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1. Teil

Dario Dallweiler zügelt von seinem Mietshaus in sein Eigenes, das eigentlich Eigentum von seiner Bank ist. Harry und Hexy werden ihm dabei helfen. Die beiden Freunde sind mittlerweile eingetroffen, aber man wartet immer noch auf Franz und Lothar, die anderen beiden bestellten Zügelmänner. Wie es ganz danach aussieht, scheinen diese zu spät zu kommen. Dallweiler beschließt schon mal anzufangen ...


Dario: So, meine Herren, wir beginnen am besten mit dem Schlafzimmer. Baut erst mal die Regale ab ... Was zum Teufel ist nur mit dem Franz und dem Lothar los; ist schon fast eine halbe Stunde drüber?!

Hexy: Hey Dario. Bist ja verdächtig fein in Schale gekleidet. Ich meine, für 'ne Zügelei ...

Harry: Ja, sieht ganz danach aus, als ob du dich nicht so abrackern willst wie wir. Du, mit deinen auf Hochglanz polierten Halblatschen, dem scheißbraunen Hemd und der ledernen Zuhälter Krawatte. Und wieso zupfst du dir dauernd dein Hemd über den Gürtel? Willst wohl damit deine ganz ansehnliche Wampe kaschieren, was?

Dario: Na ja, bin halt ein gepflegter Typ. Ihr wisst ja, dass ich im Außendienst Kaffee- und Biskuit Produkte verkaufe. Na, dann mal ran, Jungs. Wir wollen keine Zeit vergeuden!

Hexy: Also, Harry. Bauen wir im Schlafzimmer die Regale ab und schmeißen sie gleich aus dem Fenster unten in den aufgestellten Container. Hohohoh.

Harry: Hähäh. Aber Hexy. Wie kannst du nur! An den Möbelchen hängt unser liebes Dariöchen mit seiner ganzen Seele dran. Das hab' ich übrigens vor circa zwei Jahren bei seinem letzten Zügeltrip bemerkt. Das wirste heute auch mal erleben.

Hexy: Da bin ich aber mal gespannt.

 

Dario Dallweiler wackelt mit seinem Seehundschnauzer und blickt demonstrativ immer wieder auf die Uhr.


Dario: Tja, wie's aussieht, scheinen Franz und Lothar nicht zu kommen. Ich versuchte die beiden schon ein paarmal auf dem Handy zu erreichen, aber die gehen nicht ran. Und zurückrufen tun sie auch nicht. Ich versteh' das einfach nicht ... So was von unzuverlässig, die beiden.

 

Dallweiler verzieht sich jetzt in ein anderes Zimmer.

 

Harry: Ach, das liebe Dariöchen will uns doch einfach verarschen. Ich glaube, der möchte sich nur zwei weitere Männer sparen. Dass er immer auf seine Zwiebel guckt, ist doch sowieso nur Mache.

 

Nachdem die beiden Kumpels die Regale abgebaut haben, nehmen sie sich den großen Rest des Schlafzimmers vor. Und da erscheint der Hausherr wieder auf der Bildfläche.


Dario: Passt bitte auf die beiden Nachttischchen auf, dass der Lack nicht verkratzt. Wisst ihr, das sind sehr seltene Stücke. So was kriegt man heutzutage gar nicht mehr.

Hexy: Natürlich Dario. Wir passen schon auf.

 

Ein paar Minuten später:


Hexy: Hohohoh. Komm doch mal schnell her, Harry.

Harry: Was is' denn?

Hexy: Von hier aus sieht man gut in die Küche. Mann oh Mann, daaas ist vielleicht ein Backofen, sag' ich dir.

Harry: Backofen ist gut. Hähähäh. Das steht ja die Della, Darios Alte vor dem Backofen und ist wacker am Putzen.

Hexy: Ja, die steht davor. DIE meine ich ja mit 'Backofen' ... Dabei fällt mir ein: Am letzten Walswyler Herbstmarkt hab' ich den Dario gesehen, zusammen mit Kind und Kegel, und ... Ich hab' mich fast bepisst vor Lachen ... da hat der doch tatsächlich solche Hängerhosen, weißte, diese typischen Scheißkegelhosen angehabt ... Ja, und dann noch so ein verkehrtes Käppi auf'm Kopp. Der macht neuerdings nicht nur auf Hip und Hop, eben ganz auf trendy, sondern auch auf jung. Dabei hat er bereits graue Haare.

Harry: Ja, unser Grauhaardackel wedelt mit seinem Schwanz immer nach der neusten Mode. Nur von seinem scheußlichen Neandertalerbart und dem Seehundschnauzer kann er sich partout nicht trennen; dort steckt eben seine ganze Männlichkeit drin.

Hexy: ... wohl eher die Essensreste vom Mittagsmahl. Da braucht er am Abend nur noch seinen haarigen Batzen in einen mit heißem Wasser gefüllten Teller zu hängen und fertig ist die Suppe. Der Dallweiler war eben immer schon ein praktisch veranlagter Zeitgenosse.

Harry: ... nicht nur das: Immer up to date, denn letzte Woche hat er mir gesagt, dass er sich schon lange tätowieren lassen will.

Hexy: Fragt sich nur, wo? Hah, das sieht dem ähnlich. Obschon die Idee eigentlich genial ist: Kann er sich doch endlich mal seine widerliche Höhlenbewohner Visage auf seinen Hintern stechen lassen. Dort gehört sie auch hin.

Harry: Fehlt nur noch, dass seine Bella Della mit Leggings dahertrampelt; mit Spezialgrösse für Nilpferde. XXX Large, und mit Hosenbeinen so breit wie lang.

Hexy: Ja, und dazu kann sie dann den Hippo Hop tanzen. Wenn man sich das mal vorstellt, dass die noch vor wenigen Jahren ein Strich in der Landschaft war ...

Harry: Tja, und mittlerweile hat dieser einstige Strich die Landschaft vollständig ausgefüllt.

 

Hexy und Harry mühen sich jetzt mit dem großen und schweren Bett ab:

 

Harry: Los, Hexy. Uhhhh. Fass mal bitte unten an den Füßen an.

Hexy: Bei wem den, bei der dicken Della? ... Mann, ist das Scheißding schwer.

Harry: Das kannste laut sagen. Wenn die Della, seine Alte jetzt nicht in der Küche wäre, könnte man meinen, die liegt noch hier in dem Kahn drin. Aha, unser Dariöchen kommt wieder angesemmelt ...

Dario: Seit bloß vorsichtig beim Runtertragen, das ja nichts abbricht.

Hexy: Nu mach' mal halblang. Pass lieber auf, dass bald bei dir nichts abbricht. Quatsch keine Opern und pack lieber mal selbst mit an!

Harry: Richtig. Hör auf weiterhin Maulaffen feilzuhalten und hilf uns. Oder hast du etwa Angst, dass der Lack auf deinen Schühchen zerkratzt?

Dario: Oh, mein Handy klingelt. Fangt doch schon mal ohne mich an.

Hexy: Vielleicht ist's der Franz oder der Lothar. Kann sein, dass die im Verkehr stecken geblieben sind.

Harry: ... wohl eher in ihren Betten ...

 

Das Bett ist bereits im Lastwagen und die beiden Kumpels tragen soeben die zwei Nachttischchen nach unten.

 

Dario: Ach bitte stellt die beiden hübschen Möbelchen nicht aufeinander, sonst zerkratzt die Oberfläche. Das sind nämlich zwei ganz, ganz seltene Stücke.

Hexy: Keine Angst, Dario, nur keine Angst.

Harry: Mach dir nur nicht deswegen in dein braunes Hemd. Bist ja schon wieder am Rumzupfen ...

Dario: Was hast du nur gegen mein schönes, braunes Polohemd?

Harry: Eigentlich nichts, nur gegen deine permanente Nervensägerei.

 

Eine Weile später ...

 

Dario: Oh nein! Was habt ihr da bloß wieder gemacht? Die zwei Nachttischchen habt ihr DOCH aufeinander gestellt. Ich habe euch doch vorhin gesagt, dass ...

Hexy: Zwei? Siehst du vielleicht ZWEI Möbelstücke, Harry, hohoh?

Harry: Nö, ganz bestimmt nicht. Ich seh' beim besten Willen nur eines.

Hexy: Das ist EIN Möbelstück, lieber Dario.

Harry: Ja, was meinste, Hexy, könnte es sich wohl um ein sogenanntes Nachtdoppel-Tischchen handeln?

Dario: Ach kommt, Jungs. Ich lasse mich von euch nicht verschaukeln.

 

Wieder eine Weile später ...

 

Dario: Mit den beiden Ton Statuen von Della müsst ihr ganz, ganz vorsichtig sein.

Hexy: Wen stellen diese komischen Ton Figuren denn überhaupt dar?

Dario: Die eine ist Romina Power und die andere Al Bano.

Harry: Wohl eher ein Albino, der ist ja ganz weiß.

Dario: Das berühmte frühere italienische Schlagersängerpärchen. Della schwärmt immer noch von ihnen. Sie besitzt sämtliche LPs und CDs.

Hexy: Schlagersänger aus Ton. Na gibt's denn so was!

Harry: Ja, die Schlagersänger, die Sänger schlag' mer zusammen, mit voller Power.

Hexy: Ja, die klopp' mer aufeinander und zerdeppern sie zu einem einzigen Tonscherbenhaufen, dann geben die garantiert keinen Ton mehr von sich!

Dario: Seit bloß vorsichtig. So was kriegen wir nie wieder. Außerdem würde mir Della den Kopf abreißen.

Harry: ... na, wenn's weiter nichts ist, hohohoh!

Hexy: Oh, übrigens, wer hat denn vorhin auf dein Handy angerufen?

Dario: Das war der Franz, er ist leider verhindert. Er lässt sich vielmals entschuldigen.

Hexy: Und was ist mit Lothar?

Dario: Den kann ich leider nicht mehr erreichen.

Harry: Ja, natürlich. Wer's glaubt, wird selig.

 

Nach einer weiteren Stunde voller Plackerei ist alles verladen, und die Drei fahren mit dem Zügelwagen zu Darios neuem und trautem Heim. Dort angekommen hieven die beiden Kumpels das schwere Buffet runter, wobei der Dallweiler nur zögerlich und zaghaft mit anpackt. Minuten später steht das Mordsding vor dem Hauseingang.


Dario: Ich muss euch noch etwas sehr Wichtiges sagen, wegen des neuen Spannteppichs im Flur: Ihr müsst, bevor ihr mein Haus betritt, noch vorher die Schuhe ausziehen.

Harry: Waaaas? Da soll wohl nur 'n Scherz sein, oder!?


Aber Dario Dallweiler schaut ganz ernst. Und er meint es anscheinend auch ganz ernst.


Dario: Nein, nein, weil ... äh, der Teppich ist, eben ganz neu und ...

Hexy: Hey, Dallweiler! Du hast wohl'n Riss in deiner Senftube, was?

Harry: Jaaa, und zwar einen ganz Gewaltigen, und die drücken wir dir gleich aus. Hör zu, du ausgeleierter Kaffeebohnen- und Waffelschieber: Wenn du unbedingt darauf bestehst, dass wir unsere Latschen ausziehen, dann kannste deine Möbelchen mitsamt dem ganzen Gelumpe alleine in deine neue Loge schleppen.

Hexy: Ja, dann liegste da wie ein abgeschoss'ner Bock im Niemandsland.

Dario: Haaaalt! So hab' ich es doch nicht gemeint. Man muss halt schon sehr vorsichtig sein mit dem neuen Teppich. Behaltet meinetwegen eure Schuhe an. Ich muss noch schnell mit dem Motorrad ins alte Mietshaus zurückfahren und eine Weile der Della zur Hand gehen. Bin in spätestens einer Stunde wieder zurück. Macht doch inzwischen eine kleine Pause. Und wenn ihr vielleicht Hunger habt: Im Kühlschrank befindet sich noch in einer Schüssel ein Rest an Spaghetti Bolognese, die könnt ihr im Mikrowellenherd aufwärmen.

Harry: Hähähä. Danke, danke, wie grosszügig.

Hexy: Ja, ich liebe die italienische Küche.

 

Nachdem der Dallweiler mit dem Motorrad abgefahren ist ...


Hexy: Mensch, diese Lusche hat ja den Arsch offen. Ich schlage vor, wir rauchen erst mal eine.

Harry: Typisch, der Kerl verwalzt sich einfach. Hah, 'eine Weile der Della zur Hand gehen' ist gut: Haste geseh'n, der hatte schon wieder so eine verdächtige Schwellung in seiner Hose. Für's Zügeln ja, aber für eine feuchte Nummer in der alten Küche, für die ist sich diese Flasche nicht zu faul.

 

Danach inspizieren Harry und Hexy erst mal das Dallweilerische Eigenheim, das der Hausherr erst nach fünfundzwanzig Jahren sein Eigen nennen darf. Schließlich gelangen sie in die Küche.


Hexy: Mann, sieh mal, 'nen neuen Kühlschrank haben die sich auch angeschafft.

Harry: Und was für ein Monsterteil. Sieht eher aus wie eine riesige Kühltruhe. Die brauchen ja auch entsprechend Platz für ihre Fressalien. So eine verfress'ne Mischpoke.


Hexy öffnet die Tür des monströsen Kühlschranks und greift sich die Schüssel mit den Spaghetti. Ansonsten befinden sich dort drin weder andere Speisen noch Getränke.


Hexy: Bei den Spaghetti Bolognese musst du die Fleischsoße aber mit der Lupe suchen. Porca Miseria! DAS soll italienische Küche sein? ... und, die Rückwand von diesem Kühlschrank ist völlig schwarz ...

Harry: Igitt, igitt! Wer weiß: Vielleicht finden wir da drinnen noch eine schwarze, tote Katze. Quasi als Beilage. 'Spaginsgy à la Gatto nero'.

Hexy: ... eine schwarze, unheimliche Dunkelheit.

Harry: Wohl eher das schwarze Loch, was?

Hexy: Eine Schwärze, eine Tiefe, die mich irgendwie anzieht ...


Nicht nur Hexy, auch Harry verspürt jetzt den unwiderstehlichen Drang, in diesen überdimensionalen Kühlschrank hineinzuklettern ...


Harry: Diese unheimliche Dunkelheit ist wie ein Magnet. Ich MUSS da rein, Hexy!

Hexy: Ja, wie ein alles verschlingendes schwarzes Loch.

 

Nachdem sie die darin befindliche Spaghettischüssel herausgenommen und auf den Boden gestellt haben, klettern Harry und Hexy schließlich nacheinander in den Kühlschrank rein. Sie tauchen ein in die schwarze Wand, die zu ihrem Erstaunen nicht den geringsten Widerstand leistet ... Sie krauchen und krauchen ... Es geht leicht nach unten. Ganz vorsichtig bewegen sich die beiden vorwärts und kommen sich vor wie Max und Moritz, als sie durch den warmen Schornstein gekrochen sind. Nur robben unsere beiden Helden jetzt durch einen stockdunklen und eiskalten Tunnel.


Hexy: Mein Gott, hoffentlich kommen wir da je wieder raus. Das ist ja das reinste Hölloch von Muotathal in der Schweiz!

Harry: Diese Finsternis und diese unheimlichen Wände. Das ist vielleicht ein schräger Trip. Mann, wir sind doch nicht stoned!

 

 

2. Teil

Plötzlich stoßen sie an eine Wand, die sogleich nachgibt, sich, als eine Tür öffnet und die beiden purzeln aus dem Inneren.

 

Harry: Wo zum Teufel sind wir denn hier nur gelandet?

 

Hexy: Dieser Raum kommt mir aber irgendwie bekannt vor ...

Harry: Ja, mir auch.

Hexy: Das ist doch ... das ist doch DALLWEILERS KÜCHE von vorhin!!!

Harry: Nein, das kann nicht sein ... Wir sind doch vorhin nicht zurückgekrochen, oder etwa doch?

Hexy: Nein, bestimmt nicht ... aber ... fällt dir auch etwas auf?

Harry: Ja, es ist zweifellos dieselbe Küche, doch sieht diese sehr verändert aus.

Hexy: Diese Küche ist vollständig eingerichtet. Sieh mal, aber der Kühlschrank sieht immer noch genau gleich aus wie von vorhin, als wir in diesen hineingekrochen sind ... die Spaghettischüssel, die wir vorhin auf den Boden gestellt haben, ist auch verschwunden. Das gibt's doch nicht! Da scheint uns wohl ein böser Geist auf unsere Hirnrinden geschissen zu haben.

 

Die beiden verblüfften Kumpels verlassen die Küche und gelangen ins Wohnzimmer, das ebenfalls vollständig eingerichtet ist, mit allen Möbeln, Vorhängen usw.

Harry geht jetzt ins, ebenfalls eingerichtete Büro.


Harry: Hey Hexy, komm mal hier rein! Wieso haben die hier an der Wand schon den Kalender vom nächsten Jahr aufgehängt?

Hexy: Tatsächlich. Vom Jahr 2019. Wir haben doch erst 2018. Und das im Büro des Dallweilers. Ja, wie isses denn bloß möglich?

 

Harry geht wieder zurück ins Wohnzimmer und betrachtet den weißen Spannteppich unter seinen Füßen, während Hexy immer noch im Büro verharrt.

Nach einer Weile erscheint Hexy ganz aufgeregt ...


Hexy: Sieh her, dieser Taschen Kalender, ebenfalls vom Jahr '19 lag auf dem Bürotisch. Der Telefonbeantworter ist eingeschaltet. Und den hab' ich gleich mal abgehört: "Hier ist der automatische Telefonbeantworter der Familie Dallweiler. Wir sind ferienhalber abwesend vom 5. November 2019 bis 4. Januar 2020."

Harry: Und heute haben wir den 15. November im Jahr 2018. Das heißt, eigentlich 2019; laut des Kalenders. Da machen die genau zwei Monate Ferien. Wahrscheinlich wieder auf so 'ner stinklangweiligen Kreuzfahrt, wie vor zwei Jahren. Da stopfen sie sich dann, wie so üblich, die Wampen voll. Das passt zu denen.

Hexy: Mir schwant etwas: Harry, so bescheuert es auch klingen mag: Als wir vorhin durch diesen verdammten Kühlschrank gekrochen sind, sind wir gleichzeitig in eine andere Dimension gekrochen ... wie in einem Tunnel, etwa so ähnlich wie in 'The Time Tunnel', diese alte amerikanische Science-Fiction-Fernsehserie noch aus den 1960er Jahren.

Harry: Ja, in eine andere Zeitzone. Das heutige Datum - hier, auf dieser Seite im Haus, wohlbemerkt - ist tatsächlich der 15. November 2019. Wie man auch auf der Datumsanzeige der Digitaluhr im Wohnzimmer ersieht. Das ist ja verrückt: Wir befinden uns eigentlich nur auf der anderen Seite des Kühlschranks; räumlich gesehen. Aber zeitlich gesehen befinden wir uns genau auf den Tag ein Jahr in der Zukunft.

Hexy: Scheint so, als machen wir dem Zeitreisenden aus H.G.Wells 'Die Zeitmaschine' Konkurrenz ...

Harry: ... oder Marty McFly in 'Back to the future'. Häha! Und im Inneren des Kühlschranks befindet sich wohl in unserem Fall zweifellos der sogenannte 'Fluxkompensator'. Es ist unglaublich, dass, während wir durch das dallweilerische Hölloch gekrochen sind, ein Jahr vergangen ist. Hoffentlich befinden wir uns dann wieder im Jahr 2018, nachdem wir zurückgekrochen sind.

 

Im Schlafzimmer entdeckt Harry in der Schublade von einem der beiden Nachttischchen ein Tagebuch.


Harry: Na sieh mal einer an: Das Tagebuch von 'Signora Dallweiler' ... Womöglich hat sie dieses vergessen, in den Urlaub mitzunehmen.

Hexy: Hoppla. Mal sehen, was da im Büchl alles so drinsteht ...

Harry: Die intimen Bekenntnisse der drallen Della Dallweiler, hähhäh! ... aha, die letzte Eintragung ist vom 4. November 2019, also ein Tag vor ihrer Abreise:

"Ab morgen begeben wir uns wieder auf eine wunderschöne, zweimonatige Kreuzfahrt ..."

Siehste? Na, was hab' ich vorhin gesagt? Aber weiter im Text:

"... und wir freuen uns riesig darauf. Dort kann man vierundzwanzig Stunden lang ununterbrochen schlemmen. ..."

Ja, diese Hungerkünstler, jetzt können sie endlich wieder mal auch ZWISCHEN ihren sonst fünf täglichen Mahlzeiten etwas zu sich nehmen. Diese verfress'nen Säue! ... und ... bla, bla, bla. Oh ... da ist noch was:

"Am 15. November werden wir auf dem riesigen Ozeandampfer etwas zu feiern haben, denn dann jährt sich der Tag, an dem wir unser schönes, neues, trautes Heim bezogen haben. Harry und Hexy hatten an jenem bedeutungsvollen Tag ja auch wacker gezügelt. Mein Darling Dario hatte vorher noch verlauten lassen, dass der Franz sowie der Lothar auch kommen, um beim Zügeln zu helfen. Das war natürlich gelogen. Wir wollten nur nicht bei diesen beiden Blödianen den Eindruck erwecken, sie müssten sich allein abrackern (was sie schließlich dann doch getan haben. Der Zweck heiligt eben die Mittel. Hehehe!) ... Und das erst noch gratis ..."

Hexy: Meeeeensch! Diese verdammten, hinterhältigen Schmarotzer Schweine!!!

Harry: Wie wahr. Aber hör zu, es geht nämlich noch weiter:

"... natürlich haben wir die beiden wackeren Zügelmänner vor der Zügelei zu einem fürstlichen Abendessen eingeladen. Tja, da warten diese Dämlacke heute noch drauf. War ja eh alles nur pro forma. Heheh! ..."
Verflucht. Ist denn das die Möglichkeit. Da ham die uns aber schön rangekriegt!

Hexy: Na wartet nur, ihr beiden dallweiler'schen Darlings. Da werden wir diesem Tschibo- und Krümel Gruftie und seiner elefantösen Ollen einen Denkzettel verpassen, der sich gewaschen hat.


Harry schaut jetzt auf die Uhr:


Harry: Seit dem Gekrauche im Kühlschrank und unserer bisherigen Anwesenheit hier ist lediglich knapp eine halbe Stunde vergangen. Also Zeit genug, bis unser lieber Freund und neuer Hausherr wieder zurückkommt ... auf der anderen Seite, in unserer Zeit.

Hexy: Du, ist der Dallweiler nicht gelernter Dekorateur?

Harry: Das stimmt, ich kann mich noch gut erinnern: Vor ein paar Jahren, in so einem beschissenen Kaufhaus in Walswyl. Das war, bevor er als Außendienstler auf Tour ging.

Hexy: Also dann mal ran an die Buletten, DEKORIEREN wir mal sein trautes Heim!!!

 

3. Teil

Gesagt, getan:

Bestimmte Lebensmittel aus der Vorratskammer und der Tiefkühltruhe unten im Kellergeschoss tragen einen wesentlichen Teil zur Dekoration bei:

Der Inhalt verschiedener Konserven und Einmachgläser, sowie zwei Dutzend Eier ergeben ein pittoreskes Muster auf dem hübschen, weißen Spannteppich. Aprikosen aus der Dose, Konfitüre, Rumtöpfe u.a. Dann aus vier kiloschweren Packungen eingefrorenes Fleisch, Pizzas, Meeresfrüchte etc.

Zehn Flaschen vom feinsten, ältesten und vor allem, teuersten Bordeaux aus dem Weinkeller runden das kulinarische Buffet auf dem Spannteppich schließlich ab. Das heißt: Fast ...


Hexy: Irgendwas fehlt noch, was meinste dazu, Harry?

Harry: Ja, da haste Recht ... Sieh mal, da in der Ecke steht noch 'n Kratzbaum. Die halten sich tatsächlich einen oder mehrere Stubentiger.

Hexy: Die ham die Viecher wegen ihrer Ferienabwesenheit vermutlich bei den Nachbarn untergebracht. Kratzen wir doch weiterhin ein wenig an Dallweilers Fassade ... !

 

Harry entdeckt unten in der Garage noch zwei volle Abfallsäcke und schnüffelt daran.


Harry: Was meinste, was ich soeben unten in der Garage gefunden habe: Hähäh. Die waren wohl derart mit dem Packen vor ihrer Abreise beschäftigt, dass sie in ihrem Ferien Fieber vergessen haben, die Säcke zu entsorgen ... zwei ganze Säcke voll mit Katzenstreu, aber benutzt!

Hexy: Hohoh. Miau, Miau!


Harry schneidet einen der Säcke auf und zerstreut den grässlich stinkenden Inhalt auf den Teppich. Den anderen Sack hingegen schneidet er nur unten am Rand vorsichtig auf und lässt diesen stehen.


Hexy: Wieso leerst du den anderen Sack auch nicht aus?

Harry: Wir wollen doch mal nicht so gemein sein, was Hexy? Wenn die dann den stehenden Sack sehen, sind sie froh, dass wenigstens noch ein voller übrig geblieben ist, und sie diesen nur rauszutragen brauchen. Sie werden dann aber gleich eines Besseren belehrt werden, wenn sie das Ding hochheben und der ganze Katzenstreu unten wieder rauskommt ...

Hexy: Das darf ja nicht wahr sein! Hohohoh! Bravo Harry: Fantastische Idee. So was von raffiniert!

 

Im Wohnzimmer der Dallweilers kann es natürlich nicht zum Himmel stinken, doch wenigstens bis zur Decke, und dies ganz gewaltig. Doch damit nicht genug: Harry dreht in sämtlichen Räumen die Heizkörper auf Hochleistung auf.

 

Harry: ... damit dann auch das 'Bouquet' voll zur Geltung kommt.

Hexy: Was sind wir nur für zwei unartige Burschen! Ja, wir sollten uns eigentlich richtig schämen, weil wir vergessen haben, uns vorher die Schuhe auszuziehen. Dieser schöne, weiße Spannteppich. Diesen sollte man jetzt rausreißen, dann zusammenrollen und als fertige Frühlingsrolle servieren. Die entsprechende Füllung ist angerichtet. Das ist WAHRE Kunst, mein Freund. Avantgarde Kunst, Dadaismus auf Deibel komm raus, oder so was in der Richtung.

Harry: Springroll made by Beavis & Butthead. Schade, dass wir nicht Live auf MTV sind, oder wenigstens auf Youtube.

Hexy: Eine Frühlingsrolle Extra Large. Na, dann guten Appetit, liebe Familie Dallweiler!

 

Harry holt noch schnell die in der Wohnwand aufgestellten Al Bano & Romina Power Ton Figuren.

 


Harry: Dellas Darlings. Denen haue ich jetzt die Köppe ein.

 

Gesagt, getan, stellt Harry die Reste, die noch von den beiden Tonfiguren übrig geblieben sind, wieder in die Wohnwand. Danach begeben sich unsere beiden Zwischenzeitenbummler wieder zurück in die Küche.

Harry schaut jetzt auf seine Uhr: Knapp eine Stunde ist seit ihrem Aufbruch vergangen.


Harry: Unheimlich, unheimlich. Aber das wirklich Unheimlichste an der ganzen Sache ist, dass man nicht die geringste Spur eines Einbruchs finden wird. Du, ich glaub', wir müssen wieder ...

Hexy: Ja, es wird allmählich Zeit, dass wir wieder auf UNSERE Seite, sprich Zeitebene zurückkriechen. Hoffentlich hat sich drüben in der Zwischenzeit nichts verändert: Dass wir möglicherweise in so etwas wie in ein 'Zeitparadoxon' geraten, oder wie man das nennt; dann wären wir aber richtig am Arsch! ... Moment mal, Harry! Wir haben noch etwas Wichtiges vergessen ...


Hexy begibt sich geschwind nochmals ins geräumige Wohnzimmer, das jetzt in einen herrlichen Schweinestall verwandelt ist. Links, neben der Wohnwand hängt ein großes Poster von Dieter Bohlen. Er reißt das Poster mit einem Ruck herunter, zerfetzt das Ding in circa dreißig Stücke und schmeißt die Fetzen mit angewidertem Gesichtsausdruck auf den mit Katzenscheiße und Fressalien übersäten Teppich.


Harry: Aber Hexy. Dass du auch immer gleich so übertreiben musst! Das Poster war in seinem unbeschädigten Zustand einzigartig scheußlich, dass es hervorragend zu dieser Saustall Kulisse gepasst hätte. Damit hast du jetzt ein Stück 'Kunst' zerstört. Na ja, scheiß drauf!

Hexy: Aber was machen wir nur, wenn wir jetzt aus irgendwelchen uns unbekannten Gründen in dem Kühlschrank nicht mehr in unsere Zeit zurückkrauchen können?

Harry: Kein Problem, Hexy: Dann wartet unser geliebter Kacker Dario halt vergebens auf unsere 'Rückkehr aus dem Kühlschrank', und er kann sich allein mit seinen Möbeln abrackern, sich sein Kreuz schief schuften. Und was Letzteres betrifft: Das kann er nun sowieso aufgrund seiner parasitären und geizigen Gesinnung. Na ja, und hier in seinem Haus lässt's sich doch prima eine Weile lang aushalten. Unsere geliebten und noch unwissenden Gastgeber kommen ja erst in circa sieben Wochen wieder von ihrer Kreuzfahrt zurück. Bis dahin lassen wir es uns gut gehen; in der Speisekammer hat es immer noch mehr als genug zu fressen und zu saufen. Da schlagen wir uns tüchtig die Wänste voll. Den von uns angerichteten Schweinestall im Wohnzimmer müssen wir ja nicht unbedingt betreten, oder? Das überlassen wir dann später den stolzen Hausbesitzern. Denen werden wir kurz nach ihrer Ankunft einen Überraschungsbesuch abstatten, um ihnen beim Verzehr ihrer Frühlingsrolle extra large einen guten Appetit zu wünschen, hähäh!

Hexy: Vielleicht kommt aber vorher jemand von ihren Nachbarn vorbei, um die Räume zu lüften und Pflanzen zu giessen, dabei entdeckt man mit Sicherheit unsere Frühlingsrolle im Wohnzimmer, allein schon vom bestialischen Gestank her. Das erzielt dann leider nicht mehr denselben Effekt wie geplant ...

Harry: Na gut, aber das könnten wir ja eh nicht verhindern, ob wir im Kühlschrank in unsere Zeitdimension zurückkriechen können oder nicht.

Hexy: Apropos Kühlschrank: Hoffentlich bleiben wir darin während unserer Rückkehr nicht stecken, dann verwandeln WIR uns nämlich in Frühlingsrollen extra large, aber in zwei kaltgestellte Frühlingsrollen!

Harry: Wir haben jetzt keine Zeit mehr, um rumzulabern, Hexy. Ab in den Kühlschrank! Ab durch die Mitte!

 

Gesagt, getan.

Unsere beiden Helden begeben sich erneut in den monströsen Kühlschrank, um wieder ein Jahr zurückzukrauchen, das nur wenige Minuten in Anspruch nehmen soll ...

... was ihnen auch problemlos gelingt.

... wieder 'drüben' angelangt, steigen sie aus. Die ganze Küche scheint sich in normalem Zustand zu befinden, wie sie sie vor circa einer Stunde verlassen haben. Oder etwa doch nicht ...?

Harry und Hexy schauen sich erst mal etwas nervös um. Die beiden hegen immer noch Zweifel. Die Schüssel mit dem Rest Spaghetti, die sie vor ihrer 'Zeitreise' aus dem riesigen Kühlschrank genommen haben, steht jedenfalls nach wie vor auf dem Boden. Und als circa fünf Minuten später der Herr des Hauses und des neuen trauten Heimes wieder auftaucht, wissen sie mit Bestimmtheit, dass sich in ihrer 'Dimension' nichts verändert hat. Das heißt: Es ist immer noch der 15. November 2018, und lediglich eine Stunde ist seit ihrem Aufbruch zu ihrem unfreiwilligen und enthüllenden Zukunftstrip vergangen.


Dario: So, meine lieben Freunde. Ich bin wieder zurück.

Harry: Wir auch, lieber Dario, hähäh!

Dario: Häh! Wie meinst du das?

Hexy: Wie waren nur mal eben auf einer kurzen Reise. Aber nicht mit einem Ozeandampfer auf einer Kreuzfahrt. Na, du geiles Böcklein, hast du vorhin in deinem alten Mietshaus einen dollen Schubs gehabt mit deiner Della?

Dario: Ha, ha, ha, deine Witze waren schon mal besser. Du bist ja sowas von albern und ordinär, Hexy! ...

Harry: Wir zwei haben übrigens vorhin auch so was in der Art von 'Schubs' erlebt!

Dario: Ich habe keine Ahnung, was ihr da faselt ... Aber, was macht denn die Schüssel Spaghetti auf dem Boden?

Hexy: Der Kühlschrank hat sie wohl vor Ekel ausgespuckt. Deine furztrockenen Spagovsgy kannste dir in deine Tolle schmieren, als Gel. Das, was da dein Brummer Della zusammengebrutzelt hat, war wohl schon das versprochene, fürstliche Abendmal, was? ... ach, übrigens: Dario, uns beiden ist plötzlich die Lust am Zügeln vergangen.

Dario: Was soll das jetzt wieder heißen?

Harry: Jawoll, da schauste mit deinen Stecknadelkopf Augen schön dumm aus der Wäsche, was? Hör zu, du Waffelpilger und stolzer Hausbesitzer: Das soll heißen, dass du ab jetzt deine Möbelchen alleine in dein Häusl schleppen kannst.

Hexy: Wenn du Hilfe brauchst, dann ruf doch deine Freunde Franz und Lothar an. Aber vielleicht wartest du immer noch auf die.

Dario: Waaaas? Ihr spinnt wohl. Ihr ... ihr könnt mich doch nicht einfach mir nichts, dir nichts im Stich lassen!

Harry: Doch, könn'wer. Fick dich, Bubi!

Hexy: Ciao Bello.

Harry: Bye bye Dariöchen Dalleweiler Langeweiler. Und wenn du wieder mal Hilfe beim Zügeln brauchst, ruf uns doch einfach wieder an.

Hexy: Ach, ich muss noch was erwähnen: Einen wirklich SCHÖNEN Spannteppich haste dir da angeschafft. Hohohoh!

Harry: Ja, du kannst uns gern mal auf eine FRÜHLINGSROLLE, EXTRA LARGE einladen, in deinem Haus!

Hexy: Zum Schluss noch ne Frage: Magst du denn gern Frühlingsrollen?


Die beiden Kumpels begeben sich nun in Richtung Ausgang und lassen einen ratlosen Dallweiler mit wackelndem Seehundschnauzer zurück.


Dario: Kommt gefälligst zurück, ihr verdammten Mistkerle!!

Harry: Wieso, wir SIND ja bereits zurückgekommen: quasi 'Zurück aus der Zukunft'

 

Die Einträge in Della Dallweilers Tagebuch werden sich demnach wohl oder übel ändern, aufgrund der Enthüllung von Hexys und Harrys grossem, zeitlichem Zügelstreich.
Jedenfalls werden sich die beiden Zügelmänner in ihren Kalendern das Datum des 5. Januars 2020 dick und rot ankreuzen...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.09.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Text Copyright by Carl Isangard Cover made by Mike Kast

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