ANDROMEDA
Perseus auf seinem Fluge
wurde einer Schönheit gewahr.
Sah zuerst sie als Marmorstatue,
doch ihr windspielendes, leuchtendes Haar,
und das Glitzern der Tränen verriet,
dass sie eine Lebendige war.
Sie schämte sich seiner Fragen,
doch wollte sie ihn nicht verletzen.
Die Liebe mit ihren Gesetzen
schrieb sich dabei in ihr Herz.
Denn einmal, da fehlte die Mutter:
Kassiopeia hatte sich im Hochmut verfangen,
und ihre eitlen Worte
sind in die Köpfe der Nereiden eingegangen.
Der greise Meeresgott Nereus,
Vater dieser Nymphen,
war ein Freund Poseidons
und spielte nun mit seinen Trümpfen.
Poseidon, Herrscher über alle Meere,
sprach das Orakel voller Schwere:
Das Königshaus Äthiopiens
sollte vor Wassern fortan bangen.
Er sandte ein Untier des Meeres,
und niemandem war es möglich,
dieses zu bannen.
Um den Fluch abzuwenden,
müsste das Leben von Andromeda enden
in der Umklammerung dieser Schlange.
Das wäre ihr Schicksal,
- und diese Angst währte schon so lange!
Kaum hatte sie zu Ende gesprochen,
fing der Schaum des Meeres an zu kochen.
Aus dem Donner der Wellenberge
erhob sich eine Drachengestalt.
Dort, wo gebunden am Felsen
Andromeda in Eisenketten stand.
Ein nass glänzendes Untier, das alle Zeiten überwand,
peitschte mit Dämons Kräften die Wasser,
welche zerstoben an steiniger Wand.
Die Klippen spien zu den schuppengrünen Tiefen
hin die Tropfen ihres Schweißes,
die da waren ein Kaltes und ein Heißes.
Die Eltern liefen im Schmerz herbei,
sahen die wilde Raserei
und warteten auf ein Zeichen.
Und Perseus,
mit festem Willen und starker Hand,
ließ sich im Herzen aus Liebe erweichen
und sprach:
"Ich will sie retten, und ach,
ich bin Perseus,
der Sohn von Danae und Zeus.
Alleiniger Sieger über die Medusa!
Aus ihrem blutigen Rumpfe
stieg mein geflügeltes Pferd.
Die Zeit, sie drängt,
der Drache weilt nicht friedvoll hier.
Der Abstand ist beengt!
Ist’s euch die Tochter wert,
dann nehmt die Bedingung an sogleich:
Ich will sie zu meinem Weib!
Und stellt mir nichts in meine Bahn,
sonst ist eure Tochter schon bald bleich."
Der Vater überfroh:
"So bleib!
Und als Mitgift noch mein Reich!"
Einem Adler gleich,
flog Perseus in die Höhen
und Andromedas Wimmern und Flehen
brachte ein schnelles Geschehen.
Im Kampfe mit Perseus wand sich das Tier.
Schmerzlautes Stöhnen verstärkte die Gier,
die Wehrlose letztlich zu fassen.
Sein Kampf steigerte sein Hassen.
Doch Perseus Schwert drang tief in den Rücken.
Eine Flucht konnte nimmermehr glücken.
Hieb auf Hieb wurde es geschunden.
Seine Kraft verlor es aus nicht zählbaren Wunden.
Die Wasser schäumten rot im Licht,
und blutumspült versank das Wesen
in eine tiefe Finsternis, aus der kein Laut
mehr nach oben bricht.
© Nibiru
24.08.2011
A N M E R K U N G :
BALLADE
https://wortwuchs.net/ballade/
Als Ballade wird eine Gedichtform bezeichnet. Meist handelt es sich um ein mehrstrophiges erzählendes Gedicht. Also um einen Text, der durch Verse und Strophen gegliedert und von Reimen geprägt ist (vgl. Reimformen, Reimschema), wobei sich sehr häufig ein festes Metrum findet, das allerdings nicht vorgegeben ist. Typisch für die Ballade ist, dass sie Merkmale der Lyrik, Epik sowie Dramatik verbindet, wodurch sie eine Mischform der drei Hauptgattungen darstellt. Unterschieden werden vor allem Volks- und Kunstballaden. Volksballaden zeichnen sich durch die mündliche Überlieferung und ihre Nähe zum Lied aus, wohingegen die Kunstballade schriftlich festgehalten wurde und sich durch einen Autoren auszeichnet. Spricht man von Balladen, so sind meist die Kunstballaden des 18., 19. und 20. Jahrhunderts gemeint, die von Bürger, Heine, Fontane, Goethe und Schiller geprägt wurden.
Texte: BY NIBIRU
Bildmaterialien: Paul_Gustave_Doré_Andromeda - Gemeinfreies Bild - Wikipedia -
Cover: BY NIBIRU
Lektorat: BY NIBIRU
Tag der Veröffentlichung: 18.10.2019
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