Ein kleines Mädchen fragte einmal einen weisen Mann:
"Warum sind so viele Menschen unglücklich?"
"Weil sie lieben." antwortete der alte Mann.
"Warum lieben die Menschen?"
Der Alte schmunzelte.
"Das ist eine kluge Frage, mein Kind. Was denkst du, wieso tun sie das?"
Das Mädchen runzelte die Stirn.
"Weil sie sich gern haben und zusammensein wollen."
"Richtig," antwortete er, "sie haben sich gern und wollen zuammensein. Aber besteht Liebe nur aus Zuneigung und beieinander sein wollen?"
Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf.
"Nein. Das reicht nicht."
"Warum reicht das nicht?"
"Weil ich auch meine Freunde mag und gern bei ihnen bin."
"Und was denkst du nun, "fragte der Alte wieder, "Was gehört noch zur Liebe dazu?"
Schmunzelnd beobachtete er die Kleine, die nachdenklich den Kopf hin und her wiegte.
"Geborgenheit. Sicherheit. Dass man niemand Anderen will. Und die Schmetterlinge."
Lächelnd betrachtete der Greis das Mädchen.
"Du bist ein kluges Mädchen. Was meinst du mit den Schmetterlingen?"
"Das ist ein Gefühl." erklärte es ernsthaft.
"So? Welches?" hakte der Mann nach.
"Das ist, als ob man fliegt. Es kribbelt und brabbelt im Bauch und man fühlt sich toll. Lieben die Menschen deshalb? Wegen diesem Gefühl?"
"Nein." sprach der alte Mann. "Das Gefühl geht nach einiger Zeit weg."
Erstaunt sah das kleine Mädchen ihn an.
"Es geht weg? Aber dann muss man sich ja schnell jemand Anderen suchen, damit man das Gefühl wieder hat. Das ist doch sehr mühselig. Man ist die ganze Zeit nur auf der Suche, nach Jemandem, der einen wieder neu liebt."
"Ja", stimmte er ihr zu, "Aber wenn das Gefühl weg ist, kommt ein Anderes hinzu."
"Welches?" fragte das Mädchen wissbegierig.
"Die Liebe." antwortete der alte Mann schlicht.
"Die Liebe?" Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an."Aber was sind dann die Schmetterlinge für ein Gefühl?"
"Verliebtheit."
Das Mädchen ließ nicht locker.
"Wo ist der Unterschied?"
Der alte Mann freute sich sehr über die Wissbegier des kleinen Mädchen und erklärte es.
"Die Verliebtheit ist kurzweilig. Sie geht vorüber und es bleibt Nichts. Die Liebe aber ist tiefer. Sie ist nicht so stürmisch, wie die Verliebtheit, sondern ruhiger und bedächtiger, handelt mit Verstand und bedingungslos."
"Was bedeutet das?"
"Sie baut den Schmetterlingen, sobald sie müde werden, ein Nest. Das ist die Ruhe.
Des Weiteren überdenkt sie jeden Schritt, den sie tut mit dem Anderen. Das ist der Verstand.
Und sie lässt die Schmetterlinge heraus, wenn sie fort wollen. Das ist die Bedingungslosigkeit."
Das kleine Mädchen schaute den alten Mann nachdenklich an.
"Dann kann sie also auch weggehen?"
Der Greis schüttelte langsam den Kopf.
"Liebe geht nicht einfach weg. Dafür ist sie zu rein."
"Warum sind dann viele Menschen so traurig wegen der Liebe? Wenn man auf die Schmetterlinge aufpasst, bleibt sie doch."
"Richtig. Aber viele Menschen erwarten zuviel. Sie denken, dass die Schmetterlinge eine Bedingung sind, an die sie gebunden sind. Sind die Schmetterlinge müde, ignorieren sie die Liebe, weil sie ruhiger ist."
"Dann sind die Schmetterlinge für die Menschen wie eine Droge?"
"Ja, wie eine Droge."
"Und kann man davon süchtig werden?" fragte das Mädchen erschrocken.
"Sehr Viele sind es bereits, ohne es zu wissen."
"Warum wissen sie es nicht?"
"Weil die Schmetterlinge eitel sind. Sie wollen diejeingen sein, die Alles steuern und reden den Menschen ein, dass nur sie allein die liebe sind.." erklärte der alte Mann.
"Warum wollen sie das?"
"Weil sie denken, sie haben ein Recht dazu, weil sie diejeinigen sind, die das Gefühl hervorgebracht haben."
"Dann sind sie daran schuld, dass die Menschen unglücklich sind." stellte das Mädchen fest.
Der weise Mann lächelte nachsichtig.
"Nicht allein. Die Menschen glauben ihnen, ohne zu fragen. Das ist der wahre Grund, warum die Menschen unglücklich sind."
Texte: Deborah K.
Tag der Veröffentlichung: 03.05.2010
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