Immer und immer wieder gehe ich den Plan im Kopf durch. Ins Einkaufszentrum, bis zur Mitte ,dann rechts in eine der Nischen stellen und fotografieren. Schnellen Schrittes gehe ich an gestressten Eltern, ungepflegten Jugendlichen und gelangweilten Rentnern vorbei. Kurz bleibe ich stehen und frage mich warum ich mir so einen Druck mache, ich habe den ganzen Tag Zeit. Um neun Uhr muss ich erst zurück sein. Ich gehe weiter, diesmal langsamer und auf meine Haltung achtend. Man, wenn mich hier irgendjemand sieht den ich kenne, dann… Egal. Meine Beine tragen mich bis zur Mitte und schon sehe ich die Nische, von der aus ich mein Foto machen werde. Die Kamera ist schwer und meine Hände sind schwitzig. Ich reibe meine Handinnenflächen an meiner Hose. Warum bin ich so nervös? Verdammt. Ich hocke mich langsam hin und schaue auf das Display. Einen Moment lang starre ich einem Mädchen hinterher, das so aussieht als würde ich es kennen. Ich hocke in meiner kleinen dunklen Nische und fange an mich langsam zu beruhigen, meine Gedanken verlangsamen sich in ihrer Hektik, mein Herzschlag beruhigt sich. Ich schließe die Augen, drehe den Kopf wieder zur Kamera. Meine Augen öffnen sich und ich schaue sofort auf das Display. Ein Junge ist darauf zu sehen, er starrt in meine Kamera. Erschrocken springe ich auf. Jetzt starrt er mich an. Und ich ihn. Eine halbe Ewigkeit schauen wir uns in die Augen. Ich lasse den Arm mit der Kamera sinken. Seine Augen sind auf meinen Mund gerichtet, mustern meine Schultern und überspringen elegant mit nur einem Funken von Aufmerksamkeit meinen Oberkörper. Er mustert meine Hose, meine Schuhe und schaut schließlich fragend auf meine Kamera. Ich stehe wie angewurzelt da, beobachte wie er mich beobachtet. Er hat die Hände in den Taschen seiner offenen dunkelblauen Filzjacke, mit diesen lustigen paarweise angeordneten schwarzen Knöpfen. Darunter trägt er nur ein schwarzes Shirt mit V-Ausschnitt. Seine dunkelblaue Röhrenjeans hat original die gleiche Farbe wie seine Jacke und seine Schnürsenkel in den grauen Schuhen. Während ich mir noch die Frage stelle wo man dunkelblaue Schnürsenkel herbekommt, hat er aufgehört mich zu begutachten. Unverwandt schauen mich seine grauen Augen an. Er lächelt leicht.
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Meine Gedanken fangen wieder an zu rasen. Kenne ich ihn? Was will der denn? Wie heißt er? Warum sieht er nur so verdammt gut aus? Braucht er Hilfe? Fragen die ich mir, nicht ihm stelle. Sein Lächeln wird breiter. “Hallo.” es ist nur ein Hauchen, das er von sich gibt. In diesem einen gehauchten Wort liegt soviel Zärtlichkeit, dass es mir die Sprache verschlägt. Ich nicke und packe meine Kamera mit den Gedanken abwesend ein. Gerade bin ich dabei mich wieder auf den Weg nach Hause zu machen, als ich feststelle, dass ich in einer kleinen dunklen Nische stehe und Mr. Supergutaussehend vor mir und somit vor dem Ausgang steht. “Entschuldige.” ich lächle ihn an während ich dicht vor ihm stehe und versuche mich an ihm vorbei zu schieben. Fast hätte ich angefangen zu kichern, denn sein fragender Gesichtsausdruck ist einfach so unglaublich niedlich und zuckersüß. Doch ich reiße mich zusammen und wende meinen Kopf nach vorn. Total perplex geht er einen Schritt zur Seite. Ich stolpere an ihm vorbei und schlage den richtigen Weg ein.
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Als ich am Ausgang ankomme, ziehe ich die Kamera aus der Tasche um mir die letzten Bilder anzuschauen. Das letzte Bild ist von ihm. Seine grauen Augen leuchten, das schwarze mittellange Haar fällt ihm in die Augen. Seine Lippen sind aufeinander gepresst… Ich seufze. Ja, jetzt habe ich ein Bild von einem Traumjungen, aber keins von meinem eigentlich geplanten Motiv. Schwerfällig drehe ich um und renne zurück. Nur ein Bild.
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Unaufmerksam stelle ich mich zur Hälfte in die Nische, gehe in die Hocke und drücke ab. Ein paar mal nacheinander. Ich höre wie sich mein Herz von dem kleinen Sprint erholt und atme laut aus. Kurz schaue ich mir die Bilder an. “Verdammt. Überbelichtet.” fluche ich vor mich hin. Wieder fahre ich das Objektiv aus und schaue auf das Display. Kurz bevor es aufleuchtet spiegelt sich die Welt in ihm. Sein Gesicht hinter meiner Schulter erschreckt mich. Ich fahre hoch und drehe mich um. Überrascht starre ich ihn an. Er hat sich ebenfalls aufgerichtet und lehnt nun lässig an der Wand. “Oh.” entfährt es mir.
Tag der Veröffentlichung: 26.08.2011
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