Im Oktober erscheint die erste Anthologie des Incubus Verlags. Sie enthält zehn Kurzgeschichten. Ich bin mit der Story "Die Grillparty" vertreten - auch andere BookRix Autoren haben es geschafft, dass ihre Beiträge in der Antho erscheinen. In meiner Geschichte spielt Schnittknoblauch als Zutat einer Knobibutter eine entscheidende Rolle, als es um das Kennenlernen zweier Männer geht. Ein Motorrad und sein sexy Fahrer verdrehen Gregor den Kopf ....
ISBN-13: 978-3981522013
Taschenbuch, ca. 200 Seiten
Das Buch ist bereits beim Incubus Verlag vorbestellbar.
In Absprache mit dem Verlag hier nun eine Leseprobe:
Nik S. Martin
Die Grillparty
- Schnittknoblauch -
„Denk bloß an die Butter, Gregor!“, waren die mahnenden Worte, ehe Markus auflegte. Mit einem belustigten Schnauben stellte Gregor das Schnurlosgerät zurück in die Basis. Natürlich würde er die Butter nicht vergessen! Wo dachte sein Cousin hin?
Es war zur Tradition geworden, dass Gregor zu jedem Familienfest und zu jeder Party seine Knoblauchbutter mitbrachte. Wobei diese im Grunde nichts Besonderes war – jedenfalls in Gregors Augen. Gute Butter, keine Discounterware, dazu Knollenknoblauch und Schnittknoblauch, beides aus seinem eigenen Gärtchen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken – fertig. Das war das ganze Geheimnis.
Die erste Grillparty des Jahres stand an. Für April war ein außergewöhnlich schönes und warmes Wochenende gemeldet worden, und das wollten viele nutzen. So hatte Markus kurzerhand entschieden, bei ihm im Garten müsse der Grill endlich aus dem Winterschlaf erweckt werden.
Vor sich hin pfeifend trat Gregor in seinen Hof, der außer einer Sitzgruppe noch einige Blumenkübel aufwies, die im Sommer mit Geranien bepflanzt wurden. Aus dem Frühbeet schnitt er die ersten langen Stängel des Schnittknoblauchs ab. Jedes Jahr begann die Aussaat der neuen Kräuter auf dem Fensterbrett seiner Küche, wenn draußen noch der Nachtfrost herrschte. Sobald dieser immer öfter ausblieb, zogen die zarten Pflänzchen ins Frühbeet, wo sie unter einem Glasdach wohlig warm weiter wachsen konnten.
Mit der Ausbeute zarter Stängel ging er zurück in die Küche. Die Butter war schon auf Zimmertemperatur erwärmt, sodass er gleich loslegen konnte. Mit geübten Händen flockte Gregor die Butter auf, zerkleinerte den Schnittknoblauch in kurze Röllchen, ähnlich klassischem Schnittlauch, und hob sie vorsichtig unter. Anschließend schälte und teilte er den Knollenknoblauch in Viertel und würfelte ihn mithilfe eines Knoblauchschneiders. Eine Presse besaß er nicht – so etwas käme ihm auch nie ins Haus!
Zerquetschter Knoblauch in seinem Haushalt war ebenso undenkbar, wie eine Frau im Haus zu haben. Solange er zurückdenken konnte, hatte ihn nur das eigene Geschlecht fasziniert. Nur lebte er seine Orientierung nicht offen. Der Hauptgrund dafür waren seine Eltern, die beide auf die Achtzig zugingen. Mit einer solchen Offenbarung würde er die beiden vermutlich schneller ins Grab bringen, als ihm lieb war.
So blieb er lieber allein, suchte nur ab und an das Abenteuer in der einhundert Kilometer entfernten Großstadt. Gegen die Einsamkeit half das allerdings nicht. Umso mehr freute er sich auf den geselligen Nachmittag bei seinem Cousin.
Zwei Stunden später saß Gregor im Auto und fuhr in den Nachbarort. Das kleine Städtchen bot alles, was man täglich brauchte, und war dennoch urig und gemütlich. Markus und seine Frau Tanja hatten dort, nach der Hochzeit im letzten Jahr, ein hübsches Haus gekauft. Ende des Sommers erwarteten die beiden ihr erstes Kind. Gregor freute sich für die junge Familie, insbesondere weil beide mit Mitte dreißig eher spät Eltern wurden. Für ihn selbst war es erst recht zu spät. Mit fast achtundvierzig brauchte er über Kinder nicht nachdenken – wie auch, ohne Frau und dem Interesse an einer solchen?
Vor dem Haus standen schon einige Autos. Nur mit Mühe quetschte Gregor seinen Golf in eine Lücke – wie hieß es noch gleich? Ein Mann wäre der bessere Einparker - auf Gregor traf das nicht zu.
Als der Wagen endlich zufriedenstellend parkte, griff er nach der Glasschale mit seiner Butter und stieg aus.
In diesem Moment kam ein schweres Motorrad vorbeigefahren. Das Dröhnen der Maschine ging Gregor durch und durch. Dem Fahrer warf er einen zweiten Blick hinterher – ein weißes T-Shirt spannte sich über den breiten Rücken, der ansehnliche Hintern steckte in einer Bluejeans. Überraschenderweise lenkte der Fahrer sein Bike vor die Schlange Autos, platzierte das Vorderrad am Rinnstein. Schwungvoll erhob er seinen großen Körper vom Sitz, zog den Helm ab und hing diesen an den Lenker. Er bemerkte wohl, dass Gregor ihn anstarrte, denn er drehte sich um und zwinkerte.
Augenblicklich wurde Gregor bewusst, wie peinlich die Situation war. Gaffte er doch unverhohlen einen Fremden an – zugegeben, der sah wirklich scharf aus. Das schwarze Haar leicht mit grauen Strähnen durchzogen, ein markantes Gesicht mit neckischem Kinnbart und obendrein leuchtend blaue Augen. Gregor murmelte einen Gruß an den etwa vierzigjährigen Kerl, drehte sich hastig weg und rannte fast zu Markus' Haustür. Es wunderte ihn, dass er unterwegs nicht die Glasschale mit der Knobibutter fallen ließ.
Mit zitternden Fingern drückte er den Klingelknopf, hoffte, dass der Fremde seiner Wege gegangen war. Markus öffnete schwungvoll.
„Hallo Gregor, hallo Jo - schön, dass du Zeit gefunden hast! Kommt rein.“
Gregor schluckte und bemerkte erst jetzt, dass der Fremde hinter ihn getreten war. Markus hielt auffordernd die Tür auf, Gregor schlüpfte hastig hinein. Er murmelte etwas davon, dass die Butter in den Kühlschrank müsse, und eilte in die Küche. Dort atmete er erst einmal tief durch. Er war doch kein Teenager mehr – weshalb brachte ihn der Biker so durcheinander? Sonst war er auch nicht gleich völlig durch den Wind, wenn er einen scharfen Kerl sah.
- Ende der Leseprobe -
Raik Thorstad
Gottes Wege
- Waldmeister -
St. Thomas, 5. März 1975
Es wird und wird nicht Frühling. Der Staub in den Klassenräumen wird mich eines Tages ersticken. Es ist zu kalt, um die Fenster zu öffnen. Ich würde es trotzdem tun, aber die Lehrer sind dagegen. Vielleicht haben sie Angst, dass frische Luft uns auf rebellische Gedanken bringt. Das würde mich nicht wundern.
Seit heute Morgen klemmt die Tür meiner Zelle. Ist es eigentlich ein Zufall, dass die Schlafräume in alten Klosterschulen genauso bezeichnet werden wie in Gefängnissen? Sicher nicht.
Wenigstens lebe ich allein in meiner Zelle. Dafür bin ich jeden Tag von Neuem dankbar. Besonders in letzter Zeit. Ich könnte es nicht ertragen, mit einem der anderen Schüler zusammenzuwohnen. Ich nehme gern in Kauf, dass ich mich in meiner Zelle kaum umdrehen kann. Das ist in Ordnung, solange ich am Ende des Tages die Tür hinter mir schließen kann.
Es ist wirklich eng. Nur ein Bett, ein schmaler Schrank und ein Schreibtisch finden hier Platz. Das Kruzifix neben dem Fenster starrt mich an.
Bitte lass es bald Frühling werden. Ich brauche frische Luft.
St. Thomas, 7. März 1975
Ich schäme mich. Ich bin mir sicher, dass man mir ansehen kann, was in mir vor sich geht.
Manchmal denke ich, dass Pater Ignatius es mit dem Beichtgeheimnis nicht allzu genau nimmt, und mein Misstrauen ist die nächste Sünde, die ich mir auflade.
Trotzdem. Ich habe den Eindruck, dass man mir mit seltsamen Blicken folgt und hinter meinem Rücken über mich redet.
An meinen schulischen Leistungen kann es nicht liegen. Ich bin kein Überflieger, aber gut genug, um nie um meine Versetzung zu fürchten.
Unsinn habe ich auch nicht gemacht. Wie könnte ich? Die anderen halten mich für einen Streber – oder ein Weichei. Sie laden mich nie ein, an ihren Streichen teilzuhaben. Alles nur, weil ich vor zwei Jahren verraten habe, dass sie nachts ausrücken wollten. Hätte ich nur meinen Mund gehalten.
Wenn ich weder Querulant noch ein fauler Hund bin, muss etwas anderes die Blicke der Lehrer auf mich ziehen. Und das Einzige, was an mir besonders ist, ist das, was ich jede Woche beichten muss.
Meine Gedanken. Meine verdorbenen Gedanken. Die Träume, die nachts über mich herfallen.
Pater Ignatius sagt, es mangele mir an Selbstbeherrschung. Er hat sicher recht. Aber ich weiß nicht, wie ich meine Träume kontrollieren soll. Egal, wie viele Rosenkränze er mich beten lässt, ich wache morgens doch im klebrigen Pyjama auf. Im Halbschlaf wandert meine Hand an Orte, an die sie nicht darf, und tut Verbotenes.
Aber ich habe eine Lösung gefunden. Heute Nacht wird mir das nicht passieren. Ich schwöre es.
St. Thomas, 8. März 1975
Es hat funktioniert. Ich habe Druckstellen an den Handgelenken, aber es hat funktioniert. Lieber Gott, ich bin so erleichtert.
Ich habe immer noch verdorbene Gedanken, aber ich habe mich nicht unsittlich berührt und gesündigt. Man kann den Körper bezwingen. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich auch meinen Geist kontrolliere. Pater Ignatius hatte recht.
Es regnet immer noch, und es ist schrecklich kalt. Ich würde morgen Nachmittag gern in den Wald gehen.
Es ist keine richtige Sünde, sich durch die Pforte hinter dem Gemüsegarten vom Gelände zu stehlen. Ich habe es damals Pater Benedikt gebeichtet, und er meinte, dass es eine größere Sünde ist, Gottes Schöpfung nicht zu würdigen. In den Wald zu gehen und sich an der Natur zu erfreuen, wäre nicht schlimm, solange ich meine Hausaufgaben erledige.
Ich vermisse ihn. Dabei ist er schon über ein Jahr fort. Er war weniger streng als Pater Ignatius und hat mir weniger Bußen auferlegt. Ich frage mich, wer von ihnen es richtig macht.
Darf man vor seinem Beichtvater Angst haben?
St. Thomas, 13. März 1975
Die Kette ist gerissen. Ich bin am Boden zerstört. In den letzten Nächten habe ich die silberne Kette mit dem Kreuz meiner Großmutter um die Handgelenke getragen. Wenn ich mich bewegt habe, hat sie eingeschnitten und mich geweckt.
Heute Nacht ist sie durchgerissen. Ausgerechnet heute, wo ich doch beichten musste.
Es war grauenhaft. Nach der Beichte hat mich Pater Ignatius beiseite genommen und mir ins Gewissen geredet. Ich wüsste, warum die Kette gerissen ist. Das Kreuz sei unrein und wirkungslos, weil ich es von meiner Großmutter bekommen habe.
Ich stand wie vom Donner gerührt. Ich weiß, dass er Oma nicht mag. Dabei kennt er sie gar nicht. Trotzdem behauptet er, dass sie einen schlechten Einfluss auf mich gehabt hat und für meine verdorbenen Gedanken verantwortlich ist. Von einer Frau, die im schlimmsten Viertel Berlins eine Schenke führt, könne nichts Gutes kommen.
Mir ist nach Weinen zumute. Oma ist immer nett zu mir gewesen. Ja, sie hat mich früher manchmal mit hinter die Bar genommen, wenn sie auf mich aufpassen sollte. Aber sie hat mir nie Alkohol zu trinken gegeben. In meinem Glas war immer nur Sprudel mit Waldmeistersirup, keine Berliner Weiße.
Ich vermisse sie fürchterlich. Genauso wie Vater und Mutti. Dass ich Oma an ihrem Geburtstag vor drei Wochen nicht sehen konnte, tut mir immer noch leid. Aber daran war nicht zu denken. Ich hatte keinen Ausgang, und die Reise ist viel zu weit.
Ich will nicht glauben, dass Oma eine schlechte Frau ist, nur weil sie eine Schenke führt, in der es manchmal etwas derb zugeht. Sie ist herzensgut und hat uns früher oft geholfen, als Vaters Firma am Anfang stand und das Geld knapp war. Sie war immer für mich da. Und sie war dagegen, dass ich St. Thomas besuche. Strikt dagegen sogar. Aber sie konnte es nicht verhindern.
Sind es wirklich schon vier Jahre?
Ich wünschte, ich könnte mit ihr reden. In Ruhe. Nicht zu den Telefonzeiten, bei denen ständig ein Mönch in der Nähe lauert und uns bespitzelt.
Oh Himmel, habe ich das wirklich gerade geschrieben? Muss ich mir gleich für nächste Woche merken. Ich sündige einfach zu oft.
Dabei will ich gut sein. Ich will ein anständiger Mensch sein, aber es fällt mir schwer. Es gibt so viele Sünden, die man begehen kann. Sie machen mir schreckliche Angst, denn ich weiß, dass etwas in mir falsch ist. In mir lauert etwas ganz und gar Abscheuliches, das ich nicht ins Freie lassen darf. Die größte Sünde überhaupt.
Ich habe Angst vor mir selbst.
- Ende der Leseprobe -
Texte: liegt bei den jeweiligen Autoren
Bildmaterialien: Incubus Verlag
Lektorat: Incubus Verlag
Tag der Veröffentlichung: 23.09.2012
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