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Das volle Weinglas, das auf meinem Schreibtisch stand, fiel zu Boden. Vor lauter Schreck wusste ich im ersten Moment nicht wo ich bin und was passiert war. Ich rollte mich schwerfällig auf die Bettkante zu, drehte den Kopf zum Boden hin. Es war alles rot. Der Rotwein bedeckte meine Unterlagen, die vor meinem Bett lagen. Ich drehte mich zurück, breitete meine Hand über meine Augen aus, so als wollte ich meine Gedanken verstecken. Doch dies konnte ich schon seit Tagen nicht mehr. Ich nahm meine Hand wieder weg vom Gesicht, legte sie neben meinen Körper. Er war regungslos, wie verfallen.
Ich schloss meine Augen und sah wie der Weinfleck zu Blut wurde, es drehte sich alles in mir. Tausend Gedanken schossen in meinen Kopf, spürte, wie es mir den Boden unter den Füßen zog, doch ich stand nicht auf dem Boden, nein ich lag starr in meinem Bett. Mein Plan drängte sich vor meine Augen. Seit Tagen habe ich mich auf den heutigen Tag vorbereitet. Oft dachte ich, ich sei verrückt, dass mir eine solche Überlegung überhaupt in den Sinn käme. Doch dann konnte ich gestern die Waffe auf dem Schwarzmarkt für 50 Euro kaufen. Die Munition gab es gratis dazu. Hundert Schuss, ob das reicht? Heute müssen sie alle daran Glauben, all diejenigen, die mich jahrelang gequält haben.

Als Außenseiter wurde ich abgestempelt. Meine Kindheit war ein einziger Kampf ums nackte Dasein. Stets hatte man mir meine Herkunft unterstellt, ja ich sei doch das reiche Kind, das alles hätte. Meine Eltern steckten mich in die teuerste Kleidung, die man sich nur vorstellen konnte, damit ich gut aussehe. Es sollte niemand sagen können, es ginge mir schlecht. Immerzu sollte ich ein überaus anständiges Kind sein. Nie durfte ich mich in einem fremden Sandkasten aufhalten, könnte ja schmutzig werden und die glamourösen Kleider beflecken.
Jegliche Freunde waren nie gut genug, es hieß, sie wollten mich nur benutzen, womöglich würden sie mich bestehlen. Auch wenn ich nicht gut genug in der Schule war, stellte mich mein Vater als Versager hin, als Nichtsnutze. Das hörte ich zu oft aus seinem Munde.

Ich kann es nicht mehr hören, es ist unerträglich mit diesen Gedanken zu leben. Selbst meine Mutter stand oft da, ließ diese abwertende Haltung meines Vaters mir gegenüber zu. Dafür hasse ich sie. Sie beide, meine Eltern haben mich zum Versager gemacht, obwohl ich doch ein toller Junge bin.

Niemand weiß wirklich über mich bescheid. Keiner hatte nur annähernd mein tiefes Wissen erkannt. Selbst die Mädchen ließen mich links liegen, sie sagten, ich sei ein verwöhntes Bübchen, ein Schnösel. Das tat weh. Ich kam nie zu dem Genuss ein Mädchen zu küssen, sie wendeten sich von mir ab, wollten mit mir nichts zu tun haben. Dies war meinem Vater sehr recht, denn es war kein Mädchen gut genug für mich. Ich sollte einmal ein reiches Mädchen heiraten, natürlich studieren, denn nur so könne ich ein Mann werden.

Doch die Schule schrieb vor einer Woche meine Eltern an, weil meine Deutschlehrerin mich durch die Prüfung hat fallen lassen. Insgesamt heißt es, ich sei in allen Fächer sehr schlecht, morgens unausgeschlafen im Unterricht erschienen. Alles hatte ich noch versucht, mein Leid wollte ich klagen, darum ging ich sogar zum Vertrauenslehrer, doch keiner nahm mich ernst. Jeder glaubte, es ginge mir gut, ich könne doch nicht jammern, mein Leben stehe auf gutem Fuße. Doch dann legte sich ein weißer Schleier über mein Gemüt. Es war als ob mich das Leben verließ.

Morgen steht ein Gespräch mit der Schulleitung und meiner Klassenlehrerin an. Aber dies weiß ich zu verhindern, denn ich werde bis dahin Tod sein. Niemand wird mich noch einmal als Versager bezeichnen. Meine Eltern sollen spüren wie das ist, im Leben zu versagen.

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Texte: Nicolin Braun
Tag der Veröffentlichung: 16.04.2009

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