Eine Weihnachtsgeschichte
Blaise Pellegrini war ein attraktiver Mitdreissiger. Davon war er überzeugt. Sein tiefergelegtes silbernes Sportcoupé Marke Toyota Celica T23, seine schnieke Armanitracht in reinem Blütenweiss, den goldbehangenen Hals, den teuren Porsche am Handgelenk, den gefitteten Körper mit seiner sexy glattgeshavten Brust und seinen wasserstoffblonden Bürstenschnitt, alles très sportif, betrachtete er selbst als galantes jahreszeitübergreifendes Geschenk an die holde Weiblichkeit.
So fuhr er mit schreienden Reifen beim Sonnenstudio Tropical UV-Power vor. Aussteigen und Sonnenbrille locker-flockig ins Haar gesteckt war eine Sache. Die légère Türverriegelung mittels beiläufigem Knopfdruck auf den Funkschlüssel und der Eintritt lässigen Schrittes mit über die Schulter geschwungener Sporttasche ins Bräunungscenter das Kürprogramm. Ein Augenzwinkern als Begrüssung der lächelnden Schnalle am Empfang, gefolgt vom selbstsicheren und straighten Gang in die Umkleidekabine, dann Ausziehen bis auf die getigerten Boxershorts und im körperbetonten aufreizenden Schlendergang zur Nummer 4, Blaise's Favourite-Sonnenbank.
Nebenan, vor Nummer 3 stritten zwei Blagen unterschiedlichen Geschlechts miteinander, während eine schrille unangenehme weibliche Stimme vom Innern des kunstsolaren Toasters erfolglos zur Ruhe mahnte. Das Ganze empfand Blaise als ziemlich unsexy. Etwas mürrisch stellte Blaise den Schalter seines Solariums auf knusprig-goldbraun männlich, stülpte sich die Schutzbrille übers Gesicht und legte sich zwischen die blauen Wellnessröhren. Das Relaxing-Feeling wurde doch reichlich getrübt durch den benachbarten Kindergartenradau. Das infantile Gezeter wollte einfach kein Ende nehmen. Wo war er denn hier? In der verfickten Müsliburg? Seine Laune ging immer mehr in den Arsch. Nach zehn Minuten hatte sich der lärmende Gofenzirkus mit der Mama endlich dorthin verzogen, wo er hingehörte, irgendwo anders hin. Blaise liess seinen Body in einem wohligen Chill-Out-Zustand versinken und ergab sich entspannt dem Flow seiner Gedanken. Welcher Gott auch immer ihn erschaffen hatte, er musste wahrscheinlich von Beruf Designer gewesen sein. "Yeah", dachte er sich. Nach 20 Minuten erlosch das UV-Licht. Blaise öffnete den Solariumdeckel, richtete sich auf, streckte seine muskulösen Gliedmassen und fühlte sich sauwohl. Dann betrachtete er seine Haut. Zu seinem Entsetzen war sie nicht einfach gebräunt, sondern schwarz wie Afrika. Er blickte auf die Einstellung der Bräunungsstufe. Tatsächlich hatte doch einer dieser beiden kleinen Rotzlöffel von vorhin den Schalter auf Dschungelbräune geswitcht. Jetzt war Blaise Pellegrini wirklich sauer.
Mit finsterer Miene streifte er sich eilig seine Kleider über und verliess niemanden eines Blickes würdigend wie von der Tarantel gestochen das Sonnenstudio. Dann schwang er sich in seinen Flitzer und brauste wie der Teufel davon. Er liess seinen Toyota von Apotheke zu Apotheke beinahe durch die gesamte menschenüberfüllte Innenstadt brettern, bis er endlich die Entbräunungscrème gefunden hatte, die er haben wollte. Zu Hause angekommen schleuderte er seine Sporttasche wutentbrannt in eine Ecke seines Loftappartments und stellte sich mit der gekauften Crème vor den Badezimmerspiegel. Dabei wurde er fast vom Schlag getroffen als er sein gespiegeltes Ebenbild betrachtete. Nicht nur seine Haut erinnerte an einen Negriden, auch sein Haar war pechschwarz und obendrein noch wild gekraust, nicht zu Reden von den plötzlich wulstig hervortretenden Lippen. Nun war auch seine Verwunderung darüber verflogen, warum er während seiner Apothekenodyssee von eben zweimal auf englisch angesprochen und einmal von der Polizei kontrolliert wurde. Total genervt drückte er die ganze Tube Distanning White Beauty aus und verschmierte die glibbrige Paste verärgert über seinen Körper, das Gesicht und in die Haare. So ein Scheissdreck musste auch ums Verrecken ihm passieren. Und dies ausgerechnet an Heiligabend, dem Tag vor Weihnachten.
Impressum
Tag der Veröffentlichung: 29.04.2013
Alle Rechte vorbehalten