Sie laufen vor mir.
Ihr fröhliches Geplapper gilt nicht mir.
Ihr Lachen schließt mich aus.
Ich frage mich, weswegen sie mich mitgenommen haben.
Vor uns erscheinen vier Männer.
Sie sind anders als wir.
Doch auch ich bin anders.
Meine Begleiterinnen sagen etwas zu ihnen.
Ich höre nicht zu.
Sie lachen.
Der Grund dafür ist mir egal.
Meine Begleiterinnen sagen wieder etwas.
Und lachen.
Ich starre zu Boden.
Es ist frischer Schnee gefallen. Weiß wechselt mit dem Grau des Asphalts, der durch die Fußabdrücke schimmert.
Ich frage mich, wie lange wir hier noch stehen werden.
Die Männer sagen etwas.
Meine Begleiterinnen antworten.
Und lachen.
Die unbelaubten Bäume sehen im spärlichen Licht der Straßenlaternen aus wie gekrümmte Hände, die sich hilfesuchend dem Himmel zuwenden, doch der nicht reagiert.
Er sieht nicht einmal hin.
Einer der Männer tritt näher.
In seiner Hand blitzt etwas auf.
Meine Begleiterinnen stoßen seltsame Laute aus, die mich an Schweine in ihrer Panik vor dem Schlachten erinnern.
Ich hasse dieses Geräusch.
Es beginnt wieder zu schneien.
Meine Begleiterinnen schreien auf.
Kommen auf mich zu.
Verstecken sich.
Verstecken sich hinter meinem Rücken.
Mein verschleierter Blick richtet sich auf eine Schneeflocke, die auf meinem Ärmel gelandet ist.
Wie schön sie doch ist.
So wunderschön…
Die Männer gehen auf mich los.
Ich wehre mich.
Bewege mich beinahe automatisch.
Sie gehen weg.
Meine Begleiterinnen lachen fröhlich.
“Welch Glück, dass wir dich mitgenommen haben!”
Sie gehen weiter.
Beachten mich nicht.
Ich stehe da und starre auf den nun schmutzigen Schnee, der schon wieder von einer neuen Schicht frischen Weiß bedeckt wird.
Etwas rinnt aus meinem Mundwinkel.
Da ist Schmerz in meinem Bauch.
Ich presse meine Hand darauf.
Es ist warm und nass.
Der Schmerz wächst.
Wer hat mir glühendes Eisen zu trinken gegeben?
Ich hebe die Hand, recke sie meinen Begleiterinnen nach.
Wieso erinnert sie mich in diesem Moment an die Bäume?
Ich will um Hilfe bitten.
Öffne meinen Mund.
Aus meiner Kehle kommt nur ein Gurgeln.
Und Blut.
Es sprenkelt den Schnee zu meinen Füßen.
Schmerz.
Ich presse die Hand auf meinen Bauch.
Es ist warm. Warm und nass.
Meine Knie zittern.
Mein Körper bebt.
Meine Beine können mein Gewicht nicht mehr tragen.
Seltsam, das ist mir noch nie passiert.
Schmerz.
Schmerz.
Ich falle auf die Knie.
Der Schnee ist nicht mehr weiß.
Auch nicht grau vom Schmutz.
Er ist rot.
Wieso rot?
Ich falle zur Seite.
Etwas rinnt aus meinem Mund.
Ach ja, Blut.
Blut…
Und Schmerzen…
Das Blut hat den Schnee rot verfärbt.
Wie schön das doch ist.
So wunderschön…
Schmerz.
Schmerz.
Mein Blick ist unfokussiert und huscht die Straße entlang.
Sie ist leer.
Schmerz.
Schmerz.
In der Ferne höre ich eine weibliche Stimme lachen.
Wieso ist der schöne rote Schnee plötzlich von schwarzen Schlieren durchzogen?
Es ist kalt.
Schmerz.
Schmerz.
Und Kälte…
Mein Körper zuckt.
Schmerz.
Wer hat mir glühendes Eisen zu trinken gegeben?
Die schwarzen Schlieren im roten Schnee vermehren sich.
Wie Lebewesen.
Oh… rot… Blut…
Und Schmerzen…
Und Kälte…
Ich… sterbe…?
Jemand hat mich umgebracht…
Wer wühlt in meinem Bauch herum?
Es tut weh, so weh…
Und mir ist kalt…
Warum ist niemand hier?
Warum bin ich allein?
Vermisst mich niemand?
Jemand wühlt in meinem Bauch herum…
Wer hat mich umgebracht?
Mir ist kalt, so kalt…
Und es tut weh…
Schmerz.
Schmerz.
Wer tut mir so weh?
Ich huste.
Langsam schmilzt der Schnee um mich herum.
Wie schade.
Er war doch so schön.
Mein Atem geht immer schwerer.
Ich sehe kaum noch etwas.
Doch es schmerzt.
Und mir ist kalt.
Es wird schwarz.
…
Wer hat mich umgebracht…?
Tag der Veröffentlichung: 27.10.2010
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