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Ich hab geträumt, du sagst, du liebst mich

Gänsehaut. Ich hatte Gänsehaut, als ich aufwachte. Ich weiß es noch genau, als wäre es gestern gewesen. Der Traum war gewöhnlich. Nichts besonderes. Es war wie immer. Ich schlief ein und sah mich auf einer Straße. Sie war aus rotbraunem Sand und lief durch eine Art Wüste. Am Straßenrand waren kahle Büsche zu sehen. Eine Eidechse huschte vor meinen Füßen ins trockene Gras auf der anderen Seite. Es war heiß, der Schweiß lief mir übers Gesicht. Ein sanfer Luftzug kühlte die Hitze meines Körpers. Ich schaute über diese Einöde, in der ich mich befand. Mein Blick erfasste unbeschreibliche weiten roten landes. Felsen türmten sich vor meinen Augen auf, hie und dort stand ein Baum oder Busch. Die Luft glühte. Langsam setzte ich mich in Bewegung. Meine Beine waren schwer wie Blei und es kostete mich Kraft, mich vorwärts zu bewegen. Doch ich spürte die Anwesenheit von etwas oder jemandem, die mich drängte, mich von diesem Ort fortzubewegen. Ich versuchte zu rennen, der Schweiß rann meinen Körper hinab, doch ich schafte es, mich schneller fortzubewegen. Ich lief die Straße entlang, immer weiter. Meine nackten Füße berührten den roten Sand, hinterließen Abdrücke. Fußspuren. Die Straße schien kein Ende zu nehmen. Sie bohrte sich unaufhaltsam in das rote Land, durchschnitt es und teilte es in zwei Hälften, von denen eine der anderen glich wie ein Ei dem anderen. Ich spürte wie meine Kräfte schwanden, doch ich hielt nicht an. Ich spürte, dass jemand da war, der mich brauchte. Ein Busch zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein rotes Tuch flatterte kraftlos im lauen Wind. Ich bleib stehen, schaute dem Spiel der Böen zu, die es mal kraftvoller, mal sanfter in die Höhe stießen und wieder fallen ließen zwischen den sanften, wellenartigen Bewegungen, in denen es kontinuierlich schwebte. Langsam ging ich daraufzu. All meine Sinne waren geschärft. Ich erkannte die Schönheit des Augenblicks, und er ergirff mich in seiner vollen Pracht. Ich spürte den Sand zwischen meinen Zehen, roch den Geruch des trockenen Grases und des Windes, der den Hauch eines Duftes mitbrachte, den ich nicht kannte.Der Duft mischte sich mit einem anderen ungekannten, süßlichen Duft, der stärker wurde, je näher ich dem roten Tuch kam. Ich nahm es an mich, fühlte den vom Sand gerauhten Stoff zwischen meinen Fingern. Ein seltsames, beklemmendes Gefühl überkam mich. Es war beängstigend, jagte mir trotz der Hitze Schauer über den Rücken. Es war, als würde eine innere Kälte mein Herz einfrieren. Sie lag ganz still da, die Augen geschlossen, auf einen Hügel aus rotem Sand gebettet. Trotz meiner sich weigernden Beine schaffte ich es zu ihr. Ihr Haar bewegte sich im Wind, lieboste mein Gesicht, das nun ganz nah vor ihrem war. Es war ohne Emotion, ohne Ausdruck. Zärtlich streichelte ich über ihre Wange, fuhr mit den Fingerspitzen über ihre Lippen. Sie waren von kleinen Sandkrümeln bedeckt, die ich vorsichtig abstriff. Nun war die ganze Weiche ihres Mundes zu spüren. Ich konnte nicht an mich halten, gab ihr einen sanften Kuss. Plötzlich regte sie sich. Langsam öffnete sie die Augen. Ihr Blick wanderte ins Leere, entdeckte mich. Trotz des weißen Schleiers über ihren Pupillen, begannen ihre Augen vor Freude zu glänzen. Ihre Hand suchte meine, fand sie und hielt sie fest. Ich drückte sie leicht. Sie lächelte. In diesem Augenblick schien die Welt um uns zu verschwimmen und nur noch aus hellen Strahlen der Sonne und ebenso
hellen, goldenen Regentropfen zu bestehen. Ich war erfüllt von diesem Gefühl, dieser Zufriedenheit. Sie war eine Schönheit, strahlte die Ruhe und Kraft einer Königin aus und die Wärme und Liebe einer Mutter. Ihr Blick schien durch mich hindurchzublicken, wurde dann schärfer und sie sah mich an. Lächelnd sagte sie “Ich liebe dich.”
Dann erschlafften ihre Gesichtszüge, ihre Augen schlossen sich und ihr Kopf fiel zurück. Ich fing ihn, bevor er den Sand berührte und erstarrte. Langsam zog ich meine Hand weg. Sie war voller Sand, Maden und Blut. Der Wind pfiff durch durch die Büsche am Wegesrand hinter mir. Der süßliche Geruch wurde stärker, als ich ihren Kopf zur Seite drehte. In ihm klaffte ein Loch von der Größe eines Tennisballs. Der Sand war von Blut durchtränkt. Die Wunde verbreitete einen üblen Geruch und wimmelte von Maden, von denen ich nicht wusste, wie sie in der Hitze hatten überleben können. Meine Augen füllten sich mit Tränen, mein Blick verschwamm. Der Wunde nach zu urteilen, musste sie schon seit Stunden tot sein.
Am Tag dieses Traumes starb meine Freundin bei einem Unfall.

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Tag der Veröffentlichung: 31.07.2010

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