas anprobieren würde, denn würde sie eine Hose anprobieren würde sie plötzlich Oben ohne dastehen und die Kabine nicht verlassen können. Also zog sie kurze Hosen zu einer niedlichen Bluse an. Auch hatte sie sich statt der Absatzschuhe nun für flache Sandalen entschieden. Als sie am Treffpunkt ankamen wartete Rico bereits auf sie. Sie begrüßten sich und gingen in die Höfe am Brühl. Ricardo war sehr zuvorkommend gegenüber Lisa und führte sie durch das Shoppingcenter. Chris wusste, Rico tat ihr damit einen Gefallen, aber ihr Herz krampfte sich beim Anblick der Beiden trotzdem schmerzhaft zusammen. Als sie ins erste Geschäft gingen, warte Chris noch kurz ob sie sich nach ihr umdrehen würden, doch nichts geschah. Also beschloss sie diese Möglichkeit zu nutzen um unbemerkt zu verschwinden. Lisa hatte sie am Morgen darum gebeten ihnen Zeit allein zu geben. Chris sollte einen Notfall vortäuschen oder ähnliches, damit sie mit Ricardo allein sein konnte. Doch Lisa hatte nicht bedacht, dass sollte Chris so etwas offensichtliches tun, Rico die ganze Verabredung einfach beenden würde. Doch Lisa hatte Chris den Auftrag gegeben ihnen Zeit zu zweit zu verschaffen, also würde sie dass tun. Sie hatte sogar Simon dieses Mal in ihren Plan eingeweiht und dieser hatte Chris die Erlaubnis erteilt, Lisa in der Obhut von Ricardo lassen zu dürfen. Nun hatte sie einen freien Tag und wusste nicht wirklich was sie mit dieser Zeit anfangen sollte. Normalerweise würde sie nun Rico anrufen, ihm sagen, dass sie Freizeit hatte und fragen ob er Zeit für sie hätte. Und wie jedes Mal würde er sagen, dass er sich immer Zeit für sie nehmen würde, wenn sie denn schon mal frei hatte. Doch nun hatte sie ihn allein mit Lisa zurückgelassen. Sie lief sinnlos durch die Straßen Leipzigs, bis sie bemerkte, dass es begann langsam dunkel zu werden. Als ihr dies bewusst wurde, beschoss sie zum Bahnhof zu laufen und ins Haus zurück zu fahren.

Michael, Tino und Dom waren an diesem Nachmittag damit beschäftigt Werbung für einen ihrer Nachtclubs zu machen. Sie hatten einen ihrer Aufträge voll an die Wand gefahren und mussten nun als Strafe den Umsatz eines ihrer Clubs erhöhen. Michael war sich sicher, dass Tom Bergmann ihm und seinen Freunden diese Aufgabe im Wissen gegeben hatte, dass sie ihn nicht erfüllen könnten. Eine junge Frau hatte sich bei ihnen Geld geliehen, da ihr Geschäft im vergangenen Jahr nicht so viel abgeworfen hatte. Doch trotz des zusätzlichen Geldes, hatte sie es nicht geschafft ihren Laden wieder in Schwung zu bringen. Es war eine Klavierbar, die Micha selbst gern mal besuchte. Es war entspannend dort und tat in der Seele gut, dem Klavierspiel zu lauschen, wenn man mal wieder einen Scheißtag hatte oder etwas tun musste, dass einen dem Abgrund wieder etwas näher brachte. Auf jeden Fall konnte sie die Raten ihrer Schulden nicht zahlen und das Trio sollte sie nun dazu bringen der Gang ihre Bar abzutreten. So lief ein Geschäft mit einer Gang nun mal. Eine Bank ging im Grunde genauso vor, aber sie hatten Fristen die gestellt wurden. Wer sich Geld von einer Gang lieh und auch nur eine Rate nicht pünktlich zahlte musste damit rechnen sein Geschäft zu verlieren. Und da so etwas absolut nicht rechtskräftig war, kamen Leute wie Micha ins Spiel. Sie wurden zu solchen Personen geschickt um sie mit sehr viel Nachdruck dazu zu bringen der Gang ihr Geschäft zu überschreiben. Es fiel Micha nie leicht solche Aufgaben zu erledigen. Aber diese junge Frau, war alleinerziehende Mutter von drei Kindern, da ihr Mann sie verlassen hatte, als ihm die Verantwortung und Kosten zu viel wurden. Sie versuchte alles um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen. Er selbst war von seinen Eltern einfach in einem Waisenhaus abgegeben worden, da sie kein Geld hatten ihn großzuziehen. Er sollte ihnen wohl dankbar sein, dass sie ihn wenigstens in einem öffentlichen Waisenhaus abgegeben hatten und ihn nicht einfach sich selbst überlassen haben. Es war ihm auf jeden Fall unmöglich gewesen dieser Frau, die so hart für das wohlergehen ihrer Kinder kämpfte, dass sie sich sogar mit einer Gang eingelassen hatte, einfach ihre ganze Existenzgrundlage zu nehmen. Er hatte es einfach nicht übers Herz gebracht und Tino und Dom, die zusammen mit ihm im Heim aufgewachsen waren konnten es auch nicht. Ihnen war natürlich bewusst, dass Bergmann einfach jemand Neues zu ihr schicken würde, aber durch ihren Besuch war sie nun vorgewarnt, wenn sie intelligent war, hatte sie sich ihrer Kinder geschnappt und wäre abgehauen. Nun standen sie hier auf der Straße und mussten Werbung für einen Nachtclub machen. Michael war gerade dabei zwei Mädchen von dem Club zu erzählen und wieso sie unbedingt zu Besuch kommen sollten, als er Chris an ihnen vorbei laufen sah. Er sah etwas durch den Wind aus und dass er Micha und seine Freunde nicht bemerkt hatte, bestätigte dies nur. Micha ging zu Dom und sagte ihm er müsse gehen. Als Dom ihn stirnrunzelnd ansah, zeigte Micha auf Chris und Dom schien zu verstehen. Er nickte ihm zu und Micha machte sich auf den Weg zu Chris. Doch dieser schien ihn noch immer nicht bemerkt zu haben, also beschloss Micha ihm erstmal nur zu folgen und zu sehen wo er hinwollte. Chris lief eine ganze Weile sinnlos durch die Straßen, als es begann dunkel zu werden schlug er den Weg zum Hauptbahnhof ein. Als er endlich ankam schien er Michael auch endlich zu bemerken. Was war an diesem Tag nur mit Chris los? Als Chris Michael erblickte, war sie wieder ganz wach. Doch nun da sie hier am Bahnhof stand kam ihr ein Gedanke. Sie wollte zu ihrem alten Haus. Eigentlich hatte sie diese Idee schon seit längerem, aber sie war nie dazu gekommen sie umzusetzen. Doch nun hatte sie Zeit und niemand würde wissen was sie nun tun würde. Sie grüßte Micha nur kurz und begab sich auf den Weg. Dass Chris ihn nur kurz begrüßte, nachdem er ihm schon so lange gefolgt war, machte ihm nur noch mehr Sorgen, also beschloss Micha ihm einfach weiter zu folgen. Irgendetwas war heute komisch mit Chris und er hatte das Gefühl ihm beistehen und helfen zu müssen. Eigentlich ein abwegiger Gedanke, wenn man bedachte was Chris alles konnte. Und Michael war sich sicher, dass er nicht mal ein viertel von dem Wusste, was Chris konnte. Chris schien ihn einfach zu ignorieren und ging an der Westseite des Bahnhofs vorbei. Sie liefen schon seit einer viertel Stunde und Micha war sich noch immer nicht sicher was Chris in dieser Gegend wollte. Chris suchte das Haus, indem sie verfluchte drei Jahre hatte verbringen müssen, doch sie konnte es einfach nicht finden. Hatte sie sich verlaufen? Das letzte Mal war sie vor 7 Jahren hier gewesen. Doch sie war sich eigentlich sicher, dass es hier irgendwo gestanden hatte. Sie lief noch zehn Minuten weiter und beschloss dann umzukehren. So weit war das Haus nicht von Bahnhof entfernt gewesen. Als sie den Rückweg antrat bemerkte sie, dass Michael sie wohl die ganze Zeit verfolgt hatte. Was wollte er von ihr? Sie hatte heute keine Zeit für Gespräche, Training oder Probleme. Sie ging einfach an ihm vorbei doch er verfolgte sie weiter. Bitte, sollte er seine Zeit eben damit verschwenden ihr hinterher zu laufen. Ihnen kam nun zum ersten Mal jemand entgegen. Und auch wenn es schon zehn Jahre her war, wusste Chris sofort wer dort auf sie zukam. Sie ging auf den schwankenden Mann zu. Er machte sie blöd an aber all seine Schimpftiraden prallten einfach von ihr ab. Sie hatte Größte mühe den Zorn, der in ihr brannte unter Kontrolle zu halten. Sie versuchte es wirklich, doch sie verlor kläglich. Sie holte aus und boxte ihm in den Magen, als er sich vorüber beugte hielt sie seinen Kopf fest und rammte ihm ihr Knie ins Gesicht. Er war Schuld, dass mein kleiner Bruder tot war. Er hat ihn umgebracht. Hat diesem kleinen bezaubernden Jungen seine Zukunft gestohlen. Wäre er nicht gewesen, würde ich noch mit meinem Bruder zusammen sein und ein anderes Leben führen. Wir hätten es gemeinsam bestimmt geschafft glücklich zu werden. Doch dieser besoffne Typ hat mir Alles genommen. Sie trat ihm die Beine weg und stellte ihren Fuß auf seine Kehle. Er hatte den Tod verdient. Niemand würde Abschaum wie ihm auch nur eine Träne nachweinen. Wieso also, war er noch am Leben und mein kleiner, niedliche, bezaubernder, lebenslustiger, feiger aber liebenswerter Bruder tot. Sie spürte wie sich ein Arm um ihre Brust legte und sie vorsichtig von Mad Dog fortzog. Zuerst wollte sie sich gegen diesen Griff wehren, doch er war so tröstlich, dass sie keine Kraft aufbringen konnte. All ihr Zorn war verraucht und zurück blieb nur die Trauer um ihren Bruder.



Michael hatte den gesamten Gefühlsausbruch von Chris beobachtet und war erschrocken über das Maß an Qual, die er mit sich herumtrug und so gut vor aller Welt versteckte. Denn Chris hatte diesen Mann angeschrien während er auf ihn einschlug. Micha war sich nicht sicher, ob Chris wirklich mitbekommen hatte, dass er all diese Dinge wirklich ausgesprochen hat. Micha würde es ihm auch nicht sagen, es gab Dinge, die man für sich behalten wollte und er konnte sich vorstellen, dass Chris nie wollte, dass jemand den er kannte ihn in so einer Verfassung sah. Als Chris sich jedoch auf die Kehl von dem Mann am Boden stellte wusste Michael, dass es Zeit wurde einzugreifen. Chris sollte für solchen Abschaum nicht zum Mörder werden. Er hielt Chris in seinen Armen, als er ihn plötzlich zwischen den Schluchzern sagen hörte: „Ich will wissen wo mein Bruder ist.“ Michael gab Chris wieder frei und ging zu dem Mann der noch immer am Boden lag und legte ihm seine Hand um die Kehle. „Ich wollte nicht, dass mein junger Freund hinter mir zum Mörder wird, deswegen habe ich ihn aufgehalten. Du hättest den Tod wohl wirklich verdient, aber auch ich bin kein Mörder. Aber weißt du womit ich kein Problem hätte? Ich habe kein Problem damit dich zum Krüppel zu machen. Ich könnte dir zum Beispiel die Beine zertrümmern. Oder die Hand abschneiden. Ohne Nase und Ohren würdest du bestimmt auch ganz nett aussehen. Du siehst also es stehen mir einige Möglichkeiten zur Verfügung, wie ich den Schmerz meines Freundes kompensieren könnte. Doch alles was dieser im Moment will, ist zu wissen wo sein kleiner Bruder begraben ist. Wärst du also so freundlich mir zu verraten wo ihr die Leichen der Kinder hingeschafft habt, damit ich meinen Kumpel zu seinem Bruder bringen kann?“ Der Typ hatte sich während Michaels Ansprache allen Ernstes vor Angst in die Hosen gemacht. Zum ersten Mal seit er für genau solche Jobs beauftragt wurde, hatte er kein Mitleid mit seinem Opfer oder ein schlechtes Gewissen. „Alle Kinder die unter Alpha gestorben sind wurden mit dem Boot in die Mitte des Cossie gebracht und mit Gewichten versehen versänkt.“ Er hatte die Antwort die er brauchte, nun stand er wieder auf. Bevor er zu Chris zurück ging, zertrümmerte er diesem Ungeziefer noch die Kniescheibe. Er hatte es verdient, Lebenslang schmerzen zu erleiden. Chris musste mit dem Schmerz über den Verlust seines Bruders auch sein ganzes Leben klar kommen. Dann nahm er den völlig neben sich stehenden Chris an der Hand und führte ihn zurück zum Bahnhof. Kurz wundert er sich darüber, wie klein, zierlich und gut sich Chris Hand in seiner anfühlte, doch dann verwarf er diesen Gedanken schnell wieder. Er kaufte schnell zwei Sträuße und stieg mit Chris in ein Taxi. Dieses brachte sie zum See und sie gingen schweigend zum Strand.

Endlich war sie bei ihrem Bruder angekommen. Viele Jahre hatte sie es vor sich hergeschoben an den Platz ihres Schmerzes zurückzukehren. Doch damit hatte sie ihren kleinen Bruder wieder einmal sich selbst überlassen. Er musste schrecklich einsam gewesen sein, all die Jahre die Chris ihn nicht besucht hatte. Er musste auch ungeheure Angst haben, auf dem Grund des Sees ist es bestimmt kalt und dunkel. Locke hasste die Dunkelheit und Kälte. „Hallo mein Kleiner. Entschuldige bitte, dass es so lange gedauert hat bis ich zu dir kommen konnte. Es sind ziemlich viele Dinge passiert seit du mich verlassen musstest. Das soll keine Entschuldigung sein, aber es tut mir wirklich leid, dass ich erst jetzt kommen konnte. Ich hoffe dir geht es gut, dort wo du jetzt bist. Das du nicht allein bist und einsam. Das dir warm ist und du alle möglichen leckeren Sachen essen kannst. Hast du unsere Mutter wieder getroffen? Ich hoffe es.“ Es gab noch hundert Sachen die sie ihm sagen wollte, doch vor lauter Schluchzer bekam sie kein Wort mehr heraus. Sie hoffte Locke habe ihn gehört. Sie spürte Michas Hand auf ihrer Schulter. Es war ein stummer Trost den er ihr damit vermitteln wollte und es half ihr sich langsam wieder zu sammeln und den Schmerz zurück zu drängen. Er legte ihr einen Blumenstrauß in die Hände und legte den zweiten selbst in den Cossie. „Hey Marco. Wenn du noch hier bist, dann würde ich dich gern um einen Gefallen bitten. Würdest du bitte nach Chris Bruder sehen und dich um ihn kümmern, wenn er allein sein sollte? Du konntest schon immer gut mit Kindern, also sorge gut für ihn, damit er nicht mehr einsam ist und im Tode glücklich sein kann.“ Stimmt, dass hatte Chris ganz vergessen, auch Micha hatte hier jemanden. „Danke.“ Sie lächelte ihn dankbar an. Sollte Locke hier wirklich ängstlich und allein liegen würde sie bald jemanden an ihrer Seite haben. Eigentlich glaubte Chris nicht an solche Dinge, aber es war eine beruhigende Vorstellung. „Ich war damals sieben Jahre alt als der Typ von vorhin unser Geld nahm und wir deswegen vom Heimleiter“ Chris machte Gänsefüßchen in der Luft als sie Heimleiter sagte. „dafür bestraft wurden ihm kein Geld beschafft zu haben. Locke war damals erst fünf Jahre alt, doch das war diesen Leuten egal. Sie schmissen uns aus dem Haus. Wir sollten die Nacht im Freier verbringen, dass war unsere Strafe. Ich habe alles versucht um Locke zu wärmen, aber die Temperaturen waren schon lange unter null gesunken. Meinem kleinen Bruder ging es davor schon nicht gut. In der Kälte stieg sein Fieber immer weiter an und dann wurde er in meinen Armen immer kälter. Ich konnte nichts für meinen Bruder tun. Ich hielt ihn in meinen Armen, aber es war einfach nicht genug. Wenn ich ihn woanders hingebracht hätte vielleicht würde er dann heute noch leben. Vielleicht hätte ich ihn einfach in ein Krankenhaus bringen sollen, vielleicht wäre dort ja ein netter Arzt gewesen der Mitleid mit uns gehabt hätte. Aber alles was ich getan habe war ihn in meinen Armen zu halten und ihn sterben zu lassen.“ Chris gab sich selbst die Schuld am Tod seines Bruders. Micha kannte dieses Gefühl nur zu gut.



„Ich bin mit Tino, Dom und Marco im selben Waisenhaus aufgewachsen. Wir hatten wohl Glück in einem der Staatlichen gelandet zu sein. Wir konnten in die Schule gehen und bekamen regelmäßig Mahlzeiten vorgesetzt. Aber auch dort kämpfte jeder für sich. Verfehlungen wurden hart bestraft und manche Kinder wurden vor die Tür gesetzt wenn sie sich nicht an die Regeln hielten. Wir vier waren im gleichen Zimmer mit noch vier Anderen, aber von denen hielten wir uns fern. Wir haben immer versucht uns aus Ärger rauszuhalten. Wir hatten gute Noten in der Schule und hofften auf ein besseres Leben. Wir hatten keine Ahnung wie die Realität außerhalb des Waisenhauses wirklich war. Wir dachten wir müssten nur in die Schule gehen, gute Noten haben und könnten später gute Arbeit finden. Wir wollten nie viel Geld verdienen, es sollte einfach nur zum Leben reichen. Diese Illusion platzte, als Tino mit seiner ruppigen Art den Zorn eines Lehrers auf sich zog. Der Lehrer wollte, dass Tino eine Aufgabe an der Tafel löste. Es war unmöglich. Der Lehrer begann Tino zu beschimpfen, er wäre der Abschaum der Gesellschaft, er hätte kein Recht hier zu sein und sich auf Staatskosten aushalten zu lassen. Wir alle wäre nur Schmarotzer die keine Ahnung hatten wie hart andere für ihren Lebensunterhalt arbeiteten. Ich biss die Zähne zusammen, denn es war nicht das erste Mal, dass wir solche Anfeindungen erlebt hatten. Doch nun schlug er Tino vor der gesamten Klassen mitten ins Gesicht, da Riss meine Selbstbeherrschung. Ich weiß nicht mehr wirklich was dann passiert war, aber der Lehrer musste danach ins Krankhaus gebracht werden. Tino und ich wurden der Schule verwiesen und natürlich auch aus dem Waisenhaus. Wir waren im dritten Jahr der Mittelschule, hatten unseren Abschluss fast in der Tasche. Wir saßen nun mit unseren gerade mal fünfzehn Jahren auf der Straße und wussten nicht wohin. Doch von irgendwas mussten wir leben und ich entschied, da uns die Gesellschaft eh nie annehmen würde, da wir keine Eltern hatten, sollten wir uns von dieser fernhalten. Ich hatte den Entschluss gefasst einer Gang beizutreten. Wir vier waren schon immer gute Kämpfer gewesen, zumindest für unser Alter. Zwei Wochen nachdem Tino und ich der Gang beigetreten sind, kamen Marco und Dom hinterher. Sie hatten die Schule geschmissen und das Waisenhaus verlassen. So sind wir bei The Silent Sharks gelandet. Es war nicht so, dass wir Gangster werden wollten, ich hatte zu dieser Zeit einfach keinen anderen Ausweg für uns gesehen und die Anderen sind mir vertrauensselig gefolgt. Ich war und bin für sie verantwortlich. Sie sind meine Familie die ich nie hatte. Doch ich konnte Marco nicht retten. Er wurde bei einem Bandenkampf erschossen. Normalerweise wurden keine Schusswaffen in solchen Kämpfen erlaubt. Wir wissen bis heute nicht wieso dieser Typ ausgerechnet auf Marco gezielt hatte. Denn nachdem Marco am Boden war schoss der Mann nicht weiter, wenn er nur helfen wollte, dass seine Gruppe den Kampf gewann, dann hätte er weiter geschossen, doch das tat er nicht. Der Kampf wurde von beiden Leadern beendet und die Gegenseite hat sich um den Typen gekümmert. Doch es ist meine Schuld, dass Marco jetzt nicht mehr bei uns war. Nur wegen mir, wegen der Entscheidung, die ich mit fünfzehn getroffen habe.“ Chris legt Micha ihren Arm um die Schulter und zog ihn ein wenig zu sich. „Denkst du wirklich, dass einer der drei dir die Schuld geben würde? Du warst fünfzehn und hast in diesem Moment eine Entscheidung getroffen, die euch erlaubte zu überleben. Denkst du denn ihr hättet in diesem Alter einen Job finden können, der euch hätte versorgen können? Ihr hattet nur diese eine Wahl. Euer Leben ließ euch nur diese eine Wahl. Die Gesellschaft ließ euch nur diese Wahl. Das System ließ euch nur diese Wahl. Wenn du willst kann ich versuchen heraus zu finden wieso dieser Mann auf Marco geschossen hat. Mit meinen Kontakten sollte es mir möglich sein etwas in Erfahrung zu bringen.“ Micha sah sie ganz ruhig an. „Wie kannst du sagen, dass es nicht meine Schuld ist, aber im gleichen Moment dir die Schuld für den Tod deines Bruders geben? Du warst damals sieben Jahre alt, ein Kind. Wäre die ganze Situation ein paar Jahre später passiert hättest du vielleicht andere Entscheidungen getroffen und dein Bruder hätte nicht sterben müssen. Aber wissen kannst du es nicht. Er hätte auch von einem eurer Aufseher tot geprügelt werden können. Wenn du nicht bei der Multi Group wärst, wer weiß ob du dann jetzt noch leben würdest. Was ich damit sagen will ist, dass man nie weiß was das Leben für einen bereit hält. Wir werden nie erfahren was hätte sein können und werden erst erfahren was noch kommen wird wenn die Zeit gekommen ist. Dieses ganze Was-wäre-wenn-Spiel ist unnötig und bringt nichts, denn selbst wenn du an einer gewissen Situation etwas hättest ändern können, weißt du nicht ob das Ergebnis nicht trotzdem das Gleiche gewesen wäre. Du hast alles getan was du konntest um für deinen Bruder da zu sein und du hast ihn geliebt, dass ist alles was zählt.“ Er hatte Recht, aber es war schwer zu akzeptieren. „Dann solltest du das gleiche machen. Gib dir nicht die Schuld an Geschehnissen die du nicht ändern konntest. Und ich finde heraus was hinter dem Schuss auf Marco steckte. Nenn mir nur seinen vollen Namen und den Tag an dem er passierte.“ Michael nannte ihr alles was sie wissen musste. Sie würde Rico bitten sich durch seine Kontakte bei der Polizei umzuhören. Micha und sie gingen zurück zur Straße und nahmen ein Taxi zurück zu Chris Heim. Sie ließ sich an der Ecke zur Straße absetzen um kein Aufsehen zu erregen wenn sie mit dem Taxi kam. Micha stieg zu ihrer Verwunderung mit ihr aus. „Du solltest zurück zu Dom und Tino, wieso bist du also ausgestiegen?“ Er sah sie an als wäre die Antwort total logisch und sie nicht ganz richtig im Kopf wenn sie die Antwort nicht kennen würde. Doch sie kannte sie wirklich nicht, also sah sie ihn weiter fragend an. „Nach allem was heute passiert ist, werde ich dich bis nach Hause bringen um sicher zu gehen, dass du gut ankommst und nicht noch etwas Dummes machst.“ Sie hatte sich wieder vollkommen im Griff, seine Sorge war also vollkommen unbegründet, aber wenn er sich so besser fühlte würde sie ihm seinen Willen lassen. Sie liefen gemeinsam die Straße entlang, als ihnen plötzlich eine Gestalt entgegenkam. Chris wusste sofort wer dort auf sie zukam und in ihrem Bauch begannen mal wieder die Schmetterlinge zu flattern. So viel zum Thema sie hatte sich wieder voll im Griff. Umso näher Rico ihnen kam, desto deutlicher konnte Chris den Unmut in seinem Gesicht ablesen. „Ist das eigentlich dein Ernst Chris? Du zwingst mir schon wieder ein Date mit dieser Tussi auf und gehst dann einfach unbemerkt weg um dich mit Micha zu amüsieren?“ Chris zuckte unter der Anschuldigung zusammen. Micha stellte sich zwischen Chris und Ric. Ihm war danach Ricardo für seine Worte eine zu verpassen, aber er hatte keine Ahnung was Chris in den letzten Stunden emotional durchmachen musste. „Ric beruhig dich mal wieder. Chris ist alt genug selbst zu entscheiden was er macht und dir in keinster Weise Rechenschaft schuldig. Also wie wäre es wenn du deine Vorwürfe stecken lässt und einfach normal fragst was Chris heute gemacht hat, vielleicht würdest du dann eine Antwort bekommen.“ Er drehte sich zu Chris um. „Ich lass euch Beide mal allein. Wenn was ist, dann ruf einfach an. Wir sehen uns. Macht es gut ihr zwei.“ Dann ging er los zurück zur Straße. Chris sah Rico vorsichtig an, er war wohl wirklich sauer wegen ihrer Aktion heute. „Wie ist es denn gelaufen?“ Ricardo seufzte erschöpft. „Wie soll es schon gelaufen sein? Wir haben wenig geredet, aber ich habe durchgehalten und war bis zum Abend mit ihr shoppen. Dann habe ich sie wie es sich gehört zum Essen eingeladen und hab sie nach Hause gebracht.“ Chris freute sich über das Gesagte. Irgendwie zumindest. Es freute sie, dass die Beiden sich etwas näher kommen konnten und Rico mit Lisas Anwesenheit kein Problem mehr hatte. Doch der Gedanke, dass Lisa darauf aufbauen würde und daraus mehr wurde schmerzte sie. Aber es war ihr Auftrag die Beiden zusammen zu bringen, ihre eigenen Gefühle spielten keine Rolle. Und sie hatte doch schon beschlossen, Lisa wirklich zu unterstützen und dann über die ihr wichtigsten Menschen zu wachen. Sie sollten glücklich werden. „Auf jeden Fall habe ich mir Sorgen gemacht als du plötzlich verschwunden warst und wir dich nicht erreichen konnten. Aber ich beruhigte mich mit dem Wissen, dass du dich wehren könntest, würdest du angegriffen und es wahrscheinlicher war, dass du uns mit Absicht allein gelassen hast. Doch als ich Lisa hier absetzte und bat dich noch mal rauszurufen und Lisa mir dann sagte du wärst noch immer nicht zu Hause, habe ich mir natürlich Sorgen gemacht.“ Chris ging das Herz auf, Rico hatte hier auf sie gewartet um sich selbst zu überzeugen, dass sie sicher zu Hause ankam. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir das heute wieder aufgedrängt habe, aber wenn du dich in ihrer Anwesenheit nicht mehr so unwohl fühlst nach diesem Tag, dann hat es sich doch auch gelohnt.“ Chris umarmt Rico. „Was ist denn jetzt los?“ Sie brauchte diese Nähe jetzt einfach. Sie musste sich sicher sein, dass Rico noch immer bei ihr war, gerade nach diesem Tag heute. „Sorry. Lass mich nur noch einen Moment. Ich komme gerade vom Ort wo mein Bruder ruht. Ich habe es heute endlich geschafft heraus zu finden wo sie ihn nach seinem Tod hingebracht haben. Micha ist mir gefolgt als er mich so durch den Wind gesehen hat, deswegen war er bei mir. Er hat mir damit wirklich geholfen. Allein hätte ich mich wohl nicht wieder gefangen und heute jemanden umgebracht. Also lass mich noch kurz so dastehen damit ich endgültig im Hier und Jetzt ankomme und die Eindrücke des Tages abstreifen kann.“ Das alles hatte Chris heute durchmachen müssen? Und Rico regte sich auf, weil er ihn mit Lisa allein gelassen hat? Er war manchmal wirklich ein Arsch. Er legte seine Arme um Chris und drückte ihn an sich. Es war schon komisch wie gut es sich anfühlte, diesen kleinen Körper an seinen gepresst zu spüren. „Tut mir leid, dass ich dich vorhin so angegangen bin ohne zu wissen was heute wirklich alles passiert ist.“ Chris schüttelte den Kopf an seiner Brust. „Nein dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen, es war nicht fair von mir einfach abzuhauen.“ Chris löste sich wieder von Ric und er hatte ein Gefühl des Verlusts den er nicht verstand. „Ich werde jetzt nach Hause gehen. Du solltest besser auch nach Hause. Es ist schon spät. Gute Nacht.“ Er lächelte noch mal und ging dann durch das Tor und ließ Rico allein draußen stehen. Was war nur mit seinen Gefühlen zur Zeit los? In einem Moment war er wütend nur um im Nächsten traurig zu sein, dann plötzlich glücklich. Nur Chris schaffte es ihm so ein Schleudertrauma an Emotionen zu verschaffen. Er lächelte und stieg auf sein Motorrad und fuhr Heim. Chris war auf ihrem Zimmer im Bett als Lisa noch mal zu ihr kam. „Chris ich danke dir wirklich sehr, dass du mir diesen Tag heute ermöglicht hast. Es war einfach perfekt. Ricardo war dieses Mal auch ganz anders als bei unserem Date im Belantis. Ich denke er beginnt langsam sich mir zu öffnen. Ich werde mein Bestes geben um ihm zu zeigen, dass wir beide wunderbar zusammen passen. Ich bin mir sicher, dass er es irgendwann verstehen wird, ich muss mir nur genügend Mühe geben.“ Chris wünschte Lisa ihr Glück, doch tief in ihrem Inneren war sie neidisch auf die unbekümmerte Art in der Lisa ihre Liebe ausdrücken konnte. „Ich wünsche dir nur das Beste. Und wenn du der Meinung bist, dass du dein Glück mit Rico finden kannst, dann werde ich euch mit allem was ich habe unterstützen.“ Lisa umarmte sie bevor sie mit einem „Gute Nacht.“, das Zimmer verließ.



Kapitel 19


Es war der 01. April. Viel hatte sich in den letzten Monaten bei Chris verändert. Konrad hatte öffentlich verkündet, dass er verliebt in Chris sei. Dieses Geständnis sorgte für großen Aufruhr. Auch Rico hat diese Enthüllung nicht kalt gelassen. Etwa zwei Wochen sind die Beiden immer wieder aneinander geraten, dann war plötzlich alles ruhig. Chris hatte sich zu dieser Zeit große Sorgen wegen der ganzen Aufmerksamkeit gemacht, die ihr wegen ihnen zu Teil wurde. Vielleicht hatten sie es auch bemerkt und deswegen ihr zu Liebe mit ihren Streitereien aufgehört. Leider zu spät. Simon hat von den Gerüchten gehört und sie eine Woche in seinem Haus in den Keller gesperrt. Sie hasste diesen Raum. Er war klein, dunkel und kalt. Außerdem verband sie mit diesem Raum nur schlechte Erinnerungen, hier wurde sie für jeden ihrer Fehler als Kind bestraft. Auch dieses Mal bekam sie in Simons persönlicher Folterkammer eine Lektion erteilt. Simon war überzeugt davon, dass Kon wissen musste, dass Chris ein Mädchen war, sonst hätte er sich nie in sie verliebt. Eine ganze Woche musste sie die Schläge und Fragen von Simon erleiden, doch sie sagte nur immer wieder, dass niemand ihr Geheimnis enthüllt hätte. Egal was er mit ihr tat, nie würde sie nachgeben und zugeben, dass Konrad um ihr Geschlecht bescheid wüsste. Sie wusste es wäre ihr Todesurteil, lieber ertrug sie alles was er an Schmerzen aufzubieten hatte. Nach einer Woche glaubte er ihr endlich und ließ sie gehen. Doch mit ihren Wunden musste sie weitere zwei Wochen zu Hause bleiben, er hatte ihr einige Rippen gebrochen. Rico hatte sie einmal besucht und auf Lisas Wunsch hin bei Chris geschlafen. Lisa machte sich zu dieser Zeit große Sorgen um ihren Bodyguard, es war auch schon Jahre her, dass Simon zu so drastischen Mitteln hatte greifen müssen. Jedenfalls wachte Chris an diesem Morgen in Ricos Armen auf, zu ihrem Pech war es genau der Tag an dem Simon nach ihr sehen wollte. Er sah sie zusammengekuschelt im Bett liegen und zählte eins und eins zusammen. Lisa versuchte noch mit ihm zu reden und ihm zu erklären, dass sie es war die wollte, das sich Rico um Chris kümmerte, da sie selbst die Nacht nicht mit einem Jungen verbringen konnte, doch Simon hatte alles gesehen was er sehen musste. Er stellte Chris ein Ultimatum. Sie sollte sich so gut es ging von Ricardo fernhalten. Ihr war es untersagt von sich aus Kontakt aufzunehmen, außer es wäre um Lisa in ihrer Beziehung zu ihm unter die Arme zu greifen. Sollte sie sich nicht daran halten würde Simon das als Betrug gegenüber ihres Chefs werten und Chris einfach loswerden, denn er hätte keinen Nutzen für fehlerhafte Mitarbeiter. Chris rief Kon zu sich und erklärte ihm die Lage damit er Rico einweihen könnte und er sich von ihm fernhielt. Nun hatte sie zwei Männer die ihr Leben in ihren Händen hielten. Konrad schien Erfolg gehabt zu haben, denn Ricardo hielt sich von Chris fern. Chris fühlte sich mit jedem Tag der verging ohne das sie mit Rico reden konnte immer leerer. Einen Tag war es so schlimm, dass sie in der Schule zusammenbrach. Kon hatte sich um sie gekümmert und sie versucht zu trösten. Am nächsten Tag hatte Rico sie abgefangen und in ihren Geräteraum in der Turnhalle geführt. Er hatte ihr seine Liebe gestanden und sie geküsst. Es war ein magischer Moment für sie gewesen. Sie hatte den Kuss erwidert und sich an ihn geschmiegt. Es war als würde die Zeit stillstehen und nur noch sie Beide existieren. Als sie jedoch Ricos Zunge an ihren Lippen spürte erwachte sie und stieß ihn von sich. Das durfte nicht sein. Sie schlug ihm ins Gesicht und ging. Er sollte sich jemanden suchen mit dem er glücklich zusammen sein konnte. Er hatte es verdient und sie liebte ihn zu sehr um ihn an sich zu binden nur um ihn nicht zu verlieren. Sie musste ihn von sich stoßen, für ihn und auch für sich selbst. Sie konnte ihr Leben nicht wegen ihrer Liebe aufs Spiel setzen, sie hatte es Locke versprochen. Danach war wieder alles beim Alten. Rico hielt wieder Abstand zu ihr, doch sie bemerkte, dass er sie immer wieder beobachtete. Konrad hielt sich nun auch in seinen Liebesbekundungen zurück, er hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, dass Chris all diese Schmerzen nur wegen seiner Gefühle für sie hatte ertragen müssen. Und Chris war fast wieder vollständig der gefühllose Roboter geworden.

Nun wurde sie von Simon an der Haustür abgepasst. „Miss Lisa, Sie müssen heute allein zur Schule gehen. Ich mache heute mit Chris einen Ausflug. Seien Sie beruhigt, wir sind heute Abend wieder da und vor dem Schulgelände werden den ganzen Tag heute Wachen stehen.“ Lisa nickte unsicher und ging aus der Tür. Chris hingegen bekam ein ungutes Gefühl. Simon hatte sie noch nie mit auf einen Ausflug genommen. Und das er es tat obwohl ein Schultag war und Lisa so auf Chris´ Schutz verzichten musste, zeigte dass es etwas Ernstes war. Sie fuhren in die Innenstadt und betraten ein Herrengeschäft. Die Verkäuferin kam direkt auf sie zu und begrüßte Simon beim Namen. „Guten Tag. Ich möchte gerne den Anzug für meinen Neffen abholen den ich bei Ihnen in Auftrag gegeben habe.“ Ein Anzug? Für Chris? Was war nur los? Sie ging mit der netten Dame mit und probierte ihn an. Er saß perfekt und Simon meinte sie sollte ihn anbehalten. Als nächstes kaufte er ihr passende Schuhe und eine Reisetasche aus Leder. Irgendetwas stimmte nicht. Noch nie hatte Simon so viel Geld für Chris ausgegeben. Der nächste Halt war ein Sternerestaurant. Chris wurde immer nervöser. Nach dem Essen bestellte Simon für sich und Chris einen Champagner. Als sie ihn hatten hob er ihn wie zum Toast an. „Ab jetzt liegt deine Zukunft in deinen Händen. Du wirst von mir jetzt deinen letzten Auftrag bekommen, wenn du diesen erledigt hast bist du frei. Du kannst tun und lassen was du willst. Du wirst als Frau leben können.“ Chris merkte ein Flattern in ihrer Brust. Noch nie in ihrem Leben war sie so aufgeregt wie in diesem Moment. „Wie lautet mein Auftrag?“ Sie versuchte sich zu beruhigen, was bei Simons nächsten Worten nicht besonders schwer für sie war. „Du wirst der Gang The Silent Sharks beitreten. Ich weiß, dass das erstmal ein Schock für dich sein muss, aber es ist notwendig. Als unser Chef und Henrik Buchkammer noch jung waren, schlossen sie ein Abkommen. Sie würden sich aus den Geschäften des Anderen raushalten und in der Not dem Anderen unter die Arme greifen, also eine Allianz bilden. Um dieses Geschäft zu festigen versprachen sie sich, ihre Söhne in die Obhut des jeweils Anderen zu geben. Unser Chef hatte nie einen Sohn, doch Herr Buchkammer zeigte sich verständig. Er meinte er würde auf ihr Kind warten. Sollte es wieder ein Mädchen werden, dann müsse er sie überreichen. Richard Schneider war mit diesem Angebot einverstanden. Niemals hätte er seine geliebte Tochter an eine Gang abgeben können. Der Sohn von Henrik Buchkammer war zwei Jahre bei uns als er bei einem Autounfall ums Leben kam. Zwei Jahre später starb auch das einzige Kind unseres Chefs zusammen mit ihrem Ehemann bei einem Brand. Lisa war damals gerade Mal 3 Monate alt. Und sie ist nun die einzige lebende Verwandte die Richard Schneider noch hatte um sein Versprechen an den Boss der Gang zu erfüllen.“ Chris stellte sich einen Moment Lisa zwischen all den Gangstern vor. Sie würde nicht mal einen halben Tag überleben und wenn doch, dann würde sie sich wohl wünschen sie wäre tot. Sie konnte ihr das nicht antun. Chris würde ein Gangster werden und Lisas Platz einnehmen. Ihr blieb so wie so nichts Anderes übrig. Doch für Lisa würde sie alles was da wohl auf sie zukommen wird gern auf sich nehmen. „Dir wurden damals von einem von Buchkammers Untergebenen Haare genommen. Damit hat er testen lassen ob du der Enkel von unserem Chef bist. Wir haben es geschafft das Labor zu bestechen und diesen Verwandtschaftsgrad zu bestätigen. Die Gang denkt nun du bist der Enkel von Richard Schneider. Ab jetzt musst du noch mal doppelt so vorsichtig sein wie bisher damit dein wahres Geschlecht nicht bekannt wird. Sie werden dich an deinem 18. Geburtstag holen und in die Gang einführen. Ich weiß, dass du das schaffst. Ich habe dich zusammen mit den besten Lehrern Deutschlands ausgebildet. Du wirst dort bleiben bis du 25 wirst, dann wird Miss Lisa ihr Studium beendet haben und zu viele Kontakte in ihrer Gesellschaftsschicht aufgebaut haben, somit kann Henrik Buchkammer keinen Finger mehr an sie legen.“ Chris würde es für Lisa tun, dass hatte sie sofort beschlossen. Es gab eh keinen Ort an den sie fliehen könnte. Sie musste diese Aufgabe erfüllen und so würde sie ihre Freiheit bekommen. Simon schob einen Umschlag zu ihr herüber und Chris sah hinein und zog die Dokumente heraus. „Das wird deine Bezahlung sein. Du kannst an deinem 25. Geburtstag darauf zugreifen, es wurde auf einem Treuhandfond für dich gelegt. Es sollte mehr als genug sein um dich für alles zu entschädigen was du bis jetzt durchmachen musstest.“ Sie wollten Chris 7 Mio. zahlen. Sie brauchte das Geld nicht wirklich, aber damit hatte sie noch ein Sicherheitsnetz mehr auf das sie zurückgreifen konnte. „Eine Millionen für jedes Jahr als Gangster. Ich denke, dass ist mehr als nur eine gute Entschädigung. Sobald die Zeit um ist, steht es dir frei zu tun was du möchtest. Du kannst von der Gang weglaufen. Wenn du dich dazu entschließt wieder eine Frau zu werden, wird es ihnen unmöglich sein dich zu finden. Du kannst den Namen Sarah Schreiber annehmen, auf diesen Namen läuft auch das Konto mit deinem Geld.“ Chris wurde ganz schlecht. „War das von Anfang an der Plan gewesen?“ Simon nickte. „Ja wir wollten einen Jungen in deinem Alter den wir als Lisas Halbbruder ausgeben konnten. Doch die Männer haben dich gebracht und ich habe beschlossen, dass es auf diese Weise, also mit dir als Frau, die sich als Mann ausgibt, ein noch besserer Plan wäre, da du so einfach untertauchen kannst. Wir haben dich aufgenommen und trainiert, damit du Lisa vor allem Übel beschützen kannst. Und bis heute hast du einen guten Job gemacht, du musst nur noch weitere 7 Jahre einen guten Job machen und Lisa wird sicher sein. Die Männer werden dich am 05. April holen, also an deinem 18. Geburtstag. Bis dahin steht es dir frei deine Zeit so zu verbringen wie du möchtest, du hast keine Auflagen mehr. Triff dich mit den Menschen die dir wichtig sind und verabschiede dich von ihnen. Miss Lisa darfst du erst am Abend des 04. sagen, dass du gehen wirst. Auch ihr wirst du natürlich nicht die Wahrheit sagen wo du hingehen wirst. Sobald du das Haus verlassen hast, solltest du nicht mehr mit uns in Kontakt treten, auch wir werden keinen Kontakt mehr zu dir aufnehmen. Vergiss aber niemals, dass wir dich weiterhin beobachten werden. Und denk daran, dass dein Leben für uns nur wichtig ist wenn du diesen Auftrag perfekt ausführst. Das ist der einzige Weg für dich.“



Kapitel 20


Chris hatte die ganze Nacht wach in ihrem Bett gelegen und über ihre Situation nachgedacht. Sie wollte ihre Freunde nicht verlassen. Sie wollte Lisa nicht allein lassen. Und vor allem wollte sie sich nicht von Rico trennen müssen. Doch sie hatte keine andere Wahl. Das war ihr Weg, seit ihrer Kindheit war er für sie bestimmt worden. Sie würde ihn gehen müssen und am Ende dieser Straße würde ihre Freiheit auf sie warten. Sie lag noch immer auf ihrem Bett und die Sonnenstrahlen blendeten sie. Chris beschloss aufzuhören über etwas nachzudenken an dem sie nichts ändern konnte. Sie sollte ihre Zeit besser damit verbringen mit den Leuten die ihr wichtig waren Erinnerungen zu schaffen. Sie würden ihr helfen die Einsamkeit die vor ihr lag zu überstehen. Sie schnappte sich ihr Telefon und rief Rico an. Dieser ging mit einem verwundertem „Ja?“, ans Telefon. „Lass uns ein Spiel spielen. Heute ist wunderbares Wetter. Die Spielregeln sind ganz einfach du musst mich nur finden, dann hast du gewonnen.“ Nach diesen Worten legte sie auf und machte sich fertig.

Ric lächelte sein Telefon an. Er wusste genau wo er Chris finden würde. Er zog sich seine Jacke an und fuhr zum Park. Er hatte Recht dort saß Chris im Park auf ihrer Bank. Er setzte sich neben ihn. „Jetzt habe ich gewonnen und was ist jetzt mein Preis?“ Er wollte Chris nur aufziehen, er war schon glücklich, dass er ihn kurz sehen konnte und seine Stimme hatte hören können. „Ich schenke dir diesen Tag. Du bestimmst was wir machen. Für heute gehöre ich ganz dir.“ Ric dachte er hatte sich verhört, doch Chris sah ihn mit funkelten Augen an und bestätigte damit das Gehörte. „Kein guter Preis oder warum siehst du mich so entgeistert an?“ Ricardo konnte sein lachen nicht zurück halten. Er musste träumen, anders war dieses Glück das er im Moment spürte nicht zu erklären. „Dann lass uns Essen besorgen und dann in die Villa fahren. Wenn du mir einen ganzen Tag schenkst, dann will ich diesen in Ruhe und mit dir allein verbringen.“ Chris nickte als Bestätigung, stand auf und reichte Ricardo seine Hand, er ließ sie auch nicht los nachdem er ihn von der Bank hochgezogen hatte. Sie fuhren in den nächsten Supermarkt, besorgten Tiefkühlpizza und sehr viel Knabberzeug und fuhren dann zur Villa. Sie schmissen die Pizzas in den Ofen und setzten sich aufs Sofa. Sofort kuschelte sich Chris an ihn. Er legte seinen Arm um ihn und Chris hob sein Gesicht und gab ihm einen Kuss. Es musste eine Illusion sein, aber es war ihm egal. Er hoffte einfach er würde aus diesem Traum nicht mehr aufwachen. Doch er hatte das Gefühl als würde Chris ihm schon jetzt entgleiten, als würde er ihn jeden Moment verlieren und nichts daran ändern können. Er beschloss ihre gemeinsame Zeit nicht mit trüben Gedanken zu vermiesen und einfach zu genießen. Sie saßen immer noch aneinander gekuschelt auf der Couch und genossen einfach die Gegenwart des Anderen. Der Timer piepte und machte sie darauf aufmerksam, dass es Zeit wurde ihr Pizzas aus dem Ofen zu holen. Chris holte sie und als sie aßen beschlossen sie einen Film zu sehen. Chris nahm die Fernbedienung und schaltete einen Film an. Ricardo war überrascht als Armageddon startete, er schien eine schwäche für Filme zu haben, die sowohl Action, Drama als auch Romantik enthielten. Chris schnappte sich mit der einen Hand ein Stück seiner Pizza und die Andere schob er zu Ricardos Hand und verflocht ihre Finger miteinander. So saßen sie da bis sie aufgegessen hatten und machten es sich dann wieder in Kuschelpose gemütlich. Als der Film endete lagen beide auf der Couch und hielten sich gegenseitig während ihnen Tränen aus den Augenwinkeln liefen. Sie beide wussten wie schmerzhaft es war ein Elternteil zu verlieren. Chris versuchte die Stimmung aufzuheitern. „Aber sind wir mal ehrlich die beste Szene dieses Films war der Abschied von A.J. und Grace, als er angefangen hatte zu singen.“ Chris lächelte ihn aus seinen Tränen verschleiernden Augen an und stupste ihn leicht mit dem Ellenbogen. Er lächelte zurück und begann dann schallend zu lachen. „Da könntest du recht haben, aber er hätte sich wirklich ein besseres Lied einfallen lassen können.“ Chris sah das offensichtlich anders. „Ich finde es hat ganz gut gepasst um die angespannte Stimmung zu lösen.“ Ric sah ihn skeptisch an. „Um die Stimmung zu lockern vielleicht, aber nicht um seine Gefühle für sie auszudrücken.“ Und dann begann er zu summen und dann zu singen.


Wise man say only fools rush in

But I can´t help falling in love with you


Shall I stay would it be a sin

If I can´t help falling in love with you


Like a river flows surly to the sea

Darling so it goes

Somethinks are meant to be


Take my hand

Take my hole life too

For I can´t help falling in love with you


Like a river flows surly to the sea

Darling so it Goes

Somethinks are meant to be


Take my hand

Take my hole life too

For I can´t help falling in love with you

For I can´t help falling in love with you


Chris liefen wieder die Tränen über die Wangen. Sie hatte versucht sie aufzuhalten, aber sie konnte sie einfach nicht mehr stoppen. Der Text passte perfekt zu ihrer Situation. Chris hatte versucht Rico nicht zu lieben, sie wusste, dass es falsch war, aber sie konnte nichts tun. Und Rico musste es ähnlich gehen wie ihr, gerade weil er dachte, dass sie ein Mann war. Sie küsste ihn als er sein Lied für sie beendet hatte. Ihre Brust schmerzte als sie an den bevorstehenden Abschied dachte, doch sie verdrängte ihn und vertiefte ihren Kuss.



Sie würde diesen Abend genießen und diese Erinnerung als ihren Schatz hüten.

So verbrachten sie den Rest ihres Abends damit wie verliebte Jugendliche, die sie ja auch waren, auf dem Sofa rumzuknutschen. Der Tag war fast vorbei und Rico brachte Chris nach Hause. „Würdest du mich noch kurz in den Garten begleiten? Es gibt da etwas um das ich dich bitten möchte.“ Rico nickte und schon war Chris über die Mauer geklettert. Sie wartete auf der anderen Seite, dass Ricardo ihr folgte und ging dann zum alten Eichenbaum der im hintern Teil des Gartens stand. „Warte kurz hier auf mich.“ Sie ging und holte eine Schaufel aus dem Schuppen. Als sie zurück war begann sie zu graben, etwa einen halben Meter unter der Erde entdeckte sie endlich was sie gesucht hatte. Sie holte die Kiste heraus und reichte sie gleich an Rico weiter. „Würdest du dieses Kästchen bitte meinem Paps geben? Er soll es in den Tresor der Villa packen.“ Ric kam die ganze Aktion ziemlich komisch vor. „Was ist in der Schachtel? Und wieso gibst du es ihm nicht selbst oder legst es selbst in den Tresor?“ Chris sah die Kiste an und ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Da drin ist mein wahres Ich. Es ist meine Vergangenheit. Es sind Erinnerungsstücke meiner Mutter. Wenn ich frei bin werde ich die Box öffnen und alles wieder rausholen, aber eben erst dann. Bis dahin werde ich Chris Kleintke bleiben. Und ich gebe sie dir, weil ich dir vertrauen kann, dass du sie auch nicht öffnen wirst und sie sicher zu Paps bringen wirst. Ich werde ihn noch eine ganze Weile nicht sehen und auch das Haus kann ich erstmal nicht mehr betreten. Falls ich heute doch mit dir beobachtet wurde wie wir in diese Villa gegangen sind wäre es nicht klug so bald wieder dort hin zurück zu kehren. Sollten sie prüfen wer das Haus gekauft hatte, werden sie denken, dass wir einfach Paps besucht haben, aber wenn ich dort zu oft hingehe werden sie misstrauisch. Also tu mir den Gefallen und bring ihm die Kiste.“ Er war nicht wirklich überzeugt, es klang zu sehr nach Ausrede, aber er wollte Chris auch nicht zu sehr drängen. „Verstanden, aber eine Frage habe ich noch. Wieso gräbst du sie gerade jetzt aus? So wie die Schachtel aussieht lag sie dort schon jahrelang, was also hat sich verändert?“ Er drehte sich von Rico weg und sah die Eiche an. „Der Baum soll gefällt werden, wenn das passiert werden sie danach die Wurzeln entfernen und dabei auf mein Kästchen stoßen. Da das auf gar keinen Fall passieren darf habe ich sie jetzt ausgegraben und gebe sie dir.“ Auch das klang nicht wirklich weniger erfunden. Aber er hatte schon längst gelernt, dass man Chris seinen Freiraum bei solchen Sachen lassen musste, die Zeit würde kommen und er wird sich ihm anvertrauen. „Verstanden. Ich werde die Sachen zu deinem Paps bringen und ihm sagen er solle sie in den Tresor in der Villa packen.“ Chris lächelte ihn glücklich an. Er legte ihm seine Arme um den Nacken hob seinen Kopf und Ric beugte sich ihm für einen Kuss entgegen. Kurz bevor ihre Lippen sich trafen nuschelte Chris noch ein „Danke.“, dann küssten sie sich. Der Kuss war von Chris Seite aus so verzweifelt, dass er Ricardo die Tränen in die Augen trieb. Irgendetwas war im Gange. Er wusste es schon seit Chris ihm diesen Tag geschenkt hatte, doch er hatte es die ganze Zeit verdrängt, doch dieser Kuss zeigte ihm, dass sein Gefühl richtig war. Chris löste sich langsam von ihm. „Ich werde jetzt reingehen, die Uhr hat schon Mitternacht geschlagen und unser Märchen ist hier erstmal zu Ende.“ Zu Ende? „Die Uhr hat zwar Mitternacht geschlagen, aber Aschenputtel bekam danach trotzdem noch ihr Happy End und ich werde dafür sorgen, dass du deines auch bekommst.“ Er gab Chris noch einen leichten Kuss und ging. Er würde es so nicht enden lassen.



Kapitel 21


Die nächsten beiden Tage verliefen ereignislos. Chris verbrachte viel Zeit mit Lisa. Sie würde sie schrecklich vermissen, wenn sie erstmal weg wäre. Über die hälfte ihres Lebens hatte sie an der Seite dieses Mädchens verbracht. Sie würde sich einsamer als jemals zuvor fühlen, denn wenn sie erst ging würde sie auch ihre Freunde, wie Kon und Sebastian verlieren. Auch Rico wird sie zurück lassen, sogar ihren Paps. Wenn sie mit 25 erst wieder auftaucht, wird sie sich bestimmt einiges von ihm anhören müssen. Am Abend bestellte Simon sie in den Trainingsraum. „Du wirst morgen früh nicht zur Schule gehen, sondern zum Bahnhof. Wir haben beschlossen es so aussehen zu lassen, als wolltest du das Land verlassen. Du hast ein Ticket für den Zug zum Flughafen und dann ein Flugticket nach London. Sie werden dich sehr wahrscheinlich gleich am Bahnhof abpassen, sorg dafür, dass niemand bemerkt, dass alles so von uns geplant war. Es wird so aussehen, als versuche der Chef seinen geliebten Enkel vor der Gang in Sicherheit zu bringen. Und genau das sollen sie auch glauben. Ich weiß, dass du deine Rolle perfekt spielen wirst, du hast eine bessere und umfassendere Ausbildung als jeder den ich kenne. Du bist ein Ausnahmetalent, deswegen sind wir uns so sicher, dass du die Einzige bist die diese Aufgabe erfüllen kann.“ Chris war sich nicht sicher ob sie Simons Ansprache als Kompliment auffassen sollte. „Verstanden. Ich werde also morgen früh zum Bahnhof gehen und so tun, als wäre ich auf der Flucht. Ich werde den Auftrag erfüllen und dafür sorgen, dass Miss Lisa in Sicherheit ist.“ Simon lächelte sie zufrieden an. „Sehr gut. Und jetzt bereite dich für morgen Früh vor.“ Sie bedankte sich noch bei ihm für alles was er in den letzten 10 Jahren für sie getan hatte. Sie meinte nur die Hälfte von dem was sie sagte wirklich ernst aber das spielte keine Rolle. Dann ging sie und rief auf dem Weg aus dem Haus Konrad an. „Hey Kon. Hier spricht Chris. Könntest du dich mit mir am Bahnhof treffen? Es gibt da etwas wichtiges was ich mit dir besprechen muss.“ Er bestätigte ihr, dass er sich sofort auf den Weg machen würde und auch sie stieg schon in ein Taxi.

Sie wartete am Ostausgang auf ihn und er kam strahlend auf sie zugelaufen. Dieses Lächeln verpasste ihr einen Stich im Herzen. Sie würde ihm gleich das Herz erneut brechen müssen. Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange und sie ließ es zu. „Hey. Ich komme am besten gleich zum Thema. Ich habe dich her bestellt um mich von dir zu verabschieden.“ Er sah sie misstrauisch an, doch er ließ sie aussprechen. „Ich habe nun endlich meinen letzten Auftrag erhalten. Ich werde für mehrere Jahre ins Ausland gehen müssen.“ Kon sah sie geschockt an, doch dann glättete sich sein Gesicht wieder. „In Ordnung. Ich kann dich nicht aufhalten, aber du musst mir versprechen zurück zu kommen. Wenn du es nicht tust werde ich dich suchen kommen.“ Er reagierte gefasster als sie gedacht hatte. „Mein Auftrag ist am 05. April in 7 Jahren beendet. Also morgen in 7 Jahren bin ich frei, dann komme ich zurück. Das verspreche ich.“ Er nickte langsam als würde er darüber nachdenken. „Verstanden. Im Moment bin ich machtlos und kann dich nicht schützen, also werde ich dich gehen lassen und auf deine Rückkehr warten. Aber das erklärt wenigstens das Geschenk, dass ich plötzlich von dir bekommen habe und die Fütteraktion heute Mittag.“ Sie hatte ihm eine ihrer Uhren die sie von Paps bekommen hatte gravieren lassen und geschenkt. Auf der Innenseite stand nun forever friends E.S. sie hatte ihm gesagt, „Irgendwann erkläre ich dir diese Gravur.“ Und er hatte es so stehen lassen. „Ich wollte noch ein paar schöne Erinnerungen mit euch allen sammeln. Ich hatte die letzte 4 Tage vollkommen frei, deswegen konnte ich mir solche Aktionen leisten. Ich müsste dich noch um einen letzten Gefallen bitten. Hier in diesem Umschlag steht alles drin was du wissen musst. Könntest du zu diesen Personen alles herausfinden was du kannst? Wichtig für mich ist vor allem wieso es überhaupt zu diesen Geschehnissen kam. Ich hatte Rico schon gebeten sich bei der Polizei umzuhören, aber auch er konnte nichts Genaues erfahren. Vielleicht bekommen deine Kontakte an bessere Informationen. Schick bitte alles was du herausfindest an die Adresse die du im Dossier findest.“ Sie hatte noch immer nichts Genaues über die Umstände von Marcos Tod herausgefunden. Kon war ihre letzte Hoffnung doch noch etwas zu erfahren und so vielleicht Michaels Gewissen zu erleichtern. Konrad würde sicher etwas herausbekommen und es an ihre Villa schicken. Sie würde Micha ihren Schlüssel zum Postkasten geben damit er jede Woche nachsehen konnte. Chris konnte nur hoffen, dass sie dazu auch noch die Gelegenheit bekam, denn sie machte sich nichts vor, nur weil sie dann beide in der Selben Gang waren hieß das nicht, dass sie Kontakt zueinander haben würden. „Ich schaue was ich machen kann.“ Sie drückte ihn noch mal an sich. „Danke. Für Alles was du die ganze Zeit für mich ertragen hast und für mich getan hast. Ich werde euch alle so unheimlich vermissen. Machs gut.“ Dann drehte sie sich schon zum gehen, da sie die Tränen nicht mehr aufhalten konnte. „Wir werden dich auch alle vermissen und hier auf dich warten. Wir werden alle erwachsen sein und besser als je zuvor.“ Sie hob die Hand als Zeichen das sie verstand, da sie den Kloß in ihrem Hals einfach nicht wegschlucken konnte.

Zurück in ihrem Zimmer, lag sie in ihrem Bett und versuchte die schleichende Einsamkeit zurück zu drängen. Es klopfte vorsichtig an ihrer Tür und Lisa kam herein. „Hey. Kann ich mich ein wenig zu dir legen? Ich kann nicht schlafen.“ Chris lächelte, stand jedoch von ihrem Bett auf und ging zu Lisa. „Komm auf meinen Rücken. Ich nehme dich Huckepack und bring dich zurück in dein Zimmer. Ich werde noch eine Weile bei dir bleiben.“ Lisa begann zu kichern. „Das ist die gleiche Szene die wir am Abend unserer ersten Begegnung hatten.“ Chris lächelte sie liebevoll an. Sie hatte das Gleiche gedacht, als Lisa ihren Kopf in ihr Zimmer gesteckt hatte, deswegen dachte sie, dass es auch ein guter letzter Abend werden würde. „Ja ich weiß.“ Dann nahm sie Lisa huckepack und brachte sie zurück in ihr Zimmer. „Wirst du mir ein Gute-Nacht-Lied singen?“ Sie legte Lisa ins Bett setzte sich neben sie und streichelte ihr Haar als sie ein letztes Mal für Lisa sang. You are my sumshine my only sunshine…



Kapitel 22


Chris wacht schon früh auf, sie wollte das Haus verlassen haben bevor Lisa wach wurde um zur Schule zu gehen. Sie hatte es letzte Nacht nicht übers Herz gebracht Lisa von ihrem Abschied zu erzählen. Chris hat ihr einen Brief geschrieben und ihn auf ihrem Nachtschrank liegen gelassen.


Liebe Lisa,

es heißt nun Abschied nehmen. Ich werde für einen Auftrag für die nächsten Jahre das Land verlassen müssen. Es tut mir wirklich leid, dass ich es dir nicht vorher gesagt habe, aber ich wollte unser Lebewohl nicht noch schmerzhafter machen. Wir haben mehr als die Hälfte unseres Lebens gemeinsam verbracht und ich war wirklich glücklich darüber so viel Zeit mit so einer besonderen Person wie dir verbracht zu haben. Du hast Licht in meine Dunkelheit gebracht, mich vor der vollkommenen Einsamkeit gerettet. Dafür werde ich dir immer dankbar sein. Denk immer daran du bist eine starke Frau und du wirst die Welt für dich erobern. Ich war immer Stolz auf dich. Glaube immer an dich, so wie auch ich immer an dich geglaubt habe. Du kannst alles schaffen was du möchtest, denn du bist wahrlich gesegnet. Halte an den Dingen fest die dich glücklich machen und lasse traurige und unschöne Dinge hinter dir. Vergiss niemals, du bist meine kleine Schwester und ich werde dich immer lieben, wo ich auch sein mag. Und wenn das Schicksal es gut mit uns meint werden wir uns wiedersehen. Ich glaube ganz fest daran, dass es uns vergönnt ist. Also werde zu einer starken, unabhängigen, lebenslustigen und intelligenten Frau.


Ich liebe dich.

Chris


Chris ging hinunter und stellte ihre Tasche vor der Tür ab. Sie klopfte ans Büro von Richard Schneider und trat nach seiner Antwort ein. „Ich wollte mich für die letzten Jahre bedanken, die ich in Ihrer Obhut gewesen bin und mich verabschieden.“ Ihr Chef sah sie ausdruckslos an. Er hatte auch ein perfektes Pokerface. „Ich danke dir für all die Jahre in denen du dich so gut um meine Enkelin gekümmert hast. Sie konnte dank dir ein unbeschwertes und normales Schulleben führen, dafür bin ich wirklich dankbar. Ich weiß, dass du auch dieses Mal deinen Auftrag perfekt erfüllen wirst und Lisa damit schützen. Ich wünsche dir das du es schaffst dir deine Freiheit und ein sorgloses Leben zu schaffen.“ Sie verstand den Wink. Sie müsse diese Mission erfüllen sonst würde sie sterben, wenn nicht durch die Gang, dann durch die Männer der Multi Group. „Danke Sir.“ Damit verließ sie den Haushalt der Schneiders um sich auf den Weg zum Bahnhof zu machen. Als sie im Taxi zum Hauptbahnhof saß wählte sie Ricos Nummer. Er meldete sich verschlafen am anderen Ende. Chris musste lächeln. „Hey Rico. Ich rufe an um mich von dir zu verabschieden.“ Sofort war Ric hellwach. „Was meinst du damit verabschieden?“ Er hatte es gewusste, irgendwas war geschehen. „Ich werde für die nächsten Jahre einen Auftrag im Ausland erledigen müssen.“ Chris wollte ihn verlassen. „Wo bist du gerade? Ich komme hin.“ Er musste ihn aufhalten. Er konnte ihn nicht verlieren. „Ich bin schon fast am Bahnhof und mein Zug kommt gleich. Du würdest es nicht rechtzeitig schaffen.“ Er hatte es genau geplant, dass wusste Ricardo. „Wieso tust du das? Kehr um und komm zu mir. Ich werde dich beschützen.“ Und wenn er ihn versteckt ins Ausland würde schmuggeln müssen um ihn in Sicherheit zu bringen. „Du weißt, dass ich das nicht machen werde. Ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben für das meine Aufgibst. Du hast hier Familie um die du dich kümmern musst, du kannst nicht einfach verschwinden. Ich muss gehen. Es ist mein letzter Auftrag, danach bin ich frei. Ich werde wieder Ich sein können. An meinem falschen 25. Geburtstag, also am 05. April werde ich meinen Auftrag beendet haben. Dann werde ich zurück kommen, wenn du bis dahin auf mich wartest, werde ich ganz dein sein.“ Das waren 7 Jahre auf den Tag genau. Wie sollte er nur eine so lange Zeit ohne Kontakt zu Chris überleben? „Natürlich werde ich warten. Ich werde immer auf dich warten. Nie wieder in meinem Leben werde ich jemand anderen als dich lieben. Und wenn du erst wieder bei mir bist werde ich dich nie wieder gehen lassen.“ Er hörte wie Chris am anderen Ende der Leitung aufschluchzte. „Ich liebe dich auch und ich verspreche, dass ich nach diesen Jahren zu dir zurück kommen werde.“ Dann legte Chris einfach auf. Ric wollte noch so viel mehr sagen, aber vielleicht war es besser so. Es würde sich sonst zu sehr nach Abschied für immer anhören. Er musste einfach daran glauben, dass Chris zu ihm zurück kommen würde. Ricardo würde ihn wiedersehen. Doch auch wenn er diese Zeilen immer wieder in seinem Kopf wiederholte, änderte es nichts an dem Schmerz der sein Herz zu zerquetschen drohte. Das Atmen viel ihm schwer. Er musste sich zusammen reißen, durfte daran nicht zerbrechen. Aber egal was er sich sagte, sein Körper folgte seiner Seele, die vor Schmerzen schrie.

Chris klammerte sich an ihr Telefon und versuchte sich wieder zu beruhigen. Sie war froh, dass sie sich dazu entschlossen hatte Rico zum Abschied nur anzurufen und nicht zu treffen. Hätte sie ihn gesehen wäre sie sicher schwach geworden und wäre auf seinen absurde Idee eingegangen. So war es besser. So war keiner ihrer Liebsten in Gefahr und sie würde diese Jahre durchstehen und ihre Unabhängigkeit bekommen. Bis sie am Bahnhof ankamen hatte sich Chris wieder beruhigt und ihr Gesicht von ihren Tränenspuren befreit.



Kapitel 23


Michael wurde zu Schröder ins Büro bestellt. Er fühlte sich schon jetzt unwohl, denn wenn sein oberster Chef etwas von ihm direkt wollte, dann bedeutete dass für ihn immer sehr unangenehme Aufgaben. Er klopfte an die Tür und trat nach der Erwiderung ein. „Hallo Michael. Machen wir es ganz kurz und sparen uns die Höflichkeiten. Du nimmst dir deine Männer und fährst mit ihnen zum Hauptbahnhof. Dort werdet ihr für den Boss einen Jungen abfangen. Er ist 18 Jahre alt, hat ein recht feminines Gesicht, um die 1,75 Meter groß, mittellange dunkle Haare und grüne Augen. Er trägt eine dunkle Jeans, ein grünes Shirt, grüne Sneakers und eine Reisetasche aus Leder. Ihr solltet ihn leicht ausfindig machen.“ Michael bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend, die Beschreibung traf einfach zu gut auf Chris zu. „Was soll ich mit dem Jungen machen wenn ich ihn abgepasst habe?“ Er konnte nur hoffen, dass er sich irrte, doch er hatte schon immer ein gutes Gespür gehabt und meistens trafen seine Vermutungen zu. „Bring ihn in die Lagerhalle. Ich werde dort warten. Wir werden ihn in die Gang einführen und ihm erstmal unsere Werte beibringen.“ Was bedeutete sie würden so lange auf ihn einschlagen bis er halb tot war, damit er verstand wo er stand und dass Befehle in einer Gang absolut waren. Er nickte, verließ das Gebäude und stieg zu Dom und Tino in den Wagen. „Wir müssen zum Bahnhof und jemanden abholen. Wenn ich richtig liege wird das Chris sein und er wird dann in die Gang eingeführt.“ Tino war bei seiner Angabe zum Ziel schon losgefahren, trat aber nun da er den ganzen Auftrag kannte hart auf die Bremse. Auch Dom drehte sich zu ihm um und sah ihn entgeistert an. „Ist das dein Ernst? Du willst Chris an den Boss ausliefern?“ Von wollen war keine Rede, aber was würde mit ihnen passieren sollten sie Chris entkommen lassen? „Lasst uns erst mal zum Bahnhof fahren und schauen ob es wirklich Chris ist. Wenn nicht können wir uns die ganze Diskussion sparen. Wenn er es doch sein sollte, dann fragen wir Chris was er machen möchte, vielleicht hat er ja schon einen Plan.“ Tino fuhr wieder weiter und parkte den Wagen im Parkhaus. Sie begaben sich zu den Gleisen und leider entdeckte Micha Chris. Noch nie hatte er sich so sehr darüber geärgert mit einer Vermutung Recht behalten zu haben. Sie gingen auf ihn zu und lächelten ihn schief an. Was sollten sie auch sonst tun? „Also ganz ehrlich, als mir gesagt wurde, dass mich ein paar von eurer Gang hier abpassen würden, hatte ich nicht damit gerechnet, dass ihr hier erscheinen würdet.“ Er hatte sie schon erwartet? Also war es ein Auftrag den er bekommen hatte, doch wozu? Chris würde in der Gang nicht lange überleben, zumindest nicht mental. „Jetzt da du weißt, dass wir es sind, solltest du so schnell es geht von hier verschwinden und untertauchen. Das wäre deine Chance von hier wegzukommen.“ Chris schüttelte den Kopf. „Nein ich werde euch begleiten. Das hier ist meine letzte Aufgabe, wenn ich ihn beendet habe, werde ich frei sein. Ich könnte mir nicht vorstellen ein Leben auf der Flucht leben zu müssen. Ich werde alles ordentlich beenden und dann endlich frei sein.“ Chris schien sich nicht umstimmen lassen zu wollen. Doch nur weil er dann frei von der Multi Group war, hieße das nicht, dass The Silent Shark ihn gehen lassen würde. „Und wie hast du vor von der Gang wegzukommen? Du meintest, du willst keine Leben auf der Flucht, aber denkst du wirklich sie würden dich einfach gehen lassen?“ Chris lächelte ihn an. „Mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe einen Plan wie ich aus der ganzen Sachen heil heraus komme. Doch mit diesem Plan kann ich eben nur der Gang entkommen und nicht der Multi Group, also muss ich das durchziehen.“ Micha merkte schon, dass es sinnlos war weiter mit Chris zu diskutieren, er würde seine Meinung nicht ändern. „Verstanden, aber ich sage gleich, wir können dir hierbei nicht helfen. Egal was du durchmachen musst, dass musst du ganz allein durchstehen. Du wirst ganz unten in der Ganghierarchie stehen. Niemand wird dich mit Samthandschuhen anfassen, du wirst die Schläge die du bekommst ertragen müssen und jede Aufgabe erfüllen die sie dir auftragen. Verstehst du was ich meine? Es spielt keine Rolle wie stark du bist, du wirst dich nicht wehren können.“ Sie sah ihn traurig an. „Hast du vergessen wo ich bis jetzt gelebt habe? Ich bin mir das Alles schon gewohnt. Schmerzen kann ich ertragen und ich habe fast mein ganzes Leben damit verbracht Befehle von den Menschen um mich herum zu befolgen. Ich muss das jetzt durchstehen.“ Chris hatte recht, er kannte die Struktur von klein auf, aber die Aufgaben die er bei der Gang zu erledigen hatte, werden anders sein als die die er bis jetzt hatte. Sie würden ihm seine Unschuld nehmen und sein Gewissen belasten. Michael konnte ihm diese Bürde nicht abnehmen und Chris hatte sich selbst dazu entschieden diesen Weg zu gehen. Sie gingen zum Auto und Michael setzte sich zu Chris auf die Rückbank. Als sie losfuhren schlug er Chris einmal kräftig ins Gesicht, sodass ihm die Lippe aufplatzte. Chris begann zu lachen. „Ich hoffe wirklich, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem du mich nicht für mein eigenes Wohl schlagen musst.“ Sie fuhren eine ganze Weile bis zur Lagerhalle, doch niemand sagte ein Wort. Die Stimmung war bedrückt, keiner von ihnen war einverstanden damit Chris gleich sich selbst überlassen zu müssen. Als sie ankamen drehte sich Tino zu ihnen um. „Chris wenn du merkst, dass sie einen guten Punkt getroffen haben, dann solltest du die Möglichkeit nutzen und dich ohnmächtig stellen. Sie werden dann aufhören und erst weiter machen wenn du wieder zu dir gekommen bist. Sie wollen das du den Schmerz direkt mitbekommst.“ Chris nickte und stieg dann aus. Micha stieg ebenfalls aus und packte ihn am Ellenbogen. „Tu einfach alles was sie dir sagen und halt durch. Viel Glück.“ Dann übergab er ihn an seinen Chef und kehrte zu seinen Freunden zurück. Er fühlte sich elendig und seinen Freunden ging es genau so, dass sah er ihnen an.

Nachts schlichen sie sich durch die Fenster in die Halle und desinfizierten Chris Wunden. Es war schlimmer als Micha erwartet hatte. Chris hatte an den Armen und Beinen mehrere Schnittwunden. Auch sein Gesicht sah nicht mehr schön aus. Er half ihm sich aufzusetzen. Tino hielt ihm ein kleines mundgerechtes Stück Brot an die Lippen. „Hier du musst etwas essen sonst überlebst du es nicht.“ Chris öffnete den Mund und aß vorsichtig einen Happen nach dem Nächsten. Als er das Brot aufgegessen hatte kam Dom gleich mit der Flasche Wasser und einem Strohhalm. Er dachte auch wirklich an alles. „Trink und dann leg dich wieder hin und schlaf, es wird deinem Körper helfen sich etwas zu erholen.“ Chris nickte und begann am Strohhalm zu saugen um trinken zu können. Als er fertig war legte Michael ihn wieder vorsichtig ab. Chris hatte in der ganzen Zeit nicht einen Schmerzlaut von sich gegeben, nicht mal sein Gesicht hatte er verzogen. „Wir kommen jeden Abend zurück um deine Wunden zu versorgend und dafür zu sorgen, dass du in dieser Zeit nicht verdurstest. Tut uns leid, dass wir nicht mehr machen können.“ Chris sah sie der Reihe nach an und nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. Zumindest glaubte Micha, dass es ein Lächeln sein sollte, bei diesem angeschwollenen Gesicht war es gar nicht so leicht zu bestimmen. Tino beugte sich zu ihm herunter und gab ihm eine Dose mit Tabletten. Chris sah sich das Etikett genau an und schüttelte dann den Kopf und gab sie zurück. „Das hatte ich mir schon fast gedacht aber ich wollte sie trotzdem anbieten. Ich nehme sie wieder mit und falls du es dir anders überlegen solltest werde ich sie dabei haben.“ Dann stand er wieder auf. Doch Chris sah ihn finster an und schüttelte weiter ihren Kopf. Dann gingen sie zurück, kletterten aus dem Fenster, verschlossen es wieder und setzten sich ins Auto. „Was waren das für Pillen, die du Chris angeboten hast?“ Tino sah etwas beschämt aus. „Es war Oxy. Ich habe sie für den Notfall eingepackt, aber ich hatte ehrlich gesagt nicht mit solch schlimmen Verletzungen gerechnet.“ Jetzt war Micha klar wieso Chris die Schmerzmittel abgelehnt hatte. In dieser Situation war die Suchtgefahr viel zu hoch. „Ich war schon bei einigen Gangeinführungen dabei, aber noch nie habe ich gesehen, dass jemand so schlimm verletzt wurde wie Chris. Und es war gerade mal der erste Tag. Ob er es überstehen wird?“ Dom hatte recht, auch Micha hatte so schlimme Verletzungen bei einer Initiierung noch nie gesehen. Chris war schlau, er konnte sich nicht vorstellen, dass er etwas getan hatte, was Schröder so aufgeregt hat. Es musste also ein Befehl vom Boss sein Chris so durch sie Mangel zu drehen. Wenigstens war Micha sich sicher, dass sie ihn nicht umbringen würden, dafür hätten sie ihn nicht extra abfangen müssen und darum würde sich auch nicht ihr Chef persönlich kümmern.

Das ganze ging nun schon 8 Tage und Chris war sich wirklich nicht sicher wie viel ihr Körper noch ertragen konnte. Außerdem musste sie sich langsam richtig um ihre Schnittwunden kümmern und brauchte dringend Antibiotika. Als sie mit ihrer Folter für diesen Tag aufhörten, war Chris kaum noch bei Bewusstsein. Sie spürte jedoch, dass sie hoch genommen wurde und aus dieser Halle in ein Auto gepackt wurde. Sie fühlte sich in diesen Armen sicher, deswegen erlaubte sie ihrem Verstand abzuschalten, dann wurde auch schon alles schwarz um sie herum. Das nächste Mal, dass sie zu sich kam, lag sie in einem weichen Bett. Sie versuchte sich aufzusetzen und gleich waren da Hände die ihr dabei halfen. Als sie aufsah, schaute sie direkt in Michas Gesicht, der sie mitleidig anlächelte. „Jetzt wo du wach bist, sollten wir uns um deine Wunden kümmern.“ Das kam überhaupt nicht in frage. „Würdest du mir bitte zeigen wo das Bad ist und mir meine Tasche dort hin bringen? Ich versorge meine Wunden schnell selbst. Wärst du so nett und würdest mir was Leichtes zu essen machen?“ Irgendwie musste sie ihn ablenken, damit sie sich unauffällig und allein ausziehen und verarzten konnte. „Okay. Aber wenn du mit etwas Probleme hast, ruf mich sofort, ich komme dann um dir zu helfen.“ Er war in diesem Punkt genau wie sie selbst. Ein Kümmerer. Im Bad schloss Chris als erstes die Tür zu, dann entkleidete sie sich und besah sich ihre Wunden genauer. Sie müsste als erstes den ganzen Dreck von ihrem Körper und Wunden entfernen. Also stellte sie sich unter die Dusche und wusch sich vorsichtig, aber schnell. Sie wusste, dass Wasser auf offenen Wunden nicht wirklich gut war, aber sie würden sich entzünden, wenn sie den Dreck nicht loswurde. Sie hatte wirklich Glück, dass Micha, Dom und Tino jede Nacht gekommen waren um ihre Verletzungen zu desinfizieren, sonst hätten sie sich längst schlimm entzündet und sie wäre vielleicht schon an einer Blutvergiftung gestorben. Das Handtuch, dass Michael ihr zum abtrocknen gegeben hatte war nun auch versaut, da einige der Verletzungen wieder zu bluten angefangen hatten. Sie begann damit jede der Wunden zu reinigen, manche musste sie erneut öffnen um den Schmutz heraus zu bekommen. Dann desinfizierte sie die Schnitte, Schrammen, Platzwunden und Kratzer. Die größeren und tieferen Schnitte beschloss sie zu nähen, so hatte sie zumindest unauffälligere Narben. Dieser Mistkerl von Michaels Chef hatte ganze Arbeit geleistet. Er hatte die Schnitte gut gesetzt. Nie hatte er wichtige Stellen beschädigt und auch nie so tief geschnitten, das die Gefahr bestand, dass sie verblutet. Aber sie würde Narben zurück behalten, da sie ihre Verletzungen so lange nicht richtig behandeln konnte. Dabei war sie froh gewesen, dass sie bis jetzt nicht wirklich Narben am Körper hatte und deswegen später als Frau auch Kleider tragen könnte. Der Traum hatte sich wohl erledigt. Obwohl sie sie vielleicht mit einem Laser entfernen könnte. Sie rieb ihre Prellungen mit einer Salbe ein und zog sich dann wieder an. Sie konnte froh sein, dass dieser kranke Typ nicht auf die Idee gekommen war, sie am Rücken zu schneiden, denn sonst hätte sie ihre Weste wegschmeißen können und sie hatte nur noch eine Andere als Ersatz. Außerdem hätten sie so eventuell ihren BH entdeckt. Als sie mit allem fertig war verließ sie das Bad und gesellte sich zu Micha in die Küche. Sie hatte Probleme sich auf den Beinen zu halten und er kam sofort zu ihr um ihr zu helfen und sie dann auf einen Stuhl zu setzen. „Danke. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber seine eigenen Wunden zu nähen ist gar nicht mal so einfach, erst Recht wenn man nur eine Hand frei hat.“ Sie lächelte ihn an. „Dann sag mir jetzt mal bitte wieso ich jetzt bei dir bin?“ Michael fing sich wieder, nachdem er die ganze Zeit auf ihre Arme gestarrt hatte. „Schröder hat dich letzte Nacht in meine Obhut gegeben. Ich bin ab sofort für dich verantwortlich. Das ist bei Leuten, die unfreiwillig in die Gang kommen normal so. Sie bekommen jemanden zur Seite gestellt, der dafür sorgt, dass sie nicht abhauen und der ihnen alles über unsere Regeln erklärt. Solltest du dich also schlecht benehmen, wäre es meine Schuld, da ich dich nicht richtig erzogen habe und ich würde dafür bestraft werden. Du natürlich auch.“ Chris hatte ihren Entschluss zu bleiben schon lange gefasst gehabt, aber nun konnte sie es sich auf halber Strecke nicht mal anders überlegen. Michaels Gesundheit hing von ihrem Bleiben und Benehmen ab. „Verstanden. Ich werde versuchen dir keine Probleme zu machen.“ Micha begann zu lachen. „Mach dir keinen Kopf um mich. Denk lieber an dein eigenes Wohlbefinden und deine Sicherheit. Und würdest du mir jetzt vielleicht sagen was genau dein Auftrag ist? Wieso hat dich dein Chef zu einer Gang geschickt und weißt du wieso unser Boss hinter dir her ist?“ Sie dachte kurz nach und kam zum Entschluss es Micha zu erzählen, doch bevor sie mit ihrer Geschichte beginnen konnte klingelte es an der Tür. Michael kam mit seinem Besuch, also Dom und Tino, zurück in die Küche und die Beiden setzten sich zu ihr an den Tisch. Micha servierte ihr noch eine Gemüsesuppe und setzte sich dann auch. „Also du wolltest gerade erzählen was du genau in der Gang machen sollst.“ Chris nickte und erzählte ihnen die Wahrheit. Sie hatte eine gute Menschenkenntnis und sie war sich sicher, dass sie diesen Männern vertrauen konnte. „Eigentlich habe ich keinen richtigen Auftrag den ich in der Gang erfüllen soll. Das ich in der Gang bin ist mein Auftrag. Ich soll hier bleiben bis ich 25. werde, dann ist die Aufgabe erledigt und ich kann gehen.“ Alle drei sahen sie verdutzt an. Chris konnte förmlich sehen wie die Zahnräder in ihren Köpfen versuchten einen Sinn im Gesagten zu erkennen. „Das verstehe ich nicht. Wenn du einfach nur in der Gang sein sollst, dann bringt ihnen dies doch überhaupt keinen Vorteil. Wieso jemanden mit deinen Fähigkeiten an eine solche Sinnlosigkeit verschwenden?“ Tino hatte es für die anderen Beiden auf den Punkt gebracht. „Simon meinte, in ihrer Jugend haben Schneider und Buchkammer eine Art Abkommen geschlossen. Sie würden sich aus den Geschäften des jeweils Anderen heraushalten und bei einer Bedrohung durch Dritte einander helfen. Ich würde sagen, sie haben eine Allianz geschlossen. Auf jeden Fall um diesen Vertrag zu sichern, versprachen sie ihren jeweiligen Sohn in die Obhut ihres Vertragspartners zu geben, wenn er das 18. Lebensjahr erreicht. Euer Boss hatte als Erstes einen Sohn bekommen und ihn auch wie vereinbart an Richard Schneider übergeben. Wenn ihr mich fragt, ein gutes Geschäft für ihn, immerhin konnte er so seinen Sohn aus seinen Geschäften raushalten und ihm ein sicheres Leben bieten. Zurück zum Thema, mein Chef hatte nur eine Tochter und eine Frau in einer Gang würde es wohl nicht lange machen, also schlug Buchkammer vor, dass er Schneider seine Tochter lassen würde, dafür aber seinen Enkel bekommen würde. Mein Chef ging selbstverständlich auf dieses Angebot ein, war es doch der einzige Weg seine Tochter vor dem Gangleben zu bewahren. Der Sohn von eurem Boss ist wohl einige Jahre später bei einem Verkehrsunfall gestorben und die Tochter meines Chefs nur knapp zwei Jahre später. Lisa war zu dieser Zeit erst drei Monate alt. Um seine einzige Verwandte die er noch hatte zu retten, beschloss er einen Ersatz für sie zu schicken. Und jetzt komme ich ins Spiel. Ich bin der Sohn, der unehelichen Tochter meines Chefs. Er hatte von mir erfahren, als meine Mutter starb und mich dann bei sich aufgenommen unter dem Vorwand ich wäre Lisas Bodyguard. Zumindest ist das die Geschichte die euer Boss glaubt. Ich bin natürlich nicht wirklich verwandt mit ihm. Damals als Micha mir die Haare für eine DNA Probe für den Vergleich genommen hat, hat Simon das Labor bestochen und so einen unwiderlegbaren Beweis erschaffen, dass ich der Enkel des Chefs bin. Nun bin ich 18 Jahre und deswegen hat euer Boss beschlossen mich zu sich zu holen.“ Sie sah ihnen an, dass sie die ganzen Informationen erst Mal verarbeiten mussten. „Also bist du so zu sagen der Ersatz für Lisa? Dein Chef hatte Angst, dass sich unser Boss seine Enkelin holen würde und hat deswegen einen Enkel geschaffen den es gar nicht gibt. Hat es nach außen so aussehen lassen, als wäre er der Bodyguard um niemanden auf ihn aufmerksam zu machen. Hintenrum aber hat er die Info durchsickern lassen, sodass unser Boss denken musste, dass er versuchte seinen Enkel vor ihm zu schützen und seine Enkelin opfern würde. Das war genial. Zwar absolut krank und unmoralisch, auf verschiedenen Ebenen, aber er hat mit diesem Plan alle so gelenkt wie er sie haben wollte.“ Ja den Gedanken hatte Chris auch schon. Dieser Plan war bis ins kleinste Detail perfekt durchdacht gewesen. „Du bleibst also auch weil du dich um die Sicherheit Lisas sorgst und nicht nur weil es dir befohlen wurde?“ Dom brachte es auf den Punkt. Chris wäre wohl auch zur Gang gegangen wenn ihr Chef es ihr nicht befohlen hätte. „Ich bin mit ihr aufgewachsen, ich könnte es nicht ertragen zu wissen, dass sie leiden muss, obwohl ich die Möglichkeit habe sie vor diesem Leiden zu bewahren. Ich bin mir so ein Leben gewöhnt, aber Lisa ist wie eine Prinzessin aufgewachsen. Sie würde es keine zwei Tage überleben.“ Alle stimmten ihr zu. „Eines steht fest, du wirst es auf jeden Fall überleben. Dein Können wird dich retten. Doch du wirst alles was du in diesen sieben Jahren machen wirst nicht ungeschehen machen können. Dein Gewissen wird einen Weg finden müssen damit umzugehen.“ Chris war sich dessen bewusst, aber sie hatte keine Wahl, außer es durchzuziehen. „Ich weiß, aber ich werde es irgendwie schaffen, dass habe ich immer. Ich würde euch noch bitten Rico nichts davon zu erzählen. Ich habe ihm gesagt, dass ich für einen Auftrag ins Ausland müsse und erst in sieben Jahren zurück kommen kann.“ Tino und Dom legten ihre Hände auf ihre, einer rechts und der andere links. Es war ihre Art Chris Trost zukommen zu lassen. „Du hast die richtige Entscheidung getroffen. Es wäre zu gefährlich ihn in diese Sache mit reinzuziehen. Wenn es um dich geht, denkt er oftmals nicht rational und macht sehr, sehr, sehr dumme Dinge. Er könnte mit einer unüberlegten Situation nicht nur sich selbst sondern auch dich in Gefahr bringen. Wenn alles vorbei ist, kannst du ihm die Wahrheit sagen.“ Chris wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, indem sie Rico anlog, dafür brauchte sie Micha nicht, aber es tat gut es bestätigt zu bekommen.



Kapitel 24


Es waren mittlerweile zwei Wochen vergangen seit Chris Ricardo eröffnet hatte, dass er ihn für sieben Jahre verlassen müsse. Seit diesem Tag konnte Ric nicht eine Nacht ruhig schlafen, all seine Gedanken drehten sich um Chris und gönnten ihm keine Ruhe. Drei Lieder liefen bei ihm auf Dauerschleife und sorgten so dafür, dass sich Ricardo Chris wenigstens ein wenig näher fühlen konnte, dass war natürlich das Lied welches er an ihrem letzten gemeinsamen Abend gesungen hatte, Can´t help falling in love with you. Und dann noch die Soundtracks zu den beiden Filmen, die sie gemeinsam geschaut hatten, auch deren Text passte perfekt in seine Gefühlslage. Er saß gerade draußen auf der Terrasse und dachte wie immer darüber nach wie er es schaffen sollte diese Jahre der Einsamkeit zu überstehen. Sein Vater setzte sich gerade neben ihn und sah ihn betrübt an. „Du siehst in den letzten Wochen nicht besonders gut aus. Ich dachte eigentlich du hättest dich wieder gefangen das letzte Jahr, doch jetzt bist du wieder genau so lethargisch wie direkt nach dem Unfall.“ Ric wusste, dass sein Verhalten nicht normal war, aber er wusste einfach nicht wie er aus diesem Loch allein wieder raus kommen sollte. Damals hatte er es nur durch Chris geschafft, doch dieser war nun nicht mehr da. „Ich weiß. Aber was soll ich denn machen? Ich habe mich verliebt. Diese Person hat mich vor einem Jahr aus diesem Loch zurück ins Leben geholt. Hat mir wieder beigebracht zu lachen und mir Freude geschenkt. Dieser Mensch wurde zu meinem Licht und Antrieb. Für diese eine Person wollte ich mein Bestes geben und ein besserer Mensch werden. Doch nun hat diese Person mich verlassen, sie musste für einen Auftrag ins Ausland und kommt erst in sieben Jahren zurück. Ich weiß nicht wo genau diese Person ist, wie es ihr geht. Habe keine Möglichkeit diesen Menschen zu erreichen. Ich kann mir nicht mal sicher sein, dass diese Person nach den sieben Jahren wirklich zurück kehren wird.“ Sein Vater hatte während seiner Ansprache immer weiter die Stirn kraus gezogen und nun sah er ihn missbilligend an. „Du sagst, dass du diese Person wirklich liebst, dann verstehe ich nicht wie du ihr so wenig vertrauen kannst. Du meinst sie hätte dich zurück gebracht und wäre dir ein Antrieb, wie kannst du dann hier sitzen und an ihr zweifeln? Du musst auf sie vertrauen und darauf, dass ihr euch nach all den Jahren wieder sehen werdet. Du solltest diese sieben Jahre sinnvoll nutzen und nicht im Trübsal versinken.“ Langsam sickerten die Worte seiner Vaters in Rics Kopf. Sein Vater hatte Recht und er verstand worauf er hinaus wollte. Ricardo sollte nur an die Zukunft denken und auf den Tag hinarbeiten an dem er Chris wieder haben würde. Er müsse lernen und einen guten Abschluss machen, dann studieren und danach anfangen ihnen eine Existenz aufzubauen. Wenn Chris zu ihm zurück kam sollten sie gleich ihr gemeinsames Leben beginnen können. Er würde zu seinen Wurzelt und Stamm werden, die ihn verankern und erblühen lassen. Ric nahm seine Kette in die Hand und besah sich den Anhänger. Er hatte es Chris vor einem Jahr versprochen. Und er hatte ihm gesagt, dass egal wo sie auch sein mögen, sie immer durch diese Ketten miteinander verbunden sein werden. Er würde daran glaube und diese Jahre nutzen um ein Mann zu werden der Chris´ Liebe wert war. „Danke Vater.“ Er stand auf und umarmte ihn. Sein Vater hatte ihn dieses Mal aus seinem Loch geholt und er würde das Beste daraus machen. Sein Vater sah ihn nun ganz verdutzt an. „Tut mir leid. Ich weiß, dass ich seit dem Unfall nicht immer ganz auf der Höhe gewesen bin und mich von der Familie distanziert habe. Ich war so durcheinander und ich hatte solche Schuldgefühle. Und ich hatte Angst in euren Augen sehen zu können, dass auch ihr mich für den Tod von Mutter und Isa verurteilt. Es lag nie daran, dass ihr mir nicht wichtig seid. Ich liebe dich Vater und ich verspreche, dass ich mich bessern werde und ich hoffe, dass wir irgendwann wieder in der Lage sein werden wieder vollkommen ungezwungen miteinander umzugehen.“ Ricardo sah wie seinem Vater die Tränen in die Augen stiegen. „Wir bekommen das ganz sicher hin mein Sohn.“ Nun füllten sich auch Ricos Augen mit Tränen. „Ich möchte in sieben Jahren auf jeden Fall der Erste sein, der deine ganz besondere Person kennen lernt. Ich muss mich bei ihr bedanken da sie mir meinen Sohn zurück gebracht hat. Und ich werde sie mit offenen Armen hier in diesem Haus willkommen heißen, wer auch immer sie sein sollte.“ Sein Vater würde sich wundern, wenn er erst bemerkte, dass Chris ein Junge war. Aber ihm das zu beichten hatte noch etwas Zeit. „Danke Vater, ich werde dir diese Person als erstes vorstellen. Aber ich denke nicht, dass wir hier leben werden. Ich werde zu ihr ziehen, wenn sie wieder da ist.“ Sein Vater runzelte wieder die Stirn. Bei ihnen wohnte die gesamte Familie in dieser Villa, so war es in ihrer Familie schon immer üblich gewesen. Aber Ric wollte mit Chris in seiner kleinen Villa wohnen, die so sehr nach zu Hause schrie. „Du musst wissen, dass diese Person schon ihre eigenen vier Wände hat. Sobald sie zurück ist werde ich zu ihr gehen und sie nicht zwingen in diesem Schloss zu wohnen.“ Sein Vater sah nicht begeistert aus und Ric verstand seinen Standpunkt, aber er würde nicht nachgeben. „Bei deiner Ausführung vorhin hatte es nicht den Anschein als wäre diese Person aus gutem Hause und es klang auch nicht als wäre sie älter als du. Liege ich damit richtig?“ Worauf wollte sein Vater hinaus? Rico nickte vorsichtig als Antwort und hoffte sein Vater würde sich erklären. „Also willst du mit ihr in eine dieser kleinen Wohnungen ziehen? Das kann ich nicht erlauben, wir haben immerhin ein Gesicht dass wir wahren müssen.“ Darum ging es ihm? Irgendwie hatte er ja recht, aber Ric war das alles egal, er würde mit Chris auch in eine kleine Wohnung ziehen, solange er nur bei ihm sein konnte. „Nur weil diese Person nicht aus gutem Hause kommt und ein Jahr jünger ist, heißt nicht, dass ich mit ihr in eine Wohnung ziehen werde, auch wenn ich damit überhaupt kein Problem hätte. Dieser Person gehört eine Villa drei Straßen weiter, dort werde ich irgendwann in der Zukunft mit ihr leben und da lasse ich mir von niemandem reinreden.“ Sein Vater sah nur noch skeptischer aus. „Wie kann sich ein Kind von gerade mal 18 Jahren eine Villa in dieser Gegend leisten? Sie ist doch nicht in illegale Geschäfte verwickelt?“ Gleich würde Ric der Kragen platzen, hatte er nicht gerade noch vorgehabt wieder ein besseres Verhältnis mit seinem Vater aufzubauen? Und hatte sein Vater nicht gesagt er würde seine besondere Person mit offenen Armen empfangen wer auch immer diese Person sein möge? „Vater jetzt beruhig dich mal wieder. Denkst du wirklich ich würde mich in einen unmoralischen Menschen verlieben? Diese Person hat die Villa von ihrem Mentor zum Geburtstag geschenkt bekommen. Und bevor du weiter fragst, dieser Mentor ist Dr. Steigwitz. Er ist so was wie ein Ziehvater für diese Person geworden da sie von ihm ausgebildet wurde als sie noch ein Kind war. Und bevor du weiter fragen willst. Diese Person ist ein verdammtes Genie, die mit 9 Jahren ihr Abitur gemacht hat, dann Medizin studierte und mit 13 oder 14 ihr Assistenzarzt Zeit beendet hatte. Und jetzt will ich mit dir nicht mehr über ein Thema diskutieren, dass noch gar nicht aktuell ist. Und verdammt ich glaube ich hätte das mit Dr. Steigwitz nicht erzählen dürfen, also tu mir den Gefallen und vergiss das wieder. Und bitte sprich ihn niemals darauf an.“ Sein Vater sah plötzlich sehr zufrieden aus. In ihren Kreisen ging es eben doch so gut wie immer nur um die richtigen Verbindungen. Und Chris würde eine gute Verbindung zu dem Arzt herstellen. „Verstanden ich habe nichts gehört und werde niemandem davon erzählen und Dr. Steigwitz nicht darauf ansprechen. Aber das Thema Wohnsituation werden wir zum gegebenen Zeitpunkt noch mal aufgreifen.“ Damit konnte Ricardo leben, so war das Thema erstmal aus der Welt.



Kapitel 25


Michael war zum Boss beordert wurden. Er war schon nervös auf dem Weg zum Hauptgebäude der Gang gewesen, aber als er in den Raum kam und nicht nur seinen Boss, sondern auch alle Chefs und den Sekretär vorfand nahm seine Nervosität neue Dimensionen an. Alle großen Nummern ihrer Organisation waren an diesem Ort versammelt. Was sollte er hier? Da war sein Boss, Henrik Buchkammer, der die Gang seit seiner Jungend aufgebaut und ständig vergrößert hatte. Sein Sekretär und rechte Hand Robert Wagner, die Nummer Zwei. Er war für die Personalaufteilung und Buchführung zuständig und hatte so einen ständigen Überblick was wo und wann geschah. Und dann waren da die vier Säulen. Daniel Kreuzer der Chef aller Spielhallen, dazu gehörte nicht nur die eine Billardhalle sondern noch viele andere und Bowlingbahnen, Spielhallen für Kinder mit Airhockey, Dosenwerfen, Videospiele, auch die Glücksspielhallen fielen in seinen Bereich. Neben ihm saß Manuel Schröder, er war Michaels Vorgesetzter. Er war für die Finanzen und feindliche Übernahmen zuständig. Er vergab Kredite an Menschen, die von einer normalen Bank kein Geld bekommen würden und sorgte dafür, dass sie ihre Raten pünktlich zahlten. Menschen die das nicht konnten wurden dazu gebracht ihre Geschäfte, Häuser und alles was sonst von Wert war der Gang zu überschreiben. So brachte er der Organisation Geld ein und vergrößerte ihren Einflussbereich. Auf der anderen Seite des Tisches saß Alexander Frisch, er war für das Nachtleben verantwortlich. Also alle Bars und Clubs die sie hatten waren unter seiner Kontrolle. Und neben ihm saß Mark Vogel, der Chef für das körperliche Vergnügen. Er kümmerte sich um ihre Bordelle und Strippclubs. Michael war froh nicht ihm zugeteilt zu sein. So gut wie keine der Frauen die dort arbeiteten taten dies, weil sie es wollten. Viele wurden von ihren Eltern oder zwielichtigen Waisenhäusern an sie verkauft oder es waren Frauen die ihre Schulden oder die eines Familienmitglieds abbezahlen mussten.

„Setz dich hin.“ Das war ein Befehl vom Boss, also kam Micha ihm nach und setzte sich schräg hinter seinen Chef Schröder. „Jetzt da alle da sind, können wir mit unserem Meeting anfangen. Thema: Wer will Chris Kleintke unter sich arbeiten haben? Deswegen ist auch Michael heute mit dabei. Er ist für ihn verantwortlich und ich würde gerne vorher seine Meinung hören, bevor wir uns entscheiden.“ Das war ein komisches Vorgehen. Normalerweise wurde ein Neuankömmling getestet und Robert Wagner entschied wo er gebraucht wurde und dort musste er dann arbeiten. „Ich denke, mit Chris´ Fähigkeiten könnte er in jedem der vier Bereiche gut arbeiten. Am besten passt sein Können wohl zu Schröder oder Kreuzer.“ Bei Schröder könnte er ihm den Rücken stärken und vielleicht auch die schwierigsten Aufgaben abnehmen. Michas Unschuld hatte er schon vor langer Zeit verloren, aber Chris´ würde er so gut er vermochte beschützen. Noch bevor er erklären konnte, wieso gerade diese Beiden, begann Kreuzer zu sprechen. „Dann hätte ich Chris gern unter meiner Kontrolle.“ Alle Blicke richteten sich auf Kreuzer. „Wieso?“, fragte der Sekretär. „Ganz einfach, ich bekomme normalerweise immer die schwächsten Kämpfer zugeteilt. Und die paar Guten die ich habe muss ich alle im Casino einsetzen. Außerdem könnte ich mit Chris Hilfe den Umsatz steigern und unsere Ausgaben senken.“ Das war gut, sollte Chris Kreuzer zugeteilt werden, war er relativ sicher. „Wie kommst du zu diesem Schluss?“ Der Boss wollte nun eine Begründung und Micha betete, dass er damit durchkam. „Chris ist im Billardspielen auf dem Level eines Profis. Er braucht keine Hilfestellung um zu gewinnen, also können wir uns die Kosten für das Liquid sparen. Außerdem sieht er aus wie ein kleiner Junge, die Gegner werden ihn automatisch unterschätzen und keiner würde vermuten, dass er zu einer Gang gehört. Vielleicht könnte er seine Fähigkeiten denen des Gegners anpassen und sie so dazu bringen öfter zu spielen, da sie das Gefühl haben ihn beim nächsten Mal schlagen zu können. Ich denke bei ihm werden sie ihre Niederlage ruhig hinnehmen und wenn nicht, dann hat Chris genug Kampfkraft um sich darum zu kümmern. Und dies gibt mir die Chance meinen Männer die sonst in der Billardhalle waren andere Aufgaben erledigen zu lassen. Vielleicht hat er sogar Talent in anderen Spielen und ich kann ihn bei den Pokerrunden im Casino einsetzen. Aber das ist nur eine Vermutung und muss erst überprüft werden.“ Die Übrigen, also alle außer Micha und Kreuzer nahmen die Mappen die vor ihnen auf dem Tisch lagen und sahen sie sich an. Micha erkannte, dass es ein Dossier zu Chris war. Da waren Angaben zu Namen, Geburtstag, Verwandtschaft, Schulbildung, Ausbildung und Fotos. Doch die Fotos mussten schon älter sein, denn Micha sah nur Fotos von Chris zusammen mit Lisa. Oder aber sie haben sich auf diese zwei „Geschwister“ konzentriert. Das war bestimmt auch besser für Chris, wenn vorerst niemand wusste was für einflussreiche Freunde er hatte. Er las sich die Daten über die Schulter von seinem Chef durch. Alles was dort stand war falsch oder unvollständig. Wer auch immer dieses Dossier angelegt hatte, arbeitet entweder für Richard Schneider oder wurde von dessen Plan überlistet. Frisch war der Erste der von seiner Mappe aufsah und das Gesagte kommentierte. „Wenn ich mir die Fotos so ansehe, dann geben ich dir Recht, dass ihn alle wohl nur für ein Kind halten werden und deswegen unaufmerksam und leichtsinnig werden. Wenn du sagst er ist so gut im Billard, dann glaube ich dir das auch. Hier steht, dass er mit 12 Jahren begann unterricht im Judo und Karate zu nehmen. Das sind zwar 6 Jahre, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er allein mit Ärger umgehen könnte.“ Alle nickten. „Ich stimme Frisch zu. Der Kleine sieht nicht wirklich nach einem Kämpfer aus.“ Schröder ließ sich zu sehr von Chris Äußerem ablenken, dabei sah man schon auf den Fotos, wenn man ganz genau auf Chris´ Körperhaltung achtete, dass er kein gewöhnlicher Junge war. Kreuzer antwortete keinem der Beiden, sondern zog sein Telefon aus der Tasche und schloss es an den Bildschirm an. Dann erschien auch schon die Billardhalle und die Szene wie Chris damals Micha außer Gefecht gesetzt hatte. Michael hatte es damals am eigenen Leib gespürt was Chris für ein hohes Level hatte, aber es jetzt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, zeigte ihm erneut, dass Chris in einer ganz anderen Liga spielte. Sein Chef sah ihn über seine Schulter verwundert an. Schröder wusste wie gut er war und was seine Fähigkeiten waren, deswegen behielt er ihn auch bei sich, auch wenn die anderen Chefs ihn borgen wollten. „Wie hast du es nach dieser Aktion geschafft an die Haarprobe zu kommen?“ Wieso wusste Schröder darüber nicht bescheid? Er hatte es seinem direkten Vorgesetzen Tom Bergmann erzählt. Hatte dieser es in seinem Bericht nicht geschrieben? „Chris hat mir damals die Haare freiwillig gegeben mit der Begründung, dass er Lisa nicht in Gefahr bringen wollte. Würde er sie mir nicht geben würden wir uns ein Druckmittel suchen um zu bekommen was wir wollen, deswegen gibt er sie uns und bringt so Lisa aus der Schussbahn.“ Michael sah es seinem Chef an, er wollte Chris unter sich haben. „Wenn er ein so guter Kämpfer ist, sollte er dann nicht besser in meinem Bereich arbeiten? Seine Fähigkeiten wäre bei mir besser aufgehoben.“ Kreuzer ballte die Hände zu Fäusten. „Ich denke nicht, dass du noch mehr herausragende Kämpfer brauchst. Du hast schon die besten Männer unter dir versammelt und für die ganz speziellen Aufgaben hast du immer noch Michael. Chris würde bei mir für einen Anstieg unseres Einkommens sorgen.“ Der Sekretär meldete sich nun zu Wort. „Was haltet ihr davon? Wir werden Chris einen Springer sein lass. Er wird hauptsächlich unter Kreuzer arbeiten, aber wenn einer der anderen Drei seine Fähigkeiten brauchen sollte, dann bekommen sie ihn. Nach Erledigung der Arbeit kehrt er wieder zu Kreuzer zurück? Können alle damit leben?“ Alle nickten und Michael wurde nun da sie einen Entschluss gefasst hatten entlassen. „Du kannst jetzt gehen Michael. Erklär Chris was genau jetzt seine Aufgaben sein werden und bring ihn morgen Nachmittag in die Spielhalle.“ Micha bestätigte seine Aufgabe und ging hinaus. Sein Chef begleitete ihn und hielt ihn vor dem Aufzug auf. „Also jetzt mal unter uns, wie schätzt du Chris ein?“ Worauf wollte er hinaus? „Chris hat sich mit seinem Schicksal abgefunden und wird denke ich keine Probleme machen.“ Schröder wischte seine Hand durch die Luft, als würde er das Gesagte wegwischen wollen. „Das ist zwar schön zu hören, aber das interessiert mich nicht. Ich will von dir wissen wie du seine Kampffähigkeiten einschätzt? Können wir ihn für Kämpfe gebrauchen?“ Er war auch für feindliche Gangübernahmen zuständig, deswegen hatte er auch die besten Kämpfer unter sich. Doch Micha wäre es lieber, wenn Chris bei solchen Aktionen nicht beteiligt sein würde. Aber das war wohl nur ein Traum. „Er müsste ungefähr doppelt so gut sein wie ich. Aber er ist erst 18 Jahre alt und hat solche Auseinandersetzungen noch nie erlebt. Ich denke nicht, dass er seine Skrupel so schnell los wird.“ Schröder grinste zufrieden. „Wir werden ihn einfach langsam an diese Materie heran führen, dann verliert er seine Skrupel ganz von selbst.“ Da mag sein Chef zwar Recht haben, aber die Gewissensbisse blieben. Micha verabschiedete sich von seinem Chef und fuhr nach Hause. Er musste Chris erklären was ab jetzt auf ihn zu kam. Als er zu Hause ankam, war es in seiner Wohnung vollkommen still. Michael ging zum Schlafzimmer und entdeckte Chris im Bett schlafend. Ein warmes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Er hatte sich die Wohnung davor mit Marco geteilt, doch seit seinem Tod war er allein und einsam. Doch jetzt hatte er wieder jemanden an seiner Seite. Er zog sich aus und legte sich neben Chris um zu schlafen, er würde ihm morgen erzählen was heute beschlossen wurde.



Kapitel 26


Am nächsten Morgen erwachte Chris mit einem fremden Körper an ihren gequetscht. Sie konnte gerade noch ein aufschreien verhindern, als sie bemerkte, dass dieser Körper nackt war. Aber dadurch war sie nun richtig wach und erinnerte sich wieder wo sie war und wer da neben ihr lag. Sie löste sich vorsichtig von Michael und verließ das Schlafzimmer. Ob sie sich je an diese Schlafsituation gewöhnen würde? Micha hatte am ersten Abend zu ihr gemeint, dass er davor mit Marco in dieser Wohnung gelebt hatte und weil das Schlafzimmer so klein ist, sie einfach ein großes Bett gekauft haben in dem sie beide geschlafen haben. Sie waren es sich aus der Zeit im Waisenhaus gewohnt in beengten Betten alle zusammen zu schlafen. Chris erinnerte sich zurück an ihre Kindheit im „Waisenhaus“. Sie hatten gar keine Betten gehabt, sondern nur ein Futon auf dem Boden, dass sie sich mit ihrem Bruder teilen musste. Doch damals war sie noch ein Kind gewesen und ihr kleiner Bruder auch eine andere Geschichte als ein erwachsener nackter Mann. Aber würde sie sich beschweren würde sie sich wohl zu auffällig benehmen und zu sehr wie eine Frau. Also musste sie es ertragen und einfach hoffen, dass sie sich anpassen konnte. Sie machte sich im Bad frisch und ging in die Küche um das Frühstück vorzubereiten. Sie war grade damit fertig den Tisch zu decken, als Micha zu ihr in die Küche trat. Er hatte sich nur eine Jogger angezogen und setzte sich nun verschlafen an den Tisch. Obwohl Chris sich beim Anblick des halbnackten Mannes unwohl fühlte, musste sie sich doch eingestehen, dass Micha mit seinen Muskeln ein schöner Anblick war und das trotz der Narben. Sie setzte sich zu ihm und fragte ihn nach dem Gespräch mit dem Boss letzte Nachte. „Als ich dort ankam fand ich mich im Raum mit unseren sechs Großen vor. Das sind der Boss, sein Sekretär und die vier Chefs. Sie wollten von mir wissen in welchem Bereich ich dich für am Besten aufgehoben halte. Nachdem ich meine Meinung geäußert hatte, entstand kurz eine Diskussion und man sah sich unser Video aus der Billardhalle an. Dann diskutierten sie noch kurz weiter und am Ende wurde beschlossen, dass du als Springer arbeiten sollst. Aber hauptsächlich wirst du wohl bei Kreuzer in der Billardhalle arbeiten. Sollte dich einer der anderen Chefs für eine Aufgabe benötigen wirst du ihm helfen und dann zurück zu Kreuzer gehen.“ Chris dachte über das Gesagte nach und merkte auch wie ihre innerliche Anspannung etwas nachließ. Mit einer Spielhalle konnte sie leben. Natürlich gefiel ihr der Gedanke andere Menschen um ihr Geld zu betrügen nicht, aber es war alle Male besser als in einem der anderen Bereiche. Vor allem gefürchtet hatte sie sich, dass sie in einem Bordell hätte arbeiten müssen. Sie wusste nicht ob sie es ertragen könnte die Frauen dort zu sehen und sie vielleicht sogar zu so einer Arbeit zwingen zu müssen. „Ich denke mit dieser Entscheidung habe ich es ganz gut getroffen.“ Micha nickte ihr aufmuntern zu. „Das denke ich auch. Von den vier Bereichen in die unsere Gang gegliedert ist, ist dieser wohl der Harmloseste. Aber noch wissen wir nicht, ob du wirklich in der Billardhalle bleibst. Es kann auch passieren, dass du zu den Casinos geschickt wirst und die Aufgaben dort sind auch nicht ohne. Aber erstmal bist du bei Kreuzer. Und das ist gut. Was später noch kommt werden wir dann sehen.“ Er hatte recht und sie hatte eh keinen Einfluss darauf was mit ihr passieren würde und was sie machen musste, also war es besser alles auf sich zukommen zu lassen.

Am Nachmittag brachte Micha sie in die Spielhalle zu Kreuzer. Dieser stellte sie den restlichen Mitgliedern, die hier arbeiteten vor. „Okay Jungs. Das hier ist Chris. Er wird ab heute hier arbeiten. Wir werden ab sofort ihm die Spiele überlassen, deswegen werden keine Beimischungen in den Getränken mehr nötig sein. Sollte er Probleme machen wendet ihr euch bitte an Michael, der ist für ihn verantwortlich.“ Alle sahen sie an und keiner von ihnen schien sie ernst zu nehmen. Aber damit konnte sie leben und es war ihr auch lieber so. Ihr ganzes Leben schon hatten sie die Menschen in ihrer Umgebung unterschätzt und das war schon immer einer ihrer größten Waffen gewesen. Während alle sie nur abschätzig ansahen, sah einer der Männer sie verachtungsvoll an. Es war der, sie glaubte er hieß Thomas, der davor für die Spiele verantwortlich gewesen war. Sie würde sich wohl darauf einstellen müssen aus dieser Seite mit Anfeindungen zurecht kommen zu müssen. Sie arbeitete diesen ersten Tag bis 23:00 Uhr und wurde dann nach Hause geschickt mit der Bemerkung, dass sie am nächsten Tag 17:00 Uhr beginnen würde und bleiben würde bis der Laden zu machte. Sie verabschiedete sich von jedem und ging hinaus um sich auf den Heimweg zu machen. Doch vor der Tür warteten schon die drei Jungs auf sie und schoben sie direkt ins Auto. „Also dann erzähl mal wie dein erstes Tag war?“ Tino schien ganz aufgeregt zu sein. „Es ist nicht wirklich etwas Besonderes gewesen. Ich habe ein paar Spiele gespielt und gewonnen. Ansonsten saß ich an der Bar und habe auf Anweisungen gewartet. Ein paar dumme Sprüche musste ich mir anhören. Aber es war nichts, was ich nicht schon gewohnt wäre. Ich habe schon von klein auf den Spott der Größeren und Kräftigeren auf mich gezogen. Und mein feminines Gesicht hilft mir auch nicht wirklich.“ Alle drei begannen zu lachen. „Gut. Es freut mich, dass du an deinem ersten Tag nicht gleich irgendwelchen Ärger hattest. Aber mich würde interessieren was sie so zu dir gesagt haben?“ Tino war ein richtiges Klatschweib, er musste wirklich alles wissen. „Es war nichts wirklich Besonderes nur die üblichen Spitznamen wie Kleiner, Prinzessin, Süßer, so was eben. Dass ich für jeden Kellner spielen musste, denke ich hat damit nichts zu tun, sondern wird wohl eher daran liegen, dass ich neu bin. Ein bisschen Sorgen macht mit Thomas. Er schein mir gegenüber recht feindlich gesinnt zu sein, aber daran kann ich nichts ändern.“ Michael sah sie mitleidig an, aber dass brauchte er nicht. Denn sollten so ihre nächsten sieben Jahre aussehen, konnte sie damit mehr als nur gut leben. Doch sie wusste genau, dass dies nur Wunschdenken war. „Wir fahren jetzt in unsere Wohnung und stoßen auf deinen ersten Tag an.“ Und das taten sie. Sie alle saßen zu viert im Wohnzimmer und tranken Bier während sie sich Gesichten aus ihrer Vergangenheit erzählten. Natürlich nur die lustigen. So erzählte Dom, wie Micha mit 15 das erste Mal betrunken war und der Meinung war allein laufen zu können, es aber nur ganze zwei Schritte weit schaffte, dann wie ein Baumstamm umfiel und sein neues Telefon schrottete. Oder wie Tino seine Warnung ignorierte, als er ihm sagte er solle vorsichtig sein, da es draußen glatt sei. Ende vom Lied er rannte aus der Haustür, trat auf das Eis, rutschte aus und landete unsanft auf seinem Hintern. Chris konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als sie es sich vorstellte, wie Tino verdutzt auf dem Gehsteig sitzend geschaut haben musste. Auf die Geschichte wie Micha in einem Club von einer Horde Frauen verfolgt wurde hätte sie verzichten können, aber trotzdem konnte sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Und so ging es fast die ganze Nacht weiter und auch wenn Chris keine lustigen Geschichten betragen konnte, fühlte sie sich nicht ausgeschlossen und wohl.



Kapitel 27


Chris war nun schon zwei Monate in der Gang. Ihre Gegner in der Billardhalle wurden immer zahlreicher. Sie hatte noch kein Spiel verloren und jeder wollte sein Glück versuchen um der erste zu sein der sie besiegte. Doch heute war der Tag gekommen an dem es auch für sie ernst wurde. Eine feindliche Gang hatte begonnen in ihr Revier vorzudringen und Ansprüche auf ihr Grenzgebiet zu stellen. Um ständige kleine Auseinandersetzungen zu vermeiden, haben beide Bosse einen Kampf zur Regelung der Grenzen vereinbart. Der Gewinner bekam das Randgebiet des Verlierers. Kurz bevor Chris ins Auto steigen konnte faste Micha sie am Arm und zog sie dicht an ihn. Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr. „Ich will, dass du heute alle Skrupel beiseite lässt. Versuch jeden deiner Gegner mit einem Schlag k.o. zu schlagen. Wenn du es nicht tust und unvorsichtig wirst, wirst du ein Messer im Rücken haben. Ich weiß was für ein guter Kämpfer du bist, aber mit so etwas wie heute hast du es noch nie zu tun gehabt. Sonst heißt es du allein, gegen deine Feinde. Aber heute wirst du nicht nur Feinde sondern auch Verbündete haben. Es wird ein heilloses Durcheinander. Es wird selbst dir schwer fallen den Überblick zu behalten. Also tu mir den Gefallen und hör auf meine Worte.“ Sie zog sich von ihm zurück und sah ihm ernst in die Augen als sie ihm zur Bestätigung zunickte. Dann stiegen sie in den Van. Es dauerte eine Weile bis sie am vereinbarten Treffpunkt ankamen und als sie ausstiegen wurde Chris sich wirklich über das Ausmaß dieses Kampfes bewusst. Es standen sich bestimmt um die hundert Mann gegenüber. Aus ihrer Seite trat Schröder vor, er war der Kopf dieser ganzen Aktion und auch aus der anderen Seite löste sich ein Mann und ging auf ihren Chef zu. „Wollen wir es mit einem Gruppenkampf oder Zweikampf klären? Uns ist beides Recht, deswegen überlasse ich euch die Entscheidung.“ Schröder sah nach diesem Angebot in die Reihen ihrer Gegner. Michael beugte sich wieder zu Chris hinunter. „Schröder wird auf den Zweikampf eingehen. Er hat vollstes Vertrauen, dass unser Kämpfer gewinnt und kann so unnötige Verletzungen für unsere Mitglieder vermeiden.“ Und Schröder bestätigte Michas Worte im nächsten Moment mit seiner Antwort. „Wie wird der Gewinner bei so einem Duell bestimmt?“ Sie hatte ein schlechtes Gefühl bekommen als sie aus dem Wagen gestiegen sind und sie hatte mit der Zeit gelernt, dass ihre Instinkte und Intuition besser waren als die der meisten Menschen. „Entweder durch Aufgabe, Bewusstlosigkeit oder natürlich Tod. Waffen, wie Messer oder Schlagwerkzeuge, sind erlaubt, deswegen ist der Verlust des Lebens nicht ausgeschlossen. Handfeuerwaffen sind verboten. Diese würden zu viel Aufmerksamkeit verursachen.“ Auf der anderen Seite kam Bewegung auf. Ein recht durchschnittlich aussehender Mann trat nach vorn und die Gegenseite begann zu jubeln. Chris lief es bei diesem Anblick eiskalt den Rücken hinunter. Dieser Kämpfer war nicht ohne, so wie er dort stand erreichte er 45 Punkte. Selbst Michael hatte es nach dem harten Training mit Tachibana Sensei erst auf 32 Punkte geschafft. „Micha wer ist der Kämpfer auf unserer Seite?“ Chris sah sich um, doch sie konnte keinen außer sich selbst auf ihrer Seite entdecken, der es mit diesem Typen würde ausnehmen können. „Ich werde kämpfen.“ Und schon begann Micha damit sich durch die Masse nach vorn zu drängen. Chris hatte es befürchtet, doch sie konnte es nicht zulassen. Der Gegner ließ gerade ein Messer in seiner Hand aufschnappen und seine Punkte stiegen auf 62 an. Er war kein Gegner den Micha unbewaffnet schlagen könnte und sie war sich sicher, dass Micha unbewaffnet kämpfen würde. Er hatte nur so hohe Punkte mit dem Messer, da er jemanden gezielt damit in Sekunden töten konnte, doch er würde es nie tun. Er war dafür nicht kaltblütig genug. Er würde an diesem Abend sterben wenn Chris nichts unternahm. Sie lief ihm hinterher und hielt ihn auf bevor er vortreten konnte. „Ich werde kämpfen.“ Dann schob sie sich an ihm vorbei, doch er ließ sie nicht einfach gehen. „Bitte Micha lass mich los und kämpfen. Du hast keine Chance gegen diesen Typen. Wenn du dein Messer benutzt und mir versprichst es richtig einzusetzen lasse ich dich gehen. Wenn du das nicht kannst, und wir beide wissen, dass du dazu nicht in der Lage bist, dann lass mich jetzt los und das regeln.“ Sie sah ihn flehend an. Sie würde es nicht überleben sollte ihm etwas zustoßen. Er lockerte seinen Griff und ließ sie gehen. Sie trat vor und sah in den Augen von Schröder die Missbilligung für ihr Benehmen. Aber das war ihr egal, auch dass sie später dafür bestraft werden würde. Sie sah sich ihren Gegner noch mal genauer an. Er war bestimmt einen Kopf größer als sie und hatte erstaunlich lange Arme und Beine. Wenn er die passenden Reflexe zu diesem Körper hatte musste sie aufpassen. Sie sah ihm ins Gesicht und sah das siegessichere Leuchten in seinen Augen. Sie wurde unterschätzt, wie immer. „Brauchst du noch eine Waffe oder können wir anfangen Kleiner?“ Er sah ihn bei diesem Worten abschätzig an. „Ich kämpfe mit bloßen Händen.“ Beide Chefs entfernten sich etwas und Schröder gab das Signal, als Zeichen das der Kampf beginnen konnte. Sofort machte ihr Kontrahent einen Satz nach vorn und hieb das Messer in Bauchhöhe, doch er erwischte nur Luft. Chris konnte leicht ausweichen, zu ihrem Glück, sonst würden sich ihre Innereien jetzt wohl auf dem Boden befinden. Noch bevor er mit seinem Hieb fertig war, schnappte sie sich sein Handgelenk und drückte zu. Er versuchte sich gegen ihren Griff zu wehren, doch dem Schlag mit seiner linken Faust konnte sie mit einem Schritt zur Seite entgehen. Sie erhöhte den Druck auf seine Hand die das Messer hielt und dann ließ er es auch schon fallen. Sie holte mit ihrer freien Linken aus und schlug ihm damit auf den ausgestreckten Arm. Sie hörte wie sein Knochen brach. Der Schrei der darauf folgte ging ihr durch Mark und Bein, doch er gab nicht auf. Sie verdrehte den verletzten Arm auf seinen Rücken und die Schreie wurden noch intensiver, doch noch immer schien er nicht bereit zu sein, die Niederlage zu verkünden. Also drückte sie ihm die Schlagader ab und ließ ihn nach wenigen Sekunden bewusstlos zu Boden sacken. Auf dem gesamten Platz herrschte Totenstille und Chris ging zu Micha zurück. Der ganze Kampf, wenn man es denn so nennen wollte hatte vielleicht eine Minute gedauert. „Habe ich es übertrieben? War das so in Ordnung?“ Micha sah sie geschockt an, schien aber durch ihre Frage wieder zu sich zu kommen. „Nein, du hast alles richtig gemacht. Lass uns erstmal von hier verschwinden.“ Er führte Chris vom Platz und zurück ins Auto. Jetzt mussten sie auf Schröder warten. Eine halbe Stunde später kam er auch schon zu ihnen ins Auto. „Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen. Aber ich wusste, dass Micha keine Chance gegen diesen Typen gehabt hätte.“ Schröder sah sie eine ganze Weile schweigend an. „An sich hast du deine Sache gut gemacht. Aber alle wusste, dass sollte es zu einem Zweikampf kommen Michael kämpfen würde. Also ist jedem klar, dass du eigenmächtig diese Entscheidung getroffen hast. Dafür muss ich dich bestrafen auch wenn du einen guten Grund für dein Verhalten hattest und den Kampf auch gewonnen hast.“ Chris hatte damit schon gerechnet, doch Michael schien mit diesem Vorgehen nicht einverstanden zu sein. Er wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Chris ihm die Hand auf den Arm legte und mit dem Kopf schüttelte. „Lass gut sein. Ich wusste was ich tat als ich mich auf den Kampf eingelassen habe. Ich wusste, dass ich dafür bestraft werden würde egal wie es ausgehen würde und trotzdem habe ich es getan. Und ich würde es immer wieder tun.“ Micha sah zerknirscht aus, nickte aber und sagte nichts weiter, sondern sah stur aus dem Fenster. „Was ist meine Strafe?“ Schröder sah kurz zu Micha und antwortete dann. „Du wirst eine Nacht im Keller verbringen müssen. Morgen früh kannst du wieder gehen.“ Sie wusste was nun auf sie zukam. Der Keller war ein Raum im Hauptgebäude von The Silent Sharks, der für die Bestrafung der Mitglieder war. Chris würde an ihren Handgelenken an der Decke aufgehängt werden und würde jedem, der es wünschte als Boxsack dienen müssen. Ihr würden auch die Augen verbunden werden, damit sie nicht wusste wer genau ihre Peiniger waren. So wurde verhindert, dass Höhergestellte sich im Nachhinein an ihren Untergebenen rächten. Für sie spielte es keine Rolle, sie stand am untersten Ende der Hierarchie und konnte sich nicht wehren. Sie ergab sich ihrem Schicksal. Sie hatte schon schlimmeres durchgemacht und überlebt. Und es wäre nur für eine Nacht. Es war ein geringer Preis den sie zu zahlen hatte, dafür dass sie Michas Leben retten konnte. Er war zu ihrer Familie geworden, genau wie Tino und Dom und sie würde alles in ihrer Macht stehende tun um sie zu beschützen. Sie liebte sie, vor allem Micha mit dem sie zusammen lebte und ein Leben teilte. Es war keine romantische Liebe, aber sie war deswegen nicht weniger intensiv.

Die ganze Fahrt zurück ins Hauptgebäude machte Michael sich Vorwürfe. Es war seine Schuld, dass Chris diese Nacht im Keller würde verbringen müssen. Alles nur um ihn zu beschützen. Micha wusste wieso Chris so gehandelt hatte und er hätte an seiner Stelle das Selbe getan, doch das machte es nicht leichter zu ertragen. Als sie ankamen und ausstiegen griff Chris kurz nach seinem Arm. „Mach dir nicht so viele Gedanken um mich. Ich habe schon Schlimmeres überstanden. Und du hättest das Gleiche für mich getan. Geh jetzt erstmal zu Tino und Dom und klär sie auf was heute alles passiert ist. Sie werden bestimmt in der Wohnung auf uns warten weil sie sich Sorgen machen.“ Dann drehte er sich um und ging mit Schröder durch den Eingang und verschwand so aus Michas Blickfeld. Er drehte sich um und begab sich auf den Heimweg. Er fühlte sich elend. Er wollte Chris helfen, doch ihm waren die Hände gebunden. Er fühlte sich machtlos. Zu Hause angekommen traf er auf seine zwei Kindheitsfreunde ganz wie Chris es voraus gesagt hatte. Er erzählte ihnen was an diesem Abend vorgefallen war und auch sie sahen nun bedrückt aus. Chris war ihnen in den letzten beiden Monaten sehr ans Herz gewachsen. Er gehörte zu ihrer kleinen Familie die sie sich geschaffen hatten.



Kapitel 28


Chris war nun schon seit einem Jahr in der Gang und hatte sich mittlerweile an fast alle Bereiche die damit verbunden waren gewöhnt. Nach ihrem ersten Zweikampf hatte sie auch die nächsten drei gewonnen. Danach hatten ihre Gegner auf Duelle verzichtet, doch auch so, hatte Chris es immer geschafft die Kämpfe schnell zum Abschluss zu bringen und dafür zu sorgen, dass es keine ernsthaften Verletzungen gab. Viele Missgönnten ihr die ganze Aufmerksamkeit um ihr Kampfkraft, doch da sie trotz dieser ganzer Errungenschaften nicht aufstieg ließ man sie größten Teils in Ruhe und die Anfeindungen hielten sich in Grenzen. In dieser Nacht war sie für die Sicherheit in einem der Nachtclubs zuständig. Der Boss hatte ein Treffen mit verbündeten Gangsterbossen in einem der Hinterzimmer und so musste die Gefahrlosigkeit gewährt werden. Ein plötzlicher Tumult am hinteren Tresen zog Chris´ Aufmerksamkeit an. Sie ging hinüber um wieder für Ordnung zu Sorgen, denn jeder Zwischenfall würde ihr angekreidet werden. Nun erkannte sie auch was los war. Die Sicherheitsleute der anderen Bosse hatten sich um ein junges Mädchen gescharrt und schienen sie zu bedrängen. Sie versuchte sich mit allem was sie hatte gegen diesen Übergriff zu wehren, doch sie hatte keine Chance. Bei näherem Hinsehen erkannte Chris das Mädchen und musste sich ein Seufzen verkneifen. Sie konnte Anna Rühl wirklich nicht leiden, doch diese Behandlung hatte sie nicht verdient. Also schob sie sich weiter durch die Massen und zwängte sich auch durch die Männer die um Anna herumstanden und zog sie sofort hinter sich. Sie sah wie Micha gerade den Club betrat und wartete, dass er ihn entdeckte. Sofort als er ihn ausmachte begab er sich zu ihm. Chris griff hinter sich und zog Anna zur Seite und schob sie direkt weiter in Michas Arme. Dabei behielt er die Männer die ihn finster anstarrten genau im Auge. „Micha würdest du Anna bitte zu uns in die Wohnung bringen? Behalt sie bitte da bis ich nach Hause komme.“ Micha nickte legte Anna seine Jacke über die Schultern und brachte sie aus dem Club. Chris wusste, dass sie dafür zahlen würde. Die Männer vor ihr sahen unzufrieden aus, schienen ihren Ärger aber unter Kontrolle zu halten. Sie wussten, dass sie im Kampf gegen Chris nicht bestehen konnten, doch das mussten sie auch nicht. Chris würde dafür von ihrem Boss bestraft werden. Sofort begaben sie sich gemeinsam zum Hinterzimmer, die Männer grinsten freudig und Chris ergab sich innerlich schon mal ihrem Schicksal. Als sie die Tür zum Raum öffneten und eintraten sahen die Bosse alles andere als glücklich aus. Sie ließen sich gerade von den Hostessen bespaßen und waren nicht begeistert von der Unterbrechung. Die Sicherheitsmänner gingen zu ihren Bossen und beschwerten sich über Chris fehlenden Respekt ihnen gegenüber und verlangten Maßregelung. Chris konnte Buchkammer ansehen wie sehr es ihn freute sie wieder einmal bestrafen zu können. „Also Chris, dann erklär uns doch mal wieso du unseren Gästen gegenüber so unhöflich warst.“ Eigentlich war es ihrem Boss egal was sie nun zu ihrer Verteidigung sagte, doch es würde ihn schwach aussehen lassen, wenn er den Anschein erwecken würde kein Vertrauen in seine Untergebenen zu haben. „Ich bemerkte ein Getümmel am hinteren Tresen und wollte nachsehen was diese Unruhe ausgelöst hatte. Als ich ankam sah ich wie diese 7 Männer um eine junge Frau herumstanden und bedrängten. Sie versuchte sich mit aller Kraft zu wehren, aber hatte natürlich keine Chance. Als sie anfingen an ihrer Kleidung zu zerren ging ich dazwischen und beschützte das Mädchen.“ So ein verhalten war in ihren Kreisen nicht selten und oft genug musste sich Chris zurück halten um den Männern nicht die Eier abzureißen. Aber bei einem Mädchen das sie kannte war es ihr einfach unmöglich gewesen, außerdem musste sie an den Ruf des Clubs denken. „Ich hielt es nicht für erstrebenswert, dass eines der Clubs von The Silent Sharks durch so einen Zwischenfall Aufsehen erregt. Wenn man dann noch bedachte an wen sich diese Männer vergreifen wollten, denke ich, dass mein Handeln vollkommen korrekt gewesen war.“ Nun sah sie die Neugier in den Augen der meisten Anwesenden. „Du kanntest die Frau?“ Nun war es an der Zeit Farbe zu bekennen. „Ja. Ich bin mit ihr zur Schule gegangen. Anna Rühl war mit mir in einer Klasse gewesen.“ Mark Vogel knallte sein Glas so fest auf den Tisch, dass es zerbrach. Er erdolchte die Männer, die sich an Anna vergreifen wollten mit seinem Blick. Vogel wandte sich nun voll Chris zu. „Wo ist Anna jetzt?“ Sollte sie es ihm sagen? Hatte sie denn eine andere Wahl? „Michael kam genau im richtigen Moment. Ich habe sie in seiner Obhut gelassen und sie in unsere Wohnung bringen lassen. Ich möchte wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin ein ausführliches Gespräch mit ihr führen.“ Er entspannte sich nun sichtlich und atmete erleichtert aus. „Was gibt es denn für ein Problem mit diesem Mädchen, dass du so einen Wirbel um sie machst?“ Dem Boss schien der Name Anna Rühl unbekannt zu sein. Und man konnte es ihm nicht verdenken. Die meisten großen Familien hielten ihre Kinder von den Medien fern. Sie versteckten sie zwar nicht, aber man achtete stets auf Diskretion. Und der Nachname Rühl war nicht gerade ungewöhnlich. „Anna ist nach dem Tod von ihrer Schwester vor einigen Jahren die einzige Erbin der Wohngesellschaft Deutschland, kurz WGD. Keine andere Familie besitzt so viel Immobilien und Gründstücke wie die Rühls. Annas Eltern sind seit sie eines ihrer Kinder verloren hatten extrem überbehütet wenn es um Anna geht. Ich denke sie wollte der Überwachung ihrer Eltern entgehen und ist deswegen in einem unserer Clubs gelandet. Meine Familie die Vogels sind schon über Generationen eng mit den Rühls befreundet. Wäre Anna hier etwas passiert, weiß ich nicht ob wir uns hätten halten können. Chris hat definitiv richtig gehandelt als er diesen Übergriff verhindert hat.“ Ihr Boss sah nicht begeistert aus. Er wollte sie züchtigen, Chris sah es ganz genau in seinen Augen, doch er musste auch einsehen, dass sie richtig gehandelt hatte. Noch etwas viel Chris nun auf, es schien als wäre Mark Vogel ein Verwandter von Kon. Wieso war jemand mit solch einem Stammbaum einer Gang beigetreten? Hatte Kons Familie vielleicht doch keine so ganz saubere Weste wie Chris angenommen hatte? Oder war Mark Vogel einfach nur das schwarze Schaf der Familie? Diese Überlegungen brachten sie nicht weiter und nützten ihr auch nichts. „Ich verstehe. Ich möchte die anderen Anwesenden bitten eine Strafe für ihr Sicherheitspersonal zu wählen. Mit ihrem Benehmen haben sie die Existenz von uns allen aufs Spiel gesetzt.“ Chris ahnte übles. Die Bosse entschieden, dass Buchkammer entscheiden dürfe, da der Schaden ihn am schlimmsten getroffen hätte. „Okay. Ich möchte, dass sie 48 Stunden im Keller verbringen müssen. Und da Chris erneut sein Fehlverhalten zur Schau gestellt hat wird er ihnen dabei Gesellschaft leisten. Da er jedoch unser aller Geschäfte vor großem Schaden bewahrt hat, wird er nur die hälfte der Zeit im Keller verbringen müssen.“ Er versuchte vor den Anderen nachsichtig zu wirken, doch Chris wusste, wäre es zum Beispiel Michael gewesen, der dazwischen gegangen war, hätte er keine Strafe bekommen und zusätzlich noch ein Belohnung. Chris akzeptierte ihre Strafe und bedankte sich höflich für die Nachsicht, die ihr Boss ihr entgegenbrachte. Sie würde sich von diesem Mann nicht fertig machen lassen. „Dann geh jetzt wieder nach draußen. Wenn du fertig bist mit deiner Arbeit möchte ich, dass du nach Hause gehst und mit dieser Anna redest. Sorg dafür, dass sie uns zukünftig keine Probleme macht. Du kennst sie, also wird sie sicher auf dich hören. Solltest du Probleme haben, rufst du Mark an. Wenn du mit deinem Gespräch fertig bist, begibst du dich unverzüglich zum Hauptgebäude in den Keller.“ Chris nickte und verließ den Raum.

Nach der Verabschiedung der Bosse begab sich Chris sofort auf den Weg nach Hause. Sie musste mit Anna reden. An der Tür wurde sie direkt von Michael abgefangen. „Was ist passiert nachdem ich mit dem Mädchen verschwunden bin?“ Chris antwortete nicht und ging weiter ins Wohnzimmer. Dort traf sie nur Dom und Tino an. Sie drehte sich zu Michael um der ihr gefolgt war. „Wo ist Anna?“ Micha sah sie komisch an, zeigte aber auf die Tür zum Schlafzimmer. „Falls du von dem Mädchen aus dem Club redest, die ist im Bett und schläft. Sie war wegen der ganzen Sache ziemlich aufgewühlt und nachdem wir sie endlich beruhigt hatten ist sie vor Erschöpfung eingeschlafen.“ Chris ging ins Schlafzimmer schaltete das Licht an und zog die Decke von Anna. Diese setzte sich sofort alarmiert auf. Michael sah Chris strafend an, doch das war ihr in diesem Moment vollkommen egal. „Schön dass du wach bist. Ich möchte, dass du dich ab sofort von solchen Clubs fernhältst. Du wirst nicht immer so viel Glück haben wie heute. Es war reiner Zufall, dass ich ausgerechnet heute dort aushelfen musste. Ist dir überhaupt bewusst, was mit dir passiert wäre, wenn ich nicht dazwischen gegangen wäre? Was hattest du dort überhaupt verloren? Und dann auch noch in so einem kurzen Rock?“ Chris war wirklich wütend und konnte auf Annas Gefühle keine Rücksicht nehmen. Sie musste ihr verständlich machen, dass sie sich von allem was mit einer Gang zu tun hatte fern halten müsse. „Ich habe keine Ahnung was das für ein Club war. Ich war heute mit ein paar Freundinnen aus der Schule unterwegs. Die waren plötzlich weg und bevor ich sie wieder finden konnte, waren da auch schon diese Typen. Ich hätte mir nie im Leben vorstellen können, dass ausgerechnet du mir zu Hilfe kommen würdest.“ Sie sah Chris etwas beleidigt an. Sie schien sich durch ihre Zurechtweisung gekränkt zu fühlen. „Ich hätte das auch für jede andere Frau gemacht. Denn so eine Behandlung hat niemand verdient. Nicht mal so hinterhältige wie du. Denk nicht ich hätte vergessen was du Lisa alles angetan hast. Aber egal. Ich möchte, dass du dich von allen Läden die irgendeinen Ganghintergrund haben fern hältst. Diese Typen haben keine Ahnung von deiner Familie, dein Name kann dich in diesem Gewerbe nicht schützen.“ Dann drehte sie sich um und verließ das Zimmer wieder. Sie ging direkt weiter zur Haustür und zog sich ihre Schuhe wieder an. Die drei Männer waren ihr gefolgt und sahen sie verwirrt an. „Wo willst du denn jetzt noch hin?“ Sie sah sie nicht an als sie ihnen antwortete. Wollte den Schmerz in ihren Augen nicht sehen. Jedes Mal wenn sie sich auf den Weg zum Keller begab, hatte sie das Gefühl diesen drei Männern das Herz zu brechen. Sie litten mit ihr. „Dafür, dass ich die Sicherheitsleute der anderen Bosse so respektlos behandelt habe muss ich für 24 Stunden in den Keller. Ich muss jetzt los.“ Dann ging sie aus der Tür und machte sich auf den Weg.

Alle drei standen im Eingang und rührten sich nicht. Im vergangen Jahr musste Chris bestimmt drei Mal im Monat dort unter verbringen. Oft wurde er für Dinge bestraft für die Andere belohnt wurden. So wie heute, Micha hatte zwar keine Ahnung, aber am Gespräch im Schlafzimmer ging er davon aus, dass diese Anna eine Tochter aus gutem Hause war. Wäre er dazwischen gegangen, hätte man ihn dafür belohnt, weil er der Gang Schwierigkeiten erspart hatte. Aber nicht so bei Chris. „Ich habe keine Ahnung wieso, aber der Boss will Chris fertig machen. Ich verstehe nur den Grund dafür nicht. Sollte die Übergabe von Chris nicht die Allianz von Buchkammer und Schneider sichern?“ Dom und Tino sahen ihn ratlos an. Er sah den selben Schmerz, den auch er empfand wenn er daran dachte, was Chris durchmachen musste, in ihren Augen. Chris hatte mit seinen Fähigkeiten viel Neid auf sich gezogen. Da alle runter in diesen Keller konnten um ihren Frust an den zu Bestrafenden auszulassen, war diese Zeit für Chris mindestens doppelt so schlimm wie für die Anderen die dort bestraft wurden. Normalerweise kamen in der Nacht zwei bis drei Männer runter in den Keller weil es ihnen befohlen wurde. Aber wenn Chris dort unter war, gaben sich die Männer die Klinke in die Hand um auf Chris einprügeln zu können. Micha drehte sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Dom und Tino folgten ihm, doch vorher holten sie noch etwas zu trinken. Als alle saßen ging die Tür zum Schlafzimmer auf und das Mädchen steckte vorsichtig ihren Kopf durch den Spalt. „Kann ich jetzt nach Hause?“ Micha hatte sie vollkommen vergessen. „Ich werde dich fahren.“ Er stand auf und ging vor. Micha ging davon aus, dass sie ihm folgen würde. Unten auf der Straße angekommen öffnete er ihr die Wagentür und ließ sie einsteigen. Michael umrundete das Auto und stieg ebenfalls ein. Als sie schon eine Weile unterwegs waren durchbrach Anna das Schweigen. „Gibt es eine Möglichkeit wie ich Chris erreichen kann? Ich kam nicht wirklich dazu mich richtig bei ihm zu bedanken. Außerdem gibt es da noch etwas Wichtiges, dass ich mit ihm besprechen müsste.“ Michael hatte Mühe seinen Zorn im Zaum zu halten. Sein Kopf wusste, dass dieses Mädchen nichts dafür konnte, dass Chris im Moment Schmerzen erleiden musste aber seine Gefühle spielten verrückt und er wollte irgendwem die Schuld geben. „Ich werde Chris deinen Dank ausrichten. Und wenn du ihm wirklich Dankbar bist, dann hältst du dich an dass was er dir gesagt hat und hältst dich auch von ihm fern.“ Er hoffte, dass sie es verstanden hatte, doch er wurde direkt im nächsten Moment enttäuscht. „Ich habe etwas wirklich Wichtiges mit ihm zu besprechen. Wenn du mir nicht sagen willst, wie ich ihn erreichen kann, dann werde ich ihn selbst suchen müssen.“ Micha machte eine Vollbremsung. Er hatte Glück, es war mitten in der Nacht und so gut wie kein Verkehr. Er sah Anna wütend an. „Chris wird in diesem Augenblick gerade an die Decke eines Kellers gehängt und muss dort für 24 Stunden allen möglichen Männern als Boxsack dienen. Das ist seine Strafe dafür, dass er dich gerettet hat. Und er wusste was auf ihn zukommen würde, als er sich entschloss dir zu helfen und er hat es trotzdem getan. Und jetzt sagst du mir du willst dich wieder in Gefahr bringen um ihn zu finden und damit sein Opfer das er gerade bringt bedeutungslos machen? Ganz zu schweigen, dass er wohl noch zusätzlich bestraft werden würde, weil du anfängst deine Nase in Dinge zu stecken die dich nichts angehen.“ Er war so wütend, aber als er sie so sah, wie sie neben ihm anfing zu weinen, tat es ihm schon wieder leid sie so angeschrien zu haben. „Das tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt. Ich wollte mich nur bedanken und entschuldigen.“ Sie saß da wie ein Häufchen Elend. „In Ordnung. Wir treffen uns in zwei Tagen am Hauptbahnhof an der Westseite. Ich werde dich zu Chris Arbeitsplatz bringen. Aber wenn ich auch nur den geringsten Verdacht habe, dass die Chefs diese Gelegenheit ergreifen um Chris bestrafen zu können, werden wir sofort wieder gehen.“ Sie sah in glücklich an und nickte. Sie waren mittlerweile vor der riesigen Villa angekommen. Micha würde sich wohl nie an den Anblick dieser viel zu großen Häuser gewöhnen können. „Danke. Dafür das du mir hilfst und mich nach Hause gefahren hast.“ Er nickte nur und sie stieg aus. Micha fuhr zurück in die Wohnung um mit Dom und Tino über Chris zu reden.



Kapitel 29


Endlich hatte sie diese 24 Stunden Hölle hinter sich gebracht. Alles was Chris jetzt noch wollte, war ihr Bett und sich für den nächsten Tag Arbeit auszuruhen. Ihr gesamter Körper tat weh und sie war einfach nur fertig. Sie schleppte sich aus dem Gebäude und nahm ein Taxi in die Wohnung. Sie wusste, dass der Keller für Bestrafungen gedacht war. Aber so reger Verkehr herrschte nur wenn sie dort hang. All diese Möchtegerns die sie um ihre Kampfkunst beneideten reihten sich auf wenn sie mal wieder dort unten war. In einem richtigen Kampf würden diese Typen keine Sekunde gegen sie bestehen, doch sie war dort wehrlos und außerdem so wie so ganz unten in der Rangfolge. Sie konnte sich nicht für diese Behandlung rächen. Zusätzlich fühlten sich diese Feiglinge sicher, da Chris Augen verbunden waren. Aber sie wusste ganz genau wer zu ihr kam. Manche kamen nicht oft, diese wurden wohl vom Boss geschickt. Aber es gab einige die immer da waren wenn sie gezüchtigt wurde. Als sie endlich an der Wohnung ankam, wartete Michael schon vor ihrer Haustür auf sie. Als er sie im Taxi entdeckte kam er zum Auto und half Chris beim aussteigen und brachte sie nachdem er den Fahrer bezahlt hatte in ihre Wohnung. Jetzt konnte sie endlich schlafen. „Chris bevor du Schlafen gehst muss ich dir noch etwas sagen. Ich treffe mich morgen mit Anna und werde dich mit ihr in der Billardhalle besuchen. Sie wollte sich bei dir bedanken und sich für irgendetwas entschuldigen. Ich habe versucht ihr klar zu machen, dass sie sich von dir und allem was mit der Gang zu tun hat fernhalten sollte. Aber ich denke wenn wir ihr nicht die Möglichkeit geben zu sagen, was ihr auf dem Herzen liegt, wird sie allein losziehen um dich zu finden. Und das wird wohl nicht gerade zu deinen Gunsten ausgelegt.“ Sie würde sich gern fürchterlich über das Gesagte aufregen, aber dafür hatte sie einfach keine Kraft mehr über. Sie musste schlafen und ihrem Körper gestatten sich auszuruhen. „Verstanden. Bring mich jetzt bitte ins Bett.“ Und er tat ihr den Gefallen. Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen. Gegen 14:00 Uhr des nächsten Tages wachte sie wieder auf. Sie fühlte sich noch immer wie erschlagen, was ja auch zutraf. Sie wurde wohl von dem köstlichen Geruch der in ihrer Wohnung lag geweckt. Ihr Magen knurrte zur Bestätigung und sie setzte sich langsam in ihrem Bett auf. Sie stand auf schnappte sich frische Kleidung und ging erst Mal ins Bad um sich frisch zu machen. Als sie fertig war ging sie zu Micha in die Küche. Er war gerade dabei den Tisch fertig zu decken. Als sie sich setzte stellte er auch schon die Lasagne auf den Tisch. Chris konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Das war ihr absolutes Lieblingsgericht. Micha gab sich nachdem sie im Keller war immer besonders Mühe mit dem Essen. Michael erzählte ihr noch mal genau was am Abend zuvor noch vorgefallen war und wieso er sich auf das Treffen mit Anna eingelassen hatte. Und sie erklärte ihm wer sie war und woher sie Anna kannte.

Ihr ganzer Körper schmerzte noch immer und würde es wohl noch mindestens eine Woche, doch sie musste trotzdem arbeiten. Man gab ihr immer nur einen Tag nach ihrer Bestrafung frei. Sie hatte Glück, dass an diesem Tag nicht wirklich viel los war und sie fast die ganze Zeit sitzen konnte. Sie hoffte, dass es so bleiben würde. Gegen 20:00 Uhr betrat Michael zusammen mit Anna die Halle und kam direkt auf sie zu. „Hey Chris. Ich würde mich gerne kurz mit dir unterhalten. Ist das vielleicht möglich?“ Chris wollte eigentlich nichts weiter mit Anna zu tun haben. Sie bedeutet für Chris nichts als Ärger und den konnte sie nicht gebrauchen. „Ich arbeite gerade.“ Dann drehte sie sich um und nahm ein Schluck von dem Wasser, das hinter ihr auf dem Tresen stand. „Ich könnte dich zu einem Spiel herausfordern oder ich könnte einfach nur so bezahlen.“ Glaubte sie wirklich, dass man alles und jeden auf dieser Welt mit Geld kaufen konnte? Allerdings war Chris auch klar, dass Anna nicht aufgeben würde. Und wenn sie anfing hinter ihm herzujagen, würde das nur Aufmerksamkeit auf sie lenken und wenn Chris ganz viel Pech hatte würde sie Kon oder Rico verraten, dass sie noch in der Stadt war. „Ich werde meinen Chef fragen müssen. Bleib hier bei Micha und verhalt dich ruhig.“ Chris ging zu Kreuzer ins Büro und erklärte ihm was Anna von ihm wollte und was sie angeboten hatte. Als sie die Erlaubnis von ihm hatte, ging sie zurück in die Halle. Sie ging zum Tisch in der hintersten Ecke und sah Micha und Anna wartend an. Beide standen auf und kamen zu ihr an den Tisch. „Dann lass uns spielen und dabei kannst du mir sagen, was du hier willst.“ Anna nickte und nahm den Queue in die Hand den Michael ihr gereicht hatte. „Ich wollte mich erstmal entschuldigen, dass ich dir mit meiner Anwesenheit im Club so viel Ärger verursacht habe und mich für die Rettung bedanken. Wirklich danke.“ Chris fühlte sich als wäre sie plötzlich gegen eine unsichtbare Wand gerannt, völlig verwirrt. Was war nur mit Anna los? So kannte Chris sie nicht. Wo war das arrogante und reizbare Mädchen geblieben? „Ich wollte mich auch dafür entschuldigen was damals alles in der Schule vorgefallen war. Deswegen wollte ich mich auch heute unbedingt mit dir treffen. Wäre es möglich, dass du mich Lisa sehen lässt, sodass ich mich persönlich bei ihr entschuldigen kann? Nach dem letzten Übergriff, habe ich verstanden, wie irrational mein Handeln war und das ich dringend Hilfe benötigte. Ich weiß, dass mein Fehler unentschuldbar ist, aber ich würde gern trotzdem persönlich um Verzeihung bitten. Doch nachdem ich die Schule gewechselt habe, hatte ich dafür keine Gelegenheit mehr.“ Chris wunderte sich worüber Anna sprach. Sie hatte Lisa seit über einem Jahr nicht mehr gesehen und keine Ahnung was sich in ihrem Leben in der Zeit ereignet hatte. „Anna ich habe absolut keinen Schimmer wovon du gerade redest. Was hast du Lisa angetan?“ Chris begann sich Sorgen zu machen. Sie war für Lisas Sicherheit zur Gang gegangen, aber das hatte auch den Nachteil, dass sie nun nicht mehr direkt für ihren Schutz sorgen konnte. „Ich habe ein paar Typen von der 9. Oberschule angeheuert, damit sie sich an Lisa vergreifen. Ich weiß absolut nicht, was mich geritten hat. Ich habe gesehen, wie sie Ric von Tag zu Tag näher kam und mein Gehirn hat völlig ausgesetzt. Zum Glück hat Ric sie vor größerem Schaden bewahrt.“ Chris musste sich zusammen reißen Anna nicht selbst eine zu verpassen. „Danach habe ich die Schule gewechselt und eine Therapie begonnen. Heute verstehe ich nicht wie ich jemals zu so etwas in der Lage war. Nach dem Tod meiner Schwester war alles so falsch. Ich meine wie sollte die Welt richtig sein, wenn meine Isa doch nicht mehr da war? Dann kamen die Gewissensbisse dazu, weil unsere letzte Unterhaltung ein Streit gewesen ist und ich ihr gesagt habe, dass ich mir wünschen würde sie wäre nicht meine Schwester und nicht mehr da. Und dann starb sie. Ich konnte damit nicht umgehen. Als dann Lisa in der Schule auftauchte und meiner Schwester so ähnlich sah, setzte mein Gehirn aus. Ich weiß, dass auch so was keine Entschuldigung ist, aber ich würde ihr gerne meine Geschichte erzählen und hoffe, dass sie es ein wenig nachvollziehen kann.“ Chris hatte Mitleid mit Anna. Wirklich, sie wusste wie sehr alte Dämonen einen manchmal im Griff haben konnten. Sie selbst hätte damals beinahe Mad Dog umgebracht, hätte Micha sie nicht aufgehalten. Sie würde versuchen Anna zu verzeihen, doch sie konnte ihr bei der Entschuldigung bei Lisa keine Hilfe sein. „Ich nehme deine Entschuldigung an. Aber bei Lisa kann ich dir nicht wirklich helfen. Ich habe sie seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Lisa weiß nicht mal, dass wir noch in der selben Stadt wohnen. Ich bin jetzt in der Gang und habe keinen Kontakt mehr zu den Leuten aus der Schule. Alle denken ich würde momentan im Ausland arbeiten.“ Anna sah sie verwundert an. „Nicht mal Ric weiß bescheid?“ Bei der Erwähnung von Ricos Namen zog sich Chris Brust schmerzhaft zusammen. Sie versuchte so gut es ging ihre Gedanken und Gefühle für Ricardo zu verdrängen. Ihre drei Männer halfen ihr dabei. Und wenn ihre Sehnsucht doch zu groß wurde und die Qual zu mächtig, nahm Micha sie in die Arme und tröstete sie während sie weinte. Micha, Dom und Tino hatte längst herausgefunden, welche Gefühle Rico und Chris für einander hegten. Aber sie haben sie dafür nie verurteilt. „Nein, auch Rico weiß nicht bescheid und ich möchte auch, dass es so bleibt.“ Anna nickte und fragte Chris weiter über ihre Umstände aus, doch Chris blockte alle Fragen ab. Sie wollte einer Außenstehenden nichts von ihrer komplizierten Geschichte erzählen. Als Anna bemerkte, dass es keinen Sinn hatte weiter mit Chris zu reden verabschiedete sie sich und ging mit den Worten: „Ich komme dann am Wochenende wieder.“ Bevor Chris hätte widersprechen können war sie schon verschwunden. Seit diesem Tag kam Anna jedes Wochenende in die Billardhalle und manchmal auch Wochentags. Die Jungs in der Halle machten sich über Chris und ihren Stalker lustig, aber Chris wusste es besser. Anna war keineswegs ihretwegen da, sondern weil sie Interesse an Micha entwickelt hatte.



Kapitel 30


Chris war zusammen mit Micha und einigen Männern unterwegs zu einem Arzt der seine Schulden nicht begleichen konnte. Sie hatten den Auftrag dafür zu sorgen, dass er ihnen die Praxis überschrieb. Chris fühlte sich bei dieser Aufgabe dieses Mal besonders unwohl. Wusste sie doch wie viel Zeit und Arbeit darin steckte Arzt werden zu können und noch mal doppelt so viel um eine eigene Praxis in dieser Zeit zu eröffnen und zu halten. Aber Job war Job, sie konnte nichts an dem Schicksal dieses Arztes ändern, der bald schon vor den Nichts stand. Chris wollte grade in das Auto steigen, als sie plötzlich am Ellenbogen gepackt und an eine Brust gezogen wurde. Sie wollte schon zum Gegenschlag ansetzen, doch sie spürte keine Bedrohung von dem Mann hinter sich ausgehen. Er legte auch nur leicht seinen Arm um ihren Bauch um sie an ihn gedrückt zu halten. Chris sah Micha an, der bei dieser Aktion wieder ausgestiegen war und auch er sah keineswegs beunruhigt aus. Sie drehte den Kopf und sah über ihre Schulter hinweg den Mann der sie festhielt an. Es war Kon. Was tat er hier? Wie hatte er sie gefunden? Oder war es Zufall? „Ich nehme dich jetzt mit.“ Das war alles, mehr sagte er nicht. Er zog sie nur noch fester an seine Brust und sah Micha herausfordernd an. Chris konnte sich nicht rühren. War Konrad jetzt vollkommen verrückt geworden? Chris sah aus den Augenwinkeln wie die übrigen Männer auf Kon losgehen wollten, doch Micha hielt sie auf. „Ihr haltet euch da raus.“ Dann wand Micha sich wieder Kon zu. „Konrad ist dir eigentlich bewusst was du hier gerade machst und wo du dich befindest?“ Micha löste vorsichtig Kons Arm der um Chris Bauch lag und befreite sie so. „Ja ich weiß wo ich bin und was ich hier mache. Aber es ist mir egal. Ich werde Chris jetzt mitnehmen.“ Chris wollte gerade etwas erwidern als Micha ihr die Hand vor den Mund hielt und ihr ins Ohr flüsterte. „Klär das mit ihm. Mach ihm begreiflich was hier auf dem Spiel steht.“ Dann ließ er Chris wieder los. „Okay Kon, du kannst Chris mitnehmen.“ Dann drehte er sich um und befahl seinen Männern ins Auto zu steigen. Und dann waren sie auch schon verschwunden und Chris mit Konrad allein. Was hatte Michael sich dabei nur gedacht? Er würde dafür bestraft werden, dass er Chris hatte entkommen lassen. Denn genau so sah es für die Umstehenden aus. Aber er hatte auch nicht ganz unrecht, Chris musste mit Kon reden und ihn wieder zur Vernunft bringen. Er war schon immer zu impulsiv gewesen und er könnte sich hier wirklich in Gefahr bringen. Sie drehte sich zu Kon um und lief dann an ihm vorbei. Sie würde ihn erst Mal an einen ruhigen Ort bringen. Sie lief mit ihm bis in den nächsten Park. Parks beruhigten sie, erinnerten sie Chris doch immer an ihre Momente mit Rico an ihrer Parkbank. Sie hatte das Gefühl ihm auf diese Weise etwas näher zu sein. Chris setzte sich auf die nächstgelegene Bank und wartete darauf, dass Konrad sich zu ihr setzte. Dann sah sie ihn finster an. „Sag mal hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren? Oder wolltest du dich vielleicht umbringen? Falls ja, dann tu mir den Gefallen und tu das an einem Ort an dem ich es nicht mit ansehen muss.“ Er sah sie nur stur an. „Wenn ich dich so vor diesen Typen retten kann, dann gebe ich mit Freude mein Leben dafür.“ Definitiv, er war verrückt geworden. „Willst du jetzt etwas den Helden spielen? Denkst du denn so was würde mich glücklich machen? Meinst du ich könnte meine Freiheit genießen, wenn du dich opferst? Ganz davon abgesehen, dass dieses Opfer absolut nichts an meiner Lage ändern würde.“ Er sah verletzt aus. Chris hasste es, sie wollte ihren Freund nicht verletzen. Kon wollte gerade auf ihre Fragen antworten, doch Chris wischte mit der Hand durch die Luft. „Das waren rhetorische Fragen. Du brauchst nicht zu antworten. Wir wissen beide wie die Antworten lauten würden. Ich möchte dass du gehst. Verschwinde und vergiss, dass du mich heute gesehen hast. Stell dir einfach weiter vor ich wäre im Ausland und warte darauf, dass ich zurück kommen.“ Er sah sie empört an. „Ich kann das doch nicht einfach vergessen. Du bist in einer Gang. Das ist viel zu gefährlich. Hätte ich es vorher gewusst, hätte ich dich an diesem Abend damals nie gehen lassen.“ Sie hatte es gewusste. „Und genau das ist der Grund wieso ich es dir nicht gesagt habe. Ich wusste, dass keiner von euch mich einfach hätte gehen lassen. Außerdem denk doch auch ein bisschen an meine Gefühle. Wie ich mich dabei fühle, dass du jetzt weißt, dass ich ein Gangster geworden bin? Meinst du ich wollte, dass mich eine mir wichtige Person so sieht?“ Kon hob seine Hand und legte sie sanft an Chris Wange. „Für mich wirst du immer Chris bleiben. Du bist du. Daran wird sich nie etwas ändern. Egal was du machst, was du arbeitest, wen du liebst. Aber ich kann nicht zusehen wie du dich in Gefahr bringst. Du bist nun mal eine Frau. Ich möchte mir gar nicht vorstellen was du für Aufgaben machen musst, wenn sie herausfinden dass du kein Mann bist.“ Chris lächelte Kon an und legte ihre Hand auf seine und zog sie langsam von ihrem Gesicht weg. „Danke. Aber du brauchst dir nicht solche Gedanken darum zu machen. Niemand wird mein Geheimnis erfahren und so schlimm sind die Aufgaben die ich erledigen muss nicht. Micha, Dom und Tino helfen mir und unterstützen mich. Ich muss da nicht allein durch. Also mach dir nicht so viele Gedanken um mich. Und wenn meine Zeit gekommen ist, werde ich zur Frau und die Gang wird mich nicht mehr finden können. Versteh es doch endlich. Egal wie gefährlich es dir vielleicht vorkommt, das ist meine einzige Chance frei zu sein und als Frau leben zu können.“ Er sah sie zerknirscht an. Chris merkte, dass er gerade in seinem Inneren einen Streit ausfocht. „Ich komme klar. Also tu mir den Gefallen und halt dich von mir fern und warte darauf, dass ich zurück komme. Du bringst mit solchen Aktionen auch nicht nur dich in Gefahr, sondern auch mich. Die Chefs werden mich für das was heute passiert ist bestrafen, also mach es uns Beiden nicht noch schwerer.“ Sie sah den Moment an dem sie gewonnen hatte in seinen Augen. „Verstanden. Ich werde mich fernhalten. Aber ich möchte, dass du mir einmal die Woche eine Email schreibst, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Und wenn du bei irgendetwas Hilfe brauchst meldest du dich bei mir.“ Damit konnte sie leben. „Okay, das kann ich machen. Aber jetzt wo ich mich wieder daran erinnere. Hast du irgendwas herausgefunden, wegen der Sache um die ich dich vor meiner Abreise gebeten habe?“ Er drückte ihre Hand, die immer noch in seiner lag, fester. „Ja. Es hat ganz schön gedauert. Ich habe alles herausgefunden, aber ich bin mir nicht so sicher ob du es wirklich wissen willst. Ich habe alle Ergebnisse schon in den Briefkasten der Adresse die du mir gegeben hast geschmissen. Am besten siehst du es dir alles ganz in Ruhe an.“ Sehr gut. Hoffentlich konnte sie mit diesen Unterlagen Michaels Gewissen erleichtern. „Okay. Dann erzähl doch mal wie es Lisa geht.“ Kon sah sie mitleidig an. Was würde nun kommen? „Ricardo ist nach seinem Abschluss in die USA gegangen. Um genau zu sein studiert er in Harvard Wirtschaft und Jura.“ Das wusste Chris schon. Rico hatte sich noch einige Male mit Micha getroffen und der hat Chris aufgeklärt. Ricardo ist wohl ins Ausland gegangen weil er sich ganz auf sein Studium konzentrieren wollte. Er wollte die Zeit bis zu Chris´ Rückkehr nutzen um ihnen eine Existenz aufzubauen. „Er ist zusammen mit Lisa ins Ausland gegangen. Nach dem du verschwunden warst, sind sich die Beiden schnell näher gekommen. Sie haben beide den ihnen wichtigsten Menschen verloren und kannten so den Schmerz des Anderen. Die restliche Zeit bevor sie nach Amerika sind, haben sie immer zu Zweit verbracht und waren unzertrennlich. Als Ricardo eröffnete, dass er im Ausland studieren wollte, hat Lisa beschlossen ihn zu begleiten. Sie wohnen jetzt zusammen in der Nähe des Campus. Lisa hat ihren Abschluss gemacht und hat schon eine Zusage für Harvard und Ricardo ist wie nicht anders zu erwarten der Beste seiner Jahrgangs. Ich telefoniere öfter mit ihnen.“ Chris Brust schmerzte. Sie bekam kaum Luft. Sie zwang sich, auf ihren Atem zu konzentrieren, aber das brachte nicht viel. Nun bekam sie zwar Sauerstoff, doch der Schmerz blieb. Von ihrer Umwelt bekam sie nichts mehr mit. Ihr Körper fühlte sich taub an, es war als hätte man sie in Watte gepackt. Sie spürte nichts mehr, außer diesen unbändigen Schmerz, der sie zu zerreißen drohte. Sie bedankte sich bei Kon für seine Auskunft und meinte sie müsse nun zurück, damit es keinen weiteren Ärger gab, zumindest glaubte sie, dass sie es tat. Sicher war sie sich nicht, denn obwohl sie glaubte, ihren Mund zu bewegen und zu sprechen hörte sie nichts außer das Rauschen in ihren Ohren. Chris glaubte, dass Konrad ihr noch etwas sagte, doch nichts kam bei ihr an. Sie lief einfach los. Sie musste zurück. Sie musste zu Micha. Und sie würde bestraft werden dafür, dass sie einfach gegangen war und zum ersten Mal seit sie bei der Gang war störte es sie nicht. Vielleicht würde der körperliche Schmerz die Taubheit vertreiben und den Schmerz in ihrem Inneren ersetzen.

Michael hatte es schnell geschafft den Arzt dazu zu bringen ihnen die Praxis zu überschreiben. Als er auf die Straße trat wurde er plötzlich von fünf Männern überwältigt und dann zurück zum Hauptgebäude gebracht. Er hatte damit gerechnet sich vor dem Boss erklären zu müssen, aber nicht, dass sie so brutal vorgehen würde, noch bevor er etwas erklären konnte. Doch als er so vor seinem Boss kniete erkannte er wie wütend dieser war. Er schrie ihn an. Dabei wurde er nur selten laut und zeigte auch nur selten seine Gefühle so offen. „Wieso hast du Chris entkommen lassen?“ Michael antwortete nicht. Es wäre auch sinnlos gewesen, sein Boss war so in Rage, dass ihn seine Worte eh nicht erreicht hätten. Doch seine Weigerung sich zu erklären, schienen Buchkammer nur noch weiter zu erzürnen, denn er schlug ihn heftig ins Gesicht. Der Schlag war so hart, dass Micha hart mit dem Kopf auf den Boden knallte. Doch er gab keinen Schmerzlaut von sich. Er hatte mit Chris trainiert und so wie es aussah war er erfolgreich gewesen. Er fragte ihn erneut nach seinem Grund doch Micha blieb stumm. Der Boss begann auf den am Boden liegenden einzutreten. Dann öffneten sich die Türen und Kreuzer, Vogel und Frisch betraten das Büro. Alle sahen über die Szene die sie erblickten erstaunt aus. Michael hatte sich bis jetzt auch noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Und auch der Boss machte sich für gewöhnlich nicht die Hände schmutzig. Buchkammer schien das Eintreten seiner Säulen nicht bemerkt zu haben, denn wieder schrie er Michael an und wollte wissen wieso er Chris hatte entkommen lassen. Er wollte wieder schweigen doch noch bevor der Boss darauf wieder mit Schlägen hätte reagieren können fragte Frisch was los war und Thomas kam aus der Ecke des Raumes und schilderte die Situation vor ungefähr einer Stunde. Also war es Thomas gewesen der Michael und Chris beim Boss verpfiffen hatte. Diese miese Ratte war seit Chris in der Gang war hinter ihm her. Und nun schien er die perfekte Gelegenheit bekommen zu haben um Chris und Micha los zu werden. Zumindest nahm er es an, er hatte ja keine Ahnung wie weit er davon entfernt war. „Wer war der Junge gewesen der Chris mit sich genommen hat?“ Das ausgerechnet Mark Vogel diese Frage stellte, nannte man wohl Ironie des Schicksals. „Sie sollten mal ihren Cousin anrufen und fragen was er heute so schönes gemacht hat, dann bekommen Sie sicher die antwort die Sie wollten.“ Vogel sah ihn geschockt an und wurde bleich im Gesicht. „Das hätte er nicht getan. Nicht mal mein impulsiver Cousin würde etwas so Dummes machen.“ Doch er griff schon nach seinem Telefon in seiner Jacke. „Wenn Ihr Cousin Konrad Vogel ist, dann hat er heute so etwas Dummes getan. Und weil ich weiß wer er ist, habe ich Chris mit ihm mitgehen lassen. Chris wird ihm klar machen, dass er sich von der Gang fernhalten soll. Und er wird Kon auch verständlich machen, dass er freiwillig hier ist und keine Rettung braucht.“ Der Boss haute wütend auf den Tisch. Er schien sich noch immer nicht beruhigt zu haben. Aber immerhin schlug er nicht mehr auf Michael ein. „Und wer gibt uns die Garantie, dass Chris diese Situation nicht nutzt um sich bei den Vogels in Sicherheit zu bringen?“ Diese Frage war in Michaels Augen so dumm, dass er sich das Lachen nicht verkneifen konnte. Also lachte er lauthals los, es war ihm egal, dass alle im Raum ihn für verrückt hielten. Der Boss schlug ihm erneut ins Gesicht, er hatte es wohl übertrieben. Aber er sah ihn nur ausdruckslos an. „Chris hat noch nie versucht zu fliehen. Mit seinen Fähigkeiten hätte er jederzeit entkommen können. Und wenn er dann noch seine Freunde um Hilfe gebeten hätte, wären uns vor einer Verfolgung komplett die Hände gebunden gewesen. Denn Chris hatte viele Freunde in guten Familien um nur einige zu nennen hätten wir die Rühls, dass war die Familie des Mädchens, die beinahe in einem unserer Clubs vergewaltigt worden wäre wenn Chris nicht dazwischen gegangen wäre. Dann hätten wir die Vogels, dazu gehört der Cousin von Mark, der heute aufgetaucht ist. Und die für uns wohl gefährlichste Familie, die Dettkes. Chris bester Freund ist ein Erbe der Dettke Gruppe. Wenn Chris also wirklich hätte fliehen wollen, dann hätte er es leicht schaffen können und auch den nötigen Rückhalt um ihm Sicherheit zu gewähren. Ich frage also die anwesenden Herren, wieso ist Chris dann bis jetzt nicht geflohen? Wieso lässt er all die Strafen über sich ergehen obwohl er einen Ausweg hätte? Die Antwort ist ganz einfach. Wenn wir Chris nicht hätten, dann würde der Boss sich Lisa holen. Lisa hatte keine Freunde auf die sie bauen konnte. Keine Unterstützung die sie um Hilfe bitten konnte. Niemanden außer ihren Großvater. Doch sobald Lisa in der Gang wäre, wären Schneider die Hände gebunden. Deswegen akzeptierte Chris sein Schicksal und blieb und ertrug. Deswegen hatte er seine Freunde über seinen Aufenthalt angelogen und ihnen gesagt, dass er im Ausland arbeiten würde, damit sie nicht nach ihm suchten. Er hatte auf alle Hilfe verzichtet. Ihr könnt euch also sicher sein, dass Chris zurück kommen wird.“ Genau in diesem Moment ging die Tür des Büros auf und Chris trat ein. Er war ganz blass und er sah irgendwie in sich zusammengesackt aus. Als Micha ihm in die Augen sah erschrak er, sie waren völlig leblos. „Ich entschuldige mich für mein heutiges Fehlverhalten. Schon wieder habe ich für Probleme gesorgt, doch ich habe mit Konrad gesprochen und er hat verstanden, dass ich freiwillig hier bin und keine Hilfe benötige. Er wird nicht noch Mal so etwas Dummes tun. Ich würde darum bitten Konrads ungestümes Verhalten zu entschuldigen. Er hatte sich nur Sorgen um einen Freund gemacht und deswegen nicht genauer nachgedacht. Er wird es sicher nie wieder tun. Ich werde jetzt runter in den Keller gehen und dort auf die Entscheidung meiner Strafe warten.“ Irgendwas musste mit Konrad vorgefallen sein. Chris Stimme hatte jegliche Modulation verloren. Sie klang auch leicht verwaschen, als hätte er Probleme seinen Mund richtig zu benutzen. So wie Chris aussah und sich anhörte musste einfach etwas passiert sein. Und Michael wusste, dass nur Ric der Grund sein konnte, wenn Chris so dermaßen neben sich stand. War ihm etwas zugestoßen? Chris drehte sich um, damit er den Raum verlassen konnte, doch noch bevor er die Tür erreichte, wurde sie aufgeschlagen und der Sekretär stürmte hinein. „Wir werden angegriffen. Systematisch. Immer nur kleine Gruppen. Drei hat es hier vor dem Gebäude erwischt, zwei vor der Billardhalle und dann einzelne vor anderen Geschäften und Zweigstellen.“ Stille lag im Raum, alle waren geschockt von dem Gesagten. Doch plötzlich ertönte ein Schrei vom Flur. Micha sah zur Tür und erblickte seinen persönlichen Albtraum. Tino wurde blutend an der Tür vorbei getragen.

Dieser Schrei ließ Chris aus ihrer Blase erwachen. Sie erkannte die Stimme, auch wenn sie völlig scherzverzerrt war. Sie sah Tino, der schwer aus einer Bauchwunde zu bluten schien. Sofort war sie im Ärztemodus, all ihr Schmerz war vergessen, auch das sie im Büro vom Boss stand und die Chefs anwesend waren, war aus ihren Gedanken verschwunden. Sie konzentrierte sich vollkommen auf das was getan werden musste. „Hey. Bringt Tino hier rein. Michael mach den Tisch frei, irgendjemand soll den Hochprozentigen aus der Bar holen und den Tisch damit überschütten und so desinfizieren. Legt Tino dann ganz vorsichtig darauf ab.“ Sie sah sich kurz im Raum um, doch hier befand sich nichts was sie verwenden könnte. „Micha wo ist dein Auto? Oder weiß jemand ob Tino mit dem Wagen hier war und wo der steht?“ Michael griff in seine Tasche und zog seinen Schlüssel hervor. „Er steht direkt vor der Tür.“ Dann reichte er ihr seinen Schlüssel. Doch Chris hatte keine Zeit selbst zum Wagen zu rennen. Sie reichte ihn an den Nächsten der neben ihr stand weiter und befahl. „Renn runter zu Michas Wagen. Im Kofferraum liegt eine große schwarze Sporttasche. Bring die zu mir. Sei aber vorsichtig sie ist schwer und die Sachen darin dürfen nicht kaputt gehen. Und jetzt Beeilung“ Trotz ihren Anweisungen sich zu beeilen, bewegte sich der Mann neben ihr keinen Millimeter. Sie schrie ihn an. „Na los Bewegung. Hier zählt jede Sekunde ich brauche meine Sachen.“ Dann rannte der Typ auch schon los. Sie sah sich erneut um und entdeckte eine Schere auf dem Schreibtisch, sie holte sie sich und schnitt vorsichtig Tino das Hemd vom Körper. Er hatte wirklich einen tiefen Messerstich im Unterbauch. Das sah nicht gut aus, er verlor viel zu viel Blut. Sie nahm den Fetzen von Hemd und drückte ihn auf die Wunde. Tino Schrie erneut, doch auf seine Schmerzen konnte sie im Moment keine Rücksicht nehmen. Es passte ihr auch nicht, dass sie ein nicht steriles Hemd auf die Wunde presste, doch ohne das würde er in kürzester Zeit verbluten. Chris überfiel eine leichte Panik. Sie konnte Tino nicht verlieren, er war ein Teil ihrer Familie geworden. Sie würde es nicht überleben ihn zu verlieren. Sie versuchte sich zu beruhigen, aber die Sekunden vergingen wie Minuten und sie konnte nichts für ihn tun. „Wo bleibt die verdammte Tasche.“ Sie wusste, dass sie gerade leicht hysterisch Schrie, doch das war ihr egal. In dem Moment wurde ihr Tasche vorsichtig neben ihr abgestellt. Sie sah auf und bedankte sich und erst in diesem Moment fiel ihr auf, wem sie da zuvor einen Befehl entgegen geschrien hatte. Neben ihr stand Kreuzer völlig außer Atmen. Doch dafür hatte sie in diesem Augenblick keine Zeit, sie konnten Chris später dafür bestrafen. Jetzt musste sie erst Mal das Leben ihres Freundes retten. Sie war die beste Chirurgin des Landes, sie würde es schaffen. Sie musste es. „Würde bitte jemand die Tasche für mich öffnen? Micha du nimm bitte mein Telefon und wähle folgende Nummer.“ Sie nannte ihm die Nummer zu Paps privatem Anschluss. „Stell auf Lautsprecher. Jemand muss mit mir tauschen und weiter druck auf Tinos Wunde ausüben. In meiner Tasche sind Handschuhe.“ Kreuzer griff in ihre Tasche und zog sich die Handschuhe über und übernahm für sie. „Mehr Druck ausüben. Ich weiß Sie wollen Tino nicht wehtun, aber nur mit genügend Druck retten Sie ihn vor dem verbluten, also nicht so zaghaft und ordentlich drücken.“ Dann ging sie zum Waschbecken der angrenzenden Toilette und wusch sich das Blut von den Händen. Ihr Telefon klingelte noch immer durch und dann sprang die Mailbox an. „Auflegen und noch mal anrufen.“ Sie ging zurück und kippte sich das Desinfektionsmittel einfach über ihre Hände und Arme. Dann zog sie die Handschuhe an. Sie Griff nach einer Spritze und zog ein Beruhigungsmittel und ein Schmerzmittel auf. Sie konnte Tino hier nicht in Narkose legen, doch damit würde das was nun kommen würde etwas erträglicher für Tino werden. Sie verabreichte ihm die Medikamente und er wurde fast augenblicklich entspannter. Dann zog sie noch eine Spritze für eine örtliche Betäubung auf. Wenn es ganz schlimm kommt, musste sie ihm hier an Ort und Stelle die Wunde weiter aufschneiden. Noch immer hörte man im Hintergrund das Tuten des Lautsprechers. Chris zog saubere Kompressen aus ihrer Tasche und schob Kreuzer zur Seite und ersetzte das Hemd mit ihren in Alkohol getränkten Kompressen. Erneut schrie Tino auf. Chris konnte es ihm nachfühlen. „Micha leg auf und wähl eine neue Nummer für mich.“ Wieder nannte sie ihm die Nummer und nach dem ersten Klingeln meldete sich eine freundliche Stimme. „Guten Tag. Rezeption des Steigwitz Krankenhauses, was kann ich für sie tun?“ Jetzt konnte sie nur hoffen, dass ihr Paps nicht im OP stand. „Guten Tag. Hier spricht Chris Kleintke.“ Noch bevor sie weiter reden konnte wurde sie unterbrochen. „Chris mein Schätzchen, hier ist Gerlinde. Was kann ich für dich tun?“ Sie hatte Glück. Gerlinde war eine ihrer OP Schwestern, sie war Gold wert. „Kannst du mich bitte sofort an Doktor Steigwitz weiterleiten? Es ist ein Notfall. Und mach dich schon Mal für den OP fertig. Richte alles für eine Stichwunde im unteren Bauchbereich vor.“ Sie hörte wie am anderen Ende scharf die Luft eingezogen wurde. „Verstanden mein Schatz. Ich bereite alles vor und leite dich weiter.“ Und schon erklang wieder das Freizeichen. Es tutete und tutete. Als er sich endlich meldete war Chris mit ihren Nerven fast am Ende. „Was gibt es denn Goldstück“ Zum Glück waren alle ihre Spitznamen nicht geschlechtsspezifisch. „Zu langsam. Wieso dauert es so lange bis du ans Telefon gehst? Egal. Antworte nicht, dass kostet uns nur noch mehr Zeit. Und sag bitte nichts unnötiges mehr.“ Sie konnte nur hoffen, dass er verstand worauf sie hinaus wollte. „Verstanden. Schieß los.“ Sehr gut, ihr Paps war jetzt auch vollkommen im Ärztemodus. „Mach bitte einen deiner Krankenwagen fertig. Schick mir Sven, Mike und Claudia wenn möglich mit. Sie sollen alles schon mal so vorbereitet, dass ich gleich meine Bauchstichwunde behandeln kann. Gerlinde bereitet mir gerade schon den OP vor, hilf ihr dabei bitte. Und mach dich fertig. Ich denke ich werde deine Hilfe benötigen. Und ich brauche Blutkonserven, schick sie mit Mike mit. Wenn ich ankomme muss alles fertig sein und alle steril.“ Chris hörte wie ihr Mentor die nötigen Befehle schrie und das beruhigte sie auf eine unnatürliche Weise. Nun konnte alles gut werden. Sie nannte ihm noch die Adresse. „Der Krankenwagen ist unterwegs, wenn sie gut durchkommen, dann sind sie in zehn Minuten da. Wenn nicht, dann musst du noch eine viertel Stunde durchhalten.“ Das war zu lang. Tino verlor zu schnell zu viel Blut. „Verdammt. Ich werde Tino hier aufmachen und das verletzte Gefäß abklemmen müssen, sonst schafft er es nicht.“ Ihr war nicht wohl dabei, aber sie musste ihn retten. „Das kannst du ni“ Sie hatte jetzt keine Zeit mit ihrem Paps zu diskutieren. „Micha leg auf.“ Und er tat ihr den Gefallen. Sie atmete einmal tief durch. „Okay. Jemand muss runter vor die Tür und auf den Krankenwagen warten. Am besten gehen zwei und einer hält unten den Fahrstuhl offen. Ich brauche fünf Leute hier am Tisch. Einer muss Tinos Füße fixieren, ein Anderer sollte sich quer über seine Oberschenkel legen. Dann brauche ich zwei Leute die seine Arme und Schultern fixieren. Und einen der mir hilft. Micha du hältst seinen Kopf ruhig und versuchst ihn zu beruhigen. Das wird alles andere als angenehm. Ich werde seine Wunde weiter öffnen müssen und dann versuchen seine Blutung ausfindig zu machen und zu stoppen. Wir brauchen noch einen Gürtel.“ Micha zog seinen Gürtel aus den Schlaufen und sah sie fragend an. „Steck ihn in Tinos Mund, er soll sich nicht vor Schmerz die Zunge abbeißen.“ Dann nahm sie ihr Skalpell und erweiterte den Schnitt an Tinos Bauch. Tino bewegte sich nicht, es schien, dass die örtliche Betäubung schon wirkte. Chris versuchte mit Hilfe von Kompressen das Blut das ihr die Sicht versperrte aus seiner Bauchhöhe zu entfernen, doch es war zwecklos. „Okay, jetzt müssen sich alle konzentrieren. Ihr müsst Tino wirklich gut auf dem Tisch fixieren, sonst könnte ich ihn noch mehr verletzen.“ Alle sahen sie ernst an und nickten. Dann steckte sie eine Hand in seinen Bauch und suchte mit ihr nach der Blutung. Tinos unterdrückter Schrei durch den Gürtel auf den er biss, ging Chris durch Mark und Bein. Aber sie hatte keine andere Wahl. Sie musste diese Blutung finden und stoppen wenn sie sein Leben retten wollte. Sie hatte Glück und fand die Blutung schnell. Weniger Glück war jedoch, dass der Stich, die Leberarterie verletzt hatte. Chris drückte ihren Finger auf die Öffnung. Um sie allerdings richtig abklemmen zu können müsste sie Tino weiter öffnen und das konnte sie im Moment nicht. Er hatte schon zu viel Blut verloren. Also würde sie wohl ihre Hand in ihrem Freund lassen müssen, bis sie im OP waren. Der Krankenwagen mit den Blutkonserven sollte schon bald da sein, so würde es Tino schaffen. „Ich hab die Blutung. Ihr könnt jetzt wieder locker lassen. Tino ist schon ohnmächtig geworden. Wenn der Rettungswagen bald kommt, sollte Tino es schaffen. Ab jetzt ist es ein Wettkampf gegen die Zeit.“ Micha sah erleichtert aus und auch sie schöpfte Hoffnung. Im nächsten Moment ging die Tür zum Büro auf und Claudia und Mike kamen herein. Als sie Chris mit der Hand in der Bauchhöhle von Tino sahen blieben sie kurz geschockt stehen, aber schnell hatten sie sich wieder im Griff und begannen mit ihrer Arbeit. Als erstes kam die Blutkonserve. „Wieso finden wir dich immer in den obskursten Lagen, wenn du nach uns in einem Krankenwagen verlangst?“ Chris musste lächeln. „So schlimm ist es dieses Mal gar nicht. Wir hatten doch alle schon mal eine Hand in einem Patienten.“ Beide lachten während sie routiniert arbeiteten. „Das schon, aber nicht in einem Büro und ohne Narkose.“ Sie hatte keine Wahl. „Du brauchst nichts zu sagen. Wir sehen wie viel Blut hier ist und wissen das du keine andere Möglichkeit hattest.“ Sie verstanden sie. „Richtig. Tino wurde mit einem Messer niedergestochen und seine Leberarterie wurde verletzt.“ Beide nickten. „Dann hast du wohl alles richtig gemacht, wenn er jetzt noch am Leben ist. Und eine Hand im Bauch ist immer noch besser als damals, als du 14 warst und die Innereien des kleinen Jungen nach dem Autounfall einfach wieder in seinen Bauch gestopft hast und mit einer Plastiktüte dafür gesorgt hast, dass sie dort blieben.“ Claudia lachte als sie wieder an die Geschichte erinnert wurde. „Der Junge hat nur deswegen überlebt und erfreut sich jetzt bester Gesundheit. Also muss ich es wohl richtig gemacht haben.“ Beide lachten. „Da hast du wohl recht, niemand außer dir kommt auf solche Ideen und deswegen hast du schon so vielen Menschen das Leben gerettet. Und dieser Einfallsreichtum und Wagemut hat sich bei dir auch immer als Erfolg heraus gestellt, deswegen bist du der beste Chirurg in Deutschland. Wann also hängst du deinen Bodyguard Job an den Nagel und kommst zu uns um Leben zu retten.“ Claudia und Mike schienen nicht zu wissen, dass sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr Lisas Bodyguard war. Claudia drehte sich kurz zu den Männern hinter ihr um. „Es tut uns leid. Wir haben natürlich kein Problem mit Ihrem Beruf, wir sind einfach nur der Meinung, dass Chris Potential im medizinischen Bereich besser aufgehoben wäre.“ Dann schloss sie die letzte Infusion an. „Wir können los.“ Chris nickte und ging. Sie musste jetzt erstmal ins Krankenhaus und Tinos Leben retten.



Kapitel 31


Kaum hatte Chris den Raum verlassen sackte Michael auf die Knie. Er konnte nicht noch einen Freund verlieren. Chris hatte gemeint, dass wenn jetzt nichts mehr passierte Tino es wohl schaffen würde. Er musste einfach an Chris glauben, er würde Tino retten. Michael sah sich im Raum um und sah, dass fast alle Anwesenden wie er am Platz an dem sie zuvor gestanden hatten zusammengebrochen waren. Alle waren blass im Gesicht und manche sogar grün. Er hatte immer gedacht, dass das nur eine Redewendung wäre, aber manche hatten wirklich einen grünlichen Schimmer im Gesicht. Wieso? Alle hier im Raum haben schon gesehen wie Männer zu Tode gefoltert wurden. Wieso also nahmen sie diese Geschehnisse nun so mit? Doch für solche Überlegungen hatte er im Moment keine Zeit. Er musste Dom anrufen und fragen ob es ihm gut ging. Und er musste ihm erzählen was passiert ist. Er zog sein Telefon aus der Tasche und wählte die Nummer. Als Dom ran ging erzählte er ihm was alles vorgefallen war. Dom meinte er wäre noch in der Wohnung und würde sofort zu ihm kommen und dann könnten sie ins Krankenhaus. Doch das war keine gute Idee. „Bleib erstmal zu Hause. Zur Zeit ist es zu gefährlich alleine auf der Straße zu sein. Chris kümmert sich um Tino, wir müssen einfach darauf vertrauen, dass er ihn rettet. Wichtig ist jetzt erstmal herauszufinden wer hinter den Angriffen steckt um erneute Übergriffe zu verhindern. Wenn es sicher ist, können wir sofort ins Krankenhaus. Wir nützen dort im Moment eh nichts und Tino wird nicht glücklich sein, wenn wir verletzt werden nur weil wir uns um ihn sorgen.“ Dom gab ihm Recht und versprach in der Wohnung zu bleiben. Doch nur unter der Vorraussetzung, dass Micha ihm, sofort Bescheid gab, wenn es etwas Neues gab. Micha gab sein Wort und legte auf. Sein Telefonat schien auch den Rest im Raum wieder zur Besinnung gebracht zu haben. Buchkammer befahl ein paar Männern sein Büro zu säubern und dem Rest ihm in den Konferenzraum zu folgen. Als alle Anwesenden im Raum waren, verlangte der Boss über alle Vorkommnisse aufgeklärt zu werden. „Es tut mir schrecklich leid. Aber ich weiß immer noch nichts Genaueres. Alle Männer die verletzt wurden, wurden von einer Gruppe umzingelt und zusammen geschlagen. Tino war hier vor dem Hauptgebäude und hat sich erfolgreich gegen seine Angreifer verteidigt. Deswegen haben sie wohl zum Messer gegriffen und ihn damit verletzt. Bei allen Anderen sind es nur ein paar Prellungen und gebrochene Knochen. Es hat den Anschein, als ob sie unsere Mitglieder nicht loswerden wollten, sondern eher, dass sie sie für eine gewisse Zeit außer Gefecht gesetzt haben wollen. Nach den Angriffen sind sie sofort wieder verschwunden. Es wurde keine Nachricht hinterlassen. Wir konnten auch keinen der Aggressoren aufgreifen. Wir haben absolut keine Ahnung was diese Aktion sollte. Wir fischen im Trüben. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, jemand versucht unsere Reihen zu schwächen um dann mit einem Schlag unser Gebiet zu übernehmen.“ Buchkammer fegte wütend alles vom Konferenztisch. „Ruf all unsere Läden an, wir werden unser Tagesgeschäft schließen und dafür mit der doppelten Besatzung nachts arbeiten.“ Micha sah wie Felix neben ihm sich plötzlich entspannte und seine Augen zu leuchten begannen. Er sah zufrieden aus, als hätte er sich genau dieses Ergebnis gewünscht. „Wenn wir erst nachts arbeiten, dann würde ich vorher noch gerne zu Tino ins Krankenhaus. Am Abend komme ich mit Dom zusammen zurück.“ Sein Boss sah ihn mit funkelnden Augen an. „Würdest du mir vorher bitte mal erzählen, was dass vorhin mit Chris war?“ Michael sah ihn verständnislos an. Nun musste er gut schauspielern. „Verzeihung, aber ich verstehe die Frage nicht.“ Genau, er durfte sich nicht anmerken lassen, dass er wusste, dass der Boss falsche Informationen über Chris hatte. Dieser sah ihn nun genervt an. „Ich möchte wissen woher Chris den besten Chirurgen Deutschlands kannte. Wieso er ihm und seinem Personal Befehle geben konnte. Und woher er solche medizinischen Kenntnisse hatte.“ Micha sah nun seinerseits seinen Boss verwirrt an. „Sie hatten doch damals ein Dossier in der Hand über Chris wichtigste Daten. Dort müsste doch auch alles über seine Ausbildung drin gestanden haben. Chris ist ein ausgebildeter Chirurg und Doktor Steigwitz sein Ausbilder. Sie haben wohl eine recht freundschaftliche Beziehung aufgebaut und da Chris seinen Mentor schon vor langer Zeit übertroffen hatte was Fähigkeiten anging, konnte er ihm wohl auch Befehle geben. Zumindest hatte Chris das mal erzählt, als er meinte, sollte er jemals schwer verletzt werden und ins Krankenhaus müssen wir ihn zu Dr. Steigwitz bringen sollten.“ Buchkammer warf Robert Wagner einen stechenden Blick zu. „Okay. Du kannst erstmal ins Krankenhaus gehen, aber pass auf. Wenn Chris im Krankenhaus fertig ist, bring ihn her. Ich muss ihm einige Fragen stellen.“ Micha nickte und drehte sich Richtung Tür. Er schnappte sich im vorbei gehen Felix´ Arm und drehte ihm den auf den Rücken, dann verpasste er ihm einen Tritt in die Kniekehle damit er auf die Knie sackte, Alle Augen im Raum waren nun auf diese Beiden gerichtet. Micha lehnte sich etwas weiter vor um seinen Mund an Felix´ Ohr zu bringen, dabei verdrehte er seinen Arm noch weiter und er begann vor Schmerzen zu schreien. Doch dieses Mal ließ der Schrei Michael völlig kalt. Wenn er recht hatte, dann hing Felix in dem Komplott der seinen Freund fast das Leben gekostet hatte mit drin. „Also dann sag mir jetzt mal wer genau hinter den Angriffen steckte.“ Er schüttelte den Kopf und quetschte seine Antwort zwischen zusammen gebissenen Zähnen hindurch. „Ich habe keine Ahnung wovon du redest.“ Micha brach ihm mit der freien Hand einen seiner Finger. Doch er blieb bei seiner Antwort. Doch Micha war sich sicher, also brach er den nächsten Finger und dann den Nächsten. Als alle Finge kaputt waren brach er ihm den Arm. „Würde jemand bitte Felix´ Telefon nehmen und kontrollieren? Das würde vielleicht schneller zu Antworten führen.“ Frisch kam auf sie zu und zog das Telefon aus der Jackentasche. Micha wand sich wieder Felix zu doch dieser blieb weiter stumm, also brach er ihm den Arm noch mal. Während dieser schrie, sahen alle zu Frisch, der nun das Telefon durchging. „Ich kann hier nichts Auffälliges finden.“ Micha war sich sicher, dass er Recht hatte. „Würden Sie dann bitte die letzte Nummer anrufen die gewählt wurde?“ Felix zuckte zusammen und Micha wusste dass er nun einen Beweis bekommen würde. Alle lauschten, als Frisch den Lautsprecher an machte. Dann meldete sich eine männliche Stimme. „Santos.“ Danach legte Frisch einfach wieder auf. Nun wussten sie wer hinter dieser ganzen Aktion steckte. Enrique Santos war ein Kredithai, der in den letzten Jahren stark an Einfluss zugenommen hatte. Er war nach The Silent Sharks der größte illegale Geldverleiher der Stadt. Michael glaubte nicht, dass dieser genug Macht hatte um es mit einer ganzen Gang aufzunehmen, viel wahrscheinlicher war es, dass er versuchte Manuel Schröder zu verdrängen und nur diesen Teil der Gang zu übernehmen versuchte. „Gab es eine Liste von den Leuten die angegriffen wurden, wenn ja könnte ich die mal sehen?“ Wagner reichte ihm ein Klemmbrett und Michael sah sich die Namen die dort standen genau an. Damit sah er seinen Verdacht bestätigt. „Ich denke, dass dieser Angriff nicht darauf ausgelegt war, die Gang zu übernehmen.“ Alle sahen ihn verwirrt an. „Ich denke Santos ist hinter Schröder her. Dieser ist gerade für mehrere Tage unterwegs und seine Männer ohne Kopf. Es war also die perfekte Zeit um seine Reihen zu schwächen. Auf der Liste sind nur Namen von Schröders Untergebenen. Ich denke es war geplant in den nächsten Tagen weitere kleinere Angriffe auf seine Leute zu verüben. Wenn er zurück ist würde man ihn herausfordern. Ihm würde keine Wahl bleiben als anzunehmen und man würde sich so seiner entledigen. Wer würde denn für Schröder übernehmen wenn er sterben sollte?“ Buchkammer, Wagner, Frisch, Vogel und Kreuzer sahen alle Felix an. „Herzlichen Glückwunsch. Dann hättet ihr einen Verräter in so hohem Posten sitzen und für Santos wäre es davon ausgehend ein leichtes erst all unseren Geldfluss zu übernehmen und dann nach und nach die ganze Gang.“ Micha brach Felix noch den Oberarm und ließ ihn dann einfach fallen. „Ich werde mit Dom Santos finden und herbringen, was dann mit ihm passieren soll, liegt dann bei den höheren Rängen.“ Er ging zu Frisch und reichte ihm sein Telefon. „Kontrollier bitte, dass ich nichts mit Santos zu tun habe.“ Frisch ging es durch und reichte es an ihn zurück. „Gut, danke. Bitte kontrolliert noch jedes Telefon der hier Anwesenden. Santos wird auf Nummer sicher gehen wollen, ob der Angriff erfolgreich war und er wird wissen wollen wie die Obersten darauf reagieren. Dafür braucht er Augen und Ohren direkt nach dem Angriff beim Boss. Falls es also noch andere Verräter geben sollte, dann befinden sie sich hier in diesem Raum.“ Dann verabschiedete er sich nur noch und verließ das Büro. Er wählte sofort Doms Nummer. „Hey, mach dich fertig. Ich werde dich gleich abholen und dann gehen wir auf die Jagd.“



Kapitel 32


Chris kam vollkommen erledigt aus dem OP. Sie hatte die letzten vier Stunden operiert und war sich das nicht mehr gewohnt. Aber immerhin hatte sie es geschafft Tinos Arterie wieder zu verschließen und sonst hatte er keine weiteren schweren Verletzungen erlitten. Wenn er jetzt die nächsten 24 Stunden stabil blieb, war er über den Berg und hatte es geschafft. In ein paar Wochen würde er dann wieder ganz der Alte sein. Sie würde ihm jedoch einen Psychologen zur Seite stellen solange er im Krankenhaus war. Er hatte ein erhebliches Trauma erlitten, als Chris ihre Hände in seinen Körper gesteckt hatte während er wach war. Wenn er Glück hatte konnte er sich nicht mehr daran erinnern, da die Schmerzmittel sein Gehirn vernebelt haben, wenn nicht, würde er psychologische Betreuung benötigen. Chris ging in den Warteraum und setzte sich erschöpft auf eine der Bänke, dann zog sie ihr Telefon aus ihrer Tasche und wählte Kreuzers Nummer. Er ging nur mit einem kurzen „Kreuzer“ ran. „Hallo. Hier ist Chris. Ich habe gerade die Operation beendet. Soweit ist Tino stabil, wenn er es die nächsten 24 Stunden bleibt, hat er es überstanden. Ich würde gerne die Nacht im Krankenhaus verbringen. Ist das in Ordnung?“ Sie hörte wie er die Informationen weitergab und ihm geantwortet wurde, doch sie konnte es nicht richtig verstehen. „Du hast die Erlaubnis die Nacht im Krankenhaus zu bleiben, aber wir erwarten dich morgen früh beim Boss im Büro.“ Sie hoffte, sie habe ihrem Boss nicht auch irgendwelche Befehle an den Kopf gehauen oder ihn durch die Gegend gejagt. Wenn sie im OP stand hatte sie das Sagen, alle taten was sie befahl und niemand widersprach ihr. Als sie vorhin Tino auf dem Tisch liegen hatte war sie automatisch in dieses Verhalten verfallen. „Verstanden. Dann bis morgen Früh im Büro.“ Sie legte auf, steckte ihr Telefon weg und ließ ihr Gesicht erschöpft in ihre Hände fallen. Das war ein Scheißtag gewesen und verdammt anstrengend. Wenn sie dann noch daran dachte, dass sie morgen wohl auch noch für all ihre Fehltritte bestraft werden würde, wollte sie nur noch verschwinden. Die Tür zum Warteraum wurde aufgestoßen und sie dreht den Kopf den Hereinkommenden entgegen. Micha und Dom stürmten geradezu in den Raum. Sie lächelte ihnen schief entgegen. Sie berichtete ihnen von Tinos Zustand und sah ihnen die Erleichterung an. Micha zog sie von ihrem Platz in seine Arme und drückte sie an sich. Dom schloss sich dem Ganzen an und drückte sich von hinten an sie. Es war ein gutes Gefühl. Familie die sich gegenseitig Halt gab und unterstützte. Sie standen eine ganze Weile so da, bis die Tür wieder Mal geöffnet wurde. Chris sah ihren Paps auf sie zukommen. Sie hatte direkt ein schlechtes Gewissen, da sie ihn über ihren Verbleib im Unklaren gelassen hatte. Sie hatte sich auch nicht einmal bei ihm gemeldet und verabschiedet hatte sie sich auch nicht, sie hatte es einfach nicht über sich gebracht. Sie löste sich vorsichtig von den zwei Männern und drehte sich Paps entgegen, doch sie brachte es nicht über sich ihm in die Augen zu sehen, also starrte sie auf den Boden. Vorhin im OP hatte sie keine Probleme im Umgang mit ihrem Mentor gehabt, da waren sie und auch er vollkommen auf den Eingriff konzentriert gewesen. Sie rechnete mit einer Strafpredigt, doch er sagte keine maßregelnden Worte. Er zog sie in eine Umarmung und sie merkte wie ihr Haupt geküsst wurde. Tränen rollten ihre Wangen hinab. Sie hatte so eine liebvolle Behandlung nicht verdient. „Es tut mir so leid dass ich mich nicht verabschiedet habe und nichts gesagt habe.“ Sie spürte wie er den Kopf schüttelte während er ihren Kopf streichelte. „Das ist vollkommen unwichtig. Ich bin einfach nur froh, dass es meinem Goldstück gut geht. Als Ric damals mit deiner Kiste zu mir kam und mir erzählte, dass du für deinen letzten Auftrag ins Ausland müsstest, dachte ich wirklich, dass ich dich für immer verloren habe und nie wieder sehen würde. Und dann rufst du plötzlich an und stehst vor mir. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie glücklich ich bin.“ Er schien ganz aufgeregt zu sein. „Ich muss gleich Ric anrufen und ihm erzählen, dass du wieder da bist. Oder die ganze Zeit da warst. Es ging ihm so schlecht als er mir deine Schachtel gebracht hatte.“ Chris löste sich vorsichtig aus der Umarmung, hielt nun aber seine Hände in ihren. Sie drückte sie leicht um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Paps du darfst Rico auf gar keinen Fall erzählen, dass ich hier bin. Ich habe damals nicht grundlos gelogen. Es wäre zu gefährlich für ihn. Wenn er wüsste dass ich hier bin, würde er versuchen mir zu helfen und sich damit in Gefahr bringen oder mich in noch Größere. Außerdem lebt er jetzt mit Lisa zusammen in den USA. Die Beiden sind sich wohl nach meinem Verschwinden näher gekommen. Sie haben den Menschen verloren der ihnen am wichtigsten war und verstanden somit die Gefühle des Anderen und konnten sich so wohl gegenseitig trösten. Wenn sie gemeinsam glücklich sind, dann gönne ich es ihnen aus vollem Herzen. Sie haben Glück und Freude verdient. Wenn sie diese in dem jeweils Anderen gefunden haben, dann ist das für mich in Ordnung und ich werde mich für sie freuen. Ich werde niemanden erlauben dieses Glück zu zerstören indem er alte Wunden wieder aufreißt. Auch nicht dir Paps, bitte versteh das. Sie sollen ein sorgloses Leben führen. Ich werde hier bleiben und für meine Freiheit kämpfen. Und später irgendwann mein eigenes Glück finden. Ich habe Menschen die mich lieben und unterstützen, mehr brauche ich nicht.“ Während sie sprach liefen ihr unaufhörlich die Tränen über das Gesicht. Ihr Körper begann schon wieder taub zu werden, als würde er versuchen sie vor diesem Schmerz der sich in ihr ausbreitete zu beschützen. Rico hatte sie durch Lisa ersetzt und nicht wie versprochen auf sie gewartet. Er hatte ein einfaches Leben ohne Sorgen mit einer Frau gewählt. Er konnte ja nicht wissen, dass auch Chris eine Frau war. Und selbst wenn er es wüsste, wäre ihr Leben noch immer kompliziert und gefährlich. Sie konnte gut nachvollziehen wieso Rico den leichten Weg mit Lisa gewählt hatte. Doch das änderte nichts daran, dass er ihr damit das Herz brach. Sie hatte an ihn geglaubt, hatte sich daran festgehalten, dass nach diesen Jahren der Hölle er sie in Empfang nehmen würde. Das sie sich gemeinsam ein Leben aufbauen würden. Er war ihr Antrieb gewesen. Ihr Paps hatte sie wieder in seine Arme gezogen und sprach beruhigend auf sie ein, doch sie verstand seine Worte nicht.

Chris so zerbrochen zu sehen schnürte Michael die Kehle ein. Chris war zu einem Teil seiner Familie geworden. Schon oft hatte er ihm tröstend zur Seite gestanden, wenn der Schmerz über die Trennung von Ric zu groß wurde. Auch da hatte er bitter geweint, aber es waren Tränen, weil er Ricardo so schmerzlich vermisste. Doch nun weinte er vollkommen hoffnungslos, verzweifelt, gebrochen, mutlos. Er hatte seine Liebe verloren und damit seinen Sinn im Leben. Nur weil er sich an der Liebe zu Ric hatte festhalten können, konnte er all die Schmerzen ertragen, die Anfeindungen. Micha war sich sicher, dass Chris nicht nur wegen Lisa in der Gang geblieben war, sondern auch um sich eine sicher Zukunft mit Ricardo aufbauen zu können. Was würde nun aus Chris werden, da er diesen Antrieb verloren hatte? Lisa war sicher in den USA, er könnte nun jederzeit flüchten. Micha befürchtete jedoch, dass Chris bleiben würde um ihn keiner Gefahr auszusetzen. Micha würde bestraft werden, wenn Chris verschwinden würde. Also würde Chris bleiben, doch in seinem jetzigen Zustand, so ganz ohne Überlebenswillen würde er sterben. Er nickte kurz mit seinem Kopf Richtung Ausgang um den Doktor zu signalisieren, dass sie kurz raus gehen würden. Dann zog er Dom mit sich nach draußen. „Wir müssen was unternehmen. In dieser Verfassung würde Chris spätestens in einer Woche tot sein.“ Dom nickte ihm bestätigend zu. Er sah fertig aus, auch ihn schien Chris Anblick nicht unberührt gelassen zu haben. „Doch was sollen wir machen?“ Micha dachte eine ganze Weile nach, doch ihm fiel auch nichts ein. „Wir müssen ihm irgendwie einen neuen Sinn im Leben geben. Etwas wofür es sich lohnt weiter zu kämpfen.“ Weiter kam er nicht mit seiner Erklärung. Ein Schrei kam vom Eingangsbereich. Michael drehte sich um und sah wie Chris direkt hinter ihm stand. Er hatte ein Messer seitlich in der Brust stecken. Der Angreifer versuchte zu fliehen, doch Chris hielt ihn am Handgelenk fest und löste so auch gleich den Griff um das Messer. Micha reagierte schnell und setzte ihn mit einem Schlag außer Gefecht. Dr. Steigwitz schrie nach einer Trage und Bewegung kam in die Leute die vor Schreck stehengeblieben waren. Chris verlor im nächsten Moment das Bewusstsein und Michael fing ihn auf, noch bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte. Die Bahre wurde neben sie gerollt und Micha legte den Körper in seinen Armen vorsichtig darauf ab. „Dom, bring diesen Typen zum Boss und erklär was hier passiert ist. Ich denke er war eigentlich hinter mir her. Ich denke es einer von Santos Leuten. Er wollte bestimmt Rache dafür, dass wir seinen Boss geschnappt haben. Wenn du dort fertig bist, komm bitte sofort wieder hier her zurück.“ Dom nickte, schnappte sich den Bewusstlosen und ging davon. Micha rannte ins Krankenhaus und holte den Arzt schnell ein. Er begleitet sie bis in den Untersuchungsraum. „Alle raus jetzt. Ruft nach Gerlinde, Mike, Claudia und Sven. Außer den vier ist es jedem untersagt diesen Raum zu betreten.“ Dann sah der Arzt ihn eindringlich an. Er schien etwas in seinen Augen zu suchen, doch dann schüttelte er den Kopf. „Du musst mir helfen bis die Anderen eintreffen, dass kann eine Weile dauern da ihre Schicht schon vorbei ist. Sie sind direkt nach der Operation deines Freundes nach Hause gegangen.“ Dann nahm er die Schere und zerschnitt Chris´ Shirt. Darunter trug er eine Weste, doch wozu? Sie war enganliegend, fast wie ein Neoprenanzug. „Kein Wort zu niemandem darüber was du hier in diesem Raum gesehen hast.“ Dann zerschnitt er die Weste und Michael war sich für einen Moment nicht sicher was er da gerade sah. Chris war eine Frau? Nun ganz eindeutig, wenn man ihren Körper ohne diese Weste betrachtete. Sie hatte eine sehr frauliche Figur, große Brüste, flacher Bauch, schmale Taille und weibliche Hüften. Sie könnte mit diesem Körper Unterwäschemodell werden, doch das spielte im Moment keine Rolle. Was war hier nur los? Wieso war Chris eine Frau? Wieso gab sie sich als Mann aus? Der Arzt schien ihm seine Fragen anzusehen und begann zu erzählen. „Als Chris vier Jahre alt war, ist ihre Mutter gestorben und sie und ihr kleiner Bruder wurden in eine dieser Einrichtungen gebracht. Es war kein staatliches Waisenhaus, sondern Privat und sie mussten für die Männer bei denen sie lebten arbeiten. Dort hat Chris eine Jugendliche kennen gelernt, ihr Name war Sunny. Dieses Mädchen riet Chris dazu ihr Geschlecht zu verheimlichen und sich als Junge auszugeben. Sie stand kurz davor an ein Bordell verkauft zu werden und wollte nicht, dass ein anderes kleines Mädchen die Selbe Erfahrung machen musste. Chris verstand zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich wovon Sunny sprach, doch sie sah wie ernst ihr das Thema war und hielt sich deswegen an ihren Ratschlag. Ihr Bruder war noch nicht mal drei Jahre alt gewesen als sie ihre Mutter verloren und so wusste nicht mal er, dass er anstatt eines großen Bruders eigentlich eine große Schwester hatte. Einen Tag nach seinem Tod wurde Chris von den Männern der Multi Group aufgegriffen, als der Chef herausfand, dass sie ein Mädchen war, wollte er sie erst wieder los werden. Doch für Chris hätte es den Tod bedeutet, also bettelte sie darum bei ihnen bleiben zu dürfen, sie würde auch alles tun, was sie von ihr verlangten. Und so kam es, dass sie als Junge trainiert und großgezogen wurde. Wenn ich den heutigen Tag bedenke, dann sieht es für mich so aus, als hätte der werte Herr Schneider Chris für das Gangleben ausgebildet. Mit ihrer Stärke würde nie jemand vermuten, dass sie eine Frau ist.“ Er hat während er erzählte Chris Wunde untersucht. Nun atmete er erleichtert auf. „Die Wunde ist nicht besonders tief. Ich denke das Gel in der Weste, hat schlimmere Verletzungen verhindert. Wenn ich die Wunde gesäubert habe, muss ich sie nur zunähen, die Lunge ist vollkommen unbeschadet.“ Er sah sich den Monitor des Ultraschallgerätes genauer an und runzelte dann die Stirn. „Es gibt wirklich keinerlei Einblutungen.“ Für Michael hörte sich diese Aussage gut an, doch wieso sah der Arzt dann so unzufrieden aus? „Wo liegt denn das Problem? Ist es nicht gut, wenn Chris keine schweren Verletzungen hat?“ Dr. Steigwitz sah ihn erschrocken an, doch dann ging die Tür auf und vier besorgt dreinblickende Personen betraten den Untersuchungsraum. „Was ist passiert?“ Sie wurden von ihrem Vorgesetzen aufgeklärt und zogen nun auch die Stirn kraus. „Kann mir bitte mal jemand sagen, wieso die Aussage „keine schweren Verletzungen“ alle so verwirrt?“ Die vier Neuen schienen ihn erst jetzt bemerkt zu haben und sahen den Arzt fragend an. „Michael hier wohnt seit einer ganzen Weile mit Chris zusammen und sie zählt ihn zu ihrer Familie. Sie wird kein Problem damit haben, dass er bescheid weiß und ich bin mir sicher, dass er niemandem etwas erzählen wird. Und um auf deine Frage zu antworten, wir sind alle so verwirrt, weil Chris hier ohnmächtig vor uns liegt, obwohl sie keine ernste Verletzung hat. Wir haben sie schon so oft verarzten müssen, dass wir aufgehört haben zu zählen. Doch egal wie schlimm die Schmerzen auch waren, sie blieb immer bei Bewusstsein und kam meist allein ins Krankenhaus. Wenn sie sich nicht mehr bewegen konnte, rief sie einen von uns an damit wir sie holen konnten, doch sie war immer wach. Also glaub mir wenn ich sage, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn sie von so was hier in Ohnmacht fällt.“ Micha verstand worauf er hinaus wollte, doch der Arzt hatte Chris doch kurz vor dem Zwischenfall noch selbst in den Armen gehalten um sie zu trösten. „Ich denke ihr Verstand hat nur nach einer Möglichkeit gesucht abzuschalten. Ich meine wie lange ist es her, dass sie in einem OP stand? Das wird sie schon erschöpft haben. Dann kam ihre Angst darum einen guten Freund zu verlieren dazu. Und dann hat sie heute auch noch erfahren müssen, dass Ric jetzt mit Lisa zusammen ist. Sie hat so zwei ihrer wichtigsten Menschen verloren. Und ihre Liebe gleich mit. Sie hat so hart gekämpft durch zu halten, weil sie das Ziel mit Ricardo zusammen sein zu können vor Augen hatte, doch dieses Ziel ist jetzt einfach verschwunden. Es ist also kein Wunder, dass ihr Kopf beschlossen hat abzuschalten und nicht gegen den Schmerz anzukämpfen der ihm das vergessen schenkt.“ Alle sahen traurig zu Chris. „Gerlinde, würdest du unseren VIP-Room für Chris herrichten? Ich säubere noch kurz die Wunde, vernähe sie ordentlich, dass keine zu große Narbe zurück bleibt und bringe sie dann hoch.“ Sie nickte und die anderen drei streichelten Chris über den Kopf und gaben ihr einen Kuss auf selbigen bevor sie ebenfalls den Raum verließen. „Welche Aufgabe hat Chris bekommen? Wieso ist sie in eurer Gang?“ Michael erzählte Chris´ Mentor alles was er wusste. „Zwischen Buchkammer und Schneider herrscht seit Jahren böses Blut. Sie halten sich zwar aus den Geschäften des Anderen heraus aber sie sind sich keinesfalls freundschaftlich zugetan. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Chris wegen einer Allianz in die Gang geschickt wurde. Wäre es wirklich darum gegangen, dann hätte Schneider nicht so einen Aufwand betreiben müssen, er hätte Lisa zur Gang schicken können unter der Bedingung, dass für ihren Schutz gesorgt wird und sie im Büro arbeitet. Aber er hat die Mühe in Kauf genommen Chris aufzuziehen und auszubilden um seine Enkelin zu retten. Irgendetwas stimmt an dieser Geschichte nicht. Zumindest sagt mir das mein Gefühl.“ Micha hatte auch schon oft darüber nachgedacht, dass das Verhalten von Boss seltsam war. Wieso bestrafte er Chris so häufig und übertrieben, wenn er doch eigentlich in der Gang war um das damalige Versprechen zu erfüllen? Sie brachten Chris gemeinsam in ihr Zimmer, welches eher einer Hotelsuite ähnelte, als einem Krankenhausraum. „Du und dein Freund könnt mit hier bleiben. So könnte ihr für Chris da sein und auch nach eurem anderen Freund sehen.“ Dann verließ er den Raum nachdem er Chris auf die Stirn küsste. Michael saß eine ganze Weile an ihrem Bett. Er hatte Chris schon immer für wunderschön gehalten und er fand auch, dass ihr Gesicht für einen Jungen viel zu feminin wirkte, doch er hatte nie einen Zweifel daran gehabt, dass sie ein Mann war. Wie konnte er es nicht bemerken? Er lebte mit ihr unter einem Dach, teilte sich ein Bett mit ihr. Jetzt wo er so darüber nachdachte, gab es doch einige Situationen die ihm komisch vorkamen. Zum Beispiel, dass er Chris nie beim verarzten helfen durfte, oder dass Chris am Anfang so ein Problem hatte mit ihm in einem Bett zu schlafen. Er legte seinen Kopf auf dem Bett ab. Er hatte wirklich nackt neben einem vollkommen unschuldigen Mädchen geschlafen. Allein dafür hatte er einen Schlag verdient. Apropos Schlag, wie oft hatte er Chris schlagen müssen? Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er wissentlich eine Frau verletzt. Die Tür zum Zimmer öffnete sich und Dom steckte den Kopf vorsichtig hinein. „Komm ruhig rein.“ Dom sah sich zweifelnd im Zimmer um. „Sind wir hier wirklich noch in einem Krankenhaus und nicht in einem Hotel?“ Michael wusste wie er sich fühlte, dass hier war nicht ihre Welt. „Komm her und setz dich zu uns. Dr. Steigwitz hat gemeint wir können hier bei Chris bleiben. So ist Chris nicht allein und wir können auch immer wieder nach Tino schauen, doch erst ab morgen früh. Chris hat keine ernsten Verletzungen, die Wunde musste nur gespült und genäht werden. Chris hat wohl ziemliches Glück gehabt. Was hat der Boss gesagt wegen dem Angriff auf mich, den Chris abgefangen hat?“ Dom sah ihn durchdringend an und sah dann genauer zum Bett. Dann begann er zu lächeln. „Du hast es also rausgefunden? Tino und ich wussten schon seit ungefähr zwei Wochen nachdem sie der Gang beigetreten ist bescheid, du kannst also damit aufhören so herum zu eiern und wieder Personalpronomen verwenden. Der Boss hat mich zurück ins Krankenhaus geschickt und gemeint wir sollen ihm morgen einen Bericht geben wie nun genau die Lage ist. Er hatte wohl noch alle Hände voll damit zu tun, dass Chaos vom Abend zu beseitigen.“ Das war gut, dann hatten sie Zeit sich mit Chris zu unterhalten und zu überlegen wie sie weiter vorgehen wollten. Micha wäre es am liebsten, wenn sie sich jetzt dazu entschließen würde aus der Gang auszusteigen. Sie könnten ihren Tod vortäuschen, niemand wusste dass sie in Wahrheit eine Frau war. „Woher wusstet ihr, dass Chris eine Frau war? Und noch wichtiger, wieso habt ihr mir nichts gesagt?“ Dominik sah ihn nur verständnislos an. „Ja ich weiß jeder hat seine Geheimnisse und das aus gutem Grund, wenn er sie nicht mal seiner Familie sagen konnte.“ Nachdem Micha und Tino aus dem Waisenhaus geflogen waren, wusste Micha nicht wie sie sich versorgen sollten. Durch Zufall lief er einer reichen Frau über den Weg, die ihm Anbot ihn und Tino für sexuelle Gefälligkeiten auszuhalten. Michael war erst 15 Jahre und wusste sich nicht anders zu helfen, also nahm er den Vorschlag an. Als Tino es nach einer Woche herausfand, war er außer sich vor Wut. Und Michael beschloss darauf einer Gang beizutreten und die Jungs begleiteten ihn. Seit dieser Zeit hatten sie die Regel aufgestellt, dass jeder seine Geheimnisse haben konnte und die Anderen dies zu respektieren hatten. Sie durften demjenigen keine Vorwürfe machen selbst wenn sie es später aufdeckten. Dom und Tino hatten Chris also schon so schnell in ihren Kreis aufgenommen und deswegen ihr Geheimnis für sich behalten und auch nicht darauf reagiert. „Sie wurde von klein auf als Junge erzogen und ausgebildet, damit sie mit 18 Jahren in die Gang aufgenommen werden kann.“ Dom blickte Chris traurig an. „Das haben wir uns schon gedacht. Du kannst dir nicht vorstellen wie schwer es uns fiel uns mit diesem Wissen zurück zu halten, wenn Chris mal wieder für Sinnlosigkeiten bestraft wurde.“ Micha konnte es sich vorstellen, ihm ging es auch jedes Mal schlecht wenn Chris in den Keller musste. Er nahm ihre Hand und sie drückte zu. Er blickte sofort zu ihr und sie lächelte sie schief an. „Hey.“ Dom ist gleich aufgesprungen und hat sich auf der anderen Seite zu ihr aufs Bett gesetzt und nahm nun ihre andere Hand. „Hey Süße. Wie geht es dir?“ Sie versucht zu lachen, doch hörte sofort wieder auf. „Passt schon. Ich hab es nicht anders verdient, wenn ich einfach so meine komplette Ausbildung vergesse und mich einfach in ein Messer schmeiße. Ich hatte mindestens zehn andere Möglichkeiten Micha zu schützen und das ohne selbst verletzt zu werden. Aber in diesem Moment hat mein Gehirn vollkommen ausgesetzt.“ Hatte Chris aufgegeben und war der Meinung so abzutreten wäre in Ordnung, da sie jemanden schützen konnte der ihr wichtig war? „Du hast dich doch nicht absichtlich verletzen lass? Ich weiß die ganze Sache mit Ric war ziemlich viel.“ Er konnte nicht weiter sprechen denn sie drückte wieder seine Hand. „Ich habe nicht vor zu sterben oder aufzugeben. Ihr seid meine Familie, wie könnte ich euch einfach zurück lassen? Ich gebe zu, zu erfahren, dass Rico sich für Lisa entscheiden hat, hat mich aus der Bahn geworfen. Und ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Es tut weh. Aber wie ich vorhin oder gestern? Ich habe keine Ahnung wie spät es ist oder welchen Tag wir haben. Egal ihr wisst was ich meine. Auf jeden Fall, wie ich schon zu Paps gesagt habe, ich werde die ganze Sache durchziehen und mir meine Freiheit erkämpfen. Dann werde ich weiter sehen, aber ich werde einen Weg finden glücklich zu werden, auch wenn ich es mir im Moment nicht vorstellen kann. Am Tag an dem mein kleiner Bruder in meinen Armen gestorben ist, habe ich es ihm versprochen. Ich würde auch für ihn weiterleben und ein glückliches und erfülltes Leben führen. Ich habe nicht die Absicht dieses Versprechen zu brechen. Außerdem bin ich nicht allein. Auch wenn Rico mich verlassen hat, habe ich immer noch euch. Ich bin also nicht allein.“ Sie war wirklich stark. Er und auch Dom hatten sich Sorgen gemacht, dass sie sich aufgeben würde nach diesem Rückschlag. Doch das tat sie nicht. Sie sah einfach in die Zukunft. Micha war sich sicher, dass sie innerlich noch nicht mit sich im reinen war und der Schmerz über ihren Verlust unendlich groß. Sollte er Ric jemals wieder sehen würde er ihm eine Abreibung verpassen die sich gewaschen hat. „Könntet ihr bitte in die Schubfächer der Nachttische schauen und mir die Dose für Kontaktlinsen geben?“ Micha und Dom standen sofort auf und durchsuchten sie. Dom hatte die gewünschte Dose gefunden und reichte sie ihr. Ohne umschweife fasste sie sich ins Auge und entfernte die Kontaktlinsen. Eine ganze Weile hielt sie ihre Augen geschlossen während ihr Tränen die Wangen herunter liefen. Dann öffnete sie ihre Augen und Micha blieb die Luft weg, auch Dom saß stocksteif da und starrte sie an. Sie hatte die schönsten Augen die er jemals gesehen hatte. Sie sahen aus wie flüssiges Silber und nicht nur wegen der Farbe, es hatte den Anschein, als ob das Silber sich wirklich bewegen würde. „Micha du musst Luft holen, sonst kippst du gleich um.“ Scharf zog er Luft in seine Lungen und Dom begann zu lachen. „Du hast wunderschöne Augen Kleines.“ Sie lächelte liebevoll. „Danke, doch ich kann sie niemandem zeigen. Sie sind so auffällig, dass ich mit ihnen niemals untertauchen könnte. Deswegen trage ich immer Kontaktlinsen. Sie sind eine Spezialanfertigung die man auch beim schlafen tragen kann.“ Sie hatte recht ihre Augen waren einmalig, doch er hatte das Gefühl so ähnliche Augen schon mal gesehen zu haben. Doch er kam nicht darauf wo. Gerlinde kam ins Zimmer und sah Chris freudig entgegen. „Ein bisschen neidisch bin ich ja schon, dass du hier von zwei so gutaussehenden Männern bewacht wirst.“ Dann zwinkerte sie ihr zu. „Also Spaß bei Seite. Deine Stichwunde war nichts ernstes, deine Weste hat die Wucht mit der zugestochen wurde abgefangen und deswegen war der Stich nicht sonderlich tief. In einer Woche kannst du hier raus und in zwei Wochen bist du ganz die Alte. Dein Freund ist weiterhin stabil, keine Zeichen einer Infektion oder Leberversagen. Wenn er von der Intensivstation kann werde ich ihn zu dir ins Zimmer bringen lassen.“ Chris bedankte sich und Gerlinde verließ das Zimmer wieder. „Wir sollten uns ausruhen. Ich bin müde und ihr seht auch fertig aus. Wenn ihr wollt, gibt es nebenan ein weiteres Schlafzimmer.“ Dom sah Micha kurz an und dann zu Chris. Er zog sein Shirt und Hose aus und kletterte zu ihr unter die Bettdecke. „Also ich werde bei dir bleiben und Micha bestimmt auch. Als ob wir dich in so einer Situation allein lassen würde.“ Micha war etwas unwohl dabei, aber er machte es wie Dom und legte sich auf der andern Seite neben sie ins Bett. Sie lächelte. „Danke.“



Kapitel 33


Zwei Monate sind nun schon seit ihrer Stichverletzung vergangen und Chris hatte ihren Normalen Alltag wieder aufgenommen. Was sie etwas wunderte war, dass der Boss sie seither nicht einmal für Sinnlosigkeiten bestraft hatte. Sie arbeitet auch nur noch für Kreuzer. Die meiste Zeit verbrachte sie wie immer in der Billardhalle, doch nachdem ihr Talent für Poker entdeckt wurde, spielte sie am Wochenende bei den Pokerturnieren im Casino mit. Dieses Spiel viel ihr leicht, sie hatte das mathematische Können die Wahrscheinlichkeiten für ihr Blatt zu berechnen. Auch hatte sie das perfekte Pokerface und konnte ihr Gegenüber gut einschätzen, keine noch so kleine Geste blieb ihr verborgen. Auch am monatlichen Turnier der Firmenbosse musste sie nun teilnehmen und ihre Gang vertreten. Es wurde an zwei Tischen gespielt, an einem saßen die Chefs der Firmen und Bosse der Gangs. Sie nutzten den Abend um sich über ihre Geschäfte und wichtige Neuigkeiten zu unterhalten. An dem Anderen saßen ihre Vertreter, diese waren alle geübte Spieler, die um die hohen Summen die sie von ihren Bossen und Chefs bekommen haben spielten. Auch viele Verwandte ihrer Freunde nahmen an diesem Treffen teil, da wäre zum Beispiel Ricos Großvater, Annas Vater, Kons Mutter, sogar Sebastians Vater, der wie Chris jetzt herausgefunden hatte der Polizeichef Sachsens war. Wer hier her kam, war das Oberhaupt einer der mächtigsten Familien. Was bedeutete, dass bei den Vogels in der Firma die Frau das Zepter in der Hand hielt. Die restlichen Teilnehmer kannte Chris nicht, aber sie hatte auch erst an einem dieser Turniere teilgenommen, dieses hatte sie auch gleich gewonnen. Am Anfang hatte sie noch Probleme gehabt ins Spiel hinein zu finden, da Simon als Vertreter der Multi Group mit an ihrem Tisch saß, doch als sie es überwunden hatte gewann sie die Runde ohne große Schwierigkeiten. Heute würde wieder eine Pokerrunde stattfinden und Michael würde sie mental unterstützen können, da er als Bodyguard vom Boss mit dabei war. Die Vorbereitungen für den Abend hatten sie gerade abgeschlossen, als auch schon die ersten Gäste eintrafen. Dieses Mal fand das Spiel in einem ihrer Casinos statt, jeden Monat wurde jemand anderes zum Gastgeber gewählt. Der Boss war schon zur Stelle und begrüßte die Teilnehmer herzlich. Plötzlich hatte Chris das Gefühl sie trifft der Schlag. Das konnte nicht sein. Sie konnte das gehauchte „Mom“ nicht zurückhalten. Michael schien sie gehört zu haben, denn er griff sie sofort an Arm und drehte sie weg. „Was hast du gerade gesagt? Und bekomm dein Gesicht ganz schnell wieder in den Griff bevor noch jemandem auffällt wie komisch du dreinschaust.“ Sofort glättete sie ihre Gesichtszüge und drehte sich wieder um. „Micha tu mir bitte den Gefallen und finde alles über diese Frau heraus.“ Micha nickte und ging zu den anderen Bodyguards. Er würde bestimmt heraus finden wer diese Frau war. Konnten sich zwei Menschen wirklich so ähnlich sehen? Andererseits hatte Chris ihre Mutter das letzte Mal mit vier gesehen und konnte sich daran nicht mehr wirklich gut erinnern. Alles was sie hatte war ein kleines altes Foto in den Medaillons. Sie griff nach ihrem Telefon und schrieb ihrem Paps eine Nachricht, er sollte aus der Villa das Kästchen holen und zu ihr ins Casino bringen. Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Aufgabe. Sie musste sich zusammen reißen und keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Chris setzte sich an den Tisch und wartete auf die restlichen Spieler und dann begann auch schon ihre Runde. Chris hatte an diesem Abend sehr viel Glück, nach nicht mal einer Stunde hatte sie schon gewonnen. Sie bedankte sich bei ihren Mitspielern und ging zu Michael. Sie sah sich den Tisch an und bemerkte, dass es hier auch bald vorbei sein würde. „Hast du was rausbekommen?“ Micha nickte. „Sie heißt Emma Steward, ist Witwe und hat vor einigen Jahren beide ihre Kinder verloren.“ Chris Magen krampfte sich zusammen. „Sie ist wohl eine knallharte Geschäftsfrau, die von jedem in diesem Raum sowohl respektiert als auch gefürchtet wird. Sie besitzt alle privaten Banken dieses Landes und da auf staatliche Banken kein Verlass ist, liegt das Geld von jedem Einzelnen in diesem Raum in ihren Händen.“ Sie spürte wie ihr Telefon vibrierte. Ihr Paps war da. „Micha kannst du bitte vor die Tür gehen und aus der Schachtel die Paps gebracht hat eine der Ketten herbringen? Sag ihm er solle die Schachtel dann wieder zurück bringen und in der Villa auf uns warten.“ Micha ging sofort los und Chris stellte sich etwas näher zu ihrem Boss um seinen Posten einzunehmen. Unauffällig beobachtete sie die Frau die allem Anschein nach ihre Mutter war. „Chris bring mit noch ein Glas Wein.“ Chris nahm ihrem Boss sein Glas aus der Hand und ging hinter die Bar. Es war die perfekte Gelegenheit für sie. Sie schrieb auf einen kleinen Notizzettel eine Nachricht für ihre Mutter. Sie schrieb nur die Adresse der Villa auf, heute Nacht und allein. Mehr nicht. Sie füllte das Glas mit Wein auf und brachte es ihrem Boss. Micha kam einige Minuten später wieder zurück. Sie reichte ihm den Zettel. „Steck den in das Medaillon und dann spiel ihr die Kette irgendwie unauffällig zu.“ Micha tat worum sie ihn gebeten hatte und ging dann Richtung Bar. Auf seinem Weg dorthin musste er an Emma Steward vorbei und hockte sich neben ihrem Stuhl kurz hin, als er aufstand reichte er ihr die Kette. „Verzeihen Sie, aber das hier lag neben Ihrem Stuhl. Gehört es vielleicht Ihnen?“ Sie bekam große Augen, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann hatte sie sich wieder im Griff. „Ja das gehört mir. Ich habe nicht gewusst, dass ich es in der Tasche hatte. Haben Sie vielen Danke.“ Michael nickte ihr zu und ging weiter zur Bar. Die Frau schloss ihre Faust um die Kette und drückte sie an ihr Herz und ihre Augen begannen leicht zu glitzern. Innerhalb der nächsten halben Stunde hatte sie das Spiel gewonnen und ihre Mitstreiter beschwerten sich, dass immer wenn sie dabei war, der Ausgang des Spiels schon vorher feststand. Micha beugte sich an Chris Ohr und flüsterte: „Wie die Mutter so die Tochter.“ Und lächelte sie liebevoll an. Chris hatte mit ihren Tränen zu kämpfen, doch sie wusste, dass sie sich einen Gefühlsausbruch auf keinen Fall erlauben könnte. Nicht nur das ihr Boss anwesend war, auch Schneider war da. Sie musste ihre Fassung behalten. Als alle sich verabschiedet hatten, kam der Boss auf sie zu. „Was war das was du Emma vorhin gegeben hast?“ Michael sah seinen Boss ausdruckslos an. „Es war ein Medaillon. Bestimmt irgendein Erinnerungsstück, es war so eines, dass man öffnen konnte und wo meistens Fotos von der Familie drin waren. Vielleicht ein Erbstück ihrer Eltern und deswegen ihre komische Reaktion?“ Buchkammer schien zufrieden und entließ sie für den Abend. Sie gingen sofort zum Wagen und Micha lenkte den Wagen Richtung Villa. „Wenn ich es nicht besser gewusst hätte und dich nicht so gut kennen würde, dann hätte ich dir dieses Scheinheilige Getue gerade abgekauft.“ Sie versuchte sich mit einem Gespräch abzulenken, denn sie war furchtbar aufgeregt und sie hatte Angst. Wie sollte sie ihrer Mutter erklären, dass sie ihren kleinen Bruder hatte sterben lassen? Vor der Villa angekommen, stand Emma schon vor dem Tor. Michael öffnete das Tor und bat sie rein zu gehen. Dann kam er zurück ins Auto und fuhr durch das Tor, bevor er wieder anhielt um es erneut zu schließen. Als sie vor der Haustür vorfuhren, wurde sofort die Tür aufgerissen und ihr Paps kam herausgestürmt. Chris stieg aus dem Wagen aus und wurde sofort in eine bärenstarke Umarmung gezogen. Als ihr Paps die Frau neben dem Eingang bemerkte löste er sich langsam von ihr und bat alle erstmal einzutreten. Er führte alle ins Wohnzimmer und sie nahmen Platz. Eine unangenehme Stille legte sich über den Raum. Chris wusste, dass sie etwas sagen sollte, doch sie wusste einfach nicht wo sie anfangen sollte. Emma legte die Kette auf den Tisch und das Klackern das diese Aktion verursachte ließ Chris zusammen zucken. Es war eigentlich ein leises Geräusch, doch es kam ihr vor als hätte jemand den Ton hundertfach verstärkt. „Könnten Sie mir bitte sagen woher sie dieses Medaillon haben?“ Chris griff nach Michas Hand, der neben ihr saß. Sie sah sich das Schmuckstück genau an. Es war eine Rose darauf abgebildet, also war es ihre Kette. Die ihres Bruders war mit einer Lilie verziert. „Das ist meine Kette.“ Sie drückte die Hand in ihrer noch fester. Sie wusste einfach nicht wie sie die ganze Situation erklären sollte. Ihre Mutter sah sie verständnislos an. „Dieser Schmuck gehörte meiner Tochter. Und da Sie mir die Kette zugespielt haben, gehe ich davon aus, dass Ihnen das vollkommen bewusst war.“ Ihr Paps sah Chris geschockt an. „Deine Mutter ist Emma Steward?“ Sie stand abrupt auf. „Entschuldigt mich bitte kurz.“ Dann ging sie nach oben in die Kleiderkammer. Sie suchte sich ein schönes Kleid heraus, zog ihre Kleidung und Weste aus und zog sogar die Unterwäsche an, die für sie bereit lag. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Paps diese nicht selbst gekauft und hier her gebracht hatte. Dann entfernte sie ihre Kontaktlinsen und zog passende Schuhe zu dem Abendkleid an. Sie hörte wie die Tür geläutet wurde, aber sie kümmerte sich nicht darum. Es waren bestimmt nur Tino und Dom. Sie kämmte sich noch die Haare ordentlich und ging dann wieder hinunter. Kurz bevor sie das Wohnzimmer betrat, blieb sie noch mal stehen und atmete einmal ordentlich durch. Dann trat sie ein.



Alle sahen sie erstaunt an. Ihre Mutter bekam sofort Tränen in den Augen und weinte während sie auf sie zukam. Sie drückte sie an sich und küsste ihr Gesicht. Dann tastete sie Chris ab. Es hatte den Anschein als wolle sie sicher gehen, dass Chris keine Illusion war, sondern wirklich vor ihr stand. Sie sah zu ihren Männern auf dem Sofa, alle hatten Tränen in den Augen aber sie lächelten sie liebevoll an. „Du siehst heiß aus Süße.“ So ein Kommentar musste ja von Tino kommen. Er bekam gleichzeitig von Micha und Dom eine auf den Hinterkopf verpasst. „Was denn? Ich sage doch nur die Wahrheit.“ Chris musste lachen. „Danke.“ Tino nickte zufrieden. „Du siehst wirklich wunderschön aus Kleines.“ Sie ging mit ihrer Mutter an der Hand zum Sofa und setzte sich. Sie sah nun Micha an, was hielt er von ihr? Doch der reagierte gar nicht. Chris sah wie Tino ihn leicht mit dem Ellenbogen anstupste, erst dann schien er aus seiner Schockstarre aufzuwachen. „Sorry. Du siehst atemberaubend aus. Mir haben grad irgendwie die Wort gefehlt.“

Und das war nicht mal gelogen. Micha sah Chris gerade das erste Mal wirklich als Frau. Sie hatte zwar im Krankenhaus ihre Weste nicht getragen, aber immer so weite Sachen, dass man ihre weiblichen Formen nicht wirklich erkennen konnte. Die einzigen Zeiten wo sich Michael wirklich bewusst war, dass Chris eine Frau war, war wenn sie nachts im selben Bett schliefen und sie sich dann an ihn kuschelte. Sie jetzt plötzlich in einem solchen Kleid zu sehen, war wohl zu viel für sein Gehirn gewesen. Und es war definitiv zu viel für sein Herz. Seit er wusste, dass Chris eine Frau war, begann er Gefühle zu entwickeln, die er nicht haben sollte. Und nun wo sie so wunderschön neben ihm saß raste sein Herz in seiner Brust. Er versuchte sich zu beruhigen und freute sich für Chris. Sie hatte ihre Familie wiedergefunden. Bis jetzt dachte sie, dass all ihre Verwandten tot waren und nun plötzlich hatte sie ihre Mutter wieder. Doch ein bisschen Angst hatte er auch. Würden sie Chris nun verlieren? Mit Emma Steward an ihrer Seite konnte ihr Niemand mehr etwas Böses. „Mom, der junge Mann neben mir ist Michael Remus. Wir teilen uns eine Wohnung. Daneben ist Tino Groß und daneben sitzt Dominik Arndt. Sie sind in den letzten Jahren zu meiner Familie geworden. Und daneben sitzt Dr. Steigwitz. Ich gehe davon aus, dass ihr euch schon auf verschiedenen Feierlichkeiten begegnet seid. Er war mein Mentor, als ich in seinem Krankenhaus meine Ausbildung gemacht habe. Ich nenne ihn Paps, da er für mich zu einem Ersatzvater geworden ist. Er hat mich schon oft gerettet und mir mit viel Liebe das Leben leichter gemacht.“ Micha sah wie Chris Mutter wieder Tränen in die Augen stiegen. „Es freut mich sehr eure Bekanntschaft zu machen. Und ich bedanke mich dafür, dass ihr euch alle so gut um meine Tochter gekümmert habt. Doch ganz ehrlich so eine Vorstellung reicht mir nicht. Ich möchte deine ganze Geschichte hören. Ich habe dich jahrelang gesucht, selbst jetzt gehen einige meiner Leute jeder Spur nach. Doch ich konnte dich nie finden. Ich habe von Jonathans Tod erfahren und das du verschwunden bist. Erzähl mir was dann passiert ist und wieso ich dich trotz all der Anstrengung nicht finden konnte.“ Chris nickte und begann zu erzählen. So wie sie die Geschichte erzählte, hörte auch Michael sie zum ersten Mal. Er hatte immer Bruchstücke ihrer Vergangenheit aufgeschnappt und hat diese in seinem Kopf wie ein Puzzle zusammen gesetzt. Er wollte sie auch nicht direkt fragen um keine unangenehmen Erinnerungen wach zu rufen. Als sie mit ihrer Geschichte am Ende angelangt war, ballte ihre Mutter die Hände so fest zu Fäusten, dass ihre Knöchel ganz weiß wurden. „Ich möchte dich aus der Gang raus haben. Du hast dir ja schon einen guten Plan überlegt wie du unbeschadet gehen kannst. Um Schneider werde ich mich kümmern.“ Sie sah grimmig drein. „Nein Mom. Das kommt für mich nicht in Frage. Ich werde Lisa keiner Gefahr aussetzen. Und ich will auch nicht, dass sie benachteiligt wird, weil du die Firma ihres Großvaters zerstörst. Und er ist ihr letzter lebender Verwandter, den will ich ihr nicht nehmen, egal was er für ein Scheusal ist. Ihr gegenüber war er immer ein liebevoller Mann.“ Chris Mutter sah alles andere als begeistert aus. „Ich zieh das einfach durch und dann bin ich die Multi Group los. Der Rest ist dann einfach. Paps wird meine Vernarbungen an den Stimmbändern entfernen und dann als Frau wird mich niemand mehr erkennen und ich wäre auch vor der Gang sicher.“ Micha konnte ihr nur zustimmen, doch auch ihm wäre es lieber, wenn sie dieses Leben besser früher als später hinter sich ließe. Eine leise Stimme in seinem Kopf sagte ihm unaufhörlich, dass es seine Schuld war, dass Chris nicht ging. Lisa war sicher und Rico nicht mehr da, nichts hielt sie. „Wenn ich jetzt abhauen würde, dann würde Michael dafür bestraft werden. Damit könnte ich nicht leben.“ Er hatte es gewusst, nur seinetwegen setzte sich Chris weiterhin dieser Gefahr aus. Da er jedoch genau wie sie handeln würde, hatte er kein Recht sie deswegen zu kritisieren. Er würde einfach weiterhin sein Möglichstes tun um sie zu beschützen und vor Schaden zu bewahren. „Ich sehe wie wichtig dir die Menschen in diesem Raum sind. Und wenn es dein Wunsch ist, dann werde ich ihn respektieren. Aber versprich mir eines. Wenn du jemals in Schwierigkeiten stecken solltest oder anderweitig meine Hilfe benötigst, dann melde dich sofort bei mir und ich werde sofort zur Stelle sein.“ Chris Mutter schien wirklich verständnisvoll zu sein. Doch Micha sah ihr an wie schwer ihr diese Entscheidung viel. Endlich hatte sie ihre Tochter wieder, doch sie würde noch immer nicht bei ihr sein können. Emma sah nach einander die Männer auf dem Sofa an und nickte dann. „Gut, 58 Punkte, 42 Punkte, 39 Punkte. Das sollte reichen. Ich verlasse mich darauf, dass Sie gut auf meinen kleinen Schatz aufpassen.“ Alle im Raum sahen Chris´ Mutter nun verwundert an. Auch Micha wunderte sich nicht schlecht über ihre Aussage. Alle wussten was gemeint war, doch dass noch jemand wie Chris die Menschen in ihrer Umgebung mit Punkten bewertete kam nie jemandem in den Sinn. Nun sah Emma ihre Tochter an und begann zu lächeln. „142 Punkte. Respekt, ich habe nur selten jemanden gesehen der eine höhere Punktezahl als ich hatte.“ Chris lächelte zurück. „Ich habe noch nie jemanden mit einer höheren Punktzahl als mich getroffen, aber darüber bin ich mehr als erleichtert. Aber du mit deinen 70 Punkten bist schon ein Sonderfall für mich. Der höchste Wert war bis jetzt 64 Punkte und das war bei einem Ausbilder von mir.“ Chris Augen wurden blicklos, sie schien sich mal wieder an etwas aus ihrer Vergangenheit zu erinnern, aber es schienen dieses Mal keine schlechten Erinnerungen zu sein. Sie schüttelte kurz den Kopf und richtete ihren Blick wieder auf ihre Mutter. „Wieso ermittelst du die Stärke eines Gegners wie ich mit Punkten?“ Diese Frage interessierte Micha auch brennend, er hatte nicht gedacht, dass es noch jemanden so Spezielles wie Chris geben könnte. „Es liegt an unseren Augen. Wir können mit ihnen Dinge erfassen, die dem durchschnittlichen Menschen nicht auffallen. Ihr braucht mich nicht alle so geschockt ansehen. Es sind keine Fantasy Superaugen oder ähnliches. Sie sind einfach besser als von Anderen. Unser Sichtfeld ist erweitert und so sehen wir Dinge die für Michael zum Beispiel unmöglich wären. Ich zeige euch ein Beispiel, Chris schließ mal kurz die Augen. Dr. Steigwitz wären Sie so freundlich und würden zwei Bücher aus dem Regal holen? Legen sie eines an ein Ende des Tischs und das Andere auf die andere Seite. Chris ich möchte, dass du nur auf ein Ende des Tischs siehst und uns den Namen des Buches vorliest.“ Chris öffnete ihre Augen. „Komplikationen in der Neurologie.“ Das war nicht schwer. „Gut und nun behalt deinen Blick auf dieses Buch gerichtet und lies uns den Titel des anderen Buches vor.“ Chris starrte noch immer auf dieses eine Buch. Es sollte unmöglich sein zu lesen wären man wo anders hinsah. „Nierenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter.“ Das war nicht möglich. Micha war vollkommen erstaunt. „Da habt ihr es, unsere Augen erfassen alles was sich in unserem Sichtfeld befindet klar und deutlich. Aber auch unsere Sehkraft ist wesentlich besser. Unser Gehirn hat sich diesem Umstand angepasst und verarbeitet die empfangenen Informationen anders. Das ist es jedenfalls was mir mein Arzt erklärt hatte. Mich hatte der Umstand, dass ich irgendwie anders war nie gestört und auch nicht interessiert. Auf jeden Fall um zurück zum Thema zu kommen. Wegen unseren Augen fällt uns das lernen so leicht, sei es nur im akademischen Sinne oder sportlichen. Im Sport werden die Bewegungsabläufe die wir bei Mitspielern sehen erfasst und abgespeichert, danach können wir sie dann abrufen. Mit alldem ist es für uns ein leichtes Menschen zu beurteilen und der logischste Schluss ist es, es sich einfach zu machen und die Beurteilung in Zahlen vorzunehmen mit sich selbst als Ausgangspunkt. Alle in unserer Familie die diese Augen geerbt haben, hatten ein Händchen für Zahlen und Praktisches. Dafür waren wir schlecht in allem was Kreativität verlangte. Auch Musik und Kunst fiel uns schwer. Von den Naturwissenschaften möchte ich gar nicht erst anfangen. Sie verwenden viele Berechnungen, die uns leicht fallen, aber Experimente die auf Hypothesen beruhen sind nicht unsere Stärke.“ Michael sah sich Chris an, auch sie schien sich zu wundern. Er wusste, dass sie Klavier spielen konnte und manchmal sogar zur Entspannung zeichnete. Von Naturwissenschaften hatte er keine Ahnung. Aber sie war Ärztin und musste sich somit mit grundlegender Biologie auskennen. Er sah sie Chris´ Paps an und auch er zog die Stirn kraus. „Mom ich habe keine Probleme mit all den Dingen, die du gerade aufgezählt hast. Ich bin sehr gut im Umgang mit Instrumenten. Manchmal zeichne ich auch. Ich habe schon ein Medizinstudium hinter mir und hatte nie Probleme mit Biologie oder Biochemie. Mein letztes Jahr als Assistenzärztin habe ich fast vollständig im Labor verbracht und hatte nie irgendwelche Probleme.“ Emma begann erneut zu weinen. „Das wirst du dann wohl von deinem Vater vererbt bekommen haben. Er war Musiker, kein erfolgreicher, aber das war in Ordnung. Er hatte einfach Freude daran seine Gefühle mit Hilfe der Musik ausdrücken zu können. Das war wohl der Grund wieso ich mich in ihn verliebt habe. Er war das genaue Gegenteil zu mir. Ich war immer praktisch Veranlagt gewesen. Bei mir musste alles seine Ordnung haben, da es so am einfachsten war. Er war so chaotisch und liebenswert. Etwas tollpatschig vielleicht aber von herzen gut und aufrichtig. Er sah immer nur das Beste in den Menschen. Ich fand ihn anfangs immer naiv, aber als er mir beibrachte die Welt durch seine Augen zu sehen war ich vollkommen fasziniert davon und habe mich in ihn verliebt. Unsere Augen werden nur an die Frauen in unserer Familie vererbt. Deswegen ist auch immer nur eine Frau das Oberhaupt der Steward Familie gewesen. Nun wir hatten wohl auch Glück, dass der Erstgeborene immer weiblich war. Und all diese Frauen haben sich mit Männern verbunden, die ein Gegenpol zu sich selbst waren. Denn alle mit diesen Augen hatten zwar die gleichen Fähigkeiten, doch auch die gleichen Schwächen. Deswegen schickte uns das Schicksal wohl Männer, die diese Schwächen ausglichen. Noch nie gab es ein Mädchen in unserer Familie, die ohne diese Schwächen geboren wurde. Du bist die Ersten mein Schatz.“ Michael wunderte sich, klang es doch so, als ob die Steward Frauen diesen Gegenpol brauchen würden. „Wieso ist es so wichtig, dass diese Frauen ihren gegensätzlichen Partner finden müssen? Verzeihen Sie wenn die Frage unhöflich ist. Aber Sie reden vom Schicksal, dass Ihnen diese Männer geschickt hat, dass es den Anschein erweckt, dass Sie diesen Ausgleich brauchten.“ Chris´ Mutter sah kurz zu Boden, atmete tief durch und sah Michael dann direkt an. Ihre Augen waren denen von Chris wirklich ähnlich, doch auch nicht ganz. Sie waren einfach nur Silber. Chris´ Augen hatten den Anschein als wäre ihre Iris flüssig und würde sich bewegen. „Unsere Männer waren auch wichtig für uns. Sie halten uns davon ab unsere Moral zu vergessen. Sorgen dafür, dass wir menschlich, mitfühlend bleiben. Viele Frauen die keinen Partner hatten wurden kaltblütig. Ich weiß nicht wirklich wie ich es erklären soll. Wir sind ja keine Monster oder ähnliches. Aber durch unsere Auffassungsgabe verlieren wir uns schnell in unseren Zahlen, man darf nicht vergessen, dass wir schon seit Generationen im Bankgeschäft tätig sind. Sie wurden zu Frauen, die nur noch für die Arbeit lebten und den Bezug zur Realität verloren. Das führte dazu, dass sie alles und jeden nur noch in Zahlen wahrnahmen. Für das Geschäft war es gut, doch wie viele Menschen durch diese Projekte zu Schaden kamen oder wie viele Existenzen zerstört wurden interessierte sie nicht. Deswegen ist für uns ein Ausgleich so wertvoll und wichtig. Außerdem hatte unser Gehirn von Anfang an nicht viel Platz für Mitgefühl übrig, dass habe ich bemerkt, als mir meine Kinder genommen wurden. Als ich von Jonathans Tod erfahren habe und dass Emilie verschwunden war, habe ich eigenhändig drei Großfirmen und elf ihrer Tochterfirmen verschwinden lassen. Ich weiß nicht wie viele Menschen auf einen Schlag ihre Arbeit verloren hatten. Und es hatte mich in diesem Moment auch nicht gestört. Ehrlich gesagt, obwohl mir all diese Menschen leid taten und tun, würde ich es heute genau so machen. Dafür kann man mich egoistisch nennen, dass ist mir egal.“ Michael schluckte. Er hatte es ja schon von den anderen Bodyguards erfahren, als er sich für Chris über Emma informiert hatte, aber sie war wirklich eine eiskalte Geschäftsfrau. Sie liebte ihre Tochter ohne Zweifel, aber ansonsten war sie wohl eher gefühlskalt. „Ich habe im letzten Jahrzehnt alle Banken in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Italien und Japan übernommen. Von China konnte ich erst die Hälfte und in den USA konnte ich Dreiviertel der Banken in Besitz nehmen. Ich habe unsere Bank zur größten Privatbank der Welt gemacht.“ Micha hatte das Gefühl, als würde ihm Chris oder Emilie entgleiten. Schon immer war sie eine Person mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und Talenten gewesen, doch nun gehörte sie zu einer Familie, die einer komplett anderen Welt angehörte. Sie war ein Mädchen aus reichem Haus, privilegiert. Er war nur ein Waisenkind, ein Junge, den nicht mal die eigenen Eltern wollten. Er kannte nichts außer sein Gangleben. Er sah zu seinen zwei Freunden hinüber und erkannte in ihren Gesichtern, dass sie seine Gedanken teilten. Sobald Chris die Gang verließ, würde sie auch die Drei verlassen. Vor diesem Abend hatte Micha noch gedacht, dass Chris bei ihrem Paps bleiben würde und dort als Chirurgin arbeiten würde. Dort hätten sie Zugang zu ihr, sollten sie sich verletzen oder könnten sie auch einfach so mal zum Trinken einladen. „Wenn du 25. wirst könntest du gemeinsam mit mir in die USA gehen. Hier würde dich doch nichts mehr halten, außer schmerzhafte Erinnerungen. Wir könnten gemeinsam einen Neuanfang machen. Was hältst du davon?“ Von allen vier Männern flog der Kopf Richtung Chris. Auch Dr. Steigwitz schien das Gesagte nicht kalt zu lassen und auch zu beunruhigen. „Mom ich weiß dein Angebot wirklich zu schätzen. Aber ich werde diese Stadt nicht verlassen. Du hast hier deinen Wohnsitz. Seit Generationen wohnt das Oberhaupt der Familie in diesem Anwesen, daran kann ich mich noch erinnern, wie du mir immer von den alten Familiengeschichten erzählt hast. Auch wenn wir zu dieser Zeit in einem normalen Haus gelebt haben. Noch ein Grund wieso ich hier nicht weg kann ist, dass ich hier noch eine zweite Familie habe. Niemals würde ich sie zurück lassen, ich kann mir ein Leben ohne diese Männer an meiner Seite nicht vorstellen. Ich werde mir noch einen Plan überlegen müssen, aber ich habe mir fest vorgenommen, sie mit mir aus der Gang zu holen. Sie sollen das Leben führen können, dass sie sich immer gewünscht haben und dass sie auch verdient haben. Wir werden alle hier zusammen glücklich werden und wenn wir alt sind zusammen auf unsere Vergangenheit schauen und mit einem Lächeln im Gesicht erkennen, dass uns diese Erfahrungen nur noch stärker gemacht haben. Auch werde ich erstmal bei Paps im Krankenhaus arbeiten. Ich bin für mein Leben gern Ärztin. Ich liebe es anderen Menschen helfen zu können. Ich habe auf jeden Fall keinen Mangel an Mitgefühl wie die Frauen unserer Familie vor mir. Nicht, dass ich nicht in der Lage wäre kaltherzig zu sein, aber ich denke diesen Wesenzug habe ich ganz gut unter Kontrolle. Ich würde mich gern nach und nach in dein Geschäft einarbeiten und einbringen. Ich werde dich unterstützen so gut ich kann, doch ich würde wirklich gern so lange wie möglich auch im Krankenhaus arbeiten.“ Micha hatte Tränen in den Augen. Was hatte er nur für Gedanken gehabt? Chris war Chris, auch wenn sie eigentlich Emilie Steward hieß und wohl Milliarden erben würde. Sie würde tief im Herzen immer ihre Chris bleiben. Auch ihre Mutter und der Rest schienen von ihrer Ansprache berührt worden zu sein, denn sie hatten wie er Probleme ihre Tränen zurück zu halten. Tino griff über Micha hinweg und zog Chris quer über seinen Schoß zu sich und umarmte sie. Auch Dom umarmte sie, also schloss sich Micha an und schloss seine Arme um sie. Nun wurde sie von drei Seiten eingekeilt. „Verstanden. Du hast wirklich gute Menschen gefunden und darüber bin ich sehr glücklich. Ich werde dir helfen die drei Herren von Buchkammer wegzuholen wenn es Zeit wird. Euch drei freizukaufen sollte kein Problem sein. Nicht das euer Boss mir eine Bitte abschlagen könnte.“ Micha lief es bei diesem Satz eiskalt den Rücken hinab. Er war wirklich glücklich, dass sie Chris´ Mutter war und auf ihrer Seite. Chris und ihre Mutter unterhielten sich noch eine Weile über die vergangenen Jahre und die Männer hörten mit einem Lächeln im Gesicht zu. Gegen fünf Uhr Morgens klingelte Emmas Telefon und sie unterhielt sich kurz. Wie es sich anhörte wurde sie abgeholt. Mit Umarmungen verabschiedete sie sich bei allen Anwesenden. Sie alle könnten sie jederzeit kontaktieren wenn sie irgendetwas brauchten. Und was ihr wichtig zu sein schien, alle sollten sie Emma nennen. Keine Höflichkeiten, da sie jetzt alle zur gleichen Familie gehörten. Als sie gegangen war setzten alle sich erschöpft auf das Sofa. Die Anspannung war auf einmal verschwunden. „Deine Mutter scheint nett zu sein, zumindest auf ihre ganz eigene Art und weise.“ Chris sah Tino böse an. „Was denn? Sie ist wie eine Löwenmama. Sie liebt und beschützt dich, aber alles Andere ist Beute und wird gnadenlos zur Strecke gebracht. Was bin ich froh, dass sie uns alle als Familie akzeptiert hat.“ Alle begannen zu lachen. Auch Chris schien Tino das Gesagte nicht böse zu nehmen. „Ich hätte mir nur gewünscht, dass Chris mir vorher erzählt hätte, dass sie eine Steward ist, dann hätte sie schon vor Jahren aussteigen können.“ Cris sah beschämt auf den Boden. „Die Männer die Jonathan und mich mitgenommen hatten, sagten unsere Mutter wäre tot. Andere Verwandte hatte ich nie kennen gelernt und ich hatte keine Ahnung ob es überhaupt welche gab. Auch wusste ich nichts davon, dass meine Mutter einer solch mächtigen Familie angehörte. Ich meine ich war damals erst vier Jahre alt gewesen. Und mit der Angst vor Simon habe ich geschwiegen. Ich wollte nicht, dass er irgendwie erfährt, dass ich doch noch weiß wer meine Eltern waren. Außerdem ist es ganz gut so. Ich würde die Zeit nicht zurückdrehen wollen. Ich habe besondere Menschen kennenlernen dürfen, diese Möglichkeit wäre mir unter anderen Umständen verwährt geblieben. Deswegen ist es in Ordnung so wie es ist.“ Micha konnte schon gar nicht mehr zählen wie oft Chris es in dieser Nacht geschafft hatte ihnen Tränen in die Augen zu treiben, aber nun hatte sie es erneut geschafft.



Kapitel 34


Seit etwas mehr als einem Jahr war Michael nun der persönliche Bodyguard vom Boss. Nachdem dieser bemerkt hatte, dass auch Dr. Steigwitz nichts für Chris Rettung unternahm, begannen Chris´ Bestrafungen wieder. Mittlerweile verbrachte sie mindestens einen Tag in der Woche im Keller. Nur die Chefs hielten Buchkammer noch im Zaum, weil sie Chris für ihre Geschäfte brauchten, gerade Schröder zählte immer mehr auf Chris, da Michael nun beim Boss war und ihm ein wichtiger Mann fehlte. Micha persönlich glaubte, dass hinter dem Hass vom Boss mehr steckte und auch, dass er ihn von Chris fernhalten wollte und ihn deswegen zu seinem Leibschutz gemacht hatte, denn auch wenn er gerade nicht als Bodyguard arbeitete hatte er keine Auftrag mehr mit Chris zusammen erledigt. Gerade fuhren sie von einem befreundeten Gangsterboss zurück zum Hauptgebäude, als der Boss Micha eine Frage stellte die ihm höchst unangenehm war. „Du bist nun schon so viele Jahre bei der Gang. Du bist eines unserer wichtigsten Mitglieder und sollte einer meiner Säulen fallen wäre es sehr wahrscheinlich, dass du diesen Posten zugesprochen bekommen würdest. Wieso also stehst du hinter diesem verwöhnten Jungen anstatt hinter mir?“ Michael sah seinen Boss verwirrt an. „Sieh mich nicht so an. Ich bin mir vollkommen bewusst darüber wo deine Loyalität steht. Ich verstehe nur nicht wieso.“ Nun musste er gut aufpassen was er sagte. Er musste so viel von der Wahrheit sagen, dass der Chef ihn verstand, aber nicht so viel, dass es zum Nachteil für Chris werden könnte. „Vor ungefähr fünf Jahren, also lange bevor Chris zur Gang kam und auch lange bevor ich den Auftrag bekam ihm eine Haarprobe zu entnehmen, rettete er mein Leben. Ich wurde bei einem Kampf verletzt, die Polizei kam in diesem Moment und wir alle rannten um zu flüchten. Ich schaffte es ihnen zu entkommen und versteckte mich in einer Parktoilette. Doch ich hatte eine Stichwunde am Bauch und blutete stark. Da kam Chris herein und versorgte meine Wunde und rettete mir so das Leben. Ohne seine Hilfe wäre ich damals auf dieser schmutzigen Toilette einfach verblutet. Chris ist hilfsbereit und ein Mensch der sich für die Personen die ihm etwas bedeuten ohne zu überlegen opfern würde. So etwas findet man in unserer Welt normalerweise nicht, mit Ausnahme derer, die von klein auf mit jemandem aufgewachsen sind. Und selbst dabei war es nicht immer so. Jeder ist sich selbst der Nächste und ganz ehrlich, dass ist in unserem Geschäft vielleicht sogar nötig. Aber jeder braucht einen Ort an dem er sich entspannen und sicher fühlen kann. Chris bietet so einen Ort. Wo er herkommt, wer seine Familie ist, spielt dabei keine Rolle, Chris ist einfach nur Chris, mehr interessiert mich nicht.“ Der Boss sah ihn eine ganze weile mustern an und Micha begann schon sich unwohl zu fühlen. „Weißt du weshalb ich Chris zu uns in die Gang geholt habe?“ Micha legte den Kopf schief. Er musste wirklich ganz genau aufpassen was er tat und sagte. Sein Boss war nicht dumm und außergewöhnlich scharfsinnig. „Ich weiß nur, dass es irgendetwas mit einer Allianzbildung zu tun hat.“ Boss nickte. „Dann werde ich dir mal die ganze Geschichte erzählen, vielleicht kannst du meine Position danach besser verstehen. In unserer Jugend waren Richard und ich befreundet. Ehrlich gesagt haben wir diese ganze Allianzidee im betrunkenen Zustand ausgemacht. Doch auch im nüchternen Zustand waren wir beide der Meinung, dass es uns nur Vorteile brachte, also entschlossen wir an dem Plan, der durch Alkohol entstand, festzuhalten. Als mein Sohn 18 Jahre alt wurde, übergab ich ihn meinem alten Freund. Seine Tochter war ein Jahr älter als er, doch das war den Beiden egal. Sie verliebten sich ineinander. Ich freute mich darüber, mit einer Hochzeit wären unsere Familien aneinander gebunden. Es war perfekt. Doch Schneider war ein Gangstersohn nicht gut genug für seine feine Tochter. Er gab den Befehl meinen Sohn zu töten und ließ es wie einen Unfall aussehen. Das alles erfuhr ich erst viel später durch Zufall von einem betrunkenen Polizisten der damals die Untersuchungen leitete. Schneiders Tochter war zu dieser Zeit schon mit ihrem Mann in einem Feuer gestorben. Seine Enkelin müsste fünf Jahre alt gewesen sein, als ich ihn anrief und auf unsere Abmachung bestand. Er hat einfach so nachgegeben und zugestimmt, seine Enkelin mit ihrem 18. Geburtstag zu uns zu bringen. Das war es was mich stutzig machte. Dieser alte Fuchs würde niemals einfach so seine geliebte Enkeltochter hergeben, war sie doch die einzige Familie, die ihm nach dem Tod seiner Tochter noch geblieben war. Es hat zwar Jahre gedauert, doch dann habe ich herausgefunden, wieso er so einfach meiner Forderung nachgegeben hatte. Dieser kaltherzige Bastard wollte seine Enkelin für seinen Erben opfern. Meine Untersuchungen hatten ergeben, dass er eine uneheliche Tochter hatte, welche die Schwester von seinem Sekretär war. Da diese verschwunden war, blieb ihm nur noch der Junge. Er wollte ihn vor mir zu verstecken, doch nun habe ich ihn in meinen Händen und Chris steckt tief im Gangleben drin. Nie würde er in die feine Gesellschaft aufgenommen werden, selbst wenn ich ihn wieder frei lassen würde. Schneider soll erfahren wie es ist, wenn seinen Liebsten Schmerzen zugefügt werden und wie es ist seinen wichtigsten Menschen begraben zu müssen.“ Michael konnte gerade so ein Schütteln unterdrücken. Doch er hatte das Gefühl, die Temperaturen im Wagen seien plötzlich um mehrere Grad gefallen. Hatte Buchkammer vor Chris zu töten? „Wusste Schneider von all dem? Und wenn ja wieso hatte er nicht mehr unternommen um Chris zu retten? Und wieso lebte Chris überhaupt noch, wenn es doch nur um Rache ging?“ Sein Boss bekam ein bösartiges Grinsen. „Schneider weiß genau was Chris erwartet, doch ihm sind die Hände gebunden. Er und seine Firma haben zu viel Dreck am stecken, als dass er es sich leisten könnte Aufmerksamkeit zu erregen. Außerdem weiß er, dass ich diese Infos nur zu gerne an die entsprechenden Personen leiten würde. Ihm bleibt also nichts anderes übrig als das Leiden seines geliebten Enkels aus der Ferne zu beobachten. Irgendwann ganz plötzlich, wenn er sich schon sicher ist, dass Chris nicht sterben würde, werde ich ihm diesen nehmen. Hoffentlich verreckt er an seiner Trauer. Doch noch habe ich nicht vor so weit zu gehen. Chris wird noch etwas mehr leiden müssen und damit auch Schneider.“ Sein Boss war krank. Und Chris war in Gefahr, sie hatte nicht mehr die Zeit zu warten. Sie musste so schnell es ging von ihrem Boss weg, bevor sie sterben würde, ohne jemals frei gewesen zu sein. Buchkammer sah nach seiner Erzählung nur noch aus dem Fenster und sagte kein Wort mehr.

Am Abend saß Chris mit ihren Jungs in ihrer Wohnung und Micha erzählte was er an diesem Tag vom Boss erfahren hatte. Taubheit versuchte wieder von Chris besitz zu ergreifen. Fast ihr gesamtes Leben hatte sie im Haushalt der Schneiders verbracht, hatte all ihre Aufgaben perfekt erledigt und sogar die Liebe ihres Lebens an Lisa verloren. Und nun hatten sie sie zum Sterben geschickt? Man hatten sie einfach benutzt und dann weg geworfen? Sie weigerte sich diesem Gefühl der Leere platz zu machen. Stattdessen kanalisierte sie ihre Wut. Sie hatte genug für diese Familie aufgegeben, ihre Freiheit, ihre Kindheit, ihre Unschuld, ihre Liebe. Ihr Leben würde sie nicht geben. Schneider war der Meinung sein Plan würde erfolgreich sein? Glaubte sie würde sich das gefallen lassen? Da hatte er sich getäuscht. Lisa war nicht mehr hier, sie musste sich also keine Sorgen mehr um ihre Sicherheit machen. Schneider würde dafür bezahlen, zu denken Chris so einfach benutzen zu können. Sie würde ihn leiden lassen und damit auch sich und ihre Jungs von Buchkammer befreien. „Ich hätte eine Bitte an euch. Ich habe einen Plan, doch dafür brauche ich eure Unterstützung. Ich sage gleich, es ist nicht ganz ungefährlich, aber wenn alles glatt läuft, bekommen wir alle unsere Freiheit.“ Alle stimmten ihr sofort zu. Kein Moment des Zögerns. Sie musste lächeln. „Wir würden dir immer folgen, egal wie gefährlich es werden könnte.“ Sie liebte ihre Drei. Chris zog ihr Telefon aus der Hosentasche und wählte die Nummer ihrer Mutter. Diese ging sofort ran. „Hey mein Schatz.“ Dieser Kosename hatte sich mit der Zeit festgesetzt. „Hey Mom. Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Könntest du zu mir in die Wohnung kommen und alles mitbringen was du brauchst, um mich in deine perfekte Tochter, die du anderen vorzeigst willst, zu verwandeln? Und mach bitte einen Termin mit Buchkammer morgen früh. Sag es wäre ein Notfall.“ Ihre Mutter sicherte ihr zu in spätestens einer halben Stunde da zu sein. Dann legte Chris auf. „So Jungs habt ihr euch schon überlegt was ihr mit eurem Leben anfangen wollt, wenn ihr die Gang hinter euch lasst?“ Alles drei sahen sie nur stutzig an. „Ich möchte den Plan nur einmal erklären, deswegen warten wir besser auf meine Mutter. Solange können wir uns doch schon mal unsere Traumzukunft ausmalen.“ Tino und Dom sahen sich an und nickten sich zu. „Wir Beide haben schon immer davon geträumt, unsere eigene Tischlerei zu eröffnen. Wir wollen gern exklusive handgefertigte Möbel machen. Solche wie sie auch bei dir in der Villa stehen. Einzelstücke“ Das hatte sie nicht gewusst und wenn sie Michas Gesichtsausdruck richtig deutete hatte auch er nicht den leisesten Schimmer gehabt. „Das klingt cool. Und es passt zu euch. Wenn ich raten darf würde ich sagen Dom entwirft die Möbel und Tino baut sie?“ Beide nickten. „Was würdest du wollen wenn dir jede Tür offen stehen würde?“ Chris sah Micha an. Sie konnte es sich schon denken, doch hatte er auch den Mut es auszusprechen? „Ich würde meinen Abschluss nachholen und gern Medizin studieren.“ Chris hatte es schon geahnt bei all den medizinischen Büchern die Micha besaß. „Gut. Erlaubt ihr mir euch bei euren Wünschen zu unterstützen? Ich möchte euch gern bei mir behalten, ich weiß das das egoistisch ist, aber ich hoffe, dass ihr bei mir leben würdet.“ Sie lächelten sie beruhigend an. „Uns wirst du nicht los. Wir bleiben bei dir bis du uns wegschickst. Und wenn du uns helfen willst, nehmen wir es dankend an unter der Voraussetzung, dass wir dir alles zurück zahlen werden. Jeden Euro und auch jeden Gefallen.“ Das war ihr schon vorher bewusst gewesen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie es als Geschenk annehmen würden. Aber das war auch nicht nötig. Sie wollte ihnen einfach nur eine Starthilfe geben. So wie ihr Paps es bei ihr gemacht hatte, nur das er so stur war und all seine Geschenke nicht zurück nahm. „Verstanden. Ich hatte auch nichts anderes von euch erwartet. Bevor meine Mutter gleich kommt, muss ich euch noch etwas sagen. Wenn wir morgen in die Villa ziehen, wird noch jemand mit uns einziehen. Der kleine Junge heißt Marco und ist 3 Jahre alt.“ Chris holte die Akte, die sie von Kon bekommen hatte unter dem Sofa hervor. Sie hatte nie den richtigen Zeitpunkt gefunden es Micha und den Anderen zu erzählen. „Ich hatte Michael damals versprochen nachzuforschen was damals wirklich passiert ist, wieso Marco erschossen wurde. Ich weiß jetzt schon eine ganze Weile bescheid, wusste aber nicht so richtig wie ich es zur Sprache bringen sollte. Marco wurde nicht erschossen weil er der Gang angehörte.“ Alle sahen sie abwartend an. „Marco hatte zu dieser Zeit eine Freundin. Er hatte sie vor einem eurer Clubs kennengelernt. Sie arbeitete dort als Hostess und war einige Jahre älter als er. Ihr Name war Sunny.“ Chris lief eine Träne über die Wange, als sie an die Jungendliche dachte, die sie mit ihrem Rat sich als Junge zu verkleiden davor bewahren wollte irgendwann an ein Bordell verkauft zu werden. „Sie waren schon einige Monate zusammen, als Sunny von einem ihrer Kunden immer wieder belästigt wurde. Das Sicherheitspersonal kümmerte sich um ihn, doch er schien wie besessen von ihr zu sein. Er bildete sich ein das Sunny ihm gehören würde und sie ihn auch lieben würde und nur Marco daran Schuld wäre, dass sie nicht dazu stehen konnte. Marco war einige Male mit ihm aneinander geraten, doch dieser Typ ließ einfach nicht locker. Als es zum Gangkampf kam, sah er wohl seine Chance ihn loszuwerden und deswegen erschoss er ihn. Bei seinem wahnhaften Verhalten bin ich mir sicher, dass auch wenn Marco nicht in einer Gang gewesen wäre, er trotzdem von diesem Mann ermordet worden wäre. Der Mann heißt Peter Blum und wurde von der Polizei verhaftet und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Bevor die Polizei ihn fassen konnte verlor er beide Hände, ich gehe davon aus, dass dies die Strafe seiner Gang gewesen ist. Sunny war zu diesem Zeitpunkt schon in der 13. Woche schwanger. Nach der Geburt durfte sie ihren kleinen Sohn erstmal behalten. Ich denke Frisch wollte nicht noch mehr Aufsehen erregen und Sunny wurde oft zur Befragung von Polizisten aufgesucht. Als der Kleine ein Jahr wurde, hatte man ihn ihr weggenommen und in eines ihrer Kinderheime gesteckt. Sunny durfte ihn einmal die Woche besuchen, doch erinnert ihr euch noch an den Vorfall vor eineinhalb Jahren bei dem zwei unserer Hostess erstochen wurden, weil ihr Kunde durch seinen Drogenkonsum halluzinierte? Eine der Beiden war Sunny gewesen. Als ich vor etwas mehr als einem Jahr davon erfuhr, bat ich Paps darum den kleinen Marco freizukaufen und zu sich zu nehmen. Doch ich habe ihm gleich gesagt, sobald ich frei bin, würde ich ihn zu mir nehmen. Deswegen wird er mit zu uns in die Villa ziehen.“ Sie hatten bei ihrer Geschichte die ganze Zeit geweint. Und auch wenn sie mit ihrer Erzählung am Ende war, liefen die Tränen weiter. „Wieso willst du dich um das Kind eines Fremden kümmern? Er ist der Sohn unseres Freundes, wir werden uns um ihn kümmern und ihn aufziehen.“ Sie konnte Michael diese Frage nicht übel nehmen, wusste doch niemand von ihrer Verbindung zu Sunny außer Simon und der hatte sie bestimmt schon vergessen. „Weil ich es Sunny schuldig bin. Sie war im Selben Heim wie ich und mein Bruder. Sie hat uns sofort unter ihre Fittiche genommen uns erklärt was uns erwartet und wie wir überleben. Als sie heraus fand, dass ich ein Mädchen bin, war sie es die mir riet, mein Geschlecht zu verheimlichen, damit ich später nicht wie sie an ein Bordell verkauft werden würde. Nach einigen Wochen verschwand sie, aber nur dank ihr, haben mein Bruder und ich es geschafft so lange zu überleben. Auch wenn es nur einige Jahre waren. Andere Kinder die neu waren überlebten oft nicht mal die erste Woche. Deswegen werde ich die Vormundschaft für ihr Kind übernehmen. Sind wir mal ehrlich, in meiner Familie aufgenommen zu werden bringt dem Kleinen die größten Vorteile. Aufziehen werden wir ihn gemeinsam. Ich werde ihm etwas über seine Mutter erzählen können, wenn auch nicht viel und ihr ihm alles über seinen Vater.“ Alle nickten. „Wieso hast du uns das alles nicht schon früher erzählt?“ Waren sie wütend auf sie? Sie könnte es verstehen, hatte sie ihnen doch so etwas Wichtiges verschwiegen. „Ich wusste nicht wie ich es erzählen sollte oder besser gesagt, wann der beste Zeitpunkt für so eine Geschichte war. Außerdem hatte ich befürchtet, dass ihr sofort die Verantwortung für den Sohn eures Freundes übernehmen wollen würdet und das musste ich verhindern. Viele in der Gang haben Familie, aber alle wissen, dass sie nie sicher sein können, so ein Leben wollte ich nicht für den kleinen Marco. Und ich war mir schon immer sicher, euch mit mir rauszuholen, doch ich sah es in euren Augen, dass ihr nie daran geglaubt habt diesem Leben entkommen zu können. Selbst jetzt verraten mir eure Augen euren Zweifel, deswegen habe ich geschwiegen.“ Sie standen auf und kamen auf Chris zu, ohne Vorwarnung schmissen sie sich auf sie und zerquetschten sie fast unter sich. Chris musste lachen während sie von der Couch rutschten. „Danke Süße. Du denkst immer zehn Schritte weiter als wir und denkst immer nur das Beste von uns. Wir haben so einen besonderen Menschen wie dich in unserem Leben gar nicht verdient.“ Tinos Worte berührten Chris im Herzen. „Ich muss euch danken. Ohne euch wäre ich schon vor über einem Jahr zerbrochen. Ihr seid der Grund wieso ich mich nicht aufgeben kann. Wer würde sich denn um euch Holzköpfe kümmern, wenn ich nicht mehr da wäre?“ Alle lachten und dann klingelte es auch schon an der Tür. Ihre Mutter schien sich wirklich beeilt zu haben. Chris kämpfte sich durch die Körper die auf ihr lagen und ging zur Tür. Schnell ließ sie ihre Mutter eintreten, niemand sollte Emma Steward sehen, wie sie ihre Wohnung betrat. Sie begrüßte ihre Mutter mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange. „Hey Mom. Ich freue mich dich hier zu haben.“ Sie führte sie in die Stube, wo Micha gerade dabei war Dom und Tino vom Boden zu helfen. Emma sah zwar etwas verwundert aus, doch sie gab keinen Kommentar von sich. „Setzt dich Mom, dann erkläre ich dir was es Neues gibt.“ Chris erzählte ihr die Geschichte so wie Micha sie ihr erzählt hatte. Man sah ihrer Mutter die Wut über diesen Verrat an. „Was hast du jetzt für einen Plan?“ Sie schien sich wirklich zusammen zu reißen, um den Wunsch ihrer Tochter, Lisa zu beschützen, zu respektieren. „Wir vernichten Richard Schneider.“ Auf dem Gesicht von Emma erschien ein eiskaltes Grinsen und auch Chris fühlte eine gewisse Genugtuung bei diesem Worten. Michael mischte sich ein. „Ich dachte du wolltest nicht, dass Lisa irgendwie zu Schaden kommen könnte oder benachteiligt wird?“ Das hatte sie auch jetzt nicht vor. Aber sie würde Lisa zu ihrem Vorteil benutzen, auch wenn dieser Teil des Plans ihr nicht wirklich gefiel. „Das wird sie auch nicht. Wir nehmen Schneider das Wichtigste auf der Welt. Seine Enkelin.“ Sie sah in vier verunsicherte und zweifelnde Gesichter. „Ich bin mit ihr aufgewachsen, sie liebt mich wie einen Bruder. Ich würde sogar behaupten, dass ich ihr wichtiger bin als ihr eigener Großvater, der immer über sie bestimmt hat und ihr dann auch noch mich wegnahm. Was würde Lisa also tun, wenn sie heraus findet, dass ihr geliebter großer Bruder, der sie von klein auf immer beschützte und bei all dem Training so oft verletzt wurde, in Wirklichkeit ein Mädchen gewesen war. Und das ihr Großvater, um sie vor seinen Sünden zu schützen mich als Ersatz für sie zum sterben geschickt hat. Was würde sie wohl machen, wenn sie die ganze Wahrheit erfuhr?“ Alle schienen verstanden zu haben. „Sie würde sich auf deine Seite stellen und nichts mehr mit ihrem Großvater zu tun haben wollen.“ Micha dachte also auch wie sie. Es gab dabei jedoch ein Problem, dass sie noch nicht gelöst hatte. „Ich mag diesen Plan, nur an der Umsetzung scheitere ich momentan. Lisa ist in Amerika und ich kann nicht hinfliegen, dafür bin ich nicht stark genug. Und selbst wenn ich es über mich brächte, Lisa und Rico unter die Augen zu treten, könnte ich ihnen nicht einfach die Wahrheit sagen. Lisa muss es irgendwie herausfinden, ohne das es mit mir in Verbindung gebracht werden kann, denn sonst würde sich Schneiders Verzweiflung darüber seine Enkelin verloren zu haben in Wut umschlagen, die sich gegen mich richten würde. Und das wollen wir wohl alle nicht. Er soll die Schuld in sich selbst und seinen Handlungen suchen.“ Alle überlegten, doch niemandem schien etwas einfallen zu wollen. Viele Vorschläge wurden gemacht, doch keine Idee war gut genug um sie auszubauen. „Dann lasst uns das erstmal verwerfen. Wichtiger jetzt ist wie wir morgen Buchkammer auf unsere Seite bekommen. Ich denke am einfachsten wäre es all unsere Karten auf den Tisch zu legen. Ich werde mit Mom in seine Büro gehen und Mom wird mich als ihre Tochter vorstellen, dann erzählen wir ihm alles über Schneiders Plan und überzeugen ihn davon, dass wir Schneider mit unserer Idee mehr Schaden konnten, als mit seiner. Mich wird er allein wegen meiner Mutter gehen lassen und Micha, Dom und Tino werden wir freikaufen. Ich kann nur hoffen, dass er sich darauf einlässt, wenn nicht versuche ich ihn mit meinen ärztlichen Diensten zu locken und wenn selbst das nicht hilft, dann Mom, musst du ihn mit deinen Methoden überzeugen.“ Diese lächelte ihre Tochter zufrieden an. „Ich möchte diese Sache morgen, so friedlich wie möglich klären. Buchkammer ist nicht unser Feind auch wenn er ein Arsch ist.“ Micha sah irgendwie nicht glücklich aus. „Ich bin mit allem einverstanden, aber ich denke, dass wir bei dem Gespräch mit dem Boss dabei sein sollten. Und Emma sollte verlangen, dass niemand außer dem Boss anwesend sein darf. Irgendwo in der Gang sitzt ein Maulwurf von Schneider und wir wissen nicht wer es ist, es könnte einer der Chefs sein, oder sogar der Sekretär.“ Darüber hatte Chris nicht nachgedachte, gab es wirklich einen Maulwurf? Sie hatte immer angenommen, dass Simon von Außen die Fäden ziehen würde, doch wenn Michas Vermutung richtig war, dann mussten sie auf Nummer sicher gehen. „Verstanden. Micha ist ja so wie so Henriks Bodyguard, also sollte er keine Probleme damit haben, sich ohne seinen Sekretär mit mir und meiner Tochter zu treffen. Die anderen Beiden bitte ich nach der ersten Erklärung mit ins Zimmer. Micha würdest du uns aber noch erklären, wieso du denkst, dass es einen Mann der Multi Group in der Gang gibt?“ Micha erzählte ihnen von seiner Vermutung und sie redeten noch die halbe Nacht über den genauen Ablauf des Plans und verfeinerten ihn zusammen.



Kapitel 35


Der nächste Morgen kam viel zu früh. Micha saß mit Tino und Dom am Tisch in der Küche und frühstückte, zumindest wenn man das Knabbern an seinem Toast Frühstück nennen konnte. Er hatte keinen Appetit und seinen Freunden schien es ähnlich zu gehen. Alle waren nervös wegen dem was ihnen heute bevorstand. Würden sie Buchkammer überzeugen können? Würden sie es wirklich schaffen, dem Leben in der Gang zu entkommen? Chris und ihre Mutter hatten sich vor über einer Stunde im Bad eingesperrt und seit dem hörte man nur ab und zu Gelächter. Sie schienen nicht wirklich aufgeregt zu sein. Micha hörte wie das Schloss geöffnet wurde und drehte sich Richtung Tür. Ihm blieb die Luft weg, Dom und Tino pfiffen gleichzeitig als sie Chris erblickten. Sie hatte ein Businessoutfit an. Enge schwarze Stoffhose, dazu passende schwarze High Heels. Sie trug eine dunkelrote Bluse, sie hatte die Farbe von Blut und darüber einen schwarzen Blazer. Eine zierliche silberne Kette lenkte den Blick auf ihr Dekollete, sofort riss sich Micha von diesem Anblick los und sah in ihr Gesicht. Sie war immer wunderschön, doch nun sprengte sie wohl jede Skala, dabei war sie nur ganz dezent geschminkt. Ihre Harre hatte sie im Seitenscheitel gekämmt und sah so irgendwie erwachsener aus. „Es ist wirklich jedes Mal ein Schock dich so zurecht gemacht zu sehen. Aber du siehst wie immer wunderschön aus.“ Chris bekam leicht rosa Wangen. „Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen meine bezaubernde Tochter ab jetzt immer so zu sehen.“ Daran hatte Michael noch gar nicht gedacht. Das könnte noch zu einem größeren Problem für ihn werden. Er wusste was er für Chris empfand, doch er konnte seine Gefühle gut unterdrücken, wenn er sich einredete sie nur als Mann wahrnehmen zu dürfen. Chris war noch immer nicht über Ric hinweg. Jede Nacht weinte sie sich in seinen Armen in den Schlaf. Es zerriss ihn jedes Mal fast, sie so leiden zu sehen. Sie musste Ric endlich loslassen, doch egal was er sagte es half nichts, also sagte er nichts mehr und war einfach für sie da. Er selbst wusste nur zu gut, dass man Gefühle nicht einfach abstellen konnte, selbst wenn sie unerwünscht waren. „Wollt ihr noch etwas essen oder machen wir uns direkt auf den Weg und bringen es hinter uns?“ Chris und ihre Mutter setzten sich an den Tisch und aßen drauf los. Das war wohl ihre Antwort. Wieso waren sie nicht aufgeregt? Micha würde am liebsten wie ein Tiger im Käfig hin und her laufen, doch er unterdrückte diesen Drang. Als die Damen endlich ihr Frühstück beendet hatten fuhren sie zum Hauptgebäude der Gang. Micha, Tino und Dom in ihrem Wagen fuhren schon mal vor. Auf Emma und Chris wartete schon ein Wagen vor ihrer Wohnung und sie würden zehn Minuten später auch losfahren. Als Micha im Büro seines Bosses ankam, bemerkte er sofort, dass etwas diesen Mann in Aufruhr versetzt hatte. „Guten Morgen Boss. Ist irgendetwas passiert?“ Sein Boss drehte sich zu ihm um und sah ihn eine Weile ausdruckslos an, wenn Micha ehrlich war, konnte er nicht mal sagen ob Buchkammer ihn wirklich ansah oder durch ihn hindurch. „Guten Morgen. Wir bekommen gleich Besuch und ausgerechnet heute ist Robert nicht da. Du wirst dich um unsere Gäste kümmern und bei mir bleiben. Ich weiß absolut nicht was los ist, aber dieser Besuch könnte Ärger bedeuten.“ Der Sekretär war also nicht da. Das passte perfekt zu ihrem Plan, jetzt mussten sie die Beiden nicht erst trennen. Michael nickte das er verstand und öffnete die Tür als es klopfte. Herein kamen wie erwartet Emma und Chris. „Guten Morgen Henrik. Ich möchte dir meine Tochter Emilie vorstellen.“ Sie reichte Buchkammer die Hand und er ergriff sie. Danach schüttelte er auch Chris Hand. „Emilie, dass ist Henrik Buchkammer, ein guter Bekannter von mir.“ Chris nickte ihm freundlich zu. „Ich freue mich für dich, dass du deine Tochter anscheinend endlich gefunden hast. Du warst lang genug von ihr getrennt. Darf ich fragen wo du sie gefunden hast?“ Sehr gut. Das Gespräch lief genau wie geplant. Emma hatte ihnen erzählt, dass sie damals auch Buchkammer um seine Mithilfe bei der Suche nach Emilie gebeten hatte. „Danke, ich war auch vollkommen überwältigt, als ich sie endlich fand. Ich finde es jedoch witzig, dass ausgerechnet du mich fragst, wo ich sie gefunden habe, wenn sie doch schon Jahre unter dir arbeitete.“ Buchkammers Kopf schnellte zu Chris. Man sah ihm die Panik an. Er dachte wohl, dass Emilie in einem seiner Bordelle gearbeitet hatte. Doch wenn er ruhig nachdenken würde, wüsste er, dass er nicht mehr leben würde, wenn das der Wahrheit entspräche. Doch Emmas Anwesenheit schien ihn so nervös zu machen, dass er nicht mehr ganz klar denken konnte, wie es sonst für ihn üblich war. „Ich war mir nicht bewusst, dass wir jemanden mit den Merkmalen deiner Tochter in einem unserer Zweige gehabt haben. Du weißt, dass ich dir sonst sofort Bescheid gegeben hätte. Meine Männer halten seit über einem Jahrzehnt Ausschau nach einem Mädchen mit silbernen Augen. Jedes Jahr erinnere ich sie erneut an die Suche.“ Jetzt wo er es erwähnte, das war sogar wahr. Micha konnte sich daran erinnern, als er gerade ein Jahr bei der Gang war, wurden sie von Vogel beauftragt ein paar Mädchen aus einem Waisenhaus abzuholen. Er hatte ihnen gesagt, sie sollen sich die Mädchen genau ansehen und sollte jemand mit silbernen Augen dabei sein, sollten sie sie direkt zum Boss bringen. Chris sah ihn an und er nickte unauffällig um die Aussage seines Chefs zu bestätigen. Emma hatte diese Bewegung natürlich auch mitbekommen und schien zufrieden. „Das glaube ich dir und Micha hinter dir hat es mir gerade bestätigt. Und dafür, dass du über all die Jahre hinweg meiner Bitte nachgekommen bist, bin ich dir dankbar. Doch es ändert nichts an der Tatsache, dass meine Tochter, verkleidet als Junge zu dir in die Gang geschickt wurde und du sie sehr oft sehr übel zugerichtet hast.“ Sein Boss sah sich die Frau vor sich genauer an. Als er plötzlich große Augen bekam, wusste Micha, dass er Chris erkannte. „Wie ist das möglich? Wir haben einen Test machen lassen um die Verwandtschaft zu bestätigen.“ Emma sah ihn eiskalt an und er unterbrach weitere Erklärungen. „Du hast die gesamte Zeit nach Schneiders Pfeife getanzt. Er hat sich Emilie mit sieben von der Straße geschnappt, sie als Jungen erzogen und dann zu dir geschickt. Und hier hat sie noch mehr Schmerz und Leid erfahren. Du kannst dir also vorstellen, dass ich furchtbar wütend bin im Moment. Henrik du hast mein Baby verletzt, du weißt was nun auf dich zukommen wird.“ Er wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch Emma wischte einmal mit der Hand durch die Luft und er schloss seinen Mund wieder. „Emilie hat mir ihre ganze Geschichte erzählt und sie hat mich darum gebeten, dass diese Angelegenheit auf ihre Weise geregelt wird. Sie möchte, dass du Lisa in Ruhe lässt. Ihre größte Angst war, dass sich dein Hass auf Lisa richten könnte. Sie bietet dir dafür an sich um Schneider zu kümmern. Auch sie musste viel wegen ihm durchmachen und als sie gestern von Michael erfuhr, dass sie geopfert werden sollte, beschloss sie nun zu handeln. Also wirst du dich damit zufrieden geben, wenn mein Schatz sich um Schneider kümmert? Sie wird dich über alles auf dem Laufenden halten und du kannst dich immer noch an seinem Leiden ergötzen.“ Buchkammer sah Micha kurz streng an und richtete seinen Blick dann auf Chris. „Darf ich fragen was du geplant hast?“ Das war ihr Einsatz. „Wir werden Lisa gegen ihn aufbringen. Wir bringen sie dazu sich von ihm abzuwenden. Er wird ganz allein zurück bleiben, in dem Wissen, dass er den Menschen verloren hat, den er immer zu beschützen versuchte. Und er wird niemandem außer sich selbst die Schuld dafür geben können. Es wird ihn in die Verzweiflung treiben.“ Michael sah wie Buchkammer zu lächeln begann. Dieser Plan schien ihm zu gefallen. „Statt ihm das Liebste zu nehmen, sorgen wir also dafür, dass es ihn freiwillig verlässt. Die Idee gefällt mir. Und wie habt ihr vor das zu schaffen?“ Sie hatten es noch immer nicht geschafft einen richtigen Plan auszuarbeiten. „Um ehrlich zu sein, steht der Plan noch nicht. Wir wissen wie wir sie dazu bringen können, sich von ihrem Großvater abzuwenden, aber nicht wie wir ihr die nötigen Informationen zuspielen können, ohne das Schneider seine Wut auf jemand anderen richtet anstatt auf sich selbst. Aber wir finden sicher noch eine Lösung. Wenn es ganz hart auf hart kommt, schalten wir die Multi Group aus.“ Buchkammer nickte. „Schickt ihn einfach ins Gefängnis, er hat genug Dreck am stecken.“ Darüber hatten sie noch nicht nachgedacht. Micha sah Chris und Emma an und auch die Beiden schienen die Idee nicht ganz abwegig zu finden. „Wir werden es bedenken. Auf jeden Fall wird es noch eine Weile dauern, bis wir diesen Plan umsetzen können. Noch ist Lisa im Ausland und unser Plan nicht perfekt. Ich habe fast mein ganzes Leben im Haushalt der Schneiders verbracht, der Plan muss fehlerlos sein, sonst kommen wir damit nicht durch. Ich würde sie also darum bitten mir etwas Zeit zu gewähren.“ Buchkammer lehnte sich in seinem Sessel bequem zurück, er schien verstanden zu haben, dass ihm keine Gefahr durch die Stewards drohte wenn er keinen Fehler machte. „Das ist vollkommen in Ordnung für mich.“ Chris nickte. „Gut. Sagen wir von heute an drei Jahre. In dieser Zeit muss ich einen Plan entwickelt haben, der meinen Ansprüchen entspricht. Wenn ich es nicht schaffe, dann werde ich Lisa direkt kontaktieren ihr meine Geschichte erzählen. Sie wird ihren Großvater verstoßen und wir werden seine Firma vernichten und ihn und Simon ins Gefängnis werfen lassen. Das ist mir persönlich zu radikal und mir wäre es lieber, Lisa nicht ihr Erbe nehmen zu müssen. Aber ich verspreche es genau so zu machen, wenn ich in den drei Jahren keine bessere Lösung gefunden habe. Ist das akzeptabel?“ Buchkammer nickte. „Danke. Dann kommen wir nun zum nächsten Punkt. Ich werde selbstverständlich aus der Gang verschwinden müssen. Ich möchte, dass sie meinen Tod vortäuschen.“ Micha sah sie geschockt an, davon war nie die Rede gewesen. „Bevor wir dies tun können, brauche ich etwas Zeit. Ein Freund von mir wird alle Anschlüsse der Schneiders überwachen, dafür braucht er denke ich etwas Vorlaufzeit. Sobald er alles vorbeireitet hat, lassen sie mich sterben. Am besten unten im Keller vor den Augen vieler.“ Wieso tat Chris das? Was hatte sie vor? Auch sein Boss schien verwirrt, nur Emma sah ihre Tochter stolz an. Hatten sie schon wieder weiter gedacht, als normale Menschen es tun würden? Oder vielleicht war er auch einfach nicht so intelligent wie er immer dachte? „Dürfte ich fragen wieso das Alles nötig ist?“ Chris nickte. „Michael hat gestern den Verdacht geäußert, dass sich einer von Schneiders Männern unter uns befindet. So werden wir herausfinden wer es ist und gleichzeitig werde ich die Überwachung durch Simon oder seine Leute los.“ Buchkammer sah über seine Schulter hinweg Micha an. „Würdest du das bitte erklären?“ Micha nickte und setzte sich neben Chris um seinem Boss in die Augen sehen zu können. „Ich habe keine Beweise oder ähnliches, aber es lief zu einfach für Schneider. All die Informationen, die Sie über Chris haben waren falsch oder unvollständig. Es waren genau jene, die entdeckt werden sollten, doch wenn man sich nur ein bisschen mehr Mühe gegeben hätte unter die Oberfläche zu kommen, dann konnte man leicht erkennen, dass Chris mehr war, als in dieser Akte stand. Allein nur, dass Chris Ausbildung unter Dr. Steigwitz nicht aufgespürt wurde ist verwunderlich. Auch ihre Kampfsportausbildung wurde nicht offenbart. Dann war da noch die Sache mit der Bestechung des Labors, dass die Haaruntersuchung vorgenommen hatte. Woher wusste Simon welches Labor eingeschaltet wurde. Also entweder haben wir einen Maulwurf, der von Innen heraus alles so gelenkt hat, wie Schneider es haben wollte. Oder aber Ihre Männer haben schlampige Arbeit geleistet in dem sie nicht weiter nachgebohrt haben und Simon hat gute Spitzel in unserer Nähe postiert, die unsere Bewegungen beobachtet haben.“ Buchkammer nickte langsam und schien das Gesagte erstmal sacken zu lassen. „Ich versteh worauf du hinaus willst. Also lassen wir Chris sterben und finden so heraus ob es einen Maulwurf gibt und wenn ja wer es ist.“ Chris schien zufrieden. „Danke. Das bedeutet auch kein Wort zu Wagner oder zu einem der Chefs. Jeder ist erstmal verdächtig. Alle Berichte mussten immerhin durch ihre Hände. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass es einer dieser Männer ist, aber Vorsicht war bekanntlich besser als Nachsicht.“ Buchkammer stimmte ihr zu. „Gut. Dann kommen wir nun zum letzten Thema. Micha lässt du sie bitte herein?“ Micha nickte und öffnete seinen Freunden die Tür. Sie traten ein und setzten sich nach Aufforderung auf das Sofa. „Ich bin ja der Meinung, dass Sie nichts dafür können, dass sie von Schneider und mir getäuscht wurden und mich deswegen so oft verletzt haben. Aber meine Mutter ist da anderer Meinung und sie beharrt darauf, dass ich für meine Schmerzen entschädigt werden sollte. Da ich kein Interesse daran habe ihnen körperlich Schmerzen zuzufügen oder ihr Geschäft zu beeinflussen, würde ich sie bitten, mit diese drei Männer zu geben.“ Alle sahen sie geschockt an. Sogar ihre Mutter. Sie hatten geplant Micha, Tino und Dom frei zu kaufen. Wieso änderte sie Vorhaben? Auch Buchkammer schien nicht erfreut zu sein, er ballte die Hände zu Fäusten. „Das sind drei meiner besten Männer. Ich weiß nicht ob mein Geschäft ihren Verlust einfach verkraften würde.“ Chris lächelte ihn kalt an. Das schien sie von ihrer Mutter geerbt zu haben und Micha hatte so ein Lächeln noch nie an ihr gesehen. Doch es schien Wirkung zu haben, denn ihr Boss leckte sich nervös über die Lippen. „Das verstehe ich selbstverständlich. Immerhin war ich selbst Teil der Gang. Und genau deswegen denke ich, dass ich mit diesem Angebot meine Mutter beruhigen kann. Ich würde ihnen sogar noch etwas entgegenkommen und anbieten zwei Mal die Woche für das nächste Jahr Ihre vier Säulen und je einen ihrer Untergebenen zu trainieren, dass sollte die Lücke schnell schließen können. Dafür möchte ich von ihnen jedoch zusätzlich sämtlichen Besitz den sie von Sunny haben. Ich weiß, das sie nach ihrem Tod, die Wohnung ausgeräumt haben und alles eingelagert haben.“ Die Anspannung zwischen dem Boss und Chris war fast greifbar. „Einverstanden. Doch ich werde erzählen, dass sich die kleine Tochter von Emma in meinen Bodyguard verknallt hat und ich keine Wahl hatte, als ihn ihr zu übergeben. So sollten auch die anderen Jungs Ruhe geben, weil sie denken, dass Michael, Tino und Dominik Spielzeuge einer verzogenen reichen Lady geworden sind.“ Die Drei sahen Chris an und lächelten. „Dein Spielzeug werden, hört sich für mich gar nicht so schlimm an.“ Tino versuchte wohl die Stimmung für alle zu erleichtern, doch es blieb immer noch etwas Anspannung zurück. „Henrik, ich würde es begrüßen, wenn du einen Weg finden würdest die Sicherheit der Männer zu garantieren, ohne meine Tochter in einem schlechten Bild dastehen zu lassen.“ Buchkammer nickte sofort. Jetzt verstand Micha, wieso Chris darauf verzichtet hatte sie freizukaufen. Buchkammer hatte solche Angst vor Emma, dass er zwar den Harten spielte, jedoch jeder ihrer Forderungen nachgeben würde. Damit er es Chris nicht übel nahm, bot sie ihm deswegen auch an seine Männer zu trainieren. Schlau durchdacht. „Die Drei werden ab heute zu mir kommen. Genauer gesagt, werde ich sie direkt mitnehmen. Ich möchte nicht riskieren, dass ihnen doch noch etwas geschieht jetzt wo sie frei sind. Oder zumindest fast. Ich werde für Sie dann ab heute der Bodyguard sein. Meine Qualifikationen sprechen für mich und außerdem kann ich so Ihre Umgebung im Auge behalten, vielleicht fällt mir ja etwas auf. Jetzt wo ich es sage, wäre es wohl spektakulärer mich sterben zu lassen während ich meinen Boss beschütze.“ Da hatte sie recht. Viele würden es mitbekommen und es würde sich auch schnell herum sprechen. „Einverstanden. Dann solltet ihr jetzt alle gehen und Chris in der nächsten halben Stunde hier im Büro erscheinen. Ich werde schon mal Kreuzer bescheid geben, dass du ab jetzt für mich arbeitest. Trefft so schnell es geht eure Vorbereitungen für Chris Tod. Als mein Bodyguard ist das Leben gefährlich und ich möchte nicht, dass Chris jetzt stirbt und ich dafür verantwortlich gemacht werde.“ Die Rache der Mutter würde er wohl nicht überleben. „Ich werde sofort meinen Freund anrufen und alles vorbereiten lassen. In ein paar Tagen sollten wir das Alles hinter uns haben.“ Micha verließ mit Allen das Büro und atmete vor der Tür erstmal erleichtert aus, auch von Dom und Tino schien die Anspannung abzufallen. „Dann lasst uns mal fahren Männer. Ich werde euch unterwegs eure neuen Aufgaben erklären. Ihr werdet eure Wohnungen kündigen und ab sofort in unserem Gästehaus wohnen, so seid ihr immer auf Abruf bereit. Ich gebe euch eine Woche um eure Angelegenheiten zu klären, dann müsst ihr eingezogen sein und bereit für die Arbeit.“ Tino sah Chris Mutter verwirrt an, Micha gab ihm einen kleinen Stups um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Als er ihn ansah, blickte er einmal in die Runde. Er konnte nur hoffen, dass Tino verstand, dass Emma diese Show gerade nur für die Anwesende Gangmitglieder abzog. „Jetzt fahren wir erstmal in euer neues zu Hause und dann erkläre ich alles Weitere und zeige euch die Umgebung.“ Die Männer nickten und spielten so Emmas Spiel einfach mit. Unten angekommen fuhren Dom und Tino mit Emmas Wagen und Chris setzte sich zu Micha ins Auto. Dann fuhren sie alle zu Chris´ Elternhaus. Er war sprachlos als sie davor parkten. Das war kein Haus und auch keine Villa. Das war ein verdammtes Schloss. Anders würde er es nicht beschreiben können. „Kommt erstmal rein. Ich weiß, es ist ziemlich riesig. Vor einigen Generationen lebte die gesamte Familie Steward in diesem Gebäude. Doch mit dem Ausbau unseres Einflussgebietes wuchsen unsere Feinde. Nach und nach wurde unsere Familie immer kleiner, bis nur noch mein Onkel und meine Mutter blieben. Mein Onkel versuchte meine Mutter zu töten um an die Firma und das Vermögen zu kommen. Das Attentat schlug fehl und er wurde ins Gefängnis geworfen, er war damals erst 19 Jahre alt gewesen. Er wurde nach nicht mal einer Woche im Gefängnis erstochen und meine Mutter war allein. Sie sagte mir einmal, dass sie ihrem Bruder sein Verhalten nicht übel nahm. Ihre Mutter hatte sie immer mit liebe überschüttet und nur davon geredet, wie sie eines Tages ihre Geschäfte übernehmen würde. Ihr Sohn war ihr vollkommen egal gewesen, nur weil er nicht ihre Augen geerbt hatte und nicht die Fähigkeiten ihrer Tochter besaß. Ihr Bruder wäre deswegen wohl psychisch labil gewesen. Deswegen hat meine Mutter auch nur ein Kind bekommen. Sie hatte mir gesagt, dass es ihr egal war ob es nun ein Junge oder ein Mädchen geworden wäre. Sie wollte einfach nur verhindern, dass noch mal so eine Tragödie wie die mit ihrem Bruder passieren könnte. Ich fand das sinnlos. Alles was meine Mutter hätte tun müssen wäre alle ihre Kinder gleich zu behandeln und deren Stärken zu fördern. Auf jeden Fall ist das Anwesen und Gebäude deswegen so groß, weil es mal ganz viele Stewards gab, die alle hier lebten. Nun gibt es nur noch meine Tochter und mich. Und als ich dachte, dass ich auch meinen Schatz verloren hatte und sie vielleicht schon längst gestorben war, war ich davon überzeugt, das die Stewards mit meinem Tod enden würden.“ Dadurch würden ihre erstaunlichen Augen verloren gehen. Es wäre eine Schande. Zum Glück ging es Chris gut und sie würde… Da brach er seinen eigenen Gedanken ab. Sollte Chris nie über Ric hinweg kommen, würde sie auch keine Kinder bekommen und mit ihrer Generation würden diese wunderschönen Augen verschwinden. „Hey Kon. Ich würde dich gerne um einen Gefallen bitten. Könntest du heute Abend bitte zu der Adresse kommen, zu der du schon den Umschlag mit den Informationen gebracht hattest? Ich bräuchte deine Unterstützung.“ Micha hatte gar nicht mitbekommen, wie sie ins Haus gegangen waren und sich gesetzt hatten und wie Chris nach ihrem Telefon gegriffen hatte. „Ja das ist in Ordnung. Ich weiß noch nicht wann ich heute mit Arbeit fertig werde, aber klingle einfach. Micha wird dir aufmachen.“ Sie hörte ihm am anderen Ende der Leitung zu. „Ich bin ja gerade dabei den Job zum Abschluss zu bringen. Deswegen brauche ich ja deine Hilfe. Umso schneller du deine Arbeit erledigst, desto schneller kann ich endlich untertauchen. Ich erkläre dir heute Abend was der Plan ist. Und wenn ich noch nicht da bin, dann lass dir bitte alles von Micha erklären. Im vergangenen Jahr ist einiges passiert und vieles hat sich geändert. Warte auf jeden Fall bis ich wieder da bin, dann können wir ein bisschen Zeit miteinander verbringen.“ Sie schien sich zu freuen ihren alten Freund endlich wieder sehen zu können. „Gut dann sehen wir uns heute Abend. Und Kon? Danke, dass du mir hilfst und immer da bist wenn ich dich brauche.“ Dann legte sie einfach auf. Micha ging zu ihr und nahm sie in den Arm. „Ich habe euch alle gar nicht verdient. Ihr tut so viel für mich und ich kann euch absolut nichts zurück geben.“ Er hielt sie in den Armen und beruhigte sie. Er kannte diese Ausbrüche, sie hatte sie seit sie erfahren hatte, dass Ric mit Lisa zusammen am anderen Ende der Welt lebte. Als hätte sie dadurch ihr ganzes Selbstvertrauen verloren und auch ihr Selbstwertgefühl. Micha hatte mittlerweile eine so starke unterdrückte Wut in sich, dass er nicht wusste, was er machen wird, wenn er Ric wieder sieht. Sie löste sich aus seine Umarmung schnappte sich ihre Tasche und ging mit ihrer Mutter mit. Sie musste sich wieder in Chris den Jungen verwandeln und zurück zum Boss. Nur noch ein paar Tage und es ist alles vorbei.



Kapitel 36


Kon hatte nur zwei Tage gebraucht um alle technischen Geräte die sich im Besitz von Richard Schneider oder Simon Kleintke befanden zu infiltrieren. Er hörte was sie hörten und las was sie lasen. Alles war mit mehreren Rechnern verbunden, die alles aufzeichneten, so würden sie nichts verpassen und konnten den Beweis zu Buchkammer bringen. Heute würde Chris ihren Tod vortäuschen. Sie hatten es sich anders überlegt und beschlossen, dass sie den Angriff in die Tiefgarage legen würden, dort würden die Kameras kurz vorher ausfallen und Tino würde sie vermummt angreifen und tödlich am Bauch verletzen. Sie hatte drei Liter Blut an ihrem Bauch befestigt, das sollte genug sein um die Leute davon zu überzeugen, dass sie tödlich verletzt wurde. Der Chef würde sie von niemandem anfassen lassen um keine Beweise auf Chris zu hinterlassen und würde Paps anrufen. Dieser ist natürlich in alles eingeweiht und kommt schnell nur um dann ihren Tod festzustellen. Tino hatte sich bis dahin schon über alle Berge gemacht. Chris betrat das Büro ihres Bosses und sah, dass alle Chefs anwesend waren. „Ich möchte jetzt ganz genau erklärt bekommen, wieso du drei unserer besten Männer einfach so weggegeben hast. Gerade Michael war für uns unverzichtbar.“ Die Chefs verlangten eine Erklärung und der Boss hatte keine Ahnung was er ihnen sagen sollte, sodass sie es verstanden. Sie griff unauffällig nach ihrem Telefon und tippte ihrer Mutter eine Nachricht. Bedanken bei Boss für Micha Dom Tino. Jetzt anrufen. Tochter braucht besten Bodyguards. Würdest dich erkenntlich zeigen. Gleich darauf klingelte das Telefon und Chris nahm ab. „Büro von Henrik Buchkammer, wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Wagner war noch immer unterwegs und Chris deswegen für solche Sachen wie Telefondienst zuständig. Er hatte auch die letzten Tage sein Büro nicht verlassen. Chris vermutete, dass er Angst davor hatte, dass ihr etwas passieren könnte und ihre Mutter ihn dafür verantwortlich machen würde. „Boss, es ist Miss Steward. Soll ich den Lautsprecher anschalten?“ Sie sah ihrem Boss fest in die Augen und dieser nickte. Chris stellte auf laut und trat einen Schritt zurück. „Guten Morgen Emma. Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?“ Sehr gut. „Guten Morgen Henrik. Ich rufe nur an um mich für dein Entgegenkommen zu bedanken. Emilie hatte große Probleme mit all den Bodyguards die ich ihr zu Seite stellen wollte. Sie ist nun mal auf der Straße aufgewachsen und sagt sie könne sich nicht entspannen wenn sie das Gefühl habe verfolgt zu werden. Mit Michael, Dominik und Tino hat sie jedoch keine Probleme, in ihnen sieht sie durch ihr Verhalten eher Freunde mir denen sie unterwegs ist, als Leibwächter. Ich könnte es nicht ertragen sie ein weiteres Mal zu verlieren. Du hast etwas gut bei mir und wie abgemacht, wenn sich die Lage etwas beruhigt hat und Emilie sich eingewöhnt hat, schicke ich sie zu dir und sie wird deine Männer ausbilden.“ Die Chefs sahen sich alle Stirn runzelnd an. Bis jetzt hatte ihr Boss sie hingehalten, bis sie eine gute Lösung gefunden hatten. Emma sich selbst erklären zu lassen war Chris in diesem Moment in den Kopf geschossen und jetzt musste Buchkammer nur noch mitspielen. „Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken. Aber sollte ich jemals deine Hilfe benötigen, dann komme ich gerne auf dein Angebot zurück. Was das Training meiner Männer angeht, hat das keine Eile. Emilie soll sich erst mal in Ruhe an alles gewöhnen und du meldest dich einfach bei mir wenn sie bereit ist.“ Die Chefs sahen noch immer verwirrt aus, doch auch nicht mehr so schlecht gelaunt wie zuvor. „Ich danke dir. Dann werde ich mich melden, wenn Emilie bereit ist. Ich wünsche dir noch einen guten Tag.“ Nach dem der Boss den Abschied erwiderte legten sie auf und die Chefs sahen ihren Boss wartend an. „Wie schon gesagt, ich konnte Emma diesen Gefallen nicht abschlagen. Es ging hier um ihre Tochter die sie seit über einem Jahrzehnt vermisste und suchte. Jetzt hatte sie sie endlich wiedergefunden und wollte meine Männer haben um für ihren Schutz zu sorgen, wie hätte ich da nein sagen können. Wer weiß was sie mit mir oder der Gang getan hätte, wenn ihrer Tochter dann etwas widerfahren wäre. Außerdem hatte Emilie selbst mir angeboten dafür euch vier und je einen euren Untergebenen zu trainieren um diese Lücke so schnell es ginge zu schließen. Sie beherrschte zehn Kampfsportarten und als ich Chris zu ihr schickte um sie einzuschätzen, sagte er mir, dass sie ihn im Kampf wohl besiegen würde.“ Alle sahen nun sie an. „Ich kenne Emilie schon seit ihrer Kindheit. Sie ist immer zu uns ins Krankhaus gekommen wenn sie verletzt war. Dr. Steigwitz behandelt alle Straßenkinder kostenlos, so habe ich sie kennengelernt. Wir haben uns schnell angefreundet und oft Übungskämpfe gegeneinander gehabt. Im Unbewaffneten Kampf ist sie mir definitiv überlegen. Sie ist schneller als ich, auch wenn sie weniger Kraft hat. Ihr Traum war es immer Ärztin zu werden, deswegen eignete sie sich nach und nach Wissen an und ich unterrichtete sie oft. Deswegen sollte sie im Messerkampf fast mein Niveau erreicht haben, wenn auch nicht ganz.“ Alle sahen sie erstaunt an. Auch der Boss, dabei sollte dieser wissen, dass Chris sich diese Geschichte gerade aus den Fingern gesaugt hatte. Über sich selbst in der dritten Person zu reden war ein komisches Gefühl. „Du sagst also, dass sie uns allen noch etwas bebringen kann?“ Frisch stellt diese Frage. „Sie wird Ihnen allen noch eine ganze Menge beibringen können. Was ich vielleicht erwähnen sollte, suchen Sie Ihre Männer weise aus und bereiten Sie sie darauf vor von einer Frau trainiert zu werden. Emilie hasst nichts mehr, als von Männern die schwächer als sie sind unterschätzt zu werden. Es könnte passieren, dass Ihre Männer schwer verletzt werden wenn sie sich nicht zu benehmen wissen. Sie mag jetzt zu einer guten Familie gehören, aber sie ist auf der Straße aufgewachsen, dass sollten Sie nie vergessen.“ Kreuzer wollte noch mehr wissen. „Kannst du uns sagen, wie wir am besten die Männer aussuchen sollen, die von ihr trainiert werden sollen? Und wenn es eine solche Frau wirklich in den Leipzier Straßen gab, wie kommt es, dass wir nie etwas davon gehört haben?“ Wie kam sie da jetzt wieder raus? Natürlich, eine solch gute Kämpferin würde auffallen und es würde Gerüchte geben. „Wenn Sie wollen, rufen Sie die Männer die für Sie in Frage kommen jetzt in die Trainingshalle und ich schaue sie mir an. Auf die andere Frage war die Antwort recht einfach, sie werden es verstehen wenn sie Emilie sehen. Sie ist eine wahre Schönheit. Sie kämpfte nicht zum Spaß oder um Geld zu machen, sondern nur um sich selbst zu verteidigen. Welcher Mann würde schon davon erzählen, wie er versucht hat sich an einer Frau zu vergreifen und diese ihn dann vollkommen zerlegt hat? Keiner. Deswegen gab es niemanden in der Stadt, der von ihr redete.“ Alle Chefs hatten bei ihrem ersten Satz die Telefone zur Hand genommen und Nachrichten verschickt, „In einer halben Stunde sind alle hier. Boss ist es in Ordnung wenn wir uns Chris dann kurz ausleihen? Dein nächsten Termin ist erst in zwei Stunden.“ Der Boss sah Chris kurz grimmig an und nickte dann. Ihm war es wohl nicht recht, dass Chris sich jetzt sogar selbst ihre Schüler aussuchte. Doch viele der Männer in dieser Gang waren hoffnungslose Fälle, da würde auch alles Training der Welt, die Lücke nicht schließen, die ihre drei Männer hinterlassen haben. Eine halbe Stunde später ging Chris mit den Chefs runter in den Trainingsraum und sah sich die Männer genau an. Alle die sie hasserfüllt ansahen, schloss sie automatisch aus. „Du, du, du, du, du, du, du und du“ Sie zeigte dabei auf die Männer. „Ihr könnte wieder gehen.“ Frisch sah sie erstaunt an. „Woran hast du das jetzt festgemacht?“ Chris sah ihn an. „Was haben Sie alle geschrieben warum die Männer herkommen sollten?“ Die Männer hatten sich noch keinen Millimeter bewegt. „Das sie zur Trainingshalle kommen sollten. Und dass dann ihre Fähigkeiten getestet werden würden.“ Sie nickte. „Diese Männer haben mich seit dem Moment in dem ich den Raum betreten habe, feindselig und geringschätzig angesehen. Ich habe sie noch nie gesehen, sie werden also nicht zu Schröders oder Kreuzers Leuten gehören. Sie haben also keine Ahnung wer ich bin. Wenn sie mich aufgrund meiner Körpergröße schon so ansehen, wie denken Sie werden sie reagieren, wenn eine Frau vor ihnen steht die sie trainieren will? Sie würden diesen Raum nicht leben verlassen.“ Frisch nickte und befahl den Männern zu gehen. Es war noch immer eine ganze Menge. Von Kreuzer und Schröder kannte sie die Männer und die die sie gerne trainiert hätte waren auch anwesend, dass machte die Sache einfacher. „Rafael und Max sollten bleiben. Der Rest von Schröders und Kreuzers Männern kann gehen.“ Schröder mischte sich ein. „Wieso diese beiden. Ich habe bessere Kämpfer als Max in meiner Gruppe und es gibt auch bessere bei Kreuzer.“ Chris sah ihn unverwandt an, sie musste nicht mehr so viel Wert darauf legen, wie sie sich gab, Chris würde heute sterben und es würde nur noch Emilie geben. „Zum einen, weil sie Emilie nicht nerven werden, da sie einen ruhigen Charakter haben. Zum Anderen, weil sie noch sehr viel Luft nach oben haben. Außerdem stimmt es nicht, dass die Beiden schwächer sind als der Rest. Das waren sie vielleicht vor zwei Jahren, doch sie haben mich oft zum Training begleitet und sich Tipps von mir geben lassen. Sie nutzten mein Wissen und Können zu ihrem Vorteil. Es ist nicht so, dass sie mich leiden können und gerne Zeit mit mir verbrachten, doch sie haben mich auch nicht aufgrund meines Könnens gehasst. Sie waren intelligent genug meine Stärke zu ihrem Vorteil zu nutzen. Jetzt sind sie von allen hier anwesenden definitiv die besten Kämpfer. Sie haben sich in den zwei Jahren mit meinen Tipps so sehr verbessert, dass ich mir gut vorstellen kann wie viel besser sie werden, wenn sie richtig unterrichtet werden.“ Kreuzer und Schröder sahen ihre Männer verwundert an. „Außer den Beiden kam nie jemand zu dir um von dir trainiert zu werden?“ Chris schüttelte den Kopf. „Nein. Zumindest wenn man Micha, Tino und Dom nicht mitzählte, aber die Drei habe ich auch direkt trainiert, so konnten sie ihre Leistung in der Zeit die ich hier bin fast verdoppeln. Wir sollten weiter machen. Ich wäre auf jeden Fall für Max und Rafael, ob Sie sie nehmen ist natürlich Ihnen überlassen. Bei den anderen Beiden Gruppen sehe ich zwar wer der Stärkste ist, aber ich kenne sie nicht und sie mich auch nicht.“ Chris ging durch die Reihen und sah sich die Männer genauer an. Es war eher ein Test um zu sehen wie sie auf sie reagieren würden. Vor einem bleib sie stehen. „Wieso mache ich dich nervös?“ Alle sahen ihn nun an. „Als du auf mich zukamst, hatte ich das Gefühl, ein Raubtier würde auf mich zukommen. Keine Ahnung wieso.“ Er hatte gute Instinkte. So was konnte über Leben und Tod entscheiden. Wenn sie das richtig ausarbeiten würde, könnte sie gut mit ihm arbeiten. „Dein Name und zu wem gehörst du?“ Er leckte sich die Lippen, war er vielleicht einfach nur ein Angsthase? „Hans Schlüter und ich gehöre zu Frisch.“ Chris sah Frisch an und dieser nickte. „Gut. Wir werden einen Testkampf haben. Ich möchte wissen, ob du einfach nur gute Instinkte hast und deswegen weißt, dass ich stärker bin als du. Oder du einfach nur ein Feigling bist.“ Er nickte und alle machten Platz. Der Kampf dauerte nicht lang, doch er war definitiv kein Memme. Er hatte Chris furchtlos angegriffen, es gab kein Zögern in seinen Bewegungen. „Gut du bist weiter. Jetzt fehlt nur noch einer aus Vogels Bereich.“ Sie sah sich die verbliebenen Männer wieder genau an. Ein Mann stach durch seine Punktezahl von 31 heraus, doch etwas in seinen Augen, sagte Chris, dass sie ihn nicht wählen durfte. Doch die Anderen waren nicht wirklich berauschend, keiner über zehn Punkten. Andererseits hatten Dom und Tino als sie sie kennenlernte auch nur fünf Punkte erreicht und nun waren sie bei rund 40. Doch sie hatte nur ein Jahr und sie musste ihr Versprechen halten. Sie musste Buchkammer Männer liefern die so gut wie ihre Männer waren. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Vogel sah mächtig angepisst aus. „Es tut mir furchtbar leid. Ich war mit meinem Bike unterwegs und habe die Nachricht erst zu spät gelesen. Ist es schon vorbei?“ Chris musste sich ein Grinsen verkneifen, als alle vier Chefs aufstöhnten. „Nein es ist noch nicht vorbei. Stell dich bitte einfach zu den Anderen und halt den Mund.“ Na aber Hallo, da hatte sie doch ihren letzte Kandidaten. Er war nicht ganz so gut wie der Typ mit dem bösen Blick, aber er hatte Potential. Außerdem hatte er freundliche Augen und ein herzliches Lächeln. Chris achtete genau auf jede seiner Bewegungen, doch sie konnte nichts erkennen was darauf schließen ließ, dass er diese Frohnatur nur spielte. „Vogel, wäre unser Nachzügler für Sie in Ordnung?“ Vogel zog die Augenbrauen hoch? „Wieso ausgerechnet er?“ Wieso wunderte er sich so? Er hatte ihn doch selbst hier her gerufen. „Weil Emilie mit ihm keine Probleme haben wird und er ein guten Kämpfer ist.“ Alle sahen sie geschockt an. Sogar dieser Typ sah sie nun finster an. Chris ging auf ihn zu und boxte ihn, doch so einen Schlag blockte er mir Leichtigkeit ab. Chris kämpfte nicht mit voller Kraft, sie wollte nur einschätzen wie gut er war, was er konnte und sie wollte, dass die Chefs sahen was er konnte. So müsste sie nichts erklären. Sie verteilte weiter Schläge und Tritte, dabei steigerte sie langsam ihre Geschwindigkeit und Kraft. Nach fünf Minuten gab der Kerl auf. „Da nun geklärt ist, dass er ein Kämpfer ist, spricht noch etwas anderes gegen ihn oder für jemand Anderen?“ Vogel sah einen seiner Männer an. Chris verfolgte den Blick. „Gut komm her. Ich werde bei dir allerdings nicht langsam anfangen. Dafür werde ich nur meinen rechten Arm und linkes Bein benutzen.“ Er kam auf sie zu und er begann den Kampf. Nach dem ersten Schlag wusste sie nun, wieso dieser Typ ihr sofort unsympathisch gewesen war. Er war einer der Männer die sie immer im Keller besucht hatten. Was hatte er nur für ein Problem mit ihr? Oder war er einfach nur ein Sadist und geilte sich daran auf wehrlose Menschen zu quälen? Sie wollte nicht länger mit ihm kämpfen, denn sie war sich nicht sicher ob sie sich unter Kontrolle hätte, wenn sie ihn ein paar Mal erwischen würde. Also boxte sie ihm hart auf den Solarplexus und er sackte in sich zusammen und landete hart auf der Matte. Er konnte von Glück reden, dass der gesamte Trainingsraum mit diesen ausgelegt war. Chris drehte sich zu ihren Chefs um. „Ich bitte um Verzeihung, aber Emilie würde ihn umbringen. Man sieht seine sadistischen Absichten in seinen Augen.“ Alle sahen auf den Mann am Boden. „Musstest du ihn deswegen gleich k.o. schlagen?“ Vogel hatte recht, sie hätte das nicht tun sollen. Zum Glück war sie bald weg. „Verzeihung, aber als ich bemerkte wen ich da vor mir hatte, hatte ich mich für einen kurzen Moment nicht mehr unter Kontrolle. Obwohl ich denke, dass es ganz nett war ihn mit einem Schlag umzuhauen. Hätten wir den Kampf fortgesetzt hätte ich ihn wahrscheinlich schwer verletzt.“ Vogel legte den Kopf schief. „Ich hatte gedacht du kennst ihn nicht?“ Sollte sie zugeben wer der Typ für sie war? „Ich kenne ihn auch nicht. Aber ich hang nun schon so oft unten im Keller. Und drei Leute waren immer da, wenn ich bestraft wurde. Das war der Boss, Thomas, der unter Kreuzer arbeitet und der seinen Posten in der Billardhalle verloren hatte als ich zur Gang kam. Und ein Typ den ich nirgendwo zuordnen konnte. Zumindest bis er gerade seinen ersten Schlag setzte, da wusste ich sofort wen ich vor mir habe. Die Augenbinde war bei mir schon immer sinnlos gewesen. Ich habe immer gewusst wer sich mit mir im Raum befand. Und auch wenn ich ihn nicht kannte, würde ich ihn sofort erkennen sobald ich ihn kämpfen sehen würde, genau wie diesen Typen hier. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Fakt ist, dass es für die Gang nicht sinnvoll wäre jemanden auszubilden, der so sadistisch veranlagt war wie dieser Typ. Ich bin immer noch für die Frohnatur.“ Vogel sah den Mann zweifelnd an. „Paul du wirst bald Extratraining erhalten. Ich würde dich bitten, dass ernst zu nehmen und immer pünktlich zu erscheinen.“ Was war nur los? Wieso redete Vogel mit ihm als würde er ihn um einen Gefallen bitte und ihm nichts befehlen? „Okay. Schreib mir einfach wenn es losgeht. Ich mach mich jetzt auf den Weg. Ich bin noch verabredet.“ Was war das nur für ein Kerl?

Chris begab sich mit ihrem Boss hinunter zur Tiefgarage. Endlich war es so weit. Chris sah auf ihre Uhr. „Wir haben noch zwei Minuten, dann werden die Kameras ausgeschaltet.“ Ihr Boss ruckte mit dem Kopf. „Verstanden.“ Er war zu angespannt, dabei sollte man meinen, dass so eine Aktion ein Leichtes für ihn war. „Entspannen Sie sich etwas. Alles muss natürlich wirken. Vergessen Sie nicht, Sie wollen nicht dass ich hier sterbe. Sie werden ihre Hände auf meine Wunde drücken und Dr. Steigwitz benachrichtigen. Wenn er da ist wird er meinen Tod bestätigen und Sie werden außer sich vor Wut sein. Sie wollten es sein der mich quält und später perfekt inszeniert vor Schneiders Augen umbringt. Sie rufen die Chefs zusammen und sagen ihnen was passiert war und dass sie nach dem Mann der mich erstochen hat suchen sollen. Da die Kameras aus sind und es einen toten Winkel an der Ecke des Gebäudes gibt, werden sie keine Hinweise auf den Täter finden.“ Micha und Dom werden dort auf Tino warten und dann zusammen mit ihm ins Hauptgebäude gehen um ihre restlichen Sachen aus ihren Spinds zu holen. Niemand wird einen von ihnen verdächtigen und der Täter einfach verschollen bleiben. Jetzt musste nur noch alles so funktionieren wie geplant. Wenn nicht waren sie am Arsch. Chris öffnete die Tür zur Tiefgarage, ging mit dem Boss zu seinem Wagen und dann kam auch schon Tino und stach sie nieder. Sie ließ sich fallen, Tino flüchtete und der Boss tat alles genau so wie abgesprochen. Der schwierigste Teil war über längere Zeit bewegungslos da zu liegen, doch so wie es aussah glaubten die Umstehenden, dass Chris wirklich tot war. Ihr Paps nahm sie mit ins Krankenhaus und erst als sie im Gebäude im Keller wo der Autopsieraum war angekommen waren, bewegte sich Chris wieder. „Danke Paps.“ Sie umarmte ihn und nahm dann die Tasche entgegen die er ihr hinhielt. Darin waren alle Dinge enthalten die sie brauchte um zur Frau zu werden. Heute war Chris Kleintke gestorben. Die die an seine Stelle tritt wird Emilie Steward sein und dafür muss sie auch wie eine Frau aussehen. Sie zog sich schnell um und ging zurück zu ihrem Paps. „Bald müssten auch die Jungs eintreffen und einen Riesen Wirbel veranstalten. Tut mir leid, dass wir dich da mit reinziehen und auch noch für Unruhe in deinem Krankenhaus sorgen.“ Er sah sie liebevoll an und auch ein wenig tadelnd an. „Ich mache das gern für dich. Schon seit Jahren will ich dir helfen endlich aus deinem persönlichen Gefängnis auszubrechen und nun habe ich endlich die Gelegenheit dazu. Du glaubst gar nicht wie glücklich ich darüber bin.“ Sie hatte wirklich die besten Menschen die es gab an ihrer Seite, sie konnte sich glücklich schätzen. Paps benutzte die Augentropfen um seine Augen zu röten und zum tränen zu bringen und ging mit ihr durch die Tür. Emilie tat so als würde sie ihn trösten und dann kamen auch schon Micha, Dom und Tino durch die Tür gestürmt. Als sie Dr. Steigwitz so aufgelöst fanden, kamen sie langsam auf ihn zu. Sie hatten alle Drei nasse Augen und sahen Paps an, dieser schüttelte den Kopf und Micha schlug mit der Faust gegen die Wand. Tino trat einen Mülleimer um und Dom ging zu Paps und legte ihm die Hand auf die Schulter während ihm unaufhörlich die Tränen übers Gesicht liefen. Micha sackte zusammen und setzte sich an die Wand, er versteckte sein Gesicht in den Händen. Tino sah sie alle noch mal an und rannte dann aus dem Gebäude, er würde raus in den Park gehen und dort so tun als würde er seinen Schmerz und Frust rauslassen. Chris war sich sicher gewesen, dass ihre Männer von einem der Gangmitglieder beobachtet wurden um den Tod von Chris Kleintke noch einmal bestätigt zu bekommen. Das war einfacher, als zu versuchen selbst etwas aus dem Arzt heraus zu bekommen, der der Gang wohl die Schuld am Tod seines Zöglings geben würde. Emilie entdeckte zwei Männer, die kurz nach den Dreien das Krankenhaus betreten hatten und ganz eindeutig nur wegen ihnen hier waren. Sie sahen sich die ganze Szene an und gingen dann wieder. Sie sind wohl zum Entschluss gekommen, dass dieser Ausbruch der Männer Bestätigung genug war und so hatten sie es auch geplant. „Gut die Männer sind weg. Lasst uns jetzt nach oben gehen, ich möchte den Eingriff so schnell es geht hinter mich bringen.“ Dom zog Micha auf die Beine und schrieb Tino eine Nachricht, dann gingen sie alle zusammen nach oben. „Chris du weißt ja was jetzt auf dich zukommt. Du wolltest keine Narkose, also musst du mit einer örtlichen Betäubung vorlieb nehmen. Je nach dem wie schlimm die Vernarbungen sind wird es zwischen einer halben Stunde und einer Stunde dauern. Danach darfst du 24 Stunden nicht reden. Und ihr Jungs sorgt dafür, dass sie sich auch daran hält.“ Er sah sie streng an. „Ja, machen wir.“ Dann kam Tino ins Zimmer und lächelte alle an. „Sie sind mir noch mal in den Park gefolgt, aber gegangen, als sie sahen, dass ich auf einen Baum einschlug.“ Dieser Idiot, er hatte es zwar dadurch gut geschauspielert, aber seine gesamte Hand war nun blutig. „Paps, du musst ab jetzt darauf achten mich Emilie zu nennen. Chris ist heute gestorben, es könnte Fragen aufwerfen, wenn du Emilie Steward mit Chris ansprichst. Ihr Jungs müsst auch darauf aufpassen. Und du Tino setzt dich hin und lässt von Micha deine Hand versorgen. Wir fangen an und sollte es so schlimm sein, dass du die Hilfe eines Arztes brauchst, kann Paps kurz unterbrechen.“ Micha nickte, legte jedoch den Kopf schief als Paps begann Geräte auszupacken. „Wieso macht ihr so was eigentlich hier im Zimmer und nicht in einem OP? Wäre es dort nicht besser?“ Bei der Frage kam Gerlinde ins Zimmer gehuscht. „Natürlich wäre es in einem OP besser, aber es würde zu sehr auffallen wenn der Chefarzt und die Oberschwester allein in einem OP verschwinden würden. Die Menschen sind neugierig und wir müssen Chris Stimmveränderung unter allen Umständen geheim halten. Deswegen machen wir es hier im VIP Room. Alle wissen, dass nur die zuständige Stationsschwester dieses Zimmer betreten darf um die Privatsphäre unseres besonderen Patienten zu gewährleisten. Auch ist es keine Seltenheit, dass der Chefarzt mit den VIP´s einige Zeit verbringt. Und da wir es bei diesem Eingriff nicht mit einer offenen Wunde zu tun haben, ist eine vollkommen sterile Umgebung auch nicht unbedingt erforderlich.“ Emilie begann zu lachen. „Da habt ihr es gehört Jungs. Schön dich wieder zu sehen Gerlinde. Achte bitte darauf, dass ich nicht mehr Chris sondern Emilie bin.“ Diese nickte und zog sich Handschuhe über. Jetzt wurde Emilie etwas nervös, nicht wegen dem Eingriff, aber wegen der Betäubung die sie gleich bekommen würde. Sie hasste das Gefühl wenn ihr Rachen, Mund und Hals taub waren. Oder besser gesagt, wenn die Betäubung langsam begann aufzuhören, man hatte keine Kontrolle über die Zunge und sie lag wie ein dicker Fremdkörper im Mund. Es war eklig, aber immer noch besser als das Gefühl aus der Narkose zu erwachen. Dieses halbwach sein und der Verlust über die Kontrolle ihres Körpers war für Chris der Horror. Dann begann es, Tino zischte ein paar mal neben ihr, doch sie blieb ruhig liegen und krallte sich an den Armlehnen ihrer Liege fest. Es war wirklich unangenehm. Nach einer knappen dreiviertel Stunde, hatte sie es geschafft und konnte endlich aufatmen. Sie ließ sich Stift und Papier geben und schrieb DANKE darauf und zeigte es allen. Nun mussten sie wieder nach Hause, Paps wollte zwar, dass sie noch die Nacht im Krankenhaus blieb, aber sie mussten alle zurück zu Marco. Er hatte sich sofort in die Herzen aller geschlichen und er schien auch glücklich bei ihnen. Doch immer wenn sie das Haus verließen, bekam er Tränen in den Augen. Er hatte Angst dass sie nicht wieder zurück kommen würde, so wie seine Mutter immer wieder gehen musste und dann eines Tages gar nicht mehr kam. Deswegen mussten sie so schnell es ging zurück zu ihm. Mit der Zeit würde er sich daran gewöhnt haben, dass auch wenn sie gingen sie immer wieder kamen.



Kapitel 37


Ric war gerade dabei für eine seiner Prüfungen zu lernen, als Lisa wohl mit ihrem Großvater telefonierte. Er hatte sich mittlerweile gut mit Lisa eingelebt und sie verstanden sich nun auch besser. Sie hatte endlich eingesehen, dass Ric sich nie in sie verlieben würde und ihn aufgegeben. Nun war sie irgendwie seine beste Freundin. Wenn er Chris zu sehr vermisste oder sie ihn zu sehr vermisste, gaben sie sich gegenseitig Halt und Trost. Sie waren Leidensgenossen. Ric hatte durch Lisa viel von Chris Vergangenheit erfahren und fühlte sich ihm dadurch noch immer verbunden auch wenn sie derzeit getrennt waren. Vor einem halben Jahre hatte Lisa seinen Bruder kennen gelernt und sich in ihn verliebt. Daniel war seit dem Tod von Isa nur noch ein Wrack gewesen und war deswegen nach Amerika gegangen. Er wollte einfach alles hinter sich lassen, all seine Erinnerungen. Doch trotzdem hatte er es nicht geschafft wieder auf die Beine zu kommen. Nun langsam und mit Lisas Hilfe schaffte er es wieder. Sie war für ihn wohl so was wie Chris für Ricardo. Sie war sein Licht. Seit drei Monaten waren sie nun ein Paar, doch Ric würde seinem Bruder noch beichten müssen, wieso es nicht einfach mit ihrer Beziehung werden würde, wenn sie erst mal zurück in Deutschland waren. Als Ricardo damals mit Chris den Plan machte, seinem Großvater von Schneiders Spionage zu berichten, hatten sie nur im Kopf gehabt, dass Ric so auf keinen Fall Lisa würde heiraten müssen. Doch nun könnte diese Aktion für Daniel einen Nachteil bedeuten. Dafür musste er sich noch etwas überlegen. Doch jetzt sollten sie erstmal ihre unbeschwerte Zeit genießen. Lisa ließ neben ihm das Telefon fallen und brach zusammen. Sie schluchzte und er sprang sofort auf und hob sie auf und brachte sie zum Sofa. Sofort rief er seinen Bruder an und sagte er solle so schnell es ging zu ihnen kommen. Als er aufgelegt hatte, nahm er Lisa fester in den Arm und versuchte sie zu beruhigen. Er hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Sein Magen krampfte sich zusammen. Irgendwas Schlimmes war geschehen. „Lisa, alles wird gut. Sag mir was passiert ist und ich helfe dir eine Lösung zu finden.“ Sie schüttelte den Kopf. „Dafür gibt es keine Lösung. Chris ist“ sie schluchzte wieder und es schien nicht aufhören zu wollen. Was war mit Chris passiert? „Lisa, bitte rede mit mir. Was ist mit Chris passiert? Sag es mir!“ Er bekam Panik. Er wusste, dass der Job den Chris zu erledigen hatte gefährlich war, doch diesen Fakt hatte er immer gekonnt verdrängt. Die Tür wurde aufgerissen und sein Bruder kam herein gerannt und begab sich sofort zu seiner Freundin. „Chris ist, er ist vor zwei Wochen niedergestochen worden. Und, und er, er hat es nicht überlebt.“ Ric hörte nur noch das Blut in seinen Ohren rauschen. Das konnte nicht sein. Er durfte ihn nicht verloren haben. Sie hatten sich ein Versprechen gegeben. Er stand auf ging in sein Zimmer und schaltete seine Anlage an. Sofort dröhnte There you´ll be durch sein Zimmer. Der Text passte gut, wie jeder ihrer drei Lieder. Dann sackte er zusammen und heulte.



Nicht wirklich männlich, aber er hatte das Gefühl zu ersticken, wenn er diese Gefühle nicht irgendwie zum Ausdruck brachte. Das konnte einfach nicht sein. Chris musste leben. Sie würden sich wiedersehen, dass hatte er Ric selbst gesagt. Sie würden sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen und glücklich werden. Chris musste doch noch lernen wie sich Freiheit anfühlte. Er hatte sein ganzes Leben so hart auf diesen Moment hingearbeitet. Das durfte man ihm nicht nehmen. Er hatte es mehr als jeder Andere verdient glücklich zu sein. Und was war mit ihm? Wie konnte Chris ihn hier einfach so zurück lassen? Das war nicht fair. Endlich hatte er seinen besonderen Menschen gefunden. Und das alles nur um ihn dann wieder zu verlieren? Er hatte noch nicht genug Zeit mit Chris gehabt. Es gab noch so viel was er ihm sagen und zeigen wollte. Es war alles Schneiders Schuld. Er hatte Chris zu diesem Leben gezwungen und ihm alles genommen und jetzt sogar sein Leben. Ric griff nach seinem Telefon und rief seinen Vater an. „Hallo Vater. Ich muss dich um etwas bitten. Finde alles über einen Chris Kleintke heraus was du finden kannst. Vor allem, was er in den letzten Jahren für eine Aufgabe hatte. Wenn du das hast, schick mir bitte die Unterlagen. Und dann möchte ich, dass du die Multi Group vernichtest. Ich tue alles, was du von mir verlangst, aber Schneider darf nicht mehr auf die Beine kommen. Er soll alles verlieren was er hat.“ Am anderen Ende der Leitung war es eine Weile Still und dann meldete sich sein Großvater. „Hallo Ricardo. Ich kenne diesen Chris Kleintke. Er ist seit ein paar Jahren Teil von The Silent Sharks. Das ist eine Gang hier bei uns. Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, ein wirklich außergewöhnlicher junger Mann.“ Chris war in der Gang von Micha gewesen? Wieso hatte ihm keiner etwas gesagt? Doch er kannte die Antwort. Chris wollte ihn beschützen, wollte ihn aus seiner Arbeit raushalten, damit er keiner Gefahr ausgesetzt war. „Aber das war vom Enkel von Richard Schneider auch nicht anders zu erwarten gewesen.“ Was? „Wie meinst du das? Enkel?“ Das war vollkommen unmöglich. „So wie ich es verstanden habe, ging es um eine alte Abmachung von Schneider und Buchkammer. Buchkammer hatte vor Jahrzehnten seinen Sohn in der Obhut von Schneider gelassen. Doch da seine Tochter so früh verstorben war, musste nun sein Enkel dieses Versprechen einlösen.“ Dieser alte Mistkerl hatte Chris als Ersatz in eine Gang geschickt. Ihm dieser Gefahr ausgesetzt, damit er seine Enkelin behalten konnte und sie in Sicherheit war. Und Chris war mit diesem Unterfangen wohl auch einverstanden gewesen, weil er einfach alles getan hätte um Lisa vor Unheil zu bewahren. „Ich möchte, dass Schneider dafür bezahlt. Er soll Leiden. Großvater ich habe dich noch nie um einen Gefallen gebeten. Aber nun tue ich es. Bitte vernichte die Multi Group. Er soll alles verlieren, sodass er nie wieder auf die Beine kommt.“ Sein Großvater räusperte sich. „Ich kann mir was überlegen, aber das wird nicht einfach werden. Außerdem könnte es Probleme mit anderen Firmen nach sich ziehen. Wieso macht du das?“ Wieso? Schneider hatte ihm die Liebe seines Lebens genommen, er sollte dafür büßen. „Weil er Chris zum sterben in die Gang geschickt hat. Er war nicht sein Enkel, sondern nur ein Ersatz damit Lisa in Sicherheit war. Und auch wenn ich es irgendwie nachvollziehen kann einen Verwandten vor Schaden bewahren zu wollen, kann ich ihm nicht verzeihen Chris dafür in den Tod geschickt zu haben.“ Am anderen Ende wurde scharf die Luft eingesogen. „Ich schaue was ich machen kann. Dafür verlange ich jedoch etwas von dir im Gegenzug.“ Ric konnte es sich schon denken, doch jetzt wo Chris nicht mehr da war, war ihm alles egal. „Du wirst dein Studium beenden und dann wenn du wieder hier bist, wirst du einige Heiratskandidatinnen die ich ausgesucht habe treffen und dich für eine von ihnen entscheiden.“ Er hatte es gewusst. Sein Großvater wollte neue Verbindungen knüpfen und das ging am besten und stabilsten durch eine Hochzeit. „Verstanden. Meine Prüfungen stehen an und dann komme ich zurück.“ Jetzt war all das nicht mehr wichtig. Sollte seine Verwandtschaft doch über seine Zukunft entscheiden. „Such einfach die aus, die für die Familie am vorteilhaftesten ist und ich werde sie heiraten.“ Dann legte er einfach auf und brach erneut in Tränen aus. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er sich wieder im Griff und ging zurück zu seinem Bruder und Lisa. Sie lag auf seinem Schoß und war noch immer am weinen. Er setzte sich zu ihnen und packte ihre Beine auf seinen Schoß. „Lisa es tut mir wirklich leid, aber ich werde dir alles nehmen müssen was du hast.“ Sein Bruder sah ihn geschockt an, doch Lisa rührte sich nicht. „Dein Großvater hat Chris die Aufgabe erteilt, an deiner Statt einer Gang beizutreten. Und so wie wir Chris kennen, hat er diese Aufgabe mir Freuden angenommen um dich zu beschützen. Ich werde deinem Großvater alles nehmen. Es tut mir leid für dich, dass auch du dann mit nichts dastehen wirst, aber ich werde ihn damit nicht einfach so davon kommen lassen nachdem er Chris einfach so geopfert hat.“ Lisa dreht den Kopf zu Ric und sah ihn ausdruckslos an. „Was hat mein Großvater getan?“ Ricardo erzählte ihr, was ihm gerade am Telefon berichtet wurde. „Also hat mein Großvater einen Pakt geschlossen für den er Selbst nie die Verantwortung übernehmen musste und als ich durch den frühen Tod meiner Eltern als letzte Erbin übrig blieb, holte er Chris ins Haus. Es ging ihm nie um mich oder Chris. Alles was er wollte war die Sicherheit und der Fortbestand seiner Blutlinie. Er ist ein Egoist, ich bin ihm als Mensch vollkommen egal. Wäre es nicht so, dann hätte er mir Chris nie weggenommen und hätte sich um mein Befinden, um meine Bedürfnisse gekümmert. Ric ich muss dich um einen Gefallen bitten. Halt die Zerstörung der Multi Group noch etwas zurück. Wir beenden unsere Prüfungen und fliegen nach Hause. Ich möchte ihm ins Gesicht sagen, was ich von ihm halte. Dann kannst du mit seiner Firma machen was du willst. Ich finde auch woanders Arbeit. Ich habe ein gutes Studium und wenn ich nächstens Jahr meinen Abschluss mache werde ich schon etwas finden.“ Sie war in den letzten Jahren stärker geworden. Als Chris sie damals verlassen hatte, musste sie lernen allein zu recht zu kommen und sich allein zu behaupten. „Verstanden. Wer von uns ruft Kon an um ihm von Chris zu erzählen? Er muss es erfahren auch wenn es ihn zerreißen wird.“ Ric konnte die Tränen nicht aufhalten die erneut zu fließen begannen. „Ich kann es ihm nicht sagen. Er wird mir die Schuld dafür geben und das zu Recht, aber ich bin dafür nicht stark genug.“ Sie lag damit wohl richtig. Konrad war aufbrausend und wenn es um Chris ging genau wie Ric keines klaren Gedankens fähig. Also zog er sich in sein Zimmer zurück und wappnete sich für dieses Gespräch.



Kapitel 38


Seit zwei Wochen überwachten sie nun Schneiders und Simons Kontakte und sie haben sieben Männer aus der Gang entdeckt, die mit ihnen zusammen arbeiten. Es waren Mitglieder von mittlerem Rang. Keiner der Oberen hatte Kontakt zu jemandem aus der Multi Group, Konrad ließ sie sogar überwachen um ganz sicher zu sein. Trotzdem hatte Emilie nicht vor auch nur einen von ihnen in ihr Geheimnis einzuweihen. Heute würde sie sich wieder mit Buchkammer treffen und besprechen was sie herausgefunden hatten. Plötzlich kam Konrad die Treppen hinunter gerannt. Er lebte schon fast mit ihnen zusammen hier in der Villa und eines der freien Zimmer stand voll mit Rechnern und anderem Technikkram. Alle Überwachungen die sie am laufen hatten liefen über diese Rechner, es war wie aus einem dieser Spionagefilme, nur das ihr Leben kein Film war. „Wir haben ein Problem.“ Das war nie etwas Gutes. Micha und Dom kamen sofort angerannt. Tino war draußen im Garten und spielte mit Marco. „Brauchen wir Tino?“ Kon schüttelte den Kopf. „Schneider hat Lisa gerade angerufen und ihr erzählt, dass du gestorben bist.“ Verdammt, sie waren sich sicher gewesen, dass er diese Tatsache nicht erwähnen würde. Chris war schon seit Jahren weg, wieso sich also die Umstände bereiten und Lisa an etwas erinnern was sie vielleicht schon vergessen hatte. Wenn Lisa bescheid wusste, dann auch Rico. Chris griff nach ihrer Kette. Noch immer war der Schmerz so groß wie damals als sie erfahren hatte, dass Rico mit Lisa zusammen war. Doch auch wenn die Beiden zueinander gefunden hatten, würde sie diese Nachricht Schmerzen. Was sollten sie nun tun? Chris hatte noch ein paar Stunden bevor sie sich mit Buchkammer treffen musste. „Ich will sie nicht mit hineinziehen. Aber ich möchte sie auch nicht im Unklaren lassen.“ Micha kam zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Sie legte ihre Hand auf seine um sich stumm für seinen Beistand zu bedanken. „Ich könnte ihm sagen, dass du noch am Leben bist. Dein Tod wäre nur vorgetäuscht gewesen um dich von der Gang und der Multi Group zu befreien. Aber dann wird er dich sehen wollen und dafür ist es noch zu früh. Das könnte unseren Plan Lisa gegen ihren Großvater zu verwenden kaputt machen.“ Was sollte sie nur machen? Sie wünschte sich ihre Mutter wäre hier und könnte sie beraten. Ihre Mom dachte immer logisch und ließ Gefühle dabei vollkommen außer acht. Doch Emilie fiel das schwer, ging es doch um ihre kleine Schwester und ihre Liebe. Dennoch wusste sie welche Entscheidung sie treffen musste, auch wenn sie ihren Liebsten damit Leid zufügte. „Wir werden sie in dem Glauben lassen, dass ich tot bin. Wenn wir es endlich schaffen einen guten Plan auszuarbeiten, dann werden wir ihnen die Wahrheit erzählen.“ Alle sahen traurig aus und hingen ihren Gedanken nach. Dann klingelte plötzlich Konrads Telefon und schreckte alle auf. Er sah auf den Display und verzog den Mund. „Es ist Ricardo.“ Emilie holte tief Luft und nickte dann. Konrad nahm den Anruf entgegen und stellte auf Lautsprecher. Rico erzählte Kon davon, dass Schneider Lisa angerufen hätte und von Chris Tod berichtet hätte. „Ich habe mit meinem Großvater gesprochen und dieser erzählte mir, dass er Chris gekannt hätte und er für eine Gang in Leipzig gearbeitet hatte. Er wäre der Enkel von Richard Schneider gewesen und wäre wegen einem alten Abkommen in die Gang geschickt worden. Wir beide wissen, dass Chris nicht mit diesem Arsch verwandt war und er ihn nur zu The Silent Sharks geschickt hatte um Lisa zu beschützten. Er hat Chris einfach so geopfert, damit seine Familie sich nicht die Hände würde schmutzig machen müssen. Mein Großvater hat mir zugesichert gegen die Multi Group vorzugehen. Ich weiß nicht was du machen möchtest, aber ich wollte dir alle Umstände erzählen, damit du ein Bild von den Ereignissen hast. Lisa hat den Tod von Chris nicht gut verkraftet, als ich ihr dann auch noch erzählte, welche Umstände dazu führten, dass Chris gestorben ist, da hat sie beschlossen zu handeln. Die Vernichtung der Multi Group muss warten, bis Lisa ihrem Großvater die Meinung gesagt hat und sie sich von der Familie gelöst hat.“ War das die Lösung nach der sie die ganze Zeit gesucht haben? Sollte es so einfach sein? „Warte mal kurz. Ich bin gleich wieder da.“ Dann schaltete Kon auf stumm. „Was machen wir jetzt? Lisa reagiert nur so heftig, weil sie denkt dass du um gekommen bist. Doch Ric wird auch wenn er die Wahrheit weiß nichts sagen und den Plan durchziehen. Wenn meine Familie und die Rühls den Dettkes helfen, sollte die Vernichtung der Multi Group einfach sein. Deine Mutter muss sich nicht einmischen, also selbst wenn Schneider irgendwie heraus bekommt, dass Chris Emilie Steward ist, kann er dir an nichts davon die Schuld geben.“ Sie konnte es ihm nicht sagen. Vielleicht war es so sogar besser. Wenn beide dachten, dass sie tot war, konnten sie unbeschwert zusammen glücklich werden ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. „Nein, wir sagen ihnen nichts. Ich überlege sogar, ihnen gar nicht die Wahrheit zu sagen. Unterstütz Rico bei seinem Plan und ich werde um Annas Hilfe bitten, sie müsste heute Abend so wie so vorbei kommen.“ Micha küsste sie auf den Kopf, noch ein Zeichen des Beistands. Kon nickte traurig. „Ich bin wieder dran. Ich bin dabei und werde noch für etwas mehr Unterstützung sorgen. Wann kommt ihr zurück? Ich brauche einen zeitlichen Rahmen wann es losgehen soll.“ Gut so. Jetzt stand der Plan und sie könnte Buchkammer gleich davon berichten. „Verstanden, Ich werde schon mal versuchen so viel wie möglich, was uns helfen könnte, zusammen zu tragen. Melde dich, wenn du weißt wann genau euer Flieger geht. Ich werde euch abholen kommen und zu Schneider begleiten, ich möchte dabei sein, wenn Lisa sich von ihm lossagt.“ Rico antwortete noch, doch Chris hörte nicht weiter zu. Sie hatten endlich eine Möglichkeit gefunden, Schneider untergehen zu lassen ohne dass es Spuren zu Chris gab. Doch Rico und Lisa im Dunkeln über ihr Überleben zu lassen fühlte sich falsch an. Gleichzeitig jedoch war sich Emilie sicher, dass es so die beste Möglichkeit war einen Schlussstrich unter ihr altes Leben zu ziehen. Sie musste endlich loslassen und sich auf die Zukunft konzentrieren. Selbst ihre Mom hatte mittlerweile bemerkt, dass ihre Tochter sich tief im Inneren quälte. Leider konnte auch sie Emilie nicht helfen. Sie hatte ihr erzählt, dass der Verlust ihres Mannes sie bis heute verfolgte und schmerzte. Über die wahre Liebe würde man nie hinweg kommen, man würde nur lernen mit dem Schmerz zu leben. Emma hatte keine Ahnung, dass Ricardo der Mann war in den ihre Tochter verliebt war und sie hatte auch nicht vor es ihrer Mutter zu erzählen. Alle die es wussten schwiegen sich zu dem Thema aus und Emilie war ihnen dankbar dafür. Sie hatte ihre Familie gefunden und würde eben ohne Partner glücklich werden. Sie musste nur noch diese eine Aufgabe hinter sich bringen, dann war sie endgültig frei und konnte machen was sie wollte.

Am späten Abend kehrte Chris von ihrem Treffen mit Buchkammer zurück, sie war erschöpft und ausgelaugt. Ihr ehemaliger Boss war mit der Entwicklung der Ereignisse sehr zufrieden und bot gleich seine Unterstützung an. Er hatte Emilie Unterlagen zu den schmutzigen Geschäften der Multi Group gegeben. Sie hatte sie kurz durchgesehen und dankend angenommen. Später würde sie sie Kon geben, er sollte entscheiden was er damit machen würde. Nach dem Gespräch hat sie ihre erste Trainingseinheit mit den acht Männern absolviert. Sie hatte Spaß dabei, die körperliche Bewegung hatte ihr dabei geholfen den Kopf mal für kurze Zeit abzuschalten. Auch war sie beruhigt, dass niemandem auffiel, dass sie und Chris die selbe Person waren. Nicht verwunderlich, da sie nach der Entfernung des Narbengewebes an ihren Stimmbändern eine weiche weibliche Stimme hatte. Sie war noch immer etwas rauchig, aber nicht kratzig und tief wie davor. Wenn man dann noch ihre Augen und ihre Trainingskleidung dazu nahm, war es wohl verständlich, dass niemand eine Verbindung zog. Sie hatte hautenge Trainingsleggins getragen und nur einen Sport-BH. Sie wollte sich in der ersten Stunde extra weiblich zeigen um dieses Bild ins Gedächtnis der Männer zu brennen, damit sie nie auf den Gedanken kommen Vergleiche zu ziehen. Trotzdem hatte sie sie ordentlich fertig gemacht bevor sie mit den gezielten Übungen anfingen. Emilie wollte ihnen zeigen wie sehr sie ihnen überlegen war und gleichzeitig herausfinden woran sie mit ihnen zu arbeiten hatte. Als sie sich verabschiedete klärte sie noch, dass sie das nächste mal in ihrer privaten Halle trainieren würden. Sie konnte es sich als eine Steward nicht leisten regelmäßig in einem Ganggebäude gesehen zu werden. Sie schmiss sich auf die Couch und legte ihre Füße auf den Tisch. War vielleicht nicht die eleganteste Art, aber sie war wirklich fertig und außerdem als Mann erzogen worden. Man würde ihr dieses Verhalten wohl verzeihen. Micha, Kon, Dom und Tino setzte sich zu ihr. „Wie ist es gelaufen?“ Jetzt musste sie auch noch Bericht erstatten, dabei wollte sie einfach etwas Ruhe. Aber sie wusste, dass die Männer es nicht böse meinten und nur ihr Bestes wollte. „Alles super. Buchkammer findet die Entwicklung klasse. Er hat mir ein paar Unterlagen mitgegeben. Kon würdest du die bitte genau durchsehen? Du kannst dann selbst entscheiden welche Infos du benutzt und welche nicht. Der Unterricht mit den Mitgliedern lief reibungslos und sie kommen das nächste Mal in die Halle meiner Mutter, damit ich nicht immer zu ihnen muss. Ich dachte, dass wäre besser um zu verhindern, dass ich zu oft im Ganggebäude gesehen werde. Wer weiß schon von wem es beobachtet wurde.“ Sie reichte Konrad die Akte und lehnte sich wieder zurück. „Du siehst fertig aus. Willst du nicht lieber ins Bett gehen?“ Nein wollte sie nicht. Obwohl sie ihre Ruhe wollte, wollte sie doch nicht allein sein. „Nein ich bleibe noch etwas bei euch.“ Micha und Konrad kuschelten sich von rechts und links an sie und gaben ihr Geborgenheit. Zum Glück hatte sie direkt nach dem Training geduscht. „Nächste Woche wird alles vorbei sein und wir können alle unser normales Leben beginnen.“ Nichts würde jemals wirklich normal für Emilie sein ohne Rico, aber sie verstand worauf Dom hinaus wollte. „Also ich habe noch ein ganzes Jahr vor mir in dem ich Mitglieder der Gang unterrichten muss. Erst dann wird alles abgeschlossen sein. Aber für euch habe ich schon einen Lehrer gefunden, er wird euch auf die Prüfung in drei Monaten vorbereiten. Er kommt in zwei Wochen und dann heißt es jeden Tag pauken für euch. Meine Arbeit im Krankenhaus werde ich auch wieder aufnehmen sobald Schneider aus dem Spiel ist.“ Sie seufzte. Nicht mehr lang und sie hätten ihre Freiheit.



Kapitel 39


Ric hatte es endlich geschafft, die letzte Prüfung war vorbei und er konnte nach Hause fliegen. Die letzte Woche hatte er sich verboten der Trauer nachzugeben. Er konnte jetzt nicht zusammen brechen, erst musste er dafür Sorge tragen, dass Schneider bekam was er verdiente. Erst dann konnte er es sich erlauben seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Er fuhr in seine Wohnung schnappte sich seine Tasche und fuhr mit Lisa und seinem Bruder zum Flughafen. Kon würde sie abholen und direkt zu Lisa nach Hause fahren. Ricardo und Konrad wollten dabei sein, wenn die Welt des alten Mannes zusammen brach. Den Flug über hatte Ric geschlafen, er wollte sich ausruhen um bei ihrer Ankunft fit zu sein. Doch seine Träume zeigten ihm nur immer wieder Momente die er mit Chris verbracht hatte und wie er ihn dann verloren hat. Er musste sich erst wieder sammeln als er aus dem Flieger stieg. Er durfte diesen Gedanken nicht nachgeben, er hatte etwas zu erledigen. Die Fahrt vom Flughafen zu Lisa dauerte gefühlt nur einen Wimpernschlag, so sehr war Ric in seinen Gedanken an Chris gefangen. Jetzt wo die Prüfungen vorbei waren, schien sein Gehirn der Meinung zu sein nur noch Platz für Chris zu haben. Lisa führte Ric und Konrad hinein während Daniel draußen im Wagen warten würde. Er hatte mit dieser Unterhaltung nichts zu tun und keiner wollte Schneider wissen lassen, dass Lisa eine Verbindung mit einem Sohn der Dettkes eingegangen war. Freudestrahlend empfing Schneider seine Enkelin an der Haustür. Lisa ließ sich umarmen, doch erwiderte sie nicht. Ricardo wurde schlecht. Allein diesen Mann vor sich stehen zu haben verursachte ihm Übelkeit. „Ich habe etwas mit dir zu besprechen Großvater. Könnten wir bitte in dein Büro gehen?“ Man sah Lisa an, dass sie versuchte ihre Fassung zu wahren. Schneider führte sie in sein Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Kannst du nachts eigentlich noch schlafen, nachdem du Chris auf dem Gewissen hast? Kannst du dich noch im Spiegel ansehen ohne angeekelt von dir zu sein?“ Der Chef der Multi Group verlor sein Lächeln und sah seine Enkelin geschockt an. „Ich verstehe nicht was du meinst meine Liebe.“ Jetzt wollte er den Unschuldigen spielen? „Ich rede davon, dass du Chris in dieses Haus geholt hast nur um ihn an meiner Stelle in eine Gang zu schicken. Wie kannst du nur so herzlos sein. Du hast ihn in den Tod geschickt. Ich ekle mich vor dir und ich schäme mich dafür das gleiche Blut wie du in meinen Adern fließen zu haben. Du hast mir meinen Bruder genommen.“ Sie brach in Tränen aus. Konrad und Ric traten zu ihr und gaben ihr Halt, stützten sie. Sie musste dieses Gespräch beenden. Ihr Großvater musste erkennen, dass er sie vollkommen verloren hatte. „Alles was ich getan habe, war für deine Sicherheit zu sorgen. Außerdem war Chris in den letzten Jahren für einen Auftrag im Ausland, das weißt du.“ Ric biss die zähne zusammen. Doch Konrad schien das nicht mehr möglich. „Sie können sich die Ausreden sparen. Sowohl meine Mutter, als auch Ricardos Großvater haben Chris regelmäßig bei den Pokerturnieren gesehen und wissen, dass er der Gang angehörte. Wir sind nicht dumm genug um nicht eins und eins zusammen zählen zu können. Sie haben Chris dort hingeschickt, um ihre Abmachung mit Buchkammer zu erfüllen. Sie übergaben Chris getarnt als ihren Enkel um Lisa zu schützen. Dachten Sie wirklich wir als Chris Freunde würden das nicht herausfinden?“ Man sah in seinen Augen, dass er panisch nach einer Lösung suchte. Doch sie würden ihm keine Chance geben. „Meine Sicherheit war diesem Mann doch vollkommen egal. Alles was er wollte war, dass seine Familie überlebte, seine Blutlinie. Ich als Mensch habe ihn noch nie interessiert. Wäre es anders, hätte er mir nicht meinen Bruder genommen sondern hätte selbst seinen Kopf hingehalten für ein Versprechen, dass er gab und nicht erfüllen konnte. Stattdessen hat er lieber Unschuldige in seine Machenschaften mit hinein gezogen und leiden lassen. Chris musste für den Egoismus dieses Mannes sterben, doch ich werde mich nicht zu einem Bauern in deinem kranken Spiel machen lassen. Du wirst bekommen was du verdient hast. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Melde dich nie wieder bei mir und halte dich von mir fern. Niemals werde ich dir verzeihen, dass du Chris getötet hast.“ Mit diesem Satz halfen Konrad und Ricardo ihr nach draußen. Sie konnte kaum selbst gehen. Das schmerzverzerrte Gesicht von Richard Schneider welches Ric beim hinausgehen sah, gab ihm einen Hauch von Befriedigung. Er sollte leiden. Kurz vor der Haustür kam ihnen der Sekretär entgegen, er wollte nach Lisa greifen, doch sie entzog sich ihm und sah ihn hasserfüllt an. „Gott wird über euch Beide richten und ich hoffe ihr schmort auf Ewig in der Hölle.“ Dann streckt sie den Rücken durch und verließ ihr Elternhaus. Sie würde nie wieder hier her zurück kehren. Zurück im Wagen viel sie Daniel in die Arme und klammerte sich weinend an ihn. Kon sah entsetzt und verwirrt aus. Er sah Ric an und zeigte zwischen ihm und Lisa hin und her. Doch Ricardo hatte keine Ahnung was Konrad fragen wollte. „Ich dachte du und Lisa seid..., na du weißt schon. Ihr seid zusammen nach Amerika und lebt zusammen.“ Meinte Konrad diese Anspielung ernst? „Ja wir sind gemeinsam weggegangen, aber doch nicht weil wir zusammen waren. Ich bin weg um zu studieren und um für Chris ein würdiger Mann zu werden. Lisa habe ich mitgenommen weil sie Chris´ kleine Schwester war und mit seinem Verlust nicht umgehen konnte. Ich konnte sie nicht hier allein mit all den Erinnerungen zurück lassen.“ Konrad sah geschockt aus und zog hastig sein Telefon aus der Tasche. „Wem schreibst du?“ Kon sah ihn entschuldigend an. „Ich muss Micha schreiben, was wirklich Sache ist. Sonst könnte es passieren, dass du euer nächstes Treffen nicht überlebst. Wenn ich ehrlich sein soll, wusste ich schon einer ganze Weile, dass Chris hier in Leipzig bei einer Gang war. Ich habe mich mit ihm getroffen und wir haben uns unterhalten. Ich habe ihn von deinem Weggang und dein Zusammenleben mit Lisa erzählt. Es tut mir so leid, aber wir alle dachten ihr Beide wärt euch durch den gemeinsamen Verlust und das gegenseitige Trösten näher gekommen. Ich konnte doch nicht ahnen, dass es wirklich nur das war. Ich meine ihr seid zusammen gezogen. Chris war am Boden zerstört und Michael unglaublich wütend. Und das ist er bis heute, deswegen muss ich ihm jetzt schreiben.“ Alle hatten gedacht er hätte Chris einfach aufgegeben? Sogar Chris selbst? Er war also gestorben ohne zu wissen wie sehr Ric ihn geliebt hatte und noch immer liebte. Das war einfach nicht richtig. Alles war einfach nur falsch. Er bemerkte wie ihm die Tränen das Gesicht hinab liefen, doch es war ihm egal. „Wenn wir mit allem fertig sind, möchte ich, dass du mich zu seinem Grab bringst. Wenn ich ihm schon nicht im Leben klar machen konnte wie wichtig er mir war. Dann möchte ich es ihm wenigstens jetzt sagen.“ Konrad sah verzweifelt aus, doch Ricardo wusste nicht wieso. „Chris hat kein Grab. Wir haben alles versucht, doch offiziell existierte Chris nie, also wäre er verbrannt worden und vom Staat ohne Namen auf der grünen Wiese begraben worden. Keiner von uns wollte das also hat Dr. Steigwitz Chris verbrannt und die Urne bei sich behalten.“ Dann würde er eben den Arzt besuchen gehen. „Verstanden. Dann werde ich eben zu ihm fahren.“ Nicht mal eine richtige Ruhestätte war Chris vergönnt. Doch vielleicht würde er so Dr. Steigwitz überzeugt bekommen Chris ihm zu überlassen, dass könnte er ihn immerhin bei sich haben. Ihm fiel sofort auf wie krank dieser Gedanke war und verwarf ihn direkt wieder. „Ich sage Paps bescheid, dass wir bei ihm vorbei kommen.“ Rics Kopf ruckte hoch und er sah seinen besten Freund mit großen Augen an. „Paps?“ Konrad ballte seine Hand zu einer Faust. „Ähm, ja. Wir alle haben irgendwann angefangen Dr. Steigwitz Paps zu nennen. Er war eben der Paps in der Runde.“ Ricardo wusste nicht wie er mit dieser Information umgehen sollte. Er freute sich für Chris, dass er anscheinend trotz Gangleben geschafft hatte Freunde und Familie zu treffen, aber dass er nicht da gewesen war schmerzte ihn. Hätte er doch in der Stadt bleiben sollen anstatt ins Ausland zu gehen? Hätte er so vielleicht ein paar mehr Momente mit Chris haben können? Hätte er ihn vielleicht sogar retten können. Plötzlich legte sich eine Hand auf sein Bein. „Es hätte sich nichts geändert, auch wenn wir geblieben wären. Chris war stur und hätte sich von uns nicht helfen lassen.“ Lisa hatte recht. Chris war ein Sturkopf der alles auf seine Art und Weise erledigen musste. Und Chris ging die Sicherheit seiner Liebsten über sein eigenes Wohl. „Ich weiß. Es spielt jetzt so wie so keine Rolle mehr. Wir werden unsere Aufgabe erledigen und Schneider ausschalten, also geschäftlich. Wir sind nämlich keine Mörder. Und dann werde ich heiraten und euch damit die Möglichkeit geben zusammen glücklich zu werden.“ Lisa setzte sich kerzengerade auf. „Was meinst du damit?“ Er hatte ihnen noch nichts von der Abmachung mit seinem Großvater erzählt. „Für Großvaters Unterstützung in dieser Angelegenheit musste ich ihm versprechen ein Mädchen aus gutem Hause, von ihm ausgewählt, zu heiraten. Für mich spielt es keine Rolle mehr, ich habe die Liebe meines Lebens schon verloren. Aber damit bekommt ihr vielleicht den Segen unseres Großvaters auch wenn du eine Schneider bist und nach unserer Aktion ohne Vermögen dastehst. Ihr seht also, es kommt dabei auch etwas Gutes raus.“ Er lachte freudlos. Kon tippte wieder auf seinem Telefon herum, doch dieses Mal schien er einen Anruf zu tätigen. „Hey. Wir brauchen in etwa zwei Stunden eine Krisensitzung. Ruf bitte Anna an und lad sie ein. Auch Mutter und Tochter müssen dabei sein. Und ruf auch gleich Paps an und frag ihn ob er Zeit hat und auch kommen kann. Ich komm so schnell ich kann zu euch.“ Dann legte er einfach auf. Das ganze Gespräch war sehr merkwürdig und es hatte den Anschein als ob Kon etwas plante, dass etwas mit ihrer Aktion zu tun hatte, er es ihnen aber verschweigen wollte. „Sorry, aber seit ihr weggegangen seid hat sich unsere Gruppe um einiges vergrößert und ich muss alle auf dem Laufenden halten immerhin unterstützen sie unser Unterfangen mit allem was ihnen zur Verfügung steht.“ Konrad hatte also wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt um sie zum Erfolg zu führen. Doch da war noch mehr, Ric wusste es, aber er hatte nicht mehr die Kraft sich darum auch noch Gedanken zu machen. Konrad würde ihm nicht schaden, also konnte Ric ihn einfach machen lassen.

Nach ihrem Gespräch mit Rics Großvater und Vater, wussten sie genau wie sie Schneider zu Fall bringen würden. Die Informationen die Konrad zusammen getragen hatte waren dabei eine sehr große Hilfe. Gleich nach ihrer Besprechung war dieser jedoch gleich verschwunden. Irgendetwas war komisch an ihm, doch Ricardo konnte einfach nicht den Finger darauf legen, was es war. „Kon ist seltsam. Er war mit vollem Elan bei der Sache, doch er war so nüchtern. Versteht ihr was ich meine? Wenn ich in den Spiegel schaue oder in Rics Gesicht, dann sehe ich einen Menschen der trauert, jemanden, der etwas sehr wichtiges verloren hat. Doch bei Kon sehe ich das nicht. Als ob er überhaupt nicht traurig wäre. Dabei sollte das unmöglich sein. Ich meine der Typ hat vor versammelter Mannschaft Chris seine Liebe gestanden ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Er hat ihn wirklich geliebt ungeachtet von Chris Geschlecht. Selbst wenn er ihn mit der Zeit aufgegeben hat, so war Chris noch immer sein Freund. Doch so sieht kein Mann aus, der vor kurzem einen Freund verloren hat.“ Das war es, was ihn die ganze Zeit gestört hatte. Konrad, sein bester Freund sah nicht aus als würde er leiden wie er selbst. Eher so als würde er die Fakten kennen, sie ihn aber nichts angehen. „Du hast Recht. Aber darum sollten wir uns jetzt nicht kümmern. Vielleicht verdrängt er einfach nur die Geschehnisse um sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren.“ Lisa nickte und kuschelte sich wieder an Daniel. Ric wurde von seinem Großvater noch in sein Büro gerufen und er beleitete ihn. „Setzen wir uns. Wir haben jetzt einen Plan und sobald der durchgeführt wurde, habe ich meinen Teil des Versprechens eingehalten.“ Er reichte Ricardo 6 Hefter. „Das sind die möglichen Kandidatinnen. Ich möchte, dass du die Unterlagen durchsiehst und die Auswahl schon mal etwas eingrenzt. Wenn wir alles erledigt haben, wirst du dich mit ihnen treffen und sie ein wenig kennen lernen und dann kannst du dich entscheiden.“ Ric starrte die Unterlagen in seiner Hand an. Er wollte das nicht. Er wollte niemanden an seiner Seite haben, der nicht Chris war. Doch wenn er Rache für Chris wollte, dann musste er die Abmachung einhalten. „Verstanden. Ich nehme sie mit in mein Zimmer und sehe sie mir an. Wenn du mich dann jetzt entschuldigen würdest, ich bin von der langen Reise müde und würde gern ins Bett gehen.“ Sein Opa nickte und er ging in sein Zimmer. Alles nahm jetzt seinen Gang und das war gut. Doch wirklich besser fühlte er sich durch diese Aktion auch nicht. Sie würde ihm Chris nicht zurück bringen. Er schaltete seine Musik an, dieses Mal war es I don´t wanna miss a thing, dann legte er sich auf sein Bett und nahm seine Kette in die Hand. Egal wie weit sie von einander entfernt waren, durch diese Ketten würden sie immer miteinander verbunden sein. Das hatte er zu Chris gesagt und auch jetzt noch fühlte er sich Chris verbunden wenn er ihre Lieder hörte oder seine Kette ansah. Wie konnte es also sein, dass er nicht mehr da war und auch nie zurück kommen würde. Er schloss die Augen, doch die Tränen rollten trotzdem.



Kapitel 40


Alle waren schon im Wohnzimmer der Villa versammelt, als Konrad endlich durch die Tür gestürmt kam. „Wir haben Probleme.“ Wenn Konrad rannte, hatten sie irgendwie immer welche. Wieso brachte eigentlich immer er die schlechten Nachrichten. „Genau genommen haben wir ein Problem. Aber ansonsten sind es gute Neuigkeiten.“ Micha nahm Emilies Hand. Wusste er schon was hier los war? „Beginnen wir von vorn. Habt ihr euch das Video das ich bei den Schneiders gemacht habe schon angesehen?“ Ja das hatten sie und es tat Emilie gut den schmerzhaften Ausdruck auf dem Gesicht ihres Peinigers zu sehen. Als jemand nickte sprach Kon weiter. „Gut. Jetzt muss ich mich als erstes bei Emilie entschuldigen. Ich habe damals etwas missverstanden und dich deswegen über ein Jahr unvorstellbaren Schmerz ausgesetzt. Lisa und Ric sind nicht gemeinsam in die USA gegangen, weil sie zusammen waren, sondern einfach nur um sich gegenseitig zu unterstützen. Ric hat dich nicht verlassen, er hat hart daran gearbeitet ein besserer Mann für dich zu werden.“ Emilie drückte Michas Hand so stark, dass er seine andere auf ihre legen musste um sie wieder zu lockern. Konnte es sein? Hatte er auf sie gewartet und sie umsonst all diese Tränen geweint? „Es tut mir so unglaublich leid Kleines. Ich weiß wie sehr du gelitten hast.“ Er kam zu ihr und kniete sich vor sie. Sie weinte, doch sie war sich nicht sicher was ihre Gefühle im Moment waren. Sie war glücklich und erleichtert. Doch auch verwirrt und unsicher. Was sollte sie denn jetzt mit dieser Information anfangen? Er dachte sie wäre ein Mann und gestorben. Sie kann doch nicht einfach zu ihm gehen und ihm sagen was Sache war und das sie ihn mit Absicht im Glauben gelassen hatte das sie tot wäre. Kon stand wieder auf nachdem er ihr ein paar Tränen von der Wange gewischt hatte. „Jetzt kommen wir zum Problem. Im Austausch für die Hilfe seines Großvaters, hat er ihm zugesagt eine Frau zu heiraten, die sein Großvater für ihn auswählen würde. Er denkt du bist gestorben, es interessiert ihn nicht mehr. Alles was er wollte war Schneider zu Fall zu bringen und so nahm er das Angebot seines Großvaters an. Er kann damit unmöglich glücklich sein. Und es ist auch nicht richtig. Wir alle hier im Raum wissen, dass ihr beide zusammen gehört. Selbst ich habe es mit der Zeit eingesehen. Eure Verbindung ist etwas ganz besonderes.“ Alle im Raum nickten. Nun ja alle außer ihrer Mutter. Sie hatte Rico vor ihr nie erwähnt. „Ich verstehe nicht wo hier das Problem liegt.“ Alle sahen ihre Mutter fragend an. „Na was? Gibt es eine bessere Verbindung als die einzige Tochter des Hauses Steward zu heiraten? Ich denke nicht. Das ist hier nicht das Problem. Das Problem ist, wie Emilie Ricardo ihre Geschichte beichten will und wie sie es schafft ihn von sich zu überzeugen. Jetzt mit der neuen Stimme ist das gar nicht so einfach. Er ist davon überzeugt, dass Chris ein Junge war und tot ist. Jetzt muss Emilie ihm erklären, dass sie die ganze Zeit ein Mädchen war und noch vollkommen lebendig.“ Ihre Mutter hatte Recht, dass war die eigentliche Schwierigkeit. Doch es formte sich eine Idee in ihrem Kopf, wie sie es schaffen könnte. „Ich habe eine Idee, doch Mom dafür brauche ich deine Hilfe und dein Geld. Ich habe hier zwar eine Menge Geldanlagen herum liegen, doch es dauert zu lange sie zu verkaufen.“ Ihre Mutter sah sie tadelnd an. „Mein Geld ist dein Geld. Was brauchst du?“ Sie war wirklich gesegnet. Sollte sie ihr Happy End doch noch bekommen? „Du musst eine Immobilie für mich erstehen. Und du müsstest mich als Braut anbieten. Ich fass es nicht, dass es so was heut zu Tage wirklich noch gibt.“ Kon hob die Hand, als ob er um Erlaubnis bitten würde sich in das Gespräch einmischen zu dürfen. „Rics Vater weiß von Chris. Also nicht direkt von Chris, aber Ric hat ihm wohl von dir erzählt und wie wichtig du ihm bist. Deswegen ist Ric in die USA weil sein Vater meinte Ric müsste der bestmögliche Mann werden. Er war dir wohl sehr dankbar, dass du seinen Sohn aus seinem Loch geholt hast. Wenn wir also seinem Vater sagen wer Emilie wirklich ist, dann wären die anderen Frauen sofort vom Tisch.“ Rico hatte seinem Vater von ihr erzählt? „Keine gute Idee. Ich muss Rico selbst die Wahrheit sagen. Was wenn sein Vater sich verquatscht?“ Ihre Mutter nickte bestätigend. „Der Name Steward wird uns auf jeden Fall in die engere Auswahl bringen und wenn Ricardo die ganze Wahrheit kennt, werden die anderen Frauen kein Thema mehr sein.“ Sofern er Emilie die Täuschung all die Jahre verzeihen würde. „Kon deine Hilfe brauche ich auch. Du musst Rico irgendwie zu diesem Gebäude führen.“ Konrad grinste dreckig. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Er wollte unbedingt dein Grab sehen. Ich erzählte ihm dass dein Paps die Asche hat und du kein Grab besitzt. Paps und ich werden ihm also die Urne geben und ihn an diesen Ort schicken.“ Das war wirklich bizarr. „Hältst du das wirklich für eine gute Lösung?“ Alle lachten. „Vielleicht nicht die beste Idee aber definitiv die Lustigste.“ Er sollte es regeln wie er wollte. „Dann haben wir einen Plan.“

Es hatte nur drei Tage gedauert die Halle zu kaufen und einen Plan zur Überzeugung von Großvater Dettke zurecht zu legen. Sie würden einen guten alten Überraschungsangriff starten und sehen wie er reagierte. Emilies Mutter weigerte sich ihre Tochter wie ein Stück Vieh zum Verkauf anzubieten. Nun musste Emilie nur noch ihren Mut finden. „Heute ist der Tag auf den du so lange gewartet hast. Du solltest glücklicher aussehen.“ Micha nahm sie in den Arm. „Ich weiß, aber ich bin so aufgeregt. Was wenn er mir all die Lügen nicht verzeiht?“ Sie spürte wie Michael den Kopf schüttelte. „Das ist nicht möglich. Er wird es verstehen und überglücklich sein dich zurück zu bekommen.“ Er wusste immer was er sagen musste damit es ihr besser ging, doch sie konnte ihre Zweifel nicht vollständig vertreiben. „Na dann mache ich mich mal auf den Weg zur Halle. Kon müsste sich jetzt mit Rico treffen und ich sollte wohl besser vor ihm da sein.“ Michael gab sie frei, nahm ihr Gesicht behutsam in seine Hände und küsste ihre Stirn. „Alles wird gut gehen, du wirst schon sehen.“ Chris ging aus der Tür und machte sich auf den Weg. Micha sah noch lange die verschlossene Tür an. In diesem Moment ließ er seine Liebe ziehen, doch wenigstens hatte er Emilie nicht vollkommen verloren. Sie würde immer ein wichtiger Teil seines Lebens sein. Ein Träne stahl sich aus seinem Auge und er spürte rechts und links eine Hand auf seinen Schultern landen. Tino und Dom hatten sich zu ihm gesellt. „Es war richtig sie gehen zu lassen. Und du hast sie auch nicht vollkommen verloren. Sie wird hier her zurück kommen und für immer unsere kleine Emilie bleiben.“ Er nickte. „Ich weiß. Und ich wusste es von Anfang an. Die Beiden gehören zusammen, so eine Liebe gibt es kein zweites Mal. Und ich freue mich für sie. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich ein wenig Hoffnung, dass sie eines Tages mir gehören könnte.“ Sie drückten seine Schultern. „Das haben wir auch gedacht, doch ich denke es soll genau so sein. Emilie zusammen mit Rico. Und du wirst jemanden nur für dich finden. Jemanden der dich über alles liebt, denn das hast du verdient.“ Er musste lächeln. Micha hatte immer gewusst, sollte sich Emilie doch noch für ihn entscheiden, dann wäre er trotzdem nur zweite Wahl gewesen. Sie hätte sich nur in ihn verliebt, weil sie Rico nicht haben konnte. Er dreht sich um und ging auf sein Zimmer, er musste jetzt einfach etwas allein sein.

Chris saß in ihrem Auto und ihr liefen die Tränen übers Gesicht. So konnte sie nicht losfahren, doch es tat ihr so leid. Sie wusste genau was Michael für sie empfand, sie wohnte immerhin schon Jahre mit ihm zusammen. Doch so sehr sie es sich auch gewünscht hätte für sich selbst und vor allem für ihn, sie konnte seine Gefühle einfach nicht erwidern. Er war immer für sie da gewesen, hatte ihr einen Grund zum Überleben gegeben. Wenn sie nachts im Bett lag und weinte, hatte er sie in den Armen gehalten und getröstet. Und sie dankte es ihm in dem sie ihm das Herz brach. Sie hatte einen so besonderen Menschen an ihrer Seite nicht verdient. Doch er hatte ihr gesagt sie solle sich mit Rico treffen und ihr Glück finden und das würde sie tun. Sie wischte ihre Tränen weg und fuhr los. Es dauerte eine Weile bis sie an der alten Lagenhalle ankam die die Black Wolves damals für sich beansprucht hatten. Sie nahm ihre Tasche aus dem Kofferraum und ging hinein. Mit Kon hatte sie abgemacht, dass er ihr schreiben würde wenn Rico sich auf den Weg zur Halle machte. Sie hatte also noch etwas Zeit. Sie sah sich um und musste lächeln, denn es sah noch genau so aus wie sie es in Erinnerung hatte. Scheinbar benutzte niemand mehr dieses Gelände. Emilie ließ sich auf die alte Matratze fallen und setzte dann ihre Kontaktlinsen ein. Sie zog sich ihr Kleid aus und legte ihre Weste an. Sie hatte gehofft dieses Teil nie wieder tragen zu müssen, doch nun hatte sie keine Wahl. Sie zog eine von Chris Hosen, Hemd und Sneakers an. Wuschelte ihr Haar durch und stellte die Tasche hinter die Autoreifen die in einer Ecke der Halle standen. Als sie sich wieder setzte fiel ihr auf, dass sie ihre Tafel vergessen hatte, also stand sie wieder auf und holte sie. Kurze Zeit später kam die Nachricht von Kon. Sie war unheimlich nervös, doch nun gab es kein zurück mehr.

Ric war bei Dr. Steigwitz zu Hause und bekam unter Tränen die Urne in die Hand gedrückt. „Du solltest sie haben, dass hätte Chris sicher auch so gewollt. Bring ihn nur an einen schönen Ort.“ Er sollte mit ihm zu ihrer Parkbank fahren. „Ich denke, du solltest Chris erstmal an einen Ort bringen, der euch beiden viel bedeutet hat. Wie die alte Lagerhalle. Da kannst du auch in Ruhe alles sagen was du noch zu sagen hast.“ Vielleicht hatte Konrad recht und ein nicht ganz so öffentlicher Ort wäre besser geeignet. Er nickte, bedankte sich und machte sich auf den Weg zur alten Halle. Dort hatte er sich das erste Mal richtig mit Chris unterhalten, er war damals sowohl freundlich als auch unhöflich gewesen. Er musste lächeln, als er sich an ihre erste Schlägerei erinnerte. Chris war wirklich ein Holzkopf gewesen. Er kam schnell bei der Halle an. Draußen war noch immer der Motorradparkour aufgebaut. Langsam ging er auf die Tür zu und blieb davor stehen. Hatte er die Kraft dazu sich all den Erinnerungen zu stellen? Er konnte auch einfach hier draußen sitzen bleiben. Niemand war in der Nähe, er musste nicht hinein gehen um ungestört zu sein. Er wollte sich gerade hinsetzten als er ein Geräusch aus der Halle wahrnahm. Er öffnete vorsichtig die Tür und spähte vorsichtig hinein. Dann setzte sein Gehirn aus. Das war nicht möglich. Minuten vergingen in denen er den jungen Mann der auf der Matratze saß einfach nur anstarrte. Vielleicht hatte er jetzt schon Halluzinationen. Er vermisste Chris so sehr, dass er ihn sich einbildete. Er schüttelte den Kopf, doch Chris saß noch immer dort und lächelte ihn unsicher an. Ric ging langsam auf ihn zu und Chris klopfte neben sich auf die Matratze, er folgte der Einladung und nahm Platz. „Das ist ein Traum. Du bist nicht echt. Ich bilde mir das Alles nur ein.“ Chris hob langsam seine Hand und legte sie vorsichtig an seine Wange und schüttelte den Kopf. Ric schloss die Augen und lehnte sich in die Berührung. Das war es wonach er sich so sehr gesehnt hatte, doch es konnte einfach nicht real sein. Die Hand verschwand von seinem Gesicht und er griff Reflex mäßig nach ihr. Ihm war es egal ob er sich Chris im Augenblick nur einbildete, er wollte dieses Gefühl noch etwas länger behalten. Chris lächelte ihn an und begann auf eine Tafel zu schreiben. Es tut mir leid dich getäuscht zu haben. Wir haben nicht damit gerechnet, dass Schneider Lisa bescheid geben würde. Sein Gehirn kam nicht mit. Er schüttelte nochmals seinen Kopf in der Hoffnung dann wieder denken zu können, doch es half nichts. Es ergab einfach keinen Sinn. Wir haben meinen Tod vorgetäuscht damit ich endlich von der Multi Group loskommen konnte. Bedeutet das, dass Chris nicht tot war und wirklich vor ihm saß? Er wurde nicht verrückt. Er nahm Chris´ Gesicht in seine Hände und küsste ihn. Es war ein verzehrender Kuss in den er all seine Verzweiflung packte. Schwer atmend löste Ric sich von Chris und sah ihn an. Er hatte ihn nicht verloren. Seine Liebe saß hier genau vor ihm. „Wieso redest du nicht?“ Chris nahm erneut die Tafel zu Hand und schrieb. Bevor ich rede, muss ich dich noch in mein größtes Geheimnis einweihen. Erst wenn du es kennst, wirst du viele meiner Aktionen wirklich verstehen können und ich hoffe, dass du mir die Täuschung verzeihen wirst. Dann legte sie die Tafel zur Seite, stand auf und holte eine Tasche aus einer Ecke der Halle. Als er zurück kam setzte er sich wieder und holte eine Kontaktlinsen Dose hervor. Chris drehte sich weg und als er sich wieder umdrehte, sah Rico in die wohl schönsten Augen die er je gesehen hatte. Es war als würde Silber in Chris´ Iris fließen. „Deine Augen sind atemberaubend schön.“ Dann küsste er ihn noch mal kurz. Chris lächelte und zog sein Hemd aus. Darunter trug er eine Art Weste, doch wieso? Chris öffnete die Weste und zögerte dann, es war ihm sichtlich unangenehm. Rico legte seine Hand auf Chris´. „Worum auch immer es in deinem Geheimnis geht, wenn es dir unangenehm ist, dann musst du es mir nicht zeigen.“ Chris lächelte ihn wieder an und schüttelte den Kopf. Wie sehr er dieses Lächeln vermisst hatte. Chris zog nun auch die Weste vollkommen aus und mal wieder schien Ricos Gehirn das Gesehene nicht verarbeiten zu können. Als er nichts sagte, zog Chris ein Kleid aus ihrer Tasche und zog es über. Chris war eine Frau. Das musste er jetzt erstmal sacken lassen. „Wieso?“ Sie griff erneut nach ihrer Tafel, doch Ricardo nahm ihr den Stift aus der Hand. „Bitte sprich mit mir.“ Chris nickte vorsichtig. „Paps hat die Vernarbungen meiner Stimmbänder entfernt. Meine Stimme klingt deswegen ganz anders als du sie in Erinnerung hast. Ich wollte nicht, dass du an meiner Geschichte zweifelst, weil du sie nicht wieder erkennst.“ Chris´ Stimme hatte sich wirklich verändert, sie war nicht mehr so kratzig, dafür aber höher und weicher, aber trotzdem noch leicht rauchig. Ric war sich nicht sicher wie er sie beschreiben sollte, doch sie war schön und passte zu der Frau die vor ihm saß. „Chris, du solltest mich besser kennen. Ich würde dir nie misstrauen, auch nicht wenn du einen andere Stimme hast oder sogar ein anderes Geschlecht.“ Ihr lief eine Träne aus dem rechten Auge. „Emilie. Mein Name ist Emilie.“ Er musste lächeln. „Der Name ist sehr schön.“ Sie erwiderte sein Lächeln und nahm seine Hand. „Danke.“ Es war irgendwie komisch zwischen ihnen und das lag wohl an ihm selbst. All die Jahre hatte er Chris für einen Jungen gehalten. Er hatte sich Gedanken gemacht wie er es seiner Familie erklären sollte wenn er Chris vorstellte. Wie die Gesellschaft auf sie reagieren würde. Nicht das homosexuelle Paare es in dieser Zeit schwer hatten, es war ein ganz alltäglicher Anblick, doch in seinen Kreisen wo der Familienstammbaum so viel Bedeutung hatte, musste man für Erben sorgen. Ric wusste nur von einem Fall in ganz Deutschland in dem ein Erbe zu seinem Liebhaber stand und sich deswegen von seiner Familie löste. Jetzt gab es plötzlich all diese Probleme nicht mehr für ihn und Chris. Sie hatten so viele Hürden überwinden müssen, konnte es jetzt wirklich alles so einfach sein? „Dir gefällte der Gedanke nicht, dass ich eine Frau bin.“ Sie zog vorsichtig ihre Hand aus seiner, doch er ließ das nicht zu. Nie wieder würde er sie gehen lassen, nicht nachdem er sie endlich wieder gefunden hatte. „Es war mir egal, dass du ein Junge warst, obwohl ich immer nur an Mädchen interessiert war. Glaubst du wirklich es macht für meine Gefühle einen Unterschied? Du wirst immer du bleiben, deine Hülle spielt dabei keine Rolle für mich. Ich habe gerade einfach nur Schwierigkeiten meine Gedanken zu sortieren. Erzähl mir wieso du dich als Mann verkleidet hast, obwohl ich es mir schon denken kann. Aber erzähl mir deine Geschichte trotzdem. Vielleicht hilft es mir dabei alles in meinem Gehirn zu ordnen.“ Sie nickte und begann zu erzählen. Vom Tod ihrer Mutter und wie ihr kleiner Bruder und sie in ein nicht staatliches Waisenhaus gebracht wurden. Wie ihr kleiner Bruder wegen der Habgier eines Mannes hatte sterben müssen. Davon wie sie zur Multi Group kam und als Auflage zum Überleben befohlen bekam ihr Leben als Junge zu leben. Von ihrer Angst davor, dass ihr Geheimnis aufgedeckt werden könnte. Von all dem Schmerz und den Verletzungen die sie beim Training und als Bestrafung ertragen musste, obwohl sie noch ein kleines Mädchen war. Sie erzählte von Lisa, dass sie ihr Lichtblick in der Dunkelheit war und sie vor der Einsamkeit bewahrte. Darüber wie sie Ricardo kennenlernte und ihre Gefühle nicht mehr im Griff hatte. Von ihrer Verzweiflung und Angst. Der Unsicherheit darüber wie sie damit umgehen sollte. Sie erzählte ihm von Konrad und seiner Hilfe dabei sie zur Schulzeit am Leben zu halten indem er Ric von ihr fernhielt. Wie sie resigniert hatte und ihre Liebe aufgab und beschloss Lisa ihren Wunsch zu erfüllen um so trotzdem in seiner Nähe bleiben zu können. Dann begann sie über ihren letzten Auftrag zu berichten und was Simon ihr dazu gesagt hat. Über ihre Angst davor, aber auch ihre Entschlossenheit diese Sache durchzuziehen und Freiheit zu erlangen. Darüber, dass sie es auch aus eigenem Willen machen wollte um Lisa zu beschützen. Wie sehr das Glück auf ihrer Seite war, als sie Micha zugeteilt wurde und die Unterstützung von ihm, Tino und Dom hatte. Sie gaben ihr Halt und Trost in ihrer Einsamkeit. Auch den Hass ihres Bosses ließ sie nicht aus und erzählte ihm in allen Einzelheiten was sie durchmachen musste. Sie schilderte von einem Angriff auf die Gang und wie sie niedergestochen wurde und so ihr Geheimnis vor Micha und seinen Freunden aufgedeckt wurde. Wie leer sie sich fühlte als sie von Kon erfuhr, dass er mit Lisa zusammen war und wie sehr es sie geschmerzt hat. Dann erzählte sie von den Pokerturnieren und wie sie so alle wichtigen Männer und Frauen der Umgebung kennen lernte, auch seinen Großvater. Besonders erstaunt war Ric darüber, dass sie ihre Mutter durch Zufall wieder gefunden hatte. Doch er wusste, dass es noch mehr zu ihrer Mutter zu sagen gab, das fühlte er und er hatte immer recht behalten wenn er den Verdacht hatte, dass Chris ihm etwas verschwieg. Sie schloss ihre Geschichte mit den wahren Absichten von Schneider ab und das sie der Tod wirklich erwartet hätte, wenn sie nicht von Buchkammers Hass erfahren hätte. „Und wie bist du dort nun genau rausgekommen?“ Sie lächelte ihn an. „Ich habe Buchkammer über alles aufgeklärt und ihm versprochen Schneider mehr leiden zu lassen, als wenn er einfach nur seine Enkelin umbringen würde. Ich hatte eigentlich vor, Lisa die Wahrheit über mich zu erzählen. Ich wusste wie ihre Reaktion aufgefallen wäre. Eigentlich wollte ich sie nicht benutzen, aber es war der einzige Weg, wie sie und ich in Sicherheit sein konnten. Doch dann hat Schneider Lisa von meinem Tod berichtet, das war nicht geplant gewesen. Als du dann Kon angerufen hast und von eurem Plan erzählt hast, entschied ich den Dingen einfach weiter ihren Lauf zu lassen. Es erschien mir in dem Moment am logischsten und da ich dachte, dass du und Lisa ein Paar wart, hättet ihr mit meinem Tod einen klaren Schlussstrich ziehen können.“ Er ballte seine Hände zu Fäusten. Wie hatte das Alles nur so schief gehen können? Sie hatten so viel leiden müssen, wegen Missverständnissen, dem Egoismus von Menschen, der Trauer von Menschen. So viel kam zusammen und immer war Chris die Leidtragende. „Das Video von eurem Gespräch mit Schneider habe ich schon beim Boss abgegeben und er schien sehr zufrieden damit zu sein. Damit ist an dieser Front alles geregelt, alles was jetzt noch fehlt ist die Multi Group.“ Damit lag sie falsch. „Wir haben es nicht auf die Multi Group abgesehen. Nachdem mein Großvater von der Verbindung zwischen Lisa und meinem Bruder erfuhr, hat er sofort dem Kurs geändert. Wir werden Richard Schneider hinter Gitter bringen. Die Akte die Konrad beschafft hatte war eine fast endlose Liste all seiner Verbrechen. Dann werden wir ihn enteignen lassen und sein Besitz wird an Lisa übergehen.“ Sie sah erstaunt aus. „Gut. Ich wollte von diesem Plan eigentlich nichts wissen. Ich wollte nicht, dass er in irgendeiner Weise meine Handschrift trägt. Das Lisa damit abgesichert ist, ist gut. Wir sollten mit Sebastian Kontakt aufnehmen, er könnte die ganze Sache durch seinen Vater beschleunigen.“ Dann sah sie ihn mit großen Augen an. „Dein Bruder und Lisa?“ Er musste lachen. „Ja. Noch nicht wirklich lange, aber ich denke es ist ihnen ernst.“ Sie nickte und lächelte. „Das ist gut. Auch, dass euer Großvater wohl nichts gegen diese Verbindung hat auch wenn sie die Erbin von diesem Mann ist.“ Deswegen wollte er ja auch heiraten, damit sein Großvater ruhe gibt. Plötzlich wurde ihm bewusst was er da gedacht hatte. Er hatte versprochen jemanden zu heiraten, den sein Großvater ausgewählt hatte. Er dachte Chris wäre gestorben und es war ihm egal gewesen, doch jetzt konnte er diese Abmachung unmöglich einhalten. Er sprang auf und zog Chris mit sich nach oben. Sie sah lustig aus, mit ihrem Kleid und der Hose die sie noch darunter trug. „Wir müssen sofort zu meinem Vater. Er muss mit meinem Großvater reden und diese ganze Heiratsgeschichte absagen. Er wird hinter uns stehen und uns unterstützen. Ich kann unmöglich jemand anderen heiraten als dich.“ Sie lächelte ihn liebevoll an und zog ihn zu einem Kuss zu sich nach unten. „Alles wird gut werden. Denkst du wirklich ich würde zulassen, dass du eine andere Frau heiratest? Lass uns zu dir fahren und ich kläre das. Du fährst und ich mache mich etwas zurecht. Wir haben an alles gedacht.“ Dann schnappte sie sich ihre Tasche und ging zu seinem Wagen. „Wie bist du her gekommen?“ Er sah sich um, doch er konnte kein Auto sehen. „Mein Auto steht hinter der Halle, aber das Gelände gehört jemand Bekanntes deswegen kann ich es erstmal stehen lassen.“ Ric nahm Chris´ Hand und hielt ihr die Tür zu seinem Wagen auf.

Auf der Fahrt richtete Chris ihre Haare und schminkte sich leicht. Es hatte eine Woche gedauert bis ihre Mutter es ihr beigebracht hatte. Sie hatte nicht wirklich Talent dafür, doch langsam hatte sie den Dreh raus. Dann schrieb sie schnell ihrer Mutter eine Nachricht um ihr mitzuteilen dass sie nun unterwegs war. Sie zog die Hose aus und schlüpfte in ihre High Heels. Sie hasste diese Dinger, doch ein Kleid sah mit Turnschuhen nun mal nicht wirklich seriös aus. Und sie musste heute einen guten Eindruck hinterlassen. Die Fahrt dauerte nicht sehr lang und ein wenig aufgeregt war Emilie schon. Nun würde sie Ricos Verwandten kennen lernen und sie würde wohl auch Lisa wieder sehen und ihr die Wahrheit sagen müssen. Rico schien ihre Nervosität zu bemerken, denn er nahm ihre Hand in seine und drückte sie leicht. Es war ein Zeichen der Unterstützung. Sie musste da nicht allein durch. Als sie ankamen, öffnete ihr Ricardo ganz Gentleman like die Tür und half ihr aus dem Wagen. Dann führte er sie ins Haus. Sofort kam ihnen ein Mann entgegen, dass musste sein Vater sein. Sie sahen sich ähnlich, nur die Augen unterschieden sich. „Hallo Vater. Ich habe dir vor Jahren mal von meiner besonderen Person erzählt und davon, dass ich sie dir als erstes vorstellen werde wenn sie wieder da ist. Also das hier ist Chris.“ Dann sah er sie an. „Chris das hier ist mein Vater.“ Sie reichte ihm die Hand und lächelte. „Emilie. Mein Name ist Emilie und es freut mich sie kennen zu lernen.“ Sie sah ihn strafend an. „Tschuldigung.“ Sein Vater schien etwas verwirrt, doch er ergriff ihre Hand und lächelte zurück. „Julian Dettke. Es freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen. Kommen Sie doch rein und setzen Sie sich erstmal. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten und kennen lernen.“ Emilie nickte und folgte Ricos Vater in den Salon. Es war wirklich ein Salon, kein Wohnzimmer. Es war alles schick, aber es sah nicht wirklich gemütlich aus. Ihre Mutter hatte auch so einen Raum für Gäste. Sie setzte sich und Rico nahm neben ihr Platz und nahm ihre Hand wieder in seine. „Dad ich brauche deine Hilfe. Als ich mit Großvater abgemacht habe zu heiraten, dachte ich, dass ich Emilie nie wieder sehen würde, doch nun ist sie wieder da und ich kann unmöglich eine Andere heiraten.“ Emilie sah Rico Stirn runzelnd an. Wieso bat er seinen Vater um Hilfe? Sie hatte ihm doch schon versichert, dass sie alles im Griff hatte. „Natürlich helfe ich dir. Ich meine ich brauche dir nur in die Augen zu sehen um zu wissen wie viel sie dir bedeutet. Als du vor einigen Tagen hier her zurück kamst, hattest du kein Leben mehr im Blick, so wie damals als du deine Mutter verloren hast. Oder als die junge Dame hier für ihre Arbeit ins Ausland musste und du dir nicht sicher warst ob sie zurück kommen würde. Ich habe mir Sorgen gemacht, hatte ich doch gehofft, dass du endlich die Kurve gekriegt hast. Doch du kamst hier an, voller Trauer um deinen verstorbenen Freund. Ich hatte Angst vor dem Moment in dem du deine Rache an Schneider bekommen hättest. Ich fürchtete, dass du dann endgültig zusammen brechen würdest. Doch nun sitzt du hier, mit strahlenden Augen und einer Zufriedenheit in deinem Gesicht mit der ich nicht gerechnet habe. Wenn diese junge Frau neben dir der Grund ist, wieso mein Junge wieder glücklich ist, dann werde ich mich notfalls auch mit deinem Großvater anlegen.“ Emilie bekam bei dieser Ansprache feuchte Augen. Sie wusste nicht wie sehr ihre Trennung Rico belastet hatte. Sie selbst hatte eine Aufgabe und sich daran festhalten können, doch er stand plötzlich ohne etwas da. „Es tut mir so leid, dass du all das wegen mir durch machen musstest. Aber ich würde dieses Gespräch gerne in eine andere Richtung lenken. Es wird keine Schwierigkeiten geben.“ Genau in diesem Moment klingelte es und Ricos Vater stand auf um ihren Gast zu begrüßen. Emilie musste lächeln, ihre Mutter war schnell gewesen. Als Julian Dettke mit ihrer Mutter den Raum betrat, sah man ihm an wie verwirrt er über das plötzliche Erscheinen einer so mächtigen Frau war. Emilie erhob sich und ging auf ihre Mutter zu und umarmte sie und gab ihr wie immer einen Kuss auf die Wange. „Hey Mom. Schön das du so schnell kommen konntest.“ Man hörte ein Keuchen aus dem anderen Ende des Raumes, wo Ricos Vater gerade die Getränke vorbereitet hatte. „Rico, ich möchte dir meine Mutter vorstellen. Emma Steward. Und Mom, dass hier ist Ricardo Dettke.“ Sie ging auf ihn zu und sah ihn sich genau an. Rico wurde unter ihrem Blick leicht nervös, aber er hielt sich wacker. Emilie musste kichern. „Mom, er gehört zu den Guten. Hör auf ihn mit deinem Blick für Geschäftspartner zu durchlöchern.“ Sie reichte ihm die Hand und er schüttelte sie. „Ich habe viele Geschichten über dich gehört. Leider keine Einzige von meiner Tochter, ich muss mich also auf die Geschichten ihrer Jungs verlassen. Sie reden nur gut von dir und wie sehr du sie vergötterst. Ich werde dir also einen Vertrauensvorschuss geben bis ich dich selbst besser kennen gelernt habe.“ Dann zog sie an seiner Hand und ihn in eine Umarmung. „Willkommen in der Familie. Pass immer gut auf meine Kleine auf, ich habe sie schon einmal verloren und ich werde es kein zweites Mal zulassen.“ In diesem Moment kam das Oberhaupt der Familie in den Raum. „Ich werde gut auf sie achten.“ Ihre Mutter nickte und gab ihn frei. Sofort ging Rico zu Emilie zurück. „Du hättest mir sagen können, dass deine Mutter die mächtigste Frau des Landes ist.“ Sie grinste ihn frech an. „Wo bliebe denn da der Spaß? Sieh dir mal deinen Vater an. Er scheint noch immer nicht zu begreifen was gerade passiert ist. Und dein Großvater sieht aus als würde er gleich einen Schlag bekommen.“ Rico schüttelte lächeln den Kopf und zog sie mit ihrem Rücken an seine Brust. Sie lehnte sich an ihn und genoss das Gefühl seiner Nähe. „Schön dich zu sehen Emma, doch ich kann mich nicht daran erinnern dass wir heute einen Termin hatten.“ Das konnte jetzt lustig werden. Die Dettkes waren die Einzigen in diesem Land, die Emma Steward an Macht das Wasser reichen konnten. Sie hatten die militärische Macht und ihre Mutter die Finanzielle. Doch alle in diesem Raum wussten wer siegen würde, wenn Großvater Dettke es darauf anlegen sollte. „Nun Noah, meine Tochter meinte dass sie mir heute ihren Partner vorstellen möchte. Du kannst dir sicher vorstellen wie verwundert ich war festzustellen, dass sie mit deinem Enkel eine Beziehung führt.“ Der Kopf von Noah Dettke ruckte zu seinem Enkel. „Du hattest schon eine Freundin?“ Seine Arme schlossen sich wie ein Schraubstock um sie als hätte er Angst sie ein weiteres Mal zu verlieren. Doch weder Emilie noch Emma würden das zulassen. „Sie war eine Weile weg und ich dachte sie würde nicht wiederkommen.“ Emilie streichelte beruhigend seinen Arm. Sein Großvater sah wieder Emma an. „Das spielt für mich alles keine Rolle Noah. Was mich mehr interessiert ist, dass du den Freund meiner Tochter mit einer anderen Familie verbinden wolltest. Was soll ich davon jetzt halten?“ Sie sah ihn eiskalt an und Ricos Griff wurde nur noch stärker. Sie lehnte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr. „Beruhig dich. Sie wird ihn nicht fressen. Sie versucht nur unsere Interessen zu vertreten. Und auch wenn sie Emma Steward ist und ich ihre Tochter, ist eine Zustimmung deiner Familie nicht so einfach wie wir Anfangs gedacht haben. Sieh einfach weiter zu.“ Dann drehte sie sich wieder um und beobachtete das Geschehen. „Mein letzter Stand was deine Familie angeht ist, dass du deinen Sohn verloren hast und deine Tochter verschwunden sei. Wie kann es also sein, dass deine Tochter so plötzlich wieder auftaucht und dann auch noch mit meinem Enkel zusammen ist.“

„Ganz einfach, weil sie schon zusammen waren als sie noch verschwunden war. Richard Schneider hatte sie seit ihrem siebten Lebensjahr in seiner Gewalt und stellte sie seiner Enkelin zur Seite. So haben sich die Beiden kennen gelernt. Unabhängig von all diesen spießigen Partys und Kennenlerntreffen die in unseren Kreisen üblich sind. Ich werde nicht akzeptieren, dass du sie auseinander reißt und deinen eigenen Enkel der firmendlichen Vorteile wegen verkaufst.“

„Ich hatte nie vor ihn zu verkaufen. Ich habe eine Vorauswahl an respektablen Damen getroffen und ihm dann die Entscheidung überlassen.“

„Gut, dann bitte ich dich jetzt meine Tochter in deine Vorauswahl mit aufzunehmen und ihn dann entscheiden zu lassen.“

„Du weißt ich respektiere dich, aber ich kann dieser Forderung nicht nachkommen.“ Rico beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte. „Wieso stellt sich mein Großvater so dagegen? Ich hätte gedacht er macht Luftsprünge aus Freude über diese Verbindung.“ Diesen Gedanken hatten sie zu Erst auch gehabt, doch je länger sie nachdachten, desto deutlicher wurde, dass es nicht so einfach werden würde. „Er möchte die Verbindung schon haben. Was er jedoch nicht will ist dich aufgeben. Ich bin die einzige Erbin der Familie Steward. Irgendwann werde ich das Geschäft meiner Mutter übernehmen, schon immer stand eine Frau an der Spitze unserer Familie. Im Klartext heißt das, du würdest in unsere Familie einheiraten und nicht ich in eure. Du wirst unseren Namen annehmen und alle Ansprüche auf ein Erbe der Dettkes aufgeben. Du wirst ein Steward werden. Dadurch wären unsere Familien zwar unüberbrückbar verbunden, doch sie würden dich für ihr Geschäft verlieren. Dein Großvater wird im Kopf gerade die Vor- und Nachteile einer solchen Vereinigung durchgehen. Doch er wird am Ende nachgeben, denn gegen unsere Hochzeit zu stimmen könnte den Zorn meiner Mutter auf die Dettke Gruppe lenken. Dieses Risiko wird er nicht eingehen. Am Ende kann niemand meiner Mutter etwas ausschlagen, deswegen habe ich sie herbestellt. Wir beide haben keine Macht ohne Nachteile frei über unser Leben zu entscheiden, dazu brauchen wir Hilfe.“ Sie war ihrer Mutter wirklich dankbar für alles was sie für sie tat. „Rico, Emilie wir gehen. Wir brauchen die Erlaubnis dieses Sturkopfes nicht. Ihr seid alt genug eure eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich werde euch unterstützen und ihr werdet in ein paar Jahrzehnten alles von mir erben. Ihr braucht keine Verbindung zu dieser Familie. Für dich Rico tut es mir leid, dass du das Einverständnis deiner Familie nicht bekommen hast.“ Dann setzte sie sich in Bewegung und Emilie und Rico folgten ihr. Als sie im Foyer ankamen stellte sich ihnen ein nur all zu bekanntest Gesicht in den Weg. „Emma wir sollten wirklich noch mal in Ruhe über alles reden.“ Emilie hatte alle Mühe ruhig zu bleiben. Sie versuchte so unauffällig wie möglich zu sein, doch sie erkannte es in den Augen von Tachibana-Sensei. Er hatte sie erkannt. Sie zog ihre Schuhe im Bruchteil einer Sekunde aus und fegte ihn von den Füßen. Sie schnappte sich seinen Arm und drehte ihn auf den Bauch während sie seinen Arm weiter als Hebel benutzte. Er versuchte sich zu wehren, doch sie ließ ihn nicht los und drückte ihr Knie in sein Kreuz um ihn ruhig zu halten. „Kann mir mal jemand erklären wieso dieser Typ noch immer frei in diesem Haus herum laufen kann?“ Rico sah auch verwundert aus. „Was ist denn los mein Schatz?“ Ihre Mutter kam auf sie zu und sah sie besorgt an. „Das ist einer meiner alten Ausbilder, er hat mich erkannt. Wir können ihn nicht einfach gehen lass. Wenn Schneider erfährt dass ich noch am leben bin, wird er jagt auf mich machen. Schon vor Jahren haben Rico und ich heraus gefunden, dass Tachibana-Sensei mit Schneider zusammen arbeitet. Wie ist es also möglich, dass er noch immer freien Zugang zum Haus hat? Ich meine klar ich habe gesagt dass ihr ihn nicht entlassen sollt. Aber damit habe ich gemeint, dass ihr ihn zurück zur Ausbildung steckt, wo ihr seine Fähigkeiten nutzen könnt, er aber keine Gefahr für eure Firma darstellt. Ich war so dumm gewesen darauf zu vertrauen, dass die Sache gut geregelt wurde.“ Rico legte ihr eine Hand auf die Schulter um sie zu beruhigen. Doch das regte sie im Moment nur noch mehr auf, also versuchte sie die Hand abzuschütteln. „Emilie. Er liegt vor dir auf dem Boden, buchstäblich unter deinen Füßen. Er stellt keine Gefahr mehr für dich da und du bist auch kein kleines Mädchen mehr, dass für seinen Spaß Schmerzen erleiden muss. Atme einmal tief durch und beruhig dich wieder.“ Er hatte recht, sie musste sich beruhigen. Sie atmete tief durch und lockerte ihre Schultern. „Er ist auch nur noch für die Ausbildung zuständig, doch ich hatte jetzt eigentlich einen Termin mit ihm um das neue Ausbildungsprogramm zu besprechen. Nur deswegen war er hier. Als ihr gehen wolltet bat ich ihn euch an der Tür aufzuhalten.“ Emilie und ihre Mutter blickten Noah Dettke gleichermaßen missbilligend an. „Ich verlange, dass Sie ihn mir übergeben. Ich werde ihn an einen Ort bringen an dem er bekommt was er verdient und zum Schweigen gebracht wird.“ Rico sah sie komisch an. Das war wohl eine Seite an ihr die er noch nicht kannte. Doch Jahre in einer Gang konnten einen ziemlich verändern und sie hatte ihr Mitgefühl für Abschaum verloren. „Einverstanden. Doch nur unter der Bedingung, dass wir uns noch mal in Ruhe über die Sache mit der Hochzeit unterhalten.“ Beide Frauen stimmten zu.



Kapitel 41


Es waren nun eineinhalb Jahre vergangen seit Emilie ihre Freiheit bekommen hatte. Sie hatten es geschafft Schneider und Simon ins Gefängnis zu stecken. Sie würden nie wieder frei kommen. Es war wohl Ironie des Schicksals, dass die Männer die Anderen ihrer Freiheit beraubt hatten nun in einer Zelle saßen, ohne Aussicht auf Bewährung. Ihre Untersuchungen hatten sehr viel Dreck aufgewühlt. Es kam heraus, dass Emilie nicht das einzige Kind war, welches sie von der Straße geholt haben und nach ihren Vorstellungen geformt hatten. Alle hatten genau wie sie gelitten und täglich um ihr Leben bangen müssen. Nun waren sie alle frei, doch viele von ihnen wussten nicht wirklich was sie mit ihrem Leben anfangen sollten. Da alle eine kämpferische Ausbildung genossen haben wurden sie von den Dettkes, Vogels, Rühls und natürlich Stewards als Sicherheitsleute eingestellt. Sie brauchten eine Weile, doch nach und nach lernten sie das Leben kennen und trennten ihre Arbeit davon. Emilie war froh das sich diese Menschen mental erholen konnten und Vertrauen in die Zukunft fassen konnten. Ihre Mutter hatte Richard Schneider im Gefängnis besucht und eine Übertragungsurkunde für die Multi Group an Lisa wieder mitgebracht. Unter vier Augen hatte sie Emilie erzählt, dass sie Schneider sagte, dass sie seiner Enkelin die selbe Behandlung zu Teil werden lassen würde wie er ihrer Tochter, wenn er nicht auf ihre Forderungen eingehen würde. Irgendwo in seinem kalten Herzen musste er doch so etwas wie Liebe für Lisa empfunden haben. Doch diese Erkenntnis behielt sie für sich, sie würde Lisa nur unnötig Schmerzen. Es hatte lange gedauert bis Lisa verkraftet hatte, dass Chris eigentlich Emilie war und die ganze Zeit über ein Mädchen. Sie fühlte sich schuldig nichts bemerkt zu haben. Es waren viele Gespräche mit ihr nötig gewesen um ihr verständlich zu machen, dass Emilie ihr deswegen nicht Böse war. Sie war noch immer ihre kleine Schwester und nichts würde das jemals ändern können. Lisa war danach wieder zurück in die USA geflogen, natürlich gemeinsam mit Daniel. Emilie mochte ihn und er liebte Lisa aufrichtig. Rico war selbstverständlich zu ihnen in die Villa gezogen. Anfangs hatte Emilie gedacht, das Geschenk von ihrem Paps wäre viel zu groß für sie allein, doch da hatte sie sich geirrt. Sie war nun nicht mehr allein und das Haus immer gefüllt. Konrad hatte sein Zimmer und kam oft zu Besuch wenn er seiner Mutter entkommen wollte. Michael, Dom, Tino und Marco lebten auch bei ihnen und würden wohl so schnell auch nicht ausziehen. Emilie war froh darüber, denn sie konnte sich nicht vorstellen ihre Jungs nicht ständig um sich zu haben. Dominik und Tino hatten sich vor etwa einem halben Jahr endlich vor allen geoutet und verkündet, dass sie ein Paar waren. Für Emilie kam dies nicht wirklich überraschend, hatte sie es doch schon immer gewusst. Doch für den Rest ihrer kleinen selbst gewählten Familie war es ein Schock. Aber keiner störte sich wirklich an dieser Tatsache, sie waren einfach nur überrascht. Und die nächste Überraschung ließ auch nicht lange auf sich warten. Anna und Micha verkündeten dass sie sich verlobt hatten. Alle hatten gewusst, dass sie seit einer Weile miteinander ausgingen, doch keiner hatte auch nur geahnt wie ernst ihnen diese Sache war. Sie würden mit der Hochzeit jedoch warten bis Micha sein Studium beendet hatte. Dieses lief Reibungslos und er konnte es wohl auch um einige Semester verkürzen. Emilie und Paps halfen ihm bei Allem mit dem er Schwierigkeiten hatte. Kon hatte zwischenzeitlich auch eine Freundin gefunden, doch keiner konnte sie wirklich leiden und hatte insgeheim gehofft, dass er sie bald wieder verlassen würde. Sie passte einfach nicht zu ihnen. Sie war zu sehr auf alles Materielle fixiert gewesen. Die Namen der Menschen interessierten sie mehr als deren Charakter. Ihre kleine Familie war nicht so. Sie mochten viel Geld und Macht besitzen doch ihnen würde es auch nichts ausmachen all dies zu verlieren, wenn sie nur ihre Liebsten behalten konnten. Alle würden ohne nachzudenken ihr Erbe aufgeben um einen der Ihren zu beschützen. Natürlich ließen sie die Öffentlichkeit diesen Zusammenhalt nicht sehen. Sie hatten auf die harte Tour gelernt wie machthungrige Menschen solche Schwächen ausnutzten. Emilies Bruder musste dafür mit seinem Leben bezahlen, als ein Großkonzern ihn und sie als Geiseln in dieses Kinderheim gaben um Emma Steward in der Hand zu haben. Zum Glück hatte Konrad dieses Mädchen wieder verlassen. An diesem für Emilie so besondern Tag hatte sie vor Kupplerin zu spielen. Sie hatte auf der Arbeit eine Freundin gefunden, die gerade zu perfekt zu Kon und ihrer Familie passen würde. Sie hieß Elisa Körner. Ihre Eltern hatten sie unter großen Schwierigkeiten aufgezogen und ihr die Oberschule finanziert um ihr ihren Traum vom Medizinstudium zu ermöglichen. Sie machte den besten Abschluss ihres Jahrgangs und bekam ein Teilstipendium angeboten. Sie ging auf die Uni und verdiente sich ihr Geld als Model für ein Männermagazin. Als Emilie sie mal darauf ansprach und fragte ob es nicht schwer für sie gewesen war diesen Schritt zu gehen antwortete sie ihr: „Natürlich war es Anfangs nicht leicht für mich, mich vor wild Fremden auszuziehen, aber ich brauchte das Geld. Ich konnte meine Eltern nicht noch mehr belasten, als ich es ohnehin schon getan habe. Da war ein Bild meines nur in Unterwäsche verhüllten Körpers kein zu hoher Preis. Es gab Menschen und Träume auf dieser Welt für die man Alles ertragen würde. Und meine Eltern und mein Traum Ärztin zu werden gehörten dazu.“ Emilie hatte sie sofort in ihr Herz geschlossen. Und heute war es soweit, sie würde Schicksal spielen und sie Konrad vorstellen.

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Emilie wurde aus ihren Überlegungen zurück ins Hier und Jetzt befördert. Sie sah zur offenen Tür und dort standen ihre Jungs, alle ganz fein im schwarzen Maßanzug. Keiner sagte ein Wort, sie sahen sie nur an und bekamen feuchte Augen. „Jungs ihr müsst rein gehen. Sonst kann ich nichts sehen.“ Ihr Paps sprach da und Micha, Dom und Tino traten einen Schritt zu Seite. Auch ihr Paps stand dann nur noch da und bestaunte sie. Ihm liefen die Tränen über die Wange. Zwei Minuten später kam auch ihre Mutter. Sie lachte als sie die Männer in dieser Pose vorfand. „Also jetzt wirklich. Reißt euch wieder zusammen, wie soll die Hochzeit denn losgehen, wenn die wichtigsten Gäste wie Statuen in der Gegend rum stehen?“ Dann kam Bewegung in die Männer und sie kamen auf Emilie zugestürmt. Sie streckte ihre Arme nach vorn um sie aufzuhalten. „Halt. Einer nach dem Nächsten. Das Kleid, meine Frisur und Alles Andere sitzt gerade perfekt, bitte zerstört das nicht.“ Sie reihten sie auf und umarmten sie nacheinander und sagten ihr was für eine wunderschöne Braut sie war. Ihr stiegen Tränen in die Augen, doch ihre Mutter schritt sofort ein. „Stopp. Keine Tränen vor der Trauung. Du willst doch perfekt und nicht verheult aussehen wenn Rico dich am Altar in Empfang nimmt.“ Ihre Mutter hatte recht, sie riss sich zusammen und atmete ein paar Mal tief durch. „Danke, dass ihr alle hier bei mir seid. Ohne eure Unterstützung und Fürsorge wäre es wohl nie zu diesem Tag gekommen, dafür bin ich euch wirklich von Herzen dankbar.“ Sie gab Allen einen Kuss auf die Wange und schlüpfte dann in ihre Schuhe. „So es kann losgehen. Alle außer Paps gehen bitte auf ihre Plätze.“ Alle befolgten ihren Befehl und sie blieb allein mit ihrem Paps zurück. Sie griff hinter sich und öffnete dann die Schachtel in ihrer Hand. Es war eine Anstecknadel aus Silber. Sie steckte sie ihrem Paps an und der sah sie erstaunt an. „Es ist ein Efeublatt. Es steht für Treue und Beständigkeit. In all den Jahren warst du immer für mich da, an meiner Seite, hast nie an mir gezweifelt und mich immer unterstützt. Dafür möchte ich dir heute danken. Ich hätte dieses Leben das ich heute führe ohne dich nie bekommen.“ Sie bekam wieder Tränen in den Augen und atmete deswegen tief ein und aus. Auch ihr Paps hatte zu kämpfen. „Eine Tochter braucht sich bei ihrem Paps doch nicht für so etwas zu bedanken. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Und auch wenn ich dich heute in die Hände eines anderen Mannes übergeben werde, wird es nichts daran ändern, dass ich immer für dich da sein werde. Wir sind eine Familie.“ Sie nickte und er reichte ihr den Arm. Sofort legte sie ihre Hand in seine Armbeuge und er brachte sie hinaus in den Garten. Emilie hatte entschieden, dass nur Freunde und Familie eingeladen wurden. Sie wollte ihre Hochzeit zu keinem öffentlichen Auftritt machen. Sie würde sich heute mit der Liebe ihres Lebens für die Ewigkeit verbinden und wollte nur ihre Liebsten dabei haben und keine Unbekannten, die nur wegen ihres Status eingeladen wurden. Anfangs hatte sich Noah noch darüber aufgeregt, doch Emilie hatte nicht nachgegeben. Es war ihr großer Tag und sie hatte nicht vor ihn nach seinen Wünschen auszurichten. Sie war ihm jedoch entgegen gekommen indem sie ihm zusicherte, eine spätere Feier für ihre Vermählung mit all diesen wichtigen Personen zu veranstalten. Nun lief sie über den Rasen und hatte Probleme sich mit ihren Schuhe elegant zu bewegen, doch ihr Paps half ihr und stützte sie. Sie war ganz aufgeregt, nie hatte sie es für möglich gehalten jemals so glücklich in ihrem Leben zu werden. Doch das Schicksal war offensichtlich ihr Freund und Verbündeter. Anders konnte sie es sich nicht erklären, wie sie immer zur richtigen Zeit die richtigen Personen getroffen hatte, die sie auch immer unterstützten. Sie waren nun bei den Bänken angekommen und die Musik begann zu spielen. Ein Flügel stand neben dem aufgebauten Altar und der Pianist begann zu spielen. Während sie langsam von ihrem Paps den Gang hinab geführt wurde lauschte sie der Stimme der Sängerin, die ihr und Ricos Lied sang.

Wise man say

only folls rush in

but I can´t help

falling in love with you …

Emilie sah sich um und entdeckte ihre Männer in der ersten Reihe auf der linken Seite sitzend vor. Direkt neben ihnen saß ihre Mutter. Ricos Verwandtschaft und Freunde saßen auf der rechten Seite. Micha sah sie an und nickte ihr aufmuntern zu. Er sah ihr wohl an wie aufgeregt sie war. Endlich sollte ihr Märchen wahr werden und sie konnte es noch immer nicht wirklich begreifen. Tino und Dom lächelten sie strahlend an, doch in ihren Augen sah sie genau wie es glitzerte. Auch ihre Mom weinte, doch auch sie lächelte und zeigte damit, dass es eindeutig Tränen der Freude waren. Dann lenkte sie ihren Blick zum Altar. Dort stand Konrad im schicken Schwarzen Anzug und roter Krawatte die perfekt zu der roten Rose passt, die in seinem Knopfloch steckte. Er war der Trauzeuge und hatte hoffentlich nicht ihre Ringe vergessen. Auf der anderen Seite stand Lisa und strahlte ihr entgegen. Dann erlaubte Emilie es sich endlich Rico anzusehen. Auch er sah sehr gerührt aus, doch seine Augen funkelten vor Freude. Sie hatten lange auf diesen Tag gewartet und endlich war es soweit. Dann kam sie bei ihm an und ihr Paps legte seine Hände auf ihre Wangen und Küsste ihre Stirn, dann übergab er Emilie an Rico. „Du siehst wunderschön aus Prinzessin.“ Sie lächelte ihn an. „Du siehst auch nicht schlecht aus Prinz.“ Eine Träne stahl sich nun doch aus ihrem Auge, doch Rico wischte sie behutsam von ihrer Wange. Sie drehten sich zum Priester und die Zeremonie begann. Es war eine traditionelle aber trotzdem schöne und gefühlvolle Hochzeit. Als der Teil mit den Eheversprechen und Ringe Tausch kam, konnte Emilie das Weinen nicht mehr aufhalten. Sie war einfach so unsagbar glücklich. Rico sprach dem Priester nach und steckte ihr den Ring an. Emilie tat es ihm nach und wiederholte die Worte, während sie Rico seinen Ring ansteckte. Dieser wartete das: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“, gar nicht erst ab. Kaum hatte er den Ring an seinem Finger, zog er Emilie zu sich und küsste sie. Sie bemerkte wie neben ihr der Jubel immer lauter wurde, doch sie und Rico waren in ihrer eigenen Welt. Sie hatten es geschafft. Sie hatten ihr Märchen. Ihr Happy End. Nichts würde sie jetzt noch auseinander reißen können.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 04.04.2017

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /