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Helau in alle Welt - Lachen kost´ kein Geld



Frank Reich, ein wohlhabender Mann aus einem kleinen Dorf, das sich „Pech“ nannte- ganz in der Nähe des Schwarzgebirges- lag friedlich schlummernd in seinem Doppelbett, das wie das von einer Prinzessin mit Moskitonetzen, umschlungen war. Die lästigen kleinen Viecher, die nachts unentwegt bei offenem Fenster von dem Schein der hellen Lampen des Flurs angezogen wurden, denn ohne Licht vermochte Frank nicht zu schlafen, ließen diesen unentwegt wild um sich fuchteln. Leute, die sagen, man soll sich nicht über Kleinigkeiten aufregen, haben mit Sicherheit noch nie eine Mücke im Schlafzimmer gehabt. So hatte der Mann beschlossen sich dieses sagenhafte Netz ums Bett zu spannen.
An diesem Morgen wurde Herr Reich nicht wie gewohnt von den warmen Strahlen der Sonne liebkost. Trübes Licht fiel durch die matten, schon lange nicht mehr geputzten Glasscheiben zu ihm ins Zimmer. Müde rieb er sich die Augen und schlug schließlich die Lider auf. Kaum hatte er sich zum Wecker gewandt und auf die Ziffern der digitalen Uhr gesehen, drehte er sich nochmals zu einem besonnen Schlaf um.
Es dauerte nicht lange, da rüttelte es den guten Herren ordentlich durch, als das laute Rasseln des Telefons ihn aus seinem allzu schönen Traum schrecken lies. Mit einem gestörten Grummeln richtete er sich langsam auf. Da das Läuten nicht leiser wurde, riss er gestresst die rosa karierte, mit Blümchen verzierte Bettdecke – welche er von seiner Mutter zum letzten Geburtstag bekommen hatte- von sich. Mit seinen zu groß erscheinenden Füßen stieg er in seine pastell plüschigen Badepantoffeln ein, die er nur zu gerne trug. Seinen Bademantel nahm er von einem goldenen Haken neben der Türe, den er sich sogleich überstreifte. Fix knotete er den Gürtel um seine Hüften zu, damit der Mantel nicht offen blieb. So marschierte er mit klackernden Pantoffeln zu seinem Telefon.
„Frank Reich hier am Apparat“, meldete er sich mit frommer Stimme. „Oh Frank, wie schön, dass ich deine Stimme höre! Du hast heute Geburtstag!“, war am anderen Ende seine Mutter mit hoher Tonlage zu vernehmen. „Mama, es freut mich auch, dass du anrufst! Ja, wäre möglich, das ich an diesem Tag vor genau 30 Jahren und 3 Stunden geboren worden bin.“, vernahm man sogleich die Antwort des Mannes. Vom Wahrsagen lässt sich's wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheitssagen. Ein zartes Lachen drang von der anderen Seite der Leitung ans Ohr von Frank, der gequält das Gesicht verzog. „Und was hast du heute noch so Schönes vor?“, stellte Frau Reich eine Frage. „Ich weiß nicht... ich denke nichts.“, druckste nun ihr Sohnemann etwas herum. Er sagte immer, was er dachte, damit er hörte, was er wusste. Die Frau seufzte auf, was bei dem geistig infantilen Mann nur als Rauschen zu vernehmen war. Verärgert zog sich seine Stirn kraus und seine Hand mit dem Hörer streckte sich von ihm ab. „Ich weiß, was du heute tun wirst,“- ein fraglicher Ausdruck erschien auf Franks Gesicht und er drückte die Muschel des Hörers erneut an die seine- „nach Frankreich reisen!“,kam es gut gelaunt aus dem Munde seiner Mutter. Die Kinnlade von Herrn Reich schien gänzlich nach unten zu klappen und seine Augen weiteten sich erschrocken. „Das ist ja fabelhaft, Mutter! Fantastisch, solch eine tolle Idee zu haben!“, rief Frank ironisch aus. Jemanden wie ein rohes Ei zu behandeln, bedeutet meistens, ihn in die Pfanne zu hauen. „Oh... bin ich glücklich, dass ich dich so überraschen konnte!“, kicherte die Frau am anderen Ende überschwänglich. „Ja... Nur muss ich nun aufhören, da die Arbeit ruft. Tschüss Mutti!“, lenkte Frank ein und beendet mit diesen Worten das Telefonat.
Sichtlich unzufrieden schlappte der Mann durch seinen Flur hinein in seine Küche. Diese war sehr hell und für einen Mann, der kaum Essen selber kochte und sich lieber etwas bestellte, viel zu groß. Doch hingegen der Gedanken vieler, war er nicht dick. Schon in früher Kindheit war er in die Höhe geschossen und über alle Köpfe hinweg. Lang und dünn sah er aus, etwas tollpatschig mit seinen großen Händen und Füßen. Suchend wanderten seine braunen Augen über die Theken, den Ofen und die Schubladen hinweg bis sie schließlich auf dem Kühlschrank verharrten. Träge machte der Mann zwei große Schritte darauf zu und öffnete dessen Türe. Er holte einen gekühlten Schweinebraten hervor und schloss die Türe auch schon wieder. Aus einem anderem Fach manövrierte er noch ein Nutellaglas ans Tageslicht. Anschließend nahm er die Anleitung seiner Kaffeemaschine zur Hand, da er noch immer nicht den technischen Ablauf dieser begriff. Nach etlichen Versuchen, fing die Maschine an zu Rumoren. Doch leuchtete ein rotes Lämpchen auf, das anzeigte, dass er noch eines der Kaffeepäckchen anbringen musste. Als dies geschehen war, kam tatsächlich Kaffee heraus. Frank bemerkte dies erst, als ein tropfendes Geräusch ihn darauf aufmerksam machte. Sogleich stürzte er auf die Maschine zu und fluchte auf, da er vergessen hatte, eine Tasse drunter zu schieben, was er sogleich noch nachholte. Gestresst nahm er sich einen Lappen zur Hand und wischte das ausgelaufene Wachhalte-Getränk auf. Er verstand diese Maschine trotz zigtausend maligem Durchlesens der Anleitung nicht. Ein Spezialist ist jemand, der immer mehr über immer weniger weiß - bis er letztendlich absolut alles über gar nichts mehr weiß.
Letztendlich lies der gelernte Manager und Chef einer Riesenfirma die Kaffeemaschine stehen, schaltete sie nur ab und beschloss vor der Arbeit noch beim Bäcker ein coffeeinhaltiges Getränk zu kaufen. So saß er schließlich nur mit seinem angewärmten Braten, den er sich in den Ofen geschoben hatte und dem Nutellaglas am Tisch. Den Schokoladenaufstrich aß er zu dem salzigem Fleisch liebend gern hinzu. Wo andere Nutella auf die Breze schmieren, schmiert er sie sich wie Sauce auf sein Schwein. Wer keine üblen Gewohnheiten hat, hat vermutlich auch keine Persönlichkeit.
Nachdem Frank all sein Geschirr fein säuberlich in die Spülmaschine eingeräumt und den Tisch mit einem feuchten Lappen abgewischt hatte, begab er sich träge aus der Küche. Mit vollem Magen hieß es, sollte man kein Sport treiben. Und laufen war nun mal Sport, sogar eine Wettkampf- Sportart. Und sein damaliger BWR Lehrer, er war rund, wie ein Ball gewesen- wobei er immer gesagt hatte, dass er solch einen großen Wasserspeicher für seine Wüstenexpeditionen hatte und keinesfalls dick zu bezeichnen war- hatte ihm dies damals vorgemacht. Um sich stets an dies zu erinnern hing ein großes Einzelfoto vom diesem Herrn an der Wand. Lehrer sind Vorbilder und Bilder hängt man auf.

Als Herr Reich in sein ultramodernes Umkleidezimmer ging, stöhnte er auf, als er all seine Kleidung am Boden verteilt liegen sah. Mit Müh und Not gelang es ihm nach einer halbstündigen Aktion etwas Passendes für die Arbeit zu finden. Eine schwarze Samthose, welche von Falten überzogen war, ein Paar graue Socken, wobei einer davon an seinem großen Zeh schon ein Loch besaß, eine pinke Bluse mit einer dunkelvioletten Krawatte, sowie ein schwarzes Sakko. Wenn Leute ihn auf die Falten und das Loch ansprachen, gab er diesen immer zur Antwort: „Ich passe mich der Neuzeit an, Falten und Löcher sind modern, schauen sie doch nur in die Schaufenster, wie viele kaputte Kleidung die Leute verkaufen. Hingegen warte ich einfach ab, bis das von selbst passiert und spare mir Geld! Außerdem brauchen meine Zehen Frischluft!“
Nur seine kostbare, fette Armbanduhr, die sein ganzes Handgelenk abdeckte und somit seine Spickzettel, die er sich auf die Haut schrieb- das hatte er vom Fernsehen gelernt-, war nicht auffindbar. Hoch dramatisch würde es werden, wenn er sie nicht auf der Stelle fand, denn ohne würde seine Methode des Spickens auffallen und womöglich seinen ganzen Ruf gefährden. Nicht umsonst hießen die Zettel, Spicker... Doch wo sollte er in diesem ganzen Chaos die Uhr vermuten? Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum Suchen. Die Suche verlief sehr lange und längst war Frank nicht mehr in seinem normalen Zeitlimit. Er würde zu spät kommen... Als er das Schmuckstück, ein Prachtexemplar von einer viereckigen, dicken Uhr mit einem silbernen, schweren Armband, an seinem Gelenk befestigte, war er unendlich erleichtert, diesen Akt des Tages hinter sich zu haben.

Auch wenn Frank sehr spät dran war, konnte er es nicht unterlassen den Fernseher anzustellen, um nur für wenige Minuten seine Lieblingsserie „“ anzusehen. Das war eine seiner seltsamen Angewohnheiten, dass er immer die ihm so beliebten Stimmen anhören und die wunderbaren Schauspieler sehen musste- jeden Tag. Lieber fernsehgeil als radioaktiv .

Nicht lange und der Mann hatte endlich sein Haus verlassen. Zügigen Schrittes begab er sich zu dem Aufzug seiner Wohnung, der ihn in die Tiefgarage brachte, wo sein silberner BMW parkte. Es war ein Sportwagen, flach am Boden und windig geschnitten. Frank sperrte den Wagen auf und lies sich zufrieden in den Ledersitz sinken. Die Türe schlug er laut krachend zu, sogleich montierte er sein Handy in der dafür vorhergesehenen Halterung. Das Auto hatte keine Gangschaltung mehr, sondern war voll und ganz automatisch. Lieber automatisch als problematisch.

Mit dem Verkehr hatte Frank an diesem Morgen auch kein Glück. Eine Welle von roten Ampeln lies die Zeiger immer mehr in Richtung 9 Uhr wandern. Erst eine Minute vor Punkt parkte er mit quietschenden Reifen vor der Firma ein. Gehetzt sprang er aus dem Wagen und lief den unendlich langen Weg von 10 Metern Fußmarsch und nochmaligen 10 Metern Liftfahrt bis zu seinem Büro entlang. Er straffte seine Schultern, zog seine Krawatte enger und trat zu seinem Tisch. Doch die verhexte Schwelle, die meterhoch aus dem Boden ragte und wie aus dem Nichts aufgetaucht war, ließen den Mann tollpatschig nach vorne stolpern. Seine Arme ruderten durch die Luft und versuchten das Gleichgewicht wieder zu finden, während sein Oberkörper sich schon bedenklich nahe dem blank polierten Boden entgegen neigte. Ein Lehrling kam gerade mit Unterlagen in der Hand stolz ins Zimmer getreten, blieb jedoch stehen und verharrte wie die Leute beim Militär an Ort und Stelle. Keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen!
Frank räusperte sich laut. Seine Mundwinkel waren nach unten gezogen, sein Kopf lief puderrot an.
Die rießig Augen des Jungen sahen wie die von einem Fisch aus. Und Fisch mochte Herr Reich nicht. Wie kleine Kugeln, die gleich auf Frank schießen würden, sahen die Pupillen, umrandet von der tiefblauen Iris, aus. Der Junge übergab dem Mann eine Liste, die er durchlesen hatte. Betrachtete man die Zahl des Blattpapiers, war es kein Zeitaufwand, doch durchdachte man, wie viele Sätze man zu lesen hatte und aus wie vielen Wörtern bestanden, verging es einem gleich. Eine zu hohe Zahl, um sie an den Fingern abzählen zu können, also war diese Arbeit schier unmöglich. Verschiebe nicht auf morgen, was sich auch auf übermorgen verschieben lässt. So legte Frank das Blatt ungeachtet auf einen Stapel von tausend Mappen und Blättern. Der Junge verschwand ohne jeglicher Worte in einem anderem Raum.

Der Chef der Firma lehnte sich bequem in seinem Stuhl zurück, nahm einen seiner Kugelschreiber, die sehr gefährlich waren, da sie ihn oft ganz blau machten, in die Hand und spielte mit diesem gelangweilt herum. Der Nachteil am Nichtstun ist, dass man nie weiß, wann man fertig ist.

Als es Mittag wurde, erhob sich Frank aus seinem Stuhl. Es war Arbeit genug nun auch noch zur Caféteria laufen zu müssen und sich das Essen nicht bringen zu lassen. Das Firmengebäude war ein zweifaches Labyrith in welchem man sich täglich verirren konnte. Und Monster lauerten einem an jeder Ecke auf. So auch diesmal. Es war ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern und einer Nase wie die von Pinocchio. Frank nannte ihn das Lügen-Monster und glaubte ihm kein Wort, denn lange Nasen logen immer.
Das Monster begleitete ihn mit kurzen Schritten zu einem Tisch und lies sich ihm gegenüber nieder. Um seinen äußerst gesunden Ernährungsplan fortzusetzen und sich strikt an die eigen gesetzten Regeln zu halten, holte sich Frank eine Portion Spinat. Das Monster holte sich unterdessen ein Steak, mit Bratkartoffeln. Der Bauch des Mannes passte gar nicht mehr unter die Tischkante, sodass er kaum an seinen Teller zu kommen schien. „Spinat schmeckt am besten, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein Steak ersetzt“, klärte Herr Reich das Monster auf und tauschte sogleich seinen Teller mit dessen.

Wie es ja meist ist, wenn man sich überfüllt, muss man später das ganze auch wieder raus lassen. Herr Reich eilte in die so wunderbar riechenden, weißen Räume, die meist viele Kästen mit Türen beinhalteten. Früher hatte er dazu Zauberkisten gesagt, denn sie beförderten mit einem Knopfdruck all das weg, was man hinter lies.

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Texte: Das Copyright liegt ausschließlich bei Nienor!
Tag der Veröffentlichung: 22.07.2010

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