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Ein ungewöhnlicher Adventskalender

Ich starrte die Lehrerin meines sechsjährigen Sohnes mit großen Augen an und war mir nicht sicher, wie ich auf ihre Aussage reagieren sollte.

„Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Kerner. Ihr Sohn ist im sozialen Bereich wirklich ein kleiner Engel. Schulisch gesehen, bräuchte er mehr Unterstützung. Er kommt jetzt schon nicht hinterher und ich mache mir Sorgen, dass er auf der Strecke bleibt.“

Sie klatschte mir einen Haufen Papiere auf den Tisch, die ich nur grob überflog. Alles Unterrichtsinhalte, die er nicht verstanden hatte. Das Jasper so viele Probleme mit dem Unterrichtsstoff hatte, war mir gar nicht bewusst gewesen. Wenn ich es mir recht überlegte, dann behielt Frau Krause tatsächlich recht. In den vier Monaten, in denen mein kleiner Rabauke nun zur Schule ging, machte ich, wenn es hochkam, einmal die Hausaufgaben mit ihm. Meine damalige Freundin ließ mich, nachdem Jasper ein halbes Jahr alt war, mit ihm sitzen. Sie hatte sich, seit sie abgehauen war, nicht einmal gemeldet. Wir waren ihr egal und ich akzeptierte das. Meinem Sohn fiel es schon manchmal schwer, doch er sagte nichts dazu und redete auch nicht über dieses Thema.

Als freischaffender Autor gelang es mir nur schwer, die Unterhaltungskosten für das Haus zu tragen und uns beide gleichzeitig durchzubringen. So kam es leider schon häufiger vor, dass Jasper sich alleine um alles kümmern musste, weil ich von morgens bis spät in die Nacht, in meinem kleinen Büro vor dem Rechner saß. Insgeheim wusste ich, dass es so nicht weitergehen konnte, doch was blieb mir anderes übrig? Sonst war niemand da, der mir unter die Arme greifen konnte. Leider kamen die sozialen Kompetenzen von Jasper nicht von mir. Ich war schon immer sehr zurückhaltend und ging den Leuten aus dem Weg. Dass ich zusätzlich auf Männer stand, nahm mir die Familie, die ich einst zu haben schien. Die Beziehung zu Jaspers Mutter war eher aus Bequemlichkeit entstanden. Sie hatte die Initiative ergriffen, ich hatte mich einfach darauf eingelassen. Ob ich sie wirklich geliebt habe, wusste ich gar nicht mehr.

„Ich verstehe.“, sagte ich stirnrunzelnd und schob die Seiten wieder auf einen Haufen zusammen. „Morgen sehe ich mir die Unterlagen an und dann werde ich mich mit Jasper zusammensetzen und aufbereiten, worin er Schwierigkeiten hat.“, versprach ich und hielt ihr Dankbar die Hand entgegen.

„Das freut mich. Jasper hat es wirklich verdient. Er ist zwar ein sehr aufgeschlossener Junge, aber er zieht sich ein wenig zurück. Mir scheint, als wäre es ihm wirklich unangenehm, wenn er in der Klasse negativ auffällt.“

„Ich danke Ihnen, dass sie ihn so gut unterstützen. Wenn noch etwas sein sollte, können Sie mich auch jederzeit telefonisch erreichen.“, bot ich an und meinte es auch so.

Als ich eine viertel Stunde später unser Haus betrat, war bereits alles dunkel. Jasper musste ich alleine zu Hause lassen und er hatte sich bestimmt wieder selbst ins Bett gebracht. Ich legte die Unterlagen auf die Arbeitsplatte in der Küche, schaute auf die leuchtende Uhr und stellte fest, dass es bereits nach 21 Uhr war. Leise schlich ich zu der Zimmertür meines Kindes und öffnete sie. Ein kleines leuchtendes Bärchen auf dem Nachttisch, ließ ein spärliches Licht auf sein Gesicht fallen. Er schlief tief und fest, sah so zart und zerbrechlich aus. Wann hatte ich überhaupt das letzte Mal so richtig für uns gekocht? Mir fiel auf, was für ein schlechter Vater ich doch war. Ich wusste ja nicht einmal welche Interessen er gerade hatte. Oder Freunde. Was ich wusste war, dass er ab und zu unserem Nachbarsjungen rüberging. Aber ich konnte mich nicht einmal an dessen Namen erinnern. Ich betrachtete das Gesicht meines Sohnes und fragte mich, warum zum Teufel ihm das passieren musste. Er war wirklich ein schlauer Junge. Nicht umsonst kochte er sich sein Essen meistens selbst. Niedergeschlagen schloss ich die Tür wieder und schlurfte zurück in die Küche. Ich war einfach nur müde und erschöpft. Ich hatte nie ein Kind gewollt, doch plötzlich war es da und seine Mutter ließ es im Stich. Und obwohl ich glaubte, dass Jasper glücklich war, ließ mich das Gespräch mit seiner Lehrerin daran zweifeln. Warum sprach er mit mir nicht über seine Probleme?

Ich stand in meiner dunklen Küche und grübelte darüber nach, wie ich meinen Sohn besser unterstützen konnte, als plötzlich eines der Zimmer im Nachbarhaus mit Licht durchflutet wurde. Oh nein! Nicht schon wieder. Mein Herz setzte ein paar Takte aus und ich hielt unweigerlich die Luft an. Gleich würde es wieder passieren. Wie so oft in den letzten Wochen, konnte ich meinen Blick nicht abwenden. Ich betrachtete die Silhouette meines Nachbarn. Es war immer das Gleiche. Erst wurde das Licht eingeschaltet, einige Sekunden später konnte ich ihn sehen. Er zog sich aus. Und damit meinte ich alles. Ich konnte von hier drüben nicht alles genau erkennen, doch ich wusste, dass er einen unglaublich schönen Körper besaß. Ich fuhr mit meinen Augen die leichten Muskeln an Brust und Armen nach. Danach wanderte mein Blick weiter nach unten, doch wie jedes Mal war mir nach seinem Bauch die blöde Fensterbank im Weg. Was dachte ich hier eigentlich? Beschämt wandte ich mich früher als sonst ab und fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Ich stand wie ein verdammter Spanner hier herum. Wie alt mochte er überhaupt sein? Vielleicht um die sechsundzwanzig. Wer lebte denn in diesem Alter noch zu Hause? Ohnehin ging es da drüben zu wie in einem Taubenschlag. Man sah über die Jahre hinweg immer mal wieder neue Gesichter. Doch ich sprach nur das Nötigste mit ihnen. Außer sich zu Grüßen, hatten wir alle nicht mehr miteinander gesprochen.

Ich hatte grade die Dreißig geknackt. Es war ein sehr unspektakulärer Geburtstag gewesen. Jasper hatte mir einen Kuchen gebacken, versucht dreißig Kerzen auf dem Kuchen zu verteilen. Er war völlig missraten und eigentlich mochte ich auch gar keinen Kuchen, doch für den Kleinen war es das Wichtigste gewesen.

Langsam schlurfte ich in mein Arbeitszimmer. Ich musste unbedingt weiterarbeiten. Der Abgabetermin für den neuen Roman war bereits im Februar und ich war noch nicht sehr weit gekommen. Ich knipste die kleine Lampe über dem Schreibtisch an und schaute auf den Kalender. Morgen würde bereits der Dezember eingeläutet werden. Die Vorweihnachtszeit begann, Geschenke mussten besorgt werden. Das konnte ja heiter werden.

 

Am nächsten Morgen kam ich nur schwerfällig hoch. Die ganze Nacht quälte ich die Tastatur und ich wunderte mich, dass sie noch nicht hinüber war. Mein Magen grummelte und ich begab mich in die Küche, um in einen beinahe leeren Kühlschrank zu sehen. Na großartig. Auch das noch. Jasper, schoss es mir durch den Kopf. Ob der Junge noch was Brauchbares gefunden hatte? Über mich selbst den Kopf schüttelnd, begab ich mich ins Badezimmer, putzte mir die Zähne und nahm eine ausgiebige Dusche. Nachdem ich das erledigt hatte, zog ich mich an und ging Einkaufen. Zum Glück war es im Laden nicht allzu voll und ich kam sehr gut durch. Überall war es weihnachtlich geschmückt und ich verzog bei diesem ganzen Blinken und Glitzern das Gesicht. Was fanden die Menschen nur an diesem Fest? Glaubten sie tatsächlich an diesen Mist? Weihnachtsmann, Christkind, Jesus und vor allem an Gott? Ich konnte das nicht verstehen und noch weniger glauben.

 

Als ich vor unserem Haus parkte, überquerte mein Nachbar gerade die Straße. Oh nein. Wie oft stahl dieser Mann sich in meine Träume? Ich konnte es nicht mehr zählen. In meinem Inneren zog sich alles zusammen. Wie schön wäre es doch, in seinen Armen liegen zu können. Ihn zu berühren, meine Lippen auf seine zu legen. Das dieser Tag niemals kommen würde, war mir klar. Ich hatte ja kaum Zeit für meinen eigenen Sohn und außerdem wusste ich gar nichts über diesen Menschen. Ich atmete einmal tief ein und öffnete die Autotür. Schnell lud ich die Einkaufstüten aus dem Kofferraum und steuerte auf den Hauseingang zu. Nichts wie weg hier!

„Hallo Nachbar! Welch seltenes Gesicht.“, klang es hinter mir mit rauer Stimme. Eine Gänsehaut bildete sich und meine Armhärchen stellten sich auf. Er sah also nicht nur gut aus, sondern besaß auch noch eine unglaublich anziehende Stimme. Jetzt nur nicht durchdrehen. Und vor allem sollte ich mich zusammenreißen, um nicht dümmlich zu wirken. Ich stellte betont lässig die Einkauftüten auf den Boden und kramte in meiner Hosentasche nach dem Haustürschlüssel, während ich mich umdrehte. Hoffentlich merkte er nicht, dass mein Lächeln nur aufgesetzt war. In mir drinnen sah es dagegen ganz anders aus. Mein Herz bollerte in einem ungleichen Rhythmus und ich war völlig durcheinander. Ich musste daran denken, wie ich ihn gestern beobachtet hatte und schämte mich noch mehr. Er stand zum Glück noch auf der anderen Straßenseite, hob eine Hand zum Gruß. Ich tat es ihm gleich.

„Oh hey!“, brachte ich krächzend hervor. Meine Stimme zitterte und ich räusperte mich. Prima, lobte ich mich selbst. Das funktionierte alles ganz ausgezeichnet. Wo war der bescheuerte Schlüssel denn? Während ich verzweifelt versuchte, dieses bekloppte Ding zu finden, wurde ich immer nervöser. Denn mein Nachbar schien meine Antwort als Einladung interpretiert zu haben und kam, nachdem er sich zweimal an der Straße umgesehen hatte, auf mich zu. Na klasse! Schlimmer konnte es ja nicht mehr werden. Die Gesichtszüge entgleisten mir und ich konnte ihn nur blöde anstarren. Umso näher er mir kam, umso mehr verlor ich meinen Verstand. Dunkle Haare, die wuschelig auf seinem Kopf wuselten, ein fein geschnittenes Gesicht, ein leichter, dunkler Bartschatten. Er trug graue Arbeitsklamotten, von einer Schweißerfirma in der Nähe und schwarze Sicherheitsschuhe. Als er vor mir zum Stehen kam und ich in seine wundervollen grünen Augen sehen konnte, war es um mich geschehen. Mein Herz flog ihm einfach so zu. Ich konnte es nicht aufhalten. Puff. Da war es weg.

„Alles okay?“, fragte er mich ein wenig besorgt.

Ich erwachte aus meiner Starre, wusch mir verstohlen über die Mundwinkel und hoffte inständig, dass ich nicht am sabbern war.

„Äh, ja.“, gab ich dümmlich von mir und hätte mir am liebsten selbst in den Arsch getreten. Meine Finger ertasteten den Schlüssel und ich zog ihn seufzend heraus. War klar, dass dieses Mistding nur darauf gewartet hatte, mich in so eine Situation zu bringen.

„Ich dachte nur, ich hätte ihn vergessen.“ Ich hielt ihm das silberne Teil entgegen und drehte mich zur Tür, um sie zu öffnen.

„Ich bin Lian!“, fing er erneut an, als ich bereits mit einem Fuß im Haus stand. Versuchte er etwa ein Gespräch mit mir zu führen? Was wollte er denn? Ich entschied mich dazu, ihm noch meinen Namen zu nennen und danach so schnell es ging zu verschwinden. Ich war nicht gut darin, mich mit anderen Menschen zu unterhalten. Und schon gar nicht privat.

„Ilay.“ Ich schnappte mir die Einkaufstüten und wandte mich zum Gehen.

„Freut mich. Dein Sohn kommt ab und zu rüber. Zum Spielen meine ich. Dennis möchte am Wochenende ein paar Freunde zum Übernachten einladen und ich wollte fragen, ob Jasper auch kommen darf.“

Oh, so war das also. Mein Herz bekam einen kräftigen Dämpfer und es war, als würde er mit seinen klobigen Schuhen darauf herumtreten. Keine Ahnung was ich mir eigentlich erhofft hatte. Als Autor hatte ich schon so viele Geschichten geschrieben, doch in diesem Moment fiel mir nichts Besonderes ein. Ich nickte nur und machte mich an meinem völlig überladenen Briefkasten zu schaffen. Alles war besser, als diesen umwerfenden Mann noch weiter so blöd anzuschauen. Wahllos stopfte ich die Briefe und Zettel in eine der Einkaufstüten und hob beide Taschen hoch.

„Also dann…“, murmelte ich nur, ging rein und schloss die Tür hinter mir. Es tat mir im Nachhinein ein wenig leid, ihm so plump die Tür vor der Nase zugeschlagen zu haben. Doch ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Lian brachte mich völlig durcheinander, mein Gehirn arbeitete in seiner Gegenwart nicht richtig.

Ein bisschen schneller als gewollt, schleppte ich den Einkauf nach oben, stellte die Tüten auf die Arbeitsplatte und sah aus dem Fenster. Lian ging gerade über die Straße. Vor seinem Haus blieb er stehen und wandte seinen Blick in meine Richtung. Zumindest bildete ich mir das ein. Völlig ertappt duckte ich mich, schlug mir den Ellenbogen an einem der Griffe vom Schrank ein. Ich versuchte einen Schmerzenslaut zu unterdrücken und hielt mir meinen Arm. Verdammt noch mal! Ich sollte wirklich aufhören, diesen Kerl ständig zu beobachten.

Ein paar Minuten später hatte ich mich ein wenig gesammelt. Ich traute mich endlich aus meinem Versteck und machte mich daran, die Einkäufe in die Schränke zu räumen. Zumindest hatten wir jetzt wieder was da. Als nächstes waren die Briefe dran. Junge, waren das viele. Ich sollte den Briefkasten wohl mal öfter leeren. Ich sortierte sie erst einmal nach Briefumschlägen und offensichtlicher Werbung. Dabei fiel mir ein kleiner zusammengefalteter weißer Zettel ins Auge, den ich neugierig öffnete. Meine Augen wurden größer als ich die fein säuberlich aufgeschriebenen Buchstaben musterte. ´1. Türchen: Nimm deinen Sohn in den Arm!´, stand darauf geschrieben. Mehr nicht. Verwirrt faltete ich ihn wieder zusammen. Was sollte das? Vielleicht erlaubte sich grade jemand einen blöden Scherz mit mir. Und als erstes fiel mir Jaspers Klassenlehrerin ein. Doch wäre die wirklich so dreist?

Ich knüllte das Papier zusammen und wollte es gerade in den Mülleimer werfen, als ich in meiner Bewegung innehielt. Wann hatte ich Jasper überhaupt zuletzt in den Arm genommen? Letztendlich landete der Zettel nicht im Müll, sondern in meiner verschließbaren Schreibtischschublade.

 

Drei Stunden später kam Jasper nach Hause. Als ich ihn hörte, unterbrach ich meine Arbeit und ging zu ihm. Er stellte gerade seinen Ranzen ins Wohnzimmer, als er mich bemerkte und völlig überrascht zu sein schien.

„Oh, Papa! Musst du nicht arbeiten?“, fragte er mich.

„Doch schon.“

Jasper schaute mich weiter völlig verdattert an.

„Hast du Hausaufgaben auf?“

„Ja. Aber nicht viele. Darf ich zu Dennis rüber gehen und mit ihm Hausaufgaben machen?“

Ich nickte und sah mir meinen Jungen genauer an. Sein strohblondes Haar stand ihm wirr vom Kopf ab, seine strahlend blauen Augen hatte er von seiner Mutter geerbt. Er sah ein wenig dünn aus. Mir ging dieser verdammte Zettel nicht aus dem Kopf. Innerlich sträubte ich mich, zu tun was darauf stand. Wollte er das überhaupt? Er wirkte schon so groß. Nicht das ich ihm am Ende zu nahetreten würde. Ach, scheiß drauf! Mit zwei schnellen Schritten war ich bei ihm angekommen und zog meinen großen Jungen in die Arme. Mir schlug das Herz bis zum Hals und obwohl ich ihn als kleines Kind oft gehalten und in den Schlaf gewogen hatte, fühlte es sich jetzt ein bisschen komisch an. Komisch, aber dennoch gut.

„Papa? Ist alles in Ordnung?“, hörte ich seine murmelnde Stimme an meiner Brust. Ich ließ ihn los und versuchte mich an einem Lächeln.

„Na klar. Und jetzt Abmarsch. Die Hausaufgaben warten!“ Ich setzte einen strengen Ton an und Jasper nickte eifrig.

Als ich zurück in meinem Büro war, schloss ich die Tür hinter mir und atmete einmal tief ein und wieder aus. Irgendwie war mir die Sache von grade eben wirklich peinlich gewesen. Ich konnte mir nicht einmal erklären warum. Dieses Kind stammte aus meinen Lenden, er war mein eigen Fleisch und Blut. Und trotzdem fiel es mir so verdammt schwer, diese Nähe zuzulassen.

 

In den folgenden Wochen besuchte ich regelmäßiger meinen Briefkasten. Jeden Tag fand ich einen kleinen Zettel vor. Es standen verschiedene Botschaften darauf, doch sie hatten immer mit Jasper zu tun. Kauf ihm einen Adventskalender. Mach Jasper Frühstück. Schau einen Film mit ihm. Klopf Jasper auf die Schulter und sag ihm, dass er einen guten Job macht. Fahrt zusammen ins Kino. Besucht den Weihnachtsmarkt. Die Liste war mittlerweile lang. Doch jede Aussage war klar und deutlich. Die erste Woche fiel es mir wirklich schwer, solche Sachen für den Kleinen zu erledigen. Doch irgendwann erkannte ich, dass es mir immer leichter fiel. Ich kochte mittlerweile sogar jeden Abend und machte die Hausaufgaben mit ihm. Wir unternahmen sogar einen Großeinkauf für weihnachtliches Zeug, obwohl ich diesem nichts abgewinnen konnte. Ein Baum stand bereits in unserem Garten und wartete nur darauf, am heiligen Abend in unser Wohnzimmer einziehen zu dürfen. Es glitzerte nun nicht nur in meinem Haus, sondern auch in meinem Herzen. Jasper blühte auf, lächelte viel mehr. Ich lernte meinen Sohn erst jetzt so richtig kennen, erfuhr mehr über seine Freunde und Interessen. Ich wusste nun sogar, dass Lian der Onkel von Dennis war. Die Mutter von dem Jungen sich von dessen Vater getrennt hatte und deshalb wieder gegenüber wohnte. Die Familie schien wirklich groß zu sein. Doch der Rest interessierte mich eher weniger. Jasper erzählte mir viel von dem Mann, den ich insgeheim doch noch weiter aus meinem Küchenfenster beobachtete. Ich wollte das wirklich nicht, doch ich konnte nicht anders. Er zog mich magisch an und ich ging nun auch öfter auf die Straße. Immerhin musste der Bürgersteig auch mal gefegt werden. Ein paar Mal hatte ich das Glück, Lian zu erwischen. Unbeholfen wechselten wir ein paar Worte, doch auch das wurde besser. Doch mehr als die kleinen Gespräche auf der Straße gab es nicht. Es gab nicht einmal ein Anzeichen dafür, dass ich überhaupt eine Chance bei ihm hatte. Eigentlich wusste ich gar nichts über ihn und mein Herz wurde schwer.

 

Am 24. Dezember war es soweit. Heute würde ich vielleicht das Letzte mal einen dieser ungewöhnlichen Adventskalenderzettel bekommen. Ich wusste, dass ich sie nicht brauchte. Nicht mehr zumindest. Sie hatten mir eine Beziehung zu meinem Sohn ermöglicht, mir den nötigen Tritt in den Hintern verpasst. Und obwohl ich mir nun die Zeit mit Jasper nahm, kam meine Arbeit nicht zu kurz. Im Gegenteil. Der neue Roman schrieb sich beinahe wie von selbst, die Ideen sprudelten nur so aus mir heraus. Dieser ungewöhnliche Adventskalender hatte mein Leben in ein paar Wochen um hundertachtzig Grad gedreht. Zum Positiven. Da ich noch immer nicht wusste, wer mir diese Zettel in den Briefkasten geschmissen hatte, klebte ich am Abend zuvor einen von mir an den Kasten. ´Vielen Dank und schöne Weihnachten!´, stand darauf geschrieben. Da kein Name auf meinen Zettelchen vorhanden war, war ich mir sicher, dass diese Person nicht wollte, dass ich es wusste. Etwas anderes als danke zu sagen, war mir nicht eingefallen.

Ungeduldig schmiss ich mir direkt nach dem Aufstehen ein Shirt über und eilte ins Treppenhaus. Sonst war ich immer später dran, mit dem Ausleeren meines Briefkastens. Ich geduldete mich zumindest bis zum Mittag. Heute konnte ich es allerdings kaum abwarten. Ich war viel zu aufgeregt. War tatsächlich noch ein Zettel drin? Wurde meine Nachricht abgenommen? Überschwänglich riss ich die Haustür auf und blieb erschrocken wie angewurzelt stehen. Vor mir stand Lian, starrte mich bestimmt noch blöder an und bewegte sich nicht. Er hielt in der einen Hand meine Nachricht und in der anderen war er gerade dabei, etwas in meinen Postkasten zu werfen. Es dauerte einen Moment bis ich die Situation erfasst hatte, doch dann schlug es ein wie eine Bombe. Er schrieb mir Tag für Tag diese Briefe? Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder heulen sollte. Auf der einen Seite war mir klar, dass er meinen Sohn unsagbar gernhaben mochte. Aber auf der anderen Seite wusste ich auch, dass er von Jasper Dinge über mich erfahren haben musste, die bestimmt nicht so toll waren. Nicht umsonst bekam ich jeden Tag gute Ratschläge, wie ich meinem Kind ein besserer Vater sein konnte. Und diese Tatsache machte mich irgendwie wütend.

„Du also? Ich hoffe du hattest deinen Spaß! Ziel erreicht!“ Wütend schlug ich Lian die Tür vor der Nase zu, stiefelte mit trampelnden Schritten wieder nach oben und verkroch mich in meinem Arbeitszimmer.

In meinem Kopf kreisten die Gedanken umher, ich war verwirrt und konnte nicht glauben, dass er damit etwas zu tun hatte. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was Jasper dort drüben alles erzählt haben musste, damit Lian auf so eine blöde Idee kam. Gut, blöd war sie nicht. Im Gegenteil. Aber was mochte er nun von mir denken? Das ich ein schlechter Vater war, der seinen sechsjährigen Sohn wie einen Teenager behandelte und sich nicht richtig um ihn kümmerte. Was auch sonst. Wie es Jasper wohl in dieser ganzen Zeit gegangen sein musste?

Ich hatte keine Ahnung wie lange ich mich in dem Zimmer verkrochen hatte. Mein Sohn behielt den Anstand und ging mir nicht groß auf die Nerven. Ich verscheuchte ihn ein wenig grummelig, als er mich fragte, ob ich nicht auch etwas Frühstücken wollte.

Erst am Nachmittag kam ich wieder hervor. Obwohl mir gänzlich die Lust vergangen war, heute überhaupt irgendetwas zu feiern. Nur Jasper zuliebe bewahrte ich den Schein und schleppte diesen blöden Baum in die Wohnung. Es trällerten Weihnachtslieder durch die Wohnung und wir schmückten ihn. Danach bereitete ich das Abendessen vor. Jasper war sehr fröhlich, schien meine Stimmung nicht wirklich wahrzunehmen. Er plauderte wie ein Wasserfall und freute sich schon auf den Weihnachtsmann.

„Ich verspreche auch, dass ich im Zimmer bleibe!“, quakte er mit vollem Mund, als wir am Esstisch saßen. Er schluckte und bekam immer größere Augen. „Dennis hat gesagt, wenn man den Weihnachtsmann belauscht und nicht brav in seinem Zimmer bleibt, dann verpufft er!“ Jasper fuchtelte mit seinen Armen und simulierte dadurch wohl eine Explosion.

„Ach, ist das so?“, stellte ich mich dumm und stocherte lustlos in meinem Essen rum. Mir war alles vergangen und selbst ich hatte mir diesen Abend anders vorgestellt. Doch wie mein Sohn so vor mir saß, alle Tischmanieren vergaß und in seiner eigenen Fantasie lebte, machte mich doch irgendwie glücklich.

Auf meine Frage hin wurde eifrig genickt. „Ohja. Und die Geschenke sind dann auch futsch. Lian hat das Dennis erzählt. Und weißt du was?“

Schon bei seinem Namen stellten sich meine Nackenhaare auf, doch ich versuchte mich zusammenzureißen. Auffordernd sah ich ihn an.

„Lian hat gesagt, dass der Schlitten vom Weihnachtsmann eigentlich riesengroß ist. Aber er kann zaubern und alles kleiner machen. Sonst würde er die ganzen Geschenke nicht mitbekommen.“

Ich lauschte den Worten meines Sohnes und merkte plötzlich, wie glücklich er war. Lian hatte, obwohl ich es nicht wahrhaben wollte, gute Arbeit geleistet. Er hatte Jasper etwas Magisches geschenkt, ihm ein bisschen seiner Kindheit zurückgegeben. Eigentlich wäre es an mir gewesen, ihm diese Dinge zu bieten. Ihm den Glauben an etwas zu vermitteln. Lian war kein schlechter Mensch, stellte ich fest. Er hätte mir auch das Jugendamt auf den Hals hetzen können. Stattdessen entschied er sich für eine wirklich außergewöhnliche Variante, mich und meinen Sohn wieder zusammen zu führen. Ich ärgerte mich plötzlich, dass ich den letzten Zettel nicht gesehen hatte. Was mochte wohl darauf stehen?

Nachdem der Tisch abgeräumt war und Jasper mir freiwillig beim Aufräumen half, saßen wir einen kurzen Moment im Wohnzimmer zusammen, bevor ich ihn in sein Zimmer schickte. Da ich nicht gut im Schauspielern war und keinen Weihnachtsmann vorgaukeln konnte, drehte ich die Musik so laut, dass es mir in den Ohren klingelte. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie Jasper in seinem Zimmer aufgeregt hin und her hüpfte. Schnell holte ich die Geschenke aus meinem Büro und legte sie unter den Baum. Kurzzeitig überlegte ich, ob ich nicht doch noch in den Briefkasten schauen sollte, doch ich wollte Jasper nicht zu lange warten lassen.

Die Aufregung war groß. Noch nie in meinem Leben kam ich in den Genuss, solch leuchtende Kinderaugen zu sehen. Die Geschenke kamen sehr gut an und ich war froh, dass ich in diesem Jahr zumindest wusste, was er haben wollte. Als der Kleine mit seinen Legosachen, die überall auf dem Wohnzimmerboden verstreut waren, beschäftigt war, nutzte ich die Gelegenheit und schlich mich nach unten vor die Haustür. Eigentlich war ich mir sicher, dass Lian meine unhöfliche Geste abgeschreckt hatte. Doch es lag tatsächlich ein kleiner zusammengefalteter Zettel darin. Mit zitternden Fingern holte ich ihn heraus und öffnete ihn.

´Das letzte Türchen: Weihnachten ist das Fest der Liebe. Sag deinem Sohn, dass du ihn liebst!´

Und etwas weiter unten stand noch etwas, die Schrift war etwas unsauberer. So, als wäre es nachträglich draufgeschrieben worden.

´Ich werde um 22 Uhr vor deiner Tür stehen. Ich möchte es dir erklären. Lässt du die Tür zu, werde ich dich in Ruhe lassen. Lian´

Mein Herz setzte ein paar Takte aus und ich war völlig aufgeregt. Ich war gespannt was er mir zu sagen hatte, doch wollte ich es auch hören? Obwohl mein Herz das anders sah, machte ich mir immer noch Hoffnungen und ich fragte mich warum. Lian war bestimmt ein guter Mensch. Er wollte mir und Jasper helfen. Doch schwul war der Kerl bestimmt nicht! Lian war ein Frauenheld, wie er im Buche stand. Da hatte jemand wie ich sowieso keine Chance. Und ich würde einen Teufel tun und mich ihm zu erkennen geben. Wir mussten immerhin noch weiter miteinander auskommen und auf einen Nachbarschaftskrieg hatte ich definitiv keine Lust.

Eine halbe Stunde, bevor Lian sich angemeldet hatte, ging Jasper endlich ins Bett. Er war total aufgedreht, hörte kaum auf zu reden und zeigte mir mit vollem Eifer seine Geschenke. Ich deckte meinen Sohn zu und ließ das Rollo herunter. Als ich die Tür bereits erreichte, hielt ich noch einen Moment inne.

„Ich hab dich lieb, Jasper! Vergiss das nie!“

Als ich keine Antwort erhielt, drehte ich mich um. Mein Kind strahlte übers ganze Gesicht und ich hätte schwören können, dass Tränen in seinen Augen glitzerten.

„Ich hab dich auch lieb, Papa.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen verließ ich sein Zimmer. Obwohl ich es wirklich nicht gut fand, dass Lian derjenige war, der mir diese Briefe geschrieben hatte, würde ich mich wohl bei ihm bedanken müssen.

 

Unruhig lief ich in der Wohnung auf und ab, starrte bestimmt zum hundertsten Mal auf die Uhr. Noch zehn Minuten, fünf, zwei. Ich stellte mich vor den Spiegel und überprüfte meine Haare. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob ich diese Tür wirklich öffnen sollte. Doch was war schon dabei. Lian würde mir alles erklären, dann wieder gehen und wir würden alle unser eigenes Leben weiterleben. Es würde so sein wie vorher. Nichts weiter.

Um punkt zweiundzwanzig Uhr lief ich aufgeregt die Treppe herunter. Eine Hand lag bereits auf der Türklinke, doch ich zögerte.

Ich war so ein Feigling! Noch einmal atmete ich tief ein und wieder aus und gab mir dann einen Ruck. Ein bisschen zu schwungvoll riss ich die Tür auf, denn beinahe wäre sie mit voller Wucht gegen die Wand gekracht. Ich lief rot an, als ich Lians amüsiertes Grinsen sah. Das lief ja wieder ganz hervorragend.

„Komm rein.“, brummelte ich und führte ihn in unsere heiligen vier Wände. Im Wohnzimmer angekommen, blieb ich unschlüssig stehen. Lian befand sich genau vor mir, schaute mich an, aber sagte nichts. Es war mir sehr unangenehm. Wie empfing man überhaupt ordentlich Besuch?

„Äh, setz dich doch. Bier?“, fragte ich ein wenig unbeholfen.

Lian lächelte mich an, nickte und machte es sich auf der Couch bequem. Ich war froh, dieser unangenehmen Situation entkommen zu können und ging in Küche. Im Kühlschrank holte ich zwei Flaschen Bier hervor und prüfte zur Sicherheit noch einmal das Ablaufdatum. Zum Glück. Sie waren noch gut. Ich ließ mir ein bisschen mehr Zeit, brauchte einen Augenblick für mich. Ich war total angespannt und wusste nicht wohin mit mir selber. Ich sollte mich wirklich mal zusammenreißen!

„So? Hier ist es also?“, hörte ich Lian auf einmal hinter mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich spürte einen warmen Körper hinter mir und ich versteifte mich. Er war mir zu nah. Viel zu nah. Mich umzudrehen traute ich mich nicht. Mein Puls beschleunigte sich. Erst langsam sickerten seine Worte zu mir durch. Ich war verwirrt. Was meinte er nur? Lian war ein komischer Kerl. Konnte er nicht ein bisschen zur Seite treten?  

„Äh, ja. Die Küche…“, stammelte ich und entdeckte zum Glück ein Feuerzeug auf der Fensterbank. Mit zitternden Fingern versuchte ich damit eine der Flaschen zu öffnen, doch es gelang mir nicht.

Zwei starke Arme griffen um mich herum, mir wurden die Utensilien aus der Hand genommen. Lians Körper berührte nun meinen und ich konnte seinen unglaublichen Duft wahrnehmen. Er roch nach Zimt, Aftershave und einfach nach Lian.

„Siehst du mir von hier aus immer zu?“, hauchte er mir ins Ohr.

Klick. Die erste Flasche war auf. Ich schluckte hart. Fuck! Er hatte es also bemerkt! Was sollte ich denn jetzt machen?

„Sag schon.“, forderte der Mann hinter mir.

Mir ging echt die Muffe. Wie sollte ich mich hier nur wieder herausreden? Mir glühte der Kopf. Etwas peinlicheres war mir noch nie passiert.

„Ich…“, fing ich an, doch brach gleich wieder ab. Mein Hirn war wie leergefegt und ich fand keine passende Ausrede.

Lian löste sich plötzlich ein wenig von mir, das Licht wurde ausgeschaltet und dann war er schon wieder da. Er griff wieder um mich herum, nahm die zweite Flasche in Angriff.

„Du hast von hier aus wirklich eine gute Sicht.“, stellte er fest.

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht…“, stammelte ich wie ein blöder und bereute es ihn hier reingelassen zu haben. Hätte ich doch nur diese beschissene Tür zugelassen! Ich war nicht einmal imstande mich zu bewegen.

„Braucht es nicht. Es hat mir gefallen.“, wurde in mein Ohr geraunt und ich konnte seine feuchte Zunge spüren. Nur kurz, doch genug, um mir das Blut in die Lenden schießen zu lassen. Klick. Die zweite Flasche war auf. Lian zog sich ein wenig zurück, drehte mich plötzlich zu sich herum und war meinem Gesicht unglaublich nahe. Sein Atem traf warm auf mein Gesicht. Ich glaubte gleich umzufallen, sog automatisch die Luft in meine Lungen. Lian war bestimmt einen Kopf größer als ich. Ohne Vorwarnung griff er mir in den Nacken, zog mich zu sich und presste seine Lippen auf meine. Lian küsste mich fordernd, jedoch auch zärtlich und unglaublich sanft. Mein Körper reagierte ganz automatisch auf ihn. Gierig küsste ich ihn zurück, kam ihm meiner Zunge entgegen. Unsere Zungen kreisten umeinander, die Lippen gaben schmatzende Geräusche von sich. Ich schmiegte mich noch näher an ihn heran und konnte mein Glück kaum fassen. War das hier real? Wie sehr hatte mir so etwas gefehlt. Ich spürte Lians Hände an meinen Seiten. Sie strichen sanft über den Stoff meines Shirts, hielten mich dann an der Hüfte fest. Ein Schauer nach dem anderen jagte mir über den Rücken, als ich seine dicke Beule an meiner eigenen spüren konnte. Ich legte Lian die Arme um den Hals, saugte an seiner Unterlippe. Plötzlich und völlig unvorbereitet wurde mir eine Hand in die Hose geschoben. Ich keuchte auf, als ich die unglaublich sanften Finger um meinen Schaft spürte. Gemächlich wurde an mir gerieben, mein Atem beschleunigte sich. Ich tat es Lian gleich, öffnete mit einem Handgriff den Knopf seiner Hose und fuhr mit der Hand in seine Shorts. Überrascht stellte ich fest, dass er rasiert war. Das machte mich noch mehr an und ich begann, ihn ebenso zu dem Höhepunkt entgegen zu bringen, wie er mich. Wie zwei Verrückte rubbelten wir uns gegenseitig, küssten uns um den Verstand.  Ich spürte dieses besondere Kribbeln in mir aufsteigen und unterbrach den Kuss, nur um mein Gesicht in Lians Halsbeuge zu verstecken. Sein besonderer Geruch gab mir den Rest und er katapultierte mich stöhnend zu Sternen. Beinahe zur gleichen Zeit kam auch Lian, ergoss sich warm in meine Hand. Mir zitterten die Beine und ich atmete noch immer schwer. Ich schloss meine Augen, sog Lian tief in mich ein. Mein Herz raste, stolperte beinahe über sich selbst und ich hoffte, dass dies hier kein Traum war.

Plötzlich ging ein leichtes Beben durch Lians Körper und kurz darauf fing er verhalten an zu Kichern. Ein wenig verlegen und vor allem verwirrt zog ich die Hand aus seiner Hose, schaute ihm mit glühendem Kopf ins Gesicht.

„Was ist so witzig?“, grummelte ich und zog einen Schmollmund.

Schöne Bescherung!“, kicherte er noch immer, zog nun auch seine Hand aus meiner Hose. Er bekam sich kaum noch ein.

Ich starrte nur dumm und verstand ihn mal wieder nicht. Der Mann vor mir schien meine Unsicherheit zu bemerken und versuchte sich unter Kontrolle zu bringen, was ihm nach ein paar Minuten auch gelang. Irgendwie war ich ein wenig beleidigt.

„Ich bin so glücklich, Ilay.“, grinste er mich an. „So eine schöne Bescherung hätte ich mir im Traum nicht ausgemalt!“ Lian legte seine Arme um mich, drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

„Ich verstehe grade gar nichts!“, gab ich zu und merkte wie mir wieder die Röte ins Gesicht schoss.

„Ach, Ilay. Ich war mir gar nicht sicher, ob du mich wirklich von hier drüben beobachtet hast. Ich hatte so ein Gefühl, doch mehr nicht. Ich wollte dich schon so lange und als Jasper mit Dennis über dich gesprochen hat, konnte ich nicht anders und musste lauschen. Er schien ein wenig traurig zu sein und dich zu vermissen. Dann ist mir die Idee mit den Adventszettelchen gekommen. Ich hoffte, so endlich mit dir in Kontakt zu kommen, weil du mir sonst immer aus dem Weg gegangen bist. Dass du jetzt hier, so mit mir stehst, macht mich einfach glücklich!“

Oh! So war das also alles gewesen? Er hatte mich gar nicht gesehen und ich war auf seinen Trick hereingefallen. Doch es war ein schöner Trick, der mir den Mann, den ich sonst nur heimlich beobachten konnte, hierher gezaubert hatte. Ich grinste mittlerweile wie ein Honigkuchenpferd.

„Bin ich froh. Ich dachte, ich hätte gar keine Chance bei dir!“, gab ich ehrlich zu.

Lian lächelte nun sanft, legte seine Stirn an meine.

„Darf ich dich behalten?“, flüsterte er mir zu.

Mein Herz bollerte gegen die Rippen, die Mühe hatten, es in meinem Körper zu behalten.

„Wenn ich dich behalten darf, gerne!“

Ich spürte zur Bestätigung Lians warme Lippen auf meinen. Der Kuss war dieses Mal nicht fordernd, sondern enthielt ein Versprechen.

Ich war unglaublich glücklich, denn dieser wunderschöne Mann gehörte nun zu mir. Dies war auch für mich die schönste Bescherung an einem heiligen Abend!

 

Wie ich das allerdings Jasper erklären sollte, war eine andere Geschichte.

 

Ende

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei der Autorin
Bildmaterialien: pixabay
Tag der Veröffentlichung: 14.12.2019

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