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Das Leben hat seinen eigenen Plan

„Es ist nicht leicht eine Frau zu sein. Nicht, wenn du intelligent bist und auch noch gut aus siehst.“,
es war ja nicht so als dass Katharina sich etwas darauf einbilden würde, eigentlich nahm sie es die meiste Zeit gar nicht wahr.
Sie war Anfang 30, schlank, hatte lange Haare und ein beinahe kindliches Gesicht. Sie hatte immer gewusst was sie wollte. Als Erstes wollte sie Erfolgreich sein, dann einen Mann finden, alles der Reihe nach. Nur leider war sie nicht ganz so erfolgreich wie sie es sich erhofft hatte. Auch alle ihre anderen Wünsche und Träume waren bislang auch nicht erfüllt worden. Sie war Single, und das jetzt schon seit einigen Jahren.
Wenn sie jemand darauf ansprach lachte sie und sagte: „Männer haben eben angst vor mir.“
Das war aber nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich war es eher so dass sie von den Männern auf Grund ihres Äußeren als kleines dummes Mädchen eingestuft wurde. Die, die sie vielleicht interessiert hätten unterschätzten sie, und die, die ihr Avancen machten mussten dann schnell merkte das sie ihnen überlegen war.
Außerdem musste es schon ein interessanter Mann sein, einer, der nicht langweilig wurde.

„Ich muss den ganzen Tag über stark und beherrscht sein. Ich muss Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Ich brauche jemanden bei dem ich auch mal schwach sein darf. Aber die Kerle brauchen alle nur ne zweite Mutti. Die sind mir nicht mal ebenbürtig. Geschweige denn, dass sie stärker sind als ich.“
Heike lächelte, sie kannte das Problem ihrer Freundin nur zu gut. Sie hatte sich gerade selber von einem dieser überflüssigen Zeitgenossen getrennt.
Die Freundinnen hatten eine Wohngemeinschaft gegründet, und weil Heike als Medium von zu Hause aus arbeitete, sah die Wohnung entsprechend aus.
„Ist doch eigentlich ganz Praktisch. Die Dummen lassen sich leichter manipulieren, und außerdem sind die glücklich wenn denen jemand das Denken abnimmt.“, ihre superblonden Haare sollten offensichtlich davon ablenken das sie ziemlich clever war.
„Aber ich will doch keinen Dummen!“, maulte Katharina und hatte das Gefühl, Heike hört ihr gar nicht richtig zu.
„Das weiß ich schon.“, korrigierte diese die Fehleinschätzung ihrer Freundin, „Aber so ganz allein ist doch auch nicht gut.“
Katharina musste kurz darüber nach denken. Wie sehr wünschte sie sich jemanden an den sie sich anlehnen konnte. Jemand, der zu ihr gehörte. Aber sie war sich sicher, das ginge nur, wenn er ihr zumindest ebenbürtig war. Nein, irgend einer kam für sie nicht in Frage.
„Vielleicht bin ich einfach zu wählerisch.“, überlegte sie.
„Irgendwo findet sich schon der Richtige.“, beruhigte Heike ihre melancholische Freundin.
„Nun die Welt ist ja groß genug, aber bei der Weltbevölkerung?!? Wo soll ich denn da mit der Suche beginnen?“, versuchte Katharina dem ganzen etwas heiteres abzugewinnen.
„Hab vertrauen in das Universum!“, bekräftigte Heike ihre Meinung und hielt Kat ein aufgefächertes Tarot-Spiel hin.
Sofort zog sie eine Karte, so wie sie es immer tat.
„Na siehst du“, lächelte die Freundin als sie sich das Bild darauf an sah, „Alles wird gut.“
„Fragt sich nur wann.“, spottete Katharina, Heike irrte sich nur selten, aber sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben das es irgendwo jemanden geben könnte der auch nur ansatzweise annehmbar war.

Einige Tage später war Katharina im Büro. Sie war Anwältin und arbeitete für eine große Kanzlei. Leider Honorierten die Bosse ihre Arbeit nicht sonderlich und Kat hatte sich entschieden zu kündigen und sich nach etwas neuem um zu sehen. „Stillstand ist der kleine Tot, hieß es doch irgendwo mal.“ Es war Zeit für Veränderungen, ganz egal wohin sie auch führten.
Durch die großen Fenster konnte man den sonnigen Frühlingstag erahnen und die Mitarbeiter waren bester Laune und freuten sich auf ihre Mittagspause.
Katharina wandte sich an ihre Kollegin Astrid, „Na gut, ich bin dann jetzt auch unterwegs. Wir sehen uns nachher.“
Astrid lächelte ihrer Kollegin nach, „Gehst du wieder Joggen?“
„Klar.“, erwiderte Kat und schob ihre Sonnenbrille den Nasenrücken hinauf, „So ein tolles Wetter muss man doch nutzen.“
„Recht hast du.“, lachte Astrid, „Du musst es nutzen solange es noch geht. Wenn du uns verlässt hast du Mittags vielleicht keine Zeit mehr für dein Hobby.“
Katharina war schon halb aus dem Raum, da erinnerte sie die Kollegin, „Ach Kat, denk dran das wir um Drei noch diesen Termin außer Haus haben.“
Katharina sah kurz auf die Uhr, „Kein Problem, bis dahin bin ich locker zurück.“, und verschwand.

Kurz darauf war sie auch schon im nahegelegenen Wäldchen.
Das Wetter war wirklich herrlich und Katharina fing sofort an ihre Runden zu laufen.
Eigentlich waren diese vielen Freiheiten der einzige Grund gewesen so lange in der Firma zu bleiben.
Trotzdem freute sie sich schon auf einen Neuanfang. Wo der sein würde wusste sie allerdings noch nicht. Aber das war auch egal.
Anscheinend lockte das Wetter viele ins Freie. Mütter mit ihren Kindern, andere Jogger und Fahrradfahrer waren unterwegs. Auch Frau Schmitz, die ältere Dame die Kat so gern hatte, wurde mal wieder von ihrem kleinen Kläffer gassi geführt.
„Hallo Kathi. Auch wieder da?“, winkte die alte Dame freudig in ihre Richtung.
Kat drehte sich zu ihr um und lief ein Stück rückwärts weiter, „Ah, Frau Schmitz. Wie geht es ihnen? Mit dem Knie wieder alles OK?“
„Ja, ja. Danke. Es geht schon wieder.“, erwiderte diese und wurde beinahe ängstlich als sie mit ansah wie Katharina einem Fußgänger gefährlich nah kam, „Kind, pass auf!“
Katharina reagieren sofort und schaffte es gerade noch mit einer eleganten Drehung auszuweichen.
Der junge Mann, der ihr entgegen kam war in ein Telefonat vertieft und bemerkte eigentlich gar nicht dass sie ihn beinahe umgerannt hätte.
„Ja, Chis. Hallo, denkt ihr dran dass ihr ….“, er blinzelte nur durch seine Sonnenbrille hindurch und war auch schon wieder weg.
Kat zuckt mit den Achseln, „Und mit 40 den ersten Herzinfarkt. Das muss doch wirklich nicht sein.“

Wieder in der Kanzlei kam ihr auch schon Astrid mit einem Stapel Akten nachgelaufen.
„Kommst du heute Abend eigentlich wieder mit zum Karaoke?“, fragte sie während sie die Akten auf Kats Schreibtisch ablegte.
„Als ob ich da nein sagen könnte.“, lachte Kat, denn das Singen war eines ihrer geheimen Hobbys.
Sie war darin ganz gut, zumindest nicht schlechter als der Durchschnitt, und ihre Freunde waren ganz begeistert von ihren Darbietungen.
„Und“, wollte Astrid unbedingt wissen, „bringst du dieses mal jemanden mit?“
„Wen denn?“, erwiderte Katharina knapp.
Astrid sah sie verständnislos an, „Du bist jeden Tag im Park. Trifft man denn da niemanden.“
Kat hasste diese Fragen, und deshalb kam ihre Antwort entsprechend schnippig daher.
„Abgesehen von den Omis und Opis die da ihre Runden drehen sieht´s aber Dürftig aus.“
Astrid ließ nicht locker, „Du übertreibst.“
„Nein!“, Kat dachte kurz nach, „Na ja, einen hät´ ich fast über den Haufen gerannt.“
Die Kollegin sah einen Hoffnungsschimmer, „Na einer reicht doch.“
Kat hasste es sich zu wiederholen, „Ich will doch nicht irgend wen.“
Aber Astrid hörte ihr gar nicht zu, „Und wie ist er so?“
Kat sah sie verständnislos an.
„Wer? Ach so … Ich bin doch bloß an ihm vorbei.“
Sie versuchte sich zu erinnern, „Obwohl, eigentlich war er ganz niedlich. Auch wenn man mit der Sonnenbrille ja nicht viel von ihm gesehen hat.“
„Sagt die Richtige.“, lachte Astrid und zog Kat ihre Sonnenbrille runter, „So kann das ja nichts werden.“
„Heee, was soll das.“, Kat wurde langsam genervt von der penetranten Art ihrer Kollegin.
Aber diese legte noch einen nach, „Du hast ab sofort Sonnenbrillenverbot.“
„Das geht nicht, die ist mit Stärke.“, erwiderte Kat irritiert.
„Dann besorg dir Kontaktlinsen. Ist doch ne Schande. Kein Wunder das du Single bist.“, schloss Astrid das Gespräch und Kat war froh dass sie noch eine ganze Menge Arbeit vor sich hatten die jedes private Gespräch unterband.

Am Abend machte sich Katharina auf den Weg in ihr Stammlokal. Noch auf dem Weg dort hin traf sie Astrid samt ihrem Mann. Die Kollegin winkte Kat schon von weitem heftigst zu.
„He, da bist du ja. Wir haben uns schon die ganze Zeit über dich unterhalten.“, schrie Astrid quer über den Platz.
Kat war erstaunt, „Wie bitte? Was ist denn eigentlich …?“, ihr blieb die Frage förmlich im Halse stecken. Au Backe das war er doch, der Kerl aus dem Wald.
Sie sah ihn irritiert an.
„Na klar. Ich hab ihm von dir erzählt. Er ist doch Musikproduzent.“, erklärte Astrid.

Kat konnte es kaum fassen. Was war hier nur los?
Und auch er erkannte sie sofort wieder. Beide lächeln verhalten.
„Immer dann, wenn man ein Loch zum drin versinken braucht ist gerade keines da.“, seufzen Kat innerlich, „ Ein wirklich großes Loch.“
Langsam kam sie der Gruppe näher, und weil es die Höflichkeit gebietet sahen sie sich beim kennen Lernen in die Augen.
Es war merkwürdig, es fühlte sich so vertraut an, so als würden sie sich schon ewig kennen.
Außerdem empfand sie seine Augen als außergewöhnlich schön.

Irgendwann, Kat konnte gar nicht sagen wie lange sie ihn angestarrt hatte oder ob sie dabei geatmet hatte, drang Astrids Stimme zu ihr durch, „… und deshalb ist er momentan hier.“
Kat sah ungläubig zu ihrer Kollegin herüber und war sich immer noch nicht sicher was gerade passiert war.
Er harkt höflich nach, „So, und du singst also?“
Kat versuchte das Thema zu wechseln, „Ach, nicht so wichtig. Nur Hobby.“
Irgend etwas hatte er an sich, etwas das sie faszinierte. Außerdem war es nicht ihre Art eigentlich fremde Menschen mit solchen Dingen zu behelligen.

Leider fand Astrid kein Halten bei diesem Thema und der arme Kerl sah angesichts Astrids Redeflut etwas eingeschüchtert aus und hätte definitiv lieber über etwas anderes oder gar nicht reden.
Im folgenden Gespräch entpuppte er sich als äußerst intelligent und Kat fand, dass sie einen sehr ähnlichen Humor hatten. Und das kam nun wirklich nur selten vor, immerhin legten die meisten Menschen einen eher dümmlichen Witz an den Tag.
Irgendwann geht aber jeder schöne Tag zu Ende und auch diese Begegnung neigte sich dem Ende. Sie verabschiedeten sich.

Wieder in ihrer Wohnung redete Heike gerade mit einer junge Frau.
Katharina winkte nur kurz und ging dann in die Küche um ab zu warten bis die Klientin ihrer Freundin fertig war.
Heike begleitete die junge Frau an die Tür und verabschiedete sie.
„Danke das sie sich noch schnell die Zeit für mich genommen haben.“, bedankte sie sich bei der Hellseherin, „Das war mir sehr wichtig.“
„Keine Ursache.“, lächelte Heike, „Ich wünsche ihnen für morgen viel Erfolg.“
Heike schloss die Tür und lehnte ihren Kopf dagegen. „Von wegen kurz.“, seufzte sie.
Katharina konnte sich die Frage nicht verkneifen, „Was wollte sie denn. So mitten in der Nacht!?“
„Ach, sie hat morgen ein wichtiges Gespräch und wollte noch ein paar letzte Ratschläge.“
„Von einem Medium?“, Kat hatte ja schon viel miterlebt.
„Unterschätze das Wissen der Geister nicht.“, lachte Heike und Kat war sich nicht sicher ob ihre Freundin sich selbst überhaupt ernst nahm.
„Aber einen guten Rat könnt ich auch gebrauchen.“, murmelte Kat.
Heike sah ihre Freundin neugierig an, „Ist was passiert?“
„Das weiß ich noch nicht.“, entgegnete Kat. Und sie war sich wirklich nicht sicher.
Das Medium erkannte Kat kaum wieder, „Na da bin ich jetzt aber gespannt. Erzähl!!“
Kat seufzte und versuchte es in Worte zu fassen, „Ich weiß nicht wo ich da anfangen soll. Es war so viel auf einmal.“, sie lächelte, „Astrid hat da diesen Chris aufgetan. Und er ist … es war irgendwie eigenartig.“
„Wieso eigenartig?“
Katharina lächelte, „Es ist fast so, als hätte ich etwas gefunden von dem ich nicht wusste das es mir gefehlt hat. Verstehst du?“
„AHA! Du hast dich verknallt.“, gab Heike knapp zurück.
„Nein! Nein, nein, das ist es nicht. Das würde sich anders anfühlen. Es ist … ach keine Ahnung. Es ist kein Gefühl, noch nicht einmal ein Wort. Es sind so Kleinigkeiten die mich an mich selber erinnern. So, als würde ich in einen Spiegel sehen.“, Kat erkannte die Verrücktheit in ihrer Aussage, „Wie der böse Zwilling aus einem Paralleluniversum“, ergänzte sie lachend.
Heike hielt ihr spontan die Tarotkarten hin und Katharina zog eine.
Heike zog eine Augenbraue hoch. „Du redest von deinem Seelenverwandten. Deiner Zwillingsseele.“
„Meinem was?“, Kat war irritiert.
„Also pass auf, das kommt aus der Antike.“, begann die Hellseherin zu erklären, „Es heißt, das als es nur wenige Menschen auf der Erde gab, jede Person eine Zwillingsseele besaß. Und alle waren glücklich und zufrieden. Aber als es mehr Menschen wurden mussten sich die Seelen trennen, damit jeder Körper eine Seele bekam. Und deshalb ist jeder Mensch auf der Suche nach seinem vermissten Partner.“
Katharina sah ihre Freundin an, „Das ist traurig.“
„Ja, es passiert nur selten das sich wirklich zwei dieser Seelen wiederfinden.“, fuhr die Freundin fort.
„Und deshalb fühlt es sich so an als würde ich ihn schon ewig kennen!?“
Heike nickte, „Das ist klasse. Du hast doch seine Nummer, oder!?“
Katharina sah ihre Freundin entsetzt an, „Nein! Das ging doch nicht.“
„Warum nicht?“, gab das Medium erstaunt zurück , „Ich dachte er hat dir gefallen.“
Kat schaute traurig zu Boden, „Das ist kompliziert.“
„Kompliziert?“, meine Güte, die Menschen machen aber auch immer alles schlimmer als es ist.
Kat hätte ihn bestimmt gerne wieder gesehen, aber „Es ist … wegen Astrid … Sie hat ihm bühwarm erzählt das ich Singe. Na gut, sie konnte ja nicht ahnen das … aahh! So was hät´ ich ihm nie erzählt. Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Zumindest sollte es das nicht. Das ist echt ätzend.“, sie seufzte und ergänzte traurig, „Ganz egal was ich gesagt hätte, er hätte es mir ja doch nicht glauben.“
Heike drückte ihre Freundin herzlich, „Ach Süße.“

Katharina war immer noch ganz aufgelöst. Sollte sie jetzt plötzlich etwa esoterisch werden und an so etwas wie das Schicksal glauben?
Und warum hatte es ausgerechnet jetzt zugeschlagen wo sich alles in Umbruch befand. Konnte das Schicksal nicht warten bis sich alles beruhigt hatte? Obwohl, vielleicht wäre sie ihm dann nicht über den Weg gelaufen, wer weiß.
Heike holte Kat aus ihren Gedanken, „Wie sieht er denn aus, dein Chris?“
Kat musste erst einmal darüber nach denken. Sie war so sehr mit der gesamten Situation beschäftigt gewesen dass sie darauf gar nicht geachtet hatte, „Keine Ahnung, ist das denn wichtig?“
Heike lachte, „Ich bin einfach nur neugierig.“
„Hm. Schwer zu sagen.“ begann Kat, „Etwas größer als ich. Blond? Dunkelblond, denke ich.“
„Denkst du?“
Katharina lächelte, „Was ich weiß ist, das er intelligent ist. Nach zwei Sätzen wusste ich, das wir einen sehr ähnlichen Humor haben. Und er ist definitiv sensibler als es ihm selber gefallen dürfte.“, mutmaßte sie. „Es ist das erste Mal das ich denke das es da jemanden gibt der genau so ist wie ich. Dieses Gefühl kenne ich gar nicht. Aber Vielleicht bilde ich es mir ja auch nur ein.“
Heike hielt die Karten und Kat zog, „Und wenn nicht?“, wand das Medium ein.
„Das lässt sich ja heraus finden. Ich weiß doch wo ich finden kann.“, grinste die junge Anwältin und freute sich schon auf den nächsten Tag.


Runde 1

Am nächsten Tag in der Kanzlei musste Kat unbedingt noch mal mit Astrid reden.
„Wie ist er überhaupt darauf gekommen dir von sich zu erzählen?“
Astrid grinste, „Ganz einfach! Ich hab gefragt.“
Kat war fast neidisch auf dieses rücksichtslose Selbstbewusstsein, „Ich wünschte, ich könnte das! Ich tu mich immer schwer mit so was.“
„Das ist eigentlich halb so wild.“, wollte die Kollegin fort fahren, bemerkte aber Katharinas angespannten Gesichtsausdruck. „Ist was?“
Kat traute sich fast nicht zu fragen, „Sag mal, hab ich mir das eingebildet?“
Astrid wusste sofort was sie meinte, „Ne, ne. Er hat schon ganz interessiert geguckt und ist langsam näher gerückt.“
Kat atmete erleichtert auf.
„Aber mal was anderes“, ergänzte Astrid, „Irgend etwas ist doch mit dem. Oder?“
Katharina sah ihre Kollegin erstaunt an, „Ist dir auch aufgefallen, ja!? Nach allem was er so erzählt hat tippe ich mal auf Burn-Out oder Depression. Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist er unterfordert..“
„Du findest ihn wirklich Gut, oder!?“, grinste Astrid, „Einfach so PENG! Das ist ja wie ...“
„Sag´s nicht!“, unterbrach Kat die Ausführungen, „Jetzt muss ich ihn nur noch allein erwischen und ans reden kriegen. Das könne interessant werden.“

Aber genau das sollte sich im Nachhinein als der schwierigste Teil herausstellen. Im Gegensatz zu Frauen reden Männer nicht, vor allem nicht über sich selbst oder ihre Gefühle.

Am Mittag zog Kat ihre Joggingschuhe an und machte sich auf den Weg. Vielleicht war er ja auch wieder da. Es war doch ein schöner Tag und vielleicht wollte auch er ihn nutzen.
Doch ihre Erwartungen wurden jäh enttäuscht, denn Chris hatte sich entschieden lieber Querfeld ein zu laufen.
Kat beobachtete ihn nachdenklich, „Warum schleicht der denn durchs Gemüse? Obwohl, an seiner Stelle würd ich auch keinen sehen und hören wollen.“
Er sah kurz zu ihr rüber und stapfte dann unbeirrt weiter.
Es war kaum zu übersehen. Sie hatte es letztes Mal schon registriert, aber dieses Mal war es noch deutlicher. Es ging ihm nicht gut.
Kat seufzte, „Jetzt mach ich mir schon sorgen um Menschen die ich eigentlich gar nicht kenne.“
Auch wenn ihr der Gedanke nicht gefiel, vielleicht hatte Heike recht.
Sie entschied erst einmal ihre Runde zu ende zu laufen. Morgen war ja auch noch ein Tag, und übermorgen, und über-übermorgen …

Als Kat nach Hause kam konnte es Heike kaum erwarten die Neuigkeiten zu erfahren, „Und, habt ihr miteinander reden können?“
„Nein.“, war Kats knappe Antwort.
„Warum nicht, ist er jetzt plötzlich stumm geworden?“
„Nein, aber es hat sich keine Gelegenheit ergeben.“, sagte Kat bedrückt.
„Aber DA war er?“
„Ja schon, aber ich glaube nicht dass er auf irgendjemanden treffen wollte. Ansonsten geht man doch nicht Querfeldein.“
„Dann hat er sich da aber das falsche Plätzchen für ausgesucht“, lachte Heike, „Was ist denn das für einer.“
„Lass das.“, Kat hatte plötzlich das Bedürfnis für ihn Partei zu ergreifen, „Er hat sicherlich mehr als einen Grund. Außerdem sah er ziemlich Müde aus.“
Sie hielt kurz inne und ließ das Bild noch mal vor ihrem inneren Auge Revue passieren, „Warum tut es nur so weh ihn so zu sehen?“
Sie sah zu der Hellseherin hinüber, „Ich verstehe ja das er unterfordert ist, und das kratzt sicherlich an seinem Selbstwertgefühl. Aber das ist doch kein Grund gleich den Kopf in den Sand zustecken.“
„Also Erstens rätst du nur was eigentlich los ist“, und Kat musste zugeben das ihre Freundin da recht hatte, „Und Zweitens definieren sich Männer eben stark über Statussymbole: Job, Haus, Auto.
Wenn da etwas nicht so ist wie sie es gerne hätten sind sie … sagen wir … gehemmt.“
Katharina wurde beinahe zickig, „Bei mir ist auch nicht alles so wie ich es gern hätte. Auch ich hatte einen Plan, einen Lebensplan. Und nichts von alle dem ist bis jetzt eingetreten. Aber das ist OK, weil ich ansonsten jetzt nicht hier wäre. Und dann hätte ich ihn nicht getroffen.“
Heike stimmte ihr zu, „Ganz genau! Aber du bist ja auch kein Mann. Was glaubst du wohl woher das kommt, das die besten Männer immer die schrecklichsten Frauen haben.“
„Ja, der ist auch so ein Kandidat.“, überlegte Kat traurig.
„Außerdem bist du eben sehr mitfühlend.“
„Ja, das war ich schon immer“, erkannte Kat, „Aber das hier ist irgendwie doch noch anders. Ich mache mir ehrlich sorgen um ihn.“
„Aber natürlich tust du das.“, lachte die Hellseherin, „Wenn dein Seelenzwilling leidet tust du das natürlich auch.“
Kat mochte das jetzt gar nicht hören, „Lass das, das ist nicht witzig.“
„Ich mache keine Witze. Es gibt solche Verbindungen, glaub mir.“
Kat fasste sich an die Brust und konnte das Gefühl nur schwer ertragen, „...eine tiefe Verbindung.“
Heike nickte.
„Es ist unerträglich.“, erklärte Katharina traurig, aber Heike winkte ab.
„Nur momentan.“
„Kann ich es nicht einfach vergessen und so weiter machen wie bisher?“, flehte Katharina.
Heike sah ihre Freundin neugierig an, „Willst du das denn?“
„Im Moment?“, überlegte diese, „Nein, das könnte ich wahrscheinlich nicht. Aber es wäre leichter!“

Katharina schlief nicht gut. Schon seit Tagen nicht. Sie musste endlich einen Weg finden mit ihm zu reden, so ging das nicht weiter. Vielleicht würde sie ja nach einigen Sätzen merken das sie falsch lag und ihr Leben würde sich wieder normalisieren. Aber momentan kreisten ihre Gedanken alle um dieses eine Thema. Ob Heike wohl recht hatte? Und wenn ja, was wäre wenn sie ihn nie wieder sehen würde. Astrid hatte so etwas erwähnt das er schon bald abreisen würde. Und dann? Sie wäre nicht mehr hier wenn er zurück käme. Und dann hätten sie vielleicht eine großartige Chance vertan, selbst wenn sie vielleicht nur gute Bekannte würden.


Runde 2

Einige Tage vergingen und Katharina fühlte sich beinahe normal. Sie hatte Chris lange nicht gesehen. Entweder sie hatte Mittags keine Zeit gehabt, oder er war nicht da gewesen.
Es verhieß mal wieder ein schöner Tag zu werden und Kat hatte sich entschieden dem Rat ihrer Kollegen und Freunde zu folgen und sich, obwohl sich das ihrer Meinung nach widersprach, für den Wald nett her zu richten.
Sie hatte den Gedanken eigentlich schon fast aufgegeben da stand er plötzlich vor ihr.
„So, du joggst also?“, kam sein verhaltener Versuch einer ungezwungenen Konversation.
Kat war natürlich bewusst das diese Unterhaltung alles andere als einfach würde. Nachdem sie einen wirklich miesen Start hingelegt hatten, der dank Astrids Ausführungen noch komplizierter war als er es ohnehin gewesen wäre, mussten sie sich erst einmal vorsichtig an einen Normalzustand herantasten.
„Ja, als Ausgleich für die Arbeit in der Kanzlei.“ antwortete Kat nicht zuletzt um noch mal zu betonen dass sie ja schon einen interessanten Job hatte und keinerlei Interesse ihrerseits bestand ihn zu behelligen und sämtliche Spekulationen ihre möglichen Absichten betreffend falsch sein mussten.
„Kanzlei ...“, echote er und Katharina fand das wahnsinnig süß.
Sie war also nicht die Einzige die das Gefühl hatte das ihr Hirn gerade im Urlaub war.

Beide waren wie starr und das Gespräch zerrte erbarmungslos an den Nerven. Es wurden Hauptsätze gewechselt und Katharina war froh dass sie dabei alleine waren, denn jeder Außenstehende hätte vermuten müssen das sie nicht bis 3 zählen könnten.
Als sie sich verabschiedeten war Kat irgendwie erleichtert das es vorbei war.
Aber es war ein Anfang gemacht, darauf konnte man doch aufbauen.

Alle ihre Gedanken kreisten wieder nur um dieses eine Thema. Auch abends war sie immer noch ganz durcheinander, „Ich weiß es immer noch nicht. Eigentlich bin ich ganz gut im Cold Reading, aber bei ihm bin ich mir einfach nicht sicher.“
„Ganz klar, du bist ja auch nicht objektiv.“, erklärte Heike, „Sieh mich an. Ich hab mich auch für den Falschen entschieden, und ich sollte es nun wirklich besser wissen.“
„Ich denke immer noch das ich es mir einbilde, vielleicht, weil ich es einfach gerne so hätte.“, mutmaßte Kat.
Heike ließ sie erneut eine Karte ziehen, „Nach allem was du so erzählst kann ich mir das kaum vorstellen. Wenn du ihm egal wärst könnte er sich doch trotzdem normal mit dir unterhalten.“
Kat wollte ihr so gerne glauben, „Bei Männern weiß man das nie so genau.“


Runde 3

Nachdem nun klar war das sie sich doch einigermaßen Normal unterhalten konnten wollte Kat genau das tun.
Heute war in der Kanzlei relativ wenig zu tun und Katharina freute sich auf ihre Pause.
Sie hätte heute etwas mehr Zeit als gewöhnlich, dass musste sie doch nutzen.
„Na wie weit bist du mit deinem Unbekannten?“, nervte Astrid während Katharina sich nicht sicher war was sie überhaupt zu ihm sagen wollte.
„Der macht es wirklich spannend. Irgendwie erinnert es mich an der Alte Mann und das Meer!“, seufzte Kat und versuchte zu lachen.
„Na dann, Petri Heil“, gab Astrid zurück und Kat machte sich auf den Weg in den Park.

Sie drehte ihre Runde, aber weit und breit kein Chris. Weil sie aber eine menge Zeit hatte drehte sie noch eine, und noch eine, und … ja, da kam er ja doch noch um die Ecke.
Leider würdigte er ihren Einsatz auf keinste Weise und rannte mit einem knappen, „Hi“, an ihr vorbei und verschwand. Kat sah ihm irritiert nach.
Kurz darauf lief er wieder in die andere Richtung, „Muss noch weiter.“, kam ihr entgegengeflogen und er bog links in einen kleinen Weg ab.
Kar stand da und musste erst einmal verstehen was da gerade passierte.
„Das ist doch ne Sackgasse. Ob er das nicht weiß?“, überlegte sie.
Oder wusste er es doch. Kat hätte lachen wollen, der versteckte sich doch nicht etwa vor ihr?
Was bitte bringt einen erwachsenen Menschen dazu sich hinter ein Gebüsch zu stellen, vorausgesetzt es ist kein Spanner, und zu hoffen das sie verschwindet!?
Weil ihr das doch zu doof war wollte sie gerade gehen, da fiel ihm anscheinend selber auf das er dort nicht weiter kam, oder er dachte sie war bereits weg. Auf jeden Fall kehrte er noch einmal zurück.
Wenn Heike recht hatte dann musste er es doch auch gemerkt haben, dass sie sich ähnlich waren und sie etwas verband. Aber warum stellte er sich dann taub und blind?
Kat hielt lieber Abstand, sie verstand die Welt nicht mehr.
„Henna Hito“, ging ihr durch den Kopf. „Eigenartiger Kerl, was hat er bloß?“
Er sah verwirrt zu ihr rüber. Wahrscheinlich dachte er darüber nach was sie da tat, warum sie so eigenartig guckte und überhaupt, was wollte sie eigentlich.
Kat fand, das eigentlich nur noch die Blütenblätter im Wind gefehlt hätten, dann wäre das wirklich ein perfektes Bild gewesen.
„Verdammter Vollidiot, ich bin doch auch nicht gut in so was.“
Was um alles in der Welt war in den zwei Tagen passiert zwischen dem mehr oder weniger normalen Gespräch der beiden und heute?
„Das ist doch wieder so ne typische Männersache die ich nicht verstehen kann.“
Sie wusste wirklich nicht was sie jetzt tun sollte. Warum war es jetzt wieder so viel schwieriger als das letzte Mal?
Er müsste es doch eigentlich besser wissen. Das Leben lässt sich nicht wiederholen.

Na schön, sie hatte ihm förmlich aufgelauert, aber das wusste er ja nicht.
„Der muss mich auch für nicht ganz dicht halten.“, dachte sie, „Oder ob sein Kopf gerade genau so leer ist wie meiner!?“
Katharina war zum heulen zu mute, „Wenn das jetzt eine Geschichte wäre die irgend jemand schreibt dann gäbe es einen Ausweg. Irgend etwas würde passieren. Vielleicht würde ich mich doch trauen hin zu gehen und ihn zu Fragen was los ist und er wäre vielleicht sogar froh darüber. Aber wahrscheinlich würde er mich jetzt nur weg schicken und gar nichts mit ihr zu tun haben wollen.“
Das tat weh, er hatte sie geschnitten, „Dabei habe ich ihm doch gar nichts getan. Das ist doch Mist. Ganz großer Mist. Ich weiß ja selber das es eine doofe Situation ist, mir geht es ja auch nicht besser damit, aber wenigstens wollte ich mich dem stellen.“
Kat hatte so viele Fragen die sie gerne Beantwortet gehabt hätte, und jetzt kamen noch mehr hinzu.
So viel wollte sie ihm sagen, aber sie drehte sich weg und ging.

Wieder im Büro war ihr der Frust durchaus anzusehen. Die Kollegen wussten nicht recht wie sie darauf reagieren sollten nur Astrid ahnte was geschehen sein musste.
„He, eben warst du noch voller Tatendrang, und jetzt?“
„Also so langsam nehm ich das persönlich.“, fing Katharina an sich ihren Frust von der Seele zu reden, „Ich bin schön und klug und niemand, wirklich niemand braucht vor mir davon zu laufen.... Mal ehrlich, bin ich so Grauenerregend? Dann hätte ich aber ein ziemlich mieses Selbstbild?“
„Wenn du so grummelig drauf bist ...“, gab Astrid zurück.
„Ich - bin - nicht – grummelig!“, grollte Kat, „Also wirklich, da trifft man einmal nen Kerl der annehmbar ist und dann ziert der sich so.“

Zuhause musste sich Heike das Ganze noch einmal anhören.
„Er hat sich hinter nem Busch versteckt?“, fragte sie ungläubig und war versucht schon wieder ihre Karten heraus zu kramen.
„Ich habe ja schon viele abstruse Verhaltensweisen bei Männern hervorgerufen“, kramte Katharina in ihren Erinnerungen, „Es gibt die, die mich auf der Straße ansprechen und meinen: He, ich find dich gut. Darf ich dich kennen lernen.
Es gibt die, die besoffen sind oder sonstige Substanzen konsumiert haben und sich in aller Öffentlichkeit für mich ausziehen - Ohne das ich sie drum gebeten habe.
Es gibt Schwule, mit denen ich mich normal unterhalte.
Und es gibt die, denen ich persönlich oder menschlich egal bin. Aber auch mit denen kann man sich normal unterhalten. Aber das ist einfach nur … BÄÄÄH.“
Heike nickte nur und ließ sie weiter erzählen.
„Ich bitte dich, ich dachte er ist kreativ.“, versuchte Kat immer noch zu verstehen was geschehen war, „Und das Beste was ihm einfällt ist DAS!? Ich meine, wir haben keine 3 Sätze miteinander gewechselt und er geht mir aus dem Weg als hätte ich seinen Lieblingsonkel erschossen.“
„Er hat sicherlich genügend Negativbeispiele kennen gelernt. Das darfst du ihm nicht übel nehmen.“, versuchte Heike ihre Eingebung in Worte zufassen, „Er hat einfach Angst, darum miemt er Greta Garbo auf der Flucht.“
Katharina war immer noch tief verletzt, „Ja schon klar. Es ist einfach nur schade. Und es tut auch ein bisschen weh.“
Heike nahm ihre Freundin in den Arm, „Das darf es auch.“


Runde 4

Tage vergingen und Katharinas Frust wandelte sich langsam in neuen Mut.
Sie wollte ihn ganz direkt fragen was los ist. Es gab aus ihrer Sicht keinen triftigen Grund für seine Reaktion auf sie und das wollte sie ihm ach sagen.
Sicher, es gab viele Gründe allein sein zu wollen. Nach allem was sie bisher von ihm wusste wäre sie nicht erstaunt gewesen wenn Heike recht gehabt hätte und er einfach nur frustriert war.
Aber so wie er sie mal wieder angesehen hatte, so als wolle sie ihm etwas böses, das hatte ihr doch gesagt das es sehr wohl auch mit ihr zu tun hatte. Und da sie selber nichts getan hatte, zumindest nichts das sie benennen konnte, war eines klar: das konnte sie so nicht stehen lassen.

Überrascht stellte sie fest das er offensichtlich schon auf sie wartete.
Katharina war beeindruckt von seiner plötzlichen Courage und wurde nach einer kurzen Begrüßung in ihre Schranken verwiesen.
Chris befand sich immer noch im Verteidigungsmodus. Er zückte sein Handy und Kat trat höflicherweise einige Schritte zurück. Dann folgte etwas, das Kat nicht für möglich gehalten hätte.
Dieser Verrückte schaffte es sie beinahe eine Stunde lang davon abzuhalten ihn auch nur anzusprechen.
Wahrscheinlich wusste er was sie fragen wollte, oder zumindest konnte er es erahnen.
Auf jeden Fall aber, so ließ der Inhalt der Gespräche die er mit seinen Kumpanen führte schließen, war er ziemlich gut im Raten!
Denn nichts anderes tat er, und sie im übrigen auch. Nur das sie sich selbst immer noch nicht vertraute, und wenn Heike nicht wäre, dann hätte sie die ganze Sache vielleicht schon längst ad acta gelegt. Aber jetzt war sie nun mal hier, und sie waren so weit gekommen.

Dem einen Kumpel erzählte er, wahrscheinlich zum X-ten Mal, von der Verflossenen.
Dem Anderen, der offensichtlich erstaunt über seinen Anruf war, was er ja jetzt wieder für längere Zeit weg müsse.
Und so weiter.
Er gab sich alle Mühe die Pausen zwischen den Gesprächen so kurz wie möglich zu halten, denn natürlich spekulierte Kat nur darauf ihn in ein Gespräch verwickeln zu können.
Aber das ließ er gar nicht erst zu, er telefonierte, erzählte mit den Freunden und Bekannten und wahrscheinlich freute er sich diebisch darüber Kat so manipulieren zu können.
Sie lehnte also ihren Kopf gegen einen Baum, schloss die Augen und hörte ihm zu. Es war fast so als würde sie einem Märchen lauschen, einem Märchen, das nur für sie geschrieben worden war.
„Ja“, lächelte sie, „das meinte ich. Das ist kreativ!“
Als er gehen wollte war er noch mit einem Kumpel am Ohr bewaffnet. Kat musste sich schnell etwas überlegen, „Ach komm schon“, rief sie ihm verzweifelt hinterher und hoffte, das es nicht all zu verzweifelt klang. Er blieb erstaunt stehen und hoffte sein weit entfernter Kamerad würde ihm schon irgendwie beistehen.
„Ich dachte, du erzählst mir was letztes mal los war.“, sprach sie ganz direkt aus was sie schon die ganze Zeit fragen wollte.
Sie wusste selber das diese Frage inzwischen überflüssig war, immerhin hatte er sich gerade ziemlich viel Mühe gegeben sie über alles zu informieren das sie wissen musste. Aber irgend einen Grund musste es ja haben dass sie ne geschlagene Stunde zwischen den Zecken herum gammelte. Und ihr Kopf fühlte sich mal wieder an wie in Wette gepackt.
„Demnächst mindestens ein-einhalb Meter Sicherheitsabstand“, dachte sie bei sich.
„Was war denn?“, fragte er und versuchte dabei zu cool wie möglich zu wirken.
„Das weiß ich nicht. Sag du es mir.“, lächelte sie und konnte mit ansehen wie sein Blick immer starrer wurde.
Unweigerlich huschte das Bild eines Karnickels durch ihren Kopf das vor der Schlange sitzt und hofft das es nicht gefressen wird. Sie hatte beinahe Mitleid.
„Nein, nein!“, sie schüttelte innerlich ihren Kopf, „So sollte das nicht sein.“
Kat lächelte, „Beim nächsten Mal!“
„Beim nächsten Mal!“, echote er und war froh noch einmal davon gekommen zu sein.
Als er sich umdrehte um zu gehen musste sie lächeln, „Wer weiß was sein Kumpel am anderen Ende der Leitung wohl dazu sagt: Mensch Alter, die Kleine hat dir gerade ein Date aufs Auge gedrückt und du hast es nicht einmal gemerkt!“
Ein bisschen stolz war sie schon auf sich.

Heute hatte Katharina besonders gute Laune. Alles war bestens verlaufen und das wollte sie am liebsten der ganzen Welt mitteilen.
„Willst du wissen was mich am meisten beeindruckt!?“, erzählte sie später Heike, „Wie er es schafft mich daran zu hindern irgend etwas zu sagen oder zu tun. Ich meine, immerhin gehe ja auch ich nicht ohne Plan los. Aber er ist einfach stärker als ich.“
Sie lächelte und dachte an die Situation zurück. Es hätte sie gar nicht wirklich geärgert wenn es nur dazu dienen sollte sie daran zu hindern ihn an zu sprechen.
Noch nie hatte jemand sich solche Mühe ihretwegen gemacht.


Angst vor der eigenen Courage

Eine geschlagene Woche musste Kat auf ihre Antwort warten. Eine Woche in der sie insgeheim hoffte er hätte verstanden warum sie ihn überhaupt danach gefragt hatte.
Sie wollte doch bloß mit ihm reden. Ein normales Gespräch, ganz egal worüber.
Sie hatte es ja verstanden, er hatte angst. Angst verletzt zu werden. Und sie wollte ihn am liebsten in den Arm nehmen und ihm „Vertrau mir“ sagen.
Dieser kleine Satz, der ihrer Meinung nach mehr Aussagekraft hatte als alles was die großen Dichter je zu Papier gebracht hatten, wäre alles was es zu sagen gab.
Als sie den Wald betrat konnte sie ihn schon da stehen sehen.
„Dass er da ist bedeutet dann wohl, dass er einen Plan hat. Na da bin ich ja mal gespannt.“, dachte sie.
Als sie näher kam brachte sie nur ein „Hi“, heraus das er erwiderte.
Heute sah er beinahe entspannt aus, nicht so wie die letzten Male wo sein Gesichtsausdruck eher an ein „tu mir nichts böses“ erinnert hatte. Obwohl das natürlich aus seiner Sicht durchaus zutreffend war.
Leider waren zu viele Unbeteiligte um sie herum und so entschied sich Kat ihr Anliegen auf den Rückweg zu verschieben.
„Bis gleich“, lächelte sie und lief weiter.
„Bis gleich“, echote er. Ob das eine automatische Antwort war, oder er wirklich vorhatte auf sie zu warten würde sich zeigen.

Als sie kehrt machte hatte er schon die Flucht ergriffen.
„Oh nein! Nein, nein! So haben wir nicht gewettet.“, Kat war stinkwütend, wie konnte er ihr das antun. Wie konnte er das sich selbst antun?
Sie rannte los. Es war heiß und hatte 70% Luftfeuchtigkeit aber sie rannte.
Es sah doch wirklich so aus als hätte ihr Froschkönig kalte Füße bekommen.
Sie musste ihn einholen, ihn aufhalten. Kat wollte schreien oder weinen oder beides gleichzeitig aber das ging nicht denn sie musste ja rennen.
„So leicht kommst du mir nicht davon“, entwich ihr halb laut.
Dann blieb er endlich stehen. Kat hatte ihn eingeholt. Sie hatte einen Weltrekord verdächtigen Sprint hingelegt und musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Es wäre ohnehin schwer geworden einen normal intelligenten Satz heraus zu bringen, aber ohne Sauerstoff im Hirn war das beinahe unmöglich.
Damit er gar nicht erst auf die Idee kam sich davon zu stehlen während sie noch nach Atem rang hob sie einen Finger in der Weise die einem andeutet das man noch etwas sagen will.
Im gleichen Moment musste sie daran denken wie das wohl für ihn aussah und musste lachen.
Er lachte mit und Kat fand, dass er das ruhig öfter tun sollte.
„Du bist mir noch eine Antwort schuldig“, versuchte sie zu formulieren ohne arg zu abgekämpft zu wirken.
Chris wirkte beinahe ruhig, das hatte sie nicht erwartet. Erst versuchte er es noch einmal mit der „Ich habe keine Ahnung wovon du redest Nummer“.
Dann ergänzte er, „Es hat nichts mit dir zu tun, Kat ..“, und er sagte ihren Namen so leise, dass sie es erst einige Sekunden später realisierte, „es ist nur so das ich hier ein wenig Ruhe haben will.“
Er hatte ihr genau das erzählt von dem sie gewusst hatte das er es sagen würde.
„Ja“, japste Kat immer noch außer Atem, „es ist nur … eher ungewöhnlich.“
Dabei hätte sie ihm auch gerne all das Andere gesagt, aber das fiel ihr gerade nicht ein.
Der Rest des Gespräches war kurz und Kat bekam ihn eigentlich gar nicht mehr mit.
Sie dachte darüber nach was er ihr wohl damit sagen wollte, wenn er es überhaupt selber registriert hatte. Sie fühlte sich ein wenig abgekanzelt, aber wenn er sie einfach nur los hätte werden wollen dann hätte er doch nicht …

„Verdammt, nicht dass der meint ich renn jedem Kerl hinterher.“
Sie erinnerte sich, „So gerannt bin ich das letzte Mal als dieser Typ auf der Tartanbahn tot umgefallen ist und reanimiert werden musste.“, dabei hatte sie sich damals vorgenommen nie wieder so rennen zu müssen.
„Also das sag ich dir“, dachte sie als sie nach Hause ging, „wenn du das nicht Wert bist kriegen wir zwei aber ne menge Ärger miteinander!“


Wie man es macht, macht man es verkehrt

Heike drückte ihr ein Buch in die Hand, „Sprich doch einfach Klartext“ stand auf dem Cover.
„Das nennt sich das Du-denkst-das-ich-denke-Spiel.“, erklärte sie.
„Das was?“, wollte Katharina wissen.
„Du-denkst-das-ich-denke.“, wiederholte Heike.
Kat dachte darüber nach. Klar hatte er einen Plan, einen guten Plan, zumindest aus seiner Sicht. Dessen war sie sich eigentlich sicher.
Er musste erst einmal Abstand gewinnen, und dann war er ohnehin unterwegs. Alles andere wollte er offensichtlich auf später verlegen.
Sie hatte ihm seinen Plan schon einmal durcheinander gebracht, damals, als sie sich kennen lernten. Aber er wollte daran festhalten.
Katharinas Problem war nun das sein Plan nicht aufgehen würde. Sie wäre nicht mehr hier wenn er zurück war. Und das wusste er nicht. Er hatte ja effektiv verhindert das sie etwas sagen oder andeuten konnte.
Oder lag sie so falsch? Es war das, was sie hineininterpretierte. Und er, tja, er musste auch raten: Was wollte das Mädchen im Wald?? Und warum??
Heike hatte recht, sie spielten das Du-denkst-das-ich-denke-Spiel. Und das hatte sich verselbständigt.
„Verdammt was soll das eigentlich“, ärgerte sie sich insgeheim, „Was ist denn so schwer daran zu sagen: mieses Timing!“
Aber Männer haben offensichtlich kein später. Entweder ja oder nein. Wie Steinzeitlich!
„Also gut“, entschied Kat und schnappte sich einen Zettel, notierte ihre Telefonnummer und faltete ihn.
„Was wird das?“, wollte Heike wissen.
„Eigentlich ist er ja am Zug. Aber weil man bei Männern nie so genau weiß. Plan B!“, grinste Kat.
„Hier! Für später irgendwann. Wenn du zurück bist gehen wir mal nen Kaffee trinken.“, übte sie an ihrer Freundin und steckte den Zettel in ihre Tasche.

Tage vergingen und sie dachte schon ihr letzter Auftritt hatte ihm den Rest gegeben.
Es regnete und Kat vermutete, sie wäre allein im unterwegs.
„Aber sicher ist sicher. Ich gehe lieber über den oberen Weg, da hat er Gelegenheit auszuweichen wenn er das will.“, entschied sie, „Aber heute ist er wahrscheinlich eh nicht da, und dann noch das Wetter...“
Beinehe erschreckend war da die Erkenntnis das die Silhouette, die sie schon von weitem sah tatsächlich zu ihm gehörte. Und prompt fehlten ihr mal wieder die Worte für eine zwanglose Kommunikation.
„Na, das ist sicher nicht die gesündeste Idee die du je hattest.“, lächelte sie, denn er hatte keinen Schirm dabei. Sie freute sich über diesen wirklich gelungenen Satz. „Ja, das ist ein guter Anfangssatz“, bestätigte sie sich selbst.
Aber den konnte sie auch gleich wieder verwerfen denn er nahm mal wieder reiß aus.
„Och nö, das hatten wir doch schon.“, musste sie genervt feststellen.
Da steht der Typ im Regen, ohne Schirm, und das zu ner Zeit wo er weiß das sie vorbei kommt, und dann macht der so was!?
Ihr gingen 1000 Dinge gleichzeitig durch den Kopf. Was sollte das nun wieder? Hielt er sie doch für verrückt und wollte ihr aus dem Weg gehen? Vielleicht wollte er sie auch Testen. Kommt sie mir noch mal nach? Aber wenn es ein Test war, was würde ihm wohl besser gefallen? Das sie weg blieb, das würde dann bedeuten das sie nicht Verrückt war. Oder bedeutete es am Ende, dass er sich geirrt hatte und sie gar nicht an ihm interessiert war? Wollte er das sie ihm folgte? Kat war Ratlos.
„Ist mir Wurscht!“, entschied sie, „Wenn er reden will soll er stehen bleiben wenn er mich sieht. Alles andere ist doch Kindergarten!“
Und während sie noch nachdachte bemerkte sie, dass er noch gar nicht so weit gekommen war wie er es hätte sein müssen.
„Sonst ist der doch so flink.“, fiel ihr auf. War er etwa absichtlich langsamer gegangen, oder sogar stehen geblieben. Dann war es vielleicht ein Fehler, dass sie nicht hin ging.
Sich an die Weggabelung stellen um nur kurz reden zu müssen und dann die Flucht ergreifen zu können wenn es vielleicht doch unangenehm werden würde?
„Egal!“, energisch hinderte sie sich daran ihm nach zu geben, „Ich bin ihm ein mal hinterher gelaufen. Noch weiter muss ich mich nicht erniedrigen!“
Dann ging er den Parallelweg entlang und warf er nur einen verstohlenen Blick in ihre Richtung. Kat spürte einen brennenden Schmerz in ihrer Brust.

„80% der Männer da draußen wären doch froh wenn ich sie nur ansehen würde, und ich entscheide mich ausgerechnet für den. Zwillingsseele hin oder her, allen Mist muss ich ihm ja wohl nicht verzeihen!“, und im gleichen Moment registrierte Kat, dass sie nur wütend war um nicht traurig sein zu müssen.
Heike versuchte ihr ein gutes Gefühl bei der Sache zu vermitteln, „Jetzt weiß er zumindest, dass er zu Weit gegangen ist.“
Kat kämpfte mmer noch mit den Tränen, „Ich hoffe nur, dass er es nicht falsch versteht. Er ist so ein verdammter Dickkopf.“
„Na ja, wenigst was das angeht seit ihr euch einig!“, lachte Heike.
„Ja ja“, miente Katharina und wurde an das Du-denkst-das-ich-denke-Spiel erinnert, „Ich denke das er denkt das ich verrückt bin, und er denkt das ich denke das er mindestens genau so verquer ist.“
„Das ist wirklich schade.“, überlegte Heike, „Aber selbst wenn er es wollte wird er wohl kaum nach der Show die er da abgezogen dir noch mal unter die Augen treten wollen.“
„Vielleicht werd ich einfach lesbisch.“, meinte Kat ironisch.
„Das ist auch nicht leichter.“, entgegnete die Freundin.
„Ich wünschte fast, das alles wäre nicht passiert. Wieso kann ich es nicht einfach vergessen und wieder normal leben?“, wollte Kat die ganze Geschichte abhaken.
Heike konnte es nicht fassen, Kat hatte noch nie klein beigegeben.
„Du willst doch wohl nicht aufgeben.“, empörte sie sich.
„Und, was denkst du sollte ich tun?“
Heike grinste und zog Katharina zur Türe hinaus, „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt.“
„Krieg??“, entwich es Kat und ehe sie sich versah war sie Teil Heikes perfiden Plan C.

Heike kannte Gott und die Welt und so nahm sie ihre Freundin mit in das Tonstudio eines Freundes. Sie hatten sich zwar lange nicht gesehen, aber niemand der Heike einmal kennengelernt hatte könnte sie jemals vergessen.
Es dauerte nicht lange, da dämmerte es Katharina.
„Wir werden den romantischsten Song aufnehmen den die Welt je gehört hat.“, erklärte der Mann hinter dem Mischpult.
„Und den stellen wir dann ins Netz“, ergänzte Heike, „Wenn ich mich nicht ganz irre wird er ihn schon finden.“
„Und wenn es ihn nicht interessiert?“
Heike schien von ihrer Idee überzeugt, „Vertrau mir, das wird es schon.“

„Ich halt mich gerade nicht wirklich für zurechnungsfähig.“, musste Katharina zugeben und hoffte das ihre Freundin wusste was sie tat. Sie wusste es nämlich nicht.
Aber gar nichts tun, und es auf sich beruhen lassen, ging auf gar keinen Fall. Und weil ihr eben nichts besseres einfiel machte sie mit.
Und schlimmer konnte es ohnehin nicht mehr werden.

Irgendwann, irgendwo saß Chris in der Sonne und starrte auf seines Laptop.
„Alles OK?“, wollte sein besorgter Freund wissen, „Du sitzt jetzt schon ne ganze Weile so da.“
Er sah ihm über die Schulter und fand auf dem Bildschirm Katharinas Eintrag.
„Niedlich. Das ist sie also.“, bestätigte der Freund, „Und was willst du jetzt tun?“


Die Geschichte schrieb das Leben, das Ende schreibt er!

Impressum

Texte: Alex
Tag der Veröffentlichung: 13.06.2012

Alle Rechte vorbehalten

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