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Pause...
das kann so viel bedeuten. In der Schule freue ich mich immer riesig auf die Pause. Denn dann habe ich zumeist schon sehr viel Hunger und kann es kaum erwarten mich beim Kiosk anzustellen, um mir eine frische Semmel belegt mit Leberkäse oder anderer Wurst, selten mit Käse, zu kaufen. Käse deshalb nicht, weil es den bei uns zu Hause immer zur großen Auswahl in allen Variationen gibt. Dafür eher selten, richtig gute Wurst. Jedenfalls ist dann die Pause sehr gut. Ich kann mich mit Freunden und anderen Schulkameraden über alles mögliche unterhalten. Manchmal besprechen wir die nächsten Themen der bevorstehenden Unterrichtsstunden und beruhigen uns damit, dass doch kein einzigster gelernt hat. Ab und an bewerten wir die jungen Männer, die an uns vorbei schlendern und fachsimplen mit äußerst eigenen Meinungen über diese. Viel Lachen ist dabei. Und natürlich am Ende viel zu wenig Zeit.
Manchmal lege ich beim Arbeiten, beim wirklichen Lernen eine Pause ein. Um mir Ruhe zu gönnen und einen klaren Kopf zu verschaffen. Dann lüfte ich das Zimmer, trinke etwas, stehe auf und laufe herum. Nur wenige Minuten, eben eine kurze Pause.
Doch all das meine ich nicht. Ich meine eine Beziehungspause. Was ist das eigentlich genau? Ja, das frage ich mich tatsächlich. Dabei habe ich zu dieser Pause gerade erst eingewilligt, ja sogar selbst die Idee gehabt. Nur was versteht man darunter jetzt speziell? Eine Pause, in der man aus dem Haus geht, eine raucht, sich beim Macci eben mal schnell einen Hamburger holt und wieder zurück zum Freund marschiert? Oder doch eine Pause, in der man eine Woche nichts voneinander hört, weil man in den Urlaub fährt und einfach mal Pause von allem haben will? Aber dann wäre es wohl ein Urlaub von der Beziehung? Gut, ich kann nicht leugnen, dass eine Beziehung mit viel Arbeit verbunden ist. Aber gleich so viel, dass man davon Urlaub nehmen muss? Urlaub machen kann... Obwohl der Gedanke an derartige Dinge wirklich verlockend wäre und zum weiter spannen einlädt, versuche ich ihn beiseite zu schieben. Denn so gut und schön sich das alles anhört. Meine Pause ist ganz anders.
Meine Pause möchte ich gar nicht haben. Ich warte nur darauf, dass der Gong ertönt und ich wieder ins Klassenzimmer stürmen kann. Oh, pardon, wir waren bei einer Beziehung. Gut, versuche ich es einmal in verständlichen, einfachen Worten auszudrücken: Ich stehe am Anfang einer Beziehungspause. Ja, ich hatte eine Beziehung. Zu einem Mann, in den ich verliebt war. Naja, um ehrlich zu sein, in den ich verliebt bin! Liebesbeziehung würde ich es noch nicht nennen, dafür war es zu früh, aber Verliebtheitsbeziehung hört sich ja auch furchtbar an... Na jedenfalls hat mein verehrter Lover mir vor knapp einer Woche gebeichtet, dass er mit einer anderen im Bett war. ‏“Ja, ich weiß“, waren wohl ungefähr meine Worte. Wie konnte ich so blöd sein und solch nüchterne Worte sagen? Aber ich habe sie nun mal gesagt. Ihr müsst wissen, dass ich kein Mensch bin, der vor Emotionen überschäumt. Gefühlt ja... innerlich, aber nach außen hin bin ich wohl eher eine harte Schale. Ich hatte es geahnt, Frauen spüren so was schon von vornherein. Aber tun können wir dagegen auch nichts. Das hat mich später ziemlich verärgert, schließlich ist das alles erst heran gewachsen, bis die Bombe platzen musste. Ich wusste, dass mein Chameur mit seiner Ex schreibt und in Kontakt ist. Aber hey, cool down, dachte ich mir. Warum sollte ich eifersüchtig sein? Warum sollte ich mich deshalb aufregen, schließlich kann er so viele Freundinnen haben wie er will, solange er weiß, wo die Grenzen sind.
Doch er hat mit allen Mitteln gezeigt, dass Grenzen ausschließlich dafür da sind, um sie zu erweitern oder ganz zu übergehen. Das haben besonders Männer wohl so an sich. Sie setzen die Regeln und sie steuern das Spiel. Wenn es dann eine Form gibt, in der das Spiel statt findet, sind sie schon total verletzt und gestalten alles neu.
Das Problem ist jetzt, dass das Spielfeld gar nicht mehr existiert. Es ist zerwüstet und der Ort hat mit einem Mal gewechselt. Es geht nicht mehr darum, den anderen kennen zu lernen, lieben zu lernen, das unbekannte Reich zu erkundigen... Keiner versteckt sich mehr und hält es kaum im Versteck aus, bis der andere ihn voller Freude findet. Da ist kein Lachen mehr, kein davon laufen und sich gegenseitig fangen. Da ist einfach nichts mehr. Ist das die Pause?
Das Schlimme ist, dass ich auch noch für all das Verständnis habe. Ihr müsst wissen, dass das eine lästige Eigenschaft von mir ist. Ich kann fast alles und jeden in irgendeiner Weise verstehen und sein Verhalten nachvollziehen. Natürlich, Verständnis ist total wichtig und auch schön. Aber wenn man davon zu viel hat, macht es die Sache auch nicht leichter. Denn dann fällt es zunehmend schwerer, seine ganz eigenen Meinungen zu bilden und Wünsche zu äußern. Vorallem aber Gefühle heraus zu lassen, die vielleicht angebracht wären. Angebrachter als ein Lächeln und ein kühles "Ich weiß...".
Bevor ich weiter in Rätseln spreche, sollte ich mich wohl mal vorstellen. Obwohl ich darin wirklich schlecht bin und nie weiß, was ich sagen soll.

Nun, ich bin eine 19 Jährige, junge Frau, die eine Ausbildung zur Kinderpflegerin macht. Ich stehe im ersten Ausbildungsjahr und habe zuvor die Realschule besucht. Aus privaten Gründen habe ich, wie es junge Menschen oft sehr gerne tun, einige Schleifen gedreht. Zur Selbstfindung oder dergleichen, wie es so viele formulieren, kam es dabei jedoch nicht. Trotzdem tat es mir gut. Da die Ausbildung schulisch ist, verdiene ich dabei kein Geld und sitze noch auf den Taschen meiner Eltern. Bei denen wohne ich momentan auch noch. In meiner Freizeit kann man mich zumeist im Reitstall bei meinem Pferd antreffen. Der ist im übrigen das aller wichtigste für mich in meinem Leben. Wenn ich dort gerade einmal nicht bin, unternehme ich etwas mit Freunden. Wie ich aussehe wollt ihr noch wissen? Selbstbeschreibungen sind grauenhaft... Morgens, wenn ich aufstehe, sehe ich ganz anders aus, als am Abend, wenn ich schlafen gehe. Woran das wohl liegt? Meine Haare sind mittellang und hellbraun mit einem Rotstich. Naja, kupferfarben würde ich sagen. Ich habe ein ovales, eher kindliches Gesicht, das ich manchmal mag und manchmal einfach nur grauenhaft finde. Vorallem dann, wenn ich wieder einmal einen Cocktail an einer Bar bestellen will und man mich tatsächlich nach meinem Ausweis frägt. Aber manchmal ist das auch alles ziemlich vorteilhaft. Beim Oktoberfest z.B. musste ich machmal nur für ein Kinderticket zahlen. Ich habe grüne Augen. Aber auch hier wechselt alles. In meinem Pass steht, dass sie braun sind. Manch einer hat mir schon gesagt, sie seien leicht grau. Na, auf jeden Fall sind sie farbig und einzigartig. Die Definition dieser überlasse ich inzwischen jedem selbst. Ich bin klein, zierlich und unauffällig. Außer ich trage total schräge Klamotten, die mir leider Gottes echt gut stehen. Wenn ich Absatzschuhe anhabe, verschaffe ich mich in angenehme Höhen. Und wenn ich mich neben meine Mutter stelle oder Freundinnen, kann ich stolz behaupten, dass ich sehr dicht an sie ran komme, wenn ich sie nicht sogar teilweise überrage. Meine Figur lässt mich einfach auch sehr klein wirken. Das hat Vor- und Nachteile. Zu meinem Charakter kann ich kaum etwas sagen. Viele Menschen sagen, ich seie still, etwas scheu und schwer einzuschätzen. Andere, die mich wirklich kennen, wissen, dass ich eine sehr wilde, verrückte Seite an mir habe. Ich kann unglaublich viel erzählen, laut lachen und habe einen sehr tiefreichenden, manchmal ins Schwarze gehenden Humor. Ich bin geduldig, aber kann genauso gut an die Decke gehen und mich in Rage bringen. Ich bin aber in jedem Fall ich...

Und ich, Jannika, stehe nun vor einer Beziehungspause. Nein, ich bin schon mitten drin. Wenn ich ehrlich bin, geht es mir damit nicht gerade gut. Immerhin zieht eine Pause meist auch das Ende einer Beziehung nach sich. Nur traut sich keiner der Beteiligten dies auszusprechen oder eine so schwere Entscheidung zu treffen. Man schiebt Probleme vor sich her, räumt sich Bedenkzeit ein und weiß trotzdem meist schon, was man eigentlich will. Eine Pause ist gut, dachte ich. Gut, um sich Gedanken darüber zu machen, wo man steht, was man will oder eben nicht. Um all das zu verarbeiten, was in der letzten Zeit passiert ist. Man schafft Abstand zu den Dingen und dem Menschen, der einem so sehr verbunden ist. Gleichzeitig kann der Abstand bedeuten, dass man die entstandene Lücke vergrößert. Wir sprechen die Gedanken und Probleme nicht aus, sondern behalten sie für uns. Wir sind nicht mehr im Austausch miteinander. Wir sind allein, jeder für sich.
Wir stehen nicht zusammen und beratschlagen uns darüber, wie wir die Brücken zueinander erweitern, sondern wenden uns voneinander ab.

Mir fehlte die Wut, um meinem Freund zu zeigen, wie sehr er mich verletzt hat. Die Wut über sein Verhalten und vorallem das seiner Ex-Freundin. Denn sie hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass er diesen Fehler begangen hat. Sie hätte es ebenso verhindern können, wie er selbst. Sie hat einen Teil dazu beigetragen, dass es jetzt so ist, wie es ist. Aber ich kann nicht wütend darüber sein, nicht wirklich. Obwohl ich allen Grund dafür hätte. Ich wünschte, ich hätte anders reagiert. Ihm vielleicht eine Ohrfeigege gegeben, auch wenn ich es im nächsten Moment bereut hätte und für keine Lösung halte, so wäre etwas geschehen. Es wäre nicht so eine Anspannung entstanden, sondern es hätte sich Energie entladen. Das Problem wäre hörbar geworden und in allen Ecken und Kanten sichtbar.
Genauso hätte ich aus dem Haus rennen können, ihn ohne Worte stehen lassen können oder mit der roten, glühenden Wange. Es wäre ein Zeichen gewesen, sichtbar und deutlich. Und ich hätte ihn mit seiner Entscheidung und seinem Problem alleine gelassen. Aber vielleicht hätte ich ihm so die Entscheidung einfach abgenommen, weil für ihn gleich Schluss gewesen wäre. Was es für mich vielleicht gar nicht hieß.
Manchmal sind einfach impulsive Reaktionen besser, vorallem einfacher für jeden zu verstehen.
Ich hätte heulen können, weil er mich verletzt hat. Tief im innern ist etwas mit diesen Worten zerbrochen. Meine Tränen hätten den Schmerz, die Verzweiflung, die Angst und vielleicht auch den Ärger gezeigt. Sie wären geflossen und hätten vielleicht befreit gewirkt.
Aber all das habe ich nicht getan. Ich habe versucht zu begreifen, was er da gesagt hat, was für Auswirkungen das haben wird und vorallem überlegt, warum es soweit gekommen ist. Es gibt tausend Erklärungen für das Warum, deshalb ist es gar nicht so prägend für mich. Für mich ist die Frage viel schlimmer, wie es jetzt weiter geht.

Die Pause hat gerade erst begonnen. In einigen Tagen telefonieren wir schon wieder miteinander, um zu hören, wie es dem anderen mit der Situation so ergeht. Was soll ich dann nur berichten? Am Hörer hängen und ihn bitten, es nochmals zu versuchen?
Dabei hat er mir gesagt, dass er nicht genug für mich fühlen würde. Dass er Angst hat, dass er mir nicht gerecht werden würde. Waren all die Worte davor gelogen, einfach so dahin gesagt? Waren die vorherigen Gefühle einfach angeflogen, ein kurzer Windhauch, so schnell vorrüber, wie er gekommen ist?

Und während ich darüber nachdenke, wird mir so viel bewusst. Denn mein Herz hat für einen Schlag ausgesetzt, als ich Michael gesehen habe. Und jedesmal, wenn ich wusste, dass ich ihn sehen würde, gab es einen Trommelwirbel. Die Schmetterlinge haben im Bauch angefangen zu tanzen, während meine Knie sich oftmals wie Pudding angefühlt haben. Wenn ich in seine blauen Augen sehe, könnte ich darin versinken. Sie sind wie ein weites, unbändiges Meer, das Ruhe ausstrahlen kann, Geborgenheit, aber auch Freiheit und Wildheit. Das Meer, das Wellen schlagen kann, so hoch, dass man oben auf den Klippen stehend noch nass wird. Es kann Sehnsüchte in einem auslösen, die unsagar tief sind. Es lässt einen über den Horizont hinaus blicken... Und wenn man hinein springt, zieht es einen in seinen Bann. Manchmal bis zum Abgrund hinab in beängstigende Tiefen. Manchmal schaukelt es einen sanft auf seiner Oberfläche hin und her. All das sehe ich seinen Augen. In Michaels blauen Augen, in die ich mich so verliebt habe. Sie sind der Spiegel zur Seele sagt man. Und diese hat mich im Herzen berührt.

Und ganz gleich, was auch kommen mag, ich weiß eines gewiss, dass diese Liebe nie vergessen werde. Dass diese Liebe nicht einfach ausbrennen wird, wie ein Feuer, dem das Holz fehlt, um seine Flammen zu schüren. Ich brauche nichts, um dieses Liebesfeuer zu schüren. Denn der Gedanke allein an all das, an all die Tage, egal wie wenige es waren, reicht mir aus, um mein Herz brennen zu lassen. Voller Sehnsucht, Trauer, Liebe, Freude und Glück.
Liebe braucht Zeit um zu wachsen. Aber Liebe braucht keine Zeit um zu entstehen. Sie kommt, wann sie will und geht wohin sie will. Und sie wird bleiben, ein Leben lang. Vielleicht wird sie sich verändern, vielleicht abklingen, aber ich werde Michael immer lieben, denn Liebe kann man nicht vergessen und niemals einfach fort sagen.

Diese Pause wird weiterhin bestehen. Aber es ist keine Liebespause... es ist eine Pause von uns... und ganz gleich was danach folgen wird... ich werde nie aufhören zu lieben... diese Person... ich werde sie im Herzen tragen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.12.2011

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