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Die überraschende Entscheidung




Hallo, ich bin Elisabeth. Ich finde diesen Namen schrecklich für die heutige Zeit. Deswegen werde ich auch von allen Lizzy genannt.
Mit meinen Eltern lebe ich in einem Einfamilienhaus am Rande von Wien. Ich habe dort ein kleines, aber total gemütliches Zimmer, in das ich mich in letzter Zeit immer öfter zurückziehe.
Aber zum Glück hab ich ja meinen besten Freund Fred, der mich immer versteht und mit dem ich über wirklich alles reden kann. Auf ihn kann ich mich zu 1000% verlassen. Und ich hoffe, dass das auch immer so bleiben wird.

„Süße, kommst du bitte mal zu uns! Wir müssen mit dir reden!“, ruft meine Mom von unten. „Was gibt’s denn?“, frage ich während ich noch gut gelaunt die Treppe hinunterlaufe. „Setz dich bitte“, sagt mein Daddy mit einer beunruhigend sanften Stimme zu mir.
Ich setze mich in meinen großen Ohrensessel und schaue von meiner Mom zu meinem Dad und wieder zurück.
„Also… wir müssen mit dir etwas sehr wichtiges besprechen, was uns alle betrifft“, ergreift Dad das Wort und schaut fragend zu seiner Frau.
Doch die zuckt nur mit den Achseln und knetet nervös ihre zarten, schlanken Hände.
Verunsichert und mit zittriger Stimme frage ich noch einmal: „Was wollt ihr mit mir besprechen?“
„Elisabeth“, fängt meine Mutter an. Oje, wenn sie meinen vollen Namen ausspricht, kann nichts Schönes kommen. „Du hast ja sicherlich bemerkt, dass dein Vater und ich in letzter Zeit so unsere Probleme miteinander hatten. Wir haben uns einfach auseinander gelebt und wir sind beide nicht glücklich in dieser Ehe“ Nein!!! Das darf doch jetzt nicht wahr sein!!! Ich muss dreimal kräftig schlucken bevor ich wieder klar denken kann. „U… Und was heißt das jetzt?“, frage ich kaum hörbar.
„Wir lassen uns scheiden, mein Liebling. Es funktioniert einfach nicht mehr… Es tut mir… Es tut uns so schrecklich leid!“, seufzt mein Dad und beugt sich zu mir um mich zu umarmen. Auch meine Mom umarmt mich und streicht mir mit einer Hand über den Kopf.
Ich dagegen kann mich nicht rühren und kralle meine Hände so fest in den hellgrünen Überzug des Ohrensessels, dass meine Knöchel weiß hervortreten.
Meine Eltern sitzen wieder auf ihren Plätzen und schauen mich erwartungsvoll an. Aber ich habe in dem Moment nur das Gefühl, als würde ich gleich zerreißen. In zwei Teile.


„Ich geh zu Fred“, sage ich wie gerädert, und ohne meine Eltern anzusehen. Meine Mom nickt und mein Dad schaut auf seine Hände.
Langsam und mit schlurfenden Schritten gehe ich in mein Zimmer. Dort lasse ich mich erstmal auf mein Himmelbett mit dem orangefarbenen Bettüberzug fallen. „Don’t worry, be happy!“, steht darauf. Am liebsten würde ich mir jetzt keine Gedanken über irgendetwas machen…
Ich ziehe meinen Lieblingspullover über und 5 Minuten später stehe ich fertig angezogen vor unserem Haus.
Der Weg zu Freds Haus ist nicht allzu weit und deshalb beschließe ich nicht mit dem Bus zu fahren. Ein kleiner Spaziergang an der frischen Luft tut mir sicher gut.
Auf halbem Weg bemerke ich, dass mir Tränen übers Gesicht laufen. Ich mache mir aber nicht die Mühe sie wegzuwischen, weil Fred sowieso merkt, dass etwas nicht stimmt mit mir.

„Hey Lizzy, schön dass du da bist!“, begrüßt mich Frau Travnecik. „Fred ist in seinem Zimmer“ Ich zwinge mir ein dankendes Lächeln ab und Freds Mom streicht mir tröstend über den Rücken.
Ich klopfe an Freds Zimmertür und höre ein, durch die geschlossene Tür, gedämpftes: „Jaa?“ Ich trete ein und Fred sieht sofort was mit mir los ist. „Oh Gott, was ist mit dir passiert?“ „Meine Eltern…“, zu mehr komme ich nicht. Sofort breche ich wieder in Tränen aus. „Lizzy-Maus. Hey, alles okay. Komm, beruhig dich wieder.“, versucht mein allerbester Freund mich zu trösten.
Ich schluchze noch ein paar Mal, und löse mich dann aus seiner Umarmung. „Hast du vielleicht ein Taschentuch für mich?“, frage ich. Fred steht kurz auf und reicht mir dann ein Taschentuch.
Nachdem ich mich ausgiebig geschnäuzt habe, schaut Fred mir in die Augen und fragt leise: „Ist es jetzt besser so?“ „Ja danke. Weißt du… Meine Eltern haben mir vorhin gesagt, dass sie sich scheiden lassen. Und jetzt bin ich total verzweifelt. Wer zieht wo hin und bleibe ich bei Mom oder bei Dad? Ach, ich weiß nicht was ich tun soll…“
„Jetzt warte doch erstmal ab, wie sich das Ganze entwickelt, und dann schauen wir weiter. Aber jetzt gehen wir in die Küche und trinken einen heißen Kakao, okay? Komm.“
Während wir in die Küche gehen muss ich lächeln, weil Fred immer weiß, wie er mich wieder aufmuntern kann. Tja, er ist eben mein bester Freund, fast wie ein Bruder. Ich muss schon wieder seufzen. Diesmal aber vor Glück, weil ich einen so tollen Freund wie Fred habe.


Der Umzug – und eine schwierige Trennung



Jetzt sind ein paar Wochen vergangen und ich stehe in meinem Zimmer. Inzwischen ist es leer – nur noch mein Bett und mein Schrank stehen darin. Der Rest ist ordentlich in Umzugskartons gepackt.

An dem Tag, an dem ich erfahren habe, dass sich meine Eltern scheiden lassen wollen, ist bei mir eine Welt zusammengebrochen. Doch mit Hilfe von Fred habe ich eingesehen, dass es für alle das Beste ist.
Mein Vater träumt seit seinem 15. Lebensjahr davon, ein eigenes Jugendhotel zu leiten. Nach der Entscheidung, dass er sich von seiner Frau scheiden lässt, hat er sofort nach einem geeignetem Haus Ausschau gehalten. Nun hat er es endlich gefunden. Ein wunderhübsches Haus, das auf einer Grünfläche direkt am Neusiedlersee gebaut wurde. Onkel Mario und sein Bruder – mein Dad – haben das Haus renoviert und sie werden es in Zukunft gemeinsam leiten.
Und ich … Ich ziehe auch ins Burgenland.
Diese Entscheidung war nicht leicht, aber meine Mom hat einfach nicht genug Zeit für mich, da sie inzwischen auch einen neuen Job als Chirurgin angenommen hat. Und außerdem kann ich bei Dad und Mario ein neues Leben anfangen.
Neue Schule. Neue Freunde. Neues Leben.
Dabei gibt es leider einen Haken. Fred wohnt weiterhin in Wien!!! Ich muss dann jedes Mal eine Stunde fahren um ihn oder Mom zu sehen. Und umgekehrt auch.

Meine Mom kommt zu mir ins Zimmer und setzt sich neben mich auf das leere Bett. „Ich glaube du hast bei deinem Dad eine schönere Jungend. Aber du kannst wann immer du willst herkommen, ja? Dein Zimmer wird so bleiben und du bist jederzeit willkommen!!!“, sagt Mom leise. Ich merke aber, dass sie ihre Tränen kaum zurückhalten kann und nehme sie deshalb in den Arm.
„Mom es ist alles gut. Wir werden uns trotzdem noch sehen. Ich komme dich sooft es geht besuchen und dann machen wir uns ne schöne Zeit, okay?“ „Klar, Schatz. Aber dieser Abschied ist gar nicht so leicht wie ich mir das vorgestellt hab’…“, sagt sie mit tränenerstickter Stimme.
„Wir sehen uns später eh noch mal. Ich gehe jetzt zu Fred um mich zu verabschieden, ja?“ „Klar, geh ruhig“ Ich drücke meine Mom noch mal und mache mich dann auf den Weg zu Fred.

Als ich bei Fred im Zimmer sitze, merke ich, dass seine Stimmung scheiße ist. Er redet kaum und starrt die ganze Zeit Löcher in die Luft.

An dem Tag, an dem ich ihm gesagt habe, dass ich wegziehe, war er nicht mehr anzusprechen.

„Fred? Ich werde dich vermissen“, sage ich traurig. „Ich dich auch, Lizzy. Ich komm dich mal besuchen, wenn das für dich okay ist...?“ „Ja klar! Du kannst jederzeit kommen, ja? Wir haben ja jetzt genug Zimmer. Ich werde dich auch besuchen kommen, ja?“, erwidere ich.
„Hier. Ich hab’ eine Kleinigkeit für dich, dass du mich nicht vergisst“, sagt Fred und drückt mir ein orangefarbenes Paket in die Hand. „Ich werde dich in 1000 Jahren nicht vergessen, Fred. Ich hab’ auch noch was für dich!“ „Danke, Lizzy!“
Ich packe das Geschenk aus und mir steigen Tränen in die Augen. „Wow!!! Das ist echt fantastisch!!! Danke!“, freue ich mich, als ich das Fotoalbum sehe. Darin sind lauter Fotos von mir und Fred – meinem besten Freund.
„Gefällt es dir? Ich hab’ ewig gebraucht um das zu machen. Echt! Ich hatte schon Angst, dass es nicht rechtzeitig fertig wird“, sprudelt es auf einmal aus ihm heraus.
„Danke! Das ist das tollste Geschenk, das ich je bekommen habe, Fred!!! Aber jetzt musst du deines auch auspacken!“, sage ich voller Übereifer.
„Hey! Zwei Dumme, ein Gedanke!!!“, lacht Fred, als er das selbst gemachte Fotoalbum von mir sieht.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.03.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich habe diese Geschichte geschrieben, weil ich selbst schon viele schwere Trennungen erlebt habe.

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