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Kapitel 1




Nein, nein, und nochmals nein! Da werde ich niemals hingehen! Du kannst mich zu nichts zwingen!“ , schrie ich als meine Mutter mir erzählte, dass ich auf ein Mädchen-Internat in England gehen müsste.


Es war ein kühler Herbstmorgen. Der Schulbus hielt langsam in der Eichenstraße. Ich schleppte meine Schultasche durch den engen Gang des Busses. Wie immer war kein einziger Platz frei. Ich hielt mich an der Stange fest, und sah auf die trockene, einsame Landstraße hinaus. Ich konnte bis zu dem Wald hinter den Fabriken schauen. Weiter hinten verdeckte Nebel die Sicht. Es würde wieder alles gleich ablaufen: Im Unterricht würde ich tausendmal ermahnt werden, die Pausen würden viel zu kurz sein, und im Schulbus würde ich keinen Platz abbekommen. Das einzigste worauf ich mich freute, war das Gesicht von Herrn Rohland, wenn er die grüne Acrylfarbe in seiner Aktentasche entdecken würde. Grün konnte er schon immer nicht leiden, besonders wenn es wie eklige Kotze aussah. Ich war gespannt, ob er die Farbe überhaupt noch von den Matheklassenarbeiten abwaschen könnte. Ohne Alissia wäre alles langweilig. Leider fliegt sie und ihre Familie in den Sommerferien immer in den Urlaub, ich würde so gerne mit kommen, aber wie man sich schon vorstellen kann, darf ich nicht. Dort, in deren Ferien Wohnung, hat sie auch ihren Hund. Ich hätte auch so gern ein Haustier.
Der Schulbus hielt. Ich war die letzte, die aus den Wagen stieg. Am Busplatz, hinter den Schulen, sah ich ihn eigentlich nie, aber nun wären wir fast zusammen gestoßen. Wir sahen uns zuerst tief in die Augen, dann unterbrach er das Schweigen: „Oh...äh...hi!“ „H-Hi, w-was machst du d-den hier?“ „Mein Freund fährt auch hier mit dem Bus, aber wie ich sehe ist da gar keiner mehr drin...“ , antwortete er schon etwas gelassener. Stotternd gab ich, ohne ihn anzugucken, zur Antwort: „Äh...ja weißt du...iich bin fast immer ddie letzte...“ „Achso, na dann such ich ihn mal...Tschau dann!“ „Ook, tschüss...“ , wisperte ich schon beim weggehen. Ich konnte nicht fassen, dass ich mich gerade mit Phillip unterhalten hatte...

Ich wurde wie immer zur Schule gebracht. Gehen wäre zu weit für mich gewesen, und der Bus hielt nicht an unserer Villa. Als ich in der Schule ankam, begrüßte mich Joy ein bisschen schockiert: „Hi Ally...“ „Ist was passiert? Du siehst ganz blass aus.“ „Ehm...ja. Phillip...“ „Ja? Hat er dich gefragt?“ „Nö, der hat auf seinen Freund gewartet, wir haben uns nicht gesehen und sind zusammengeknallt.“ „Achso. Habt ihr euch denn unterhalten?“ „Ja...hi, hallo und so weiter...“ „Schade.“ „Naja, jedenfalls hat er Sorry gesagt, und war höflich... Huch! Es hat grad geklingelt. Komm, wir müssen und beeilen! Wir haben Mathe.“ Wie immer eilten wir durchs PZ und liefen so schnell wir nur konnten die riesigen Treppen hoch. Völlig erschöpft kamen wir an der Tür an. „Du klopfst und entschuldigst dich! Letztes mal, mussten wir zum Schulleiter, wegen unserer „Unhöflichkeit“. Beeil dich!“ , sagte Joy leicht genervt. Doch anstatt auf meine Freundin zu hören, riss ich die Tür auf, und stieß plötzlich gegen Fabian, der auf dem Weg zur Toilette war, „Tschuldigung.“ , sagte er. „Sorry“ sagte ich leise. Frau Biel dachte sie wäre gemeint, und brummte nur ungeduldig: „Ach, ihr seid ja auch schon da!“ Sie war eigentlich ganz nett, nur an manchen Tagen war sie nicht gut gelaunt. „Es tut uns sehr Leid, dass wir zu spät kommen, Frau Biel.“ , sagte ich höflich und schaute sie nicht an. Ihr strenges Gesicht zog tiefe Falten. Das Gegenmittel war eigentlich immer: Ruhig sein und zuhören. Sie deutete auf unsere Plätze, neben Fabian und Lias. Wir setzen uns hin, und packten unsere Hefte aus. „Joylina, was ist der Unterschied zwischen Kardinalzahlen und Ordinalzahlen?“, fragte Frau Biel und schaute Joy tief in die Augen. Man sah, dass sie zusammenzuckte. „Ehm... ich...“ ,sie schaute kurz zu mir rüber und fragte flüsternd: „Ally, was?“ „Fräulein Scherbel! Die Frage ist an dich gerichtet! Hast du denn wieder nicht gelernt?“ , schimpfte sie. Man sah auch, dass Joy tomatenrot wurde. „Frau Biel, entschuldigen sie, aber wir hatten im Unterricht noch keine Zahlenbegriffe!!“ , rief ich in die Klasse. „Oh... entschuldigung. Dann wird es höchste Zeit daran zu arbeiten!“ , meinte sie etwas verlegen. Es klopfte. Fabi kam rein und setzte sich neben mich. Er hatte einen eher ruhigen und schüchternen Charakter...
Heute, an einem sonnigen, heißen Tag, und natürlich an einem Freitag, hatte ich mich mit Joy verabredet.

 

 

Kapitel 2


Ich ging mit kurzer Hose und einem alten Top vor die Tür. Nach fast zwei Wochen Trockenheit musste man doch den Regen feiern. Voller Freude ließ ich mich nass regnen. Zum Glück war es Sonntag, und ich musste nicht zur Schule. Plötzlich kam Alissia um die Ecke gebogen, sie hatte ihren blau-gepunkteten Regenschirm aufgeklappt. „Hey, Alissia. Was machst du denn hier?“ „Du weißt doch, ich hab ein Klavierkonzert.“ „Achso, welches Stück spielst du denn?“ „Ich mach nicht mit. Ich gucke nur Emily zu.“ „Vielleicht könntest du das ja ausfallen lassen..., dann könntest du bei mir bleiben!“ „Gute Idee! Emily ist bestimmt nicht sauer.“ Wir gingen rein, und spielten ein Spiel, welches wir schon in der Grundschule geliebt hatten. Mit den Passfotos unserer Klasse bildeten wir Pärchen und schauspielerten danach ein Date, des Jungen und des Mädchens. Alissia bekam zu ihrem Glück Fabian. „Joylina! Ziehe bitte deine nassen Klamotten aus, ja?! Du wirst noch krank und bekommst die Grippe. Dann kannst du morgen auch die Klassenarbeit nicht schreiben.“ , rief meine Mutter aus ihrem Zimmer und tippte nebenbei am Computer herum. „Die Mathearbeit!“ , stöhnten wir gleichzeitig auf. „Oh nee, die habe ich ja ganz vergessen“ , sagten wir wie aus einem Mund. „Okay – dokey... Du weißt ja...sorry. Wir sehen uns morgen!“ , rief Alissia zu mir und lief die Treppe runter. „Ja, tschüss. Viel Spaß noch beim lernen.“ , ich betonte das Wort lernen. „Gleichfalls!“ , murmelte sie und drückte die Haustür zu...

So schnell ich nur konnte, rannte ich durch das Gänseblümchen – Feld(Joy wohnte auf dem Land), keuchte durch den Wald, dort war unser Treffpunkt und Geheimversteck, überquerte den Bach, und kletterte den Gitterzaun hoch. Nun war ich auf unserem Grundstück. Dann musste ich nur noch 300m geradeaus, und links um die Ecke biegen, dann erschien unser Gartentor. Unser Haus war eine mysteriöse, mit Efeu bedeckte Villa. Meine Eltern hatten sich in der Stadt sehr unwohl gefühlt, deshalb waren wir seit einem Jahr hier, auf freiem Gelände, mit einem Wald- und Feldgrundstück. Unseren Garten zierte ein großes Winterhäuschen, welches mit einem tiefen, dunklem Teich umzogen war. Er endete an einem riesigen Brunnen.
Meine Eltern gingen beide arbeiten, deswegen hatte ich kein Problem unbemerkt ins Haus zu gelangen. Selbst das Kindermädchen Joey, der Gärtner Memphis, und der Schaffeur würden meinen Eltern nicht erzählen, dass ich auf einmal früher da war.
Am nächsten Tag in der Schule kamen wir wieder zu spät, aber zum Glück war Herr Rohland diesmal besonders nett. Joylina und ich, freuten uns schon riesig, über den grünen Schleim in Herrn Rohlands Aktentasche...




Auf einmal war Herr Rohlands gute Miene verflogen. „Ihr Drecksbengel! Wie könnt ihr nur!? Wer war das?“ , schrie unser Mathelehrer, so dass alle zusammen zuckten. Niemand meldete sich. Herr Rohland setzte wieder an: „Wenn nicht sofort derjenige, oder diejenigen hier nach vorne kommen, bekommt ihr alle Extra – Hausaufgaben über die Herbstferien!“ Alissia stand zuerst auf und ging nach vorne. „Na das hätte man sich ja denken können!“ , prustete der Lehrer. Als meine Freundin mich flehend ansah, ging ich auch, schweren Herzens, nach vorne zum Lehrerpult. „So, so. Ihr beide! Was sollte das?“ , fragte er schnaufend. „Wwir...äh...“ , begann Alissia. „Es tut uns sehr Leid Herr Rohland. Wir hatten ja den Putzdienst am Freitag, und da hatten Sie ihre Tasche liegen lassen...Als Joylina dann vor ihrer Tasche, unter dem Pult putzte, na ja...also...“ Sie deutete auf die Stelle. „Ich höre!“, erwiderte unser Lehrer. „Na ja, ihr war zuhause schon ein bisschen übel gewesen...und da hat sie...“ Ich hätte Alissia am liebsten umgebracht. Herr Rohland runzelte die Stirn und betrachtete geeckelt, abwechselnd die Tasche und mich. Alle kicherten. Sogar Emily, Fabienne und Alina. Ich schaute meine Freundin so zornig an, dass die sogar etwas bedrückt zu Boden guckte. „Aber ihr beide hättet mir doch bescheid sagen können! Da hätte ich mir am Wochenende noch eine neue Tasche kaufen, und die Arbeiten noch mal drucken können.“ Dieses eine Mal ließ er uns noch so gehen, aber er drohte uns, dass wenn wir noch mal negativ auffallen, zum Schulleiter müssten. Die restliche Schulzeit redete ich nicht mehr mit Alissia, aber als wir dann gemeinsam zum Busplatz gingen, redeten wir wieder etwas miteinander. „Als ob ich in Herrn Rohlands Tasche kotzen würde! So doof bin ich nicht.“ , begann ich das Gespräch. „Ja, sorry. Mir ist nichts anderes eingefallen. Sei doch froh, dass wir nicht zum Direktor mussten!“ , erwiderte sie. Du hättest doch wenigstens sagen können, dass du es warst!“ , schnauzte ich. „Wenn Fabian nicht dabei gewesen wäre, hätte ich das bestimmt gesagt...“ „Ok, ok... Lass mal gut sein! Tschau.“ „Bis Morgen und: RUF MICH AN!“ „Ja, ja.“ , sagte ich noch und stieg in den überfüllten Schulbus ein. Donnerstags, nach der Schule, ging ich immer zur Gesangs – Schule, genau wie heute. Nach einigen Musikstücken, machte Frau Leiht, unsere Lehrerin, einen Vorschlag: „Wir könnten doch mal etwas öffentlich aufführen, oder?“ Mit diesem Vorschlag war ich zwar nicht so zufrieden, aber irgendwie freute ich mich darauf. Es gab zwei Dinge, die sehr blöd waren. Erstens, es war ein Liebesstück, und zweitens musste ich das Anfangslied singen. Ich begann also zu singen. Plötzlich hörte ich auf: „Äh...Frau Leiht, jetzt kommt aber eine Stelle, wo ein Junge singt...steht hier...“ „Ja, ich hab auch schon jemanden ausgesucht. Er müsste bald kommen...“ In dem Augenblick öffnete sich die Tür. Ein Junge mit braunen Haaren und strahlenden grün – blauen Augen. Ich wäre fast in Ohnmacht gefallen: Es war Phillip.
„Nein, ne?“ , dachte ich, stand auf der Bühne ganz alleine, und guckte zu Boden, um ihm nicht direkt in die Augen sehen zu müssen. „Guten Tag Frau Leiht. Hi, Joylina.“ , sagte er freundlich. „Eh...ja, hi!“ , stammelte ich und wurde rot. „So, so. Ihr kennt euch ja schon. Joy kann gut singen und zu ihrer Stimme passt die von Phillip. Ist ja wunderbar! Na, wie findet ihr meine hervorragende Idee?“ , schnipste sie und dirigierte in der Luft umher. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. „So, Phillip. Ziehe mal deine Jacke aus, und hier ist dein Text. Du singst mit Joylina immer den Refrain, und alleine singst du...warte mal...“ , sie suchte auf dem Blatt und verschwand in ihren Gedanken. „Ehm...ja...hier ist die zweite Strophe! Na gut. Verstanden?“ „Ja, Frau Leiht.“ , Phillip lächelte etwas irritiert. „Guter Junge!“ , lobte sie ihn und strich ihn über die Haare. Ich musste kichern...

„Na Alissia, wie war die Mathearbeit?“ „Die ist heute ausgefallen, Mom.“, antwortete ich und nahm die Gabel in die Hand. Heute hatte meine Mutter ausnahmsweise frei. „Ach wirklich? Und warum?“ , fragte sie und gab mir Spaghetti auf den Teller. „Weißt du, Herr Rohland hat auf seine Tasche gekotzt und die Arbeiten waren danach...“ , ich wollte zuende sprechen, doch meine Mutter unterbrach mich: „Ein Lehrer übergibt sich erstens nicht über seiner Tasche, und zweitens kann er nicht plötzlich erbrechen, wenn er gestern beim Elternsprechtag noch putzmunter war! Was ist wirklich passiert? Sei ehrlich!“ , sie sah mir tief in die Augen. Das war mein Schwachpunkt. Wenn mir einer tief in die Augen guckt, fühle ich mich schwach. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Meine beste Freundin wollte ich nicht verpetzen, aber lügen auch nicht. Ich dachte kurz nach, und flüsterte dann leise: „Sorry Mom, das mit der Kotze stimmt, aber es war ein Streich von einem Mitschüler aus unserer Klasse.“ „Ja? Nur weil man nicht genug gelernt hat, muss man doch nicht gleich so etwas machen. Das liegt bestimmt an der Erziehung! Ich würde meine Kinder nicht so erziehen...“, murmelte meine Mutter, als sie die Soße auf den Tisch stellte. Fast musste ich losprusten, aber zum Glück verwandelte ich mein Lachen in einen unangenehmen Husten...



Den ganzen Heimweg über, wurde mir abwechselnd heiß und kalt. Am liebsten würde ich bei dem Theaterstück nicht mitmachen. Wie gerne würde ich darüber jetzt mit Alissia sprechen. Ich hatte eine schlaflose Nacht.
Als ich aber am nächsten Morgen ins Bad ging wurde meine miese Laune etwas gedämpft.
Alissia wartete schon am Schultor auf mich. Völlig außer Atem berichtete ich ihr: „Du ahnst nicht was passiert ist!“ „Wieso, was denn?“ „Ich muss ein Lied im Theaterstück mit Phillip singen.“ „Aber das ist doch schön.“ „Oh, nein. Es ist ein Liebeslied.“ „...Das könnte ein bisschen peinlich werden!“ „Ach ne...“ , prustete ich bevor es gongte.
Am nächsten Donnerstag war die erste Probe für das Theaterstück. Diesmal gab uns Frau Leiht den Liedtext bekannt:

Life without you

1. I miss you for a long time
Dont know where you are
I dont knew how to bring you back again
I need you for everything that I must do

Refrain: You must come back to me
Or I will jump in the dark deep sea
You must come back, you must come back
to me
:
2. You are everything for me
Without you it`s a tragedy
I cant life without your anodyen voice
I can do everything, only to seen your eyes
Refrain: siehe oben

Schon als ich das Lied einmal alleine gesungen hatte, ist mir klar geworden, dass ich mich das niemals mit Phillip getraut hätte. Die Lehrerin kündigte an: „So, ihr übt das bitte zuhause, und nächsten Donnerstag, werdet ihr es dann zusammen versuchen.“ Mir wurde schlecht. Ich musste doch irgendetwas unternehmen. „Frau Leiht wir haben nächsten Donnerstag eine Hochzeit in der Familie und...äh...na ja, deshalb kann ich leider nicht kommen.“ „Oh ja, das ist wirklich ein Problem. Andererseits aber auch sehr schön. Wer heiratet den?“ „Das ist schwer zu sagen...Die Tochter des Mannes meiner Urgroßmutter, deren Schwägerin, von ihr die Nichte, von ihrer Cousine der Sohn, und von ihm das Kind heiratet.“ Toll, und das kannst du alles auswendig?! Das ist doch ziemlich kompliziert!“, deutete sie an. „Ich muss die Rede zur Begrüßung der Gäste ansagen. Da muss ich das doch auswendig können.“ „Wow, so eine würdevolle Aufgabe übernimmst du?! Das finde ich ja toll. Dann wirst du das Theaterstück mit Links meistern, oder?“ „Bestimmt.“ „Ich denke wir werden auch einmal ohne dich auskommen! Aber ich bräuchte noch eine Unterschrift von deinen Eltern.“ „Wann soll ich sie Ihnen denn bringen?“ Frau Leiht überlegte kurz und erwiderte: „Morgen wäre es gut. Da habe ich mit einer anderen Gruppe den Kurs. Etwa gegen 15 Uhr.“ „Einverstanden. Bis Morgen, und einen schönen Tag noch.“ So schnell wie möglich lief ich nach Hause. Ich hatte schon eine Idee. „Und, wie wars?“ , begrüßte mich meine Mom, die im Vorgarten- Beet Unkraut rupfte. „Wie immer!“ Ich kroste mein Zimmer durch und fand die gesuchte Französischarbeit. Bei ihr hatte ich letztes Jahr die beste Note der gesamten Klasse geschrieben. Deshalb musste ich sie nicht unterschreiben lassen, und Mama hatte sie noch nicht gesehen. Ich änderte darauf das Datum, und riss ein leeres Blatt aus meinem Collegeblock. Ich schrieb fein säuberlich: „Liebe Frau Leiht, hiermit entschuldige ich Joylina für die nächste Gesangsstunde. Aufgrund einer Familienhochzeit, die an einem Donnerstag stattfindet.“
Den Rest konnte man sich ja denken. Der Plan funktionierte...

Kapitel 3


Heute, an einem sonnigen, heißen Tag, und natürlich an einem Freitag, hatte ich mich mit Joy verabredet. Nachdem ich Herr Rohlands Gesicht gesehen hatte, tat er mir dann auch richtig Leid.
Ich musste immer an den Tag zurück denken, als mich Joey aus den Träumen riss. „Alissia, ich dachte du wolltest um drei zu Joylina?!“ „Mist! Das habe ich ja fast vergessen.“ , rief ich ihr zu und rannte durch den Pavillon. Er war einer meiner Lieblings Orte in unserem Garten. „Wann kommst du zurück? Dann koche ich Abendessen. Davor muss ich aber noch versuchen Lias ins Bett zu bekommen. Sonst stört er mich mit seinem Geschrei.“ Lias, mein kleiner Bruder, ist vor kurzem zwei geworden. „So um halb sechs bin ich zurück.“ , sagte ich in Gedanken versunken, und wollte um die Waldecke biegen, doch da hörte ich wie Joey mir etwas zurief: „Bitte nehme den sicheren Weg, nicht diesen wilden Waldweg, oder soll Dan dich fahren?“ Sie ist eine sehr angenehme Frau und sie kann man nicht leicht reinlegen. „Nein.“ , stöhnte ich und wartete bis sie nicht mehr zu sehen war. Dann rannte ich los. Nachdem ich den Gitterzaun überquert hatte, sprang ich über denn Bach, lief neben unserem Geheimversteck lang, und stolperte über das Gänseblümchenfeld, welches Eigentum von Joys Familie war. Ich sah Joy vor der Haustür stehen. Sie machte ein aufgeregtes und nervöses Gesicht zugleich: „Warum hast du so lange gebraucht? Ich wollte schon die Polizei verständigen.“ , berichtete sie mir belustigt. „Haha, so doof bin ich nun auch nicht.“ , lachte ich und wusste, dass es nur ein Witz war. „Komm, war nur ein Scherz...Aber ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht!“ „Bitte sei nicht so wie Joey. Du weißt doch , dass ich es hasse wenn jemand etwas ernst nimmt.“ „Ja, ja. Komm, lass uns ins Geheimversteck gehen.“ , sagte sie und lief voraus. Wir liefen wieder über das Feld und hinein in den Wald. „Psst. Hörst du das? Es kommt von da drüben.“ , flüsterte sie. Wenn sie einmal etwas im Kopf hatte, war sie nicht mehr zu stoppen. Schon rannte Joylina in Richtung unseres Geheimverstecks. Ich hatte Mühe mit ihr mitzuhalten. „Was denn?“ , fragte ich neugierig. „Etwa ein Hase mit Monsterkopf?!“ , kicherte ich und stand schließlich neben ihr. „Ne, Ally. Oh, guck mal! Wie süß. Ein Fuchsbaby.“ , lächelte Joy, und nahm behutsam ein kleines, niedliches Fuchsbaby auf den Arm, welches sich gerade die Pfote schleckte. „Füchse wittern Menschen sehr schnell, wer weiß was dann passieren könnte.“ , zitterte ich sah mich vorsichtig in der Gegend um. „Komm schon, Füchse sind menschenscheu. Die sind so harmlos wie Teddybären. Aber was ist mit der Mutter? Sie bleiben eigentlich immer in der Nähe ihrer Jungtiere. Was ist, wenn sie...also die Mutter...“ , sie kam nicht weiter. Dicke Tränen rollten ihr über die Wangen. „Und der Vater? Der ist doch harmlos, oder?“ , ich zuckte zusammen, versuchte aber trotzdem Joylina zu trösten. In diesem Moment hörten wir einen lauten Knall. „Nein!“ , schrieen wir beide auf und ahnten schon was passiert ist. So schnell wir nur konnten, rannten wir in Richtung des Knalles. Nach kurzer Zeit entdeckten wir Blutspuren, die im Bach verschwammen. Neben ihm lag die Mutter von dem Baby. Es war ziemlich sicher, dass es die Mutter war, weil es in einem Wald nur eine Familie des Fuchsvaters gab. Es war sein Revier und seine Füchsin. „Nein!“ , dachte ich traurig. Sie war tot. Vorsichtig setzte meine Freundin das kleine Welpen ab. Es ging zur Mutter und versuchte vergeblich, sie zum aufstehen zu bringen. Joy schniefte, und fing wieder an zu schluchzen. Diesmal aber nicht allein, ich weinte auch.


Kapitel 5


"Ich freu mich schon!" grinste Joy breit. "Ich auch" flüsterte ich und schaute aus dem Fenster. Plötzlich ließ mich ein schrecklicher Gedanke erschaudern:" Was ist, wenn dein Onkel auf die Idee kommt das Baby zu töten, um dann den kostbaren Pelz zu verkaufen? Ich habe nämlich gestern in den Nachrichten gehört, dass illegale..." "Wie kommst du nur darauf?! Onkel Richard würde nicht mals einer Fliege etwas antuen! Außerdem ist er KEIN illegaler Förster." unterbrach sie mich und guckte mich empört an. "Sorry.." murmelte ich und fragte mich selber wie ich auf diese Gedanken kam. "Wovon quatscht ihr Mädels?" fragte plötzlich Lena, Joys Mam. "Ehm..also.." begann Joy. "Wir sind ein bisschen aufgeregt weil..also ich kenn Joys Onkel fast garnicht und wir reden gerade über das Haus, die Umgebung und so..." rettete ich uns. Es klappte. Lena konzentrierte sich wieder auf die Straße und stellte keine Fragen mehr. Sie bog in einen Pfadweg ein. Diese Gegend war eine meiner Lieblingsorte in der Stadt. Es war ein wunderschöner Panoramaweg, der immer zwischen zwei Bäumen auf jeder Straßenseite entlangführte. Hinter den Bäumen erstreckte sich eine weite Wiese, die an einen dichten Wald grenzte. Endlich sah ich den Bungalow von Richard. Er hatte ein schönen, großen Bungalow mit Swimmingpool, doch das beste, war die Ausssicht die sich hinter dem Haus kilometerweit erstreckte. Glitzerne Berge und Wälder. Es war wunderschön..
Lena parkte vor dem Haus. '' Hast du Richard bescheid gesagt?'' grölte Joy. und verstckte schnell das Körbchen hinter ihrem Rücken. ''Nein aber ich bin mir sicher er freut sich auf etwas Gesellschaft. Ich muss sofort los. Du weißt ja Julie hat eine Aufführung im Kindergarten und ich muss in zehn Minuten wieder Zuhause sein..." lächelte Lena schwach. "Ja ja geh nur. Außerdem hab ich jetzt echt Bock Tim zu verprügeln.." grinste Joy breit. " Schatz, lass bitte deine Albernheiten sein... Du weißt ja, es ist grad im Moment schwer für Tim..." seuzfte Lena. Joys Grinsen verschwand sofort und sie wurde wieder ernst: "Schön du kannst jetzt gehen. Richard ist ja zuhause..." "OK. Bleib aber normal, ja?! Dann viel Spaß ihr beiden!" verabschiedete Lena sich und fuhr hupend auf die Straße zu. Wir drehten uns um und steuerten auf das Haus zu. Dabei musste ich ständig an Tim denken...



"Also..." begann mein Onkel, "es ist auf jeden Fall ein Männchen." Wir drei standen um den Tisch herum, auf dem der kleine Fuchs-Junge lag. Er sah uns ängstlich an. "Wo habt ihr ihn denn gefunden?" räusperte sich Onkel Richard. "Sie lag einfach so am Waldrand...Keine Ahnung wie sie dort hingekommen war..." wunderte sich Alissia. "Guck Mal, wie süß! Er schleckt sich ein Beinchen!" faselte ich während Richard nachdenklich schaute: " Er ist noch sehr jung... höchstens 10 Monate alt. Wollt ihr ihn hierlassen?! Ich könnte es aufziehen. Ihr könnt ihn ja besuchen..." "Nein!" riefen wir wie aus einem Mund und fingen an zu lachen. " Na gut, dann muss ich euch erstmal paar Regel bekannt machen..." deutete mein Onkel an. Ich fand es zwar nicht so toll, aber es war doch besser wenn er bei meinem Onkel hätte bleiben müssen: Erstens würde er nicht vorsichtig genug mit ihm umgehen... und zweitens würde meine Mutter mich nicht so oft zu Onkel Richard fahren! "Ihr müsst ihn dreimal täglich etwas zu essen geben. Gebt ihr mehr als genug zu fressen, damit sie auch zu Kräften kommt. Frische Kräuter sind gut für ihn. Moment... Ich habe hier auch ein Buch ,,Einheimische Kräuter''. Ihr müsst aufpassen dass das Grünzeug nicht giftig ist! Ich leihe euch das Buch aus.
Außerdem wäre ein Brei auch gut. Den kann das Baby auch besser verdauen. Deine kleine Schwester, Julie hat doch bestimmt eine alte Puppenflasche, oder? Tut da einfach warme Milch rein und fütter ihn damit! Mindestens eine Woche solltet ihr ihn in einer Wanne waschen. Deckt sie in der Nacht gut zu, weil sie noch sehr dünnes Fell hat. Wenn ihr diese Anweisungen nicht befolgt kann der junge Fuchs nicht überleben..." er redete und redete bis ihm die Luft ausging. Onkel Richard fühlte sich immer in der ersten Minute schon für jeden verantwortlich. Ich hörte mir jedes Wort an und prägte es mir ein, doch Alissia war mit den Gedanken irgendwo anders. Sie guckte verlegen aber auch traurig aus dem Fenster. Ihre Augen waren nass und glasig, doch sie weinte nicht...

"Ja ja Onkel Richard, wir haben a-alles verstanden!" , Joylina verdrehte ihre Augen und tippte mit den Fingerkuppen auf dem schwarz- lackierten Echtholztisch herum.
"Onkel Richard, wir sind vernünftig und nicht so wie Ti...'' Joy brach aprupt ab und schaute beschämt auf dem Boden. ''Ich finde es ok wenn er mal daneben liegt. Naja schließlich...'' beendete ich Jolinas Rede. '' Uhh Ally! Du und Ti...'' Joy kam nicht weiter, weil ich ihr unterm Tisch gegen ihre Waden trat und sie errötete. Doch bald fingen wir drei an zu lachen. Das Fuchsbaby '' lächelte'' auch mit und wirkte fröhlich in dieser Umgebung, was mich auch beruhigte. ''Wo ist er eigentlich?'' fragte ich und lächelte. ''Er ist in seinem Zimmer und hatte lange nicht gesprochen. Er wird sich bestimmt freuen wenn er euch sieht. Am besten wäre es wenn ihr mit ihm für kurze Zeit nach draußen geht. Ich kümmere mich solange um den Kleinen. Viel Spaß'' Richard summte vor sich hin und verschwand mit dem Baby in der Küche.
'' Viel Spaß hätte er uns villeicht auch nicht wünschen können.'' brummte Joy als wir vor seinem Zimmer standen. Joy stieß mich leicht an. Ich legte ein Ohr auf die güne Tür. Es war kein Laut zu hören. Ich begann meine Rede: '' Tim? Wir sind's, Joy und eh... Alissia. Dürfen wir reinkommen?'' Ich wusste das es schwer war, sich wieder im Leben einzufinden nachdem seine eigene Mutter gestorben war. Wir hörten nach einiger Zeit nur ein gedämpftes ''ja''. '' Geh du zuerst rein.'' murmelte Joy und drückte mich gegen die Tür. Ich zog eiene böse Grimasse :'' Ja ja ich geh ja schon.''
Ich öffnete langsam die Tür und sah Tim auf seinem Bett sitzen, mit einem verheulten Gesicht das zum Boden zeigte. Joy verzog sofort ihr Gesicht und flüsterte mir zu: '' Mach du das. Ihr versteht euch viel besser.'' Ich guckte sie wütend an. Sie verdrehte ihre Augen und nuschelte ein kaum hörbares ''Hi'' zu. Man konnte immer merken, dass Joy Tim nicht mochte. Leider tat sie es auch. Ich weiß immer noch nicht warum. Doch einerseits hatte sie Recht. Ich konnte sehr gut Menschen, besonders Freunde trösten. Joy verschwand leise aus dem Zimmer und ließ uns allein. Ich setzte mich langsam neben ihm. Er zeigte keine Reaktion. ''Hey Tim, gehts? Ich weiß dir fehlt deine Mutter sehr, aber du musst dich wieder im realen Leben einfinden. Dein Vater will wieder mit dir etwas gemeinsam machen. Du fehlst ihm sehr. Er braucht dich. Du ihn auch. Du brauchst auch ganz besonders deine Freunde mit denen du sprechen kannst. Ich weiß, dass du dich ganz verlassen und einsam fühlst, ich kenn meinen Vater auch nicht mehr... Naja sorry für Johanna. Sie wird immer in dir sein, auch wenn du sie nicht siehst'' Ich sprach langsam und ruhig. Es kam mir so vor als ob ich mit einem Kleinkind redete und ihm erklärte wie man das Alphabet aufsagte. Joy kam langsam und leise wieder herein und schaute uns zu. Plötzlich schaute er hoch, er sah mir tief in die Augen. Und dann geschah das Unerwartende: Er stand auf und umarmte mich fest. Joy schaute nur verdattert zu mir: "Selbst sein Dad konnte ihn nicht dazu bringen.", murmelte sie. "Danke", flüsterte er mir zu und rührte sich nicht. "Ist schon gut. Kommst du mit nach Draußen? Ein bisschen frische Luft würde dir gut tun. Er lächelte schwach, aber doch herzlich. Er schlüpfte immernoch still in seine Schuhe und zog gemächlich seine dunkelbraune Lederjacke über. Langsam ging er zu Joy hinüber: "Danke, dass ihr gekommen seid!", kam über seine Lippen. Wort für Wort. "Na los! Gehen wir endlich?! Ich muss dir eine Menge erzählen!", strahlte ich und versuchte ihn aufzumuntern. Er war schon immer mein bester Freund gewesen. Nur dann kam die Sache mit Johanna, seitdem war er nicht mehr Tim. So nett, sympatisch, hilfsbereit, witzig, vertrauensvoll, und eben ein bester Freund. Jetzt war er ruhig und einsam, doch das sollte heute hoffentlich anders sein.
Als wir vor der Haustür standen, rief ich: "Tschüss Richard!" , und ging mit Tim in Richtung Wald. "Also dann... Wir haben ein Fuchsbaby, deines Dads Meinung nach, ein 10 Monate junges Männchen, in unserm Wald gefunden. Wenn du willst kannst du dir einen Namen aussuchen." Wir drei gingen den beschatteten Waldpfad hinunter, welcher bald zu einer großen Wiese führte. Die Sonne flackerte goldgelb am Himmel. Es war Spätherbst...




Kapitel 6


"Ja, gerne! Ich hab schon eine Idee.", er zwinkerte meiner Freundin zu.
Ich musste fast kotzen... Warum hatte ich Tim, Alissia überhaupt vorgestellt?
Das war vor etwa vor drei Monaten. Es war mir einfach nicht Recht, dass sich Alissia wie ein Psycho aufspielte und sich dabei auch noch cool fühlte. Ich hatte mich noch nie richtig mit Tim-Justus verstanden, und das seit mehr als 13 Jahren. Warum sollte Alissia sich so schnell mit ihm angefreundet haben? Früher haben sie sogar die Zungen geschnalzt, als sie sich sahen. Einfach nur Turteltäubchen. Man kann doch nicht in ''Two Boys'' gleichzeitg sein. Da war ja auch noch Fabian! Wie kann man nur?! Als wir bei unserem Lieblingsplatz angekommen waren, setzte sich Alissia natürlich neben Tim-Justus. Ich presste meine Lippen aufeinander und begann zögernd ein Gespräch: '' Und? Wie soll er heißen?'' '' Wir könnten den Namen vielleicht aus unserem drei Namen bilden?'' schlug Tim vor. Alissia begann :'' Litissius? Oder... Jotun?'' ''Ja, die klingen doch schön! Vielleicht Usalius?'' überlegte Tim. '' Was meinst du?'' fragte Alissia mich. ''Ähm...ich...also... Isaltunus?'', räusperte ich mich. ''Nicht schlecht, aber welchen sollen wir jetzt nehmen?'' Ich schaute nervös auf meine Armabanduhr: ''Du Ally, meine Mom klillt mich wenn wir nicht vor fünf Zuhause sind! Wir müssen jetzt gehen!...'' ''Klar!'' Alissia sah Tim an. ''Schon ok. Ich geh allein nach Haus, ist ja nicht so weit...'' Oh mein Gott, dachte ich. Wie sie sich schon anguckten...Grauenhaft! Außerdem dauert es von hier, wenn man rennt, fast eine halbe Stunde. ''Tschau Tim! Bis Morgen!'' jodelte meine beste Freundin und lief hinter mir her. Was?! ''Haben die sich etwa schon ein Date ausgemacht?!'' faselte ich vor mir her.
Als wir bei mir Zuhause ankamen, roch man schon von weitem Ravioli mit Käsesoße. Als wir uns vollgestopft hatten, tischte meine Mutter noch Vanillepudding mit Schokostreuseln auf. Schließlich gingen wir hoch in meinem Zimmer. ''Wollen wir Zeitschriften lesen?'' schlug Ally vor. Wir setzten uns auf dem warmen Fußboden. ''Was ist eigentlich mit Fabian?'' fing ich an. ''Och...du weißt ja... er ist sehr schüchtern u-u-und süß!'' lachte sie. ''Ich war noch nie in zwei Jungen gleichzeitig verliebt...!'' Ich blieb ernst. ''Hä? Ich doch auch nicht?!'' ''Jetzt mach mir nichts vor! Du stehst auf Tim... gibs zu!'' ''Nein, wieso denkst du das?'' ''Du bist eine elende Lügnerin. Zuerst lügst du Tim an, und dann auch noch mich! Ich hab doch gesehen, wie ihr euch immer anguckt.'' ''Was denkst du eigentlich von mir? Leider hab ich keine Ahnung was du da redest!'' ''Wie kannst du schon, in nur einer Woche ein Date mit ihm ausmachen?'' Alissia sprang auf und prustete: ''Kann ich nicht mal normal mit einem Jungen befreundet sein, ohne dass ich ihn lieben muss?! Hast du eigentlich noch alle? Das mit dem Date stimmt auch nicht. Er wollte mir morgen nur seine Sammlung von Muscheln und besonderen Steinen zeigen!''
''Also doch ein Date! Du brauchst mich doch nicht gleich so anschreien!'' ''Lass mich in Ruhe! Lass mich doch mit meinem privaten Angelegenheiten allein! Tschüss!!'' schrie sie noch und rannte nach draußen.

Kapitel 7


Es war Sonntag. Heute hatte ich eigentlich eine Verabredung mit Joy, aber wer weiß ob ich sie heute noch sehen werde. Sie hatte ja damit angefangen. Außerdem habe ich Tim schon versprochen, dass ich ihn heute besuchen kommen würde. Joy sollte auch mitkommen, aber nachdem sie gestern mein Vertrauen verletzt hatte,kann sie's vergessen. Wie kann man nur behaupten, dass ich in Tim bin? Natürlich ist er ein guter Kumpel, aber nichts mehr. Keine Beziehung. Tim geht eine Klasse höher als ich.
Aber meine Freundin und ich vertrugen uns eigentlich schon innerhalb von 2 Tagen wieder. ''Alissia, kommt Joy heute denn noch?'' rief Joey aus der Küche. Ich saß auf einem schwarzen Ledersessel und starrte geistesabwesend auf die weiße Decke. Ich schwieg. ''Alissia, bist du noch da?'' hörte ich Joey erneut, diesmal aber ein bisschen nervöser. Vielleicht wird Joy mich heute noch anrufen und sich entschuldigen. ''Eh... ja?!!'' stotterte ich und schlich die Marmortreppen hoch. Abrupt blieb ich stehen. Hatte ich da gerade eine Stimme gehört? Ein Schauder lief mir über den Rücken und ich bekam eine Gänsehaut. Kam die Stimme aus meinen Gedanken, oder habe ich sie gerade gehört? Ich lauschte noch einmal, aber zum Glück hörte ich nichts mehr. Egal, ich hatte doch keine Lust in mein Zimmer zu gehen. Es war warm draußen, so tappte ich leise durch den Flur zum Nebenausgang in den Nordteil des Gartens. Der Garten führte am Wald entlang. Ich rieb kurz meine juckenden Augen und schritt zum weißen Pavillion. Er war groß, offen und romantisch. Ein kleiner runder Tisch stand in der Mitte, mit einer roten Rose in einer schwarzen Vase. Ich ging durch den Pavillion zu dem Teich mit wunderschönen, glitzernen Goldfischen. Gegenüber vom Teich stand eine weiße Bank. Langsam ließ ich mich auf die Bank nieder, wie immer im Schneidersitz. Immer wenn ich traurig war oder Probleme hatte, setzte ich mich dort hin und dachte nach. Ich liebte diesen Ort, besonders an warmen Sommertagen. Ich schloss meine Augen und lauschte. Vögel zwitscherten, Bienen summten, die Fische spielten im Wasser und Marienkäfer schlugen schnell mit ihren Flügeln. Ich öffnete wieder meine Augen und beobachtete das Wasser im Teich, dass mit der Sonne spielte und sich dabei wunderschön spiegelte. Ich sah Memphis, den Gärtner auf mich zukommen.
Er war schon alt, doch liebte er Pflanzen zu pflegen. Er tat sein Job auch ganz gut. Ich mochte ihn. Er trug immer eine karierte Bauernmütze und zog kniehohe Gummistiefel an. Er liebt unseren Garten, dass ist auch der Grund, dass er alle Pflanzenarten in und auswendig kennt. Natürlich verbrachte er die ganze Zeit dort und kümmerte sich über jede einzelne Pflanze. Ich mocht seinen Charakter, doch manchmal kann er auch etwas knurrig sein. Außerdem sollte man höllisch aufpassen wenn man im Garten spielt. Wenn man eins 'seiner' Pflanzen zerstört oder pflückt, könnte er aufbrausen. ''Alissia, deine Freundin wartet vor dem Tor auf dich.'' Memphis lächelte mir zu und verschwand im Lilienbeet. Ich bedankte mich und lief nachdenkend durch das Haus zum Tor.
Schon von weitem sah ich Joy mit ihrer aufälligen Kleinkinderjacke. Ich konnte ein Lächeln nicht verkneifen. Ich war ein bisschen überrascht, dass sie kam. Sie empfing mich nicht besonders nett: ''Wir schreiben morgen den Bio-Test über Pflanzenarten. Herr Gerhards hat eine Anrufkette duchgeführt aber unser Telefon ist ausgefallen.'' Dumme Ziege, du hast doch auch ein Handy. Sie fuhr fort:''Ich sollte es ausrichten, weil.. ehm.. wir heute noch ein Treffen vereinbart hatten.'' murmelte sie hoffnungsvoll durch die vier Zahnlücken. Sie war für ihre Zahnlücken weltweit bekannt. Ich musterte sie zwiespältig, wütend und angespannt. ''Du hast es gut. Du kannst noch mit Memphis lernen, aber ich...'' Ich unterbrach sie beim unverständlichen weiternuscheln. ''Von mir aus kannst du bei mir abschreiben.'' Ich schaute sie immer noch sauer und fragend an. ''Danke! Ach, ich wollte dir noch sagen...ehm...also...'' sie stoppte und starrte auf den Boden. Ich verschränkte meine Arme und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. ''Also, das mit Tim... stimmt nicht oder?'' 'Das stimmt nicht' sagte sie kaum hörbar. ''Joy, Freundschaft ist nicht gleich Liebe!'' Ich versuchte es ihr auf eine mathematische Formel zu erklären, denn sie hatte letztes Mal wohl garnichts verstanden. ''Ich weiß nicht warum er sich so gut mit mir versteht, aber wir sind halt nur Freunde! Was dagegen?!'' prustete ich los und kickte ein paar Kieselsteine in die Luft, dass schon nach einiger Zeit eine kleine Staubwolke entstand.
''Nee, eigentlich nichts, aber guck mal, wir kennen uns schon seit zwölf Jahren und ich weiß nicht mal welche Hobbys er hat oder so... aber ihr kennt euch erst seit einem Monat und seit schon richtig gut befreundet?!'' maulte sie. ''Das kapier ich ja auch nicht... ich möchte es nicht gerne sagen, aber vielleicht mag er dich nicht so doll?! Naja, is jetzt auch egal. Lass uns über etwas anderes reden...Komm rein, ich muss dir unbedingt etwas erzählen!''



"Machs nicht so spannend, sag schon!" , rief ich neugierig. "Naja, als... Ich glaub Fabian mag mich so richtig..." , flüsterte sie fast ohne Ton. "Mann, das ist doch nichts Neues!" "Ja, warte doch ab! Gestern Abend wollte er auf FB noch irgendetwas sagen..." Ich sah sie schräg an: "Woher willst du das wissen?" "Er hat geschrieben, dass er mich noch was fragen will. Dann hab ich ungefähr zehn Minuten gewartet und wollte mich schon ausloggen, da hat er geschrieben, dass er jetzt Abendessen muss." Sie zögerte weiter zu reden. "Und was ist daran jetzt seltsam?" "Naja, wer fast ne ganze viertel Stunde braucht, um mir zu sagen, was er jetzt macht!?" Ich überlegte kurz. "Kann doch sein, dass er in der Zeit mit seiner Mutter diskutiert hat." "Vielleicht wollte er mich fragen, ob wir..." "....zusammen sein wollen?! Meinst du echt?" Sie überlegte noch kurz, als ich plötzlich einwarf: "Ich muss jetzt aber leider Abendessen." Ally kicherte: "Verwendest du jetzt auch dieselbe Ausrede wie Fabian? Es ist doch grad mal 4Uhr!" "Ja, ich weiß. Wir sind zu meiner Oma eingeladen, und die isst immer so früh..... Sie isst sogar um zehn Uhr Mittag..." Alissia gähnte. "Na ok, ich bin sowieso etwas müde. Tschüss!"
Ich holte mein Tagebuch aus der Truhe hinter dem Schreibtisch, und klappte es auf. Ich musste fast weinen, als ich das las, was ich in der vierten Klasse aufgeschrieben hatte:

Liebes Tagebuch,
mein Schwarm war bzw. ist in meine besten Freundinnen verknallt/ gewesen. Nur in mich nicht. Morgen muss ich auch noch mit ihm in unserem Abschlussmusical die Hauptrollen spielen. Er spielt den Sohn, und ich die Mutter. Er hat mich als die Rollen verteilt wurden, noch nicht einmal angeguckt. Wenn ich nicht endlich weiß was ich machen soll, sterbe ich noch.... Trotzdem: Ich muss wissen, ob er mich mag oder nicht. Er hasst mich bestimmt, und das Musical wird schrecklich.
Joylina

Fast dasselbe passiert jetzt auch: Ich muss mit ihm singen, genau wie in dieser Situation. Übermorgen, bei der nächsten Probe, würde es dann soweit sein. Nun rasten meine Gedanken wieder zu Alissia und Fabian; ich musste etwas unternehmen!
Am nächsten Tag traf ich auf dem Flur Fabian. Meine Chance, dachte ich. "Äh, hast du vielleicht Alissia gesehen?" , fragte er mich. "Vielleicht spielt sie heute auf Krank...Sie wollte ihren Freund besuchen." , bekannte ich gerade heraus. "S-sie hat einen Freund?! Seit wann das?" , er schaute irgendwie durch mich hindurch. "Seit einem Monat ungefähr. Wieso fragst du?" Anstatt zu antworten, drehte er sich zu Gehen um. "Warte! Wir machen doch dieses Rollenspiel in Politik, ne!? Also: Du müsstest diesen Text in deiner Schrift abschreiben, damit es auch echt aussieht. Ist das ok mit der Rolle?", sagte ich und reichte ihm ein Blatt. Er stammelte etwas wie "Ok, klar." vor sich hin, und ging geradeaus in den Klassenraum. In dem Moment stürmte Alissia an mir vorbei, und rief über die Schulter: "Komm wir geh`n rein! Sorry, ich musste mit dem Linienbus fahren, und der kommt etwas später bei uns vorbei..."
Ich schaute die ganze Stunde über zu Fabian. Er saß still da, und glotze auf sein Englischbuch. Seine Augen waren gerötet, und er wirkte wie ein Standbild. Ich wusste auch den Grund zu alldem...

Kapitel 8


In der Schule war es ein bisschen komisch. Fabian, der eigentlich immer versuchte Blickkontakte mit mir aufzunehmen, saß ganz ruhig auf seinen Stuhl, starrte auf das Buch und flüsterte nicht mals mit Robin, der neben ihm halb pennte und ohne Pause auf ihn einplapperte. Nach der Schule fragte ich Joy etwas verwirrt: ''Fabian sah so schlecht gelaunt aus. Er ist eigentlich nie so. Weißt du was mit ihm...'' ''Keine Ahnung. Beeil dich lieber, der Bus fährt gleich los.'' unterbrach sie mich, zuckte mit den Schultern und zog mich zur Schulbushaltestelle mit. ''Ich hoffe wir bekommen Plätze.'' murmelte sie genervt und stieg in den Bus ein. Die meisten Plätze waren noch leer und der Busfahrer lächelte uns freundlich an. Wir setzen uns auf den mittleren Plätzen. ''Sollen wir direkt zu Onkel Richard? Der Weg dauert zwar länger, aber für deinen Ehemann mach ich alles.'' kicherte sie albern vor ihr herum und ich sah sie finster an. Ich konnte nur an Fabian denken. Langsam füllte sich der Bus und wir fuhren los...
Als wir ankamen, stieg ich als erstes aus und ging zum Haus. Joy folgte mir zögernd. ''Warum bist du überhaupt mitgekommen, wenn du die ganze Zeit nur zögerst?! Ach ja ich wollte dir noch etwas sagen...'' Doch ich wurde von Tim unterbrochen. Er strahlte, wurde aber rot als Joy sich räusperte: ''Ich bin auch noch da, ja?!'' Ich wurde ebenfalls rot. ''Eh, sorry. Kommt rein!'' stotterte er. Joy verdrehte ihre Augen : ''Endlich! Danke.'' Ich stöhnte leise und folgte ihn in die Emfangshalle. Lange saßen wir am Tisch und sprachen nichts. Die Stille wurde langsam peinlich. Zum Glück sagte Joy etwas: ''Wo ist Richard?'' ''Er ist auf einer Arbeitsreise in Australlien. Es dauert vielleicht ein oder zwei Monate bis er zurückkommt.'' Joy machte große Augen. Ich wusste das sie jetzt etwas dummes sagen würde. Genau das tat sie. ''Oha, wer soll denn so lange auf dich aufpassen? Hat dein Dad dir ein Kindermädchen besorgt, oder ziehst du direkt zu Alissia ins Zimmer.'' Wir wurden richtig rot, er besonders. Ich trat ihr kräftig an den Schienbein sodass
sie ein Stöhnen unterdrücken musste. Tja, das hast du nun davon. ''Ehh, wollt ihr etwas essen?'' fragte er bedrückt. Diesmal war es wieder Joy, die antwortete: ''Klar. Hirschpastete mit Pferdeleber und Stinkstierspeck!'' Er wurde grün. In mir stieg die Wut auf. ''Sorry, sie meinte das nicht ernst. Ist egal, mach etwas das du auch essen möchtest.'' rettete ich uns. ''Ok, wie wärs mit Pizza?'' Ich schielte zu Joy. Sie nickte. ''Ja, danke!'' Somit verschwand er in der Küche. Ich glotzte Joy unfassbar an. ''Ach komm, ein bisschen Spaß macht dir doch nichts aus oder? Hast du sein grünes Gesicht gesehen?! Hahah!'' Sie lachte sich schlapp. ''Das war irgendwie nicht witzig?! Merkst du nicht das es uns peinlich ist? Außerdem konnstest du das mit meinem Zimmer sparen.'' ''Ach komm. Ich mein das doch nicht ernst. Ach ja, es hat höllisch wehgetan!'' ''Hast du nun davon.'' ''Boaah, bist du soo doll in den verknallt, dass du dir paar Scherze nicht erlaubst?'' So langsam rastete sie aus. ''Egal, was was wolltest du mir erzählen?'' ''Ich.. also.. Ich glaube du hast etwas schon bemerkt...'' ''Nun machs nicht so spannend! Sag schon!'' ''Ich bin nicht mehr in ... Fabian verliebt. Aab-ber ich mag ihn noch sehr...'' Sie klappte ihr Mund auf und starrte mich mit riesigen Augen an. ''Was.. das ...das gibts nicht.. ich...du...'' ''Bon Appetito! Guten Apettit!'' Plötzlich stand Tim vor uns und servierte Spinat-pizza. Joy hasste Spinat, doch aß ohne aufzugucken. Die blöden Kommentare ließ sie auch. Irgendwie fühlte ich mich leichter. Als ob dies meine letzen Worte mit Joy waren...
Nach dem Essen, führte Tim uns in seinen Zimmer. Joy hielt abstand: ''Ich bin bei Anordo und Princess. Ich will euch nicht stören.'' Ohne das ich etwas erwidern konnte, war sie schon im Flur verschwunden. Ohoh, nun war ich allein mit ihm im Zimmer. ''Ehh, hier ich wollte dir ja meine..eh Steinesammlung zeigen.'' Wie süß. Ich setzte mich vorsichtig neben ihn auf das Bett. Irgendwie fühlte ich mich geborgen und geschützt bei ihm. Langsam öffnete er eine kleine Kiste. Ich schaute hinein. Ganz viele kleine Edelsteine glitzerten in der Box. Sie waren alle unterschiedich farbig. Manche marinblau, cremefarben, algengrün, sonnengelb und so weiter. '' Du kannst dir einen Stein aussuchen.'' lächelte er. ''Ja? Danke!'' Ich konnte mich nicht entscheiden. ''Ist es ok, wenn ich für dich einen aussuche?'' fragte er etwas leise. Ich lächelte: ''Ja klar.Gerne!'' Es dauerte nicht lange, und schon fischte er einen wunderschönen Stein herraus. Etwas schöneres hatte ich noch nie gesehen. Er war dunkelrot mit zartrosanen Linien. Er hatte die Form eines Herzes und fühlte sich wie geschmeidiges Glas an. ''Ohh, wie schön! Danke!''
Lange umarmte ich ihn. Zum Glück wurde ich nicht rot, er aber schon. Tims Arme umschlugen ebenfalls meinen Nacken. Es fühlte sich so an, als läge ich in den Armen eines Engels. Plötzlich hörte ich ein lautes Räuspern: ''Ehh, sorry, Leute. Ich..eh.. brauche Pferdefutter...'' Joy stand mit puterrotem Gesicht an der Tür und starrte mich unfassbar an. Tims Gesichtfarbe blieb und er stotterte etwas unverständliches: ''Ähh, Pferdefutter liegt hinter dem Stall in der Kiste.'' ''Okay , danke.'' flüsterte Joy und wollte schon gehen, doch ich hielt sie auf: ''Warte,ich komm mit.'' Langsam sah ich Tim an. ''Ehh, klar, ehh.. geh nur, ich komm nach...Ich muss mich kurz eh.. umziehen...''
''Gut, bis gleich!'' Ich verabschiedete mich für paar Minuten. Als wir an den Pferdeboxen waren, fand Joy ihre Sprache wieder: ''OMG, sag mir, dass das nur ein Traum war?!! Das mit Fabian auch.'' Der letze Satz ließ meine Haare sträuben. ''Ehm, das erste war kein Traum, das zweite ..ehhm.. auch nicht.''
''Das kann nicht sein!? Er mochte dich schon, seit ihr euch kennengelernt hattet, doch wir? Das ist mein Cousin. Ich verstehe einfach nicht warum er dich mehr mag... Okay, ich gibs ja zu du bist höchstwahrscheinlich seine Geliebte, aber wir sind Familienmitglieder?!'' ''Hey, ich bin wieder da.'' Tim sah ziemlich zufrieden aus und strahlte über das ganze Gesicht, dass total süß aussah.



"Wo wart ihr denn?", fragte Tim. "Ich war bei Anordo. Hast du dir etwa Sorgen gemacht?" , kicherte Alissia und lief zu ihm hin. Wie kann man nur in so einen verliebt sein, der extrem schüchtern ist, dachte ich.
Wir gingen in unser Geheimversteck. Früher gehörte es zwei Leuten, jetzt dreien. Tim begann ein Gespräch: "Und, wie geht es dem kleinen Fuchs?" "Was glaubst du denn" , spotette ich, "natürlich ist er schon gestorben. Bei mir ist das ja klar, ich kenn mich ja überhaupt nicht mit Tieren aus." Alissia verdrehte die Augen: "Jetzt sei doch nicht so gemein!" Sie schrie mich förmlich an. Tim räusperte sich und fragte stotternd wie wir es nennen wollten. Wie wir es nennen wollten. Wie das schon klang. Lange diskutierten wir noch über den Namen, bis Tim nachhause musste. Ich verabschiedete mich knapp. Meine Mutter würde ausflippen, es schon kurz vor fünf...
Am nächsten Morgen war ein Donnerstag. Als ich aufwachte erstrahlte mein Zimmer ganz hell. Ich stand auf und lief ans Fenster. Als ich die Gardine etwas zur Seite schob und nach draußen schaut, erblickte ich eine weiße Watteschicht auf den Bäumen, Dächern und unserer Straße. Es hatte geschneit. Ich lief mit meinem Nachthemd und nackten Füßen raus, und ließ mich auf die schneebedeckte Wiese fallen. Ich biberte am ganzen Körper und trotzdem drückte ich mich noch fester in die kalte Wolle. Meine Mutter raste aus der Tür: "Bist du noch ganz gescheit?" Sie legte mir ihren kratzigen, von Oma gestrickten, Pullover über. "Kind, Kind, was mach ich nur mit dir?! Du lernst nie etwas dazu, oder?" , stöhnte sie genervt. Ich gab keine Antwort, sondern ließ nur das warme, strömende Wasser über mich pletschern. Nach einem heißen Tee und zehn Wärmeflaschen, ließ mich meine Mutter endlich zur Schule.
Vor der Klassentür übergab mir Fabian den Zettel. "Ich weiß zwar nicht was das mit Politik zutun hat, aber..." , sagte er noch über die Schulter und ging in den Klassenraum. Nach der Schule überreichte ich den Zettel Alissia. Sie las:

Hi Stella,
danke, dass du mich gefragt hast... Treffen wir uns heute wieder?
dein Fabi

"D-das ist von Fabi?" , stammelte meine Freundin entsetzt. "Ja, aber da du ja eh nicht mehr in ihn bist, ist das ja nicht so schlimm..." Ich sah ihr nicht ins Gesicht. Irgendwie durch sie hindurch. "Nicht so schlimm? Er wusste doch garnicht, dass ich in einen anderen bin!" Ich zögerte kurz zu antworten. "Aber er hätte ja auch nichts von Tim Justus erfahren, oder?" "Doch natürlich, aber erst wenn das mit Tim..." , sie unterbrach und schluchzte auf. Sie stieg ohne ein weiteres Wort in den Bus. Ich hatte erreicht was ich wollte. Wir saßen im Bus nebeneinander. "Danke..." , stotterte Alissia. "Wieso danke?" Ally antwortete nur leise: "Du hast mir gezeigt, wer Fabian wirklich ist." Dicke Tränen rollten über ihre Wangen. Jetzt bemerkte ich erst was ich wirklich getan hatte.
Zuhause fühlte ich mich nicht gut. Ich sah meine Mutter flehend an: "Bitte Mom, muss ich zur Gesangsstunde? Mir ist irgendwie schlecht." "Ach Schätzchen, Frau Leith kann auf dich nicht verzichten!" Wenn meine Mutter so mit mir sprach, halfen keine Widerreden.
Als ich schon an der Haustür stand, sagte Mom noch: "Wenn du nach hause kommst, bin ich für zwei bis drei Stunden beim Arzt mit deiner Schwester. Papa kommt erst um sieben wider. Stell bitte nichts an. Bis nachher!" Ein knappes "Tschüss" und ich schloss die Tür. Bevor Frau Leith kam, mussten alle vor der Eingangshalle warten. Plötzlich kam Phillip händchenhaltend mit irgendeiner Tusse an. Ich traute meine Augen kaum. Sie drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange, schnalzte mit der Zunge und lief davon. Meine Pupillen breiteten sich aus und ich wurde leichter. Mein Kopf begann zu pochen. Es war aus. Phillip war vergeben. In meinen Augen bildeten sich langsam Tränen. Ich nahm nichts mehr wahr. Er hatte mich noch nicht bemerkt. Ich wollte verschwinden, irgendwohin, doch leider kam Faru Leith um die Ecke. Ich war gefangen. Unauffällig wischte ich meine Tränen mit zitternden Fingern weg und folgte ihr in die Halle. Nun musste ich mit ihm singen. Meine Beine hielten mich fast nicht mehr, als ich neben ihm auf der Bühne stand. Er stand so nah neben mir, dass ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Meine Stimme war rau und zerrend. Es kam mir so vor wie eine Lüge, aber es war keine. Es kam mir so vor wie ein Traum, aber es war keiner. Er hatte mich nicht begrüßt, er hatte sich nicht verabschiedet, er mochte mich nicht. Ich wollte nur weg. Irgendwohin, nur nicht in seiner Nähe sein. Nur langsam fuhr der Linienbus voran. Mein Kopf schmerzte immer noch und es wurde nicht besser. Ich beeilte mich nach Hause zu kommen. Zitternd schnappte ich mir den Stallschlüssel und lief zu meinen Onkel. Es war keiner Zuhause. Als ich am Tor des kleines Hofes ankam, waren meine Schuhe schon duchnässt und ich fror bitterlich. Ich schloss den Stall zu. Prustend rannte ich zur Box meiner Lieblingsstute. Auf der Box stand groß, mit verrosteten Buchstaben: Princess. So hatte ich sie genannt. Nicht so wie Ally: Lilly. Mein Onkel hatte sie einsam auf einem Feld gefunden, als ich vier war. Nun ist sie sieben und ich 14 Jahre alt. Ich hob ihren schweren Sattel hoch auf ihren Rücken. Ich stemmte mich auf ihren Hintern und hielt mich an ihrer Mähne fest. ''Los, Princess'' Sie gallopierte bis wir beide nicht mehr konnten. Unter einer großen Buche stieg ich ab. Seufzend lehnte ich meinen Kopf auf ihre Stirn und streichelte ihre Nüstern, sie waren warm. Bald war ihre Mähne in Tränenwasser eingetaucht. Als wir weiter ritten, brannte mein Gesicht, weil dicke Hagelkörner in mein Gesicht peitschten. Bald waren wir an dem Abhang angekommen, wo man die halbe Stadt überblicken konnte. ''Warum?'' flüsterte ich schwersherzens und sank in die Knie.

Kapitel 9


''Wie.. wer war das nur? Warum wusste ich nichts von Fabi's Affäre?'' murmelte ich und sank tiefer im giftgrünen Ledersessel ein. War das Joy? Nein. Meine beste Freundin würde das mir nie antuen. Aber wer war das dann? Keiner außer sie wusste etwas davon. Ich stöhnte und feuchte, dicke Tränen liefen mir über die Wangen. Langsam holte ich mein Handy und schrieb ihr eine SMS :
''Heey Joy, wie gehts?. Sry dass ich dich kurz bei deiner Gesangsstunde unterbreche, aber während du dort warst, war ich bei Tim und.. wir sind zsm!! <3 :D. Dazu erzähl ich dir später etwas. Verabreden wir uns heute um sechs bei euch (Gänseblümchenfeld) zum Zelten?! Pls Reply. BB ;'* .Ally''
Ich stand auf und sah mich im Spiegel an. Meine Augen waren gerötet und mein Gesicht klebrig; von den vertrockneten Tränen. Plätzlich erblickte ich Fabian's Gesicht im Spiegel. ''Alissia, warum nur? Warum tust du mir so etwas an? Ich.. Alissia..'' sprach 'er' mich traurig und zusammenbrechend an. Seine Stimme wurde immer leiser und es schien so, als ob ich einen Geist sah.
Ich erschrak, schrie auf und warf einen Kerzenleuchter gegen den Spiegel. Sein Gesicht verschwand und der Spiegel zerbrach schreiend zu Boden in tausenden glitzernden Stücken. Ich fing an lauter und tiefer zu weinen, und verkroch mich unter meiner Bettdecke. Was war das? Ich bin nicht Psychisch oder? Omeingott. Fabian. Ich brauche Hilfe. Niemand war Zuhause. Memphis, Joey und Dan sind einkaufen. Meine Augen trockneten langsam aus und das Zittern wurde immer heftiger. Ich spürte ein kaltes Herz. Mein kaltes Herz. Ich fühlte etwas sehr instinktives. Angst und eine Menge Trauer.
Schließlich klingelte mein Handy- Ich hatte eine Nachricht von Joy bekommen: ''Hi Ally, gut dir?`Ogott . Schwöör?!! Ich glaubs nicht. Na dann, Viel Glück- und nartürlich viiiel Spaß mit ihm.:D Ich freue mich echt . :*. Klar, komm einfach um sechs vorbei, ich bereite alles schon vor. Bis dann ;D deine Joy :)''
Bibbernd steckte ich mein violettes iPhone wieder zurück in die Schublade. Gebannt beobachtete ich die Splitter. Sie lagen, in Form eines Halbmondes vor mir auf dem Teppich. Ich hatte Mühe mich auf den Beinen zu tragen und schlürfte zum Dachboden. Dort setzte ich mich auf einen Sessel und sah mir Bilder aus der Graundschule mit Fabian, Joy, Valentina, Robian und Phillip an. Mit jeder Sekunde wurde meine Trauer größer. Ich konnte sie nicht mehr ansehen. Ein Pfeil traf mich mitten ins Herz . Obwohl ich überglücklich war, wegen meiner Beziehung mit Tim, verspürte ich eine größere Anziehung zur Trauernseite. Stöhnend zerriss ich die Bilder in kleinen Schnipseln und ließ sie auf meinen Schoß liegen. Meine Augen brannten, mein Kopf ebenfalls. Schließlich fand ich noch mehr Fotos mit mir und Fabian, der früher mal mein allerbester Kumpel war, und hielt es einfach nicht mehr aus, die Fotos anzugucken. Prustend rannte ich mit den Fotos in den Wohnzimmer und schmiss sie in den Kamin. Sie verglühten und verwandelten sich zu Asche.
Ich schrie auf. Meine Schmerzen am Bauch, Hals und Kopf hörten nicht auf. Mir wurde schwindelig. Ich konnte nicht mehr. Plötzlich sah ich vor mir nur Schwarz.

Ich zwinkerte kurz mit meinen Augenlidern und machte sie vollständig auf.
Ich lag in meinem Bett, vor mir sah ich Joey's verheultes Gesicht.
''Alissia! Endlich! Was ist passiert? Du siehst schrecklich aus!'' stürmte sie los als sie mich wach sah. Das machte mich wahrscheinlich noch fröhlicher.
''Ich war nur müde'' log ich und wollte aus meinem Bett, doch sofort fiel ich wieder schwindelnd runter. ''Ach du liebe Güte! Alissia, was machst du da?!'' Garnichts, nur lachen und mein Leben genießen. Sie drückte mich wieder zurück auf's Bett. ''Du warst völlig bewusstlos, als Memphis dich gefunden hatte! Liebes, sprich doch!'' sagte sie verzweifelt. Nicht über meine Leiche du alte Schrulle. Was war mit mir los? ''Sie hat geistliche Störungen, dass bei Mädchen ihren Alters eigentlich ungewöhnlich ist. Alissia, würdest du mir vielleicht erzählen was passiert ist? Im Vergleich zu deinem Charkter und Verhalten, sind solche Vorstellungen und übernatürliche Gedanken außergewöhnlich. Hast du gestern zu lange TV geguckt, oder Sci-Fi Filme gesehen? Du weißt selber, dass du äußerst empfindlich bist. Pass immer auf dich auf!''Ich hasste es, wenn Herr Dieltan, mein privater Hausarzt, in diesen Tonfall sprach. Er tauschte mit Joey noch paar Blicke. Ich habe Geduld, ich kann warten. Seufzend schaute ich aus dem Fenster und erstarrte. Es war.. Fabi, wieder. Er lächelte traurig, und ich schrie zuckend auf. In diesem Moment verschwand sein Lächeln und leuchtende Tränen liefen über seine Wangen. Ich starrte nur halb bewusst nach draußen, bis mich eine trockene Stimme wieder zum Leben rief. Sofort verschwand Fabi, anstatt ihn, sah ich Herr Dietlans weit aufgerissene Augen.
''Ich komme allein zurecht, lasst mich in Ruhe.''
Somit verschwand ich draußen, in die Garage. Was ist nur los mit mir? Warum werde ich die ganze Zeit so... komisch. Alles ist komisch. Ich vergrabe mich jetzt im tiefsten Loch überhaupt. Was tue ich hier? Ich suchte Dan auf, fand ihn auch an unserem, meinem, Gulietta. Was? Das Auto gehört meiner Mutter. Sie hatte es mir übergeben, zum Transport. Wie konnte ich nur so egoistisch sein? Er wusch gerade die dunkelrote
Karosserie. Noch nie hatte ich einen solchen Menschen gesehen, der mit Autos umging, als wäre dies sein ein und alles. Egal. Ich lasse es ihm. Schließlich kann man nicht jemanden alles wegnehmen. Wegnehmen. Das Wort kam mir bekannt vor. So bekannt, dass ich nicht mals brauchte zu denken. Jack Timothy. ''Wärst du so nett, und würdest deine Arbeit unterbrechen? Ich muss dringend zu Mountainroad.'' unterbrach ich Dan bei der Arbeit. Er schaute hoch. Erschrocken, und auch auf einer Art und Weise, geheimnissvoll. Was passiert mit mir? Zuerst das mit Fabian, jetzt Dan, mein Schaffeur. Ich musste wirklich krank sein. ''Es geht dir besser? Nein, ich kann dich nicht irgendwo hinfahren. Tud mir Leid.'' zog er mich aus den Gedanken mit seinem perfekt Englischen Akzent. Ich zielte seine Augen und blickte ihn mit Hundeaugen an. Bei ihm klappt's immer. Sicher, immer. Er ließ sich immer überreden. Hoffentlich jetzt auch. ''Bitte, es ist dringend. Mir geht es gut. Es wird auch meine Schuld sein, nicht deine.'' bat ich und ließ meine Augen noch mehr ausweiten. Er blinzelte:'' Ohh, nein. Nicht wieder, bitte lass diesen Blick, Alissia!'' Er sah mich leidend an. Ich jammerte leise. Natürlich künstlich. ''Nein, nagut. Aber nur dieses ei...'' Ich umarmte ihn fest und stieg ins Auto. Er brummte und startete den Motor. Ha, verloren. Doch tief in mir verspürte ich immer noch Verzweiflung...
''Wer wohnt hier?'' fragte mich Dan ein bisschen skeptisch als wir vor dem Bungalow standen. ''Ein guter Freund.'' antwortete ich stolz und ging auf die Haustür zu. ''Eh.. brauche ich dich abzuholen?'' ''Ich ruf dich schon an. Ach ja, sag Joey einfach, sie soll sich mit mir unterhalten wenn sie etwas gegen dich hat, du bist noch zu jung dafür.''lachte ich und klingelte. Dan's Mundwinkel verzog sich zu einem fiesen Grinsen, aber nur für kurze Zeit. Ich wurde von Tim freundlich empfangen. Er freute sich auch irgendwie, dass ich anwesend war. Ich blickte kurz über meine Schulter. Dan passte auf, dass ich ins Haus ging, fuhr dann zuzwinkernd über dem silbernen Kieselsteinweg nach Hause. Er sah mich für einen Moment in die Augen. ''Warum hast du so rote Augen?'' Beim Gehen, stolperte ich fast über einem Packet, wenn mich Tim nicht aufgefangen hätte. ''Danke.'' murmelte ich kurz und ignorierte seine Frage.''Bitte, war ja auch nicht deine Schuld'' ''Ach komm. Ist egal, das kann ja jedem passieren.'' Was könnte er schon tun? Er hatte eigentlich mein ganzes Vertrauen gewonnen, aber es würde nichts nützten ihm etwas davon zu erzählen. Von Fabian. ''Wie gehts dir?'' fragte er monoton. ''Gut, dir?'' log ich. Warum bin ich hier? Eigentlich wollte ich nur seine Nähe spüren. Mein Blick gleitete zur Kuckucksuhr an der Eichenholzwand im Empfangsraum. Es war halb sechs. Oh nein, Joy. ''Komm, wir müssen los. Ach ja, hast du heute eigentlich Zeit? Ich würde dich gerne noch mitnehmen, zum Zelten bei Joy.'' Er zögerte zu antworten: ''Ich weiß nicht...'' ''Bitte! Ich werde mich wahnsinnig freuen!'' ''Hm, was ist mit Joy?'' ''Sie auch.'' log ich. Hoffentlich schon. Sie ist immer noch ein bisschen verärgert auf Tim. Ich weiß immer noch nicht warum. Eifersucht? Hhm, könnte sein. Ich wollte nicht unseren Abend ruinieren. Ich sah Tim hoffnungsvoll an. Er atmete tief durch. Ja, er hat immer noch Angst vor Joy. Vor Joy. ''Nun gut. Ich komme mit. Wenn du dich zumindest freust...'' ''Ohh, danke, Tim.'' Ich umarmte ihn lange. ''Ich gehe mal kurz hoch, meine Sachen holen, ja?" ''Klar, ich bin in der Tiefgarage. Wir fahren mit den Fahrrädern dorthin.'' Seine Sachen. Upps, ich hatte vergessen, meine Sachen mitzunehmen. Hoffentlich hatte Joy noch mein Satinkleid im Zimmer. Letztes mal hatte ich es bei ihr vergessen. ''Okay, bis gleich.'' Er zwinkerte mir zu. Ich sah ihm noch hinterher, wie er im zweiten Stock verschwand. Ich fühlte mich schweben. Irgendwo. Nur nicht auf dem Boden sein. Warum eigentlich? Ich träume wahrscheinlich wieder. Man. Lass mich aufwachen. Ich schüttelte mich lange, bis ich wieder im Raum stand. Langsam ging ich hinter der grauen Marmorsäule, am Ende des Empfangraums, wo sich das gewaltige Treppengeländer zum zweiten Stock befand. Ich sah die Garagentür. Leise öffnete ich sie und stieg paar Treppen runter in den Innenraum. Hier irgendwo musst doch der Lichtschalter sein?! Ich fasste die raue Wand entlang bis ich an irgenetwas zusammenstieß. Ich zuckte zurück. Ich spürte leichte Schmerzen an meinen Handgelenk. Ein süßer Geruch stieß mir in die Nase. Irgendwoher kam mir dieser Geruch bekannt vor, beim Fußballspielen. Endlich fand ich den Schalter. Ich erschrak als ich meine Handfläche sah. Ein kleiner Riss durchkreuzte meine ganze Handfläche. Blut tropfte auf dem staubigen Boden. Es war eine Motorsäge auf dem Handwerkertisch, die mir diese Wunde verlieh. Sie war offen, und wie ich leider erst jetzt bemerkte, sehr scharf. ''Hey ist alles okay?'' Tim erschien von irgendwo hinter mir und starrte dann gebannt auf die Wunde: ''Ogott! Was ist passiert, Alissia? Warte mal.'' Sein Blick wendete von meiner Hand zu einem Regal mit -ganz zufällig- Handtüchern. Er holte ein Päckchen, und band die Wunde sauber und fest zu. Ich musste leise Stöhnen. Er srich mir liebevoll über die Handoberfläche:'' Es wird bald wieder gut. Es tud mir furchbar Leid...'' ''Warum dir? Das war ich, weil ich zu dumm war und den Schalter nicht gefunden habe. Warum musst du dich eigentlich mit Schuldgefühlen den Kopf zerbrechen. Das warst nicht du. Du bist nie etwas.'' lächelte ich ihn ermutigt zu. Wir lächelten und noch eine Weile zu und tauschten Blicke. ''Hm, hoffentlich. Kannst du eigentlich jetzt fahren?'' Seine Augen wurden größer. ''Klar.'' Ich versuch's. Ich wollte nicht, dass wir uns über diese Kleinigkeit Sorgen machen müssen. ''Willst du den BMX oder den Mountainbike nehemen?'' fragte er wieder schüchtern. ''Ich nehme den BMX, wenn du nichts dagegen hast.''sagte ich tapfer. ''Natürlich habe ich nichts dagegen. Mehr Sorgen mache ich mir um den Riss. Beim BMX fahren musst du dich meist auf deine Hände stützen um richtig fahren zu können...''antworte er schulternzuckend. ''Es geht schon.'' Hoffentlich. Wir hatten nur noch zehn Minuten bis sechs. ''Was ist mit Anordo und Lilly?'' fragte ich ausatmend. ''Ich habe sie bis morgen versorgt. Mache dir keine Sorgen.'' Ich nickte und drückte diesmal auf den richtigen Knopf. Das Tor ging auf und wir fuhren auf die Straße. Meine linke Hand schmerzte unheimlich, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ich werde weiterfahren.
Joy begrüßte mich glücklich:''Da bist du ja endlich, Ally! Ich habe alles schon vorbereitet.'' Sie trug den Fuchswelpen auf dem Arm. Er blinzelte süß. Doch als Joy hinter mir Tim entdeckte, konnte sie sich nicht mehr standhalten. Ich hätte es anders vorgestellt. Ouh man.''Warum hast du diesen... Volltrottel mitgebracht?'' fing sie wütend an. Tim versteckte sich wieder hinter mir. Bitte Joy, achte auf deine Worte. ''Nein, er wird unseren Abend nicht zerstören. Man, warum hast du ihn mitgebracht? Ally, entscheide dich. Entweder gehst du mit ihm, oder, du bist bei mir. Wen magst du mehr?'' fauchte sie. Nein, nicht wieder solche Fragen. Die bringen irgendwie nichts.
''Joy hör auf. Du weißt, dass ich dich genauso...'' ''Genauso, also?! Ich dachte ich wäre deine Freundin!'' ''Joy,'' versuchte ich sie zu beruhigen,''Du verstehst das falsch. Ich mag dich ge...'' ''Ach was! Du willst mich d och nur zum Sklaven machen und allein mit ihm sein. Ich habe alles extra für dich gemacht. Du magst mich nicht. Okay, wenn das so ist, dann... dann tschüss! Ich gehe.'' Ohne, dass ich ihr widersprechen konnte, aus einem wichtigen und guten Grund, verschwand sie im Haus. Der Welpen streckte Tim beleidigt die Zunge raus und schloss müde seine Augen in Joy's Armen. Ich fühlte mich elend und schlcht wie nie. War das ein Fehler? Nein, sie ist ohne Grund sauer auf mich. Ich irgendwie auch auf sie. Wie konnte man nur so ärgerlich auf jemad unschuldigen sein? Ist Tim wirklich so schlimm. Ich fing an zu weinen. Bin ich eine Memme. Tim verstand das, strich die Tränen von Gesicht und tröstete mich:''Hey, Joy hat das nicht ernst gemeint,'' sogar er mag sie doll, obwohl sie ihn richtig hasste. Volltrottel. Das passt garnicht zu ihm. ''Wahrscheinlich war sie ein bisschen schlecht gelaunt oder so...'' setzte er fort und ich spürte das er noch ''Auf mich. Nur wegen mir habt ihr Streit.'' sagen wollte. Ich war froh, dass er es nicht aussprach. ''Ach komm, morgen ist sie wieder die Alte,'' die alte Joy. Nein, sie hatte sich schon längst geändert. Sie war früher immer lebensfreudig und in guter Laune, bis sie den letzte Clown geschlagen hatte. Sie lachte immer. Sogar Kaya Yanar könnte sie die Show stehlen. Aber jetzt. Ich weiß es nicht. Sie wird anders. Sie kann sich verbessern. Wieder die alte werden. Wir gingen in den Zelt. Es war zu dunkel um nach zurückzufahren.


Kapitel 10


Meine Mutter kam leise in mein Zimmer geschlichen: ,,Bist du wach? Es ist schon gleich Mittagessenszeit. Die Salbe hier soll ich regelmäßig auf die Narbe weiben, weil ein bisschen Öl von der Radkette ins Blut vermischt wurde. Das konnte zu einer leichten Blutvergiftung führen, Liebes. In einer Woche darfst du dann wieder raus.'' ,,Wie bitte?'' ich schreckte hoch, sank aber gleich wieder in den Kissen zurück, wegen der Schmerzen. ,,Beruhige dich Kind, du hast sowieso frei.'' Alles verdorben, alles hin, dachte ich. Diese Woche war doch mit Alissia verplant. Alles war vorbereitet: Wir wollten jede Nacht im Zelt übernachten, Schlittschuhlaufen gehen in Erfurt, Streiche spielen, Badminton spielen usw... Das alles stand schon seit Ewigkeiten fest. Ich fing an zu weinen. Lange versuchte meine Mom mich zu trösten, dann ging sie hinaus um das Essen vorzubereiten. Stöhnend versuchte ich aufzustehen. Es gelang mir, an die Krücken unter meinem Bett zu kommen.
Vorsichtig setzte ich mich auf den Schreibtisch und holte den Tagebuchschlüssel hervor. Ich schrieb mir alles von der Seele ab. Plötzlich hörte ich, wie jemand die Treppe hochkam. Schnell legte ich mich ins Bett, und tat so, als ob ich schlafen würde. Die Tür öffnete sich und meine Mom kam mit einen Tablett an. Es duftete herrlich. ,,Hier Schatz, dein Lieblingsessen. Eine Tasse heißen Holundertee und paar Cookies.'' Sie stellte alles so hin, dass ich verwöhnt war. Danach drehte sie die Heizung auf und verschwand nach unten.
Um etwa 3 Uhr saß ich wieder am Schreibtisch und las ein Buch. Ich hatte die Tür extra abgeschlossen, weil ich eigentlich im Bett bleiben musste und so mich niemand sehen konnte. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster, plötzlich erblickte ich Alissia und Tim. Sie ritten auf Anordo und Princess trabte hinterher. Ich wusste was sie wollten. Wir hatten und vorgenommen einen Ausritt im Schnee zu machen. Ich weinte laut auf und riss die Gardiene ein. ,,So ne Scheiße. Ich hasse alles. Ich schmiss ganz viele Teile vom Schreibtisch auf den Boden. Ich hörte Hufgetrappel unten im Hof und kurz darauf das Klingelgeräusch. Mir wurde übel. Ich lauschte an der Tür: ,,Hallo Alissia, hallo Tim! Was für eine Überraschung!'',,Hallo Lena! Dürfen wir zu Joy?'' ,,Klar, sie ist oben in ihrem Zimmer.'' Ich hatte meiner Mutter gesagt, dass sie nichts von dem Unfall erzählen sollte. Sonst hätte Alissia bemerkt, dass ich sie und Tim belauscht hatte. Es klopfte. ,,Hallo Joy? Bist du da drin?'' rief meine Freundin. ,,Was willst du?'' ,,Ich wollte mich wegen gestern entschuldigen. Ich hätte dich erst fragen sollen, ob du einverstanden wärst, das mit Tim. Kannst du mir verzeihen?'' ,,Warum sollte ich?'' ,,Weil es mir Leid tut. Wenn du möchtest, kann ich dir alles beim Ausritt erzählen!'' Ich schluchzte lautlos. ,,Ich kann nicht.'' ,,Wieso? Bekommst du die Tür nicht mehr auf?'' lachte sie. ,,Halt die Klappe, und hau ab mit deinem Tim.'' schrie ich wütend. Tim räusperte sich. Ich spürte wie Alissia vor Wut schäumte, dann sagte sie aber: ,,Mach doch bitte wenigstens die Tür auf. Das ist total kindisch, nur wegen uns abzuschließen.'' ,,Woher willst du das wissen.?'' ,,Ach komm Tim, dann reitest du eben auf Lilly. Du kannst dich noch entscheiden, Joy.'' flüsterte Ally traurig. ,,Wann lernst du endlich, dass sie Princess heißt. Ich kenn sie viel länger als du. Wehe wenn du Tim-Justus auf ihr reiten lässt. Dann bring ich dich um!'' ,,Mach doch. Hauptsache ich bin nicht so eingeschnappt wie du. Wie kann man sich nur deswegen ins Zimmer einschließen'' ,,Du hast doch keine Ahnung was passiert ist.'' rief ich ihr enttäuscht und wütend hinterher. Ich sah wie Tim auf Princess stieg und beide davonritten.
Stundenlang sah ich mir alte Fotoalben oder Zeitschriften an. In zwei Wochen würde der Schwimmwettkampf stattfinden. Ich sah mir die Teilnehmerliste an. Alle die ich kannte waren Alissia, ich und... Phillip. Ich konnte es nicht mehr fassen. Ich schmiss die Zeitschrift in die Ecke und begann zu weinen. 

Ich saß schweigend auf meinem Bett. Starrend sah ich auf den dicken grünen Teppich und drückte mein Kissen an mich. Ich dachte an garnichts. Immer und immerwieder fielen mir die Augen zu. Die rot-aufleuchtende Digitaluhr neben mir zeigte halb zehn. Langsam ließ ich mich auf den Rücken fallen und musterte die Zimmerdecke. Die vorherige Gedankenlosigkeit war jetzt verflogen, plötzlich schoss mir alles in den Kopf. Wie konnte man nur so gemein sein? Alissia weiß doch, dass ich auf Tim Justus momentan nicht gut zu sprechen bin. Wir hatten doch alles abgesprochen. Mühsam hatte ich zwei Zelte aus dem Keller hochgeschafft, dann habe ich sie noch bis zum Rand des Feldes geschleppt. Alle Decken die wir besaßen, hatte ich zusammengesucht und war extra noch in die Stadt gegangen, um Alissias Lieblings Süßigkeiten zuholen. Selbst den Boden der Zelte hatte ich allein gepolstert, obwohl wir diese schreckliche Arbeit immer zusammen getan hatten. Trotz des vielen Schnees, der jeden Winter fiel, wurden die Nächte durch die Polster doch relativ warm. Sonst würden wir nie jedes Jahr im Winter zelten. Nun, jetzt war sowieso alles ins Wasser gefallen.

Ich kuschelte mich in meine Decke und lehnte mich an die rauhe, kalte Wand. Ich hätte es Phillip nie zugetraut, dass er mit so einer Sch****** geht. Und dann hat er sich auch noch so benommen, alsob er mich nicht kennt. Ich muss mich eben damit abfinden, dass er in eine andere ist...

Und dann war da noch die Sache mit Fabian. Vielleicht sollte ich mich doch entschuldigen?! Ich sprang auf. Ich traute mir das zwar garnicht zu, aber ich musste es schließlich für meine Freundin tun. So zog ich mir also meinen dunkelbraunen Wintermantel über und schlüpfte in die Stiefel.

Weißer Flaum rieselte leicht vom Dach, als ich die Haustür öffnete. Es lag nur wenig Schnee, so konnte ich gut mit meinem Fahrrad fahren. Ich hielt an der Bank vor dem Schild zum Gänseblümchenfeld. Vorsichtig schob ich mein Rad den Weg entlang und ließ es vor dem Feld fallen. Leise rannte ich näher zu den beiden Zelten hin, von denen eines beleuchtet war. Ich hörte die Stimmen von Tim Justus und Alissia ganz deutlich. "Ein richtig schönes Gedicht! Hast du das selbst geschrieben, Tim?" Er schmunzelte: "...ja, aber ich bin trotzdem kein Shakespear." Beide lachten. Tim fing einwenig stotternd an zusprechen: "Du, ...meinst du wir sind jetzt zusammen?" "Nun ja... wen n du denkst."              Kurze Zeit war es still. Ich wusste genau was die beiden taten. Noch nie war ich so eifersüchtig auf Alissia gewesen. Ich hörte wieder Stimmen. "Ich bin ziemlich müde.", gähnte sie. "Ok, ich geh dann mal ins Nachbarzelt. Gute Nacht!" Tim stand auf. "Gute Nacht, Tim!" Ich überschlug mich fast, schnell rannte ich. Als ich endlich bei meinem Fahrrad angelangt war, sah ich mich nocheinmal um. Beide Zelte waren dunkel. Gut, dass sie mich nicht bemerkt haben.So schnell ich nur konnte fuhr ich los, doch plötzlich rutschte das Rad unter mir weg und ich versuchte verzweifelt es zulenken, doch es gelang mir nichts. Hart knallte ich mit dem Schienbein auf den Asphalt und blieb regungslos liegen. Da die Straße bergab ging, rutschte mein Mountainbike hinunter und die Fahrradkette schlirfte an meinem Knie bis runter zum Fuß. Ein tiefer Riss entstand. Ich schrie auf vor Schmerzen. Ich spürte, wie das Blut an meinem Bein herunterlief und dann auf den Boden tropfte. Bis ein alter Mann zu mir kam, der alles mitangesehen hatte, hörte ich nicht auf zuweinen. Nun rannte er zu mir. "Kind! Oh nein, warte..." Er legte seine letzten drei Taschentücher auf die Wunde und stützte meinen Kopf. "Wo wohnst du denn? Ich muss dich sofort nach Hause bringen! Was hast du zu so später Stunde überhaupt noch zu erledigen?" "I-ich wohne im Dipachsweg.", gab ich nur zur Antwort, ohne auf seine zweite Frage etwas zuerwiedern. Er hob mich vorsichtig hoch und sagte, dass es gut sei, dass es nicht so weit wäre. Etwa 200m weiter fragte er mich dann nach der Hausnummer. "Schatz! Was ist passiert? Wo warst du?", meine Mom war so besorgt, dass sie den alten Mann garnicht bemerkte. Pff, so alsob ich in der Luft schweben würde... "Ich habe gesehen, wie sie ganz schnell mit ihrem Rad durch den feuchten Schnee gefahren und dann ausgerutscht ist. Ich hatte aber leider kein Handy dabei, sonst hätte ich dierekt den Notarzt gerufen.", berichtete er besorgt. Meine Mutter blickte überrascht nach oben, als er begann zureden. Dann sagte sie: " Oh gut, dass sie in der Nähe waren! Vielen Dank." Meine Mutter widmete sich wieder mir, als er gerade aus der Tür ging. "Ich darf leider nicht zu lange wegbleiben, ich habe nämlich hier in der Nebenstraße Hausmeisterdienst." Meine Mutter rief: "Tschüss!" , machte die Tür zu, legte mich aufs Sofa und rief den Notarzt.

Im Krankenhaus untersuchte der Arzt mein Bein. "Es handelt sich hier um einen sehr tiefen Riss, ich fürchte er muss genähnt werden." Ich erschrak. Mir wurde zwar schon einmal eine Wunde genähnt, aber die war ziemlich klein. Dort hatte es schon fast zwei Stunden gedauert. Wie lange würde es hier dauern? Als der Arzt seine Materialein holte, ließ meine Mutter ihren Kopf auf mein Bett sinken. "Was soll ich nur mit dir machen? Dauernd stellst du irgentwas an." Sie ehob sich un der Arzt kam mit zwei Krankenschwestern wieder ins Zimmer. "So, dann wolln wir mal." Die Krankenschwester, die mein Rollbett in den OP-Saal schob, flüsterte mir ein beherztes: "Wird schon wieder." in mein Ohr. Bevor die Tür geschlossen wurde, drückte mir Mom einen Kuss auf die Stirn. Nun kamen noch mehr Leute in den Saal. Einer von ihnen, vermutlich ein Auszubildender, lächelte mich an, sagte, dass es nicht weh tun würde und drückte eine Nakosespritze in die Ader meines Oberarmes. Sekunden später drehte sich alles vor meinen Augen.

 

Alles was ich am nächsten Morgen noch wusste, war, dass ich mein komplettes linkes Bein nicht mehr spüren konnte. Ich schaute runter auf meinen Fuß und ging die riesige Narbe bis zu meinem Knie hoch.

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Texte: © Copyright by FleurDahlia & NightFlury
Bildmaterialien: http://www.fitnessaufvierpfoten.de/weisse-feder-large.jpg
Tag der Veröffentlichung: 27.04.2012

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